Nights of Passion

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Zwei prickelnd heiße Romane der SPIEGEL-Bestsellerautorin Julie Kenner!

Hot Revenge - Lustvolle Rache:
Früher war Belinda ein hässliches Entlein und wurde von ihren Mitschülern ausgegrenzt. Jahre später kehrt sie als sexy Schwan an den Ort ihrer Kindheit zurück. Sie hat nur noch ein Ziel: Rache. Jeden Typ, der sie damals ausgelacht hat, wird sie anmachen und dann genüsslich abblitzen lassen. Ein guter Plan … der sich leider nicht in die Tat umsetzen lässt. Denn schon ihr erstes "Opfer" ist so verführerisch, dass Belinda alles andere vergisst und sich in einem Strudel der Lust verliert …

Lessons in Lust - Sündige Lektionen:
Mattie ist in allem die Beste - bis sie ausgerechnet bei einem Sex-Test im Internet versagt. Nun braucht sie dringend Erfahrung in Sachen Lust. Ganz klar. Ein Macho muss her, ein echter Womanizer - aber leider ist grade nur ihr zurückhaltender Nachbar Mike verfügbar. Beim sinnlichen Flirt-Unterricht sprühen trotzdem bald die Funken und Mattie ist fasziniert: Wer hätte gedacht, das hinter der Fassade des Nerds von nebenan so aufregend erotische Fantasien schlummern?


  • Erscheinungstag 01.05.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783956494284
  • Seitenanzahl 352
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Julie Kenner

Nights of Passion

Hot Revenge – Lustvolle Rache

 

Lessons in Lust – Sündige Lektionen

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2015 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgaben:

Reckless

Copyright © 2000 by Julia Beck Kenner

erschienen bei: Harlequin Enterprises, Toronto

Taschenbuch-Erstausgabe

The Perfect Score

Copyright © 2006 by Julia Beck Kenner

erschienen bei: Harlequin Enterprises, Toronto

Deutsche Erstveröffentlichung

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion:Maya Gause

Titelabbildung: Mills & Boon

ISBN eBook 978-3-95649-428-4

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Julie Kenner

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Johannes Heitmann

1. KAPITEL

Drei Männer, das bedeutete auch drei Verführungen auf dem Ehemaligentreffen.

Perfekt, dachte Rachel, die nun schon über 1500 Meilen gefahren war. Es musste einfach klappen.

Sie biss sich auf die Unterlippe und kämpfte mit den Tränen, als sie sich der Stadtgrenze von Braemer näherte. Der nachtschwarze Himmel war sternenklar. Rachel strich sich durch das dunkle Haar. Ihre helle Haut schimmerte im Licht der Straßenlaternen.

Entschlossen straffte sie die Schultern und rief sich in Erinnerung, dass sie jetzt eine attraktive erfolgreiche Frau war, die selbstbewusst auf das zurückblicken konnte, was sie in den vergangenen zehn Jahren erreicht hatte. Und genau diese Haltung brauchte sie für die nächsten Tage.

Sie würde es sich selbst beweisen und allen anderen auch.

Wenn sie erst zurück nach New York fuhr, würde sie es den drei Kumpeln gezeigt haben. Derek Booker, Jason Stilwell und Carl MacLean. Die drei hatten ihr die Zeit auf der Highschool zur Hölle gemacht.

Sicher würde niemand in der Stadt sie jetzt erkennen. Die dicke, schüchterne Belinda Rachel von damals gab es nicht mehr. Jetzt nannte sie sich nur noch Rachel, und sie sah gut aus. Hinreißend und aufregend.

Ich bin sexy, sagte sie sich. Und ich werde den drei Mistkerlen den Kopf verdrehen, bis sie mich rettungslos anhimmeln. Bis zum Ehemaligentreff würde sie auf Teufel komm raus mit ihnen flirten, um ihnen dann klarzumachen, dass sie für Rachel Dean einfach nicht gut genug waren.

Eine Träne lief ihr die Nase entlang, und Rachel wischte sie verärgert weg. Wieso reichte schon ein Blick auf ihre Heimatstadt aus, um ihre kühle selbstsichere Art, die sie sich in Manhattan zugelegt hatte, zum Wanken zu bringen? Sie weinte sonst nie.

Ein Blitz zuckte über den Himmel, und sofort fielen dicke Regentropfen auf das Autodach. Der Lärm war ohrenbetäubend, die Sicht minimal. Unwillig hielt Rachel am Straßenrand an, um den Regen abzuwarten.

Auf dem Beifahrersitz lag die Einladung zur Highschool-Party. Wenn ihr jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, sie werde einmal freiwillig wieder hierherkommen, dann hätte Rachel ihn für verrückt erklärt. Doch jetzt saß sie hier und erinnerte sich an alle Grausamkeiten, die ihr in der Schule widerfahren waren.

Das letzte Jahr war das schlimmste gewesen. Da hatte Carl angefangen, sie vor den Witzen und Spötteleien der anderen Kids in Schutz zu nehmen. Dann folgten seine beiden Freunde seinem Beispiel, und Rachel fing an zu glauben, die drei seien ihre Beschützer, ja vielleicht sogar ihre Freunde.

Beim Abschlussball hatte sie gemerkt, wie dumm sie gewesen war. Carl hatte sie eingeladen, und sie hatte wie eine Idiotin die Einladung angenommen. Zu diesem Anlass hatte sie all ihr Geld zusammengekratzt und sich ein passendes Kleid gekauft. Dann hatte sie sich das Haar sehr sorgfältig frisiert, und ihre Mom hatte ihr die Nägel manikürt.

Mit schweißnassen Händen hatte sie im Wohnzimmer darauf gewartet, von Carl abgeholt zu werden. Mit Romantik hatte sie gar nicht gerechnet, aber auf sein eisiges Schweigen war sie auch nicht vorbereitet gewesen. Im Festsaal hatte er sie gleich allein gelassen, um sich auf die Suche nach Punsch zu begeben. Der war anscheinend schwer zu finden, denn Carl kehrte nicht zurück. Als Rachel Jason Stilwell und Derek Booker erzählte, dass Carl sie zum Ball eingeladen habe, lachte Jason ihr nur offen ins Gesicht.

Der krönende Höhepunkt ihrer Demütigung war der Moment gewesen, als Jason auf die Bühne stieg und verkündete, dass der gesamte Jahrgang sie zu dem Mädchen gewählt hatte, das am wahrscheinlichsten für immer Jungfrau blieb. Damals hatte sie sich Zauberkräfte gewünscht, um sich rächen zu können.

Jetzt zuckten Blitze über den Himmel, und Rachel fuhr zusammen.

Sie war weggelaufen, ohne sich umzusehen. Eine Woche später war sie in New York angekommen, und in weniger als einem Jahr hatte sie mit dem Mädchen von früher nichts mehr gemein.

Doch so sehr sie es auch versucht hatte, sie war Braemer durch das Weglaufen nicht entkommen. Trotz Diät, Intelligenz, Charme, Make-up und Geld hatte sich im Grunde nichts wirklich geändert. Seit zehn Jahren hatte sie sich wegen ihrer Vergangenheit über keinen Erfolg richtig freuen können.

Damit sollte jetzt Schluss sein. Rachel wollte sich den Gespenstern der Vergangenheit stellen und ihr Leben genießen können.

Auf ewig Jungfrau? Sie würde die drei Kumpel dazu bringen, sie mehr zu begehren als jede andere. Es kam ihr so vor, als könnte sie sich dadurch etwas zurückholen, was die drei ihr gestohlen hatten.

Die Entscheidung, der Einladung zu folgen, war ihr nicht schwergefallen. Ihr war das Apartment in Manhattan gekündigt worden, und ein Buchvertrag, an dem sie einen Monat lang gefeilt hatte, war geplatzt. Doch das Schlimmste war, dass ihr derzeitiger Freund, mit dem sie oft essen und tanzen ging, sie hatte sitzen lassen.

Bis dahin war alles bestens zwischen ihnen gelaufen, und auf einmal verließ er sie. Er musste hinter ihre Fassade gesehen und das dicke verunsicherte Mädchen mit Brille, Zahnspange und ungepflegtem Haar entdeckt haben. Und dieses Mädchen hatte er wenig reizvoll gefunden.

Schluss damit! Sie schlug mit der Faust aufs Lenkrad. Sie hatte sich geändert. Ihr ganzes Auftreten war ein anderes, und sie bestimmte ihr Leben selbst.

Da es nun nicht mehr ganz so schlimm regnete, ließ sie den Motor wieder an und fuhr weiter. Hoffentlich gab es das Cotton Gin als Treffpunkt des Ortes noch.

Im Moment war Rachel allerdings nicht sehr danach, Charme zu versprühen. Und ohne Schirm oder Regenmantel würde sie wie eine nasse Ratte wirken. Vielleicht sollte sie sich lieber ein Zimmer in der Pension nehmen und das Cotton Gin für heute Abend vergessen. Bestimmt war Carl ohnehin nicht dort. Oder sollte sie sich auf die Suche nach Derek Booker machen?

Nein. Carl MacLean stand auf ihrer Liste ganz oben. Und wenn sie ihrem Plan folgen wollte, dann durfte sie nicht kneifen.

Ja, dachte sie. Zuerst Carl.

Im Moment sehnte sie sich allerdings erst mal danach, trocken zu bleiben. Für heute sollte sie ihren Rachefeldzug aufschieben und sich lieber mit einem guten Buch ins Bett legen.

Sie beugte sich vor und blickte angestrengt auf die Straße.

Und plötzlich sah sie den Hund.

Sie riss das Lenkrad herum und trat auf die Bremse, doch der Wagen geriet ins Rutschen und traf das Tier mit einem dumpfen Laut, bei dem Rachel ganz übel wurde. Tränen schossen ihr in die Augen. Das arme Tier!

Immer wieder trat sie auf die Bremse, aber das verdammte Auto blieb erst stehen, als es mit der Vorderachse im Graben landete.

Sofort sprang Rachel aus dem Wagen und lief auf die Straße. Es war ein schwarzer Hund, wahrscheinlich ein Labrador.

Hatte sie ihn getötet? Als wolle er sie beruhigen, öffnete der Hund die Augen und schlug mit dem Schwanz auf den Boden.

Sofort musste Rachel an Dexter denken, einen beigefarbenen Mischling, der ihr in ihrer Schulzeit zugelaufen war. Er war zwar hässlich, aber unglaublich lieb und treu gewesen.

Und dieser arme Kerl hier sah sie flehend aus seinen traurigen braunen Augen an. Rachel kniete sich neben ihn und erkannte das Blut an den Hinterläufen. Was hatte sie bloß getan!

Als sie ihm die Schnauze streichelte, leckte er ihr die Hand. Sachte fuhr sie ihm durch das Fell und suchte nach einem Halsband oder einem Namensschild. Vergeblich. Sie musste etwas unternehmen, aber was? Rachel stand auf, um in ihrem Koffer nach etwas zu suchen, worin sie das Tier einwickeln konnte. Aber sobald sie die Hand wegzog, fing der Hund zu winseln an.

„Schon gut, Kleiner. Ich muss nur etwas finden, worin ich dich einwickeln kann.“

Wieder winselte der Hund, und Rachel erkannte, dass sie ihn nicht allein lassen konnte. Eine Hand auf seinem Kopf, versuchte sie, mit dem freien Arm den Kofferraum zu erreichen, aber es ging nicht.

„Also gut, mein Bester. Dann machen wir es eben anders.“ Mit der linken Hand zog sie sich ihre teure und bereits klatschnasse Bluse von Versace aus. „Ich werde dir das hier umlegen und dich zum Auto tragen. Dann fahren wir in die Stadt und suchen einen Tierarzt.“

Ihre Bluse reichte für den großen Hund nicht aus, und dann wurde ihr auch noch klar, dass sie dieses große Tier nicht würde tragen können. Dabei hatte sie mittlerweile ein Vermögen in ihrem Fitnessclub gelassen.

„Mein Süßer, es tut mir so leid, aber ich kann dich nicht heben.“ Der Hund leckte ihr wieder die Hand und brachte sie damit fast zum Weinen. Eingehend musterte sie ihn. Wenn sie ihn bis zum Auto schob, verschlimmerte sie damit die Verletzungen vielleicht noch. Möglicherweise half es, wenn sie ihm einen Verband anlegte.

Doch womit sollte sie ihn verbinden? Hilflos sah sie an sich hinunter. Ihre Strumpfhose war auch vollkommen durchnässt.

Es war sicher nicht die beste Lösung, aber im Moment hatte Rachel keine andere Wahl.

Garrett lag auf dem Ledersofa seines Bruders und wartete darauf, dass Carl endlich aufhörte zu telefonieren. Es herrschte immer noch eine unerträgliche Hitze.

Mit der Hitze hätte er rechnen müssen. Das passte zu diesem Tag. Seit er hier in Texas angekommen war, wurde es immer schlimmer. Erst war er im Flugzeug wegen Turbulenzen durchgeschüttelt worden, und als er endlich in Braemer eintraf, war er überredet worden, für seinen Vater einzuspringen, der hier in der Stadt als Tierarzt arbeitete. Garrett hatte sofort zu einer Ranch fahren müssen, wo er einer Stute half, ihr Fohlen zu bekommen. Das war zwar aufregend gewesen, aber jetzt war er todmüde, und seine Schultern waren völlig verspannt.

Garrett sah zu seinem jüngeren Bruder. Carl wurde bald dreißig, und Garrett hatte diese Grenze gerade überschritten. Je älter sie beide wurden, desto ähnlicher sahen sie sich. Garrett war zwar ein paar Zentimeter größer, aber sie beide waren schlank und dunkelhaarig. Genau wie er besaß Carl diese Strähne, die ihm immer wieder in die Stirn fiel und ihm etwas Verwegenes verlieh.

Eigentlich waren sie nur Halbbrüder, aber das spielte für Garrett keine Rolle. Er betrachtete Carl als seinen Bruder, und wenn er ihn anblickte, erkannte er in ihm sich selbst und auch seinen Vater wieder.

Nichts, was Garrett bisher in seinem Leben getan hatte, schien das Wohlwollen seines Vaters zu finden. Sogar auf seine Berufswahl hatte sein Vater mehr mürrisch als erfreut reagiert. Und ganz bestimmt hatte er seinen ältesten Sohn nicht nach Braemer geholt, um ihn zum Partner in seiner Tierarztpraxis zu machen.

Er strich sich über die Stirn und massierte sich die Schläfen, um sich aus der düsteren Stimmung zu reißen. Carl legte auf und sah seinen Bruder lächelnd an.

Garrett erwiderte den Blick. „Ich kann mich nicht erinnern, dass du mich jemals angelogen hast, kleiner Bruder.“

Mit einem Bleistift tippte Carl gegen das Tintenfass. „Ich verstehe gut, dass du verärgert bist, aber …“

„Verärgert, sagst du? Ich bin außer mir vor Wut.“

Hilflos hob Carl die Schultern. „Ich überbringe ja nur die Nachrichten.“

„Spiel nicht den Unschuldsengel.“

Carl wandte den Blick ab, und Garrett konnte an seiner Miene ablesen, dass er überlegte, wie er von seinem Bruder das bekam, was er wollte. Garrett hatte seinen kleinen Bruder schon immer verwöhnt, und er war auch jetzt noch bereit, ihm jederzeit einen Gefallen zu tun. Andererseits bekam er allmählich den Eindruck, dass Carl ihn unter falschen Voraussetzungen nach Texas geholt hatte. „Vielleicht verrätst du mir, wie es kommt, dass ich für Dad einspringen muss, kaum dass ich wieder in der Stadt bin.“

Nach langer Pause sah Carl ihn wieder an. „Der alte Herr braucht dich und möchte deine Hilfe.“

Garrett wusste genau, dass sein Vater nicht das Geringste von ihm wollte. Garrett entstammte der ersten Ehe seines Vaters. Carl MacLean senior hatte Garretts Mutter geheiratet, weil sie von ihm schwanger war, und gleich nach der Geburt des Babys hatte sie die Stadt verlassen.

„Du verheimlichst mir doch etwas. Wieso?“

„Weshalb sollte ich lügen?“

Das wusste Garrett selbst nicht. Er stand auf und ging in Carls Büro umher. Vor dem Diplom an der Wand blieb er stehen und erinnerte sich daran, wie stolz er auf Carl gewesen war, als der sein Jurastudium erfolgreich beendete. „Wieso will er ausgerechnet jetzt meine Hilfe?“

„Garrett, ich …“

„Denkt er, ich vergesse alles, nur weil er mit dem Finger schnippt? Tanzt du denn auch immer nach seiner Pfeife? Ich habe doch mein eigenes Leben in Kalifornien.“

„Du hast mir unzählige Male gesagt, wie sehr du Texas vermisst.“

Garrett wollte sich nicht der Logik beugen. „Na und? Vielleicht habe ich trotzdem keine Lust, Dad zu helfen.“ Ihm gefiel das alles nicht. „Und du hast gelogen, um mich hierherzuholen.“

„Beruhige dich doch.“

„Ich bin die Ruhe selbst.“

Carl setzte die Brille ab. „Also schön, ich habe gelogen. Dann verklag mich. Aber er kann mit seinem ausgerenkten Rücken die Praxis nicht weiterführen, und mir war klar, dass du seinetwegen nicht kommen würdest. Deshalb habe ich so getan, als brauchte ich deine Hilfe.“

Garrett atmete tief durch. „Du weißt genau, dass ich dir nie einen Gefallen abschlagen würde.“ Wäre er auch so schnell gekommen, wenn sein Dad ihn selbst um Hilfe gebeten hätte?

Dann wäre er sofort herbeigeeilt. Schon seit seiner Kindheit wünschte er sich, dass sein Dad in irgendeiner Form zeigte, dass er ihm etwas bedeutete. Und jetzt lag er mit verletztem Rücken da, und es kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, sich an seinen ältesten Sohn zu wenden, der ihn doch wunderbar in der Praxis vertreten konnte.

„Es geht mir ja nicht nur um Dad“, sagte Carl. „Es geht mir auch um die Tiere.“

„Komm mir nicht auf die Tour.“

„Ich weiß doch, dass du ein weiches Herz hast.“

Garrett musste an die Stute denken, der er vorhin geholfen hatte, ihr Fohlen zu bekommen. Sein Dad wäre dazu nicht in der Lage gewesen, weil er im Bett lag und unter dem Einfluss von Schmerzmitteln stand. Und im Gegensatz zu Garrett, der in seiner gut laufenden Praxis acht Mitarbeiter hatte, war Dr. Carl MacLean senior auf sich allein gestellt.

Als das Telefon klingelte, hob Carl den Hörer ab. „Hier Carl MacLean. Hallo, Liz … Ich weiß noch nicht genau. Vielleicht gehe ich zu diesem Treffen gar nicht hin. Nein, ich habe nur viel zu tun … Ja, ich rufe an, wenn ich es mir anders überlege. Bye.“

„Du gehst nicht zum Jahrgangstreffen?“, fragte Garrett sofort, nachdem Carl aufgelegt hatte. „Wieso nicht? Du hast doch all diese Preise gewonnen und Stipendien bekommen. Du solltest auf jeden Fall hingehen.“

„Habe ich jetzt dich auch noch zum Vater?“ Carl wich Garretts Blick aus. „Ich habe wirklich viel zu tun.“

Carl war bei seinen Mitschülern sehr beliebt gewesen. Wieso sollte jemand, der von allen gemocht wurde und jetzt ein erfolgreicher Anwalt war, nicht am Ehemaligentreffen teilnehmen wollen? „Sag mir doch, wieso du nicht dorthin willst.“

Carl rieb sich das Gesicht. „Später vielleicht, ja? Ich habe etwas sehr Dummes getan, und das Mädchen hat die Stadt verlassen, bevor ich mich dafür entschuldigen konnte. Diese Sache bereue ich jetzt seit zehn Jahren.“

„Um wen geht es denn?“

Carl seufzte. „Um Belinda Rachel Dean.“

Der Name sagte Garrett nichts. „Kenne ich sie?“

„Sie war in meinem Jahrgang. Kein sehr attraktives Mädchen. Wir haben ihr ziemlich zugesetzt.“ Er blickte auf. „Einmal musst du sie getroffen haben. Dad hat ihren Hund zusammengeflickt, bevor du weggezogen bist.“

Garrett nickte. Er glaubte sich erinnern zu können. „Ein schüchternes pummeliges Mädchen, das niemandem in die Augen sehen konnte?“

„Genau die.“

„Ich habe sie zum Lachen gebracht.“

„Dann warst du sicher der Erste in der ganzen Stadt. Sie hat sich die gesamte Schulzeit über abgekapselt. Nur mit Paris Sommers war sie befreundet, jedenfalls bis zu dem Jahr, in dem Paris und ihr Dad wegzogen.“

„Was hast du ihr denn angetan?“

„Eigentlich wollte ich ihr Freund sein, weil sie einen brauchte. Aber Jason und Derek hatten andere Pläne, und ich habe mich überreden lassen, dabei mitzumachen.“ Er hob die Schultern. „Ich will wirklich nicht darüber reden, okay?“

Garrett nickte und ballte die Fäuste. Er musste sich beherrschen, um seinen kleinen Bruder nicht weiter zu bedrängen. Wenn Carl sich mit Kerlen wie Jason und Derek herumgetrieben hatte, dann hätte Garrett tatsächlich länger in Braemer bleiben sollen.

„Möchtest du bei mir wohnen?“, fragte Carl.

„Nein, ich habe mir ein Zimmer genommen. Trotzdem danke.“ Er verließ das Büro, drehte sich an der Tür aber noch einmal um und deutete warnend auf seinen Bruder. „Wir sind aber noch nicht fertig, Carl. Du hast mich hergelockt, und ich will noch diese Geschichte mit Jason und Derek hören. Für morgen Abend kannst du gleich Bier einkaufen, dann wirst du deinem klugen älteren Bruder alles beichten. Abgemacht?“

Carl musste lächeln. „Na klar.“

Garrett ging durch den dunklen Empfangsbereich und trat hinaus auf die Veranda des alten Hauses.

Unter seinen Stiefeln knirschte Kies, als er zum Pick-up seines Vaters lief, den Carl für ihn ausgeliehen hatte. Leise fluchte er über den Regen, der anscheinend niemals aufhören wollte. In Gedanken war er immer noch bei Carls Schandtat. Morgen werde ich ja alles erfahren, dachte er. Wahrscheinlich nur ein dummer Streich, an den sich niemand außer Carl erinnerte.

Vom Wagen aus wählte er die Nummer seines Vaters, und seine Stiefmutter meldete sich.

„Hier ist Garrett“, erklärte er.

„Carl hat gesagt, dass du in der Stadt bist.“

„Hallo, Jennie“, fügte er als normale Begrüßung hinzu. „Wie ich höre, liegt Dad flach. Ich komme gleich bei euch vorbei.“

„Natürlich würde ich dich gern sehen, aber so spät solltest du bei diesem schlechten Wetter nicht extra hierherfahren. Dein Dad ist nicht zu Hause.“

Einen Moment verschlug es Garrett die Sprache. „Ich dachte, er habe sich den Rücken verrenkt.“

„Er ist im Krankenhaus in Temple. Dort sollen morgen ein paar Tests gemacht werden. Heute früh habe ich ihn hingefahren.“

Sie verabschiedeten sich, und Garrett legte auf. Eigentlich war er ganz froh darüber, noch einen oder zwei Tage Zeit zu haben, bis er seinen Vater traf und der ihm eine gute Rückreise nach Kalifornien wünschte. In jedem Fall rechnete er mit einer klaren Zurückweisung.

Stöhnend schlug er auf das Lenkrad und verdrängte die Gedanken an seinen Vater. Konzentriere dich bei dem Regen lieber auf die Straße, dachte er. Hoffentlich gibt es in der Pension von Mrs Kelley genug heißes Wasser. Eine eiskalte Dusche ist jetzt das Letzte, worauf ich Lust habe.

In diesem Moment sah er die Frau auf der Straße, und schlagartig gab es für ihn doch einen Grund für eine kalte Dusche.

Die Frau trug keine Bluse, und das dünne Unterhemd war durchnässt und klebte an ihren Brüsten. Allein schon dieser Anblick hätte Garrett zum Anhalten gebracht. Dass sie mitten auf der Straße stand und mit beiden Armen winkte, war da eher nebensächlich.

Er drehte das Fenster herunter und hielt neben ihr an. Zum Glück ließ der Regen gerade etwas nach. „Brauchen Sie Hilfe?“

„Überhaupt nicht.“ Sie sah ihn wie einen Idioten an. „Bei Regen stehe ich immer in Unterwäsche an der Straße. Das ist so belebend.“

Garrett musste lächeln. Es war wirklich eine dumme Frage gewesen, und eine Frau mit Widerspruchsgeist reizte ihn. In letzter Zeit war er nur mit netten Frauen ausgegangen, die alle Schauspielerinnen werden wollten und niemals offen ihre Meinung sagten. Diese Frau hier brachte etwas Licht in diesen ansonsten so düsteren Tag.

„Wollen Sie die ganze Zeit dasitzen und mich in meinen nassen Sachen anstarren, oder steigen Sie auch irgendwann aus? Hilfe anbieten und Hilfe leisten sind für Sie wohl zwei Paar Schuhe?“ Vielsagend blickte die Frau sich über die Schulter um, und Garrett entdeckte den Labrador, der wie zur Antwort mit dem Schwanz auf die Straße schlug.

„Schon gut.“ Er schaltete den Motor aus und stieg aus dem Wagen. Seine schlechte Laune war verflogen, und jetzt kniete er neben dem Hund auf die Straße und untersuchte dessen Verletzungen. „Ganz ruhig, mein Freund.“ Er schob den behelfsmäßigen Verband zur Seite. Ohne ein Röntgenbild konnte er zwar nichts Genaues sagen, aber abgesehen von einem gezerrten Vorderlauf und ein paar schlimmen Abschürfungen sah der Hund gesund aus.

Mit einer Hand kraulte er das Tier hinter dem Ohr und sah zu der Schönheit mit der scharfen Zunge hoch. Sie wischte sich die Tropfen aus dem Gesicht und erwiderte seinen Blick stirnrunzelnd, als habe sie ihn schon einmal irgendwo gesehen, könne sich aber nicht an seinen Namen erinnern.

„Was ist denn geschehen?“, fragte er nach.

„Spielt das denn eine Rolle? Er muss zu einem Tierarzt, und zwar bald.“

„Stets zu Diensten. Wir können ihn in meine Praxis fahren.“ Er hob den Hund hoch und achtete darauf, dem Tier keine unnötigen Schmerzen zuzufügen. Was hatte er da gerade gesagt? Zu seiner Praxis? Ein Glück, dass sein Vater das nicht gehört hatte.

„Sie sind Tierarzt?“

Den schweren Hund auf den Armen, richtete er sich auf. „Nein, aber unter diesen Umständen fand ich, es sei ein guter Spruch, um mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.“

„Tut mir leid, das war eine dumme Frage.“

Ein Punkt für mich, dachte Garrett. Er räusperte sich und deutete mit einem Kopfnicken auf die Klappe der Ladefläche des Pick-ups.

„Oh.“ Hastig öffnete Rachel die Klappe. „Glauben Sie, er wird wieder gesund?“

Garrett legte das Tier ab und deckte es vorsichtig mit einer Plane zu. „Er hat nicht viel Blut verloren und scheint auch nicht unter Schock zu stehen. Ich sehe mir sein Bein an, säubere und nähe die Wunde, dann wird er schon bald wieder Katzen die Bäume hochjagen.“

„Ich möchte mit dabei sein.“

„Von mir aus gern.“ Er sah zu ihrem Wagen, der immer noch mit eingeschalteten Scheinwerfern am Straßenrand stand. „Folgen Sie mir in die Stadt.“

„Er steckt fest.“

„Dann fahren Sie mit mir. Ich werde einen Abschleppwagen anrufen.“ Erst jetzt bemerkte er die Brems- und Rutschspuren. „Sie haben die Kontrolle über den Wagen verloren und den Hund angefahren?“

Beschämt nickte sie und senkte den Blick.

„Und Sie? Haben Sie sich den Kopf gestoßen?“ Ohne daran zu denken, dass sie vielleicht etwas dagegen haben könnte, hob er ihr Kinn mit einem Finger an und sah ihr in die Augen. Die Pupillen ihrer dunkelbraunen Augen verrieten ihm, dass sie nicht unter Schock stand. Aber an ihren Tränen erkannte er, dass der Unfall sie sehr verstört hatte.

„Ich bin gar nicht schnell gefahren, aber ich habe ihn nicht gesehen.“ Sie schniefte. „Und dann wusste ich nicht, was ich mit ihm machen soll.“ Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, doch sie machte keinerlei Anstalten, sie wegzuwischen. „Ich weine nie.“

„Das sehe ich.“ Garrett wischte ihr die Tränen weg. Wie warm ihre Haut war! „Sie haben sich tadellos verhalten. Und so schwer verletzt ist der Kerl gar nicht.“ Er sah auf ihre nackten Beine. „Eine Strumpfhose zum Verbinden, daran hätte ich sicher nicht gedacht.“

Ihr zaghaftes Lachen machte ihn froh, doch sofort riss er sich zusammen. Hier mit einer Frau herumzuflirten konnte er sich wirklich nicht erlauben.

„Wahrscheinlich war ich in einem früheren Leben Pfadfinderin“, sagte sie. „Allzeit bereit.“ Sie zuckte die Schultern. Garrett unterdrückte ein Aufstöhnen, doch er konnte den Blick nicht von ihren aufgerichteten Brustspitzen unter dem seidigen weißen Hemd abwenden.

„Hier.“ Er zog sich die Jacke aus und reichte sie ihr.

„Mir geht es gut.“

Mir aber nicht, dachte er. „Keine Widerrede, ziehen Sie die Jacke an.“

Ihre Lippen zuckten. Anscheinend kämpfte sie gegen ein Lächeln an, doch sie schwieg nur und schlüpfte in die Jacke. Obwohl die Fremde fast so groß war wie er, schien sie in der Jacke zu verschwinden und wirkte noch verletzlicher als vorhin. Das weckte sofort Garretts Beschützerinstinkt.

Ich begehre sie, sonst nichts, dachte er.

Sie holte eine Handtasche aus dem Auto, bevor sie die Scheinwerfer ausschaltete und die Tür zuschlug. „Schöner Wagen“, stellte sie fest, als sie über Garretts Schulter hinweg in das chaotische Innere des Pick-ups seines Vaters sah. Garrett musste lächeln. Wenn sie, statt zu weinen, wieder zu spöttischen Bemerkungen überging, dann hatte er sie anscheinend beruhigt.

Er schob alte Kaffeebecher, Verpackungen, Zeitschriften und sonstigen Kram vom Beifahrersitz. Sein Vater lebte praktisch in diesem Wagen, weil er jeden Nachmittag zwischen den weit verstreuten Farmen hin und her fuhr, um dort Pferde, Rinder, Schweine, Katzen und Hunde zu behandeln. Das war sicher befriedigender als der ganze Verwaltungskram, mit dem Garrett sich tagein, tagaus herumzuplagen hatte.

Seinen Fahrgast schien die Unordnung nicht zu stören, denn sie stieg ein, ohne zu zögern, wobei er ihr bereitwillig half. Sie nahm sich ein herumliegendes Handtuch und breitete es über dem Sitz aus.

Garrett ging um den Wagen herum und stieg ebenfalls ein. „Entschuldigen Sie die Unordnung.“

„Passt zu dem Tag, den ich hinter mir habe.“

Er ließ den Motor an und blickte zu ihr, aber sie gab keine weiteren Erklärungen und lächelte nur. Was für ein Lächeln!

Garrett räusperte sich. „War es ein schlimmer Tag?“

Sie drehte sich um und blickte aus der Heckscheibe der Fahrerkabine. „Das dachte ich jedenfalls, aber dann habe ich dieses arme Tier angefahren.“ Bedrückt lächelte sie. „So etwas zeigt einem schlagartig, wie unbedeutend manche Probleme sind, nicht?“ Mit einer Hand strich sie sich das Haar aus der Stirn und lehnte den Kopf gegen die Scheibe. „Und er wird wirklich wieder gesund? Sagen Sie das nicht nur, um mich zu beruhigen?“

Sie wirkte so besorgt, dass Garrett am liebsten angehalten und sie in die Arme gezogen hätte. Er beschloss, ganz offen und ehrlich zu ihr zu sein.

„Ich bin kein Wunderheiler“, sagte er, „aber das scheint mir in diesem Fall auch nicht nötig zu sein. Nach allem, was ich bisher gesehen habe, glaube ich, dass er bald wieder auf die Beine kommt.“

Sie wirkte sehr erleichtert. „Ich bin froh, dass ausgerechnet Sie angehalten und mir geholfen haben.“ Herzlich lächelte sie ihn an, senkte jedoch den Blick, bevor er das Lächeln erwidern konnte. Sie griff nach einer der Zeitschriften für Tierärzte. „Auf jeden Fall danke ich Ihnen vielmals.“

„Gern geschehen“, erwiderte Garrett.

Sie lehnte sich entspannt zurück und schlug die Beine übereinander. Dabei glitt die Jacke vorn auseinander, und Garrett überlegte unwillkürlich, ob sie unter ihrem kurzen Rock überhaupt etwas trug.

Seine Kehle war wie zugeschnürt. Immer mit der Ruhe, sagte er sich. Diese Frau sieht den selbstlosen Helfer in dir, also denk nicht immer nur an ihre Stimme, ihre Beine, ihren Duft. Konzentriere dich lieber aufs Fahren.

2. KAPITEL

Rachel zog die Jacke wieder züchtig zusammen. Sie durfte sich die Aufregung nicht anmerken lassen, dass sie hier neben ihrem Opfer Nummer eins saß. Hier, direkt vor ihr, lag der Beweis. Diese Zeitschrift war an Dr. Carl MacLean adressiert!

Möglichst unauffällig drehte sie sich ein wenig zur Seite und betrachtete den Mann hinter dem Lenkrad aus dem Augenwinkel. Es bestand kein Zweifel: Der Hund und sie waren von Carl MacLean gerettet worden. Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte an den warmen Druck seiner Hände, als er ihr in den Wagen half. Ihre Haut kribbelte immer noch an der Stelle, wo er sie berührt hatte.

„Wenn Sie sich dann besser fühlen, können Sie bei der Behandlung zusehen.“

Zusehen? Rachel war nicht sicher, ob sie das wollte. „Danke, aber ich werde lieber nur warten.“ Es war nicht nur der Anblick der Wunde, der sie abschreckte. Sie wollte auch nicht erleben, wie Carl seiner Arbeit nachging. Das hätte das Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte, ins Wanken gebracht. Und auf dieses Bild war Rachel angewiesen, wenn sie ihren Plan verwirklichen wollte.

Dass er sich als Helfer in der Not zeigte, verwirrte sie ohnehin schon genug. Und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass ihr immer schon klar gewesen war, dass Carl sehr nett sein konnte, wenn er nur wollte.

Sie erinnerte sich an jenen Tag, als ihr eigener Hund von einer Waschbärenmutter verletzt worden war. Sein gelbliches Fell war blutverschmiert gewesen und er hatte tiefe Wunden an der Schnauze und den Hinterläufen. Rachel war damals zwölf gewesen. Ihre Mutter hatte im Café gearbeitet, und so hatte sie sich selbst helfen müssen. In ihrem alten Bollerwagen hatte Rachel versucht, den Hund zum Tierarzt zu bringen. Auf dem Weg war sie Carl und seinem Bruder – Gary oder Cary oder so ähnlich – begegnet, und die beiden hatten sie zur Praxis ihres Vaters gebracht.

Als der Mann, den sie für Carl hielt, ihr eine Hand auf die Schulter legte, fuhr Rachel zusammen.

„Sind Sie erschöpft?“

Sie sah zu ihm und erkannte im Blick seiner blauen Augen aufrichtige Sorge. „Mir geht es gut. Wirklich.“ Selbst durch die Regenjacke hindurch spürte sie die Wärme seiner Hand. Obwohl es ihr schwerfiel, die Berührung zu unterbrechen, rutschte sie ein Stück von ihm weg und lehnte sich an die Beifahrertür. Anscheinend war das deutlich genug, denn er ließ die Hand von ihrer Schulter zur Gangschaltung sinken. Sofort bereute Rachel die Zurückweisung. Sie wollte schließlich mit Carl und den anderen flirten. Die schüchterne Belinda Rachel gab es nicht mehr.

Dass Carl aufregend und nett war, durfte nichts an ihrem Plan ändern. Rachel setzte sich aufrecht hin und rutschte wieder ein Stück zurück, sogar noch näher als zuvor. Ich bin Rachel Dean, sagte sie sich, und ich kann Männer mit einem einzigen Blick dazu bringen, dass ihnen heiß wird.

Ganz absichtlich schlug sie wieder die Beine übereinander und sorgte dafür, dass die Regenjacke erneut aufging. Sie sah zu Carl und befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen. „Wo ist denn die Praxis?“

Genau wie sie es sich erhofft hatte, glitt sein Blick ihr Bein entlang. Er schluckte. „Nur noch fünf Meilen. Auf der anderen Seite der Stadt.“

Sie erinnerte sich an das Grundstück der MacLeans. Das Wohnhaus lag fast eine Meile von der Hauptstraße entfernt, während die Praxis direkt an der Straße lag. Wieder sah sie nach hinten zu dem Hund. Nur noch ein paar Minuten, dann würde es ihm besser gehen.

Carl bemerkte ihren Blick und lächelte beruhigend. Unwillkürlich erwiderte sie das Lächeln und seufzte auf. Solange sie ständig an den Hund denken musste, konnte sie sich kaum auf ihre Rolle als Verführerin konzentrieren. Sie ließ die Jacke sich öffnen und lächelte vielsagend, als er den Motor anließ. „Falls ich es noch nicht gesagt habe, Dr. MacLean, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe.“

Dr. MacLean? Garrett überlegte, ob er sich dieser Frau überhaupt vorgestellt hatte. Aus dem Augenwinkel heraus sah er ihr nacktes Bein und schluckte. „Habe ich mich Ihnen vorgestellt?“

Sie leckte sich die Lippen. „Nein, das haben Sie nicht.“

Stirnrunzelnd erwiderte er ihren Blick. „Na schön. Sind wir uns schon einmal begegnet?“

„Heißt das, Sie könnten jemanden wie mich vergessen?“

„An eine Frau wie Sie würde ich mich für alle Ewigkeit erinnern.“ Das war noch untertrieben. Die wenigen Augenblicke mit dieser Frau hatten schon ausgereicht, dass ihr Bild sich unauslöschlich in seine Erinnerung eingebrannt hatte.

„Danke.“ Sie drehte sich zu ihm herum und zeigte dabei noch mehr Bein. Sofort fragte Garrett sich, ob ihre Haut sich genau so seidig anfühlte, wie sie aussah. „Wir haben uns tatsächlich schon einmal zu Highschool-Zeiten getroffen. Ich war anfangs nur nicht sicher, ob Sie es wirklich sind.“ Wieder lächelte sie. „Ich hatte gehofft, Sie hier zu treffen.“

Garrett blickte sie forschend an, doch er konnte sich nicht an sie erinnern. Allerdings hatte er ohnehin ein schlechtes Gedächtnis für Gesichter, und die Schulzeit lag eine Ewigkeit zurück. „Und woran haben Sie mich erkannt?“

„Spielt das denn eine Rolle?“ Sie gab ihrer Stimme einen verführerischen Klang, und Garrett erkannte, dass sie irgendein Spiel trieb, doch er konnte sich den Grund dafür nicht erklären. Aber er wollte darauf eingehen.

„Es lohnt sich, wenn man zwischen den weißen Linien fährt“, sagte sie, da er immer mehr von der Fahrbahn abkam.

Er korrigierte seinen Kurs und sah wieder zu Rachel.

Sie erwiderte seinen Blick. „Also schön“, sagte sie leise und klopfte auf die Zeitschrift neben sich. „Ich habe die Adresse gelesen. Seltsam, ich hätte wetten können, dass Sie Jura studieren würden.“

Wieso sollte ich? dachte er. Dann traf ihn plötzlich die Erkenntnis. Sie hielt ihn für Carl.

Er drosselte die Geschwindigkeit und überlegte, wie er das Missverständnis aufklären sollte. Doch ihr hintergründiges Lächeln ließ ihn schweigen.

„Ich habe nicht Jura studiert“, sagte er nur wahrheitsgemäß.

„Nein? Na, dass ich hellsehen kann, habe ich auch nie behauptet. Ich bin nur neugierig.“ Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und rutschte etwas näher, wobei sie ein Bein über die Gangschaltung hob.

Mit der Hüfte berührte sie ihn. Garrett war wie elektrisiert. Er vergaß alle guten Vorsätze und dachte nur noch an sein brennendes Verlangen. Diese Frau, deren Schönheit und Schlagfertigkeit ihn so faszinierten, hielt ihn für Carl. Eine Frau wie sie hatte er in Kalifornien nie getroffen.

Angestrengt versuchte er, sich nur aufs Fahren zu konzentrieren und nicht auf die Wärme ihrer Berührung zu achten. Er durfte sich auf nichts einlassen, was sie später bereuen würden.

Sie hielt eine der Zeitschriften seines Vaters hoch und beugte sich dichter zu ihm. „Sind Sie jetzt zufrieden?“

Es fiel ihm schwer, weiterhin beide Hände auf dem Lenkrad zu lassen. „Nicht ganz.“

„Nein?“ Sie verdrehte den Rückspiegel und holte einen Lippenstift aus der Handtasche. „Dann lassen Sie es mich wissen, was ich tun kann, um Sie voll und ganz zu befriedigen.“ Sie spitzte die Lippen und trug die Farbe langsam und sehr bewusst auf. Dann drehte sie den Spiegel wieder zurück und zwinkerte Garrett zu. Er machte sich nicht die Mühe, den Spiegel wieder genau einzustellen. In Gedanken war er noch bei seinen Fantasien darüber, was sie mit ihren sinnlichen Lippen alles anstellen konnte.

Ich sollte das Missverständnis wirklich aufklären, dachte er. Sie muss wissen, dass ich nicht Carl bin. Andererseits gab er sich ja nicht direkt als Carl aus, und anscheinend kannte diese Frau Carl gar nicht richtig.

Als er einen anderen Gang einlegte, sah er unauffällig wieder zu seiner Beifahrerin. Sie blickte besorgt nach hinten und biss sich dabei leicht auf die Unterlippe. Selbst jetzt sah sie noch sexy aus. Fast noch anziehender, als wenn sie intensiv flirtete. Garrett konnte sich nicht erklären, weshalb diese verletzliche attraktive Frau sich hinter der Fassade der hemmungslosen Verführerin versteckte.

Zum zweiten Mal an diesem Abend sehnte er sich danach, sie in die Arme zu ziehen und sie zu küssen.

War das nicht genau, was sie ihm anbot?

Nein, auch wenn sie die weltgewandte Verführerin spielte, wollte sie ganz bestimmt nicht, dass er wirklich nahekam.

Sie bemerkte seinen Blick und lächelte schüchtern.

Garrett sah wieder nach vorn. Er dachte an die anstrengende Reise hierher nach Texas, die Lüge seines Bruders, an seinen Vater und die Praxis. Diese Frau hatte seine schlechte Laune vertrieben, und Garrett sehnte sich danach, für eine Nacht mit dieser Frau alle Sorgen zu vergessen.

Dann tu’s doch, sagte er sich. Sie flirtet mit dir, nur im Namen irrt sie sich. Er musste lächeln.

„Was ist denn so komisch?“

Er blickte hoch. „Was meinen Sie?“

„Sie lächeln.“

„Gerade habe ich überlegt, ob ich auf Ihr Flirten eingehen soll, und habe nach einem Grund dafür gesucht. Abgesehen davon, dass ich Sie begehre.“ Er trat auf die Bremse, weil sie sich der Abzweigung näherten, wo es zur Praxis ging.

„Tatsächlich?“ Sie wandte den Blick ab, doch Garrett sah ihr Lächeln, denn ihr Gesicht spiegelte sich in der Windschutzscheibe. Sie fuhr ihm mit einem Finger über das Bein, und es kam Garrett vor, als würde sie dadurch ein Loch in seine Jeans brennen. Er wechselte den Gang und berührte dabei ihre Hand. „Haben Sie denn etwas dagegen, Dr. MacLean, dass ich mit Ihnen flirte?“

Fast hätte er gelacht. Diese Frau tauchte klitschnass wie aus dem Nichts auf und stellte ihm anzügliche Fragen. Er hielt vor der Praxis seines Vaters an und stellte den Motor ab. „Ich verkrafte das schon, Miss …“

„Wir sollten den Hund schnell behandeln.“

Ihren Namen wollte sie ihm also nicht nennen. Das war seltsam, aber immerhin hatte sie seinen Namen auch nur von dieser Zeitschrift. Er stieg aus. Von flüchtigen Affären hielt er sonst wenig, aber im Moment verlief sein Leben ohnehin etwas seltsam. Genauso seltsam wie diese Frau. Sie erregte ihn und weckte in ihm Gedanken, die er seit Langem verdrängt hatte.

Der Regen schien niemals aufhören zu wollen, doch trotzdem sah Garrett dem Abend mit einem Mal sehr erwartungsvoll entgegen.

Rachel schluckte, als der Mann sich das schlichte weiße T-Shirt auszog. Sie meinte, nicht mehr atmen zu können, bis Garrett sich den Arztkittel überzog und damit seinen Waschbrettbauch wieder bedeckte.

Ganz ohne Zweifel hatte ihre Anmache Wirkung gezeigt. Leider hatte sie nicht damit gerechnet, dass er so schnell darauf ansprang, doch genau das war geschehen.

Und jetzt stand sie hier in dem Behandlungsraum zwischen Postern von Hunden und Katzen und umklammerte Operationskittel und -hose, die Garrett ihr gegeben hatte. Sie glühte innerlich.

Als er sich das Hemd übergestreift hatte, hatte er nur wissend gelächelt. Anscheinend hatte er genau gewusst, in welche Richtung ihre Gedanken wanderten. Sie runzelte die Stirn und versuchte, möglichst gelassen zu wirken. Schließlich wollte sie ihn verführen und nicht umgekehrt.

Mit einem Nicken deutete er auf den Hund, der auf dem kalten Tisch ausgestreckt lag. „Wollen Sie ihm noch ein paar nette Dinge ins Ohr flüstern, bevor ich mich ans Werk mache?“

Lächelnd beugte sie sich über das Tier. Sanft kraulte sie es hinter den Ohren. „Sicher geht es dir bald wieder gut.“ Sie rieb die Nase an seiner Schnauze, und er leckte ihr das Kinn.

„Also gut.“ Sie richtete sich wieder auf. „Dann wirken Sie Ihr Wunder.“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Sie können ihn heilen, oder?“

Er lächelte sie an, und seine blauen Augen funkelten, als er ihr eine Strähne hinter das Ohr strich. „Keine Bange.“

Als er sich näher zu ihr beugte, beschleunigte sich ihr Puls. Ganz sachte strich er ihr mit den Lippen über die Wange, und schlagartig wurde Rachel klar, dass sie das Ganze nicht mehr steuern konnte.

Garrett trat wieder einen Schritt zurück, und fast hätte Rachel aufgestöhnt. Als er eine lange Spritze aufzog, verspannte sie sich. „Das ist wohl das Zeichen, dass ich mich jetzt lieber zurückziehen sollte.“

„Ich sehe zu, dass ich schnell fertig werde.“

Rückwärts ging sie zur Tür. „Nur keine überstürzte Eile. Jedenfalls nicht meinetwegen.“

„Schlafen Sie, wenn Sie wollen. Im Nebenzimmer steht eine Liege. Gehen Sie durch das andere Sprechzimmer. Das Sofa ist älter als ich, aber sehr bequem.“

„Ich kann jetzt nicht schlafen. Aber vielleicht teste ich das Sofa trotzdem.“

„Für einen richtigen Test“, flüsterte er, „dürften Sie aber nicht allein sein.“ Sanft küsste er sie auf die Wange und ging wieder in das Behandlungszimmer. Diesmal schloss er die Tür hinter sich.

Rachel stand nur reglos da und hielt die Hand an ihre Wange. Sie konnte nicht mehr genau sagen, in welchem Augenblick sie die Kontrolle über die Situation verloren hatte.

3. KAPITEL

Nachdem Rachel ihre nassen Sachen mit den ihr viel zu weiten sterilen Sachen von Carl vertauscht hatte, lief sie nervös vor dem Behandlungszimmer auf und ab. Die Anspannung machte sie verrückt. Was hatte sie sich bloß vorhin gedacht? Es war die größte Dummheit gewesen, während der Fahrt hierher einen Annäherungsversuch zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war sie gar nicht ganz sie selbst gewesen.

Sie hätte lieber eine Gelegenheit abwarten sollen, wenn nicht gerade ihr gesamtes Make-up verschmiert war und ihre Kleidung klitschnass an ihrem Körper klebte. Bei der Erinnerung daran, wie sie den Hund angefahren hatte, zitterte sie ja jetzt noch.

Immer wieder musste sie an den Blick des Tiers denken und daran, wie er mit dem Schwanz auf den Boden geklopft hatte. Thumper – das bedeutete Klopfer –, so würde sie ihn nennen.

Sie presste das Ohr an die Tür, aber sie konnte keinen Ton hören.

Eine Sekunde später flog die Tür auf, und Rachel zuckte zusammen.

„Um Himmels willen, haben Sie mich erschreckt!“ Sie stand wie eine Idiotin da und atmete tief durch, während ihr Retter und ihr Opfer Nummer eins mit belustigtem Lächeln am Türrahmen lehnte.

Rachel legte eine Hand auf ihre Brust. „Wie geht es Thumper?“ Sie versuchte, Garrett über die Schulter zu spähen.

„Thumper? Ein netter Name.“

„Finden Sie?“ Rachel blickte ihm in die hellblauen Augen.

„Ja, das finde ich.“ Freundschaftlich legte er ihr eine Hand auf den Arm. Es war nur eine mitfühlende Geste, doch auf Rachel wirkte sie keineswegs nur tröstlich. „Und wie geht’s Ihnen? Sind Sie immer noch durcheinander?“

Durcheinander? Das war stark untertrieben. Rachel war todmüde, fast auf offener Straße im Regen ertrunken, hatte beinahe einen Hund getötet und war am Ende völlig verdreckt worden. Zu guter Letzt war auch noch dieser Mann erschienen, und er entpuppte sich als derjenige, den sie in sich verliebt machen wollte, um ihn in seiner männlichen Ehre zu kränken. Und dieser Mann stand jetzt vor ihr und sah einfach zum Anbeißen aus.

„Miss?“

Sie trat einen Schritt zurück und gab ihm zu verstehen, dass er ihren Arm loslassen sollte. „Mir geht es gut. Wirklich.“

Er musterte sie langsam von Kopf bis Fuß. „Also, Sie sehen tatsächlich fabelhaft aus.“

„Das ist jetzt die neueste Mode aus Paris“, witzelte sie. „Und ich folge zwanghaft jedem neuen Trend.“

„Sie würden sicher auch im letzten Fetzen noch gut aussehen. Am besten würde es Ihnen allerdings stehen, wenn Sie alle Sachen ausziehen.“

Jetzt wurde sie auch noch rot. Seit wann passierte ihr das denn wieder?

Nichts lief so wie erwartet. Irgendwie schaffte Carl es, in diesem Spiel die Oberhand zu gewinnen. Das durfte einfach nicht geschehen.

Sie straffte die Schultern und schenkte ihm ein Lächeln, mit dem sie bislang noch jeden Mann in die Knie gezwungen hatte. „Flirten Sie mit mir, Herr Doktor, oder wollen Sie mich in Verlegenheit bringen?“

„Das hängt davon ab, wie ich Sie dazu bewegen kann, noch länger bei mir zu bleiben.“

Sein Lächeln brachte ihr Herz fast zum Stillstand. Unsicher holte sie Luft. Es kostete ihn anscheinend überhaupt keine Mühe, ihr Blut in Lava zu verwandeln. Und in diesem Zustand konnte sie unmöglich ihren Plan durchführen. Sie musste die überlegene Verführerin sein und er ihr willenloses Opfer. Aber Carl hatte mit ihr die Rolle getauscht. Er gab hier den gut aussehenden Fremden, und für Rachel blieb nur der Part des aufgeregten Mauerblümchens.

„Kann ich nach Thumper sehen?“ Sie versuchte, sich wenigstens wieder auf ein sicheres Gebiet zu begeben.

Es klappte. Sofort verwandelte sich der Traummann wieder in den besorgten Tierarzt. „Folgen Sie mir.“

Dort lag Thumper in einem großen Käfig, und Rachel verlor vor Rührung fast die Fassung. Innerlich beschimpfte sie sich selbst. Weshalb benahm sie sich auf einmal bloß wieder wie das dumme verunsicherte Schulmädchen?

Carl öffnete den Käfig, und sie strich Thumper über den Kopf. Der Hund öffnete benommen die Augen, leckte ihr kurz die Hand und schlief dann wieder ein.

Wieder traten ihr Tränen in die Augen, aber diesmal vor Erleichterung. Mit aller Kraft kämpfte Rachel dagegen an. „Vielen, vielen Dank. Ich glaube, ich hätte es nicht verkraftet, wenn …“

„Ist ja gut.“ Er streckte die Hand nach ihr aus.

Als er sanft ihre Wange berührte, wäre Rachel ihm fast um den Hals gefallen. Doch dann wurde ihr klar, dass er ihr nur eine Träne aus dem Gesicht gewischt hatte, und sie weinte los. Carl zog sie in die Arme, und sie drückte das Gesicht an sein Hemd. Schniefend wurde ihr erst zu spät bewusst, dass sie sein Hemd praktisch als Taschentuch missbrauchte.

Das war’s dann wohl mit ihrer Vorstellung als männermordendes Wesen. Nach einem letzten Schluchzen hörte sie auf zu weinen. Sanft schob Carl Rachel von sich und sah sie stumm an. Rachel erwiderte den Blick und brachte ein zaghaftes Lächeln zustande. Hoffentlich hielt er sie jetzt nicht für komplett verrückt. Dass dieser Mann ihr, überwältigt von ihrem Sex-Appeal, zu Füßen fiel, war nun so gut wie ausgeschlossen.

„Alles in Ordnung?“

„Übernächtigt, am Ende meiner Kräfte, aber erleichtert. Alles zugleich. Mir geht’s gut.“

Sachte streifte er mit den Lippen ihre Augenbrauen. Es war nur eine ganz flüchtige Liebkosung, dennoch machte sie Rachel atemlos.

Nichts lief so, wie sie es geplant hatte. Sie hatte keinerlei Kontrolle mehr über die Situation. Wenn es irgendwo auf der Welt eine sexy, aufreizende und eiskalte Verführerin gab, dann war sie das genaue Gegenteil von Rachel.

Wärme und Freundlichkeit sprachen aus seinem Blick, aber auch Verlangen. Rachel schluckte. Erst vor ein paar Stunden hätte sie ihn liebend gern zitternd vor unerfüllter Lust vor sich gesehen. Im hautengen schwarzen Lederdress mit hohen Stiefeln und knallrotem Lippenstift hätte sie triumphierend einen Fuß auf ihre Beute gestellt, während sie sich gelangweilt die Nägel feilte.

Tja, auch die besten Pläne schlugen manchmal fehl.

Jetzt sehnte sie sich nach seinem Trost und seiner Berührung und verfiel immer mehr seinem männlichen Charme. Noch nie hatte sie sich so schnell in einen Mann verliebt.

Sonst war sie auch zu sehr damit beschäftigt, die Kontrolle zu behalten und darauf zu achten, dass die Männer nur die Rachel in ihr sahen, die sie ihnen zeigen wollte. In den ganzen zehn Jahren hatte sie nur einen Mann etwas mehr von sich offenbart. Und dieser Mann hatte sie verlassen. Seitdem behielt sie ihr wahres Ich für sich.

Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sofort zog Carl sie wieder an sich. „Ist dir kalt?“

Sie schüttelte den Kopf. Innerlich stand sie in Flammen.

Seine Lippen berührten ihr Ohr, und an der Schläfe spürte sie seinen Bartwuchs. Ihr Herz raste, und sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.

„Wartet jemand auf dich?“ Seine Stimme klang flüsternd und abwartend. „Soll ich dich irgendwo hinfahren?“

„Nein.“ Sie wollte nur hier bleiben. Hier bei ihm.

„Gut“, erwiderte er leise. „Und was willst du jetzt?“

Mit der Zunge fuhr sie sich über die Lippen. Nach nichts sehnte sie sich jetzt mehr als nach seinem Kuss. Und das zeigte sie ihm sehr deutlich.

Sein Blick verriet ihr, dass er sie auch begehrte.

Und schlagartig wurde es ihr klar. Punkt eins auf ihrer Liste konnte sie abhaken. Trotz ihrer verdreckten Kleidung und dem verschmierten Make-up hatte sie Carl MacLean genau dort, wo sie ihn haben wollte.

Das ist mein Zeichen, dachte sie. Ich muss jetzt einfach aus der Praxis verschwinden und mich auf die Suche nach Opfer Nummer zwei und drei begeben. Und beim Jahrgangstreffen erfährt er, wer ich in Wahrheit bin. So einfach ist das.

Sie holte tief Luft. Leider würde sie sich im Moment genauso strafen wie ihn, wenn sie verschwand. Sie schien innerlich zu glühen und sehnte sich danach, dass Carl ihr Verlangen stillte.

Würde sie nicht auch gewinnen, wenn sie erst morgen früh ging? War das nicht noch besser? Dann würde er erst wirklich wissen, was ihm von da an fehlte. Und Rachel konnte die Nacht in vollen Zügen auskosten.

Andererseits war ihr klar, dass es ein Fehler wäre, mit Carl MacLean zu schlafen.

Doch diese Erkenntnis verdrängte sie schnell wieder.

„Dich. Ich will dich“, sagte sie.

Garrett stieß die Luft aus, und erst da wurde ihm bewusst, dass er den Atem angehalten hatte. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so angespannt auf eine Antwort gewartet hatte. Diese Frau wollte ihn, und das war seine Rettung, so sehr begehrte er sie.

Langsam fuhr er den Ausschnitt des weiten Kittels entlang und schob ihn immer weiter nach unten, bis er den Ansatz ihrer Brüste erkennen konnte. Begehrlich senkte er den Kopf und küsste die zarte Haut. Ihr Atem in seinen Haaren kam ihm wie ein sehnsüchtiges Flüstern vor.

Er konnte keinen Bräunungsrand entdecken und fragte sich, ob sie immer oben ohne in die Sonne ging. Sofort sah er sie vor seinem geistigen Auge nackt an einem Sandstrand liegen. Im prallen Sonnenschein würden ihr Schweißtropfen über die nackten Brüste laufen und immer tiefer. Nein, sagte er sich, in dem Stil darf ich nicht weiterdenken, sonst stürze ich mich noch wie ein Tier auf sie.

Er trat einen Schritt zurück, und sie seufzte unwillig. Dieses leise Geräusch machte ihn unendlich zufrieden. Wenigstens war er hier nicht der Einzige, der vor Lust nicht mehr wusste, wohin.

Mit einer Fingerspitze fuhr er ihr über die Unterlippe, und unwillkürlich öffnete sie den Mund. Mit der Zunge umfuhr sie die Fingerkuppe, und Garrett durchfuhr ein prickelnder Schauer. Sie hatte die Augen geschlossen, und das machte diese Liebkosung noch erregender. Sie stand einfach da, als sei es das Natürlichste der Welt, dass ihr Ausschnitt bis zu ihren dunklen Brustspitzen heruntergezogen war. Das dunkelbraune Haar fiel ihr fast über das eine Auge, und sie sog an seinem Finger.

Die Empfindung stachelte seine Lust noch weiter an. Schon seit sehr langer Zeit hatte keine Frau ihn mehr so erregt. Es überwältigte ihn fast, doch er wollte nicht, dass es aufhörte.

Eindringlich sah sie ihn aus ihren dunklen Augen an. „Meine Knie geben gleich nach.“

„Meine auch.“

Sanft drängte er sie nach hinten, bis sie mit dem Rücken an der Wand lehnte, und er hatte rechts und links von ihrer Taille die Hände auf die Wand gelegt. Seine Traumfrau war nur ein bisschen kleiner als er, und sobald sie das Gesicht leicht anhob, befanden ihre Lippen sich direkt vor seinem Mund.

Garrett nahm diese wortlose Einladung an und beugte sich vor. Sie drängte sich ihm entgegen und erwiderte seinen Kuss mit einer Begierde, die genauso groß war wie seine. Diese Frau konnte ihn allein mit ihren Küssen um den Verstand bringen.

Jede Bewegung ihrer Lippen zeigte ihm, dass sie genau wusste, wie sie ihn küssen musste. Zuerst war ihr Kuss sanft, doch dann steigerte er sich immer mehr, bis Garretts, alle Zurückhaltung aufgab.

Mit beiden Händen strich sie ihm über den Rücken, und auch diese Liebkosungen steigerte sie von einer zarten Berührung zu einem wahren Sturm der Lust. Garrett behielt beide Hände an der Wand, weil er fürchtete, die Kontrolle über sich vollends zu verlieren, wenn er diese Frau jetzt auch noch berührte. Nicht hier, dachte er. Nicht heute Nacht. Diese Frau verdient viel mehr.

Eine so aufreizende Frau hatte er noch nie kennengelernt. Er konnte es kaum fassen, wie direkt sie war. Und es erregte ihn ungemein. Ihre leicht spöttische Art kam noch hinzu. Er war von ihr völlig hingerissen.

Wenn möglich wollte er die gemeinsame Nacht bis zum morgigen Tag ausdehnen. Und bis übermorgen. Und noch länger.

Fast hätte er den Kopf geschüttelt. Was ging da denn in ihm vor? Dies war nur eine flüchtige Affäre. Mit einer Fremden und ganz unverbindlich, aber sehr befriedigend. Doch schon bei dem Gedanken lehnte er sich innerlich dagegen auf. Diese Frau hatte vielleicht solche Vorstellungen, aber deswegen brauchte er damit ja nicht einverstanden zu sein.

Sie zerrte ihm das T-Shirt aus der Jeans. „Du hast viel zu viel an“, flüsterte sie, „dabei bin ich fast nackt.“

„Fast nackt ist leider nicht ganz nackt.“

„Wenn du so weitermachst, kannst du das ‚fast‘ gleich streichen.“

Eindringlich küsste er sie. „Versprochen?“

Sie musste lächeln und fuhr mit einer Hand seinen Schenkel hoch und dann nach vorn. Garrett hielt die Luft an und konzentrierte sich ganz darauf, die Beherrschung nicht vollkommen zu verlieren. „Versprochen“, flüsterte sie, ohne mit dem Streicheln aufzuhören. Ihr war bewusst, dass sie mit diesen Liebkosungen zahllose Fantasien in ihm auslöste, was sie gemeinsam tun würden, wenn sie ihr Versprechen hielt.

Einen Moment musste Garrett die Hände von der Wand lösen, um wenigstens das grelle Deckenlicht auszuschalten. Nun erhellte nur noch eine Arbeitslampe auf dem Schreibtisch den Raum. Deren Licht hatte er immer als sehr nüchtern empfunden, aber heute Abend kam sie ihm romantischer vor als jedes Kerzenlicht.

„Du bist wunderschön.“

Er war sich nicht sicher, aber er hatte den Eindruck, als würde sie rot werden, und bei dieser Vorstellung musste er lächeln. Wenn man bedachte, was sie gerade taten, hatte er nicht damit gerechnet, dass sie wie eine Jungfrau errötete. Er wollte ihr sagen, wie bedeutsam ihm diese Nacht vorkam, weil sie ein ganz besonderer Mensch war. „So etwas tue ich sonst nie.“

„Einer Frau ein Kompliment machen?“

„Was ich meinte, war dies.“ Er fuhr ihr mit einem Finger von der Unterlippe über das Kinn hinab bis zwischen die Brüste. Zärtlich liebkoste er eine der aufgerichteten Spitzen mit dem Daumen. „Ich fange nichts mit Frauen an, die ich mitten in der Nacht an der Straße auflese.“

„Tatsächlich nicht? Tja, ich stehe sonst auch nicht nachts auf der Straße herum und halte Autos an, aber wenn das so weitergeht, könnte ich es glatt zur Gewohnheit machen.“

Lächelnd gab er ihr einen zarten Kuss und senkte dann den Kopf, um mit der Zunge der Spur zu folgen, die er mit dem Daumen gezogen hatte.

„Du machst mir das Atmen schwer.“ Sie fuhr ihm durchs Haar und drückte ihn noch enger an sich.

„Genau das hatte ich vor.“ Er umkreiste mit der Zungenspitze ihre andere Brustknospe.

Rachel zog seinen Kopf zu ihren Lippen und küsste ihn erneut voller Leidenschaft.

„Deine Küsse gefallen mir“, sagte sie, als sie beide schließlich nach Luft schnappten.

„Ein schöneres Kompliment ist mir noch nicht gemacht worden.“

Hinter ihnen winselte Thumper, und Rachel drehte sich um.

„Anscheinend haben wir Zuschauer.“

Unwillig verzog Garrett das Gesicht. „Hast du Probleme, vor diesem Publikum zu agieren?“

„Ich will diesen Hund bei mir aufnehmen, da soll er wenigstens einen guten Eindruck von mir bekommen.“

„Da muss ich mich wohl fügen.“ Garrett trat ein paar Schritte zurück und streckte die Hand aus. „Darf ich die Lady zur Rezeption begleiten?“

„Wie wär’s denn, wenn du sie zu einem Bett begleitest?“

„Ich fürchte, mit mehr als einem alten unbequemen Sofa kann ich nicht dienen.“

Sie lächelte nur. „Im Moment klingt das besser als jedes Fünfsterne-hotel.“

Die Wärme seiner Haut brachte sie innerlich zum Schmelzen. Auch wenn sie völlig übernächtigt war, konnte Rachel sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so wach gewesen war. Selbst Unmengen von Kaffee konnten nicht so belebend sein wie die Nähe dieses Mannes. Rachel fühlte sich völlig frei von Hemmungen.

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