Wie zähmt man einen Scheich?

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"Rennen Sie um Ihr Leben, Prinzessin!" Und Aisha gehorcht. Zusammen mit dem Fremden, der sie aus den Fängen ihrer Entführer befreit hat, läuft sie in die klare Wüstennacht hinaus. Der Freiheit entgegen, glaubt sie. Zu spät erkennt sie, dass sich ihre Situation nicht verbessert hat. Denn ihr Retter ist Scheich Zoltan Al Farouk - in ihren Augen ein Barbar - der sie zur Ehe zwingen will! Wild wie der Wind und feurig wie die Sonne scheint er nur seinem eigenen Gesetz zu gehorchen. Wird es Aisha jemals gelingen, diesen stolzen Sohn der Wüste zu zähmen?


  • Erscheinungstag 18.02.2014
  • Bandnummer 2114
  • ISBN / Artikelnummer 9783733700331
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie kamen in der Nacht, während alle im Lager schliefen. Nur das Rascheln der Palmen im kühlen Wüstenwind und das Schnauben der Kamele, die von einstigen Karawanen träumten, waren zu hören.

Sie verspürte keine Angst, als sie das leise Ritzen des Messers in der Zeltwand vernahm, auch nicht, als der Mann, ganz in Schwarz gekleidet und mit einem Tuch vor dem Gesicht, das die Augen durch schmale Stoffschlitze blitzen ließ, sich in das Zelt stahl. Selbst wenn seine große Gestalt und die Breite seiner Schultern ihr den Atem raubte und ihren Puls ins Stocken brachte.

Nein, es war Erleichterung, die sie durchflutete und ihr die Tränen in die Augen trieb. Erleichterung, dass die Rettung, um die sie so verzweifelt gefleht hatte, endlich hier war.

„Ich wusste, man würde mich finden“, flüsterte sie und glitt aus dem Bett, um ihrem Retter entgegenzueilen. Sie war komplett angezogen, und in ihrer Eile, von hier wegzukommen, wäre sie mit ihren feinen Pantoffeln fast gestolpert. Sie unterdrückte das Schluchzen, wusste sie doch, dass sie endlich fliehen konnte. Endlich war sie in Sicherheit. Es gab keinen Grund mehr für Angst.

Doch als sich eine Hand über ihren Mund legte, um sie zum Schweigen zu bringen, und sie sich mit dem Rücken gegen einen harten, muskulösen Körper gezogen fühlte, zuckte dennoch Angst durch sie hindurch.

„Kein Wort, Prinzessin“, zischte der Mann an ihrem Ohr. „Oder es könnte Ihr letztes sein.“

Sie versteifte sich. Ihre Erziehung erlaubte es ihr nicht, sich von Fremden anfassen zu lassen. Nur hatte sie keine andere Wahl, als die Unwürdigkeit der Berührung zu ertragen. Sein Arm lag wie ein eiserner Ring um ihre Taille, seine rechte Hand auf ihrem Leib, die andere noch immer über ihren Lippen. Fast konnte sie den Geschmack seiner warmen Haut schmecken.

Unnötig nah. Unnötig besitzergreifend.

Jeder Atemzug, den sie nahm, war angereichert mit seinem Duft, eine Mischung aus Pferdeschweiß und Leder und Wüstenluft, vermengt mit einem männlich herben Aroma, das ihr in der Nase brannte. Die Stellen, wo er sie berührte, flammten heiß auf, bis „unnötig besitzergreifend“ zu „unnötig intim“ wurde und ein ursprünglicher Instinkt sie warnte, dass sie vielleicht doch nicht so sicher war, wie sie zuerst angenommen hatte.

Etwas in ihr rebellierte. Törichter Mann! Er mochte gekommen sein, um sie zu retten, aber war sie nicht längst vorbereitet gewesen? Glaubte er wirklich, dass sie gebetet und gefleht hatte und jetzt hysterisch losschreien und alles verderben würde?

Sie war es leid, wie ein Ding behandelt zu werden, erst von Mustafas Schergen und jetzt von den Männern ihres Vaters. Sie war schließlich die Prinzessin von Jemeya. Wie konnte dieser Mann es wagen, sie wie einen Sack Mehl auf dem Basar herumzuschubsen?

Sie versuchte sich loszumachen, doch sein Griff wurde nur fester, auch wenn er plötzlich reglos verharrte und lauschte. So fest, dass es ihr die Luft aus den Lungen presste. Unwillkürlich rang sie um Atem, ihre Lippen teilten sich, und sie fühlte seinen Finger in ihren Mund dringen.

Schock wandelte sich in Panik, als sie seine Haut schmeckte. Die Intimität der Geste ließ sie sich fühlen, als würde man ihr Gewalt antun. So machte sie das Einzige, was ihr übrig blieb.

Sie biss zu.

Fest.

Er zuckte zusammen und stieß einen unterdrückten Fluch aus, zog den Finger zurück, ließ sie jedoch nicht los, sondern zog sie noch enger an sich. „Halten Sie still!“

Sie war überzeugt, dass er aus Stein gemacht sein musste, so hart, wie seine Brust war. Ein warmer Fels, in dessen Zentrum der Herzschlag rhythmisch wie eine Trommel schlug. Dieser Mann war nicht nur einfach ein namenloser Krieger, geschickt von ihrem Vater, sondern ein Mann aus Fleisch und Blut. Ein Mann, der seine Hände an Stellen auf ihrem Körper legte, wo niemandes Hand das Recht hatte zu liegen. Eine Hand, die eine seltsame Hitze in ihrem Leib zusammenfließen ließ …

Sie war froh, dass sie ihn gebissen hatte. Hoffentlich tat es weh. Das würde sie ihm auch sagen, wenn er nur endlich seine Hand von ihrem Mund nehmen würde.

Dann hörte sie es – ein dumpfes Grunzen draußen vor dem Zelt. Sie zuckte zusammen, als ein Körper durch den Vorhang zu Boden sackte. Ahmed. Die Wache. Ahmed, der sie mit lüsternen Blicken taxiert hatte, jedes Mal, wenn er ihr Essen brachte. Ahmed, der nur gelacht hatte, wenn sie gebieterisch forderte, zu ihrem Vater zurückgebracht zu werden, und ihr genüsslich beschrieb, was Mustafa mit seiner Braut machen würde, sobald sie verheiratet wären.

Ein zweiter Mann in Schwarz tauchte hinter der bewusstlosen Wache auf und nickte dem ersten Krieger zu. „Die Luft ist rein. Aber geht schnell, da sind mehr.“

„Und Kadar?“

„Bereitet seine Überraschung vor.“

Sie fühlte, wie sie hochgehoben wurde, ihre Füße berührten den Teppich nicht mehr. Ihr Krieger zögerte den Bruchteil einer Sekunde, dann setzte er sie wieder ab und gab sie frei.

„Können Sie so gut rennen, wie Sie beißen?“, fragte er.

Das amüsierte Funkeln in seinen Augen machte sie nur wütender. Jetzt lachte er auch noch über sie? Ihr hochmütiger Blick war dazu gedacht, ihm den Humor vergehen lassen! „Ich beiße besser.“

„Hoffen wir, dass Sie sich irren“, murmelte er düster, packte ihre Hand und rannte mit ihr auf die Dünen hinter dem Zelt zu.

Laute Rufe erschollen hinter ihnen, das Lager war alarmiert. Adrenalin pumpte durch ihren Körper, feuerte sie an, so wie sie sich an dem Gedanken festhielt, dass sie dem Mann ihres Vaters Manieren gegenüber einer Prinzessin beibringen würde, sobald sie in Sicherheit waren.

Eine Gewehrkugel flog zischend über ihre Köpfe hinweg, und sie vergaß, wütend auf ihren Retter zu sein. Erschießen würde man sie sicher nicht, die Banditen konnten keinen politischen Eklat riskieren. Doch es war dunkel, und unter ihren Entführern herrschte Hektik … Sie hatte nicht vor, es auf einen Beweis für ihre Theorie ankommen zu lassen.

So wie sie nicht gedachte, den lauten „Halt!“-Rufen Folge zu leisten. Sie würde sich nicht mehr einfangen lassen, nicht, wenn Mustafas Drohung ihr noch immer in den Ohren hallte und sie mit Abscheu erfüllte. Einen Wurm wie Mustafa heiraten? Niemals! Das hier war das einundzwanzigste Jahrhundert. Niemand würde sie zwingen, irgendjemanden zu heiraten!

Also klammerte sie sich fester an die Hand ihres Retters und zwang sich, durch den Sand zu laufen, so schnell sie konnte. Ihre Lungen brannten, ihre Muskeln schmerzten, ihr Mund war staubtrocken. Lange würde sie nicht mehr durchhalten …

Sie hatten den Grat der Düne erreicht und stolperten auf der anderen Seite den Hang hinunter. Über ihrem rasselnden Atem hörte sie plötzlich ein schrilles Pfeifen hinter sich, und dann färbte sich der Nachthimmel orangerot, als nacheinander eine Reihe von Explosionen hochgingen. Die gellenden Rufe und Schreie wurden hektischer, schriller, der beißende Geruch von Schwarzpulver hing in der Luft.

„Was haben Sie gemacht?“, wollte sie wissen. Von hier oben sah man das Flackern der Flammen von den brennenden Zelten. Flucht war eine Sache, aber dabei eine Spur von Verletzten, vielleicht sogar Toten zu hinterlassen, eine ganz andere.

Er zuckte mit den Schultern, als wäre es völlig unwichtig. „Wollen Sie nicht gerettet werden, Prinzessin?“ Er reckte den Kopf höher, sah sich suchend um und erblickte die Schemen in der Dunkelheit. Pferde schnaubten leise. Ein Mann wartete mit vier Tieren, eines für jeden von ihnen.

Für einen Moment bereute sie, dass sie beim Laufen durch den Sand ihre Pantoffeln verloren hatte, bis ihr klar wurde, dass es ein geringer Preis für das war, was sie gewinnen würde. „Sicher mussten Sie nicht zu weit reiten, oder?“, fragte sie, während sie auf die Tiere zueilten.

„Halten Sie sich der Mühe nicht für wert?“

Wieder gewann sie den Eindruck, dass er sich über sie amüsierte. Frustriert wandte sie das Gesicht ab, konzentrierte sich auf das Positive. Ihr Vater hatte einen Rettungstrupp geschickt. Bald wäre sie wieder zu Hause, wo man sie ernst nahm und Männer sie weder mit funkelnden Augen noch mit kaum verhohlenem Grinsen ansahen – und sie erst recht nicht anfassten und ihr Stromstöße über die Haut jagten.

Sie konnte es kaum noch abwarten. Sie wollte nach den Zügeln eines Pferdes greifen, doch er hielt ihr Handgelenk fest.

„Nein, Prinzessin. Sie reiten mit mir.“

„Wieso? Es sind doch vier Tiere.“

„Und wir sind zu fünft.“

„Aber …“ Dann sah sie die beiden Männer die Düne hinunterlaufen. Sie hatte nur mit einem Mann gerechnet.

„Kadar.“ Ihr Retter schlug einem der Männer auf die Schulter, und sie fragte sich, wie er überhaupt wissen konnte, wer wer war. Sie hätte die Männer niemals auseinanderhalten können. „Dein Feuerwerk hat die Prinzessin nicht beeindruckt.“

Feuerwerk? dachte sie fassungslos, während der Mann, der Kadar hieß, sich gespielt enttäuscht gab. Das war nur ein Feuerwerk gewesen?

„Dann muss ich mich entschuldigen, Prinzessin. Beim nächsten Mal werde ich mir mehr Mühe geben.“

„Den Zweck hat es auf jeden Fall erfüllt, Kadar. Jetzt lasst uns losreiten, sonst erinnern sie sich noch, was sie getan haben, bevor der Himmel explodierte.“

Sie sah sehnsüchtig zu dem Pferd hin, das sie für sich hatte wählen wollen, doch der Mann, der mit den Tieren hinter der Düne gewartet hatte, saß bereits im Sattel.

Sie alle waren Krieger, groß und breitschultrig gebaut. Söldner, angeheuert von ihrem Vater, um sie zu retten. Nun, vielleicht hatte ihr Vater sein Geld weise ausgegeben, vermutlich waren diese Männer gut in dem, was sie taten. Dennoch konnte sie es kaum erwarten, ihnen den Rücken zu kehren. Vor allem dem, der sich unerhörte Freiheiten mit seinen Händen erlaubte und eine zügellose Zunge besaß.

„Sind Sie so weit, Prinzessin?“

Bevor sie überhaupt die Chance zu einer Antwort hatte, fühlte sie sich auf das Pferd gehoben, und schon schwang sich ihr unmöglicher Retter hinter sie, zog sie an sich und ergriff die Zügel. Er breitete seinen Umhang um sie beide, so dass sie wie in einen Kokon eingewickelt war.

„Ich darf doch wohl bitten …!“ Sie drehte und wand sich, wollte Abstand schaffen.

Er zog den Umhang fester und stieß dem Pferd die Fersen in die Flanken. „Wir haben einen langen Weg vor uns. Wenn Sie sich entspannen, wird es einfacher.“

Niemals! „Das hätten Sie mir auch sagen können.“ Sie hielt sich steif wie ein Brett und stellte sich vor, eine tiefe Kluft läge zwischen ihnen und nicht nur wenige dünne Schichten Stoff. Und sie versuchte, den Arm zu ignorieren, der um ihre Hüfte lag, ebenso wie sie sich weigerte, die Flammen wahrzunehmen, die überall dort an ihrer Haut leckten, wo ihre Körper sich im Rhythmus des Galopps aneinanderrieben.

„Was?“

„Dass es nur ein Feuerwerk war.“

„Hätten Sie mir geglaubt?“

„Sie haben mich denken lassen, es sei etwas viel Schlimmeres.“

„Sie denken zu viel.“

„Sie wissen doch gar nichts von mir.“

„Ich weiß, dass Sie zu viel reden.“ Er presste sie enger an sich. „Entspannen Sie sich.“

Sie gähnte. „Sie sind anmaßend und despotisch.“

„Machen Sie die Augen zu und versuchen Sie zu schlafen.“

Sie wollte nicht schlafen. Wenn sie einschlief, dann würde sie gegen ihn sacken, an seine harte Brust, näher heran an das schlagende Herz. Prinzessinnen schliefen grundsätzlich nicht zusammengesackt an der Brust eines Fremden, vor allem nicht bei Fremden wie diesem: arrogant, selbstherrlich, autokratisch.

Sie war schon die ganze letzte Nacht wach geblieben, da würden ihr ein paar Stunden mehr nicht schaden. Sie wandte sich zu ihm um, während sie dahinritten, sah die markante Linie seines Kinns, den entschlossenen Ausdruck in seinen Augen. Als sie merkte, dass sie starrte, richtete sie den Blick gen Himmel und suchte nach dem hellsten Stern am samtschwarzen Wüstenhimmel.

„Wie weit ist es nach Jemeya?“

„Zu weit, um heute Nacht noch weiterzureisen.“

„Weiß mein Vater, dass ich in Sicherheit bin?“

„Er wird es erfahren.“

„Gut.“ Sie gähnte erneut, als die Müdigkeit sie plötzlich einholte. Um dem kalten Wind an ihren Wangen auszuweichen, barg sie das Gesicht tiefer in dem Umhang und stellte sich vor, sie läge in ihrem eigenen Bett in ihren Gemächern im Palast.

Das Pferd galoppierte weiter und weiter, wiegte sie rhythmisch mit jedem kraftvollen Schritt. Furcht, dass sie herunterfallen könnte, hatte sie nicht, dafür hielt der Mann sie zu fest. Sie atmete tief die warme Luft unter dem Umhang ein. Der Duft des Mannes war so anders als der vertraute Geruch ihres Vaters nach Pfeifentabak und Aftershave, aber nicht unangenehm. Der Mann strahlte die Essenzen der Wüste aus, eine Mischung aus Sonnenschein und Sand, Leder und Pferd und noch eine ganz eigene herbe Note.

Sie holte tief Luft, verstaute das Aroma in ihrer Erinnerung. Schon bald würde sie wieder in ihrem Bett liegen, umgeben von vertrauten Gerüchen und Geräuschen, warum also sollte sie diese neue Erfahrung nicht auskosten? Sie könnte sich auch entspannen, für eine kleine Weile nur …

Sie schloss die schweren Lider und lehnte sich an den warmen Oberkörper ihres Retters zurück. So schlimm war es gar nicht. Ein kurzes Schläfchen würde ihre Energie auffüllen, niemand brauchte zu wissen, dass sie in den Armen eines Fremden eingeschlafen war.

Und niemand würde erfahren, wie sehr sie es genossen hatte.

Zoltan Al Farouk bin Shamal konnte genau den Moment nennen, in dem die Prinzessin einschlief. Sie hatte sich tapfer gegen den Schlaf gewehrt, hatte steif wie Brett vor ihm gesessen.

Steif wie ein Brett. Bei dem Gedanken hätte er fast aufgelacht. Nein, ein Brett war sie wahrhaftig nicht, das hatte er sofort gemerkt, als er seine Hand auf ihren Körper gelegt und sie an sich gezogen hatte. Ein Manöver, das keineswegs geplant gewesen war. Er hatte sie nur zum Schweigen bringen wollen, bevor sie unabsichtlich Alarm auslöste. Auf diese Art hatte er jedoch feststellen können, dass die Prinzessin ihre Reize besaß. Es war ihm nicht schwergefallen, sie an sich zu pressen und ihr Zittern zu spüren, auch wenn sie sich alle Mühe gegeben hatte, unbeeindruckt zu wirken.

Zumindest bis sie ihren Instinkten nachgegeben und ihn gebissen hatte.

Jetzt erlaubte er sich doch ein leises Lachen. Es stieg rollend aus seiner Kehle und wurde von der Luft davongetragen. Nein, an der Prinzessin war nichts Hölzernes.

Vor allem im Moment nicht. Das rhythmische Galoppieren hatte sie eingelullt, er hatte spüren können, wie der Widerstand langsam aus ihr herausgeflossen war und sie sich mehr und mehr entspannt hatte, bis sie sich schließlich an ihn schmiegte.

Es fühlte sich überraschend gut an, wie sie da an seiner Brust lag, weich und nachgiebig. Jede einzelne ihrer femininen Kurven war eine Einladung zur Sünde.

Genau wie ihre berüchtigte Schwester. Ging sie ebenso frei mit ihren Liebesbeweisen um? Überraschen würde es ihn nicht, sie hatte das exotische Aussehen der königlichen Frauen von Jemeya. Allein die Augen reichten, um die Fantasie eines Mannes anzuregen, und die vollen Lippen versprachen unbeschreibliche Freuden. In ihrem Alter musste sie Liebhaber gehabt haben. Aber zumindest bewies sie mehr Verstand als ihre Schwester und hatte keine Kinder.

Es würde keine Bürde sein, mit dieser Frau zu schlafen. Bei der Aussicht meldete sich ein Ziehen in seinen Lenden. In weniger als achtundvierzig Stunden würde sie die Seine sein. So lange konnte er warten. Vielleicht ergaben sich aus dieser ungewollten Heirat ja doch noch unerwartete Vorzüge.

Vielleicht.

Er sah auf das Bündel in seinem Arm hinunter. Eines war sicher – verwöhnte Prinzessin oder nicht, für Mustafa und seinesgleichen war sie viel zu gut.

In unmittelbarer Nähe ritten seine Freunde mit ihm, die Hufe ihrer Pferde wirbelten Sand auf. Sie waren mehr als nur gute Freunde, sie waren die Brüder, die er nie gehabt hatte. Sie würden für die Hochzeit und die Krönung bleiben, danach würden sie wieder ihrer eigenen Wege ziehen – Kadar nach Istanbul, Bahir zurück an die Roulettetische in Monte Carlo und Rashid dorthin, wo immer sich das meiste Geld in der kürzesten Zeit verdienen ließ.

Er würde sie vermissen. Vor allem, da er ab jetzt nicht mehr frei sein würde, um zu ihnen zu stoßen, wann immer sich die Gelegenheit ergab. Denn er war nicht länger der Kopf einer internationalen privaten Fluggesellschaft, der sich freinehmen konnte, wann immer er wollte. Vielleicht war all das, was er sich aufgebaut hatte, umsonst gewesen, denn ab jetzt saß er in Al-Jirad fest, um seine Pflicht zu erfüllen.

Die Frau in seinem Arm rührte sich und seufzte leise. Sie schmiegte sich noch enger an ihn, ihre Hand rutschte über seine Brust, an seinem Bauch hinunter und kam gefährlich nahe an seinen Schritt.

Er stöhnte auf, als sein Körper prompt unmissverständlich reagierte. Wenn sie das mit ihm anstellen konnte, wenn sie schlief, wie würde es dann erst sein, wenn sie hellwach war?

Schon jetzt freute er sich darauf, es herauszufinden.

2. KAPITEL

Aisha setzte sich im Bett auf, noch schlaftrunken und in Träume von geheimnisvollen Wüstenmännern mit breiten Schultern und starken Armen, die sie umschlungen hielten, verstrickt.

Nein, nicht Männer. Nur ein Mann hatte ihre Träume beherrscht, so als hätte er ein von Gott gegebenes Recht dazu.

Lächerlich. Gott sei Dank würde sie ihn nie wiedersehen müssen. Trotzdem bedauerte sie, dass sie nicht die Möglichkeit gehabt hatte, sich bei ihm zu bedanken.

Wie seltsam. Dieser unmöglich arrogante Mann hatte sich bei jeder Gelegenheit über sie lustig gemacht, zudem würde ihr Vater ihn mehr als großzügig für ihre Rettung entlohnen – und ihr tat es leid, dass sie sich nicht bei ihm bedankt hatte?

Sie war in Sicherheit, allein das zählte. Man hatte sie aus den Klauen ihrer Entführer befreit, die drohende Hochzeit mit diesem Widerling Mustafa war abgewendet worden. Mit einem Seufzer ließ sie sich in die seidigen Kissen zurückfallen.

Sie war frei.

Nur … wo war sie? Sie sah sich in dem dämmrigen Raum um. Von der Größe zu schließen, musste es sich um ein Luxushotel oder einen Palast handeln, und auch das Bett stand in Bequemlichkeit ihrem eigenen nicht nach. Oh, wie sehr freute sie sich schon darauf, in ihrem eigenen Bett zu liegen!

Als Aisha die Decke zurückschlug, stellte sie fest, dass sie vollständig angezogen war. Wer immer sie hergebracht hatte, hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie zu entkleiden. Etwa der Mann, der hinter ihr auf dem Pferd gesessen und sie festgehalten hatte?

Auf dem Weg zum Fenster drehte sie sich um und schaute zu dem luxuriösen Bett zurück. Hatte er sie dort abgelegt und die Decke über sie gezogen, behutsam und vorsichtig, damit sie nicht aufwachte?

Sie erschauerte leicht, als sie sich daran erinnerte, wie bei dem Ritt sein warmer Atem über ihre Wange gestrichen war, wie sie den Herzschlag in seiner Brust gefühlt hatte.

Dann allerdings erinnerte sie sich wieder daran, dass er sich über sie lustig gemacht hatte, und sie fragte sich, warum sie so viel Zeit mit Gedanken an ihn verschwendete, wenn es doch viel wichtigere Dinge gab, mit denen sie sich beschäftigen sollte.

Zum Beispiel, wie sie nach Hause kam.

Sie tappte zum Fenster, neugierig darauf, ob sie etwas erkennen könnte, das ihr sagte, wo sie war. Vielleicht war ja sogar ihr Vater hier und wartete darauf, dass sie endlich aufwachte, damit er sie begrüßen konnte.

Ihre Zehen krallten sich in den feinen Seidenteppich, als sie den schweren Brokatvorhang beiseiteschob. Helles Sonnenlicht ließ sie blinzeln. So hoch, wie die Sonne stand, war es längst nach Mittag. Wie lange mochte sie geschlafen haben?

Ihre Augen gewöhnten sich an die Helligkeit. Unter dem Fenster lag ein Innenhof, ein wunderschöner Garten mit blühenden Orangenbäumen und prächtigen Stauden. In der Mitte sprudelte munter Wasser in einen Springbrunnen, die Tropfen glitzerten wie Diamanten im Sonnenlicht. Jenseits des Innenhofs war ein großer Palast mit schlanken Türmen und goldenen Kuppeln zu sehen, zu dem ein überdachter Weg führte. Es war ein wunderschönes Bild.

Bis auf die schwarzen Flaggen, die an jedem Fahnenmast wehten. Ein ungutes Gefühl überlief Aisha und ließ sie trotz des warmen Tages erschauern.

Wieso hatte man schwarze Fahnen gehisst? Was war hier passiert?

Ein leises Klopfen ertönte an der Tür. Sie drehte sich zu dem jungen Mädchen um, das mit einem Tablett in Händen eintrat.

„Oh, Sie sind wach, Prinzessin.“ Die Dienerin stellte das Tab­lett ab und verbeugte sich, goss dann einen aromatisch duftenden Tee ein. „Sie haben fast den ganzen Tag geschlafen. Ich habe Ihnen Tee, Joghurt und Obst gebracht, falls Sie hungrig sind.“

„Wo bin ich hier? Und warum sind überall schwarze Fahnen gehisst?“

Das Mädchen wirkte verlegen, als wüsste es nicht, was es antworten sollte. Es reichte Aisha die Tasse mit der dampfenden Flüssigkeit. Der Duft von Honig, Gewürzen und Zimt stieg in die Luft. „Ich werde Bescheid geben, dass Sie wach sind.“

„Bescheid geben? Wem? Ist mein Vater hier?“

Das Mädchen sah zu einer Tür. „Sie haben lange geschlafen. Ihre Kleider finden Sie dort im Ankleidezimmer. Möchten Sie, dass ich Ihnen etwas heraussuche, während Sie baden?“

Mit einem Kopfschütteln stellte Aisha die Tasse ab. „Nein. Ich möchte, dass Sie meine Fragen beantworten.“

Das Mädchen blinzelte. „Sie sind in Al-Jirad, Prinzessin.“

Al-Jirad? Also nicht mehr weit von Jemeya entfernt, nur eine halbe Stunde Flug mit dem Hubschrauber von der Küste bis zur Insel. „Ist mein Vater hier, oder wartet er zu Hause auf mich?“

„Gleich wird jemand zu Ihnen kommen.“ Das Mädchen fühlte sich offensichtlich unwohl, mit einer tiefen Verbeugung wollte es sich zurückziehen.

„Warte!“

Unsicher blickte das junge Ding über die Schulter zurück. „Ja?“

„Ich weiß nicht einmal, wie du heißt.“

Das Mädchen legte die Hände vor sich zusammen und neigte den Kopf. „Rani, Prinzessin.“

Aisha lächelte, sie wollte das Mädchen beruhigen. Außerdem hatte sie so viele Fragen, die die Dienerin ihr sicher beantworten konnte. „Danke für den Tee, Rani. Ich möchte dich etwas fragen …“

„Ja?“

„Der Mann … ich meine, die Männer, die mich hergebracht haben … sind sie noch hier im Palast?“

Das Mädchen blickte sehnsüchtig zur Tür.

„Ich möchte ihnen danken, dass sie mich gerettet haben.“

Jetzt wrang die junge Dienerin nervös die Hände. „Jemand wird gleich zu Ihnen kommen, Prinzessin. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.“ Noch eine Verbeugung, dann floh sie praktisch aus dem Zimmer. Die Tür fiel leise klickend hinter ihr ins Schloss.

Frustriert seufzend nippte Aisha an ihrem Tee. Immerhin wusste sie jetzt, wo sie war, dennoch wunderte sie sich noch immer über die schwarzen Flaggen. Vielleicht war die Mutter des Königs der Krankheit erlegen, unter der sie seit Jahren litt. Sie hatte gehört, dass die alte Königin nicht mehr auf die Behandlung ansprach. Die ganze Nation würde trauern, das wusste sie. Königin Petra wurde von allen geliebt und bewundert.

Auf jeden Fall war sie froh, dass sie in Al-Jirad war. Die guten, engen Beziehungen zwischen Al-Jirad und Jemeya – das eine Königreich wenig mehr ein Wüstenstaat am Ende einer Halbinsel, das andere ein Punkt auf einer Insel vor der Küste – bestanden seit Jahrhunderten. Die geografisch günstige Lage direkt an der Schifffahrtsroute hatte ein festes Band zwischen beiden Nationen geknüpft, sie waren sozusagen die Wächter für den Weg ins Inland.

Und König Hamra von Al-Jirad war einer der engsten Freunde ihres Vaters. Das hier musste eine der Palastanlagen sein, die er im Land hatte erbauen lassen.

Aisha beeilte sich mit Duschen, sie brannte darauf, mehr herauszufinden. Dabei überlegte sie, warum sie das Mädchen überhaupt nach ihrem Retter gefragt hatte. Wollte sie den Mann wirklich wiedersehen, wenn sie doch wusste, welche Wirkung er auf sie gehabt hatte? Wie konnte sie ihm gegenübertreten und nicht daran denken, wie fest er sie gehalten hatte? Wie sollte sie das Erröten verhindern, wenn sie sich daran erinnerte, wie gut es sich angefühlt hatte?

Autor

Trish Morey
Im Alter von elf Jahren schrieb Trish ihre erste Story für einen Kinderbuch- Wettbewerb, in der sie die Geschichte eines Waisenmädchens erzählt, das auf einer Insel lebt. Dass ihr Roman nicht angenommen wurde, war ein schwerer Schlag für die junge Trish. Doch ihr Traum von einer Karriere als Schriftstellerin blieb....
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