Baccara Exklusiv Band 189

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

LIEBESRAUSCH IN LOUISIANA von ANN MAJOR
Nackt steht sie vor ihm, der Duft von Jasmin in der Luft - aber Cicis Blick ist eiskalt! Im nächsten Moment greift sie nach dem Handtuch, und Logan atmet langsam aus. Noch immer weckt diese Frau heißes Verlangen in ihm. Obwohl er mit einer anderen verlobt ist, gibt es für ihn nur eine: Cici!

HEISSE AFFÄRE MIT SÜSSEN FOLGEN von HEIDI BETTS
Es war alles anders geplant: Jessica wollte Alexander Bajoran nur ausspionieren, um etwas gegen ihn in der Hand zu haben, weil er ihre Familie in den Ruin gestürzt hat! Aber dann lässt sie sich auf eine stürmische, unglaublich heiße Affäre mit ihrem Feind ein … mit großen Folgen!

KEINER KÜSST SO HEISS WIE DU von JENNIFER LEWIS
Klopfenden Herzens huscht Brooke aus dem Büro - ja, sie hat den heißen Küssen ihres Chefs RJ nachgegeben! Doch nach den atemlosen Minuten der Leidenschaft kommen die Zweifel: Was wird RJ tun, wenn er erfährt, dass Brooke demnächst vor Gericht gegen seine Mutter aussagen muss?


  • Erscheinungstag 10.01.2020
  • Bandnummer 189
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726737
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Ann Major, Heidi Betts, Jennifer Lewis

BACCARA EXKLUSIV BAND 189

1. KAPITEL

Es gibt Frauen, die ein Mann einfach nicht vergessen kann, egal, wie sehr er es versucht.

Logan Claiborne runzelte die Stirn, aber nicht weil ihn die Sonne blendete, als er auf der schmalen, gewundenen Straße zu dem historischen Herrenhaus fuhr, in dem er aufgewachsen war.

Er sollte sich auf Mitchell Butler und die Fusion von Butler Shipyards und Claiborne Energy konzentrieren oder darauf, wie er sich mitfühlend um seinen Großvater kümmern konnte, sobald er in Belle Rose angekommen war.

Stattdessen umfasste er das Lenkrad seines Wagens fester, weil er erneut an die vertrauensvollen dunklen Augen und die verlockenden Kurven der Göre aus der Nachbarschaft dachte, die er neun Jahre zuvor verführt und dann sitzen gelassen hatte, um seinen Zwillingsbruder Jake zu retten.

Bis zu diesem Morgen hatte Logan sich eingeredet, dass sein Großvater recht damit gehabt hatte, dass Cici Bellefleur einfach nicht in ihre Welt gehörte. Dass er Jake vor einer ebenso katastrophalen Ehe hatte bewahren müssen, wie sie ihr Vater mit einem armen Mädchen eingegangen war – ihrer Mutter, deren extravagante Träume und deren Geltungsbedürfnis beinah das Vermögen der Familie vernichtet hätten. Er hatte sein Handeln auch dann noch vor sich selbst gerechtfertigt, als er das Familienimperium gesichert und Cici sich mit ihrer Kamera einen Namen gemacht und bewiesen hatte, dass sie eine talentierte Frau war.

Dann hatte ihn sein Großvater an diesem Morgen angerufen und ihn geschockt, weil er sich begeistert wie ein vernarrter Teenager anhörte, als er erzählte, dass Cici wieder zu Hause sei und sie gemeinsam Führungen durch die Villa machten.

Warum war sie, eine berühmte Fotografin und Autorin, nach Hause zurückgekehrt? Was wollte sie?

„Vor neun Jahren warst du wegen ihres Onkels absolut gegen sie“, hatte Logan seinen Großvater erinnert. Grandpère hatte Cicis Onkel von jeher misstraut.

„In einem langen Leben macht ein Mann den einen oder anderen Fehler. Merk dir das. Ich selbst habe nicht nur einen gemacht. Eines Tages hast du womöglich einen Schlaganfall und genug Zeit, um über die Vergangenheit nachzugrübeln. Vielleicht bedauerst du einiges. Also ich für meinen Teil bedauere, dass ich Cici ihren Onkel Bos vorgehalten habe. Es war doch nicht ihre Schuld, dass er Hahnenkämpfe veranstaltet, Umgang mit unzivilisierten Leuten gepflegt und eine Bar betrieben hat.“

„Erinnerst du dich, dass du sie vor neun Jahren von Jake und mir fernhalten wolltest, besonders von Jake, der damals ein ganz schöner Draufgänger war?“

„Also, das tut mir leid, falls ich das gewollt habe.“

„Falls du das gewollt hast?“ Es war immer noch schwierig, seinen Großvater, so, wie er jetzt war, mit dem autoritären Mann, der ihn großgezogen hatte, in Verbindung zu bringen.

„Okay, ich habe mich in Bezug auf sie geirrt. Und es war auch falsch, so streng mit dir zu sein. Es ist meine Schuld, dass du so hart bist.“

Logan hatte ein schlechtes Gewissen bekommen, als er mit der Hand durch sein zerzaustes dunkelbraunes Haar fuhr.

„Ich war auch mit Jake zu streng.“

„Vielleicht bist du mit dir selbst zu streng.“

„Ich möchte Jake gern wiedersehen, bevor ich sterbe.“

„Du stirbst nicht … jedenfalls nicht demnächst.“

„Cici sagt das auch. Sie findet, dass es mir jeden Tag etwas besser geht. Sie findet, dass ich vielleicht hierbleiben könnte, statt …“

Die Tatsache, dass Cici aufgetaucht und sein Großvater so voller Hoffnung war, nicht umziehen zu müssen, hatte Logan veranlasst, sofort nach seinem Großvater zu sehen. Seit dem Schlaganfall war aus seinem starken, herrischen Großvater ein unsicherer, depressiver Mann geworden, den Logan kaum wiedererkannte. Aus diesem Grund hatte Logan beschlossen, dass sein Großvater nicht länger allein in Belle Rose leben konnte und nach New Orleans umziehen musste, um in seiner Nähe zu sein. Der alte Mann musste vernünftig betreut werden.

Leider war der Wald mit seiner üppigen Vegetation so dicht, dass Logan fast schon an der vertrauten Abzweigung zu seinem Elternhaus vorbei war, ehe er die Toreinfahrt sah. Im letzten Moment riss er das Lenkrad seines Lexus’ nach rechts herum und geriet dabei leicht ins Schleudern. Sobald er den Wagen abgefangen hatte, erblickte er die Südstaatenvilla am Ende der Eichenallee. Wie jedes Mal kam ihm das historische Herrenhaus mit seinen eleganten Säulen und Galerien im Licht der untergehenden Sonne wie das schönste Haus auf der ganzen Welt vor, und es berührte sein Herz, wie kein anderer Ort es vermochte.

Wie konnte er es Grandpère, der seit seiner Erkrankung kindlicher und emotionaler geworden war, verdenken, dass er hier bleiben wollte? Logan dachte daran, als er das erste Mal von der Möglichkeit eines Umzugs in die Stadt gesprochen hatte. Grandpère hatte ihn zu Tode erschreckt, indem er für mehrere Stunden verschwand.

Wie kommt Cici dazu, dem alten Mann einzureden, es gehe ihm immer besser, sodass er glaubt, nicht umziehen zu müssen?

Aber was waren ihre wirklichen Gründe?

Allein der Gedanke, dass sich der Zustand seines Großvaters verschlechterte, war bestürzend. Ihm, Logan, und nicht Cici lag Grandpères Wohlbefinden am Herzen. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass Cici sich einmischte und ihm für eine Entscheidung, die er hatte treffen müssen, ein schlechtes Gewissen einredete. Er wollte Grandpère nicht unglücklich machen, aber er konnte nicht Claiborne Energy leiten und gleichzeitig hier unten bei seinem Großvater sein.

Gleich darauf hielt er im Schatten der weit ausladenden Eichen, die bereits gepflanzt worden waren, lange bevor das Herrenhaus gebaut wurde. Hinter dem Haus erstreckten sich Felder bis zu einer Reihe düsterer Sumpfzypressen, die die Wildnis des Sumpfes begrenzten.

Logan öffnete die Tür seines luxuriösen Wagens, das neueste Lexus-Modell mit Hybridantrieb, und stieg aus. Hochgewachsen, wie er war, tat es gut, sich nach der zweistündigen Fahrt von New Orleans zu recken und zu strecken.

Trotz der riesigen Sumpfeichen war die Luft für Anfang März unerträglich dunstig. Logan atmete dennoch tief ein, denn die würzige Luft hatte für ihn etwas Heimatliches.

In der Nähe quakten Frösche. Bienen summten in den Azaleen. Enten schnatterten um die Wette. Bildete er es sich nur ein, oder hörte er die Paarungsrufe der Alligatoren?

Logan musste lächeln. Wie hatte Cici als Kind die düstere Wildnis mit den moosbedeckten Bäumen, die an die Plantage grenzte, geliebt. Wann immer er zu Hause gewesen war und einen Fuß vor die Tür gesetzt hatte, war sie ihm überallhin gefolgt, begierig wie ein getreues Hündchen. Ihre Beziehung war damals so einfach gewesen. Sie war acht Jahre jünger als er und Jake. Deshalb hatte Logan ihre Vernarrtheit in seinen Bruder nicht ernst genommen. Bis zu jenem Sommer, als er von der Uni nach Hause gekommen war und entdeckt hatte, dass sein Großvater recht hatte, dass Cici kein Kind mehr war.

Während er diese angenehmen Erinnerungen, die Cici einschlossen, verdrängte, begann er zu bedauern, nicht mehr in seinem klimatisierten Wagen zu sitzen.

Vielleicht weil es ihm bevorstand, Cici wiederzusehen, ließ Logan sich viel Zeit, um seine Krawatte abzunehmen und seinen obersten Hemdknopf zu öffnen. Nachdem er die Jacke seines maßgeschneiderten Anzugs ausgezogen hatte, warf er Jackett und Schlips auf den eleganten Ledersitz seines Autos.

Er wünschte, Alicia Butler, mit der er seit vier Monaten liiert war, hätte ihn begleiten können. Vielleicht würde er sich dann nicht so verfolgt von der Vergangenheit fühlen. Oder so versucht, sich an Cici zu erinnern.

Im Gegensatz zu Cici war Alicia schick und elegant und hatte perfekte Umgangsformen. Er war mit ihr befreundet, weil sie einander vorgestellt worden waren und es ideal für seine Pläne war, dass seine Firma mit der ihres Vaters fusionierte. Alicia war brünett, und ihr schulterlanges glattes Haar ließ ihr schmales Gesicht noch femininer wirken. Sie verstand es, sich zu kleiden, hatte Stil. Bei Wohltätigkeitsveranstaltungen drehten sich die Leute nach ihr um, wann immer sie ihn begleitete, und das nicht nur wegen ihrer Schönheit und stilvollen Kleidung, sondern wegen ihres Vermögens.

Andere Männer, ehrgeizige Männer, beneideten ihn. Aber das war nicht der einzige Grund, warum es ihn so mit Stolz erfüllte, dass sie bald seine Frau sein würde.

Selbstsicher ging sie das Leben an, genau wie er. Sie war kultiviert, gebildet und passte daher genauso gut zu ihm, wie seine Frau Noelle zu ihm gepasst hatte, ehe sie viel zu früh gestorben war.

Alicia sprach Französisch und Italienisch. Sie verstand es, jederzeit perfekt zu sein. Nie aß oder trank sie zu viel, war auch nie unpassend gekleidet.

Nicht einmal wenn sie wütend war, erhob sie die Stimme. Im Bett war sie gleichermaßen beherrscht.

Was Cici nicht war, fiel Logan unvermittelt ein. Für einen Moment geriet sein Blut in Wallung, als er daran dachte, wie Cici sich hemmungslos vor Lust unter ihm hin und her wand.

Aber Alicia würde noch auftauen, wenn sie erst verheiratet waren. Er würde Geduld haben. Er wusste, was es hieß, nicht genug Vertrauen zu haben, um sich fallen zu lassen. Zusammen würden er und Alicia sich ein Leben aufbauen, wie er und Noelle – seine vor Kurzem verstorbene erste Frau – es getan hatten, ein Leben, um das sie alle beneiden würden. Sie würden sich gut verstehen und nicht miteinander streiten, dazu herrschte zu wenig Leidenschaft zwischen ihnen.

Flüchtig dachte er daran, wie traurig Noelle in der letzten Woche vor ihrem Tod ausgesehen hatte. Dann verdrängte er die unangenehme Erinnerung schnell. Er würde Alicia glücklich machen. Vergangenes würde sich nicht wiederholen.

„Es tut mir leid, dass ich dich nicht begleiten und deinen Großvater kennenlernen kann, Darling“, hatte Alicia ihm geantwortet, als er sie am Morgen angerufen hatte. „Aber Daddy braucht mich im Büro.“

„Okay, ich verstehe.“

Mitchell Butler, Alicias Vater, war ein herrischer Fuchs, zumindest in geschäftlicher Hinsicht, aber da Logan und er diese beachtliche Fusion ihrer beiden Firmen planten, wollte Logan ihn nicht wegen einer unwichtigen persönlichen Angelegenheit verärgern. Er würde Alicia am Abend treffen.

„Darling, ich bin mir sicher, du weißt genau, was du sagen und tun musst, damit dein Großvater versteht, warum er nicht in Belle Rose wohnen bleiben kann“, hatte Alicia erklärt. „Schließlich ist er dein Verwandter. Du liebst deinen Großvater doch und willst nur das Beste für ihn.“

Wenn sie wüsste, wie gründlich ich alles vermasselt habe, dachte Logan grimmig. Er hatte alle unglücklich gemacht. Mit dem Resultat, dass seine Familie nach wie vor zerstritten war.

Er wollte nicht über seine Fehler nachdenken, besonders nicht darüber, wie grausam er damals Cici behandelt oder wie er sich mit seinem Zwillingsbruder entzweit hatte. In der Absicht, den Schaden zu begrenzen und das Beste für seinen Großvater zu organisieren, war Logan an diesem Tag trotz eines vollen Terminkalenders nach Belle Rose gekommen. Er war entschlossen, mit Cici zu reden, ehe sie seinem Großvater Flausen in den Kopf setzte und er glaubte, das Unmögliche haben zu können.

Er erinnerte sich daran, wie klein und verloren Cici auf dem Anlegesteg ausgesehen hatte, nachdem er ihr gesagt hatte, dass er sie nicht liebte. Er hatte gelogen, um sie und sich selbst zu schützen. Seltsamerweise hatte seine Lüge ihn genauso traurig gemacht.

Denk nicht an die Vergangenheit. Oder wie du dich damals gefühlt hast. Sieh zu, dass du jetzt mit Cici redest.

Trotz seines festen Vorsatzes, die Vergangenheit ruhen zu lassen, fiel ihm ein, wie die junge, temperamentvolle Cici vorzugeben versucht hatte, stark und hart zu sein und genauso gut wie die reichen, einflussreichen Claibornes. Er hatte sie verletzt. Und Jake. Alle hatte er verletzt, einschließlich sich selbst. Mit dem Gedanken, dass das eben bedauerliche Begleitumstände waren, da die Familie reicher und mächtiger denn je war, versuchte er sich zu trösten.

Nachdem er den Wagen abgeschlossen hatte, ging Logan über die gekieste Auffahrt zum Herrenhaus hinüber. Am Fuß der Treppe, die zur unteren Galerie und imposanten Eingangstür führte, blieb er jedoch stehen.

Langsam ließ er den Blick über die Villa und den Rasen gleiten. Eine neue Rollstuhlrampe aus Holz führte unter Umgehung der Treppe zur Eingangstür.

Logan ließ den Blick weiter über das vertraute Anwesen schweifen, bis hin zum Gästehaus, wo er und Jake als Teenager gewohnt hatten, bis sie sich wegen Cici zerstritten, und er fragte sich, wem der zweisitzige Miata gehörte, der neben dem Haus parkte.

Stirnrunzelnd ging er die Treppe hinauf, doch gerade als er die Haustür öffnen wollte, kam ihm jemand zuvor.

„Oh, hallo, Mister Logan“, wurde er von der vertrauten Stimme mit dem französischen Akzent begrüßt, die seiner ehemaligen Kinderfrau gehörte.

Noonoon, die jetzt die Haushälterin seines Großvaters war, stand in der riesigen Tür. Bei seinem Anblick begann ihr dunkles Gesicht zu strahlen.

Auch er freute sich, sie wiederzusehen. Diese großherzige Frau hatte ihn immer geliebt, genau wie Jake. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie Belle Rose praktisch ganz allein betreut.

„Himmel, ist das heiß heute.“

Logan nickte und umarmte sie flüchtig.

„Komm ins Haus, ehe du in der Hitze dahinschmilzt. Wenn es jetzt schon so heiß ist, wie wird es dann erst im August sein?“

„An den August will ich noch gar nicht denken.“ Denn weil sich der Golf von Mexiko im Sommer erwärmte, war im August die Hauptsaison für Hurrikane.

„Kann ich dir etwas anbieten? Etwas zu trinken vielleicht? Eistee mit frischer Minze?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein danke, mir fehlt nichts.“

„Das kann man wohl sagen. Mit fünfunddreißig siehst du so gut aus wie eh und je.“

„Warum erinnerst du mich bei jeder Gelegenheit daran, wie alt ich bin?“

„Vielleicht weil es an der Zeit ist, dass du aufhörst, so sehr um deine hübsche Miss Noelle zu trauern.“

Logan versteifte sich.

Noonoon merkte, dass er kein Mitleid wollte. „Das Leben ist so kurz.“

„Ich habe eine neue Freundin.“ Er betrat die große Eingangshalle, die wohltuend kühl war. „Sie heißt Alicia Butler. Du wirst sie bald kennenlernen. Sie ist eine richtige Lady, und die Familie wird stolz auf sie sein.“

Noonoon schloss die Tür hinter ihm. „Das freut mich wirklich. So, und was führt dich ganz aus New Orleans hierher?“

„Mein Großvater. Er hört so schlecht, dass es schwierig ist, mit ihm am Telefon zu reden. Ich dachte, wir hätten alles geregelt, doch heute Morgen hat er mir erklärt, es gehe ihm besser und er wolle hier wohnen bleiben.“ Logan erwähnte Cici absichtlich nicht.

„Mr. Pierre hält oben ein Schläfchen. Aber er wird sich mächtig freuen … dass du hier bist … da wir dich nicht oft sehen, weil du ja ein viel beschäftigter, wichtiger Mann bist und in New Orleans lebst.“

„Ein Schläfchen? Und wo ist sie?“

„Miss Cici?“, erkundigte sich Noonoon eine Spur zu unschuldig.

„Wer denn sonst?“

„Ich wusste, dass du nicht lange brauchen würdest … sobald du von Miss Cici gehört hast. Man könnte wetten, wenn ein reicher älterer Mann Interesse an einer hübschen jüngeren Frau zeigt, dann bringt er den Rest der Familie todsicher auf die Palme, oder etwa nicht?“

„Das ist nicht der Grund, warum …“

Die Hände in die Hüfte gestemmt, betrachtete Noonoon ihn eingehend mit ihren intelligenten dunklen Augen. Cici hatte Noonoon also bereits für sich gewonnen.

„Als du von Miss Cici gehört hast, warst du schneller hier als dieser faule Hase, der erst in letzter Sekunde losrannte, um die Schildkröte einzuholen, falls du dich an die Geschichte erinnerst, die ich euch Jungs so oft vorgelesen habe. Wie auch immer, ich werde nie diesen letzten Sommer vergessen, den Cici hier war. Sie war achtzehn und das hübscheste Ding, das ich je gesehen habe.“

Logan wünschte, er würde sich nicht genau daran erinnern, wie das Licht der untergehenden Sonne Cicis Brüste geheimnisvoll beleuchtet hatte, als sie am ersten Tag seiner Semesterferien in ihrem kleinen Boot stand. Sobald sie ihn erblickt hatte, war sie an Land gesprungen und in den Wald gerannt. Als er ihr gefolgt war, hatte sie ihn begrüßt, und ihre dunklen Augen hatten so sehr vor Freude gestrahlt, dass sie ihn vollkommen verzaubert hatte. Weil sie so schüchtern gewesen war, hatte sie nicht viel mehr gesagt und, verflixt, er auch nicht.

„Miss Cici ist erst eine Woche hier, und Mr. Pierre ist schon total verrückt nach ihr.“

„Das hat er mir erzählt“, erwiderte Logan kühl, weil er sich vorstellte, dass Cici sich den verletzlichen alten Mann als Opfer ausgesucht hatte.

„Es geht ihm viel besser. Ich weiß, dass du willst, dass er nach New Orleans zieht und so weiter …“

„In eine wunderbare Seniorenwohnanlage in der Nähe meines Hauses, damit ich mich persönlich um ihn kümmern kann.“

„Aber solche Wohnanlagen sind kein Zuhause, und wir wissen doch alle, wie beschäftigt du bist. Wie oft könntest du ihn denn besuchen? Mr. Pierre ist hier glücklich. Alte Leute in Seniorenwohnungen sitzen bloß herum und starren vor sich hin.“

„Du kannst dich nicht Tag und Nacht um ihn kümmern. Du hast eine eigene Familie.“

Da das Herrenhaus der Öffentlichkeit zugänglich war, war Noonoons Job in erster Linie der einer Haushälterin, nicht der einer Betreuerin für seinen Großvater. Sie hatte jedoch eingewilligt, ihm vorübergehend zu helfen.

„Also, da ja jetzt Miss Cici hier ist …“

„Sie bleibt nicht.“

„Also, sie singt und spielt ihm jeden Tag etwas auf dem Klavier vor. Sie redet mit ihm. Meistens essen sie auch gemeinsam zu Abend. Sie kocht. Du erinnerst dich sicher, wie gern sie kocht.“

„So, wie sie in der ganzen Welt herumreist, wird sie nicht lange hierbleiben.“

„Bist du dir da sicher? Sie scheint sich gut einzuleben. Sie sagt, dass sie genug von der Herumreiserei hat, dass sie genug Leid gesehen hat und es ihr für den Rest ihres Lebens reicht. Und sie muss ihr Buch schreiben.“

„Nicht noch ein Buch. Ich hoffe, sie befasst sich diesmal mit einem Thema, das nichts mit mir zu tun hat.“

„Sie hat dich nicht erwähnt.“

Das beruhigte ihn keineswegs. Cicis Buch über die Ölindustrie in Louisiana nach dem Hurrikan Katrina hatte Claiborne Energy schlecht dastehen lassen. Hatte sie auch nur einmal erwähnt, wie viele Leute dank Claiborne Oil einen Job hatten? Nein, ihr Buch war voll von Bildern rostiger Pipelines und ölverseuchter Natur gewesen und von Aufnahmen von Wasser, wo vorher einmal Land gewesen war. Und die Bildunterschriften beschuldigten Firmen wie Claiborne Energy, dass das Marschland im Bundesstaat immer mehr verschwand.

„Und sie möchte sich um ihren Onkel Bos kümmern und so weiter“, erklärte Noonoon. „Er ist nicht mehr der Kräftigste nach seinen Behandlungen, weißt du. Trotzdem ist er störrisch wie ein Esel. Sie ruft ihn wieder und wieder an, aber er will einfach nicht mit ihr reden. Man sollte ja nach all den Jahren meinen, dass er ihr verzeihen würde. Schließlich hat sie nichts weiter getan, als mit dir und Jake befreundet zu sein.“

Logan bekam ein schlechtes Gewissen. Sie war also immer noch mit ihrem Onkel entzweit. Genau wie er und Jake entzweit waren … wegen dieses Sommers damals. Nicht, dass die meisten anständigen Leute hier in der Gegend Bos für einen guten Umgang hielten. Dennoch, er war ihr Onkel. Er hatte sie aufgenommen, als sie zum Waisenkind geworden war.

Die Feindschaft zwischen Bos und Grandpère war wegen der Hahnenkämpfe, die Bos veranstaltete, im Laufe der Jahre immer tiefer geworden. Als Hahnenkämpfe dann gesetzlich verboten wurden, hatten die beiden weniger Grund zu streiten.

„Cici hat gesagt, sie möchte irgendwo leben, wo es ruhig ist, und du weißt ja am besten, dass das Gästehaus ausgesprochen ruhig ist.“

„Du hast sie ins Gästehaus ziehen lassen? In meine alten Räume?“ Er hatte die Stimme erhoben, und das tat er eigentlich nie. Nicht einmal, wenn jemand, der so knallhart war wie Mitchell Butler, versuchte, aus Claiborne Energy Millionen herauszuschlagen.

„Mr. Pierre ist derjenige, der es an sie vermietet hat“, rechtfertigte sie sich leise.

Als ihm der schicke rote Miata einfiel, der neben dem eingeschossigen, achteckigen Gebäude parkte, beschleunigte sich Logans Puls. Der rasante, auffällige Sportwagen gehörte also ihr. Warum überraschte ihn das? Cici hatte doch schon immer ein verwegenes Naturell gehabt. Und das war kein Wunder … bei dieser Sumpfratte von einem Onkel, der Fallen stellte und Hahnenkämpfe veranstaltete, der sie großgezogen hatte, hauptsächlich dadurch, dass er sie vernachlässigte.

Wenn sein Großvater ganz er selbst wäre, dann wüsste er, dass Cici Hintergedanken hatte. Vermutlich war sie mit einer ganz bestimmten Absicht hergekommen.

„Entschuldige, dass ich laut geworden bin.“ Logan mühte sich um Fassung. „Es ist nicht deine Schuld. Oder ihre. Es ist meine … weil ich Grandpère nicht eher zum Umzug bewegt habe. Ich werde gleich mit ihr reden.“

„Oh, Miss Cici möchte nicht, dass man sie am Nachmittag stört. Es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Sie schreibt nämlich, wenn Mr. Pierre ein Schläfchen hält. Und um vier machen sie und Mr. Pierre dann gemeinsam die letzte Besichtigungstour des Tages. Ich nehme an, so gegen fünf hat sie Zeit zum Reden.“

„Wie schafft er es denn, in seinem Zustand so weit zu gehen?“

Noonoon warf ihm einen scharfen Blick zu, und Logan musste sich eingestehen, dass er seinen Großvater seit einem Monat nicht gesehen hatte.

„Miss Cici hat ihn von seinem Gehwagen befreit und ihm einen neuen, leichten Rollstuhl und einen Stock besorgt. Von Mr. Buzz hat sie überall Rollstuhlrampen bauen lassen. Wenn Pierre zu müde zum Gehen ist, schiebt sie ihn. Mithilfe der Rampen kann er auf der Tour jetzt all die Sklavenunterkünfte erreichen.“

Noch mehr Rampen? Logan glaubte einfach nicht, dass Cici nach Hause gekommen war, um sich um seinen Großvater zu kümmern. Sie hatte sich nie richtig um sich selbst kümmern können. Ausgeschlossen, dass sie Pierre betreuen konnte. Schon gar nicht langfristig.

Sein Großvater brauchte professionelle Pflegerinnen sowie eine qualifizierte, moderne und dauerhafte Betreuung, und die würde er auch bekommen.

Oder anders ausgedrückt: Für seinen Großvater war er verantwortlich.

Je eher er mit Cici redete und sie wieder abreiste, desto besser.

2. KAPITEL

Aufseufzend drehte Cici das heiße Wasser ab. Zum ersten Mal seit Langem fühlte sie sich gut, erstaunlich gut. Fast so, als habe sie ihren inneren Frieden gefunden.

Ihre Kameras und all das Elend, das sie in den Kriegsgebieten gesehen hatte, für eine Weile zu vergessen und nach Hause zu kommen war vielleicht doch die richtige Entscheidung gewesen.

Sie verließ die Dusche, warf ein Handtuch auf den Boden und stellte sich darauf. Tief durchatmend genoss sie das herrliche Gefühl, wie ihr das warme Wasser langsam über Brüste, Bauch und Schenkel rann und auf das flauschige Frotteetuch tropfte.

Es machte Spaß, ihre Zehen mit den pink lackierten Nägeln im weichen Handtuch zu vergraben. Sie, die monatelang in Zelten ohne fließendes Wasser gelebt hatte, wusste den Luxus einer heißen Dusche an einem sicheren, vertrauten Ort zu schätzen. Lächelnd schlang sie sich ein zweites Handtuch um ihr nasses, lockiges Haar und begann zu rubbeln.

Die Fenster standen offen. Die leichte Brise, die den Duft von Magnolien und Pinien in die erste Etage hereinwehte, ließ Cici wohlig erschauern.

In das Froschkonzert draußen stimmten die Alligatoren mit ihren Rufen ein – genau wie nach dem Regen am Vorabend, als sie mit Pierres Boot in den Sumpf gepaddelt war, um zu beobachten, wie Fischreiher und Bussarde zu ihren Nestern zurückflogen.

Sie schloss die Augen und lauschte. Beinah glaubte sie hören zu können, wie sich das Spanische Moos in den Sumpfzypressen bewegte.

Entspannt seufzte sie auf. Ihr war bewusst, dass sie längst am Computer sitzen und arbeiten sollte, aber sie konnte nicht widerstehen, sich noch einen Moment zu gönnen, um das Hochgefühl zu genießen, nach Jahren im Exil wieder zu Hause zu sein.

Cici atmete noch mehrmals tief durch. Bis zu diesem besonderen wundersamen Moment, denn solche Glücksmomente waren kleine Wunder, hatte sie sich nie eingestanden, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, nach Hause zurückzukehren und Belle Rose wiederzusehen. Denn seit sie mit acht Jahren Waise geworden war und in der einfachen Unterkunft ihres Onkels Bos auf dem Marschland leben musste, das an das weitläufige Anwesen der Claibornes grenzte, war Belle Rose für sie gleichbedeutend mit dem Paradies.

In Belle Rose hatte es zwar keinen Platz für sie gegeben, aber sie hatte sich immer danach gesehnt, dorthin zu gehören. Am nächsten war sie diesem Traum gekommen, als ihr Onkel Bos für kurze Zeit als Teilzeitgärtner für die Claibornes gearbeitet hatte und sie sich frei auf dem Anwesen hatte bewegen dürfen. Damals hatte sie es sich angewöhnt, Logan überallhin zu folgen, wann immer er zu Hause war.

„Verflixt und zugenäht!“ Die tiefe, nur allzu vertraute Stimme des gegenwärtigen Herrn von Belle Rose klang fast so wie die lustvollen Rufe der Alligatoren draußen.

Für einen kurzen Moment verspürte Cici das gleiche seltsame Gefühl in der Magengegend wie damals, als ihr in Afghanistan eine Kugel am Kopf vorbeigeflogen war und sie nur um Haaresbreite verfehlt hatte.

Du musst dem Tod nahe kommen, um ihn fotografieren zu können.

Cici öffnete die Augen, und als sie den hochgewachsenen, breitschultrigen Mann, der in ihrem Schlafzimmer stand, erblickte, schrie sie laut auf.

Neun Jahre lang hatte sie sich ausgemalt, was sie Cleveres sagen oder tun würde, falls sie Logan Claiborne je wiedersehen würde. Zum einen würde sie ihm ordentlich die Meinung sagen. Aber in dieser Schrecksekunde stand sie einfach wie angewurzelt da und war sprachlos. Unbewusst nahm sie wahr, dass sich in seinen weit aufgerissenen Augen die gleichen widersprüchlichen Emotionen spiegelten wie vermutlich in ihren eigenen.

Wenn er einen einzigen Schritt auf sie zugemacht oder womöglich etwas Zynisches gesagt hätte, dann hätte sie erneut geschrien. Doch weil er genauso gelähmt war wie sie, tat sie nichts. Absolut nichts.

Sie stand einfach nur da, splitternackt, wie sie war, und ließ sich von ihm anstarren. Dabei stürzten alle möglichen Gedanken, Gefühle und Bilder aus der Erinnerung auf sie ein. Zunächst war alles derart chaotisch, dass sie sich an nichts Konkretes erinnerte. Dennoch fühlte sie sich für einen Moment jung und verletzlich wie damals – wie das naive, unschuldige, achtzehnjährige Mädchen, das ihn geliebt und ihm vertraut hatte und von seiner Lieblosigkeit beinah zerstört worden war.

Wie hatte er sie derart missbrauchen können? Sie waren zusammen aufgewachsen. In Jake war sie von jeher unglaublich vernarrt gewesen. Logan dagegen war eher wie ein Bruder für sie gewesen, der sie zwar meistens ignoriert, bei dem sie sich aber sicher und geborgen gefühlt hatte, weil keine kindische Schwärmerei sie in seiner Gegenwart einschüchterte.

Als sie noch ein Kind war, hatte er im Sumpf mit ihr gespielt. Er hatte ihr beigebracht, wie man Alligatoren neckte, hatte mit ihr Reiherfedern gesammelt und Krebse gefangen. Später hatte sich dann ihre Vernarrtheit in Jake gegeben, und sie hatte sich in Logan verliebt. War er eigentlich nicht schon immer ihr Held gewesen? Dann hatte er seinen Plan ausgeführt, und kurz darauf war ihre Fantasiewelt in sich zusammengestürzt.

Genau in diesem Raum – oder vielmehr im Schlafzimmer –, in dem er jetzt stand, hatte sie nackt unter Logan gelegen, gewärmt von seinem Körper, und wäre nie auf die Idee gekommen, dass er mit ihr geschlafen hatte, um seinen Bruder zu retten. Für einen Augenblick verspürte sie derart intensiv diese beglückende Zweisamkeit, als er sie zur Frau gemacht hatte, dass tiefer Schmerz und Kummer sie erneut überkamen. In den langen Nächten jenes Sommers hatte er sie wieder und wieder geliebt.

Jeden Abend hatte sie darauf gewartet, dass Bos zur Arbeit in seine Bar ging. Dann war sie durch den Wald zum Gästehaus gerannt. In Logans Armen hatte sie sich unglaublich lebendig gefühlt. Und jede Nacht war ihre Leidenschaft größer geworden.

Sie hatte geglaubt, dass er sie liebte – bis sie in jener letzten Nacht von Jake überrascht wurden und Logan ihr eröffnete, warum er wirklich mit ihr ins Bett gegangen war: um Jake vor einer nicht standesgemäßen Heirat zu bewahren. Dann hatte Logan sie sitzen lassen, und ihr Märchen hatte abrupt geendet.

Tagelang hatte sie geglaubt, er würde zurückkommen und ihr sagen, dass es ihm leidtäte, dass er sie liebte. Wie wenig hatte sie damals von Männern gewusst.

Als sie ihn zwei Monate später im Herbst angerufen hatte, hatte er ihr, noch ehe sie ihm ihre Neuigkeiten mitteilen konnte, kurz und bündig mitgeteilt, dass er Noelle geheiratet habe.

Sie hätte dringend mit ihm reden müssen. Aber als ihr beim Auflegen des Hörers klar wurde, dass sie in dieser schwierigen Situation ganz auf sich allein gestellt war, hatte sie sich unendlich allein gefühlt. Seinetwegen hatte sie jahrelang alle Männer gehasst, besonders natürlich ihn.

Irgendwann hatte sie aufgehört, die Männer im Allgemeinen für seine Untaten verantwortlich zu machen, aber an ihrer tiefen Abneigung gegen ihn hatte sie festgehalten.

Ihn jetzt so unvermittelt wiederzusehen mit seinen kalten blauen Augen, die allzu wissend jeden Teil ihres Körpers mit heißen Blicken verbrannten, angefangen von ihren aufgerichteten Brustspitzen bis hinunter zu den weichen goldenen Löckchen zwischen ihren Beinen, war ein solcher Schock, dass selbst ihr Hass nichts dagegen war.

Endlich hatte sie sich so weit gefasst, dass ihr das Handtuch einfiel. Sie hob es auf und wickelte es mit hastigen Bewegungen um sich, vor allem darauf bedacht, zuerst die kleine Narbe auf ihrem Bauch zu bedecken.

Doch als sie wieder hochsah, merkte sie, dass sich in seinen Augen immer noch viel zu begehrlich die Erinnerung an ihren nackten Körper widerspiegelte. Und sein begehrlicher Blick ließ ihr selbst ganz heiß werden. Sich zu bedecken schien die knisternde, nicht gewollte Intimität, die zwischen ihnen herrschte, nur noch zu verstärken.

Errötend bemühte sie sich, nicht an ihre wilden Sommernächte in genau diesem Schlafzimmer zu denken. Sie schluckte, weil ihre Stimme wütend klingen sollte. „Du hättest anklopfen sollen, verdammt.“

„Das habe ich.“

„Dann hättest du warten sollen, bis ich geantwortet hätte.“

„Ja.“ Endlich hatte er so viel Anstand, wegzusehen. Interessiert ließ er seinen Blick über ihren Schreibtisch wandern, auf dem jede Menge Zettel, Karteikarten und Fotografien, einige von ihm, herumlagen. „Ja, das hätte ich tun sollen.“

Ihm stieg die Röte ins Gesicht, als er die Zeitungsausschnitte mit Fotos von ihm in tiefer Trauer entdeckte. Die eine Aufnahme, die ihn besonders fesselte, war kurz nach Noelles Tod gemacht worden.

Warum nur habe ich gerade dieses Foto offen herumliegen lassen?

„Ich habe nicht weiter nachgedacht. Ich hatte doch keine Ahnung, dass du …“

„Nackt sein würdest?“

Aufgebracht blickte er sie an. „Warum hast du nicht abgeschlossen? Und wie konntest du einfach so dastehen … und dich zur Schau stellen, als würde es dir gefallen, dass ich dich unbekleidet sehe?“

„Jetzt halt aber mal die Luft an!“ Ihr wurde erneut ganz heiß, aber diesmal vor ohnmächtiger Wut.

„Du verdammter Mistkerl! Es ist nicht meine Schuld! Absolut nicht! Du bist hier hereingeplatzt! Und zwar genau in dem Moment, in dem ich aus meiner Dusche gekommen bin, wozu ich jedes Recht habe …“

„Ja, tut mir leid. Du hast recht!“

„Ich bin noch nicht fertig. Nur zu deiner Information, ich habe des Öfteren geduscht, seit ich dich vor neun Jahren zuletzt gesehen habe! Und niemand, nicht einmal in einem Kriegsgebiet, ist je ungebeten in mein Bad gestürzt! Du befindest dich im Unrecht – nicht ich.“

„Okay. Das hast du schon gesagt … wiederholt. Eigentlich reicht es.“

„Nein. Es reicht nicht. Du warst damals schrecklich zu mir. Und du bist jetzt schrecklich. Du benimmst dich immer so arrogant und hochnäsig, weil ich in deinen Augen nur armes weißes Gesindel sein werde, bis ich sterbe. Ich war nicht gut genug für Jake oder dich … und daran wird sich nichts ändern, egal, was ich auch tue.“

Logan schluckte. Sein Kiefermuskel, der immer zuckte, wenn er aufgebracht war, bewegte sich heftig. „Schön. Ich habe dich gehört. Du hast deinen Standpunkt klargemacht.“

Das hatte sie zwar, aber da er es bisher nicht für nötig gehalten hatte, sich angemessen zu entschuldigen, verspürte sie nach wie vor Wut und Entrüstung … und noch andere entsetzliche Emotionen, die sie lieber nicht benannte. Wie war es nur möglich, dass er sie immer noch derart aus der Fassung bringen konnte?

Trotz ihrer Verwirrung fiel ihr sein verändertes Aussehen auf. Nicht, dass sie nicht gelegentlich Fotos von ihm in Zeitschriften, Zeitungen und im Internet gesehen hätte. Er war ein bedeutender, reicher Mann. Allein über den tragischen Unfall und das Begräbnis seiner Frau war im letzten Jahr ausführlich berichtet worden, und Cici hatte begierig alle Berichte verschlungen.

Dennoch machte es einen Unterschied, ihn persönlich wiederzusehen und zu wissen, dass seine Wut zum Teil daher kam, dass er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte, genau wie sie nichts mehr mit ihm.

Sie musterte ihn kalt. Er hatte nichts mehr von dem drahtigen jungen Mann, den sie geliebt hatte, und erst recht nichts von dem Mann mit dem aschgrauen Gesicht auf dem Foto auf ihrem Schreibtisch, dessen offensichtliche Trauer beinah ihr Mitleid erregt hätte. Er hatte zugenommen und wirkte dadurch, wie das bei Männern häufig der Fall war, männlicher und attraktiver denn je.

Sein teures weißes Oberhemd war von der Schwüle so feucht, dass es ihm regelrecht am Leib klebte, und Cici konnte nicht umhin, seinen durchtrainierten Körper zu bewundern.

Die aufgerollten Ärmel gaben den Blick auf seine kräftigen, gebräunten Unterarme frei. Sein dunkelbraunes Haar war vielleicht etwas kürzer, aber es sah immer noch dicht und genauso sexy zerzaust aus wie früher.

Für alle, die es nicht besser wussten, wirkte Logan wie ein angesehener, vermögender Geschäftsmann. Aber sie, die wünschte, sie wüsste es nicht besser, kannte die Wildheit und die gefährliche dunkle Seite, die unter seinem attraktiven Äußeren schlummerte. Wie sie selbst mochte Logan den Nervenkitzel des Risikos.

Mit einiger Mühe rief sich Cici ins Gedächtnis, dass Logan Claiborne ausgesprochen eigennützig und skrupellos war und eine kluge Frau sich tunlichst von ihm fernhalten würde.

Trotzdem sah er gut aus. Viel zu gut. Und das fand sie nicht nur, weil sie sich seit einer Weile mit keinem Mann mehr verabredet hatte.

Onkel Bos hatte in einigen Punkten recht gehabt. Seiner Meinung nach konnten reiche Leute grausamer und arroganter sein als Normalsterbliche, und sie sollte sich am besten von den Claibornes und ihresgleichen fernhalten. „Für die bist du Gesindel aus dem Sumpf, nichts weiter als ein Spielzeug. Mädchen wie dich schmeißen sie den Haien zum Fraß vor, wenn sie mit ihnen fertig sind.“

„Geh“, sagte sie leise, aber bestimmt zu Logan.

Er verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust und stellte sich in typisch männlicher, eigensinniger Pose und mit gespreizten Beinen vor sie hin.

„Nicht ehe wir uns unterhalten haben.“

„Wenn du glaubst, ich würde, nur mit einem Handtuch bekleidet, Konversation mit dir machen, als sei nichts geschehen … als seist du nicht hier hereingeplatzt, als hättest du mich nicht schamlos angestarrt und mich beschuldigt, hast du nicht alle Tassen im Schrank.“

„Dann zieh dich an.“ Weil sie nicht reagierte, ergänzte er ruhig: „Ich drehe mich auch um und sehe dir nicht zu, versprochen.“

„Als ob ich deinesgleichen noch mal über den Weg trauen würde!“

Er wirbelte herum, und seine blauen Augen funkelten vor Wut. „Vertrauen steht hier gar nicht zur Debatte. Du bleibst nicht in Belle Rose. Keine einzige weitere Nacht. Du lässt meinen Großvater in Ruhe. Er ist gebrechlich und alt, leichte Beute …“

„Sei still! Nur damit du Bescheid weißt, ich habe einen dreimonatigen Mietvertrag und einen Abgabetermin meines Verlages, und beides werde ich einhalten. Und dein Großvater, um den du dich angeblich so sehr sorgst, war ausgehungert nach Zuneigung. Ich glaube zu wissen, wie sich dieser Zustand anfühlt – besonders was dich angeht.“ Cici hielt kurz inne. „Und weil er mich braucht und sich mit mir angefreundet hat, als ich mich bei meiner Rückkehr einsam, ausgebrannt und ein wenig entfremdet gefühlt habe, habe ich nicht die geringste Absicht, wieder zu gehen.“

„Du nutzt ihn bloß aus.“

„Und das weißt du natürlich genau, du, der du ein Buch über dieses Thema schreiben könntest.“ Sie holte tief Atem. „Verlass meine Wohnung, oder ich rufe die Polizei.“

„Wir sind hier in Louisiana. Die Polizei ist auf meiner Seite. Und da ich deinen Mietvertrag nicht unterschrieben habe, ist er das Papier nicht wert, auf dem er steht. Jetzt zieh dich an, damit wir das ein für alle Mal regeln können. Ich warte unten.“

„Ich bin nicht mehr das dumme junge Mädchen wie vor neun Jahren. Du kannst mich nicht einschüchtern.“

„Ich werde dir jeden Penny erstatten, den du meinem Großvater gezahlt hast, und sogar noch mehr.“

„Geld. Du glaubst, du kannst dich von jedem Problem freikaufen.“

„Das ist unfair, und das weißt du genau.“

„Wer hat denn eben gesagt, dass das hier Louisiana und die Polizei auf seiner Seite sei?“

„Ich warte auf der unteren Veranda von Belle Rose auf dich“, brachte er mühsam heraus. Seine Haltung war steif, seine tiefe Stimme klang eisig.

„Mir ist also nicht mehr erlaubt, das Haus zu betreten?“

„Du bist diejenige, die sich kleinmacht. Nicht ich tue das.“

„Das Gesetz ist auf meiner Seite“, spottete sie.

Als er wortlos hinausging, musste Cici an sich halten, um nicht die Tür hinter Logan zuzuwerfen. Aufstöhnend lehnte sie sich dagegen und versuchte sich zu fassen.

Sie konnte nicht glauben, dass sie so unhöflich gewesen war. Selbst zu ihm.

Nach einer Weile ging sie zu ihrem Schreibtisch hinüber. Langsam nahm sie das Foto zur Hand, auf dem Logan so verloren und traurig aussah. Sie hatte so viele Aufnahmen von Menschen gemacht, die Schmerzen hatten oder trauerten, dass sie wirkliches Leid erkannte, wenn sie ihm begegnete.

Weil sie nicht daran denken oder ihn bemitleiden wollte, legte sie sein Bild in die Schreibtischschublade.

Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihn nicht die Treppe hatte hinuntergehen hören. Stand er noch auf der anderen Seite der Tür?

Oder war er genauso aufgewühlt und verwirrt wie sie, nachdem er sie wiedergesehen hatte?

War er letzten Endes doch ein Mensch?

Als sie in Erwägung zog, ihn womögich verletzt zu haben, wenn auch nur ein wenig, verspürte sie einen seltsamen Stich im Herzen, genau wie damals, als sie zum ersten Mal dieses Foto von ihm nach Noelles Tod gesehen hatte.

Sie schloss die Augen und sah wieder sein dunkles, gequältes Gesicht vor sich, nachdem er ihr gesagt hatte, mit ihr zu schlafen habe ihm nichts bedeutet … er habe sie nie geliebt, sei nur mit ihr ins Bett gegangen, um seinen Zwillingsbruder zu retten. Sie hatte nie gewusst, was sie für wahr halten sollte: seine brutalen Worte oder seinen gequälten Blick.

Tief durchatmend sagte sich Cici, dass nur die Tatsache zählte, dass er sie verlassen hatte.

Als sie das Handtuch ablegte, um sich anzuziehen, fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild.

Eine ganze Weile betrachtete sie die halbmondförmige Narbe auf ihrem Bauch. Und wie immer, wenn sie sich gestattete, an diese schreckliche Nacht zu denken, erstarrte sie. Es war die schlimmste Nacht ihres Lebens gewesen, die Nacht, in der sie nach einem Notfall-Kaiserschnitt ihren kleinen Sohn verloren hatte. Sie unterdrückte die Tränen, als sie an ihr ungeborenes Kind dachte, dessen Vater sich geweigert hatte, auch nur zuzuhören, als sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählen wollte.

Unter keinen Umständen konnte sie zulassen, Logan Claiborne gegenüber weich zu werden.

Entschlossen wandte sie sich vom Spiegel ab und griff nach einer Bluse. Sie wollte auf keinen Fall daran erinnert werden, wie tief sie einmal mit dem wütenden Mann verbunden gewesen war, der eben das Zimmer verlassen hatte.

Sie war bis in alle Ewigkeit mit ihm fertig.

3. KAPITEL

Logan war wütend auf sich selbst, weil er in das Gästehaus gestürmt war, nachdem Cici auf sein Klopfen hin nicht sofort die Tür geöffnet hatte.

Allerdings war er auch wütend auf Cici. Wie konnte sie einfach nackt in ihrem Bad stehen und so süß nach Jasmin duften? Ihr zartes Gesicht hatte so erschreckt ausgesehen und dabei hübsch und hinreißend. Ihre feuchten Lippen und ihr Körper hatten ihn unglaublich verlockt, während sie ihre schimmernden Locken mit dem Handtuch trocken rubbelte.

Sie hatte jedes Recht gehabt, in ihrem Badezimmer zu sein, wie sie ganz passend bemerkt hatte.

Beim Anblick der Wassertropfen auf ihren rosigen Brustknospen war ihm ganz anders geworden. Sein Blut hatte heftig in seinen Adern zu pochen begonnen. Wie ein unbändiges wildes Tier hatte er sich gefühlt. Selbst jetzt hätte er Cici am liebsten gegen die Wand gedrängt und auf der Stelle genommen. Er wollte wieder ihre Lippen schmecken, ihre Brustspitzen mit der Zunge liebkosen – genauso wie andere intime Stellen – und mit den Händen durch ihre üppigen Locken fahren, bis sie vor Lust stöhnte. Ja, er wollte sich in Cici Bellefleur verlieren.

Wie konnte er sich trotz ihrer Vergangenheit immer noch mit jeder Faser seines Seins nach ihr verzehren? Warum erinnerte er sich daran, wie ihre blonden Locken jede Nacht, nachdem sie miteinander geschlafen hatten, wie ein Fächer auf seinem Kissen ausgebreitet gewesen waren? Oder wie gern er ihre weichen, leicht geschwollenen Lippen mit dem Finger nachgezogen und dabei jede Nacht mehr bedauert hatte, dass seine Leidenschaft für sie mit jedem Kuss größer wurde und mit jeder Berührung, bis er sie weit mehr begehrte, als Jake es je getan hatte. Dann hatte er angefangen sich zu grämen, wie schmerzlich es sein würde, eine so schöne Frau aufzugeben, die ihm so unendlich viel bedeutete.

Aber Grandpère war der Meinung gewesen, dass Cici genau wie seine Mutter war – ein armes Mädchen, das darauf aus war, seine Lebenssituation auf ihre Kosten zu verbessern. Dass sie ihn an der Nase herumführen würde, genau wie seine Mutter seinen Vater, dass sie den letzten Cent ihres Geldes ausgeben würde, bis sie vollkommen ruiniert wären.

Grandpère hatte ständig wiederholt, dass er streng mit ihm sein müsse, weil er seinem Vater und Jake gegenüber zu nachgiebig gewesen war. Und als Resultat seiner mangelnden Strenge in früheren Jahren stand das Familienunternehmen kurz vor dem Bankrott, und Jake war außer Rand und Band. Er, hatte sein Großvater gemahnt, solle sich klug verheiraten und sesshaft werden, um Claiborne Energy zu retten. Opfer müssten gebracht werden, und es sei außer ihm niemand da, der dazu bereit war.

„Enttäusche mich nicht auch, so wie dein Vater und Bruder mich ständig enttäuscht haben“, hatte sein Großvater gesagt, als Logan Bedenken hatte, sich zwischen Jake und Cici zu drängen. In der folgenden Nacht hatte Logan sie verführt, um seinen Bruder zu retten, und Jake hatte sie zusammen im Bett überrascht. Jake hatte der Familie angewidert den Rücken gekehrt, ohne je die Motive für Logans Handeln zu erfahren oder dass Logan auf grausame Art in seiner eigenen Falle festsaß.

Vielleicht hatte Logan anfänglich nur den Wunsch seines Großvaters erfüllt und mit Cici geschlafen, um seinen Bruder und die Familie vor dem Ruin zu retten, aber sobald er mit der Verführung begonnen hatte, waren andere Motive ins Spiel gekommen, und er hatte erkannt, dass er sie von jeher für sich hatte haben wollen.

Trotzdem war ihm klar, dass er mit Cici Schluss machen musste, dass sie keine bessere Ehepartnerin für ihn war, als sie es für Jake gewesen wäre. Er hatte sie um nichts ind der Welt verletzen wollen, hatte gehofft, dass er sie mit der Zeit vergessen würde und sie ihn ebenfalls.

Als er Noelle geheiratet hatte, hatte er sich gesagt, dass es den Mann, der Cici geliebt hatte, nicht mehr gab. Aber jetzt waren alle früheren Sehnsüchte mit aller Macht wieder da. Schlimmer noch: Er fand Cici anziehender denn je.

Warum hatte sie das Bild aufbewahrt, das in einem der schlimmsten Momente seines Lebens gemacht worden war? An dem Tag von Noelles Begräbnis, als er akzeptiert hatte, wie schändlich er sich verhalten hatte, und das nicht nur Cici gegenüber.

Noelles Tod hatte ihn am Boden zerstört, aber aus den falschen Gründen. Er hatte gewusst, dass er sie nie geliebt hatte. Dass er sie nie auch nur halb so sehr begehrt hatte wie von jeher Cici, und dafür verabscheute er sich.

Neun Jahre zuvor hatte er geglaubt, das Richtige zu tun, indem er Cici fallen ließ und Noelle heiratete. Aber seine Ehe mit Noelle hatte nicht funktioniert. Nichts hatte seit Cici in seinem Privatleben geklappt.

Logan leerte sein zweites Glas Eistee mit frischer Minze und einer Scheibe Zitrone. Wenn er damit bloß auch sein Blut, das Cici erneut in Wallung gebracht hatte, abkühlen könnte.

Am Abend würde Alicia in New Orleans auf ihn warten. Ein vernünftiger Mann würde aufhören, sich nach Cicis sinnlichem Körper zu verzehren. Aber er war nicht vernünftig. Und die Erinnerung daran, wie lebendig und verführerisch sie ausgesehen hatte, als sie nass aus der Dusche kam, wollte nicht verblassen.

Vielleicht war Cicis Grammatik inzwischen besser – sie war eine verdammt gute Autorin, wenn auch manchmal eine echte Nervensäge –, aber passte sie heute eher zu ihm als damals? Sie war schon immer gegen das Establishment gewesen, eine Rebellin und eine Abenteurerin, während er durch und durch konservativ war. Himmel, ihr Onkel schlidderte immer haarscharf am Rand des Gesetzes entlang.

Spielten solche Unterschiede im einundzwanzigsten Jahrhundert wirklich noch eine Rolle? Oder zählte das tiefe, leidenschaftliche Verlangen, das er für Cici verspürte, mehr?

Nein. Ihm war beigebracht worden, dass Geld, Erziehung, Macht und die Bereitschaft, Verantwortung in einer gewissen Position zu übernehmen, Leute wie ihn von Leuten wie ihr trennten. Er stellte Regeln auf und befolgte sie; sie und ihr Onkel kümmerte keine einzige Regel. Nichts war Cici heilig. Nicht einmal der Tod. Ihre Bücher und Fotos bewiesen das.

Für Geld hatte sie ein Foto von einem Kind gemacht, das von Geiern bedrängt wurde, um ihr Publikum, das nach solchen Aufnahmen grausigen Elends gierte, zu schockieren. Ab und zu verfolgte ihn dieses Foto immer noch. Wie konnte er mit einer Frau Mitleid haben, die vom Leiden anderer gelebt hatte?

Was er für sie empfand, war nichts anderes als Lust. In der Vergangenheit war er von Cici geradezu besessen gewesen. Er würde nicht zulassen, dass seine Leidenschaft die Oberhand gewann und sein oder ihr Leben erneut aus der Bahn warf.

Aber Himmel, warum musste sie auch so atemberaubend sein wie eh und je – vielleicht sogar noch hinreißender? Warum genügte ein kurzer Blick auf sie, um ihm das Herz zu öffnen und tiefes Bedauern zu empfinden? Ihm das Gefühl zu geben, als seien ihnen wichtige Jahre ihres Lebens auf grausame Art und Weise gestohlen worden?

Logan überlegte gerade, wie ein so hartnäckiger Fall von Wollust kuriert werden könnte – indem er schnell die kultivierte Alicia heiratete oder noch einmal mit Cici ins Bett ging, um endgültig von ihr loszukommen –, als die Haustür aufging und sein Großvater an Noonoons Arm herauskam.

Der Anblick seines viel kräftigeren und energischeren Großvaters überraschte ihn sehr. Er hatte nichts mehr von dem gebrechlichen Mann an sich, der vor knapp einem Monat in Baton Rouge im Krankenhaus gelegen und ihm unter Tränen anvertraut hatte, dass er wünschte, tot zu sein. Daraufhin hatte Logan alles unternommen, um in New Orleans die perfekte Wohnsituation für seinen hinfälligen Großvater zu finden.

Logan sprang auf. „Grandpère! Wo ist dein Gehwagen?“

„Bin dauernd über das verdammte Ding gestolpert“, brummte Pierre und klang dabei fast so schroff und gebieterisch wie früher. „Cici hat mir diesen Gehstock besorgt.“ Er ließ Noonoon los und hielt den Stock hoch.

Cici. Auch wenn Logan froh war, dass es seinem Großvater so viel besser ging, es ärgerte ihn, dass allein die Erwähnung ihres Namens ausreichte, um wohlige Schauer durch seinen Körper zu senden. Würden Noonoon und Grandpère es merken und ihre Schlüsse daraus ziehen?

„Cici hat vorgeschlagen, dass ich besser einen Rollstuhl benutze, wenn wir nachmittags unsere Besichtigungstour machen. Gefällt mir gar nicht, weil ich damit so alt aussehe.“

Unsere Besichtigungstour.

„Du bist fast achtzig.“

„Cici sagt, das Alter sei Einstellungssache.“

„Sie hätte dich im Krankenhaus sehen sollen.“

„Ich bin froh, dass sie mich dort nicht gesehen hat!“

„Okay. Ich möchte nicht mit dir streiten oder dich an unglücklichere Zeiten erinnern.“ Logan umarmte seinen Großvater herzlich. „Ich freue mich, dass es dir besser geht. Du fühlst dich … viel kräftiger an … schwerer.“

„Er hat den Appetit eines Pferdes, seit Cici ihm Ragout kocht und seinen scharfen Lieblingseintopf mit roten Bohnen. Cici hat schon immer gern gekocht.“

Die blauen Augen des alten Mannes blitzten auf, und seine Wangen wurden ein wenig rosiger. „Cici ist großartig. Sie hat richtig neuen Schwung in mein Leben gebracht. Ich bin beinah froh, dass ich diesen verdammten Schlaganfall hatte. Glaube nicht, dass sie mich sonst so verwöhnen würde.“

Seine funkelnden Augen und sein Lächeln machten ihn glatt zehn Jahre jünger. „Übrigens, hast du unsere Einladung bekommen?“

Unsere Einladung?“

„Zur Party zu meinem achtzigsten Geburtstag nächsten Sonnabend. Du hast noch nicht geantwortet. Cici meinte, du wärst vermutlich zu beschäftigt, um zu kommen. Na, ist das denn der Fall?“

„Ich habe keine Einladung bekommen, also weiß ich auch nichts von einer Party. Und ich habe meinen Terminkalender nicht dabei“, erklärte Logan.

„Deine Einladung muss in der Post verloren gegangen sein“, sagte Cici hinter ihm, und ihre Fröhlichkeit wirkte aufgesetzt.

Verloren, von wegen. Die sexy Hexe hat mich zweifellos ganz bewusst ausgeschlossen.

Logan wirbelte herum, und ihn überkam erneut heißes Verlangen, als sich ihre Blicke einen prickelnden Moment lang kreuzten. Er konnte nicht widerstehen und ließ den Blick tiefer gleiten. Er fiel auf ein pinkfarbenes T-Shirt, das, knapp wie es war, ihre wohlgeformten Brüste betonte und mit dem Gesicht eines Bikers bedruckt war, unter dem „T-Bos’s Bar“ stand. Ihre hautengen Jeans hatten Löcher in den Knien.

T-Bos’s war eine gut gehende Bar für Biker mit zweifelhaftem Ruf, mit der ihr Onkel Bos den Claibornes trotzte, indem er sie auf seinem an Belle Rose angrenzenden Grundstück betrieb.

Solche Shirts sollten gesetzlich verboten sein, besonders wenn eine Frau mit solchen Kurven sie trug. Der weiche Stoff schmiegte sich noch enger an ihren Busen und ihre Taille als ihre Jeans an ihren süßen Po. Nicht, dass Logan ihr Outfit überrascht hätte. Es war unglaublich sexy, genau wie die Frau, die es anhatte. Konservativ war sie nun wirklich nicht.

„Jake kommt zur Party“, erklärte sie spöttisch. Oder bildete er sich den Spott in ihrer leicht rauen Stimme bloß ein?

„Ihr habt Jake eingeladen? Und mich nicht?“

„Seid ihr immer noch Konkurrenten?“

„Verdammt, nein!“ Seine Gefühle für seinen mit ihm entzweiten Zwillingsbruder waren komplizierter, als dieses eine Wort es hätte ausdrücken können. „Wie sollte das gehen? Deinetwegen habe ich seit neun Jahren nicht mehr mit ihm geredet.“

„Nur … meinetwegen? Wie leicht wir doch vergessen.“

„Ich habe ihn angerufen, aber er weigert sich, meine Anrufe anzunehmen.“

„Kannst du ihm das verdenken?“

Cicis Frage erinnerte Logan einmal mehr an alles, was er getan hatte, um Jake und sie zu trennen.

„Tut mir leid, ich will nicht mit dir streiten.“ Sie hielt inne. „Bis vor wenigen Wochen hatte ich auch keinen Kontakt zu Jake. Er lebt in Orlando, aber das weißt du bestimmt … und auch, dass er eine Zweigstelle seines Büros nach dem Sturm Katrina in New Orleans eingerichtet hat.“

Das wusste er. Jake, ein erfolgreicher Architekt und Bauunternehmer in Florida, wollte seinen Teil dazu beitragen, New Orleans wiederaufzubauen, nachdem zwei gewaltige Hurrikane die Stadt beinah zerstört hatten. Nicht, dass Jake sich die Mühe gemacht hätte, ihn, Logan, aufzusuchen, als er auf seinen Baustellen nach dem Rechten gesehen hatte. Aber er verübelte es ihm nicht.

„Ich fand es schade, dass wir seit dem Sommer damals nicht mehr miteinander geredet haben“, sagte Cici, „also habe ich ihn eines Tages einfach angerufen.“

„Und er hat den Anruf angenommen?“

Sie nickte. „Warum auch nicht? Er hatte keinen Grund, mir böse zu sein. Wir haben bestimmt eine halbe Stunde miteinander telefoniert.“

„Worüber?“

„Wenn du zur Party kommst, kannst du ihn ja selbst fragen.“

„Wie gesagt, ich muss erst in meinen Terminkalender sehen.“

„Du wirst kommen, nicht wahr?“, hakte Grandpère nach.

Logan hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen.

„Es hat ihm so viel Spaß gemacht, die Party zu planen, und Cici hat sich solche Mühe damit gegeben“, mischte Noonoon sich ein. „Ich gehe eben ins Haus und hole dir eine Einladung.“

„An die hundert Leute haben bereits zugesagt“, fügte Cici an. „Viele davon sind deine Freunde. Ich habe ihnen den Eindruck vermittelt, dass die Party deine Idee war.“

„Meine Idee? Wie großzügig von dir.“

Alle drei schauten ihn bittend an und warteten offensichtlich auf seine Zusage. Komisch, wie hart er geschäftlich sein konnte, während er im Privaten, wenn es um Grandpère ging, sofort bereit war nachzugeben.

„Na schön. Ich weiß, wenn ich geschlagen bin. Ich werde der Party Vorrang vor allem anderen geben.“ Nach einem Moment fuhr er fort: „Cici, ich muss nach New Orleans zurück. Noch heute Abend. Ich habe eine Verabredung.“

„Mit Alicia Butler? Von Butler Shipyards?“

„Woher, zum Teufel, weißt du das?“ Weil Cici lächelte, schüttelte Logan den Kopf.

„Ich bin Journalistin. Und ich lese die Klatschspalten.“

Er überging ihre Bemerkung. „Wir beide müssen über deinen Mietvertrag reden. Hast du ihn mitgebracht?“

„Tut mir leid.“ Dabei sah sie nicht im Mindesten schuldbewusst aus. „Den habe ich vergessen.“

Von wegen.

Sie hatte den Vertrag absichtlich nicht mitgebracht, um ihn zu provozieren.

„Dann geh ihn holen!“

„In Ordnung“, säuselte Cici und lächelte dabei Noonoon und Pierre beruhigend an. Doch als sie sich anschickte zu gehen, schaute sie Richtung Hausrückseite und dann auf ihre Uhr. „Oje … wie unpassend. Sieht ganz danach aus, als seien die Teilnehmer der Tour bereits versammelt.“ Dann bat sie Noonoon, gemeinsam mit Pierre und seinem Rollstuhl mit der letzten Besichtigung des Tages zu beginnen. „Ich würde ihn gern selbst schieben, aber Mr. Claiborne besteht ja darauf, meinen Mietvertrag zu besprechen. Bis die Tour zu Ende ist, sind er und ich vielleicht miteinander fertig, und er kann zurückfahren.“

Cicis süßes Lächeln ärgerte Logan. „Schließlich hat er eine sehr wichtige Verabredung mit Alicia Butler. Von Butler Shipyards.“

Mit dem Gefühl, vor Wut gleich zu explodieren, nickte Logan Noonoon kurz zu. Während diese sich dann mit Pierre entfernte, eilte Cici zum Gästehaus zurück, um den Vertrag zu holen, den sie gleich hätte mitbringen sollen. Wütend blickte er ihr nach, und sein Blick blieb dabei viel zu fasziniert an ihrem Po in ihren knallengen Jeans hängen.

Nicht zum ersten Mal an diesem Tag beschwor sich Logan, sich zusammenzureißen. Wenn sie zurückkam, würde er so unerbittlich sein, dass sie schon bald ihre Koffer packen würde.

„Ich werde dir den doppelten Betrag zurückzahlen, den du meinem naiven Großvater gezahlt hast, wenn du dieses wertlose Stück Papier hier zerreißen und morgen früh ausziehen würdest.“

Logan entspannte sich etwas, als Cici, die in einem Korbsessel mit ihm auf der Veranda saß, schwieg und ihre gerunzelte Stirn vermuten ließ, dass sie über sein großzügiges Angebot nachdachte. Dann schaute sie lächelnd vom Mietvertrag hoch und errötete so hinreißend, dass er sie am liebsten gestreichelt hätte.

Das kesse Funkeln in ihren Augen dagegen hätte ihn warnen sollen.

„Wenn ich mit dir schlafe, sozusagen in Erinnerung an alte Zeiten, könnte ich dann hier wohnen bleiben?“ Ihre Stimme zitterte ein wenig, doch ihr Vorschlag klang wie Musik in seinen Ohren und löste ein unbeschreibliches Gefühl in ihm aus.

„Was?“ Obwohl er es eigentlich nicht wollte, ließ er seinen Blick über ihre Brüste gleiten, denn ihr frivoles Angebot war wirklich verlockend. Und das wusste Cici zweifellos.

Die verflixte kleine Hexe.

Sie lachte. „Oje, sogar deine Ohren werden rot. Warum wohl, frage ich mich?“

Weil ihm so heiß war wie einem Vulkan kurz vor dem Ausbruch.

„Hör auf, mir auf den Busen zu starren! Das eben war ein Witz, okay? Du hast so grimmig und angespannt ausgesehen, dass ich dachte, ein kleiner Scherz würde uns beiden guttun.“

„Also, ich würde über so etwas keine Witze machen, wenn ich du wäre“, fuhr er sie an.

„Warum? Weil du wütend darüber bist, dass du viel zu gern mit mir schlafen möchtest?“

„Ich will nicht mit dir schlafen.“ Seine eigene Stimme klang fremd für Logan, vielleicht weil er die Zähne zusammengebissen hatte.

„Gut.“ Es war Cici anzuhören, dass sie ihm kein Wort glaubte. „Denn ich will dich auch nicht. Wir sind also beide auf der sicheren Seite, keine Gefahr füreinander in sexueller Hinsicht. Du hast deine hübsche Alicia, sprich Butler Shipyards, und ich habe mein gegenwärtiges Projekt.“

„Keinen Freund?“

Warum, zum Teufel, hatte er das gefragt? Es scherte ihn einen Dreck, ob sie liiert war oder nicht.

„Würde es dir etwas ausmachen?“

„Hör auf damit.“

„Ich kann eine Frage stellen, wenn ich möchte. Du hast kein Recht mehr, mir vorzuschreiben, was ich zu tun oder zu lassen habe.“

„Das habe ich nie getan. Wir waren nie derart wichtig füreinander.“

„Danke. Es soll ja gut für den Charakter sein, wenn man hin und wieder gekränkt wird.“

„Ich will, dass du von meinem Grund und Boden verschwindest. Wenn du meinen Bedingungen nicht zustimmst, werde ich meinen Anwalt einschalten. Glaub mir, ein Rechtsstreit um diesen Mietvertrag wird dich weit mehr kosten, als er wert ist. Wenn du also schlau bist, nimmst du mein Angebot an.“

„Du scheinst daran gewöhnt zu sein, Leute herumzukommandieren.“

„Lass gut sein.“

„Weißt du, du tust mir beinah leid. In den neun Jahren hast du nichts dazugelernt. Ja, sicher, du bist reicher, und deshalb halten dich viele Leute vermutlich für ziemlich erfolgreich. Aber ich wette, du bist nicht annähernd so glücklich und zufrieden mit deinem Leben, wie du vorgibst. Sonst würdest du nicht versuchen, mich zu schikanieren. Du lebst eine Lüge, Logan Claiborne, und ich gehöre zu den wenigen Leuten, die das wissen.“

„Deshalb möchtest du, dass ich ausziehe. Du willst nicht mit der Wahrheit konfrontiert werden, wer du wirklich bist und was du wirklich fühlst. Du bist kein diplomatischer, kultivierter Gentleman. Du benutzt dein Geld wie einen Schild, um alles abzuwehren, was mit dem wirklichen Leben zu tun hat … so wie mich.“

„Zerreiß diesen Vertrag. Sei vernünftig. Sag einfach, dass du mein Geld annimmst.“

„Sonst wirst du was tun?“ Als sie sich mit der Zunge über die Unterlippe fuhr und diese verführerisch glänzte, brach sich etwas in Logan Bahn, das neun verdammte Jahre lang unter der Oberfläche gebrodelt hatte, und setzte eine Kraft frei, die er nicht für möglich gehalten hätte.

Unvermittelt packte er Cici bei den Schultern, zog sie auf die Füße und riss sie in die Arme. „Du hättest nicht hierher zurückkommen sollen. Du hättest mich nicht erneut zum Narren haben sollen.“

„Du willst mich also doch, zumindest ein wenig“, flüsterte sie gegen seinen Hals. „Hast du deshalb solche Angst vor mir?“

„Ich habe keine Angst. Du musst gehen“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, sich ihrer weichen Brüste, die gegen seinen Oberkörper gepresst waren, nur allzu bewusst. „Das ist dir klar. Und mir auch.“

„Wirklich?“ Sie hielt einen Moment inne. „Also, ich will dir mal was sagen. Sie und ich, Mr. Claiborne, wir haben seit einer Ewigkeit nichts mehr miteinander zu tun. Worüber ich übrigens sehr froh bin.“

„Zum Teufel mit dir.“

„Ich möchte bleiben, und ich werde bleiben – bis ich bereit bin auszuziehen. Und das werde ich bestimmt, aber erst, wenn ich das entscheide.“

„Wenn du clever bist …“

„Dann tu ich was? Dann gehe ich, ehe ich dich erneut in mein Bett locke?“ Sie lachte.

Eine leichte Brise wehte über die Veranda, und Cicis blonde Locken kräuselten sich gegen ihre Schläfe. Sie sah so verdammt sexy aus, und ihr Körper fühlte sich so warm an, dass Logan den Gesprächsfaden verlor. Wie sollte er mit ihr in den Armen klar denken können? Mit ihren gegen seinen Oberkörper gepressten Brüsten? Mit ihrem nach Shampoo duftenden Haar und ihrer nach Jasminseife duftenden Haut? Mit ihren halb geöffneten Lippen, die seinen viel zu nah waren, um ihr zu widerstehen? Und dann sagte sie noch Dinge, um ihn absichtlich in Versuchung zu führen.

Ja, sie hatte recht. Er wollte, dass sie sich erneut nackt und lüstern unter ihm wand.

Mit diesem Gedanken im Sinn eroberte er ihren Mund. Wenn sie sich nur nicht an ihn geschmiegt hätte, dann hätte sein Verstand vielleicht nicht ausgesetzt. Aber sie drängte sich eng an ihn, erschauerte ebenso heftig wie er, und da konnte er nicht anders, als sie wieder und wieder zu küssen. Mit jedem leidenschaftlichen Kuss wurde sein lange unterdrücktes Verlangen stärker, bis er sich wie im Fiebertaumel fühlte. Als sie wohlig seufzte und ihren hinreißenden Mund noch weiter öffnete, damit er ihn mit der Zunge erkunden konnte, schien die Welt aufzuhören, sich zu drehen.

Logan hatte keine Ahnung, wie lange er Cici im Arm hielt und sie regelrecht verschlang, und erst recht nicht, woher er die Kraft nahm, sie schließlich von sich zu stoßen, ehe es endgültig zu spät war.

Keuchend starrte er auf sie hinunter. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sie ins Gästehaus getragen und sie wild und ungestüm genommen, nicht zärtlich wie in ihrer ersten Nacht. Und einmal hätte auf keinen Fall gereicht. Er war heute genauso besessen von ihr wie damals.

Als er schuldbewusst ihren Blick suchte, merkte er, dass sie genau wie er vor Sehnsucht regelrecht lichterloh in Flammen stand. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Lippen leicht geschwollen, und ihr Gefühlsaufruhr stand seinem in nichts nach.

„Ich hasse dich immer noch“, erklärte sie. Dabei atmete sie schnell und flach, und ihre wundervollen Brüste hoben und senkten sich, was ihn geradezu zu neuerlichen Intimitäten herausforderte.

„Ich hasse dich noch mehr, als Jake es tut. Ich hasse dich für das, was du in der Vergangenheit getan hast. Für den Mann, der du damals warst. Aber am allermeisten hasse ich dich für den Mann, der du auch heute noch bist. Du hast dich nicht einen Deut gebessert. Und ich hasse dich für das, was du eben getan hast. Du nimmst, aber du gibst nichts.“

Warum fährt sie sich dann mit der Zungenspitze über die Lippen, als wollte sie seine Küsse erneut schmecken?, fragte er sich insgeheim.

„Gut“, flüsterte er und verachtete sich dabei noch mehr, als sie und Jake es je konnten. „Dann konzentriere dich ganz auf deinen Hass. Vielleicht überstehen wir das Ganze dann ja, ohne unser Leben erneut auf den Kopf zu stellen.“

„Und ich dachte, ich wäre die Einzige gewesen, die gelitten hat. Habe ich mich etwa geirrt?“

Nicht in tausend Jahren würde er zugeben, dass es ihn sehr mitgenommen hatte, sie zu verlieren, dass Noelle seinetwegen gelitten hatte … Die Wahrheit war, dass seine Entschlossenheit nichts genützt hatte, nachdem er Cici damals sitzen gelassen und sie unter Aufbietung seines ganzen Willens hatte vergessen wollen, um Noelle heiraten und sie glücklich machen zu können. Seinerzeit hatte er geglaubt, dass ein Mann mit eisernem Willen alles schaffen würde. Er hatte geglaubt, dass er durch reine Willenskraft ein Leben im Sinne seines Großvaters aufbauen könnte. Doch stattdessen hatte ihn seine Besessenheit für Cici beherrscht.

Jahrelang hatte sie ihn verfolgt. Jedes Mal, wenn er nach Belle Rose gekommen war, selbst mit Noelle, war Cici allgegenwärtig gewesen, und die Erinnerungen an ihre Sinnlichkeit und ihren Liebreiz lockten ihn.

Warum vergeht die Macht, die sie über mich hat, einfach nicht?

Da er fürchtete, auch noch den letzten Rest Selbstbeherrschung zu verlieren, wandte Logan sich ab und hastete die Verandastufen neben der hässlichen Rampe, die Cici hatte bauen lassen, hinunter. Dann eilte er hinters Haus und rief nach seinem Großvater.

Auch Cici kam angerannt, gerade als ein lächelnder Pierre die Besichtigungstour unterbrach, um zu hören, was sein Enkel wollte.

„Es ist Zeit, dass ich zurückfahre.“ Logan schüttelte seinem Großvater die Hand.

„Dann bist du also fertig mit Cici, und sie kann die Tour mit mir beenden?“

„Ja“, murmelte Logan. „Ich bin fertig mit ihr.“

„Wunderbar. Ich würde die Tour sehr gern zu Ende führen.“ Cici klang derart fröhlich, dass Logan noch wütender wurde, aber er lächelte seinen Großvater weiterhin freundlich an. Zweifellos glaubte sie, sie habe gewonnen.

Er würdigte Cici keines Blickes, als sie zu seinem Großvater hinüberging. Auch die Besucher des Herrenhauses, die sich um seinen Großvater und Cici versammelt hatten, schaute er nicht an. Aber sie schienen etwas von der dramatischen Spannung zu spüren, denn sie sahen interessiert zwischen ihm und Cici hin und her.

Als er seinem Großvater zum Abschied noch einmal kurz zunickte, schwor er sich, dass er am nächsten Morgen Hayes Daniels, seinen Geschäftsführer, anweisen würde, Cici die geballte Macht seiner Rechtsabteilung auf den Hals zu hetzen. Schließlich gehörte das der Öffentlichkeit zugängliche Haus Claiborne Energy.

Grimmig lachte Logan auf. Einem solchen Angriff würde sie nicht lange standhalten können. Schon bald würde er sie los sein.

4. KAPITEL

Logan, der nach einer schlaflosen Nacht schreckliche Kopfschmerzen hatte, war schon kurz nach sechs Uhr in seinem Büro. Ein paar Stunden lang hatte er an den letzten Details für die bevorstehende Fusion mit Butler Shipyards gearbeitet.

Die ersten Anzeichen dafür, dass Cici zum Gegenschlag ausgeholt hatte, noch bevor er selbst auch nur zum Angriff geblasen hatte, traten kurz vor neun Uhr auf. Er war gerade zu einem Meeting in Hayes Daniels Büro gegangen, nachdem er sich ausführlich mit den Anwälten über Miss Bellefleur, ihre rechtswidrige Einmietung in einem Haus, das der Firma gehörte, und eine Strategie über den Umgang mit ihr beraten hatte, als seine Sekretärin ihn anrief.

„Aber es geht nicht um einen einfachen Anruf“, erklärte Mrs. Dillings, nachdem er sie auf seine strikte Anweisung, ihn nicht zu stören, hingewiesen hatte. „Ich dachte, Sie wollten wissen, dass Ihr Großvater hier ist. Besonders weil Sie gestern nach ihm geschaut haben.“

„Hier? Er ist in New Orleans?“

„Hier. In Ihrem Büro. Und wenn ich das sagen darf, er wirkt keineswegs so hinfällig, wie Sie ihn beschrieben haben. Abgesehen davon, dass er leicht hinkt, würde man nichts von seinem Schlaganfall ahnen. Aber er will Sie unbedingt sprechen. Sofort, wie er sagte. Seiner Miene nach zu urteilen, sieht es ganz danach aus, als würde sich ein Sturm zusammenbrauen.“

Und sie musste das wissen. Sein Großvater war immerhin ihr früherer Chef gewesen. Offenbar war sich Mrs. Dillings ihres Wertes für die Firma sehr sicher, sonst hätte sie einen solchen Kommentar nicht gewagt.

„Ich komme sofort. Fragen Sie ihn, ob er etwas möchte … eine Tasse Kaffee … einen Krapfen … Himmel, bestellen Sie ihm ein Dutzend Krapfen.“

„Er hat eine sehr charmante Begleiterin bei sich. Eine Miss Bellefleur.“

Als er Cicis Namen hörte, sah Logan sofort ihre herrlichen Brüste vor sich, die in einem knappen rosa Shirt steckten, das mit einem hässlichen Biker-Gesicht bedruckt war. Seine Kopfschmerzen verschlimmerten sich. Die gleiche fiebernde Unruhe, die ihn die ganze Nacht vom Schlafen abgehalten hatte, befiel ihn von Neuem. Er erhob sich aus seinem Ledersessel und begann hin und her zu gehen.

„Miss Bellefleur hat bereits um ein ganzes Tablett Krapfen gebeten. Sie mag sie mit besonders viel Puderzucker.“

Ob sie sich nach dem Essen der Berliner wohl die Fingerspitzen ableckt?

Während er blicklos aus dem Fenster starrte, sah er unvermittelt Cici als Achtzehnjährige vor sich, wie sie ihm in einem Café gegenübersaß und Puderzucker von ihrem Daumen leckte. Wie hingerissen war er von allem gewesen, was sie an diesem Nachmittag getan hatte.

„Schön. Wie auch immer.“ Nachdem Mrs. Dillings gegangen war, schritt er erneut auf und ab, ehe er sich an Hayes wandte, der sich in seinen schwarzen Ledersessel zurückgelehnt hatte.

„Sie ist hier.“

„Wer?“ Hayes betrachtete ihn lächelnd.

„Cici“, fuhr Logan ihn an, als sei die Frage eine Zumutung.

„Unsere berüchtigte Miss Bellefleur.“ Hayes lehnte sich vor, und sein Blick wurde forschend, sehr zu Logans Ärger.

„Also, da haben unsere Anwälte ja nicht lange gebraucht. Kaum haben wir den Hörer aufgelegt, da ist die Beschuldigte schon hier, um für ihre Sache einzutreten.“ Sein Lächeln vertiefte sich.

„Offenbar haben unsere Anwälte sie nicht erreicht. Weil sie hier und nicht in Belle Rose ist, wo sie hingehört und den verdammten Anruf hätte annehmen können.“

„Ich dachte, es geht darum, dass sie nicht dorthin gehört.“

„Richtig. Genau. Natürlich. Aber mir geht es jetzt darum, dass sie vorschnell gehandelt hat. Schon wieder.“

„Langsam bekomme ich den Eindruck, dass an deiner Cici ganz schön was dran ist.“

Natürlich war an einer Frau, die tollkühn genug war, in Kriegsgebieten Kopf und Kragen zu riskieren, etwas dran.

„Sie ist nicht meine Cici!“

„Wenn du es sagst. Dabei redest du nur noch von ihr. Nichts und niemand – nicht einmal deine Frau – hat dich je derart abgelenkt.“

„Weil sie meinen Großvater benutzt, um an mich ranzukommen.“

„Ein gemeiner Trick.“

„Sie kennt jede Menge davon.“

Hayes, sein bester Freund, sein Zimmergenosse auf dem College, sein Geschäftsführer, war hart wie Stahl. Viel härter als Logan selbst. Deshalb hatte er Hayes eingestellt. Das Problem war nur, dass Hayes, der unglaublich neugierig war, ihn jetzt mit viel zu großem Interesse – und womöglich Verständnis – betrachtete.

„Ich sollte mich lieber um sie kümmern.“

„Aber du hast doch extra unsere Anwälte eingeschaltet, damit du dich nicht persönlich um sie zu kümmern brauchst. Warum schickst du nicht Abe? Du hast doch gesagt, du willst dir nicht die Hände schmutzig machen. Du hast doch gesagt, das Ganze sei eine belanglose Privatangelegenheit.“

„Richtig. Das habe ich gesagt.“

Plötzlich erschien ihm die ganze Sache mit Cici viel zu persönlich, als dass er sie jemand anderem übergeben sollte, selbst seinen Anwälten nicht, deren Chef Abe war.

„Weißt du eigentlich, wie ungern ich mich zitieren lasse?“

Hayes lachte auf. „Geht es uns nicht allen so? Halte mich auf dem Laufenden. Ich möchte erfahren, wie Runde zwei ausgeht. Deine Cici ist viel interessanter als jede Fusion mit Butler Shipyards. Übrigens frage ich mich langsam, ob Mitchell Butler ganz ehrlich zu uns ist. Im Moment ist das nur so ein Bauchgefühl … aber …“

„Klär das ab.“

Logans Herz klopfte heftig, als er seine Bürotür schloss und sah, wie Cici und sein Großvater dicht nebeneinander auf ihren Stühlen saßen und ihr improvisiertes Picknick aus Krapfen und starkem schwarzen Kaffee genossen, ungeachtet der vielen Krümel, die sie auf seinem Couchtisch verstreut hatten.

Seit Jahren hatte der alte Mann nicht so glücklich gewirkt, und das hätte Logan sehr gefreut, wenn er Cici vertraut hätte. Aber wie würde sich sein Großvater fühlen, wenn Cici ihr Buch beendete und erneut ihr Leben riskierte, nur um ein paar Fotos zu schießen? Cici war eine Abenteurerin, keine Frau, die sich um alte Menschen kümmerte.

Logan setzte sich an seinen Schreibtisch und bat Mrs. Dillings über die Wechselsprechanlage, keine Anrufe durchzustellen. Als er hochsah, stellte er fest, dass sein Großvater seinen Stuhl Richtung Schreibtisch gedreht hatte.

Als der alte Mann die Stirn runzelte, versank Logan tiefer in seinem Sessel. Niemand anderes schaffte es allein durch Vorrecken seines Kinns, dass er sich wieder wie ein Vierjähriger fühlte – nur dieser Mann, der ihn großgezogen hatte. Wie oft hatte er in genau diesem Büro gestanden, als es noch seinem Großvater gehörte, und wegen einer banalen kindlichen Verfehlung auf seine Strafpredigt gewartet?

Während er wartete, würdigte er die reizende Miss Bellefleur, die in der Tat den Puderzucker von ihren Fingerspitzen leckte, keines Blickes.

Dennoch sah er nur Cici. Nahm nur sie wahr.

In ihrem knappen T-Shirt und den engen schwarzen Jeans, mit ihren klebrigen Fingern, die er am liebsten sauber geleckt hätte, wollte sie so gar nicht in sein allzu elegantes Büro in dezentem Beige passen.

Hatte sie eigentlich immer Outfits an, die förmlich nach Aufmerksamkeit schrien? Besaß sie überhaupt ein dezentes Kleid? Oder einen konservativen Hosenanzug? Oder schlichte schwarze Pumps, die diese knalligen pinkfarbenen Zehennägel verbargen, die im Übrigen unglaublich sexy an ihr aussahen? Wenigstens passten sie zu ihrem Shirt.

Er hatte lebhafte Erinnerungen an ihre nackten Füße. Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, hatte sie sich gern auf ihm ausgestreckt und dabei die Fußsohlen auf seinen Füßen platziert. Himmel, er hatte es geliebt, wenn sie auf ihm lag und er darauf wartete, was sie wohl als Nächstes tun würde.

Und ihr Haar fiel ihr an diesem Morgen in wilden Locken auf die Schultern. Zerzaustes Haar mochte er nicht bei seinen Freundinnen … normalerweise … außer direkt nach dem Sex. Dennoch war er erregt, und das lag nicht an ihrer Frisur.

Statt auf Cici konzentrierte sich Logan auf seinen Großvater. „Du scheinst aufgebracht zu sein, Grandpère. Warum bist du hergekommen?“

„Vielleicht tut es mir nicht besonders gut, in Belle Rose herumzusitzen. Ich war immer ein Mann der Tat.“

„Ja, das warst du.“

„Ich bin hier, weil ich anfangen will, ein paar Fehler gutzumachen.“

„Zum Beispiel?“

„In der Vergangenheit war ich unfair zu Cici. Und du warst es auch.“

„Auf wessen Veranlassung?“, fragte Logan leise.

„Meine. Ich übernehme die volle Verantwortung. Ich war so wütend auf Bos und so entmutigt, dass dein Vater versagt hatte und Jake außer Rand und Band war. Auf keinen Fall wollte ich, dass er von Cici verführt wurde und sie heiratete. Ich hatte keine Ahnung, was eine Nichte von Bos womöglich mit unserem Grund und Boden anstellen würde, wenn sie in unsere Familie einheiratete. Ich habe ihr nicht über den Weg getraut. Deshalb habe ich dich gebeten, einzuschreiten, um deinen Bruder zu retten, der sich von jeher leichter hat verführen lassen als du.“

Wenn er wüsste!

Autor

Ann Major

Ann Major wird nicht nur von ihren Leserinnen sehr geschätzt, sondern bekommt auch von anderen Romance-Autorinnen wie Nora Roberts und Sandra Brown tolle Kritiken.

Aber ihr Erfolg ist hart erarbeitet, denn sie sagt von sich selbst, dass sie keine Autorin ist, der alles zufliegt. Sie braucht die täglichen kleinen Rituale...

Mehr erfahren
Heidi Betts
Die Liebesaffäre der preisgekrönten Autorin Heidi Betts mit dem Romance-Genre begann schon in der Grundschule, als sie sich in Liebesromane anstatt in ihre Hausaufgaben vertiefte. Es dauerte nicht lange, bis sie den Entschluss fasste, eigene Romane zu schreiben.

Ihr erstes Buch wurde vom Dorchester Verlag im Jahr 2000 veröffentlicht, gefolgt von...
Mehr erfahren
Jennifer Lewis

Jennifer Lewis gehört zu den Menschen, die schon in frühester Kindheit Geschichten erfunden haben. Sie ist eine Tagträumerin und musste als Kind einigen Spott über sich ergehen lassen. Doch sie ist immer noch überzeugt davon, dass es eine konstruktive Tätigkeit ist, in die Luft zu starren und sich Wolkenschlösser auszumalen....

Mehr erfahren