Baccara Extra Band 32

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HEISSE NÄCHTE IM HOTEL von MICHELE DUNAWAY
Sie soll sich eine Hotelsuite mit Harry Sanders teilen? Megan überlaufen prickelnde Schauer, wenn sie an die Geschäftsreise mit ihrem sexy Kollegen denkt. Bei einem nächtlichen Tanz spürt sie, wie heiß der erfolgreiche Manager sie begehrt. Worauf wartet er denn noch?

SKANDAL UM PRINZESSIN CECELIA von JACQUELINE DIAMOND
Prinzessin Cecelias heißes Liebesabenteuer mit Shane hat Folgen: Sie erwartet ein Kind – von einem Bürgerlichen, der ihr größter geschäftlicher Konkurrent ist. Um einen Skandal zu vermeiden, gibt es nur eine Lösung: Shane muss schnellstens um Cecelias Hand anhalten ...

LAPTOP ODER LIEBE? von PAMELA BAUER
Teamgeist? Nichts für Austin Bennett. Beim Managertraining auf einer Ranch weigert sich der Jungunternehmer, seinen Laptop gegen ein Lasso zu tauschen. Bis er die Reize von Seminarleiterin Kacy entdeckt und bereit ist, alles zu tun, um ihr Herz zu gewinnen!

HEIRATSPLÄNE von CATHY GILLEN THACKER
Warum versucht Chase mit allen Mitteln, seine beste Freundin Bridgett von ihren Heiratsplänen abzubringen? Es hat fast den Anschein, als würde der überzeugte Junggeselle am liebsten selbst mit der schönen Rothaarigen vor den Traualtar treten …


  • Erscheinungstag 30.09.2023
  • Bandnummer 32
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516587
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Michele Dunaway, Jacqueline Diamond, Pamela Bauer, Cathy Gillen Thacker

BACCARA EXTRA BAND 32

PROLOG

Interne Nachricht Jacobsen Enterprises

Von: Joe Jacobsen, Generaldirektor

An: Harry Sanders

Kopie: Andrew Sanders, Direktor

Betr.: Förderprogramm für Nachwuchsmanager

Lieber Harry,

ich möchte Dich kurz über das neue Programm von Jacobsen Enterprises zur Förderung von Nachwuchsmanagern informieren.

Da Deine Schwester vor einem Jahr nach New York gegangen ist und nicht mehr für uns arbeitet, halte ich es im Hinblick auf das Wachstum und die Stabilität unserer Firma für unerlässlich, junge Führungstalente nach Kräften zu fördern. Meine konkreten Vorschläge werde ich in zwei Wochen präsentieren.

Bitte mach Dich schon mal mit dem Gedanken vertraut, als Mentor zu fungieren. Falls Du noch Fragen hast, melde Dich.

J.J.

Interne Nachricht Jacobsen Enterprises

Von: Joe Jacobsen, Generaldirektor

An: Andrew Sanders, Direktor

Betr.: Harry /Jacobsen-Managementförderung

Wie Du der vorstehenden Nachricht entnimmst, habe ich Deinen Sohn über unser neues Förderprogramm informiert und ihm mitgeteilt, dass er sich als Mentor zur Verfügung stellen soll.

Ich wünsche, dass er Megan MacGregor betreut. Sie arbeitet in der Abteilung Übernahmen und Fusionen. Ich werde ihn am Montag davon unterrichten.

J.J.

Interne Nachricht Jacobsen Enterprises

Von: Andrew Sanders, Direktor

An: Joe Jacobsen, Generaldirektor

Betr.: Harry / Jacobsen-Managementförderung

Du alter Hund. Die einzige Fusion, die Dich wirklich interessiert, ist die Deines Enkels mit einer heiratsfähigen Frau. Aber willst Du wirklich Megan MacGregor auf Harry loslassen? Sie wird ihn bei lebendigem Leib auffressen. Kannst Du Deine Kuppeleiversuche nicht endlich lassen?

A.S.

Interne Nachricht Jacobsen Enterprises

Von: Joe Jacobsen, Generaldirektor

An: Andrew Sanders, Direktor

Betr.: Harry / Jacobsen-Managementförderung

Nein.

J.J.

1. KAPITEL

Obwohl es Montag war, sah es ganz nach einem wundervollen Tag aus. Harry Sanders fuhr im Lift hoch zur Direktion von Jacobsen Enterprises in der zweiundzwanzigsten Etage. Da er allein war, pfiff er gutgelaunt vor sich hin.

„Sie sind aber gut drauf heute“, bemerkte Peggy, seine Sekretärin, als er immer noch pfeifend an ihr vorbei in sein Büro schlenderte. Sie arbeitete seit fünf Jahren für ihn, und obwohl es erst zehn vor neun war, hatte sie bereits seine Post sortiert und seine E-Mails ausgedruckt.

„Stimmt.“ Harry nahm den Papierstapel entgegen, ohne wie üblich einen Blick darauf zu werfen.

„Es ist eine Nachricht von Ihrem Großvater dabei“, erklärte Peggy.

Okay. Harry betrat lächelnd sein Eckbüro und blickte wie immer zuerst aus dem Fenster. Obwohl es nach Südwesten ging, war die Aussicht auf die große Kreuzung unter ihm ziemlich langweilig. Daran änderte auch der strahlende Maimorgen nichts.

Von den Büros im Osten hingegen blickte man auf die Market Street, Old Courthouse, den Gateway Arch und den Mississippi.

Sein Büro war nicht gerade das schönste. Außerdem, fand Harry, sollte es ganz oben liegen, im fünfundzwanzigsten Stock.

Aber das würde sich hoffentlich bald ändern.

Er strich sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn. Seit zwei Jahren wartete er nun schon, und eigentlich wäre er an der Reihe, nachdem Darci endlich weg war. Nicht, dass er seine Schwester nicht mochte. Er gönnte ihr auch ihren Harvard-Abschluss. Aber es verdross ihn, dass Darci eine höhere Position in der Firma bekommen hatte, obwohl sie drei Jahre jünger war als er. Vor einem Jahr hatte sie dann geheiratet und war nach New York gezogen.

Eigentlich hatte er erwartet, auf ihren Sessel als stellvertretender Direktor zu rücken. Aber da seinem exzentrischen Großvater alles zuzutrauen war, war niemand sonderlich überrascht, dass Darcis Stelle nicht wieder besetzt wurde.

„Gut, dass du schon da bist.“ Wenn man vom Teufel spricht … Beim Klang von Joe Jacobsens Stimme fuhr Harry erschrocken herum und sah seinen Großvater im Türrahmen stehen.

„Ich bin doch immer pünktlich“, erwiderte er. Und das stimmte.

Grandpa Joe sah mit seinem weißen Bart ein wenig wie der Weihnachtsmann aus. Er war groß und schlank, und obwohl das blauäugige Gen sich angeblich weniger durchsetzt, hatten alle seine Enkel die gleichen blauen Augen mit dem dunkelblauen Ring um die Iris wie er.

„Damit wollte ich auch nicht sagen, dass du zu spät bist. Ich kenne deine Arbeitszeiten. Hast du meine Nachricht schon gelesen?“

„Nein“, erwiderte Harry.

Es würde wohl doch kein so guter Tag werden. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Er kannte Grandpa Joe nur zu gut, und obwohl Harry mit seinen fast zwei Metern die meisten Männer überragte, kam er sich neben seinem dynamischen Großvater immer noch wie ein kleiner Junge vor.

Er blätterte den Stapel Post durch, den Peggy ihm in die Hand gedrückt hatte. „Hier ist sie.“

Grandpa Joe nickte. „Lies sie bitte mal.“

Nachdem Harry den ersten Satz gelesen hatte, starrte er seinen Großvater an, aber der blickte aus dem Fenster. Er las weiter und merkte, wie sein Magen sich langsam zusammenzog.

„Und ich soll Mentor werden?“

Grandpa Joe wandte sich vom Fenster ab und blickte seinen Enkel ungerührt an. „Genau.“

Harry war so perplex, dass er kein Wort herausbekam.

„Der Gedanke gefällt mir. Das gibt dir die Möglichkeit, deinen Horizont zu erweitern, und es wird eine wertvolle Erfahrung für dich sein.“

„Eine wertvolle Erfahrung?“, fragte Harry ungläubig. „Vor zwei Tagen hat es noch so ausgesehen, als würdest du den Posten des stellvertretenden Direktors endlich neu besetzen wollen.“

Grandpa Joe zuckte die Achseln. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher.“

„Du willst jemand anders auf die Stelle befördern, über meinen Kopf hinweg, stimmt’s? Wieso soll das für mich eine wertvolle Erfahrung sein?“

Das Gesicht seines Großvaters blieb ausdruckslos. „Ich habe nichts dergleichen gesagt. Das Programm soll lediglich dazu dienen, gute Leute in der Firma zu halten. Wir wollen nicht, dass die Konkurrenz sie uns wegschnappt, nachdem wir so viel in ihre Ausbildung investiert haben.“

„Und was ist mit mir? Wie passe ich da hinein?“

Grandpa Joe blinzelte. „Das ist doch klar, mein Junge, du wirst einer der Mentoren sein. Ich habe dir auch schon jemand zugedacht. Sie hat vor einem Jahr bei uns angefangen, nachdem Darci gegangen ist. Du kennst sie. Es ist Megan MacGregor aus der Abteilung für Übernahmen und Fusionen. Das Mädel ist absolute Spitzenklasse, und in ihr steckt noch mehr, da bin ich ziemlich sicher. Du sollst ihre Fähigkeiten fördern und dafür sorgen, dass sie bei uns bleibt.“

Megan MacGregor. Harry schluckte. Mit der wollte er ganz bestimmt nichts zu tun haben. „Ich fördere unsere Verkäufe und unser wirtschaftliches Wachstum und nicht versteckte Talente von Frauen.“

„Na, dein Ruf als Playboy zeigt doch immerhin, dass du bestimmte Dinge bei Frauen herauslocken kannst.“ Grandpa Joes Stimme klang hart. „Darf ich dich außerdem daran erinnern, dass eine bekannte Frauenzeitschrift uns auf den ersten Platz gesetzt hat, was die Förderung von Frauen anbelangt? Wir sind stolz auf unsere fortschrittliche Personalpolitik. Aber du musst nicht mitmachen. Schließlich gehörst du zur Familie und wirst sowieso immer deinen Platz in der Firma haben. Das habe ich deiner Mutter versprochen, nachdem du mit der High School fertig warst und nach Vanderbilt gegangen bist.“

Typisch, dachte Harry. Grandpa Joe konnte es nicht lassen, ihm bei jeder Gelegenheit die Wahl seines Studienortes unter die Nase zu reiben. Er hätte es gern gesehen, wenn sein ältester Enkel in Princeton studiert hätte wie er selbst. Aber Harry wollte nicht nach New Jersey ziehen, sondern in der Nähe von Saint Louis bleiben. Also hatte er sich an der weniger renommierten Universität von Vanderbilt in Tennessee eingeschrieben. Sein Großvater war darüber sehr enttäuscht gewesen.

Dass er es jetzt wieder erwähnte, war wahrscheinlich ein Hinweis darauf, dass er ihn bei der nächsten Beförderung wieder übergehen würde. Es war durchaus nicht so, dass Familienmitglieder automatisch bevorzugt wurden. Sein Cousin Shane zum Beispiel hatte überhaupt keine Stelle in der Firma bekommen, sondern lebte von dem Investmentfonds, den jeder Enkel mit einundzwanzig Jahren bekam. Harry hatte den Wert seines Fonds inzwischen verdreifacht. Aber das schien Grandpa Joe nicht im Geringsten zu beeindrucken.

Die Stille lastete im Raum, während Harry über seine Möglichkeiten nachdachte. Wie sollte er sich da herauswinden?

„Vielleicht könnte ich jemand anders unter meine Fittiche nehmen. Ein Mann wäre mir, ehrlich gesagt, lieber. Zumindest wäre in dem Fall keine Klage wegen sexueller Belästigung zu erwarten.“

„Du hast also Angst davor, Megan MacGregor könnte dich wegen so was verklagen?“

Oh, schon wieder dieser spöttische Unterton. Harry schob das Kinn vor. Er kannte Frauen wie Megan nur zu gut. „Ja, allerdings.“

„Interessant.“ Grandpa Joe kratzte sich am Kopf. „Na, vielleicht hast du Recht. Ich werde mal sehen, was sich machen lässt, aber alle anderen habe ich schon untergebracht. Falls niemand bereit ist, mit dir zu tauschen, lassen wir das Ganze einfach. Ich sag dir noch Bescheid.“ Damit verließ er das Büro.

Harry blinzelte ungläubig. Wieso diese plötzliche Kehrtwendung? Hatte er irgendetwas nicht mitbekommen?

Er setzte sich in den bequemen Ledersessel hinter seinem Schreibtisch und begann die Unterlagen für das Förderprogramm durchzublättern. Dann legte er den Ordner unwirsch beiseite. So wie das Programm gestaltet war, würde Megan MacGregor quasi die Schlüssel zum Jacobsen-Imperium in die Hand bekommen. Hatte sein Großvater denn noch nicht gemerkt, was für eine Schlange sie war, sowohl privat als auch geschäftlich? Obwohl Harry Büroklatsch verabscheute, hatte er doch mitbekommen, dass sie sich einen zwanzig Jahre älteren Liebhaber an Land gezogen hatte. Er war sogar schon bei ihr im Büro gesehen worden.

Nein, mit so jemandem wollte er nichts zu tun haben. Sie gehörte zu den Frauen, die vor nichts zurückschrecken. Sie würde über Leichen gehen.

Aber offenbar hatte Grandpa Joe an ihr einen Narren gefressen. Er hatte sie sozusagen entdeckt und behielt persönlich ihre Karriere bei Jacobsen im Auge. Megan hatte für ihn gewissermaßen Darci abgelöst. Das bedeutete, Harry musste wirklich auf der Hut sein, sonst würde sie auch noch Darcis Posten bekommen.

Gar nicht so übel für einen Montag. Megan MacGregor blickte zufrieden über ihren Schreibtisch. Die Arbeit, für die sie zwei Tage angesetzt hatte, war bereits fertig, obwohl es erst drei Uhr nachmittags war. Sie steckte ihren Bericht in einen Hauspostumschlag und legte ihn ins Ausgangskörbchen.

„Darf ich hereinkommen?“

Megan sah überrascht hoch. In der Tür zu ihrem kleinen Büro stand niemand anders als Joe Jacobsen, Firmengründer und Generaldirektor. Sie atmete tief durch, um ihre plötzliche Nervosität zu unterdrücken.

„Selbstverständlich, Mr. Jacobsen. Ich habe gerade den Montana-Bericht fertig gemacht.“ Sie stand auf, um ihn zu begrüßen.

„Gut, sehr gut. Kommen Sie, setzen wir uns. Und nennen Sie mich bitte Joe wie alle anderen.“

Megan versuchte, möglichst gelassen zu wirken, während er ihr gegenüber Platz nahm.

„Sicher fragen Sie sich, warum ich hier bin“, begann Joe.

Megan faltete die Hände im Schoß, um ihr Zittern zu verbergen. „Ja, das gebe ich zu. Allerdings ist mir schon aufgefallen, dass Sie viel in der Firma unterwegs sind und immer mal in die Büros reinschauen.“

„Das hält die Leute auf Trab, und ich lerne was dabei. Zumindest ist immer Leben in der Bude.“

„Es ist eine gute Firma.“ Das klang irgendwie lahm, aber Joe Jacobsen schien es nicht zu bemerken.

„Natürlich ist es eine gute Firma. Ich habe sie schließlich aufgebaut. Aber jetzt ist es Zeit, über die Zukunft nachzudenken, wie meine charmante Ehefrau Henrietta kürzlich feststellte. Nicht, dass ich mich aus dem Geschäft zurückziehen will, das wird so schnell nicht passieren. Aber ich habe mir ein Förderprogramm für Führungskräfte ausgedacht. Ich erzähl’s Ihnen kurz.“

Megan hörte fasziniert zu, während er ihr die Einzelheiten erläuterte. Eine leise Hoffnung keimte in ihr auf, und diese wurde zur erfreulichen Gewissheit, als er die magischen Worte aussprach: „Ich trete persönlich an die einzelnen Leute heran, um sie einzuladen. Und Sie habe ich auch ausgewählt. Was sagen Sie dazu, Megan?“

„Ja …“ brachte sie mühsam heraus. Und dann mit kräftigerer Stimme: „Ich wäre sehr glücklich, daran teilnehmen zu dürfen.“

Das war die Chance ihres Lebens. Dafür hatte sie sich all die Jahre in Abendkursen abgestrampelt, um ihren Abschluss als Betriebswirtin zu machen. Ihre Mutter und Bill würden so stolz auf sie sein.

„Es gibt da allerdings noch einen kleinen Haken.“ Joe blickte sie direkt an.

„Einen Haken?“

„Ja. Sie haben noch keinen Mentor.“ Er seufzte und strich sich nachdenklich über den weißen Bart. „Bei Ihren Fähigkeiten müsste es jemand sein, der dafür ideal ist, der das Beste aus Ihnen herausholt. Und ich habe auch schon jemanden im Auge.“

Lyle McKaskill, dachte Megan. Der fünfzigjährige Kollege war ein Genie auf seinem Gebiet, und sie würde liebend gern etwas von ihm lernen. Der Haken war vielleicht, dass Lyles Frau in einem Monat operiert werden würde, und danach müsste er sie möglicherweise zu Hause pflegen.

Joe Jacobsen lehnte sich zurück und faltete die Hände. „Kein Grund zur Sorge. Mag sein, dass ich ihn überrumpelt habe, doch ich bin sicher, in ein, zwei Tagen wird Harry zustimmen.“

„Harry?“, fragte sie erschrocken, und dann biss sie sich auf die Lippen. Doch wohl nicht Harry Sanders. Er hasste sie, seit sie vor einem Jahr auf einer Sitzung seine Ideen infrage gestellt hatte. Sobald er das Sagen hätte, würde sie gefeuert werden, soviel war sicher.

„Ja, Harry. Aber nehmen Sie es nicht persönlich. Er hat wahrscheinlich nur abgelehnt, weil er gerade vollauf damit beschäftigt ist, diese New Yorker Pfannkuchen-Kette für uns aufzukaufen. Ich bin sicher, er überlegt sich’s noch. Und wenn nicht, werden wir jemand anders finden. Obwohl ich im Laufe meines Geschäftslebens die Erfahrung gemacht habe, dass man sich nicht von einer einmal getroffenen Entscheidung abbringen lassen soll.“

Megan zwang sich zu einem Lächeln. Ihre Begeisterung von vorhin war völlig abgeflaut.

„Das Programm beginnt erst in zwei Wochen, wir haben also noch viel Zeit. Ihr beide könntet wirklich viel voneinander lernen.“

Das bezweifelte Megan gründlich.

Joe griff nach der Kopie des Montana-Berichts, die auf ihrem Schreibtisch lag. „Wissen Sie, eigentlich wollte ich Harry nach Montana schicken. Aber dann dachte ich, was soll der Junge bloß mit der vielen frischen Luft anfangen? Er ist ein ausgesprochenes Stadtkind. Und er liebt die Firma, das weiß ich. Das nur zu seiner Rechtfertigung. Man muss ihn einfach davon überzeugen, dass es zum Besten der Firma ist, wenn er Ihr Mentor wird. Wie wäre es, wenn Sie selbst mal mit ihm reden? Wenn Sie ihm erzählen, wie froh Sie sind, ihn als Mentor zu bekommen, wird er bestimmt zustimmen.“

Megan lächelte. Keine schlechte Idee. Ja, sie würde Harry aufsuchen. Aber nur um ihn darin zu bestärken, nicht ihr Mentor zu werden. „Ja, das könnte ich tun.“

„Gut.“ Joe stand auf. Keine einzige Falte war an seinem Anzug zu sehen, während Megans Hosenanzug meist schon nach einer Stunde im Büro völlig zerknittert aussah.

Joe Jacobsen lächelte sie ermutigend an. „Morgen früh lasse ich Ihnen das komplette Programm zukommen. Ich bin froh, dass Sie mitmachen wollen. Einen schönen Tag noch, Megan.“

Sie blickte ihm nach. Dann fiel ihr plötzlich etwas ein.

Sie steckte den Kopf aus ihrer Bürotür und rief ihm hinterher: „Mr. Jacobsen!“

Er blieb stehen und drehte sich um. Sie lief zu ihm hin.

„Wenn Harry ablehnt und Sie niemand anders finden – bin ich dann aus dem Programm draußen?“

Joe lächelte beruhigend. „Nein, nein. Ich finde schon jemanden für Sie, keine Sorge. Aber ich bin sicher, Harry wird zustimmen.“ Damit ging er in Richtung Aufzug.

Während Megan ihm hinterher blickte, formte sich in ihrem Kopf eine Entscheidung. Sie wollte Harry Sanders nicht als Mentor, ebenso wenig wie er sie betreuen wollte. Sie musste ihn einfach nur davon überzeugen, dass es nicht funktionieren würde.

Grandpa Joe betrat pfeifend den Lift und drückte auf den Knopf zur fünfundzwanzigsten Etage. Während die meisten Firmen in die Höhe bauten, hatte Jacobsen Enterprises sich mehr in die Breite ausgedehnt. Das Firmengelände war eine der wertvollsten Immobilien der Stadt.

Joe verließ den Fahrstuhl und steuerte auf Andrews Büro zu. Dann besann er sich eines Besseren. Er liebte seinen Schwiegersohn beinahe ebenso wie seinen Sohn Blake. Aber er wusste, dass Andrew ihn, im Gegensatz zu Blake, für jemanden hielt, der sich gern überall einmischt. Wahrscheinlich hat Andrew Recht, dachte Grandpa Joe, aber immerhin bin ich darin sehr geschickt. Man brauchte nur an Andrews Ehe mit Lily zu denken oder an die von Darci und Cameron, wo er auch seine Hände im Spiel gehabt hatte.

Megan und Harry waren die nächsten auf seiner Liste. Er hatte beide ein Jahr lang genau beobachtet. Sie passten perfekt zusammen. Man musste ihnen nur noch einen kleinen Schubs geben. Na ja, vielleicht auch zwei. Er blickte auf seine Rolex, ein Geschenk seiner Frau zur goldenen Hochzeit. Megan war jetzt bestimmt schon unterwegs zu Harry.

Grandpa Joe hätte zu gern Mäuschen gespielt bei ihrer Unterredung. Es würde bestimmt nicht besonders glatt verlaufen, aber das machte nichts. Er hatte noch einige Trümpfe in der Hand.

Als Megan an seine Tür klopfte, wusste Harry instinktiv, dass sie es war. Er wartete schon seit dem Morgen auf sie. Und er hasste es zu warten, besonders auf jemanden, der so hinterhältig war wie sie.

Als sie näher kam, stieg ihm der leicht blumige Duft ihres Parfüms in die Nase. Nicht unangenehm. Harry wappnete sich innerlich. Er musste unbedingt die Oberhand bei ihrer Unterredung behalten. Absichtlich blickte er nicht hoch, sondern hielt die Augen auf seinen Monitor gerichtet.

„Sie kommen reichlich spät“, bemerkte er spitz. „Wollen Sie mir den Montana-Bericht bringen? Er ist doch sicher fertig, oder?“

Megan versuchte, sich nicht von seinem Ton provozieren zu lassen. „Ja, er ist fertig. Ziemlich früh, finde ich. Ich habe Ihre Kopie in die Hauspost gelegt. Sie wird sicher morgen ankommen. Also, ich weiß absolut nicht, was Sie mit ‚reichlich spät‘ meinen.“

Harry sah von seinem Computer hoch und ließ ostentativ den Blick über ihre Figur wandern. Er bemerkte ihren zerknitterten Hosenanzug und die brave weiße Baumwollbluse. Bestimmt trug sie flache Schuhe, aber das konnte er nicht sehen, weil sie direkt vor seinem Schreibtisch stand. Selbst ihr kurz geschnittenes braunes Haar sah konservativ aus. Er bemerkte, dass ihr Gesicht leicht gerötet war. Bestimmt vor Ärger, weil er sie so ungeniert musterte.

Immerhin war es ihm gelungen, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sehr gut.

„Darf ich Ihnen auf die Sprünge helfen? Joe Jacobsen. Jacobsen Managementförderung. Aber ich werde auf keinen Fall Ihr Mentor werden.“ Er bemerkte, wie ihre Miene sich ärgerlich verzog, und fügte hinzu: „Jedenfalls habe ich Sie früher erwartet.“

Sie legte die Hände auf die Hüften. „Ihr Großvater war erst vor einer halben Stunde bei mir. Wie also hätte ich früher kommen sollen?“

„Es überrascht mich, dass er Sie nicht gleich heute Morgen besucht hat. Wie dem auch sei, wahrscheinlich hat er Ihnen erzählt, dass ich es abgelehnt habe, Ihr Mentor zu sein. Sie brauchen gar nicht erst zu versuchen, mich umzustimmen.“

Megan lachte spöttisch auf. „Als ob ich das wollte. Ich bin doch nicht verrückt.“

Ihre Schlagfertigkeit gefiel ihm. „Eins zu Null für Sie, Megan. Aber ich sag Ihnen was …“ Er wies in Richtung der offenen Tür. „… machen Sie lieber die Tür zu, bevor Sie sich blamieren. Sie wollen sicher nicht, dass alle Welt unser Gespräch mit anhört und erfährt, wie Sie wirklich sind.“

„Ach? Und wie bin ich wirklich?“ Megan ging zur Tür. Harry konnte noch einen Blick auf Peggys überraschtes Gesicht erhaschen, bevor Megan die Tür zufallen ließ. „So, jetzt sind wir unter uns, Harry Sanders, und Sie können mir erklären, wie Sie das meinen.“

„Ich bin sicher, das wissen Sie selbst.“ Er hatte den ganzen Tag für dieses Gespräch geübt, und bisher lief es ganz gut. „Ich sage nur soviel, ich finde, es ist nicht gerade die beste Idee meines Großvaters, Sie in das Förderprogramm einzubeziehen.“

„Ich weiß, Sie würden mich am liebsten vor die Tür setzen.“

Harry zuckte mit den Schultern. „Vielleicht werde ich das eines Tages tun.“

Megan lachte verächtlich. „Falls Sie jemals in die Position kommen, das tun zu können. Aber sollte es irgendwann soweit sein, würde ich mich sowieso schnellstens nach einem anderen Job umsehen, bevor Sie das Unternehmen herunterwirtschaften.“

„Ah, jetzt zeigen Sie endlich Ihre Krallen, Megan. Aber lassen Sie uns auf das eigentliche Thema zurückkommen. Sie wollen, dass ich es ablehne, Ihr Mentor zu sein, damit es jemand anders übernimmt. Aber das wird nicht passieren. Mein Großvater wird seine Meinung nicht ändern, und ich auch nicht.“

„Was soll das heißen?“, fragte sie erstaunt.

Er blickte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Habe ich mich nicht deutlich ausgedrückt?“

„Sie sind unmöglich. Seit ich in der Firma bin, versuchen Sie ständig, mir Steine in den Weg zu legen. Aber in der Sitzung damals waren Sie es, der sich blamiert hat, nicht ich.“

Vielleicht, doch das spielte jetzt keine Rolle.

„Die Sitzung habe ich längst vergessen. Aber Sie sind nicht gut für Jacobsen Enterprises, Megan. Sie passen nicht hierher. Nur … solange mein Großvater und mein Vater das Sagen haben, kann ich leider nichts gegen Sie unternehmen.“

Megan beugte sich über seinen Schreibtisch. „Treten Sie zurück, damit ein anderer mein Mentor werden kann.“

„Nein. Wie sagt man so schön? Die Fehler der Vergangenheit verfolgen einen das ganze Leben. Es war ein großer Fehler, Megan, sich sofort mit mir anzulegen, als Sie bei Jacobsen Enterprises angefangen haben.“

„Wie kommen Sie darauf, dass ich mich mit Ihnen anlegen wollte? Ich versuche nur, meinen Job gut zu machen. Wir beide können uns vielleicht nicht besonders gut leiden, aber es müsste zumindest möglich sein, professionell miteinander auszukommen.“

Sie holte tief Luft, und der Ausschnitt ihrer Bluse ließ für einen Moment ihre Spitzenunterwäsche sehen.

Harrys Mund wurde trocken. Ihm fiel nicht mehr ein, was er hatte sagen wollen. Dabei war es gewiss nicht das erste Mal, dass er in den Ausschnitt einer Frau sah. Aber Megan und Spitzenunterwäsche, das brachte ihn irgendwie durcheinander.

Mit Mühe löste er den Blick von ihrem Dekolleté. Wo war er stehen geblieben? Er hatte doch vorhin noch einen guten Einfall gehabt. Um seine Fassung wiederzuerlangen, stand er auf. Er überragte sie um fast zwanzig Zentimeter.

„Ich habe meinem Großvater gesagt, dass ich mich bald entscheiden würde. Wer weiß, vielleicht überlege ich mir’s noch. Sie haben Recht, im Geschäft sollte man sich nicht von persönlichen Abneigungen leiten lassen.“

„Oh, Sie sind ein derart … Sie sind …“

„Nur zu, spucken Sie’s aus, Megan. Zeigen Sie Ihr wahres Gesicht.“

Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, dann zischte sie: „Sie sind ein Chauvi!“

Harry lachte. Junge, war sie niedlich, wenn sie wütend wurde. „Bravo. Sehr beeindruckend. Sie hätten mich ruhig noch schlimmer titulieren können.“

„Sie sind unmöglich!“ Ihre braunen Augen blitzten ihn an.

„Ja, das bin ich. Und darauf bin ich stolz.“

„Ich verschwende hier meine Zeit.“ Megan wandte sich zur Tür, und Harrys Blick fiel auf ihre Schuhe. Flache, bequeme Pumps, wie er vermutet hatte. Aber sie hatte hübsche, schlanke Fesseln. Er starrte auf diese perfekt geformten Fesseln, während sie mit wehenden Haaren aus dem Büro stürmte.

Peggy erschien an der Tür. „Mr. Peters aus New York hat angerufen, während Miss MacGregor bei Ihnen war. Ich wollte nicht stören.“

„Danke, Peggy. Miss MacGregor stört schon genug. Verbinden Sie mich bitte mit ihm.“

„Sofort.“ Peggy ging zurück an ihren Schreibtisch.

Harry lehnte sich erschöpft zurück. Wie sollte er seinen Zustand beschreiben? Der Streit mit Megan war besser gewesen als mancher Sex, und darin war er gewiss nicht unerfahren. Sie war energisch, ein bisschen verrückt, schwierig, temperamentvoll. Und sie hatte sich ihm widersetzt, mehr als ein Mann es gewagt hätte. Hm.

Vielleicht sollte er doch ihr Mentor werden, damit er sich weiter mit ihr streiten konnte. So gut wie eben hatte er sich seit Wochen nicht mehr amüsiert.

Er lachte laut über diese verrückte Idee, als Peggy das Gespräch durchstellte.

2. KAPITEL

„Megan? Bist du’s?“

„Ja.“ Megan ließ ihre Tasche auf die Ablage fallen und holte erstmal tief Luft. Noch immer war sie völlig außer sich wegen der Unterredung mit Harry.

Nie zuvor hatte sie solche Lust verspürt, jemandem eine deftige Ohrfeige zu verpassen. Aber eigentlich war sie eher wütend auf sich selbst, weil sie bei Harry Sanders so leicht die Fassung verlor. Woran lag das bloß?

Sie schlenderte ins Wohnzimmer, wo ihre Mutter, von Kissen gestützt, die Nachrichten anschaute. Megan küsste sie auf die Wange. „Wie geht’s dir?“

Barbara MacGregor lächelte schwach. „Ganz gut, jedenfalls besser als gestern. Meine Beine sind nicht mehr so taub.“

„Wie schön.“ Megan schob den Rollstuhl beiseite und setzte sich neben ihre Mutter. „Vielleicht wirkt das neue Medikament schon.“

„Hoffentlich.“ Barbaras Gesicht umwölkte sich. Megan spürte den vertrauten Stich in der Brust. Ihre Mutter hatte es wirklich nicht verdient, an multipler Sklerose zu leiden. Die meiste Zeit musste sie im Rollstuhl sitzen. Zwar konnte sie noch gehen, aber ihre Muskeln waren so schwach, dass ihre Energie nicht lange vorhielt.

„Bill ist gerade weg. Er hat mir Essen gebracht, bevor er zur Arbeit ging.“ Bill war seit einem Jahr mit Barbara verlobt. „Er muss heute Abend hinter der Bar stehen.“

Es war eine Ironie des Schicksals, dass Bill, ein wunderbarer älterer Herr mit viel Freizeit, in einem Fünf-Sterne-Restaurant arbeitete, das ausgerechnet Jacobsen Enterprises gehörte.

Es lag nur ein paar Straßen entfernt, und Bill brachte Barbara häufig eins der Gourmet-Gerichte zum Mitnehmen vorbei.

„Wie war dein Arbeitstag?“, fragte ihre Mutter.

„Super“, antwortete Megan. Abgesehen von Harry Sanders stimmte das auch. „Mr. Jacobsen hat mir angeboten, bei einem Trainingsprogramm für Führungskräfte mitzumachen.“

„Das ist ja fantastisch, mein Schatz!“ Barbara ergriff Megans Hand. „Ich bin so stolz auf dich.“

Megan traten die Tränen in die Augen.

Barbara fuhr mit schwacher Stimme fort: „Du solltest dich nicht so viel um mich kümmern, Megan. Ich bin schließlich erst fünfzig und werde wohl noch eine Weile zurechtkommen.“

Megan spürte einen Kloß im Hals und versuchte, die Situation ins Scherzhafte zu ziehen. „Nimm doch einfach Bills Heiratsantrag an, dann trete ich dich an ihn ab.“

Aber ihre Mutter entgegnete niedergeschlagen: „Das geht doch nicht. Ich kann seine Gutmütigkeit nicht noch mehr ausnutzen. Am liebsten würde ich die Verlobung lösen. Er braucht eine Frau, mit der er was unternehmen kann, keinen Krüppel.“

„Mom! Er liebt dich.“

„Manchmal ist Liebe nicht genug.“ Eine Träne rollte über Barbaras Wange, und Megan wischte sie zärtlich weg. Sie wusste, dass ihre Mutter an Megans Vater dachte, der sie verlassen hatte, als er erfuhr, dass Barbara an MS erkrankt war. Das war vor fünfzehn Jahren gewesen. Plötzlich lächelte Barbara.

„Oh, fast hätte ich’s vergessen. Da steht noch Essen für dich, und Bill hat dir sogar deinen Lieblingsschokoladenkuchen mitgebracht.“

„Er will mich wohl mästen. Wir essen den Kuchen zusammen. Eigentlich hab ich jetzt gleich Lust drauf.“ Megan stand auf.

„Du kannst es vertragen“, sagte Barbara. „Deine Figur ist perfekt. Die Männer müssten eigentlich alle verrückt nach dir sein.“

Vielleicht. Doch sobald es zu einer Verabredung kam und sie erfuhren, dass sie ihre kranke Mutter versorgen musste, machten sie einen Rückzieher.

Nachdem sie gesehen hatte, wie Bill ihre Mutter liebte, wollte Megan auch gar nichts mehr mit solchen oberflächlichen Männern zu tun haben. Im Moment konzentrierte sie sich völlig auf ihre Arbeit. Ihre Mutter und die Arbeit waren ihr wichtiger als alles andere.

Sie ging in die kleine Küche und holte das Paket mit der Schokoladentorte aus dem Kühlschrank. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Genau das Richtige für ihre gestressten Nerven.

„Mom, du musst Bill unbedingt bei der Stange halten, damit wir weiterhin diesen köstlichen Kuchen bekommen.“

Barbara lächelte, und Megan dachte, wie fröhlich ihre Mutter trotz ihrer Krankheit immer noch sein konnte. Sie verlor nie ihren Lebensmut.

„Weißt du eigentlich schon, wer dein Mentor ist?“, fragte sie, als Megan ihr den Kuchenteller hinstellte.

„Harry Sanders.“

Barbara machte große Augen. „Der Enkel?“

„Genau der.“

„Du scheinst nicht gerade begeistert zu sein.“

„Stimmt. Er kann mich nicht ausstehen.“ Megan erzählte ihrer Mutter von dem Streit.

Ihre Mutter aß ein Stück Kuchen, während sie nachdachte. „Weißt du“, sagte sie schließlich, „ich glaube, er ist genau der Richtige für dich. Wenn du mit ihm klarkommst, kannst du es auch mit jedem anderen aufnehmen.“

„Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Vielleicht hast du Recht.“

Barbara lächelte. „Joe Jacobsen muss dich für was ganz Besonderes halten, wenn er seinen Enkel für dich ausgesucht hat. Du wirst sehen, das wird besser laufen, als du denkst.“

Statt einer Antwort schob Megan sich das letzte Stück Kuchen in den Mund. Erst mal abwarten.

Zwei Wochen später verließ Megan morgens ihr winziges Büro.

„Viel Glück“, rief Cheryl, die Empfangssekretärin hinter ihr her, als Megan den Lift betrat, der sie zum ersten Mal in die Chefetage führen sollte.

Joe Jacobsen erwartete sie am Aufzug. „Willkommen, Megan. Wir sind im großen Konferenzzimmer. Sally wird Sie hinführen.“

Megan folgte der Assistentin, während Joe auf die anderen Teilnehmer wartete.

Das mochte sie so an dieser Firma. Die persönliche Note. Joe Jacobsen wusste genau, dass alle Teilnehmer nervös waren, und begrüßte daher jeden Einzelnen noch vor dem Sitzungssaal. Das nahm sehr viel von der Anspannung.

Sally wies ihr einen Platz zwischen Jill Benedict und Alan Dalen an, die ebenfalls an dem Programm teilnahmen. Harry saß ihr gegenüber. Als sie sich setzte, wurden seine Augen schmal.

„Hallo“, sagte sie.

„Hallo“, erwiderte er und wandte sich sofort wieder seinem Kollegen neben ihm zu. Seit dem etwas verunglückten Gespräch vor zwei Wochen hatten sie sich nicht mehr gesehen.

„Ich bin ganz aufgeregt“, flüsterte Jill Megan zu.

„Ich auch. Es ist eine tolle Chance“, erwiderte Megan.

Joe Jacobsen trat ans Kopfende des Tisches.

„Guten Morgen, alle zusammen. Ich freue mich, die erste Zusammenkunft der Teilnehmer am Jacobsen-Förderprogramm zu eröffnen. Wir werden uns in nächster Zeit öfters hier zusammenfinden. Heute geht es um den geplanten Erwerb von ‚Evie’s Pancake Houses‘. Jeder soll möglichst seine Ideen dazu einbringen. Die Unterlagen liegen vor Ihnen auf dem Tisch.“

Alle öffneten ihre Ordner und blätterten in den Papieren, während Joe Jacobsen fortfuhr: „Wir haben da ein Problem.“ Alle sahen wieder hoch.

„Evie’s ist ein Privatunternehmen mit zehn Restaurants in der Innenstadt von New York. Das Hauptkapital ist also der Grund und Boden. Bisher haben wir noch kein Angebot unterbreitet. Wir wissen allerdings, dass unser Mitbewerber, Odyssey Holdings, bereits ein Angebot vorgelegt hat, das vorsieht, den Firmennamen beizubehalten. Wir hingegen möchten die Restaurants völlig umgestalten und auch den Namen ändern. Gibt es dazu Vorschläge?“

Es begann ein lebhafter Meinungsaustausch. Megan hörte nur mit halbem Ohr zu, während sie aufmerksam ihre Unterlagen studierte. Evie’s war nach der Frau des Besitzers benannt, und der wollte nur deshalb verkaufen, weil er zu alt war und keins seiner Kinder das Geschäft übernehmen wollte.

„Ich denke, wir sollten einen höheren Preis bieten“, sagte Harry. „Wir wissen, dass einige Restaurants keinen Gewinn mehr abwerfen. Wenn wir nur die Hälfte behalten und die restlichen gleich weiterverkaufen, können wir damit einen Teil der Investition wieder hereinholen.“

Megan tippte nachdenklich mit dem Kugelschreiber auf ihren Ordner. Irgendwas fehlte hier.

„Die Idee hat was für sich“, bekräftigte jemand. „Wir sollten die Lokale in den unrentablen Gegenden möglichst sofort verkaufen, bevor die Preise noch mehr fallen.“

Megan sah, wie Harry nickte, wobei ihm eine blonde Strähne ins Gesicht fiel. Er strich sie zurück. „Richtig.“

„Ich finde, das ist der falsche Ansatz.“ Alle verstummten, und Megan merkte plötzlich, dass sie laut gedacht hatte.

„Und wieso, wenn ich fragen darf? Womit begründen Sie Ihre Kritik?“ Die Frage kam natürlich von Harry.

Megan sah ihn an. Sie würde sich von ihm nicht verunsichern lassen. „Das werde ich gleich erklären.“

Dann wandte sie sich an Joe Jacobsen. „Mr. Jacobsen, Evie’s ist nach der Frau des Besitzers benannt. Er wird um keinen Preis der Welt zulassen, dass der Name geändert wird. Sicher, er will verkaufen und von dem Erlös für den Rest seines Lebens sorgenfrei leben, aber nicht auf Kosten seiner Frau. Außerdem wäre es unklug. Man sollte den Wiedererkennungseffekt nicht unterschätzen. Der Name schafft Vertrauen. Warum gehen denn die Leute lieber zu McDonald’s als zu einem x-beliebigen Imbiss? Weil sie dort wissen, was sie für ihr Geld bekommen.“

„Und wieso ist das wichtig?“

Megan blitzte Harry an. „Das wäre, als würde man ‚Grandpa Joe’s Good Eats‘ plötzlich umbenennen. Mr. Jacobsen, würden Sie es gern sehen, wenn im Falle eines Verkaufs dieser Name geändert würde?“ Sie blickte Joe Jacobsen an, der nachdenklich aussah. „Es war Ihre erste Restaurantkette. Darauf basiert das ganze Unternehmen.“

Grandpa Joe schüttelte den Kopf. „Nein. Das würde ich nicht gern sehen. Deshalb habe ich auch noch nie einen Verkauf in Erwägung gezogen, obwohl der Wert sich um ein Vielfaches erhöht hat. Diese Restaurantkette ist älter als meine Kinder.“ Er lehnte sich zurück und sah sie mit seinen blauen Augen erwartungsvoll an.

„Genau. Und ich bin sicher, Mr. …“ sie blickte in ihren Ordner, „… Althoff denkt ebenso. Sein Herz hängt an diesem Unternehmen.“

„Aber was ist mit den Restaurants, die nicht mehr rentabel sind?“, fragte Harry. „Haben Sie dazu auch einen Vorschlag?“

„Wir müssen prüfen, warum sie nicht mehr laufen. Liegt es daran, dass die Gegend nicht gut ist? Oder gibt es zu viel Konkurrenz? Wurde vielleicht eine Fabrik in der Nähe geschlossen? Das alles müsste untersucht werden. Und dann könnte man ein solches Lokal zum Beispiel ein paar Ecken weiter neu eröffnen, wo es ein ganz anderes Publikum anspricht.“

Joe Jacobsen nickte zustimmend.

„Ausgezeichneter Vorschlag, Megan. Wir sollten darüber nachdenken. Zehn Restaurants, wovon einige dorthin zu verlegen wären, wo sie Ertrag bringen, ist besser, als nur fünf zu behalten. Jill, würden Sie sich die Lokale ansehen?“

„Ja, gern.“

„Gut. Zum nächsten Punkt.“

Harry warf Megan eisige Blicke zu. Auch wenn er ihren Auftritt insgeheim bewunderte, war er doch verstimmt. Megan hatte ihn glatt ausgestochen. Würde sein Großvater ihn jemals als ernstzunehmenden Partner behandeln? Wenn er sich jetzt nicht anstrengte, würde er nie befördert werden. Zu dumm, dass er ehrgeizig war und unbedingt arbeiten wollte, statt sich wie sein Cousin Shane mit einem Leben als Playboy zufrieden zu geben und sein Geld für sich arbeiten zu lassen.

Plötzlich merkte er, dass er gar nicht mehr mitbekommen hatte, worum es gerade ging. Panik ergriff ihn, während er versuchte, sich zu konzentrieren. Es hätte ihm gerade noch gefehlt, dass man seine Zerstreutheit bemerkt hätte. Glücklicherweise ging es noch immer um den Flug nach New York. In einer Woche sollte ein Team dorthin fliegen und die Verhandlungen mit „Smith and Bethesda“, den Anwälten von „Evie’s Pancake Houses“, aufnehmen.

„Natürlich werden Sie auch dabei sein, Megan“, schloss Joe Jacobsen.

Harry zuckte zusammen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er würde das Team leiten und müsste sich eine Woche lang mit Megan herumärgern. Heute war definitiv nicht sein Tag.

Plötzlich klatschten alle Beifall, und es wurde Harry klar, dass er offenbar etwas Wichtiges verpasst hatte.

„Gratuliere“, sagte sein Nachbar. „Du und Megan MacGregor. Bei ihrem Talent – ihr beide werdet ein prima Team abgeben.“

„Danke.“ Harry blickte zu seinem Großvater. Der sah äußerst zufrieden aus, und plötzlich wusste Harry, was ihm entgangen war. Grandpa Joe hatte seine Geistesabwesenheit dazu benutzt, um ihn als Megans Mentor vorzustellen. Jetzt war es zu spät, etwas dagegen einzuwenden. Er saß in der Klemme.

Grandpa Joe zwinkerte ihm fröhlich zu. Dann stand er auf und kam zu ihm herüber. „Es ist nur zu deinem und Jacobsens Besten“, sagte er, so dass nur Harry es hören konnte. „Vergiss das nicht und bring die Sache zu einem guten Ende.“

„Verstehe“, erwiderte Harry. Er sah seinem Großvater nach, der den Konferenzraum verließ. Vier Jahre Schultheater halfen ihm jetzt, eine neutrale Maske aufzusetzen, hinter der er seine Wut verstecken konnte.

Sein einziger Trost bestand darin, dass Megan ihm gegenüber dasaß wie vom Donner gerührt.

„Na, wie war‘s?“, fragte Cheryl, als Megan aus dem Fahrstuhl trat.

„Super“, log Megan. „Ganz toll.“ Normalerweise hätte sie einen Moment mit der Empfangssekretärin geplaudert, aber jetzt hatte sie es eilig, wieder in ihr Büro zu kommen.

„Das freut mich“, rief Cheryl ihr hinterher.

Ja, die Sitzung war gut gelaufen, bis sie ihren Mund aufgemacht und Harry widersprochen hatte. Natürlich war ein Brainstorming dafür da, dass jeder seine Ideen ungefiltert einbrachte, damit möglichst viele Aspekte eines Themas beleuchtet wurden. Aber schon wieder war sie Harry Sanders auf die Füße getreten. Warum provozierte er immer ihren Widerspruch?

Und dann hatte Joe Jacobsen zu allem Überfluss verkündet, dass Harry ihr Mentor sein würde.

„Ich wollte den Job eigentlich nicht machen.“

Megan würde diesen rauen Bariton unter Tausenden von Stimmen heraushören. Sie wirbelte in ihrem Sessel herum und sah Harry Sanders in der Tür zu ihrem Büro stehen. Er füllte fast den ganzen Türrahmen aus. „Aber da er Sie offensichtlich genauso überrumpelt hat wie mich, können wir vielleicht eine gemeinsame Basis finden, um das Projekt über die Runden zu kriegen.“

„Verstehe.“ Megan unterdrückte ihren Ärger. Warum hatte er nicht rechtzeitig abgelehnt, wo sie ihn doch darum gebeten hatte? Aber das nützte nun auch nichts mehr. Jetzt saßen sie beide in der Klemme, und es wäre besser, wenn sie versuchten, einigermaßen miteinander auszukommen.

Sie betrachtete Harry aufmerksam. Er hatte die gleichen Augen wie sein Großvater, aber es fehlte der warme Ausdruck darin. Megan bemerkte Fältchen in seinen Augenwinkeln, die offenbar von der Anspannung herrührten.

Aber zweifellos war Harry Sanders ein gut aussehender Mann. Seine leuchtend blauen Augen erinnerten sie an die von Paul Newman, und sein blondes Haar war nach der neuesten Mode geschnitten. Sein Mund – Megan wollte gar nicht daran denken, wie viele Frauen er wohl schon geküsst hatte. Er war bekannt für seine vielen Abenteuer, auch wenn er sich nie mit Kolleginnen verabredete.

Plötzlich lächelte er, und das brachte sein ganzes Gesicht zum Strahlen. Um seine vollen Lippen bildeten sich Lachfältchen, und in seinen Augen erschien ein warmer Glanz. Megan stockte der Atem. Wenn bereits ein höfliches Lächeln ihn so veränderte, wie würde er erst aussehen, wenn er aus echter Freude lächelte – oder in einer Liebesnacht?

Das war ein heißes Pflaster. Harry Sanders war ein Kollege, nichts weiter. Megan versuchte, sich von seinem Anblick loszureißen und sich auf seine Worte zu konzentrieren. Als er sich ihr gegenüber setzte, fiel ihr Blick auf seine eleganten Socken, die perfekt zum Anzug wie auch zu den Schuhen passten. Der Mann hatte Geschmack.

„Mein Großvater hat also wieder mal seinen Willen durchgesetzt. Ich möchte, dass Sie bis morgen sämtliche Unterlagen durchgehen. Außerdem sorgen Sie bitte dafür, dass Jill Ihnen genauestens Bericht erstattet über ihre Untersuchungsergebnisse, bevor Sie abfliegen. Und noch etwas. Kaufen Sie sich eine anständige Garderobe. Diese Klamotten sind unmöglich.“

„Wie bitte?“ Megan blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Hatte sie richtig gehört?

„Sie kleiden sich wie eine würdevolle ältere Dame. Korrekt. Sauber. Aber nicht ganz zeitgemäß. Wie alt sind Sie?“

„Siebenundzwanzig“, erwiderte Megan empört.

„Eben. Also ziehen Sie sich danach an. Sie sollen jung und professionell aussehen, nicht altbacken. Schließlich ist New York die Modemetropole von Amerika, und Sie sind keine sechzig.“

„An meinen Sachen ist nichts auszusetzen“, versetzte Megan wütend. Es waren immerhin Designer-Modelle, wenn auch aus einem Secondhand-Laden.

Harry lehnte sich nach vorne, wobei sie das Muskelspiel unter seinem Jackett bemerkte. Ihr Mund wurde trocken. „Ich bin Ihr Mentor. Sie können also ruhig meinen Rat annehmen. Aber wenn Sie nicht wollen …“ Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Wenn Sie dann später feststellen, dass ich Recht hatte, ist es Ihre eigene Schuld.“

Megan betrachtete ihn immer noch fasziniert und bemühte sich um Fassung. Der perfekt aussehende Harry Sanders saß in ihrem Büro und erzählte ihr, wie sie sich anziehen sollte. Ziemlich dreist. „Ich werde darüber nachdenken. Gibt es sonst noch etwas?“

Harry musterte sie mit seinen blauen Augen eingehend von oben bis unten, und sie merkte, wie Hitze in ihr hochstieg. Krampfhaft versuchte sie, locker zu erscheinen.

Endlich fing er an zu sprechen, mit leiser, etwas rauer Stimme. „Nein. Sonst ist alles in Ordnung. Meine Schwester kauft übrigens ihre Garderobe bei …“ Er nannte einige exklusive Läden, dann stand er auf und war so schnell weg, wie er gekommen war.

Megan starrte auf den leeren Stuhl ihr gegenüber. War er überhaupt hier gewesen? Es kam ihr so unwahrscheinlich vor, dass er ihr praktisch ein Friedensangebot gemacht hatte. Aber schließlich mussten sie irgendwie miteinander auskommen.

Eine neue Garderobe. Das würde ihr Konto etwas überfordern. Doch Harry hatte Recht. Sie sollte besser wie eine elegante junge Geschäftsfrau aussehen.

New York, ich komme.

3. KAPITEL

Interne Nachricht Jacobsen Enterprises

Von: Joe Jacobsen, Generaldirektor

An: Andrew Sanders, Direktor

Betr.: Harry / Jacobsen-Managementförderung

Die Besprechung lief gut. Harry und Megan sahen zwar etwas konsterniert aus, weil sie nicht das bekamen, was sie wollten, ließen sich aber sonst nichts weiter anmerken. Ich schicke die beiden nach New York. Megan hat prima Vorschläge gemacht, die ich Dir noch im Detail zukommen lasse.

J.J.

Interne Nachricht Jacobsen Enterprises

Von: Andrew Sanders, Direktor

An: Joe Jacobsen, Generaldirektor

Betr.: Harry / Jacobsen-Managementförderung

Du bist wirklich ein verrückter alter Kerl. Glaubst Du ernsthaft, wenn Du die beiden gegen ihren Willen zusammenbringst, wird es automatisch funken? Du kannst von Glück sagen, wenn überhaupt ein Geschäftsabschluss dabei herauskommt.

A.S.

Interne Nachricht Jacobsen Enterprises

Von: Joe Jacobsen, Generaldirektor

An: Andrew Sanders, Direktor

Betr.: Harry / Jacobsen-Managementförderung

Du weißt doch, ich habe ein Händchen sowohl fürs Geschäft als auch in Liebesdingen. Der Ankauf wird klappen, und alles andere auch. Wollen wir wetten?

J.J.

Interne Nachricht Jacobsen Enterprises

Von: Andrew Sanders, Direktor

An: Joe Jacobsen, Generaldirektor

Betr.: Harry / Jacobsen-Managementförderung

Du bist unverbesserlich.

A.S.

„Letzter Aufruf. Flug Nr. 690 nach La Guardia.“

Megan rannte zum Schalter, so schnell das in ihren neuen italienischen Stöckelschuhen ging, und reichte dem Angestellten ihre Bordkarte.

Sie hätte früher von zu Hause wegfahren sollen. Es war entsetzlich viel Verkehr gewesen, dann lag der einzige Langzeitparkplatz ausgerechnet am anderen Ende des Flughafens, und zu allem Überfluss standen die Passagiere vor sämtlichen Schaltern Schlange. Anscheinend wollte die halbe Stadt am Dienstagmorgen um acht nach New York fliegen.

Es war das erste Mal, dass Megan geschäftlich flog, und sie war überrascht, als man ihr einen Platz in der ersten Klasse zuwies.

„Willkommen an Bord“, wurde sie von der Stewardess begrüßt. „Zweite Reihe links, bitte.“

Megan bedankte sich und ging zu ihrem Platz.

„Na, gerade noch geschafft?“

„Ach, Sie.“ Megan seufzte resigniert, als sie sah, dass Harry direkt neben ihr saß.

„Ich bin entzückt, die nächsten zwei Stunden mit Ihnen verbringen zu dürfen.“ Seine blauen Augen wurden schmal. „Wie ich sehe, haben Sie meinen Rat befolgt. Nettes Outfit.“

Der Ausschnitt ihrer Seidenbluse verschob sich, als sie versuchte, ihr Handgepäck unter dem Sitz zu verstauen. Vergeblich versuchte sie, mit ihrer freien Hand ihre Bluse zurechtzuzupfen.

„Selbst die Unterwäsche ist neu.“

Na, ihre neue Bluse war ja ein voller Erfolg. Er hatte in ihren Ausschnitt gestarrt. Sie versuchte, gelassen zu reagieren. „Sie sagten, neue Sachen. Also habe ich alles neu gekauft.“

Sie setzte sich und befestigte ihren Gurt.

„Orangensaft?“

„Ja, danke.“ Megan nahm den Plastikbecher entgegen, den die Stewardess ihr reichte. Das kühle Getränk tat ihr gut, es war so erfrischend.

Sie lehnte sich zurück und blickte auf die blau bespannte Wand vor sich, als finde sie das Muster höchst interessant. Hoffentlich redet er nicht die ganze Zeit.

„Erzählen Sie mir von sich“, begann er. „Ich meine, das, was nicht in Ihrem Lebenslauf steht.“

„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“. Befriedigt stellte sie fest, dass die Sitzlehnen in der ersten Klasse ziemlich breit waren. Zumindest brauchte sie also nicht auf Tuchfühlung mit ihm zu gehen.

„Irgendwie müssen wir ja die nächsten zwei Stunden rumkriegen“, bemerkte Harry achselzuckend.

Die Maschine fing an, in Richtung Startbahn zu rollen. „Haben Sie nichts zu lesen dabei? Eine Zeitschrift? Akten? Ich habe jede Menge mitgebracht“, meinte Megan spitz.

„Lassen Sie mich raten. Vogue? Cosmopolitan?

Er machte sich über sie lustig. „Falls Sie’s interessiert, U.S. News und World Report. Außerdem habe ich ein Buch dabei.“

„Einen Liebesroman?“ Er zwinkerte ihr zu.

„Nein, einen Krimi.“

„Dachte mir, dass es kein Liebesroman ist. Obwohl Frauen, die so seriös tun wie Sie, ja angeblich mit Vorliebe solche schwülstigen Historienschinken lesen. Sie wissen schon, die mit den halbnackten Kerlen auf dem Umschlag.“

„Ich gehöre nicht dazu“, gab Megan pikiert zurück. Allerdings mochte sie moderne Liebesromane ganz gerne, aber das würde sie ihm nicht auf die Nase binden.

„Sie haben wohl überhaupt keinen Sinn für Romantik?“

„Jetzt reicht’s, Harry!“

„Oh, sie spricht meinen Namen aus.“

Die Maschine legte an Tempo zu, und sie wurden in den Sitz gedrückt. Während der etwas anstrengenden Unterhaltung mit Harry hatte Megan völlig die Sicherheitshinweise verpasst. Sie versuchte sich zu merken, wo die Notausstiege waren.

„Der Vogel wird schon oben bleiben. Ich habe noch nie einen schlechten Flug gehabt.“

Konnte er Gedanken lesen?

„Bei meinem Pech ist das heute vielleicht der erste. Es fängt schon damit an, dass ich neben Ihnen sitzen muss.“

Harry lächelte hintergündig. Mit diesem Lächeln brachte er sicher alle Frauenherzen zum Schmelzen. „Also wenn ich’s mir recht überlege, ist das eigentlich ein großes Glück für Sie. Immerhin bin ich ein Jacobsen.“

„Mir wäre Lyle McKaskill als Nachbar lieber gewesen.“

„Wirklich? Er ist doch schon fünfzig. Aber ich habe ganz vergessen, dass Sie ältere Herren bevorzugen.“ Sein Lächeln war verschwunden.

„Was soll denn das schon wieder heißen?“

Das Flugzeug hob ab, und statt einer Antwort blickte Harry aus dem Fenster auf Saint Louis hinunter.

Megan schäumte. Er war derart flegelhaft, ein absolutes Ekel, ein … Aber gleichzeitig war er verflixt anziehend. Sie hatte es immer vermieden, ihm näher zu kommen, weil sie wusste, dass sie nicht immun war gegen seine Ausstrahlung. Jetzt stieg ihr der Duft seines After Shaves in die Nase, und sein dichtes blondes Haar lud zum Streicheln ein. Seine Lippen …

Sie war wohl vollkommen übergeschnappt. Das hätte ihr gerade noch gefehlt. Der Mann war ein unverbesserlicher Playboy. Außerdem ging es hier um ihre Karriere. Das Ganze war eine rein geschäftliche Angelegenheit, und sie musste einen klaren Kopf behalten, sonst würde sie am Ende noch alles verderben.

Harry blickte auf die in der Ferne verschwindende Stadt. Es war ein wundervoll klarer Tag. Aber er war nicht ganz bei der Sache. Zu sehr irritierte ihn die Frau neben ihm.

Er hatte sich vorhin tatsächlich Sorgen um sie gemacht, als sie nicht kam. Was war nur mit ihm los?

Und als sie dann in letzter Minute auftauchte, hatte er sich riesig gefreut, auch wenn er das natürlich nicht gezeigt hatte. Überdies hatte sie seinen Rat befolgt und sich neue Kleidung gekauft. In ihrem engen Kostüm mit Minirock und ihrer ausgeschnittenen Seidenbluse sah sie einfach unwiderstehlich aus. Als sie sich vorhin gebückt hatte und er ihre cremefarbene Spitzenunterwäsche sehen konnte, hatte er ein eindeutiges Kribbeln verspürt.

„Wollen Sie Ihre absonderliche Bemerkung nicht näher erklären?“

Ihre Stimme riss ihn aus seinen träumerischen Gedanken, und er wandte sich ihr zu. Sie saß nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, und es wäre ein Leichtes gewesen, sie zu küssen. „Welche Bemerkung?“

Sie verzog ihre vollen roten Lippen und seufzte. „Schon gut. Wir sollten uns besser geschäftlichen Dingen zuwenden. Erzählen Sie mir ein bisschen über unser Programm in dieser Woche.“

„Ja, warum nicht?“ Harry setzte sich auf.

Er begann, ihr die Einzelheiten zu erläutern, und sie hörte ihm aufmerksam zu.

„Wenn Sie wollen, können Jill und Alan Ihnen noch mehr über ihre Strategie mitteilen. Sie sitzen drei Reihen hinter uns, und auf der anderen Seite des Ganges befinden sich ihre Mentoren.“

„Nein, das ist nicht nötig.“ Megan schüttelte den Kopf, wobei ihr ihre braunen Haare ins Gesicht fielen. Harry hätte sie ihr am liebsten hinters Ohr gestrichen. Auf ihrer Stirn hatten sich niedliche Falten gebildet, die anzeigten, dass sie angestrengt nachdachte.

„Die Idee gefällt Ihnen nicht“, stellte Harry fest.

„Nein. Sie geht nicht weit genug. Irgendwas fehlt noch.“

„Jill hat alles untersucht, was Sie in der Sitzung angesprochen hatten.“

„Es wäre besser gewesen, ich hätte die Untersuchung selbst durchgeführt. Ich hasse es, Aufgaben zu delegieren. Meistens fehlt etwas.“

„Diesmal nicht. Ich finde, Jill hat das großartig gemacht. Betty wird das Ganze dann vor den Anwälten präsentieren, die das Geschäft vermitteln. Es werden auch Leute von Evie’s dabei sein.“

„Trotzdem, es fehlt etwas“, wiederholte Megan.

„Das haben Sie bei der Sitzung auch schon gesagt“, erinnerte Harry sie. „Ich denke, darüber haben wir gesprochen.“

„Nein, haben wir nicht. Wir haben nur festgestellt, warum die Restaurants schlecht laufen, und dass diese Probleme leicht zu lösen sind. Also lassen wir die Restaurants bestehen und erfüllen damit eine von Evie’s Bedingungen. Aber was macht unser Angebot besser im Vergleich zu dem unseres Konkurrenten? Warum ist unser Unternehmen besser als Odyssey Holdings? Warum sollten sie an uns statt an sie verkaufen?“

Harry sah sie an. Ihr Gesicht wirkte plötzlich sehr lebendig, und er konnte den Blick nicht von ihren vollen Lippen wenden, während sie sprach. Sie hatte einen richtigen Kussmund. „Warum ist Jacobsen besser, Harry?“

„Wegen Grandpa Joe.“ Es war das erstbeste, was ihm einfiel, und er sprach es aus, bevor er richtig darüber nachgedacht hatte.

„Ganz genau!“ Megan blickte ihn triumphierend an. „Das ist es! Grandpa Joe, ich meine natürlich Joe Jacobsen. Das müssen wir Evie’s verkaufen. Grandpa Joe liebt seine Firma. Das ist es, was wir gegenüber Odyssey Holdings herausstellen müssen. Jacobsen Enterprises ist ein Familienunternehmen. Sicher, es gibt auch andere Anteilseigner, aber die Familie hält die Mehrheit der Aktien. Das stimmt doch, oder? Sie besitzen doch auch Anteile?“

Harry zögerte. Er sprach nicht gern darüber, wie reich die Familie war. „Nur dreißig Prozent gehören anderen Anteilseignern.“

„Evie’s ist ein Privatunternehmen, das ein liebender Mann seiner Frau gewidmet hat. Was wir verkaufen müssen, Harry, ist die Familie Jacobsen. Ein Familienunternehmen wird sich um Evie’s kümmern und nicht eine anonyme Holdinggesellschaft.“

Harry dachte nach. Sie hatte Recht. Eine brillante Idee. „Betty soll das in die Präsentation einbeziehen.“

„Nein.“ Megans entschiedener Tonfall hielt ihn erneut zurück. „Nicht Betty wird die Präsentation machen, sondern Sie.“

„Wie bitte? Das ist nicht meine Aufgabe. Außerdem kann Betty das viel besser.“

„Das spielt keine Rolle. Sie werden unsere Vorschläge unterbreiten, Harry. Stellen Sie sich vor, was das für einen Eindruck macht. Grandpa Joe liegt so viel an dem Erwerb von Evie’s, dass er seinen Enkel persönlich schickt und verhandeln lässt. Ich werde Ihnen dabei helfen.“

Harry war unsicher, ob ihm die Idee gefiel. Bisher hatte seine Schwester Darci immer die Geschäfte ausgehandelt. Oder Kyle, Alans Mentor, der das viel besser konnte als er. Harry hatte sich mehr um die Öffentlichkeitsarbeit gekümmert.

„Und wie wollen Sie mir helfen?“, fragte er.

„Ich werde Ihre Präsentation schreiben.“ Megan griff nach ihrer Handtasche und holte einen Palmtop heraus. „Es ist kein großer Aufwand. Den Rest der Präsentation mit Dokumenten und Bildmaterial können wir ja lassen, wie er ist.“

„Frühstück“, unterbrach sie die Stewardess und reichte ein Tablett herüber, auf dem unter anderem Eier mit Schinken und süßes Gebäck angerichtet waren.

„Nein, danke“, sagte Megan. „Ich habe schon gefrühstückt. Aber ich nehme gern noch einen Orangensaft, wenn Sie wieder vorbeikommen.“

Harry neben ihr aß bereits mit gesundem Appetit sein Omelett. Gar nicht schlecht. Er hatte zwar auch schon etwas gegessen, aber gegen einen Snack hatte er nichts einzuwenden. Er strich Quark und Marmelade auf ein Brötchen, biss herzhaft hinein, und während er kaute, beobachtete er, wie Megans flinke Finger über die Minitastatur flogen. Sie war wirklich eine bemerkenswerte Frau.

Er hatte noch nie eine Präsentation abgehalten, noch hatte er bei Verhandlungen in vorderster Reihe gestanden. Doch mit Megan an seiner Seite und ihrer Unterstützung fühlte er sich der Aufgabe gewachsen. Sie würden ein gutes Team abgeben.

Rein geschäftlich, natürlich.

Er aß das Brötchen auf, während sie ihren Text vorlas. Ständig wandte er etwas ein, aber sie hatte auf alles eine passende Entgegnung. Schließlich gab er auf.

„Okay, es ist alles in Ordnung“, seufzte er.

Sie lächelte, und Harry verspürte plötzlich das starke Verlangen, sich zu ihr hinüberzubeugen und sie zu küssen.

Sie ist einsame Spitze, dachte er. Ein Klasseweib, das mit einem zwanzig Jahre älteren Mann zusammen ist. Dabei konnte es sich doch unmöglich um Liebe handeln. Harry hatte plötzlich einen bitteren Geschmack im Mund.

Aber wenigstens war jetzt eines klar: nämlich dass er und Megan gut zusammenarbeiten konnten.

„Ich muss sagen, Sie kennen sich doch ziemlich gut aus in Wirtschaftsdingen. Ich habe Sie unterschätzt“, gestand Megan.

„Ich habe ein BWL-Diplom, und zwar ein ziemlich gutes“, erwiderte Harry.

„Tut mir Leid. Nehmen Sie es mir nicht übel. Hät...

Autor

Michele Dunaway
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Cathy Gillen Thackers erster Schreibversuch war eine Kurzgeschichte, die sie in der Mittagsstunde ihrer Kinder zu Papier bringen wollte. Monate später war ihre Kurzgeschichte auf Buchlänge angewachsen und stellte sich als Liebesroman heraus. Sie schrieb sechs weitere Romane, bevor ihr achter von einem Verlag angenommen und 1982 veröffentlicht wurde.

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