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Elizabeth stockt der Atem, als sie erstmals nach Jahren ihren Exmann Xander Trakas wiedertrifft. Es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen, dass der feurige griechische Milliardär ihr das Herz gebrochen hat. Und jetzt verlangt er tatsächlich von ihr, ihrer Ehe eine zweite Chance zu geben! Natürlich nur, um so offiziell das Sorgerecht für seine kleinen Neffen bekommen zu können! Denn dass er sich insgeheim noch so leidenschaftlich nach ihr verzehrt wie sie nach ihm, ist bloß eine vergebliche Hoffnung, oder?


  • Erscheinungstag 13.03.2018
  • Bandnummer 2326
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710002
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Falls Xander Trakas gedacht hatte, seine Woche könnte nicht schlimmer werden, hatte er sich gründlich geirrt.

Sein amerikanischer Anwalt – ein sehr gründlicher Mann – hatte bestätigt, dass Xanders Ehe mit Elizabeth Young tatsächlich bei allen wichtigen Ämtern registriert war. Allerdings gab es keinerlei Beweise für ihre Annullierung.

Sie waren immer noch verheiratet.

Er hob eine Hand, um sich den Nacken zu massieren, und atmete tief durch.

Dieser ganze Celebrity Spy! – Skandal hörte einfach nicht auf. Was als relativ kleine Ankündigung angefangen hatte, um die „saftigsten und schockierendsten Details“ der begehrtesten und ausschweifendsten Junggesellen aufzudecken, hatte sich zu dem Skandal der letzten zehn Jahre ausgewachsen. Und er hatte diese Ankündigung lässig abgetan. Sicher, er war einer der begehrtesten Junggesellen, aber ausschweifend? Im Gegensatz zu den anzüglichen Geschichten, die er über seine neuen Waffenbrüder gehört hatte, war er praktisch eine Jungfrau.

Gut, das ging vielleicht ein bisschen zu weit, aber ein paar monogame Affären im Laufe der Jahre waren nichts im Vergleich zu den legendären Heldentaten von Dante Mancini, Benjamin Carter und Scheich Zayn Al-Ghamdi.

Die letzten Artikel in verschiedenen Magazinen hatten ein Bild von ihm gezeichnet, das er nicht wiedererkannte. Drei seiner Exgeliebten hatten ihn verkauft und zu einer Sensation gemacht, was für ihn einfach nur ganz normale, gesunde Beziehungen gewesen waren. Ein halbes Dutzend Frauen, an die er sich kaum erinnern konnte, hatte Geschichten über ihre gemeinsamen Nächte erzählt. Was alles totaler Unsinn war.

Seltsamerweise war die einzige Frau, bei der er sich keine Sorgen machte, dass sie ihre Seele für ein Stück Gold verkaufen würde, die Frau, bei der er vor über zehn Jahren den Fehler begangen hatte, sie zu heiraten.

Es bedurfte nur eines hartnäckigen Reporters, der sich durch Gerichtsakten wühlte, und schon würde die ganze Welt von seiner Ehe erfahren. War die Nachricht erst einmal raus, würde es nicht lange dauern, bis die Presse eins und eins zusammenzählte. Die ganze Welt würde erfahren, dass er, während seine sitzen gelassene griechische Verlobte zusammengebrochen war, eine amerikanische Schönheit umworben und geheiratet hatte. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was er damit alles zerstört hatte.

Er hatte nie jemandem von seiner Ehe mit Elizabeth erzählt. Nicht seinen Eltern. Nicht seinen Freunden.

Sie hatten nie als Mann und Frau zusammengelebt. Sie hatten sich getroffen, geheiratet und waren nach zwei verrückten Wochen im Flitterparadies St. Francis getrennter Wege gegangen.

Doch ihre Trennung beinhaltete nicht die Annullierung, die Elizabeth unter wüsten Flüchen in seine Richtung angekündigt hatte.

Das letzte Mal hatte er sie im Hotel gesehen. Mit Tränen der Wut und des Schocks im Gesicht.

Weiß sie, dass ihr Gesuch auf Annullierung unserer Ehe abgelehnt worden ist? Weiß die Partnervermittlerin für Milliardäre, dass sie selbst die legale Ehefrau eines Milliardärs ist? Es war kaum zu glauben, dass sie es nicht wusste, und doch hatte sie sich in all den Jahren seit ihrer Trennung nicht ein einziges Mal bei ihm gemeldet.

Und Xander sich auch nicht bei ihr. Er hatte ihr Gesicht beinahe komplett aus seinem Gedächtnis gelöscht.

Er würde vorsichtig vorgehen müssen.

Der Bericht, den er über sie hatte erstellen lassen, sprach von einer anderen Frau als der, die er damals gekannt hatte. Sie war nicht länger eine sorglose Neunzehnjährige, die nicht mehr wollte, als den Wind in den Haaren und die Sonne auf dem Gesicht zu spüren. In der Zeit danach hatte sie sich ein neues und sehr erfolgreiches Leben aufgebaut.

Das Vibrieren seines Handys riss Xander aus seinen Gedanken. Er hoffte, es wäre sein Anwalt, dem er aufgetragen hatte herauszufinden, warum genau die Annullierung fehlgeschlagen war. Doch als er den Anruf entgegennehmen wollte, sah er, dass es sein Vater war. Xander war nicht in der Stimmung, mit ihm zu reden.

Noch einen Streit würde er nicht ertragen. Die täglichen Anrufe aus Griechenland wurden immer verdrießlicher, und zwar auf beiden Seiten. Gestern Abend war seine Schwägerin mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Man hatte ein Leberversagen diagnostiziert. Wenn Xanders Bruder nicht aufhörte, seinen Körper mit Drogen vollzupumpen, wäre er der Nächste, der zusammenbrach.

Mit all dem umzugehen, war schon schwer genug, da hätte er gut auf den Druck durch den Celebrity Spy! – Artikel verzichten können. Gleich morgen früh würde er nach Hause zurückkehren, heute musste er noch auf die jährliche Gala der Hope Foundation, einer Wohltätigkeitsorganisation, die er unterstützte. Die Presse würde in voller Mannstärke vor Ort sein. Alle vier Männer im Zentrum des Skandals würden sich zum ersten Mal wieder unter einem Dach versammeln. Sie alle unterstützten die Organisation, die inzwischen anfing, unter den Anschuldigungen gegen ihre vier reichen Förderer zu leiden.

Auch wenn sie alle in unterschiedlichen Bereichen unternehmerisch tätig waren, waren sie schon seit Jahren Rivalen. Sie waren starke, schwerreiche Männer mit einer guten Nase fürs Geschäft. Ihre Begegnungen waren nie von Freundlichkeit geprägt gewesen. Doch heute, so nahm Xander an, würden sie einen Weg finden müssen, ihre stumme Feindschaft zu brechen.

Alle vier Männer fühlten den Druck. Sie standen im Auge des Sturms, und je eher sie einen Weg hinausfanden, desto besser.

Zwei Wochen später

Erleichtert betrat Elizabeth Young ihr Apartment im West Village. Nach einer Woche in Rom genoss sie es, wieder zu Hause zu sein.

Sie liebte ihre Wohnung, die mitten im ältesten Viertel von New York lag. Auch wenn sie nicht sonderlich groß war – so gut verdiente sie nun auch wieder nicht –, hatte Elizabeth sich noch nirgendwo so behaglich gefühlt.

Zum bestimmt zehnten Mal seit ihrer Landung am JFK checkte sie ihr Handy. Dabei redete sie sich ein, das nur aus Sorge um Piper zu tun und nicht, weil sie fürchtete, ihr Exmann könnte sich bei ihr melden.

Seinen Namen aus Pipers Mund zu hören, hatte sie in Alarmzustand versetzt. Die schöne Australierin hatte aus ihrer Neugierde keinen Hehl gemacht. Und Elizabeth konnte es ihr nicht vorwerfen. An ihrer Stelle wäre sie auch neugierig gewesen. Drei der in den Celebrity Spy! – Skandal verwickelten Männer hatten ihre Dienste in Anspruch genommen. Da war es nur natürlich, dass sich auch der vierte bei ihr melden würde.

Dante hat zu Xander gesagt, dass er dich auch anrufen muss.

Diese Worte hatten Elizabeth gezwungen, sich dem zu stellen, was sie seit beinahe zehn Jahren verleugnete.

Benjamin, Zayn und Dante – sie alle hatten gesagt, dass Xander sie ihnen empfohlen hätte.

Sie hatte keine Ahnung, woher ihr Exmann wusste, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente, oder woher er ihre Kontaktdaten hatte. Leviathan Solutions wurde unter höchster Geheimhaltung geführt und arbeitete nur aufgrund von persönlichen Empfehlungen.

Nur, weil er mich empfohlen hat, heißt das nicht, dass er meinen Service auch in Anspruch nehmen wird, sagte sie sich. Seine Situation unterschied sich von der der anderen. Timos SE war schon seit Generationen in Familienbesitz.

Der Firma gehörten unzählige Schönheits- und Modelinien, die auf der ganzen Welt verkauft wurden. Den Kunden wäre der Skandal vermutlich egal. Und die Firma musste auch keine Anteilseigner oder Aktienbesitzer beruhigen. Xander musste nicht heiraten, um das Familienimage zu retten.

In den ersten Tagen, nachdem er sie hatte fallen lassen, hatte sie in einem Nebel aus Trauer und Ungläubigkeit gelebt. Sie war in der Hoffnung aufgewacht, dass alles nur ein schlechter Traum wäre, und hatte die Hände nach ihm ausgestreckt. Doch sie hatte nur gähnende Leere gefühlt.

Am vierten Tag hatte sie zum hundertsten Mal ihr Handy gecheckt und gebetet, dass sie eine Nachricht von ihm hätte. In dem Moment war ihre Mutter in ihr Zimmer gekommen. Elizabeth hatte von ihrem Handy zu der Frau geschaut, die sie aufgezogen hatte, und die rosarote Brille, die sie ihr ganzes Leben lang getragen hatte, war ihr von der Nase gerutscht.

Romantik und immerwährende Liebe waren Mythen. Ihre Eltern waren das beste Beispiel dafür, und sie war so naiv gewesen zu glauben, dass es für sie anders sein würde.

In dem Augenblick hatte sich ihr gesamtes Leben verändert.

In den folgenden Jahren hatte sie sich geweigert, an den Mann zu denken, der ihr das Herz gebrochen hatte. Soweit es sie betraf, existierte er nicht – was drei Jahre lang gut funktionierte, bis sie auf einen Artikel über den neuen Vorsitzenden von Timos SE stieß: Xander Trakas. Er hatte das Unmögliche geschafft und den amerikanischen Markt erobert.

Beim Lesen hatte Elizabeth erfahren, wie reich und mächtig er und seine Familie wirklich waren. Sie lagen gleichauf mit den Onassis. Durch den Artikel hatte sie auch von Ana Soukis erfahren, seiner Teenagerliebe. Sie hatten heiraten wollen, aber Ana war bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen, bevor sie das Ehegelübde hatten austauschen können.

Bei Anas Tod war Xander zwanzig gewesen. Also genauso alt wie bei ihrer Hochzeit. Verlogener, mieser Bastard!

Entweder er hatte Elizabeth geheiratet, während er noch mit einer anderen Frau verlobt gewesen war. Oder er hatte sie geheiratet, als er um die Liebe seines Lebens hätte trauern sollen.

Sie hatte den Artikel verbrannt und dem Schicksal gedankt, dass der Mistkerl sie hatte sitzen lassen, bevor es zu spät für eine Annullierung der Ehe gewesen war. Elizabeth glaubte nicht, dass sie eine Scheidung ertragen hätte.

So sehr sie sich auch dafür hasste, sie hatte im Lauf der Jahre immer wieder nach Xanders Namen Ausschau gehalten. Er hatte nie wieder geheiratet. Wieso sollte er auch? Wenn man dem Artikel in Celebrity Spy! glaubte, lagen ihm mehr Frauen zu Füßen, als sie je für möglich gehalten hätte.

Von all den Männern, die der Skandal betraf, war Xander am wenigsten betroffen. Er musste keine Frau finden.

Ich sollte nicht an ihn denken, ermahnte sie sich, während sie in ihren Bademantel schlüpfte und das Badewasser einließ.

Wenn Piper nichts gesagt hätte, würde sie jetzt auch nicht an ihn denken.

Entschlossen, Xander aus ihren Gedanken zu verbannen, dachte Elizabeth stattdessen an Piper und wünschte von ganzem Herzen, sie könnte sie vor Dante Mancini warnen. Elizabeth hatte die beiden nicht zusammengebracht. Ihre Ehe war aus einem One-Night-Stand entstanden, der in einer Schwangerschaft geendet hatte. Dante hatte Elizabeths Dienste nur in Anspruch genommen, um aus der armen Frau eine glänzende, funkelnde Ehefrau zu machen, die an seinem Arm gut aussah.

Wäre es nach ihr gegangen, wäre Piper die Letzte gewesen, die sie für Dante vorgeschlagen hätte. Sie war viel zu süß und naiv für die Welt, in die sie hineingestoßen worden war.

Genau wie ich selbst zu süß und naiv gewesen bin.

Sie stieg in die Badewanne, lehnte sich im heißen Wasser zurück und schloss die Augen.

Ihr Handy klingelte.

Ihr Körper und ihr Gehirn erstarrten. Ihr Herz fing wild zu schlagen an. Elizabeth kniff die Augen fest zusammen und tat etwas, was sie noch nie zuvor getan hatte – sie ignorierte es.

Irgendwann sprang die Mailbox an.

Kurz darauf verriet ihr ein leises Summen, dass der Anrufer eine Nachricht hinterlassen hatte.

Das musste nicht er gewesen sein. Ihre Klienten waren die Reichsten der Reichen und es nicht gewohnt, auf jemanden zu warten. Die meisten achteten weder die Privatsphäre noch die Freizeit anderer Leute. Sie engagierten sie, um einen Auftrag zu erledigen. Und wenn sie sie um zehn Uhr abends anrufen wollten, dann sollte sie verdammt noch mal ans Telefon gehen.

Nach dem Bad würde sie die Nachricht abhören und zurückrufen. Ihr Geschäft war ihr Baby und das Einzige im Leben, worauf sie stolz war.

Das Handy klingelte wieder.

Dieses Mal setzt ihr Herz einen Schlag aus. Sie drehte den Kopf und starrte das Telefon an. Das Display blinkte im Rhythmus des Klingelns.

Bevor sie etwas tun konnte, hörte es auf.

Um nach zehn Sekunden wieder zu klingeln.

Jede Menge Adrenalin sorgte dafür, dass sie sich aufsetzte. Elizabeth trocknete sich die Hände an einem Handtuch ab und schnappte sich das Telefon. Die Nummer kannte sie nicht.

Mit rasendem Herzen und zitternder Hand hielt sie sich das Handy ans Ohr.

„Hallo?“, sagte sie brüchig.

„Elizabeth?“

Xanders tiefe Stimme zu hören, war ebenso schockierend, als hätte sie sich kopfüber in einen Eimer mit Eiswasser gestürzt. Ihr Körper reagierte auch genauso, und das Telefon rutschte ihr aus den steifen Fingern und fiel mit einem Platsch ins Wasser zwischen ihren Beinen.

Zwanzig Minuten später war ihr Blutdruck beinahe wieder auf Normalmaß gesunken. Elizabeth hatte sich in einen dicken Bademantel gekuschelt und schaltete den Föhn aus, mit dem sie die SIM-Karte getrocknet hatte. Sie setzte die Karte in das alte Handy, das sie in einer Schublade gefunden hatte.

Drei angespannte Minuten später sah sie, dass der Schaden sich in Grenzen hielt und alle ihre Kontakte noch vorhanden waren. Unglücklicherweise konnte sie Xanders Nummer auf diesem Telefon nicht nachverfolgen. Doch ihre Intuition verriet ihr, dass es nicht lange dauern würde, bevor sie erneut von ihm hörte. Dieses Mal wäre sie vorbereitet.

Ihre Intuition war korrekt.

Ihr E-Mail-Eingang meldete eine neue Nachricht.

Elizabeth, ich bin’s, Xander. Ich schätze, du hast Probleme mit deinem Telefon. Hier ist meine Nummer. Ruf mich so schnell wie möglich an.

Ihr erster Impuls war es, in Tränen auszubrechen, doch nur Sekunden später flammte eine Wut in ihr auf, die alle Tränen auf der Stelle trocknete.

Er würde also wirklich seinen Casanova-Freunden folgen und ihre Dienste in Anspruch nehmen.

Der Mann hatte vielleicht Nerven. Und ihm fehlte jegliches Feingefühl.

Wozu braucht er denn eine Frau?

So verlockend es war, eine wütende E-Mail zurückzuschicken und ihm in allen Einzelheiten zu sagen, was er mit seinem Befehl, ihn so schnell wie möglich zurückzurufen, tun konnte, sie hielt sich zurück.

Sie würde ihm beweisen, dass sie die Episode von damals hinter sich gelassen hatte und nichts mehr für ihn empfand.

Nachdem Elizabeth langsam bis dreißig gezählt hatte, wählte sie die Nummer. Xander ging nach dem ersten Klingeln ran.

„Danke für den Rückruf.“

Elizabeth konzentrierte sich auf ihr Spiegelbild und zwang sich zu einem Lächeln, damit ihr vollkommener Mangel an Gefühlen für ihn durch die Leitung gut hörbar war. „Kein Problem. Entschuldige wegen vorhin. Ich habe mein Handy in Rom fallen lassen. Seitdem spinnt es ein bisschen.“ Die Lüge ging ihr locker von den Lippen. Ihre Stimme klang genauso freundlich, wie sie es wollte.

„Ich muss dich sehen.“

„Okay.“ Sie zog das Wort in die Länge, um ihn nicht anzuschreien und danach das Handy in der Toilette hinunterzuspülen. Immer noch lächelnd sagte sie. „Hast du einen bestimmten Tag im Auge?“ Sie musste das hier vernünftig über die Bühne bringen, schließlich hing der Ruf ihrer Agentur allein von ihr ab.

„Ich fliege gleich in deinen Teil der Welt. Hast du morgen Zeit?“

Xander lebte auf einer griechischen Insel. Dort musste es beinahe sechs Uhr morgens sein. Um welche Uhrzeit stand der Mann auf?

Ihr fielen die Nachrichten wieder ein. Vermutlich war er gar nicht erst schlafen gegangen.

Oder telefoniert er von seinem Bett aus mit mir? Schläft in diesem Augenblick eine Frau neben ihm?

„Elizabeth?“

Sie schluckte die Übelkeit herunter und führte sich ihren Terminplan vor Augen. „Mit morgen meinst du …“

„Samstag. Ich komme gegen drei Uhr nachmittags eurer Zeit an.“

„Ich habe morgen Mittag einen Termin.“

„Also könntest du am Nachmittag.“ Das war eine Aussage, keine Frage.

„Ich habe den ganzen Sonntag Zeit“, sagte sie in dem Versuch, das Treffen so weit wie möglich aufzuschieben, und sei es nur für einen Tag. „Weißt du, wo mein Büro ist?“

„Wir treffen uns nicht dort. Du musst zu mir geflogen kommen.“

Ihre Wirbelsäule kribbelte unangenehm, aber sie behielt einen lockeren Tonfall bei. „Um dich wo zu treffen?“

„Auf St. Francis.“

Alle Luft wich schlagartig aus ihren Lungen, und das Lächeln glitt von ihren Lippen.

„Ich habe keine Zeit, um dich in New York aufzusammeln, also werde ich einen Jet chartern, der dich nach deinem Termin zu mir bringt“, fuhr Xander fort. „Pack eine Übernachtungstasche und halte dir den Sonntag für mich frei.“

Ihr Gehirn war eingefroren und ihre Knie so weich, dass sie sich auf die Bettkante setzen musste.

„Gibt es da ein Problem, Elizabeth?“ In seinem Ton lag eine gewisse Herausforderung.

Sie schlug sich die Hand vor den Mund, um keinen Laut von sich zu geben, und sagte: „Nein, überhaupt kein Problem. Ich treffe mich dort mit dir, wo es für dich am passendsten ist.“

„Das wäre St. Francis.“

„Du bist dir bewusst, dass ich bei Überseereisen ein Viertel meines Honorars vorab verlange?“

„Schick mir deine Kontodaten und die Summe. Ich werde das Geld gleich überweisen.“

Bevor sie sich eine Ausrede einfallen lassen, geschweige denn aussprechen konnte, sagte Xander. „Dann geht das klar. Wir sehen uns morgen.“

Die Leitung war tot.

Langsam senkte sie das Handy. War das gerade wirklich passiert?

Es war nichts Neues für Elizabeth, dass Milliardäre es gewohnt waren, ihren Willen zu bekommen. Und sie war es gewohnt, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Deshalb war sie ja so erfolgreich mit dem, was sie tat.

Eine Unterhaltung wie die eben mit Xander hatte sie schon Dutzende Male mit Klienten geführt. Es war nichts Besonderes. Sie waren zwei Fremde, die zufällig mal verheiratet gewesen waren und insgesamt vierzehn Tage miteinander verbracht hatten. Er hatte genauso wenig noch irgendwelche Gefühle für sie wie sie für ihn.

Nur der Ort ihres Treffens, St. Francis, hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht.

Warum um alles in der Welt dort?

Es konnte kein Zufall sein, dass ihr Exmann die gleiche Insel gewählt hatte, auf der sie sich getroffen, geheiratet und wieder getrennt hatten, um ihre Dienste in Anspruch zu nehmen und eine neue Frau für sich zu finden.

Xander legte auf und atmete schwer aus. Er trat ans Fenster und schaute über die Ägäis, wo am Horizont die ersten Sonnenstrahlen zwischen dem heller werdenden Himmel und dem noch dunklen Meer tanzten.

Diesen Anruf hatte er gehofft, niemals tätigen zu müssen. Doch nach dem wütenden Streit mit seinen Eltern war er zu dem Schluss gekommen, dass er keine andere Wahl hatte.

Zum Wohle seines Neffen brauchte er eine Frau, und zwar sofort. Es war purer Zufall, dass er bereits eine hatte.

Er müsste Elizabeth nur überzeugen mitzuspielen. Nach seiner kläglichen Vorstellung damals, als er es beendet hatte, würde das nicht leicht werden. Aber er bekäme das schon hin. Er war es gewohnt zu kämpfen, denn jeder Tag seines Lebens war ein einziger Kampf.

Er hatte ihr scharfes Einatmen deutlich gehört, als er den Ort ihres Treffens erwähnt hatte. Und er hatte die Unterhaltung bewusst kurzgehalten, um ihr keine Zeit zum Widerspruch zu geben. Er würde ihr auch nicht die Zeit geben, seinen Vorschlag abzulehnen.

Elizabeth war nicht mehr das Mädchen, in das er sich vor Jahren verliebt hatte. Das Mädchen, das sein Herz auf der Zunge und seine Gefühle im Gesicht getragen hatte. Sie war zu einer diskreten, professionellen Frau mit einem kühlen, analytischen Kopf herangewachsen.

Diesen kühlen Kopf würde sie brauchen, um die richtige Entscheidung zu treffen und zuzustimmen, wieder seine Frau zu sein.

2. KAPITEL

Der Privatjet, den Xander für Elizabeth gechartert hatte, kreiste über dem kleinen Flughafen von St. Francis. Sie umklammerte die Armlehnen. Nicht aus Angst vor der Landung, sondern aus Angst davor, was der Abend bringen würde.

Ihr blieb eine Nacht, um sich etwas einfallen zu lassen und aus der Situation zu entkommen: ein Notfall in der Familie, ein Autounfall, ein diabetisches Koma … Nein, das taugte alles nichts.

Genau genommen war das hier ihr Job. Ihre Dienstleistung war diskret und nur einigen Auserwählten bekannt, aber diese Auserwählten lebten in einer eigenen Welt. Es bedurfte nur eines geflüsterten Gerüchts über ihre Unprofessionalität oder Unzuverlässigkeit, und der Ruf, den sie sich in acht Jahren aufgebaut hatte, wäre zerstört.

Den Xander, den sie gekannt hatte, gab es nicht. Das Einzige, was sie von dem echten Xander kannte, war sein Ruf. Und die Ahnung, dass er keine Geduld mit Dummköpfen hatte. Wenn er noch irgendwelche Gefühle für sie hegte, hätte er nicht darauf bestanden, sie auf St. Francis zu treffen.

Sie hatte ihn von ganzem Herzen geliebt. Als sie an dem Morgen ihren Koffer gepackt hatte, war sie voller Vorfreude gewesen. Voller Freude darauf, nach Diadonus zu fliegen, wo er lebte, um seine Familie kennenzulernen und ihr gemeinsames Leben mit ihm zu beginnen. Dann hatte er ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Er hatte ihr gesagt, er hätte einen Fehler gemacht. Dass er sie nicht liebe und seine Familie sie hassen würde und er darum allein nach Diadonus zurückkehren werde.

Der Schmerz dieses Augenblickes traf sie bei der Erinnerung genauso hart wie damals. Aber sie würde es sich nicht anmerken lassen. Während ihrer kurzen gemeinsamen Zeit auf der Insel würde sie ihm ihr professionelles Gesicht zeigen. Sie wäre höflich und nett und würde ihn genauso behandeln wie jeden anderen Klienten. Sie würde lächeln und so tun, als wäre er kein verlogener Verräter, der ihr das Herz gebrochen hatte.

Trotz der weichen Landung war ihr übel. So nervös war sie schon seit Jahren nicht mehr gewesen.

Die frühe Abendsonne tauchte den Flughafen mit dem kleinen weißen Terminalgebäude in goldenes Licht. Elizabeth trat aus dem Jet und hielt sich an ihrem kleinen Rollkoffer und der Laptoptasche fest. Nach den eisigen Temperaturen in New York war die Wärme mehr als angenehm.

Ein Golfwagen holte sie ab. Der Fahrer warf einen kurzen Blick auf ihren Reisepass und fuhr sie dann zum Parkplatz.

Ein glänzend schwarzer Jeep stand vor dem Terminal. Als sie näher kamen, stieg der Fahrer aus. Die untergehende Sonne hüllte ihn in das gleiche warme Licht wie die Umgebung.

Elizabeths Herz setzte einen Schlag aus. Xander.

Er trug Chinos und ein kurzärmliges hellblaues Hemd, das sich über seinen gestählten Oberkörper spannte. Die braunen Haare waren akkurat geschnitten.

Sie verstärkte den Griff um ihren Koffer, als er auf sie zukam. Xander nickte dem Fahrer zu und richtete dann seine funkelnden blauen Augen auf sie …

Ihre Eingeweide wurden zu Wackelpudding. Aus der Tiefe ihres Brustkorbs erhob sich das beängstigende Gefühl, in Tränen auszubrechen und zu schluchzen. Wo es herkam, wusste sie nicht, aber sie behielt es unter Kontrolle. Sie hatte gewusst, dass das hier nicht leicht werden würde. Ihn das erste Mal wiederzusehen, mit ihm zu sprechen, wäre aber der schlimmste Teil. Danach sollte es einfacher werden.

„Elizabeth“, sagte Xander statt einer Begrüßung und streckte ihr die Hand hin.

Sie hatte es immer geliebt, wie er ihren Namen aussprach. Er rollte wie eine Liebkosung über seine vollen, großzügigen Lippen.

Doch in diesem Moment hatte sein Mund nichts Großzügiges, sondern war zu einer festen Linie zusammengepresst.

Sie setzte das strahlendste Lächeln auf, dass sie zustande brachte, ließ ihren Koffer los und ergriff Xanders Hand. „Es ist schön, dich wiederzusehen.“

Er verzog die Lippen zu einem angespannten Lächeln. „Du siehst gut aus.“

„Danke.“ Sie nutzte seine Hand, um aus dem Golfwagen auszusteigen, und tat dabei so, als würde ihre gesamte Haut unter der Berührung nicht kribbeln.

Er war so groß, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Die Jahre hatten seinem Körper eine gewisse Härte verliehen, an die sie sich nicht erinnern konnte. Das Funkeln in seinen Augen war gedämpft. Und doch sah er irgendwie noch besser aus als damals.

Wie göttlich er gewesen war, als er sie bei ihrer Ankunft im La Maison Blanc Hotel angesprochen und darauf bestanden hatte, ihr mit ihrem Gepäck zu helfen. Sie hatte angenommen, dass er für das Hotel arbeitete. Im Nachhinein hätten ihr die Badehose und das über die Schulter geworfene Handtuch verraten müssen, dass er wohl eher nicht der Portier war.

Aber damals hatte sie gute zehn Minuten gebraucht, bevor sie erkannte, dass der umwerfende junge Mann mit dem ansteckenden Lächeln, den blitzenden blauen Augen und dem hinreißenden Akzent kein Angestellter, sondern ein Hotelgast war. Und dass er ihr nur half, weil er an ihr interessiert war. An ihr!

Sie hatten verabredet, sich eine Stunde später an der Poolbar zu treffen. Nachdem Elizabeth ausgepackt und sich umgezogen hatte, war es ihr gelungen, sich einzureden, dass sie alles nur geträumt hatte. Doch er war da gewesen, wie versprochen. Zwei Cocktails später hatte sie erfahren, dass er Grieche war, zwanzig Jahre alt und alleinreisend, so wie sie. Träumerin, die sie war, war sie überzeugt gewesen, dass das Schicksal sie zusammengebracht hatte.

„Mehr hast du nicht dabei?“ Xander nahm die körperlichen Veränderungen war, die die Zeit über seine Frau gebracht hatte. Er hatte gewusst, dass sie sich im Laufe der Jahre verändert haben musste, aber eine so extreme Verwandlung hatte er nicht erwartet.

Vor zehn Jahren hatte sie die runden Züge einer jungen Frau gehabt. Jetzt war sie schmaler, ihre Wangenkochen ausgeprägter. Die große Sonnenbrille verhinderte, dass er ihre Augen sehen konnte. Aber ihre Ausstrahlung hatte nichts mehr gemein mit dem naiven Mädchen, das beim ersten Blick seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Die Elizabeth von damals war ein offenes Buch gewesen.

Diese Elizabeth hier hatte ihre wilden Locken gezähmt und wirkte professionell und gefasst. Sie trug eine eng geschnittene, dunkelgraue Jeans mit Nieten an den Taschen und ein weißes, auf Figur geschnittenes Hemd. Sie könnte überall sein – auf einem formellen Geschäftstreffen oder bei einem Lunch mit Freunden. Sie war das perfekt Chamäleon. Ihr Aussehen war zu faszinierend, als dass die Leute nicht zwei Mal hingesehen hätten, aber sie würde immer überall gut hineinpassen.

Er trug ihren Koffer zum Jeep. Elizabeth hielt locker mit ihm Schritt. Er hatte vergessen, wie lang ihre Beine waren, die durch ein paar schlichte, aber sexy schwarze Pumps noch länger wirkten.

Sie war sexy. Ihre Haltung. Ihr Selbstvertrauen. Ja, sie war umwerfend.

Er öffnete die Beifahrertür und wartete, bis Elizabeth eingestiegen war. Die leichte Brise wehte ihm ihren zarten Duft in die Nase, der den Frangipani und Schmetterlingsflieder locker in den Schatten stellte.

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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