Berauschend wie französischer Wein

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Wie Cinderella fühlt sich Emily bei dem Schlossbesitzer Christian de Malraux: Kaum ist sie ihm begegnet, gibt er ihr einen Kuss, der sie berauscht wie Wein. Dabei ist Christian ihr Boss - und nur an einer Affäre interessiert! Warum wehrt er sich gegen eine tiefere Beziehung?


  • Erscheinungstag 18.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745028
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Kiesknirschen auf der Auffahrt ließ Emily aufmerken. Rasch kletterte sie aus der Badewanne und huschte mit ihren kurzen rötlich blonden, vom Waschen noch feuchten Locken zum offenen Schlafzimmerfenster, um nach unten zu spähen.

Warme Juliluft strömte ihr entgegen, die erfüllt war von den schweren Düften von Ginster, Pinien und einer Mischung anderer würziger Gerüche, die den besonderen Reiz der Sommer in Frankreich ausmachen. Am Abendhimmel flatterten kleine schwarze Wesen über dem moosbewachsenen rötlichen Pfannendach und den hohen Kaminschornsteinen des gegenüberliegenden Schlossflügels. Fledermäuse, vermutete Emily.

Sie hüllte sich fester in das große elfenbeinfarbene Badehandtuch und trat hinter den schweren Vorhang zurück. Unten fuhr ein schnittiger offener Mercedessportwagen in den Hof und hielt vor dem Schlossportal.

Da es noch nicht ganz dunkel war, konnte Emily im Schein der Sturmlampe unter sich einen großen breitschultrigen Mann erkennen, der federnd vom Fahrersitz sprang. Der Fremde nahm etwas aus dem Wagen, das wie ein Aktenkoffer oder eine Bordtasche aussah, und strich sich mit den Fingern das dunkle Haar aus der Stirn. Zielstrebig schritt er auf die Treppe zu. Die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen hatte etwas Raubtierhaftes an sich, fand Emily.

Ob das ihr neuer Chef war? Der Instinkt sagte ihr, dass der Mann Christian de Malraux sein musste, obwohl Lisette Duvert erklärt hatte, Monsieur würde erst am nächsten Tag von einer Geschäftsreise zurückkehren. Der Ankömmling hatte etwas Befehlsgewohntes an sich, fand Emily und unterdrückte ein Lächeln. Er sah aus, als gehörte er zu den Männern, die sich für unersetzlich hielten und so taten, als käme die Welt nur schwer ohne sie aus.

Emily wandte sich ab. Besser, sie trocknete sich ab, kleidete sich an und versuchte, den Weg nach unten zu finden, um sich dem Schlossherrn vorzustellen. Lisette Duvert, die attraktive Wirtschafterin, hatte sich überrascht gezeigt, als Emily bereits einen Tag früher als erwartet vor der Tür stand. Die junge Frau hatte sie zu ihrem Zimmer geführt und mit der knappen Erklärung sich selbst überlassen, sie, Lisette, hätte jetzt frei. Vorher hatte sie Emily noch vage den Weg zum nächsten Restaurant beschrieben, wo sie zu Abend essen könne. Emily hatte das ungute Gefühl, dass sie die Einzige von den Angestellten war, die im Château de Mordin übernachtete.

Normalerweise war sie keineswegs ängstlich, doch heute hatte sie ernstlich in Erwägung gezogen, den gemieteten Renault 5 wieder zu besteigen und nach Saintes zu fahren, um ihre alte Brieffreundin Marianne und ihre Familie zu bitten, sie für eine Nacht zu beherbergen.

Ehe Emily jedoch ins Bad zurückkehren konnte, ertönten auf dem Treppenabsatz vor der Tür schwere Schritte. Im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen, und ein Mann, der etwa in Emilys Alter sein musste, betrat den Raum. Im Gegensatz zu dem Mercedesfahrer hatte er lockiges braunes Haar, war mittelgroß und kräftig gebaut. Er warf einen Rucksack auf das Bett und begann, sein kurzärmeliges rotes Hemd aufzuknöpfen, während er auf die Badezimmertür zuging.

„He …!“

Auf Emilys entrüsteten Protestruf blieb der Eindringling stehen, brummte etwas und schaltete das Licht ein. Mit anzüglichem Interesse betrachtete er Emily, die vor Empörung erbleicht war und das Handtuch an sich presste.

„Donnerwetter! Das lob ich mir!“ Der Mann sprach Englisch mit leichtem Dialekt, und seine braunen Augen glommen begehrlich. „Französin? Engländerin? Deutsche?“

„Wer immer Sie sind, hätten Sie die Güte, aus meinem Zimmer zu verschwinden?“

„Ah! Engländerin also. Lisette hat mir verschwiegen, dass ich Gesellschaft habe. Aber gegen so reizende habe ich natürlich nichts einzuwenden. Ich bin Greg Vernon und reise per Anhalter durch Europa. Dabei halte ich mich mit gelegentlichen Sommerjobs über Wasser. Und wer sind Sie?“

Emily blickte den Mann argwöhnisch an. „Emily Gainsborough. Ich habe hier auch einen Aushilfsjob für den Sommer angenommen. Nett, Sie kennenzulernen, aber könnten wir diesen Plausch ein andermal fortsetzen? Das ist mein Zimmer.“

Greg Vernon begutachtete Emilys lange schlanke Beine, die schmalen Hüften und die Rundungen ihrer Brüste, deren Ansätze das Handtuch freigab, dann blieb sein Blick auf ihren rotblonden feuchten Locken haften.

„Lisette hat gesagt, die dritte Tür rechts.“

„Vielleicht gehört zählen nicht zu Ihren Stärken“, bemerkte Emily schneidend.

Greg Vernon ging auf den Sarkasmus nicht ein. Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte angelegentlich auf Emilys Oberschenkel. „Als was werden Sie denn hier arbeiten? Als Mädchen für alles, wie ich?“

Resignierend entschied Emily, dass ihr im Moment nichts anderes übrig blieb, als mitzuspielen. Sie zog das Handtuch fester um sich und erwiderte mühsam beherrscht: „Nein. Ich werde als Aushilfssekretärin für den Schlossbesitzer arbeiten, bis ich im September eine feste Stelle im Auswärtigen Amt antrete. Würden Sie jetzt bitte …?“

„Im Auswärtigen Amt?“

„Ja. In der Pariser Botschaft.“ Emily dachte daran, dass die übrigen Angestellten das Schloss inzwischen vermutlich verlassen hatten, und ihr Unbehagen wuchs. Zwar war sie es gewöhnt, auf sich aufzupassen, aber es gefiel ihr nicht, wie der Fremde sie betrachtete. Würde ihr jemand zu Hilfe kommen, wenn sie sich aus dem Fenster beugte und schrie?

„Nicht nur schön, sondern auch intelligent.“ Greg Vernon gab sich beeindruckt. „Wie alt bist du, Schätzchen?“

„Ich bin nicht Ihr Schätzchen, aber alt genug, um mir unerwünschte Leute vom Hals zu halten. Würden Sie jetzt bitte gehen und sich nach einem freien Zimmer umsehen?“

„Du bist Balsam für meine Augen, Süße.“ Vernon grinste frech. „Ich habe eine Schwäche für braunäugige Rotblonde, musst du wissen.“

„Würden Sie jetzt endlich gehen?“, forderte Emily scharf.

„Besonders für braunäugige Rotblonde mit einem Gesicht wie Kim Basinger, die so aussehen, als würde ein Windhauch sie umblasen.“ Vernon nahm keine Notiz von dem wütenden Funkeln in Emilys Augen und tat einige Schritte auf sie zu. „Was hältst du davon, Süße, mir in der Badewanne den Rücken zu schrubben? Ich werde mich dafür auch erkenntlich zeigen …“

„Ich warne Sie“, zischte Emily. „Wenn Sie mein Zimmer nicht in fünf Sekunden verlassen haben …“

„Was wirst du dann tun, Süße?“

Als Vernon lüstern grinsend auf sie zukam und nach ihr greifen wollte, löste das etwas in Emily aus. Ihre Angst war plötzlich verflogen. Ruhig, wie sie es zu Hause im Judokurs Woche für Woche praktiziert und damit mehrere Wettkämpfe gewonnen hatte, packte sie Vernons Oberarm mit einem klassischen Zweikampfgriff. Ehe der Mann wusste, wie ihm geschah, landete er auf dem Treppenabsatz vor Emilys Tür flach auf dem Rücken.

Keuchend lag er da und blickte so verblüfft zu Emily auf, dass sie das Lachen unterdrücken musste, als sie die Tür vor seiner Nase zuschlug.

Das Handtuch, das sich während des Kampfes gelockert hatte, glitt unvermittelt zu Boden. Splitternackt, am ganzen Körper zitternd, stand Emily da, und ihre festen kleinen Brüste hoben und senkten sich erregt. Sie wollte nach dem lachsfarbenen Morgenmantel auf dem Bett greifen, als eine andere Stimme von der Tür ertönte. Eine dunkle, ironische Stimme, die sie entsetzt herumfahren ließ.

„Mademoiselle Gainsborough?“

An der erneut geöffneten Tür stand ein großer dunkelhaariger Mann mit durchdringenden rauchblauen Augen, bei dessen Anblick Emily ein Prickeln überlief. Der Mercedesfahrer! Er trug einen schiefergrauen Anzug, ein weißes Seidenhemd und eine dezent gemusterte Seidenkrawatte und nahm die Szene und Emilys Nacktheit mit ausdrucksloser Miene in sich auf. An seiner linken Wange befand sich eine Narbe, und sein Mund hatte einen zynischen, verbitterten Zug. Dennoch war er der bestaussehende Mann, der Emily je begegnet war.

Seit seinem Erscheinen konnte nur eine Sekunde verstrichen sein, doch Emily kam es vor, als wäre alles in Zeitlupe abgelaufen.

Emily öffnete den Mund, um etwas zu sagen, brachte jedoch keinen Ton hervor. Entsetzt stürzte sie zum Bett, packte den Morgenmantel und bedeckte mit fliegenden Fingern ihre Blöße. Ihr wurde heiß und kalt. Der Zwischenfall mit Greg Vernon war schon schlimm genug gewesen, aber dass sie ihrem neuen Chef jetzt auch noch nackt gegenüberstand, nachdem sie einen fremden Mann unsanft aus ihrem Zimmer befördert hatte, war ein Anfang, wie er sich schlechter kaum vorstellen ließ …

„Würden Sie mir bitte erklären, was los war?“

Emily holte tief Luft. „Dieser Mann ist in mein Zimmer gekommen und hat versucht … mich zu belästigen. Da habe ich zur Selbsthilfe gegriffen …“

„Das habe ich gesehen. Komisch, Mademoiselle, ich erinnere mich nicht, in Ihrem Lebenslauf etwas von nackten Nahkampfübungen gelesen zu haben.“

Der Mann sprach fließend Englisch mit einem leichten amerikanischen Akzent, als hätte er die Sprache in den Staaten gelernt. In seinen Augen glaubte Emily fast so etwas wie ein amüsiertes Funkeln zu erkennen, aber vielleicht täuschte sie sich da auch, denn seine Miene zeigte keine Regung.

Vor der Tür rappelte Greg Vernon sich benommen auf und rieb sich die Hüfte. „Das Mädchen ist buchstäblich umwerfend.“ Er wirkte angeschlagen und sah aus, als hätte er es eilig zu gehen. „Sind Sie der neue Besitzer hier?“

Der dunkelhaarige Mann drehte sich um und nickte kurz. „Christian de Malraux. Nach der Nachricht, die die Wirtschafterin mir hinterlassen hat, dürften Sie Greg Vernon sein.“

„Richtig. Bin im falschen Zimmer gelandet. Ein Irrtum …“

„Verschwinden Sie, und zwar ein bisschen schnell!“ De Malraux’ eisiger Ton jagte Emily einen Schauer über die Haut. Das mit dem amüsierten Funkeln hatte sie sich also doch nur eingebildet.

„Moment mal …“, setzte Greg Vernon verblüfft an.

„Raus! Sie sind gefeuert.“ De Malraux’ Stimme klang scharf und endgültig.

„Gefeuert? Ich hab ja noch nicht mal angefangen. Sie können sich Ihren dämlichen Job …“

Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte de Malraux sich vom Türrahmen gelöst, Vernons Arm gepackt und ihn so auf den Rücken gedreht, dass der Mann sich nicht rühren konnte.

„Halten Sie Ihre Zunge im Zaum“, sagte der Schlossherr drohend. „Und verschwinden Sie von meinem Anwesen.“

Mit einem Stoß gab er Vernon frei, der wütend in Buckelstellung ging, es auf einen weiteren Zusammenstoß jedoch offensichtlich nicht ankommen lassen wollte. Christian de Malraux schien ein gefährlicher Gegner zu sein, und seine Wangennarbe verstärkte diesen Eindruck. Er trat zur Seite, um Vernon vorbeizulassen, doch Emily fühlte sich aus einem ihr selbst nicht erklärlichen Grund verpflichtet, ihren Belästiger in Schutz zu nehmen.

„Sie brauchen ihn meinetwegen doch nicht gleich zu feuern“, warf sie hastig ein und zog den Satinmantel fester um sich, als de Malraux sich ihr mit eisigem Blick wieder zuwandte.

„Nein?“ Er sah sie mit seinen rauchblauen Augen durchbohrend an, und Emily fragte sich, warum dieser Mann sie so beunruhigte. Ihr fiel auf, dass er einen breiten, harten Mund und ein markantes Kinn mit einer Kerbe in der Mitte hatte.

„Ist dieser Typ ein Freund von Ihnen, Mademoiselle?“

„Nein. Aber … ich denke, das Ganze war nur … ein dummes Missverständnis. Ich glaube, Mr. Vernon und ich verstehen uns jetzt.“

„Daran zweifle ich nicht“, erwiderte de Malraux schroff. „Aber hier treffe ich die Entscheidungen. In zehn Minuten erwarte ich Sie unten in der Halle, Mademoiselle Gainsborough. Schließen Sie Ihre Tür in Zukunft ab. Vor allem, wenn Sie baden.“

Nach einer letzten eingehenden Musterung, bei der Emily sich erneut nackt vorkam, verließ de Malraux den Raum und zog die Tür fest hinter sich zu.

Emily lehnte sich einen Moment dagegen und schloss die Augen. Was für ein eingebildeter, hochnäsiger Mensch! Ihre Finger zitterten so stark, dass sie Mühe hatte, den Schlüssel im Schloss umzudrehen.

Warum bin ich nur so wütend auf Christian de Malraux? fragte Emily sich beim Ankleiden. Eigentlich sollte ihr Zorn sich doch gegen den Engländer richten, und sie müsste froh sein, dass ihr neuer Chef rechtzeitig eingegriffen hatte. Stattdessen tat der freche Vernon ihr fast leid, während de Malraux’ bevormundende, selbstherrliche Art sie in Harnisch brachte …

Emily bürstete sich die kurzen rötlich blonden Locken und betrachtete ihr Spiegelbild. Sie trug jetzt einen züchtigen lachsfarbenen engen Seidenrock mit einer kragenlosen Seidenbluse in der gleichen Farbe, darüber ein schokoladenfarbenes kurzes Seidenjäckchen. So wirkte sie kühl, elegant und selbstsicher und erweckte den Eindruck, jeder Situation gewachsen zu sein.

Auf dem Weg nach unten wurde Emily bewusst, warum sie auf Vernon und de Malraux so widersprüchlich reagiert hatte. Mit Männern wie Greg wurde sie spielend fertig. Diese Sorte kannte sie. Bei Christian de Malraux lagen die Dinge anders. Emily hatte das Gefühl, dass er ein Mann war, dem schwer beizukommen war. Er stellte eine Bedrohung für ihren Seelenfrieden dar …

„Haben Sie schon zu Abend gegessen?“, fragte Christian de Malraux ohne Übergang.

Emily sah ihn überrascht an. „Nein …“

Bon. Ça sera la première chose … erst essen wir.“

Das war keine Einladung, sondern ein Befehl. Christian de Malraux war es gewöhnt, über andere zu bestimmen. Er führte Emily zu dem silbergrauen Mercedes, und sie fuhren über die lange Kiesauffahrt zum Schlosstor. Die Scheinwerfer erfassten mächtige Zedern und Walnussbäume und schwenkten über dicht bewachsenes Parkland.

„Sie sind also früher gekommen“, stellte Christian de Malraux fest. „Lisette hat Sie erst morgen erwartet.“

„Da muss ein Missverständnis vorliegen. Ich war der Meinung, ich sollte heute anfangen.“

Christian de Malraux warf Emily einen kurzen Seitenblick zu, dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder der gewundenen Landstraße.

„Lisette dachte auch, Sie würden erst morgen von der Geschäftsreise zurückkehren.“ Emily war selbst erstaunt, wie ruhig ihre Stimme klang, denn sie war innerlich aufgewühlt.

Nach dem unerwarteten Auftauchen in Emilys Zimmer hatte de Malraux den grauen Anzug gegen eine hellgraue Gabardinehose, ein schwarzes kragenloses Netzhemd und ein hellgraues Sportjackett vertauscht.

„Meine Besprechungen waren eher zu Ende, als ich erwartet hatte. Und nach dem, was ich vorhin gesehen habe, war das gut so“, erklärte Christian de Malraux schroff.

„Wenn Sie die Sache mit Greg Vernon meinen, ich war durchaus in der Lage, allein mit ihm fertig zu werden.“

„Das habe ich gemerkt. Aber möglicherweise haben Sie da auch einfach nur Glück gehabt, Mademoiselle Gainsborough. Sie sollten Ihren Gegner nie unterschätzen. Wenn der Überraschungseffekt verpufft ist, kommen Sie unter Umständen nicht so glimpflich davon.“

„Ich habe aber zufällig den braunen Judogürtel“, entgegnete Emily stolz. „Der Vater eines Freundes von mir ist Judolehrer. Ich habe sogar an Landeswettkämpfen teilgenommen.“

„Sehr eindrucksvoll.“ Christian de Malraux klang nicht sonderlich beeindruckt. Er sah Emily kurz an, und sie hatte das Gefühl, dass er sich über sie lustig machte. „Ich kenne mich in diesen Kampfsportarten auch ein bisschen aus. Ihre Darbietung war unterhaltsam, aber Ihre Fähigkeiten als Sekretärin und Übersetzerin sind mir wichtiger.“

„Oh, ich bin sehr vielseitig.“

Christian de Malraux lächelte ironisch, und Emily wünschte, sie hätte sich die Bemerkung gespart. In der Dunkelheit begannen ihre Wangen erneut zu brennen, weil sie an die Szene in ihrem Schlafzimmer denken musste. Hastig wechselte sie das Thema.

„Habe ich richtig verstanden, dass Sie das Schloss erst kürzlich gekauft haben, Monsieur de Malraux?“

„Vor drei Monaten.“ Sie näherten sich einladenden Lichtern, und Christian de Malraux lenkte den Wagen von der Straße vor ein Restaurant, das eine umgebaute alte Mühle zu sein schien.

„Haben Sie es dem früheren Besitzer abgekauft?“

Christian de Malraux schüttelte den Kopf. „In meiner Jugend lebte ich bei meinem Onkel und meiner Tante im Schloss. Später musste ich beruflich ins Ausland und kam erst vor fünf Jahren hierher zurück. Dann wurde mein Onkel krank und starb.“

Der zynische Unterton, in dem Christian de Malraux gesprochen hatte, ließ Emily vermuten, dass er gar nicht glücklich darüber war, jetzt wieder im Schloss zu wohnen.

Emily rief sich zur Ordnung. Wieso beschäftigte dieser Mann sie so stark? Sie war zweiundzwanzig, hatte Sprachen studiert und diesen Sommerjob übernommen, ehe sie an der Botschaft eine verantwortliche Stellung antrat. Lockere Männerfreundschaften hatte Emily schon viele gehabt. Warum löste Christian de Malraux, den sie schließlich erst vor einer halben Stunde kennengelernt hatte, bei ihr also einen solchen Gefühlstumult aus? Höchste Zeit, dass sie sich wieder in den Griff bekam.

Als Emily ihrem neuen Chef jedoch im Restaurant an einem Tisch mit einem karierten Tuch gegenübersaß und über die Speisekarte hinweg einen Blick aus de Malraux’ leicht gelangweilt wirkenden blauen Augen auffing, traf es sie erneut wie ein Blitzschlag.

„Fisch und Meeresfrüchte sind in der Charente Maritime ausgezeichnet“, erklärte Christian de Malraux und betrachtete Emilys leicht gerötete Wangen. „Hier wird fast jede Art von Meeresgetier gefangen, gegart und mit einer raffinierten Sauce zubereitet.“

„Ja, ich weiß. Ich war schon einige Male hier. Das ist auch der Hauptgrund, warum ich den Job angenommen habe. Eine Brieffreundin von mir wohnt hier in der Gegend.“

„Wo denn?“, erkundigte Christian de Malraux sich beiläufig.

„In Saintes.“

„Ein hübsches Städtchen.“

„Ja …“ Emily überflog die Speisekarte, ohne richtig aufzunehmen, was sie las. Selbst eine belanglose Unterhaltung mit diesem Mann brachte sie durcheinander. „Ich glaube … ich nehme den Rochen.“

„Möchten Sie Wein trinken?“

Emily nickte. „Das Château de Mordin produziert Sauvignon-Wein, nicht wahr?“

Zum ersten Mal lächelte Christian de Malraux schwach. Er strich sich das dunkle Haar zurück und sah Emily forschend an. „Sie haben sich gut informiert, Mademoiselle.“

„Ich bin von Natur aus neugierig. Hinter dem Etikett Château de Mordin verbirgt sich eine Genossenschaft von fünfundvierzig Winzern mit siebenhundert Hektar Weinbergen. Ihr Haupterzeugnis ist pineau cognac, der zu einem Teil aus Cognac und zu drei Teilen aus Traubensaft besteht. In zweiter Linie stellen sie Weine her: drei Weißweine, darunter einen cuvée spéciale, außerdem einen Rotwein und einen Rosé.“

Zu Emilys Überraschung lachte Christian de Malraux. Sein Lachen war dunkel und ansteckend und ließ ebenmäßige weiße Zähne aufblitzen, die ihm bei seiner gebräunten Haut ein piratenhaftes Aussehen verliehen.

„Miss Tüchtigkeit persönlich. Mein Freund an Ihrem College hatte recht, als er mir voraussagte, es würde mir leidtun, wenn ich Sie wieder verliere.“

Emily errötete und wurde noch verwirrter, als ihr bewusst wurde, dass Christian de Malraux sie beobachtete.

„Sie sind eine faszinierende Mischung, Mademoiselle …“

„Bitte, nennen Sie mich doch Emily.“ Sie presste die Hände im Schoß aneinander und versuchte, sich ruhig und entspannt zu geben.

„Emily.“ Christian de Malraux sprach die Silben langsam aus, als ließe er sie probeweise auf der Zunge zergehen. „Oui, d’accord. Emily. Dann müssen Sie mich Christian nennen.“

Wie hypnotisiert blickte sie in seine von schwarzen Wimpern gerahmten blauen Augen und hielt unwillkürlich den Atem an.

Ihr wurde bewusst, dass sie etwas antworten musste, und sagte hastig: „Ja … gern … Christian.“ Himmel, was war nur mit ihr los? Sie hatte doch nur den Vornamen des Mannes ausgesprochen, aber sie fühlte sich, als hätte sie ein intimes Geheimnis preisgegeben.

Der Kellner erschien. Christian bestellte, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Emily zu.

„Wie gesagt“, fuhr er fort, als hätte es keine Unterbrechung gegeben, „Sie sind eine faszinierende Mischung, Emily. Sie informieren sich gründlich und professionell über einen Job, den Sie nur für wenige Wochen übernehmen. Und Sie legen mit einem Judogriff seelenruhig einen Typ aufs Kreuz, der Ihnen zu nahe treten will. Dabei sehen Sie so zerbrechlich aus, als könnte ein Mann Sie erdrücken, wenn er Sie zu fest in die Arme nimmt.“

„Ich …“

„Und Sie erröten wie ein schüchternes Schulmädchen, wenn man Ihnen ein Kompliment macht.“

„Normalerweise werde ich nicht rot“, widersprach Emily, was Christian noch mehr zu amüsieren schien. „Sie müssen schon entschuldigen, aber ich bin heute Abend ein bisschen … durcheinander. Sie verstehen schon …“

„Ach, Sie meinen Ihren entzückenden Nacktauftritt bei unserer ersten Begegnung“, neckte Christian sie leise und lächelte auf eine Art, die Emily noch mehr aus dem Gleichgewicht brachte. „Oder liegt das an dem unerfreulichen Zwischenfall mit Vernon?“

„Beides.“ Emily blickte erleichtert auf, weil der Wein kam. „Wissen Sie, eigentlich habe ich diesen Sommerjob übernommen, um mein Französisch aufzupolieren“, versuchte sie, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. „Aber bisher haben wir nur Englisch gesprochen.“

„Im Moment unterhalten wir uns ja auch privat, und nicht geschäftlich, Emily.“

„Ja …“

„Wollen wir abmachen, bei der Arbeit im Büro Französisch zu sprechen?“

„Das wäre fein.“

Christian wollte ihr damit einen Gefallen tun, sagte Emily sich. Offenbar fand er sie spaßig. Sie trank einen großen Schluck von dem kühlen Weißwein. Er war erfrischend trocken und schmeckte leicht nach Aprikosen und Wiesenkräutern. Der Kellner hatte ihnen einen Korb mit duftendem frisch gebackenem Brot hingestellt, und Emily wurde bewusst, wie hungrig sie war. Sie beschloss, sich durch Christian de Malraux’ beunruhigende Gegenwart nicht davon abhalten zu lassen, das Essen zu genießen.

Um dem Bann seiner blauen Augen zu entrinnen, betrachtete Emily ihre Umgebung genauer. Das Restaurant war gut besucht und von Stimmen und Gelächter erfüllt.

In der Hauptsache aßen hier französische Familien, aber auch einige Deutsche und Engländer hatten den Weg hergefunden. Hinter Emily bemühte eine Gruppe Landsleute sich mithilfe eines Wörterbuchs, den Geheimnissen der Fischkarte auf die Spur zu kommen.

„Ein gemütliches Restaurant.“ Emily ging bewusst ins Französische über. „Gibt es das Mühlrad noch?“

„Oh ja. Wir hätten uns auch draußen beim Mühlbach an einen Wiesentisch setzen können.“ Christian war ebenfalls ins Französische übergewechselt. „Aber die Mücken können einem ganz schön zusetzen.“

„Nächstes Mal benutze ich ein Insektenschutzmittel“, erklärte Emily spontan. „Ich esse so gern im Freien. In England kann man das leider nur selten.“

„Morgen Abend kommen wir wieder her, wenn Sie möchten. Dann schützen Sie sich mit Insektenmittel, und wir setzen uns an einen Tisch am Mühlbach, Emily.“

„Also … damit wollte ich nicht andeuten, dass Sie mich wieder ausführen sollen …“

Christian lächelte erheitert. „Deshalb brauchen Sie nicht gleich wieder rot zu werden.“

Emily wurde noch heißer, als sein Blick langsam von ihren rötlich blonden Locken und den großen braunen Augen zu den Rundungen ihrer Brüste glitt, die sich unter dem Seidenjäckchen deutlich abzeichneten, weil sie keinen Büstenhalter trug. Entsetzt spürte Emily, dass die Spitzen unter Christians ungenierter Musterung hart wurden.

„Ihr Französisch ist ausgezeichnet, Emily“, lobte er und setzte sich gelöst zurück. „Sprechen Sie Spanisch auch so gut?“

„Es geht. Französisch beherrsche ich besser, weil ich als Teenager die Ferien öfter bei meiner Brieffreundin in Frankreich verbracht habe.“ Wieder wechselte Emily das Thema, um das Gespräch von sich abzulenken. „Was tun Sie beruflich, wenn Sie so lange im Ausland waren?“

„Ich bin Journalist.“

War es Einbildung, oder lag um Christians Mund auf einmal ein harter, abweisender Zug?

„In welcher Sparte?“

„Ich war Auslandskorrespondent für eine französische Landeszeitung. Danach habe ich als Auslandsreporter für das Fernsehen gearbeitet.“

„Ich verstehe.“ Emily betrachtete Christian mit wachsendem Interesse. Der erste Gang wurde serviert, eine Platte mit frischen Langusten. Emily zupfte nachdenklich an der Schale eines der Tiere.

War Christian de Malraux deshalb so zynisch und verbittert? Weil er sich als Auslandskorrespondent häufig an Krisenherden aufhalten musste und ständig mit Kriegen, Not und Grausamkeiten in Berührung gekommen war?

„Haben Sie den Beruf aufgegeben, weil Ihr Onkel krank wurde?“

„Nicht ganz. Ich hatte schon seit einiger Zeit in Erwägung gezogen, mal wieder auf sicheren Boden überzuwechseln. Die Gefahren, die die Arbeit als Fernsehreporter mit sich bringt, lassen einen abstumpfen. Der ständige Kugelhagel, die Frontberichterstattung …“

Emily blickte auf die Narbe an Christians Wange und überlegte, ob er sie sich bei einem Krieg zugezogen hatte.

Er bemerkte die Musterung und deutete grimmig lächelnd auf die Narbe. „Die stammt nicht aus der Zeit als Fernsehreporter. Stört Sie der Anblick, Emily?“, setzte er fast belustigt hinzu.

„Nein!“ Sie schüttelte heftig den Kopf. „Überhaupt nicht! Was für eine Frage?“

Autor

Rosalie Ash
Sie hat bisher 21 erfolgreiche Romances geschrieben, wobei sie erst jetzt wieder richtig aktiv geworden ist, nachdem sie eine längere Pause vom Schreiben romantischer Stories gemacht hat. Rosalie Ash ist Mitglied der Society of Authors und der Romantic Novelists Association. Gelegentlich bewohnt sie auch ein Paralleluniversum in ihrer Fantasie, wo...
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