Bianca Exklusiv Band 373

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ENDLICH IST MOMMY WIEDER GLÜCKLICH! Von KRISTI GOLD

„Kannst du mit meiner Mom trainieren?!“ Als die kleine Stormy ihn bittet, schmilzt Personal Trainer Kieran dahin. Ohne zu ahnen, dass die Single-Mom Erica in ihm geheime Sehnsüchte wecken wird, verspricht er zu helfen. Aber gelingt es ihm, Erica zu überzeugen, dass er der Richtige ist?

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  • Erscheinungstag 30.03.2024
  • Bandnummer 373
  • ISBN / Artikelnummer 9783751523349
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kristi Gold, Stacy Connelly, Janis Reams Hudson

BIANCA EXKLUSIV BAND 373

1. KAPITEL

Es gab nur zwei Dinge, bei denen Kieran O’Brian sich richtig entspannen konnte – bei fantastischem Sex und beim Gewichtestemmen. Und da er momentan Single war, musste er sich wohl mit einer Trainingseinheit pro Tag in seinem privaten Fitnessraum neben dem Büro zufriedengeben. Als Besitzer von zwei großen Fitnessklubs in Houston, der gerade dabei war, einen Dritten zu bauen, wusste er die Ruhe hier zu schätzen.

In der öffentlichen Trainingshalle herrschte die typische Geräuschkulisse, und er wurde auf dem Weg wiederholt von Stammkunden begrüßt. Darunter waren einige Frauen, denen er mal Einzelstunden gegeben hatte. Ein paar hatten mehr gewollt als ein gutes Work-out, doch er hatte sich von Anfang an geschworen, Geschäftliches und Privates streng zu trennen. Bis jetzt hatte er sich streng daran gehalten – auch wenn die Versuchung manchmal groß war. Deshalb, und auch aus Zeitgründen, gab er seit einiger Zeit keine Privatstunden mehr.

Kieran hatte sein Büro fast erreicht, als jemand an seinem T-Shirt zupfte. Als er sich umdrehte, stand ein kleines Mädchen mit großen blauen Augen und rotblonden Haaren vor ihm. Es trug eine rosafarbene Jacke, ein weißes T-Shirt und verwaschene Jeans. Ein Kinderrucksack hing über der Schulter der Kleinen. Sie sah unglaublich süß aus, und er blieb stehen. „Na, hast du dich verlaufen, meine Kleine?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf und schaute auf ihre Schuhspitzen. „Ich suche Mr O’Brian. Lisa hat gesagt, er hätte volle schwarze Haare und jede Menge Muskeln. Sind Sie das?“

„Ja, der bin ich.“ Aber wer ist Lisa? Hmm, keine meiner Angestellten. „Und wie heißt du?“

„Stormy.“

„Sind deine Mom oder dein Dad hier Mitglied?“

„Nein. Ich bin mit Lisa und ihrer Mutter hier.“

„Und wie heißt Lisas Mutter?“

„Candice Conrad.“

Mit diesem Namen konnte er endlich etwas anfangen. Candice war eine gut aussehende Frau mit zu viel Freizeit und einem Ehemann, der sie vernachlässigte. Vor zwei Jahren hatte sie ihn als Personal Trainer angeheuert, doch als er rausgefunden hatte, worauf sie eigentlich aus war, hatte er den Auftrag abgelehnt. Seitdem fragte sie ihn in regelmäßigen Abständen, ob er sie nicht wieder trainieren wolle.

„Suchst du Mrs Conrad?“, fragte er die Kleine. In diesem Fall würde er lieber einen seiner Angestellten um Hilfe bitten, um nicht von Candice in ein Gespräch verwickelt zu werden.

Doch Stormy schüttelte entrüstet den Kopf. „Ich weiß, wo sie ist! Ich wollte mit Ihnen über Trainingsstunden sprechen.“

Ihr Selbstbewusstsein beeindruckte ihn, aber natürlich war sie viel zu jung für einen Personal Trainer.

Um sie nicht allzu sehr zu enttäuschen, führte er sie zu einem runden Tisch an der Saftbar, schenkte ihr einen Fruchtsaft ein und setzte sich ihr gegenüber. „Wie alt bist du denn?“

Sie nahm ihren Rucksack ab und legte ihn vor sich auf den Tisch. „Zwei Wochen vor Weihnachten werde ich elf. Meine Mom sagt immer, ich bin ihr schönstes Weihnachtsgeschenk.“

Ihr Lächeln war entwaffnend. Er hätte sie für mindestens zwei Jahre jünger gehalten, denn sie war klein und wirkte sehr zart.

„Du musst mindestens achtzehn sein für die individuellen Trainingsstunden, aber du könntest in unserem Nachmittagsprogramm für Jugendliche mitmachen.“

Nach einem Schluck Fruchtsaft zog sie die sommersprossige Nase kraus. „Das Training ist doch nicht für mich. Sie sollen meiner Mutter Stunden geben.“

Da er aus Prinzip keine Einzelstunden mehr gab, konnte er ihr damit leider auch nicht weiterhelfen, aber er beschäftigte noch andere Personal Trainer.

„Sag ihr einfach, sie soll mich anrufen. Ich finde den perfekten Trainer für sie.“

Wieder erntete er einen entrüsteten Blick. „Das geht nicht. Es soll eine Überraschung zu ihrem Geburtstag sein. Und außerdem sollen Sie sie trainieren. Lisas Mom sagt, Sie sind der Beste.“

Erstaunlich, denn Lisas Mom war am Training ja gar nicht so interessiert gewesen.

„Tut mir leid, Stormy, aber Einzelstunden sind sehr teuer und …“

„Das weiß ich.“ Sie griff in ihren Rucksack, zog eine Handvoll zerknitterter Scheine hervor und streckte sie ihm hin. „Ich habe mein Taschengeld gespart. Es sind fast achtzig Dollar. Reicht das für einen Monat?“

Für eine Zehnjährige war das sicher viel Geld, aber es deckte nicht einmal eine einzige Stunde zu seinem üblichen Satz. „Pass auf, ich gebe deiner Mom drei Monate Mitgliedschaft kostenlos. Wie wäre das?“

Jetzt wirkte die Kleine völlig enttäuscht. „Nach der Schule gehe ich immer in das Spa, wo sie arbeitet. Und da habe ich gehört, wie sie mit einer Kollegin geredet hat. Sie möchte eines Tages, wenn sie genug Geld hat, einen Personal Trainer haben. Und deshalb will ich ihr das schenken.“

Kieran wusste nicht so recht, was er machen sollte. Er suchte noch nach den richtigen Worten, als sie hinzufügte: „Sie soll einfach wieder glücklich sein. So wie früher.“

Ihre traurige Stimme traf ihn mitten ins Herz. „Wie früher?“

Jetzt schimmerten Tränen in ihren Augen. „Bevor mein Dad gestorben ist. Das ist sehr lange her – da war ich vier – aber sie vermisst ihn immer noch. Und ich auch.“

Kieran spürte, wie er weich wurde. Sie sah ihn einfach unwiderstehlich süß an – und bittend.

„Wenn Sie mehr Geld brauchen, kann ich Ihnen bald das geben, was meine Großeltern mir zum Geburtstag und zu Weihnachten schenken. Und ich spare weiter mein Taschengeld. Ich kann auch mein Fahrrad verkaufen.“

Vielleicht würde es ihm später leidtun, aber jetzt konnte er sie auf keinen Fall enttäuschen. Also nahm er ungefähr die Hälfte der Geldscheine aus ihrer Hand – später würde er sie ihr sowieso zurückgeben – und sagte: „Das sollte für einen Monat reichen.“

Jetzt lächelte sie endlich wieder, aber sie war noch nicht fertig.

„Ich kann meine Mom nicht dazu überreden, hierher zu kommen“, erklärte sie. „Können Sie heute Abend bei uns vorbeischauen und sie überraschen?“

Offensichtlich hatte sie alles genau geplant, und er bewunderte ihr Organisationstalent und ihre Entschlossenheit. Doch heute war ziemlich ungünstig. „Ginge es auch morgen Abend?“

„Freitags arbeitet sie länger. Aber heute Abend macht sie früher Schluss, denn donnerstags gibt es bei uns immer Pizza.“

Und wenn schon, dann kam er eben zum Abendessen mit seiner Familie etwas später. „Wo wohnt ihr denn?“

Sie zog ein Stück Papier aus dem Rucksack und reichte es ihm. „Hier sind Adresse und Telefonnummer. Aber rufen Sie vorher nicht an. Es soll …“

„… eine Überraschung sein, ich weiß.“ Hoffentlich warf ihn die überraschte Mutter nicht hochkant wieder hinaus …

„Ich komme, aber versprich mir, in Zukunft deine Adresse keinem Fremden zu geben.“

Wieder lächelte sie breit. „Okay. Aber Sie sind ja jetzt kein Fremder mehr.“

„Du solltest jetzt besser wieder zu Lisas Mutter gehen, sonst sucht sie dich noch“, sagte er, stand auf und schob seinen Stuhl an den Tisch. Und das wollen wir ja nicht, fügte er in Gedanken hinzu.

Auch Stormy stand auf, ging auf ihn zu und umarmte ihn kurz. „Danke, Mr O’Brian.“

Sie war wirklich dankbar, und das gab ihm ein gutes Gefühl. „Gern geschehen! Und sag ruhig ‚Kieran‘ zu mir.“

„Meine Mom heißt Erica.“ Ein Schatten huschte über ihr Gesichtchen. „Sie kommen doch wirklich, oder?“

Keine zehn Pferde hätten ihn jetzt noch davon abgehalten. Wenn er diesem kleinen Mädchen und seiner Mutter eine Freude machen konnte, würde er es tun. Er merkte schon jetzt, dass es ihm guttat. „Gegen sechs bin ich da“, versprach er.

„Das passt prima.“ Auf dem Weg zurück in die Trainingshalle machte sie einen kleinen Hüpfer. „Das wird der beste Pizzaabend seit Langem!“

So einen attraktiven Pizzajungen hatte Erica Stevens noch nie gesehen. Pizzamann, korrigierte sie sich im Stillen. Ein großer, kräftiger Mann mit vollem, gewelltem Haar und dunkelbraunen Augen. Bestimmt eins neunzig, in Jeans, einem schwarzen Poloshirt und einem hellen Sakko – und ganz ohne Pizzaschachteln.

Das überraschte sie nicht. Die Pizza kam normalerweise erst ungefähr eine Stunde nach der Bestellung, nicht schon nach fünf Minuten. Und sonst wurde sie auch von schlaksigen Schülern gebracht und nicht von fleischgewordenen Actionfilm-Helden.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie vorsichtig.

„Sind Sie Erica?“

Wenn er nicht von der Pizzakette kam, woher kannte er dann ihren Namen?

„Ja. Und sind Sie der Pizzabote?“

Er lehnte sich an den weißen Pfosten des Verandavordachs und steckte die Hände in die Jeanstaschen. „Nein, ich bin Ihr Geburtstagsgeschenk.“

Jetzt fiel ihr Blick auf die Sakkotasche, wo der Schriftzug „Bodys By O’Brian“ eingestickt war. Oh nein, das konnte ja wohl nicht wahr sein! Aber ihren Kolleginnen im Spa war einfach alles zuzutrauen.

„Sagen Sie bitte nicht, dass Sie ein Stripper sind“, bat sie.

Sein breites Lächeln war entwaffnend; es ließ ebenmäßige, weiße Zähne sehen. „Ich bin Personal Trainer. Mein Name ist Kieran O’Brian und mir gehört ‚Bodys By O’Brian‘ – das ist ein Fitnesscenter, kein Stripklub. Und auch kein Pizzaservice.“

Jetzt war sie wirklich verwirrt, zumal ihr Körper auf sein Lächeln sehr ungewöhnlich reagierte. Am liebsten hätte sie sich vor ihn gestellt, ihm das Sakko ausgezogen und nachgeschaut, ob er wirklich so muskulös war, wie er wirkte. Stattdessen zupfte sie an ihrem übergroßen Sweatshirt, das ihre überflüssigen Pfunde verdecken sollte.

„Also erstens habe ich erst in zwei Wochen Geburtstag“ – ihr einunddreißigster, den sie am liebsten einfach vergessen hätte – „und zweitens will ich keinen Personal Trainer.“

Etwas unbehaglich verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. „Das hat die Schenkerin anders verstanden. Sie hatten wohl erwähnt, Sie hätten gerne einen. Und deshalb hat sie mich für Sie angeheuert.“

Verflixt, sie hätte das im Spa nicht erzählen sollen. Und schon gar nicht Bette, die sich gern in alles einmischte.

„Das ist eine wirklich nette Idee, aber ich wüsste nicht, wie ich das zeitlich schaffen sollte. Ich bin Massagetherapeutin in einem Spa, habe zu ganz unterschiedlichen Zeiten Dienst und komme darüber hinaus zu fast nichts.“

„Sie haben keine Pausen?“, fragte er erstaunt.

„Normalerweise komme ich erst nach sechs nach Hause, und ich arbeite auch samstags. Den Rest meiner Zeit verbringe ich mit meiner Tochter.“

Nachdenklich rieb er sich das Kinn. „Wann fangen Sie morgens an?“

Oje, sie wusste genau, worauf er hinauswollte. „Ich fange gegen neun an, aber morgens bin ich zu nichts zu gebrauchen, Mr O’Brian.“

„Kieran, bitte. Ein gutes Work-out am Morgen bringt Sie richtig auf Touren und gibt Ihnen die nötige Energie für den Tag.“

„Ich dachte, dafür gibt es Kaffee.“

„Keine Ahnung, ich trinke keinen. Mir ist ein natürlicher Endorphinschub lieber.“

Ganz im Gegensatz zu ihr, sie konnte ohne einen doppelten Espresso, Mokka oder Cappuccino mit Schlagsahne nicht leben. Aber an die Zeit der Endorphinschübe, als sie eine begeisterte Turnerin gewesen war, erinnerte sie sich gern. Damals hatte sie noch nicht fünfzehn Kilo zu viel auf den Rippen gehabt – und auch nicht die ganze Verantwortung allein tragen müssen.

„Ich bin wirklich kein Frühaufsteher“, wiederholte sie vorsichtshalber.

Kieran hob die Schultern. „Sie können es ja mal versuchen, vielleicht gefällt es Ihnen besser, als Sie denken. Aber wenn es morgens überhaupt nicht passt, finden wir schon einen anderen Termin, keine Sorge.“

Und dann würde er sie ordentlich in die Mangel nehmen, daran bestand kein Zweifel. Schon jetzt hatte sie das Gefühl, schweißgebadet zu sein, obwohl es draußen ziemlich kühl war.

„Das klingt ja alles sehr verlockend, aber ich muss leider ablehnen“, sagte sie. „Trotzdem werde ich mich natürlich bei Bette für die nette Idee bedanken.“

Jetzt runzelte er die Stirn. „Wer ist Bette?“

So langsam kam ihr die Sache wirklich seltsam vor. „Meine Kollegin. Aber wenn nicht Bette Sie vorbeigeschickt hat, wer dann?“

„Da sind Sie ja, Mr O’Brian!“, hörte sie hinter sich Stormys Stimme, und bevor sie etwas sagen konnte, lief ihre Tochter an ihr vorbei hinaus. Jetzt wusste sie also, wem sie diese Überraschung zu verdanken hatte, auch wenn ihr noch nicht ganz klar war, wie Stormy das eingefädelt hatte.

„Ihr beiden kennt euch offensichtlich“, bemerkte sie, als Stormy Kieran O’Brian herzlich umarmte.

Stormy grinste zufrieden. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mom!“

Wie hatte sie das nur hingekriegt? Einzelstunden bei einem Trainer waren nicht gerade billig. „Mein Geburtstag ist erst in zwei Wochen, und jetzt verrate mir bitte mal, was das soll, junge Dame.“

„Lisas Mom hat mir von Mr O’Brian erzählt, als ich mit ihr und Lisa im Fitnessstudio war. Und da habe ich ihn für dich gemietet.“ Bewundernd blickte sie zu Kieran auf. „Richtig?“

Er lächelte breit. „Richtig.“

Candice Conrad? Bis jetzt hatte die Frau kaum zwei persönliche Worte mit ihr gewechselt, wenn sie absprachen, wann ihre Töchter sich zum Spielen treffen sollten. Aber immerhin brachte sie fast jeden Nachmittag Stormy nach der Schule bei ihr im Spa vorbei. Natürlich sah sie dabei immer perfekt aus, war superschlank und modisch gestylt. Und nun wollte sie wohl der armen, übergewichtigen Erica einen Wink mit dem Zaunpfahl geben.

Besser, sie besprach das mit Kieran O’Brian allein.

„Du musst noch deine Hausaufgaben fertig machen, bevor die Pizza kommt“, sagte sie zu Stormy.

„Aber Moooom …“

„Keine Widerrede. Ich muss kurz mit Mr O’Brian reden.“

„Wegen der Trainerstunden“, vermutete Stormy siegesgewiss.

Um ihm abzusagen, dachte Erica, aber sie würde sich hüten, jetzt mit Stormy eine Diskussion darüber anzufangen.

„Deine Hausaufgaben warten“, erwiderte sie nur.

Missmutig stapfte Stormy ins Haus. Als sie außer Hörweite war, wandte sich Erica ihrem unverhofften Besucher zu.

„Stormy hat nicht genug Geld, um Ihren Stundensatz zu bezahlen“, erklärte sie.

„Sie hat mir fast ihr ganzes Taschengeld gegeben.“

Was nicht gerade viel sein konnte, selbst, wenn Stormy monatelang gespart hatte.

„Und wie viel war das? Fünfzig Dollar?“

Er zog ein Bündel Geldscheine aus der Tasche. „Achtzig, um genau zu sein.“

Erica hob die Augenbrauen. „So viel verdienen Sie wahrscheinlich in einer halben Stunde.“

„Normalerweise schon, aber ich habe ihr Rabatt gegeben. Und das hier würde ich auch gern zurückgeben.“

Er griff nach ihrer Hand und legte die Geldscheine hinein, schloss dann ihre Finger darüber. „Falls Sie mal etwas Besonderes braucht. Sagen Sie ihr aber nichts davon, bitte.“

Seine Berührung brachte Erica durcheinander. „Wieso würden Sie mir kostenlose Stunden geben?“, fragte sie verwirrt.

„Weil sie ein außergewöhnliches Mädchen ist und ihr das hier so viel bedeutet. Denken Sie bitte ernsthaft darüber nach, bevor Sie das Angebot ausschlagen.“

Da hatte er natürlich recht. Trotzdem würde sie auf keinen Fall Almosen annehmen.

„Kann ich Sie irgendwie erreichen, falls ich mich dafür entscheide?“, fragte sie.

Er zog eine Visitenkarte aus seiner Jeanstasche.

„Haben Sie einen Stift?“, fragte er. „Ich schreibe Ihnen besser meine Handynummer auf, da bin ich leichter zu erreichen.“

Ihre ausgeleierten Jogginghosen hatten keine Taschen, und normalerweise trug sie sowieso keine Kugelschreiber mit sich herum. Also konnte sie ihn entweder draußen stehen lassen oder sie war höflich und bat ihn herein.

Ach, was soll’s, dachte sie. „Kommen Sie rein, ich hole einen Stift.“

Als er an ihr vorbei durch die Tür trat, ertappte sie sich dabei, wie sie bewundernd seinen knackigen Po betrachtete. Göttlich, einfach göttlich. Sie musste sich wirklich zusammennehmen.

Sie blieb hinter ihm, damit er ihre rundlichen Hüften nicht sah, und ging zum kleinen Schreibtisch in der Ecke. Die zusätzlichen Pfunde hatte sie sich nach Jeffs Tod angefuttert, weil sie versuchte, ihre Trauer mit Süßigkeiten zu dämpfen, und weil sie sich mit der alleinigen Verantwortung für ihre Tochter manchmal überfordert fühlte. Jedenfalls hatte sie in den letzten sechs Jahren die Trauerarbeit offenbar nicht abgeschlossen.

Umso verwunderlicher war ihre heftige Reaktion auf den attraktiven Fremden, der sich in ihrem Wohnzimmer umsah, während sie die Geldscheine im Schreibtisch verstaute und gleichzeitig nach einem Stift suchte.

Natürlich war keiner da – bestimmt hatte Stormy sich den Letzten gemopst.

„Mom! Ich krieg das allein nicht hin!“

Die durchdringende Stimme ihrer Tochter ließ sie zusammenzucken.

„Ich komme gleich!“, antwortete sie und blickte etwas verlegen zu Kieran hinüber, der neben dem Sofa stehen geblieben war. „Wenn sie etwas will, kann sie sehr laut und fordernd sein.“

„Und deshalb haben Sie sie Stormy genannt?“, fragte er amüsiert.

Sie lehnte sich an den Schreibtisch und verschränkte die Arme vor dem Bauch. „Nein. Es gab eine Tornadowarnung in Oklahoma, als sie geboren wurde.“

„Mom, wenn du jetzt nicht kommst und mir hilfst, schmeiß ich mein Mathebuch aus dem Fenster! Bis zum Test muss ich das alles können!“

„Immer mit der Ruhe, Süße! Bring mir bitte mal einen Stift. Nun ja, der Name passt zu ihr“, fügte sie an Kieran gewandt hinzu.

Kurz darauf erschien Stormy. Sie schenkte Kieran ein strahlendes Lächeln und marschierte dann mit hüpfendem Pferdeschwanz zu ihrer Mutter, um ihr den Stift zu überreichen. „Bitte sehr. Hilfst du mir jetzt?“

„Ich kann es versuchen, aber du weißt ja, ich bin in Mathe auch keine Leuchte.“

„Vielleicht kann ich helfen?“, warf Kieran ein. „Ich bin ganz gut darin.“

Mit großen Augen blickte Stormy zu ihm auf. „Echt?“

„Ob du es glaubst oder nicht, ich war auf der Highschool ein Vorzugsschüler. Und auf dem College habe ich einen Abschluss in BWL gemacht. Also stell mich auf die Probe, dann wirst du sehen …“

„… dass Sie nicht nur Muskeln, sondern auch Hirn haben?“, platzte Erica unbedacht heraus.

„So in der Art“, erwiderte er lachend.

„Meine Schulsachen sind in der Küche“, erklärte Stormy und lief hinaus, ohne eine Antwort abzuwarten. Offenbar hatte sie keinerlei Bedenken, Kieran als Nachhilfelehrer einzuspannen.

Seufzend reichte Erica Kieran den Stift. „Sie müssen das wirklich nicht machen.“

„Kein Problem“, erwiderte er, notierte seine Nummer auf der Karte und reichte sie ihr.

„Haben Sie denn heute Abend nichts anderes zu tun?“, fragte sie. Vielleicht eine Verabredung mit einer zweifellos schlanken, durchtrainierten Frau?

„Ich werde in etwa einer Stunde zum Abendessen bei meiner Schwester erwartet, also habe ich noch Zeit.“

Der Mann war wirklich ein fleischgewordener Traum. „Und was ist mit Ihrer Frau?“, hakte sie nach.

„Ich bin Single“, erwiderte er bereitwillig. Offenbar machte ihm ihr kleines Verhör nichts aus.

Single. Wow. Das machte die ganze Sache etwas schwierig. Wenn er schon vergeben gewesen wäre, hätte Erica leichter damit umgehen können.

Wo denkst du denn hin? rief sie sich sofort zur Ordnung. Er kommt trotzdem nicht für dich infrage.

„Wenn Sie Stormy wirklich gern helfen wollen, werde ich Sie nicht davon abhalten. Mit ihr Hausaufgaben zu machen, ist nicht immer einfach. Das werden Sie wahrscheinlich schnell selbst merken.“

„Keine Sorge, das kriege ich schon hin, ich bin hart im Nehmen“, erwiderte er. „Außerdem ist sie schwer in Ordnung.“

Mal sehen, wie du hinterher darüber denkst, hätte Erica am liebsten gesagt, biss sich jedoch auf die Zunge und ging mit ihm in die Küche, wo Stormy an dem schmalen Esstisch saß und ungeduldig mit dem Stift auf ihr Buch klopfte.

Wieder musste Erica sich zur Ordnung rufen, als Kieran das Sakko auszog und es über die Stuhllehne hängte, bevor er sich umgekehrt auf den Stuhl setzte und die Arme auf die Lehne stützte.

Der Anblick war wirklich zum Dahinschmelzen. Das Poloshirt spannte sich über seinen beeindruckenden Bizepsen und dem breiten Kreuz. Sie hätte viel dafür gegeben, diese herrlichen Muskeln mal in die Finger zu bekommen. Rein beruflich, natürlich.

Etwas verspätet erinnerte sie sich an ihre Gastgeberinnen-Pflichten. „Kaffee trinken Sie ja nicht, aber kann ich Ihnen etwas anderes anbieten?“

„Danke, nein“, antwortete er und rückte näher an den Tisch.

„Sagen Sie Bescheid, wenn Sie was brauchen“, sagte sie und nutzte die Zeit, um erst die Arbeitsplatte und dann die ganze Küche zu putzen, wobei sie hin und wieder verstohlen zu ihm hinüberschaute.

Erstaunlicherweise hörte ihre Tochter aufmerksam zu, als Kieran ihr die Aufgaben erklärte, und löste sie dann fast ohne Hilfe.

„Sie haben Ihre wahre Bestimmung verfehlt“, bemerkte Erica, während sie sich die Hände an einem Geschirrtuch abtrocknete. „Sie hätten Lehrer werden sollen.“

„Glaube ich nicht“, widersprach er. „Beim Sport bin ich besser.“

„Und ich bin fertig“, verkündete Stormy, klappte ihr Heft zu und seufzte. „Wenn Mom mir geholfen hätte, würden wir heute Nacht noch hier sitzen.“

Erica zupfte sie für die Bemerkung am Pferdeschwanz. „Frechdachs. Geh dir schon mal die Hände waschen, die Pizza muss jeden Moment kommen. Aber zuerst musst du dich bei Mr O’Brian bedanken.“

„Danke, Kieran“, sagte Stormy, als sei es schon völlig selbstverständlich für sie, ihn beim Vornamen zu nennen.

„Gern geschehen. Viel Glück bei deinem Test!“

„Der macht mir jetzt keine Probleme mehr“, erklärte sie selbstbewusst und bedachte ihren Helden mit einem dankbaren Blick. „Ich erzähle dann, wie es gelaufen ist, wenn ich mit Mom ins Fitnesscenter komme.“

Erica verzichtete darauf, ihr zu widersprechen, und führte Kieran zurück ins Wohnzimmer. Auf dem Weg zur Haustür blieb er vor einem gerahmten Foto stehen, auf dem sie beim Turnen zu sehen war – schlank und in Bestform.

„Das war in meinem letzten Jahr auf der Highschool“, sagte sie ein wenig verlegen. „Im College habe ich dann ein Jahr lang an Wettkämpfen teilgenommen, bevor ich mit Stormy schwanger wurde.“

„Sie waren eine sehr junge Mutter.“

„Ja, gerade mal zwanzig.“

Umso schwerer hatte sie Stormys angeborener Herzfehler getroffen, der Grund, aus dem sie und Jeff schließlich nach Houston gezogen waren, wo es Spezialkliniken gab.

Aber wie sie es ihrer Tochter versprochen hatte, erzählte sie Kieran nichts davon. Ihre Tochter wollte ein ganz normales Leben führen und hasste es, wenn man ihre Krankheit erwähnte.

„Wir haben gleich nach dem Highschool-Abschluss geheiratet, falls Sie sich wie die meisten Leute fragen, ob wir heiraten ‚mussten‘.“

„Meine Schwester hat auch jung geheiratet, ohne schwanger zu sein“, erwiderte er. „Leider hat die Ehe nicht lang gehalten.“

„Meine auch nicht“, seufzte sie. „Mein Mann kam bei einem Arbeitsunfall ums Leben, als Stormy vier war.“

„Das hat sie erzählt“, gab er zurück und schaute zu dem Foto von Jeff hinüber. „Tut mir sehr leid.“

„Man kann das Schicksal nicht kontrollieren“, sagte sie leise.

„Ich weiß, aber es ist bestimmt nicht einfach, damit fertigzuwerden.“

Keineswegs, aber sie wollte lieber nicht über dieses traurige Thema reden. „Jedenfalls hatte ich vor, nach dem College Gymnastik-Trainerin zu werden. Aber dann haben mich die Umstände gezwungen, unseren Unterhalt allein zu bestreiten, und so habe ich eine Ausbildung zur Masseurin gemacht.“

„Können Sie noch immer Flickflacks?“, fragte er. Sein fröhliches Lächeln war ansteckend.

„Nur, wenn ich danach selbst eine Massage bekomme.“

„Wenn ich mit Ihnen fertig bin, können Sie wieder damit loslegen.“

„Ich wäre schon froh, wenn ich wieder Rad schlagen könnte.“

„Dann trainieren Sie also mit mir?“

Verflixt, er war gut. „Das habe ich nicht gesagt.“

„Aber Sie haben auch noch nicht abgelehnt.“

„Nein. Wie man sieht, habe ich es bis jetzt nicht geschafft, mein Übergewicht loszuwerden. Und es sind mehr als ein paar Kilo.“

„Eine gewisse Gewichtszunahme ist normal. Sie sind keine sechzehn mehr. Der Körper verändert sich eben.“

Allerdings wohl nicht in dem Maße wie ihrer. Bei ihrer Größe von knapp eins sechzig sahen die überflüssigen Pfunde einfach unmöglich aus.

„Ich fürchte, ein paar Trainingsstunden machen da auch keinen großen Unterschied mehr“, seufzte sie.

„Keine Sorge, eine Stunde am Tag, fünfmal die Woche, und sie werden zusehen können, wie die Pfunde wegschmelzen.“

„Wenn Sie das in fünf Trainingsstunden schaffen, sind Sie ein Zauberer, kein Personal Trainer.“

„Nein, einen Monat müssen Sie schon mindestens durchhalten. Aber gut bin ich trotzdem.“ Sein Lächeln war entwaffnend. „Allerdings hängt auch viel davon ab, danach dranzubleiben. Ich lege gern noch ein halbes Jahr Gratis-Mitgliedschaft im Klub drauf.“

Lieber würde sie über glühende Kohlen laufen, als sich unter all die superschlanken jungen Frauen im Klub zu wagen. „Ich bin zurzeit kein großer Fan von Fitnessklubs“, wehrte sie ab.

„Aber unsere Trainingsstunden müssten dort stattfinden. Es sei denn, Sie haben Ihre eigenen Geräte hier.“

„Habe ich nicht.“ Der Hometrainer, der in der Garage verstaubte, zählte wohl nicht. „Aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, in einer Halle zu trainieren, wo mir alle möglichen Leute zuschauen.“

„Kein Problem. Ich habe einen privaten Fitnessraum neben dem Büro, den wir gern benutzen können, bis Sie ein bisschen mehr Selbstvertrauen haben.“

„Das ist ja praktisch.“

Für ihn und die zahllosen anderen Frauen, die er zweifellos „privat“ trainierte. Erica konnte es sich nur zu gut vorstellen: ein paar Hanteleinheiten, ein paar Minuten auf der Rudermaschine, und dann jede Menge „Konditionstraining“ mit einem Mann, dessen bloßer Anblick ihr Herz schon höherschlagen ließ. Das Bild vor ihrem inneren Auge gab dem Begriff „Liegestützen“ eine ganz neue Bedeutung.

Sie versuchte, die unwillkommene Fantasie loszuwerden und schüttelte den Kopf. „So richtig überzeugt bin ich noch nicht.“

Erstaunlicherweise wirkte er enttäuscht. „Wie Sie wollen, aber die Gelegenheit ist einmalig. So ein Angebot mache ich nicht jedem.“

„Ich dachte, Sie wollten meiner Tochter damit eine Freude machen.“

„Ja, aber Sie haben Potenzial.“ Prüfend schaute er sie von oben bis unten an. „Eine ganze Menge sogar, wenn Sie die Ausdauer haben, dranzubleiben.“

Seiner verführerischen Stimme konnte man nur schwer widerstehen – aber anders, als er vielleicht dachte. Am liebsten hätte sie sich ihm an den Hals geworfen und ihn vernascht.

Deshalb ging sie schnell weiter und öffnete die Haustür. Schließlich wollte sie sich kein Fitnessprogramm aufhalsen, nur weil sie den Trainer so sexy fand.

„Ich denke drüber nach und melde mich“, erklärte sie, als er hinausging.

„Aber nicht zu lange. Die Nachfrage ist groß.“

Das glaubte sie ihm sofort.

Er ging die Verandastufen hinunter und schaute sich unten noch einmal über die Schulter um. „Ich erwarte Ihre Antwort in spätestens zwei Tagen.“

Ganz schön bestimmend, doch er lächelte dabei.

„Na schön. Ich rufe Sie übermorgen an.“

„Machen Sie das.“

Sie blieb in der Tür stehen und sah zu, wie er zu seinem Wagen ging – ein schickes schwarzes Sportcoupé, dessen Marke sie im Dunkeln nicht erkennen konnte, das aber bestimmt so viel gekostet hatte wie ihr Dreizimmerhäuschen. Eigentlich hätte sie schon längst ins Haus zurückgehen können, doch sie blieb draußen stehen, bis er eingestiegen und losgefahren war.

Sein Angebot war verlockend – genau wie er –, aber sie brauchte wirklich keinen Personal Trainer, um in Form zu kommen. Sie konnte sich auch eine DVD und ein paar Hanteln kaufen, jeden Tag einen strammen Spaziergang machen und aufhören, Süßigkeiten zu essen, wenn die Einsamkeit sie überwältigte.

Doch heute Abend würde sie sich noch ein paar Stücke saftiger Pizza gönnen, bevor sie in ihr leeres Bett ging, denn das würde zumindest ein Verlangen stillen.

2. KAPITEL

„Ich muss dich um einen Gefallen bitten, mein Lieber.“

Kieran hatte sich nach dem wunderbaren Essen gerade gemütlich auf dem Sofa niedergelassen, als seine Mutter ihn wieder hochscheuchte. Normalerweise konnte er ihr nichts abschlagen, denn die zierliche Lucy O’Brian hatte ein Herz aus Gold. Doch eins würde er ganz bestimmt nicht machen, nicht einmal für sie.

„Nein, ich werde Kevin nicht anrufen und ihn bitten, am Sonntag zum Mittagessen zu kommen“, erklärte er.

Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und setzte sich auf die Armlehne. „Ich wünschte, ihr beide würdet euch besser verstehen.“

Kieran seufzte. Das war der klassische Auftakt ihrer „Blut-ist-dicker-als-Wasser“-Rede.

„Ich habe nun mal ein Problem damit, wie er sein Leben vergeudet. Aber ich kann es nicht ändern, und du auch nicht.“

Früher hatte Kieran seinem Zwillingsbruder immer wieder aus der Patsche geholfen, doch als das auch nichts brachte, hatte er es vor ein paar Jahren aufgegeben.

„Kannst du mir bitte wenigstens zuhören, Schatz?“

Er griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher stumm. „Also schön, ich höre.“

Sie wandte sich ihm zu und faltete die Hände im Schoß. „Ich mache mir Sorgen um ihn. Ich glaube, es geht ihm nicht gut.“

Das war nichts Neues. Kevin war der kleinere, schwächere Zwilling gewesen, und seine Mutter sorgte sich auch nach über dreißig Jahren ständig um ihn.

„Wie kommst du darauf?“, fragte er.

„Er sieht immer so müde aus“, antwortete Lucy. „Und er ist ganz blass.“

„Weil es anstrengend ist, durchs Land zu jetten und Sportpromis zu interviewen.“ Und in jeder Stadt eine andere Frau zu haben, fügte Kieran in Gedanken hinzu.

Lucy legte ihm die Hand auf den Arm. „Trotzdem könntest du mal bei ihm vorbeifahren und dir selbst ein Bild machen.“

Dazu hatte er weder Zeit noch Lust. „Lass das doch Mallory machen.“

„Hat hier jemand meinen Namen erwähnt?“

Wie aufs Stichwort kam seine Schwester ins Wohnzimmer. Über ihrer Schulter hing ein Küchentuch, auf dem Reste von Karottenbrei zu sehen waren.

„Verdammt, du hast scharfe Ohren.“

„Hier wird nicht geflucht, junger Mann.“

Schon Lucys Tonfall konnte einen gestandenen Mann zum Zittern bringen, ihn selbst, seine vier Brüder und seinen Vater eingeschlossen, der in diesem Moment auf dem Sofa gegenüber schnarchte wie ein Sägewerk.

„Tut mir leid“, murmelte Kieran wie ein gescholtener Zwölfjähriger.

„Ich habe deinen Bruder Kieran gerade gebeten, nach Kevin zu sehen“, erklärte Lucy. „Und er meinte, du solltest das machen.“

Mallory ließ sich auf der anderen Sofalehne nieder. „Whit und ich haben ihn vor zwei Monaten besucht, also bist du dran.“

Das weckte seine Neugier. „Dann hat er wahrscheinlich wieder mal was angestellt?“, riet er.

„Nein, wir sollten nur seine neue Freundin kennenlernen“, erwiderte Mallory.

„Die Cheerleaderin?“, fragte Kieran verächtlich. Wegen der hatte Kevin seine vorige Verlobte abserviert.

„Nein, sie ist Assistenzärztin in einer Kinderklinik. Whit meint, das könnte was werden.“

Wenn sein Bruder nicht wie schon so oft, irgendwann genug von ihr hatte und ihr den Laufpass gab. Kieran nahm sein leeres Glas vom Tisch, stand auf und ging in die Küche, gefolgt von Mallory.

„Du solltest ihm noch eine Chance geben“, bemerkte sie. „Er hat sich wirklich verändert.“

„Weil er mal ein paar Wochen am Stück keinen Mist gebaut hat?“, fragte er.

„Jeder macht mal Fehler. Das musst du auch lernen, sonst wirst du nie eine Frau finden.“

Hatten es denn heute alle auf ihn abgesehen? „Ich hatte bis vor Kurzem eine feste Beziehung, falls du es vergessen hast.“

„Das ist schon wieder fast ein Jahr her. Und wie ging das noch mal zu Ende, lieber Bruder?“

„Es war einfach nicht …“

„Perfekt?“

Verdammt, sie ging ihm ganz schön auf die Nerven. „Wir haben einfach nicht zusammengepasst. Sie ging gern in die Oper, ich zum Basketball. Sie mochte exotisches Essen und ich Steak. Ende, aus, Amen.“

Stirnrunzelnd blickte sie ihn an. „Und außerdem sah sie aus wie ein Model. Bist du überhaupt schon mal mit einer Frau ausgegangen, die nicht aufs Titelbild der ‚Sports Illustrated‘ gepasst hätte?“

Überraschenderweise kam ihm sofort Erica Stevens in den Sinn. Aber die war eine mögliche Kundin und damit tabu, auch wenn er sie attraktiv fand. Wenn sie sein Angebot annahm, musste er sich vorsehen.

„Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, Mallory, aber komm bitte auf den Punkt, damit ich nach Hause kann.“

„Du bist zu streng und urteilst zu schnell. Dein ganzes Leben gehorcht strengen Regeln …“

„Und das findest du schlecht?“

Sie hob die Hand. „Das Leben ist nicht perfekt, Menschen sind es schon gar nicht. Du musst dich auch mal entspannen, dich für neue Möglichkeiten öffnen. Es kann auch nicht schaden, wenn du mal ein bisschen spontan bist.“

„Ha, heute war ich sehr spontan“, triumphierte er. „Ich habe einer Frau kostenloses Personal Training angeboten.“

Mallory lächelte wissend. „Dann muss sie aussehen wie eine Göttin.“

„Sie ist Witwe, alleinerziehend, und ich habe sie mir gar nicht so genau angeschaut. Ihre Tochter wollte ihr die Trainerstunden schenken.“

„Oje, sie muss über fünfzig sein, wenn Mr Macho sie nicht als Frau wahrgenommen hat.“

„Sie ist dreißig“, erwiderte er verstimmt. „Und um deine Neugier zu stillen: Sie hat lange rote Haare und blaue Augen. Sie ist nicht sehr groß, war aber früher Turnerin. Wenn sie lächelt, hat sie Grübchen, eins mehr ausgeprägt als das andere. Über ihre Figur kann ich nicht viel sagen, sie trug ziemlich weite Kleidung, aber ich denke …“ Er unterbrach sich, als Mallory laut lachte. „Was ist so witzig?“

„Du! Hast du nicht gerade gesagt, du hättest sie dir nicht so genau angeschaut? Und jetzt beschreibst du sie so genau, als hättest du ein Porträt von ihr gemalt.“

Da hatte sie leider recht, und Kieran gab das nicht gerne zu.

„Wo ist eigentlich dein Mann?“, wechselte er schnell das Thema.

„Im Kinderzimmer, er wechselt den Zwillingen die Windeln. Aber lenk nicht ab, Bruderherz. Wenn dich die Frau so interessiert und du ihr Trainerstunden gibst, dann schau doch diesmal bitte etwas tiefer unter ihre zweifellos schöne Hülle. Vielleicht ist sie die perfekte Frau für dich, auch wenn sie ein paar Macken hat. Du musst nur mal etwas offener sein.“

„Erstens fange ich mit Kundinnen nichts an, und zweitens hat sie noch gar nicht zugesagt“, erklärte Kieran.

„Wie dem auch sei. Jedenfalls muss ich jetzt die Zwillinge stillen.“

Ein Glück. „Dann bis später.“

Seine Schwester war schon fast aus der Tür, als sie sich noch einmal umdrehte. „Ach, übrigens, ich denke, deine neue Kundin … wie heißt sie überhaupt?“

„Erica.“

„Also, du wirst noch diese Woche mit Erica trainieren, glaub mir.“

„Keine Sorge, sie hat kein Interesse an mir“, versicherte er Mallory. „Wenn sie sich für das Training entscheidet, dann ganz bestimmt nicht meinetwegen.“

„Mom bist du noch wach?“

Erschrocken setzte Erica sich im Bett auf und knipste die Nachttischlampe an, als die Stimme ihrer Tochter sie weckte. Erst als ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten und sie Stormy deutlich sehen konnte, legte sich ihre Panik etwas. Stormys Gesichtsfarbe war normal, ihre Lippen rosig, sie atmete ruhig – offenbar ging es ihr gut.

„Was ist passiert?“, fragte Erica trotzdem besorgt. Sie konnte einfach nicht anders. Es hatte zu viele Nächte gegeben, in denen ihre Panik berechtigt gewesen war.

Stormy verzog das Gesicht, wie sie es in letzter Zeit öfter tat, wenn sie fand, ihre Mutter wäre überbesorgt. „Mir geht’s gut, Mom. Ich kann nur nicht schlafen.“

Erica rutschte zur Seite und klopfte auf die Matratze. „Na, dann komm rein.“

Begeistert hüpfte Stormy durchs Zimmer und aufs Bett. Die zahlreichen Operationen und der Verlust ihres Vaters hatten ihrer temperamentvollen Art nichts anhaben können.

Erica legte den Arm um sie und drückte sie an sich. „Hast du schlecht geträumt, Liebes?“

„Nein, ich musste nur an Daddy denken. Hast du den Baseballhandschuh noch, den er für mich gekauft hat, bevor ich auf die Welt gekommen bin?“

„Natürlich. Er ist in der großen Holzkiste im Flur.“ Wo sie viele der Erinnerungsstücke an diese glückliche Zeit aufbewahrte. „Wieso fragst du?“

„Weil ich ihn brauche.“

„Oh, habt ihr einen Mitbringtag in der Schule?“

„Pff, das machen wir seit der Grundschule nicht mehr. Nein, ich brauche ihn, weil ich mich im Januar mit Lisa zum Softball anmelden will.“

Sofort kamen Erica alle möglichen Bedenken. „Dafür ist der Handschuh zu klein. Und du hast noch nie Softball gespielt. Meinst du, du schaffst das?“

Stormy rückte ein Stück von ihr ab und setzte einen entschlossenen Gesichtsausdruck auf. „Ich kann schnell rennen und härter werfen als manche der Jungs. Meine Sportlehrerin sagt, ich wäre die geborene Athletin.“

Tja, das hatte sie wohl von ihren Eltern. Jeff war ein talentierter Football-Spieler gewesen, und wenn Erica den Sport nicht aufgegeben hätte, hätte eine erfolgreiche Turnerin aus ihr werden können.

Trotzdem hatte Stormy jahrelang wegen des Herzfehlers jede Anstrengung meiden müssen. Das war jetzt nicht mehr so, aber trotzdem …

„Das müssen wir erst mit Dr. Millwood besprechen. Du kannst ihn ja beim nächsten Termin im Februar fragen.“

„Die Mannschaften werden im Januar aufgestellt“, widersprach Stormy. „Außerdem hat er mir beim letzten Termin gesagt, ich kann alles machen, was ich will, solange ich alt genug dafür bin. Und für Softball bin ich das ja wohl. Außerdem kann ich dann mit Lisa üben, wenn du Training mit Kieran hast.“

Nun musste sie wohl Farbe bekennen. Hoffentlich war Stormy nicht allzu enttäuscht.

„Also gut, ich denke über den Softball nach, Liebes. Aber ich glaube, das mit dem Training bekomme ich im Moment nicht hin.“

„Du willst es nicht machen?“ Es klang eher entrüstet als enttäuscht.

„Vielleicht später.“ Oder nie. „Aber dein Geschenk bedeutet mir sehr viel.“

Stormy setzte sich auf, zog die Beine an und legte das Kinn auf die Knie. „Daddy hätte auch gewollt, dass du im Training bleibst. Und dass ich Softball spiele.“

Ihre Tochter war wirklich geschickt im Manipulieren – und diesmal hatte sie sogar recht. Jeff hätte es stolz gemacht, wenn seine Tochter im Sport gut war und seine Frau schlank und fit blieb.

„Ich weiß, aber mir wäre es lieber, wenn du es mit dem Sport langsam angehen lässt.“

Stormy stieg aus dem Bett und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nur weil du so ängstlich bist, darf ich nichts machen.“

„Ich bin nicht ängstlich. Ich mache mir nur Gedanken um deine Gesundheit.“

„Ach Quatsch, du hast einfach zu viel Angst.“ Stormy stampfte mit dem Fuß auf, was sie nur tat, wenn sie wirklich wütend war. „Lisa meint, du wärst paranoid, und da hat sie wohl recht. Du hast Angst, dass mir beim Softball was passiert, und du willst das Training nicht machen, weil du Angst vor Männern hast. Du traust dich einfach gar nichts, Mom. Ich will nicht mit dir hier festsitzen, bis ich zu alt bin, um Spaß zu haben!“

Damit drehte sie sich um und stürmte hinaus.

Den Tränen nah ließ Erica sich ins Kissen zurücksinken und atmete langsam aus. Das Schlimmste war – Stormy hatte zum Teil recht. Ihre Tochter konnte ja nicht wissen, wie viele Nächte sie an ihrem Bett gesessen und sie nicht aus den Augen gelassen hatte, weil jeder Atemzug ihr letzter hätte sein können. Welche Panik sie gespürt hatte, als sie am Telefon von Jeffs Unfall erfuhr.

Natürlich war sie überängstlich, aber der Gedanke, ihrer kleinen Tochter – dem wichtigsten Menschen in ihrem Leben – könnte etwas zustoßen, war einfach unerträglich.

Nur in einem Punkt irrte Stormy sich: Vor Kieran hatte Erica keine Angst. Nur vor ihren eigenen Gefühlen. In den paar Minuten, die sie miteinander verbracht hatten, hatte sie sich so zu ihm hingezogen gefühlt, dass es ihr vorkam, als wäre sie Jeff untreu gewesen.

Deshalb war es besser, das Training nicht zu machen. Bestimmt würde Kieran sie nicht weiter drängen, wenn sie einmal abgesagt hatte. Hoffentlich. Es war schon schwer genug, ihre Tochter zu enttäuschen. Gegen beide kam sie nicht an.

„Stormy ist da, und hier ist noch jemand, der dich sehen will.“

Erica war dabei, die Regale im Therapieraum mit frischen Handtüchern aufzufüllen und schaute auf die Uhr, bevor sie den Knopf an der Gegensprechanlage drückte. „Mein nächster Termin ist erst in einer halben Stunde, Megan.“

„Er hat auch keinen Termin. Er hat sich als der tanzende Pizzabote vorgestellt. Soll ich die Polizei rufen?“

Beim Gedanken, Kieran O’Brian wiederzusehen, schlug Ericas Herz ein wenig schneller. Offenbar gehörte er zur ungeduldigen Sorte, denn sein Besuch bei ihr zu Hause war noch nicht ganz vierundzwanzig Stunden her.

Nun denn, da musste sie ihm die Absage wohl persönlich erteilen.

„Nicht nötig“, erklärte sie Megan. „Ich komme runter und spreche mit ihm.“

Sie nahm die Treppen in Rekordzeit und verlangsamte ihre Schritte erst, als sie im Erdgeschoss angekommen war. Schließlich sollte er nicht denken, sie wäre wegen des Wiedersehens aufgeregt. Doch als sie vor der Tür des Kosmetik- und Frisiersalons stehen blieb und ihn sah, blieb ihr trotzdem fast die Luft weg. Und da war sie wohl nicht die Einzige.

Die Behandlungsstühle waren rechts und links eines langen Ganges aufgereiht, und Kundinnen wie Kosmetikerinnen verdrehten sich die Hälse nach ihm. Sogar Mrs Weldon, eine über siebzigjährige Größe der Houstoner High Society. Die angeregten Gespräche verstummten, und Erica war darauf gefasst, als Nächstes anerkennende Pfiffe zu hören.

Kein Wunder. Welche Frau ließ so ein Anblick schon kalt? Kieran trug ein T-Shirt, unter dem sich seine wunderbaren Muskeln abzeichneten, und schwarze Jogginghosen, die seine perfekt trainierten Beine erahnen ließen. Das dunkle, fast schulterlange Haar und der Dreitagebart trugen zu dem atemberaubenden Bild noch bei. Fehlte nur ein Schwert, und jede Frau hätte sich von diesem Piraten willig auf sein Schiff entführen lassen.

Als er sie an der Tür stehen sah, kam er den Gang entlang auf sie zu – lässig, selbstbewusst, männlich. Dabei brach er den Blickkontakt nicht ab, und Erica raffte hastig ihren weißen Arbeitskittel über der Brust zusammen, damit er ihre unförmige Figur nicht sah.

Schließlich stand er vor ihr, und sie lächelte schwach. „Was für eine nette Überraschung, Mr Pizza-Man. Sind Sie wegen eines Haarschnitts hier oder wollten Sie sich das Spa einfach mal ansehen?“

„Ich komme Ihretwegen.“ Mit einer Kopfbewegung zu den ihn immer noch anstarrenden Frauen hinter ihm fügte er hinzu: „Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?“

Das klang ernst, was Ericas Neugier weckte. Mit etwas Glück wollte er sein Angebot zurücknehmen, was es ihr ersparte, es abzulehnen. Erstaunlicherweise verspürte sie bei dem Gedanken etwas Bedauern.

„Wir können nach oben gehen. Da steht die Liege.“ Genau, und sie war die Königin der freudschen Fehlleistungen. „Ich meine, ich muss den Massageraum für den nächsten Termin vorbereiten“, verbesserte sie sich hastig.

Sein Lächeln war umwerfend. „Ich weiß, was Sie meinten.“

„Hier entlang, bitte.“

Eigentlich hätte sie ihn lieber vorausgehen lassen, aber da er sich hier nicht auskannte, musste sie ihm wohl den Weg zeigen. Hoffentlich törnte ihn der Anblick ihres Hinterteils nicht völlig ab.

Als sie oben angekommen waren, führte sie ihn den Flur entlang und zählte die vielen verschiedenen Therapien auf, die hinter den verschlossenen Türen stattfanden – vom Ganzkörperpeeling bis zur Moorpackung.

„Und das hier ist mein Reich“, sagte sie, als sie am Ende des Flurs eine Tür öffnete und ihn hereinbat.

Sie blieb neben der Massageliege stehen, während Kieran sich umschaute und sich schließlich an den Schreibtisch lehnte.

„Sehr stimmungsvoll hier.“

„Wie bitte?“

„Na ja – leise Musik, Kerzenlicht, Massageöl. Jede Menge nackte Haut.“

„Fünfzigjährige Manager mit Haaren auf dem Rücken.“

Sein schiefes Lächeln war umwerfend. „Jetzt haben Sie die Stimmung verdorben.“

Erica umrundete die Liege, damit sie zwischen ihnen stand. „Wir sind kein Erotik-Spa. Massage ist eine Therapieform. Allerdings mache ich auch schwedische Massagen, wenn jemand mehr Entspannung als Reha möchte.“

„Sie meinen, wenn er ein Weichei ist.“

Sie nahm ein frisches Leintuch aus dem Schrank und wandte sich dann wieder zu ihm um. „Manche Leute mögen es nicht, wenn man an ihren Druckpunkten arbeitet.“

Plötzlich stand er vor der Liege. „Ich habe nichts dagegen, wenn meine Druckpunkte hin und wieder bearbeitet werden.“

Wenn er ein typischer Mann war, dachte er dabei an einen ganz bestimmten – und die Idee fand sie gar nicht so schlecht.

„Ich gebe Ihnen gern eine therapeutische Massage“, bot sie an. „Machen Sie einfach beim Rausgehen einen Termin aus.“

„Hätten Sie nicht heute noch Zeit?“

„Gleich kommt mein nächster Termin.“

„Wie lange ist gleich?“

Sie schaute zur Uhr. „Fünfzehn Minuten.“

„Und was können Sie in fünfzehn Minuten für mich tun?“

War das sein Ernst? „Da würde ich gerade mal Ihren Nacken schaffen.“

„Dann lieber ein andermal.“ Er stützte sich mit beiden Händen auf die noch unbezogene Liege. „Ich möchte unbedingt auch eine Rückenmassage.“

„Haben Sie denn einen behaarten Rücken?“, fragte sie lächelnd.

„Nein. Wollen Sie nachsehen?“

Oh ja, nur zu gern. „Ich glaube Ihnen. Und jetzt verraten Sie mir doch bitte, weshalb Sie wirklich hier sind.“

Außer, um ihr Hitzewallungen zu verursachen, weil er sich mit beiden Armen auf der Liege abstützte und ihr dabei immer näher kam.

„Ich wollte Ihnen noch einmal die Vorzüge von körperlicher Fitness nahebringen.“

„Die kenne ich, aber ich habe wirklich keine Zeit.“

„Haben Sie auch daran gedacht, wie viel es Ihrer Tochter bedeutet?“

„Ja, das hat sie letzte Nacht überdeutlich gemacht.“

„Und sie hat mich auch bekniet, es noch einmal zu versuchen.“

Liebe Güte, hatte sie sich dafür von jemandem das Handy geliehen? Oder etwa vom Schulsekretariat aus telefoniert?

„Tut mir leid, dass Sie angerufen hat.“

„Sie hat nicht angerufen. Sie war mit den Conrads im Klub und hat mich gebeten, sie herzufahren.“

„Wie bitte?“

Er richtete sich auf und hob beschwichtigend die Hände. „Bevor Sie sie dafür ausschimpfen, hören Sie mich bitte an.“

„Na schön.“

„Stormy macht sich Sorgen – um Ihre Gesundheit, aber auch Ihren Gemütszustand. Sie können ihr keine Vorwürfe machen, weil sie das Beste für Sie will.“

„Das verstehe ich ja, aber ich weiß einfach nicht, wie ich das auch noch schaffen soll.“

„Mit meiner Hilfe kriegen Sie das hin. Und in einem Monat werden Sie sich fragen, warum Sie so lange gezögert haben.“

Da hatte er wahrscheinlich recht. Das wollte sie ihm gerade sagen, als ein lautes Klingeln das Gespräch unterbrach.

Kieran zog sein Handy hervor und klappte es auf. „Ja?“

Um ihm Raum zu geben, drehte Erica sich um und sortierte die Handtücher auf dem Regal, doch sie hörte trotzdem die Bitterkeit in seiner Stimme, als er sagte: „Dafür habe ich jetzt keine Zeit.“

Als sie sich ihm wieder zuwandte, wirkte er angespannt.

„Wenn Sie sich ums Geschäft kümmern müssen, können wir auch später weiterreden“, bot sie an. Seine Probleme waren auf jeden Fall wichtiger als ihre.

„Das war nicht geschäftlich, sondern mein Bruder“, erklärte er und steckte das Handy weg. „Wenn er etwas will, hat das in seinen Augen immer Vorrang, egal, wie es in meinem Terminplan aussieht. Und er will ständig was.“

„Das klingt nach einem angespannten Verhältnis.“

„Wir sind Zwillinge. Und ich habe es einfach satt, für seine Fehler geradezustehen. Meine Mutter hat ihm immer alles durchgehen lassen, weil er bei der Geburt fast gestorben ist. Und was er auch macht, in ihren Augen ist er perfekt.“ Es klang bitter. „Tut mir leid, ich wollte mich nicht darüber auslassen.“

„Schon gut, ich kann Sie gut verstehen.“ Allerdings auch seine Mutter. Schließlich hatte sie selbst ihr Kind auch fast verloren. „Und jetzt muss ich mich ein bisschen beeilen“, fügte sie hinzu. „Sonst bin ich hier nicht rechtzeitig fertig.“

Eindringlich sah er sie an. „Aber Sie haben mir noch keine Antwort gegeben.“

Weil sie immer noch nicht wusste, was sie machen sollte – auch wenn sie langsam tatsächlich Lust auf das Training bekam.

„Ich weiß immer noch nicht, wie ich das zeitlich hinbekommen soll.“

„Da lasse ich mir was einfallen. Ich könnte morgens bei Ihnen vorbeikommen und Sie zum Joggen abholen, dann hätten wir das Cardiotraining schon erledigt. Und abends kommen Sie dann zum Krafttraining in den Klub.“

Wirklich sehr zuvorkommend. Wie sollte sie da noch Nein sagen? So langsam gingen ihr die Gründe aus.

„Das könnte funktionieren“, erwiderte sie vorsichtig. „Ich denke drüber nach und rufe Sie morgen an.“

Er umrundete die Liege und stellte sich vor sie. „Überlegen Sie nicht länger, Erica. Sagen Sie einfach zu. Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben.“

Du traust dich einfach gar nichts, Mom. Sie versuchte, Stormys Stimme auszublenden, doch es gelang ihr nicht. Unwillkürlich drückte sie das Leintuch fester an sich, während Kieran sie unverwandt ansah.

„Na schön, ich mache es“, sagte sie schließlich.

Kieran wirkte kein bisschen überrascht. „Sehr schön. Dann komme ich morgen um sieben vorbei. Können Sie mir bis dahin eine Gesundheitsbescheinigung von Ihrem Arzt faxen? Die Faxnummer steht auf meiner Karte. Die haben Sie doch noch?“

„Ja, habe ich. Aber mit mir ist morgens wirklich nichts anzufangen.“

„Das sagten Sie bereits. Aber probieren Sie es trotzdem erstmal aus, vielleicht gefällt es Ihnen ja. Außerdem ist morgen Samstag.“

Offenbar war er genauso stur wie Stormy.

„Ich muss trotzdem um zehn bei der Arbeit sein und mir vorher noch die Haare waschen und trocknen. Das dauert eine Weile. Können wir vielleicht erst Montag anfangen? Dann kann ich mich an den neuen Zeitplan gewöhnen.“

„Je länger Sie es aufschieben, desto mehr Gründe fallen Ihnen ein, gar nicht erst anzufangen. Aber dann komme ich einfach schon um sechs, dann haben wir noch Zeit für die Vorbereitung zum Joggen und Sie, um sich danach für die Arbeit fertig zu machen.“

Na toll. Joggen bei Sonnenaufgang war nicht gerade ihre Vorstellung von einem angenehmen Morgen.

„Was für Vorbereitungen?“, fragte sie. „Meinen Sie Stretching und Aufwärmtraining?“

„Auch, aber wir müssen noch ein Formular ausfüllen, und außerdem werde ich Ihre Maße nehmen und Ihr Körperfett ausrechnen. Das Wiegen machen wir dann später im Studio.“

Geschockt starrte Erica ihn an. „Aber mein Tagebuch möchten Sie nicht zufällig auch noch lesen?“

„Ach, Sie schreiben Tagebuch?“, fragte er unschuldig.

„Das geht Sie überhaupt nichts an. Genau wie meine Maße.“ Sie spürte, wie flammende Röte sich über ihr Gesicht ausbreitete.

„Schauen Sie, wir müssen doch wissen, wo Sie stehen, damit wir den Erfolg messen können“, erklärte er. „Und glauben Sie mir, ich kenne eine Menge Frauen, die gerne Ihren Körper hätten.“

„Woher wollen Sie das wissen? Sie haben ihn bis jetzt noch gar nicht richtig gesehen.“

„Glauben Sie mir, so was erkenne ich.“ Er ließ den Blick einen Moment lang auf ihren Brüsten ruhen. „Manches lässt sich auch unter weiter Kleidung nicht verstecken. Sie müssen lernen, Ihren Körperbau zu akzeptieren. Niemand ist perfekt. Aber mit ein wenig Training wird Ihre Figur noch straffer.“

Das würde er anders sehen, wenn er erst ihre Maße genommen hatte. „Na schön, dann vermessen Sie mich eben. Aber wehe, Sie starren mich an.“

Er hob eine Hand. „Ich schwöre, mich völlig professionell zu verhalten. Sie lachen Ihre Klienten ja auch nicht aus, wenn Sie sie massieren, oder?“

„Nein. Aber jetzt muss ich hier wirklich weitermachen. Und weil Sie mich aufgehalten haben, können Sie mir helfen, die Liege herzurichten.“

„Kein Problem.“ Er stellte sich wieder auf die andere Seite und schenkte ihr ein unverschämt verführerisches Lächeln. „Mit Bettlaken bin ich richtig gut.“

Wahrscheinlich auch darauf und darunter. Kaum hatte sie das gedacht, verspürte sie ein heißes Verlangen – und fühlte sich wie immer sofort schuldig. Deshalb war sie seit Jeffs Tod mit keinem Mann ausgegangen. Aber vielleicht war Kieran O’Brian ja der Auslöser dafür, sich noch mit anderen Dingen zu beschäftigten als der Arbeit und ihrer Tochter.

Ich tue das nicht nur für Stormy, sondern für mich, sagte sie. So schwer kann doch so ein Training nicht sein.

3. KAPITEL

Aufstehen zu müssen, bevor es hell wurde, war schon schlimm genug, aber Erica hatte auch noch vergessen, Kaffee zu kaufen. Missmutig zog sie sich an, putzte sich die Zähne und band die Haare zum Pferdeschwanz. Sie war kaum fertig, als es auch schon klingelte.

Leise fluchend ging sie zur Tür. Er kam zu früh. Doch bevor sie öffnete, setzte sie trotzdem ein bemühtes Lächeln auf – das verflog, als er vor ihr stand.

Mit seinen langen dunklen Haaren und dem muskulösen Körper wirkte er wie ein griechischer Gott, und sie musste sich schon sehr zusammennehmen, um ihn nicht zumindest mit Blicken zu vernaschen. Selbst in einem einfachen dunkelblauen Kapuzenshirt sah er umwerfend aus – während sie bestimmt ein bedauernswertes Bild bot.

„Guten Morgen“, grüßte er fröhlich – viel zu fröhlich für diese unchristliche Uhrzeit.

„Sie sind zehn Minuten zu früh“, bemerkte sie missmutig.

Nach einem Blick auf seine Armbanduhr lächelte er breit. „Stimmt. Soll ich bis sechs im Wagen warten?“

Am liebsten hätte sie Ja gesagt, aber das wäre wohl doch zu unverfroren gewesen. Schließlich war er ihretwegen so früh hier.

„Nicht nötig. Kommen Sie rein.“

Als er an ihr vorbeiging, nahm sie einen Schwall kalter Luft und einen frischen Männerduft wahr. Gleichzeitig bemerkte sie seine Bermudashorts. Zum ersten Mal sah sie seine Beine, und sie waren ebenso perfekt geformt wie seine Arme.

„Sind Sie verrückt?“, fragte sie, als sie im Wohnzimmer standen.

„Wie bitte?“

„Sie haben kurze Hosen an.“

Kieran schaute an sich hinunter, als wäre das neu für ihn. „Ich laufe lieber in Shorts. Ist das ein Problem?“

Nur für ihre Libido. „Ist es nicht ein bisschen kalt dafür?“

„Im Moment haben wir draußen zehn Grad, und heute soll es sonnig und bis zu zwanzig Grad warm werden.“

Sie schüttelte den Kopf. „Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen – an einem Tag ist es hier eisig und am nächsten heiß. Ich vermisse die Schneestürme von Oklahoma.“

„Sie sind wirklich ein Morgenmuffel, was?“

Etwas beschämt nickte sie. „Ja, leider. Aber ab mittags bin ich dann ganz nett.“

„Da ich heute Mittag nicht hier sein werde, muss ich das wohl glauben.“ Er reichte ihr ein Klemmbrett. „Ich habe das Gesundheitszeugnis von Ihrem Arzt bekommen, aber Sie müssen trotzdem noch diese Fragen beantworten. Aus Versicherungsgründen.“

Erica überflog die lange Liste. „Wenn ich die alle beantworten soll, kommen wir heute nicht mehr zum Joggen.“

„Beeilen Sie sich halt ein bisschen.“

„Mach ich, aber wie gesagt, ich kann noch nicht klar denken.“

Sie setzte sich mit dem Klemmbrett aufs Sofa, Kieran in den abgewetzten Ledersessel. Schließlich hatte sie sich durch alle Fragen gearbeitet, unterschrieb auf der vorgesehenen Linie und reichte ihm den Bogen zurück.

„Jetzt kennen Sie meine ganze Lebensgeschichte. Und nun?“

Er legte das Klemmbrett auf den Tisch und stand auf. „Wir fangen langsam an und joggen nur die kurze Strecke bis zum Park und zurück.“

Schon der Gedanke ließ ihre Muskeln protestieren. „Der Park ist fast fünf Blocks entfernt! Wie soll ich das schaffen?“

„Setzen Sie einfach einen Fuß vor den anderen“, erwiderte er mit entwaffnendem Lächeln.

„Sehr witzig“, murmelte sie. Warum fiel ihr nie etwas Schlagfertiges ein? Oder warum küsste sie ihn nicht einfach, bis ihm das Lachen verging?

„Unter ‚langsam anfangen‘ verstehe ich aber was anderes.“

„Wenn es Ihnen zu viel ist, können wir die Strecke auch gehen.“

Die Herausforderung nahm sie an. Sie sprang auf und bedachte ihn mit einem kühlen Blick. „Ich bin früher jeden Tag mindestens fünf Kilometer gejoggt, als ich noch trainiert habe.“

Er deutete zur Tür. „Dann los, damit Sie nachher noch Zeit haben, sich die Haare zu waschen.“

Unerbittlich, dieser Kerl. Und so verdammt sexy. Trotzdem würde sie sich nicht rumkommandieren lassen.

„Ich muss erst noch nach Stormy sehen.“

Auf Zehenspitzen schlich sie zu Stormys Zimmer und öffnete leise die Tür einen Spalt. Ihre Tochter lag auf dem Rücken, die Arme ausgestreckt, ein Bein schaute unter der Decke hervor. Früher hatte Erica auch so entspannt im Bett gelegen. Seit Jeffs Tod schlief sie auf der Seite, die Arme eng um den Körper geschlungen, als könne ihr das Schutz und Geborgenheit geben.

Leise ging Erica ins Wohnzimmer zurück, wo Kieran wartete und dabei völlig frisch, ausgeschlafen und verführerisch aussah. Offenbar war er ein Frühaufsteher. Unwillkürlich kamen ihr ein paar sportliche Dinge in den Sinn, die man morgens machen konnte, ohne das Bett zu verlassen.

Jetzt reiß dich aber zusammen.

Sie ging zum Schreibtisch, nahm ihr Handy von der Aufladestation und griff nach dem Hausschlüssel.

„Erwarten Sie einen Anruf?“, fragte Kieran, als sie an ihm vorbei zur Tür ging.

„Ich nehme das Handy immer mit, falls Stormy mich braucht.“

„Sie wird nicht mal merken, dass Sie weg sind.“

„Wahrscheinlich nicht, aber ich habe ein besseres Gefühl, wenn ich erreichbar bin. Es ist schon schlimm genug, sie allein zu Hause zu lassen.“

Überrascht hob er die Augenbrauen. „Tun Sie das denn nie?“

„Nein, ganz selten. Höchstens mal für eine halbe Stunde am Wochenende, wenn ich einkaufen bin oder so.“

„Und wenn Sie arbeiten?“

„Dann ist sie entweder bei mir im Spa, bei einer Freundin oder bei unserer Nachbarin.“

Sie meinte zu hören, was er dachte – die Frau ist überängstlich –, zumal sie an der Tür noch einmal anhielt, um die Alarmanlage einzuschalten.

„Damit sind Sie auf jeden Fall auf der sicheren Seite“, bemerkte er, bevor er hinzufügte: „Obwohl das hier eine sehr sichere Gegend ist.“

„So etwas wie eine sichere Gegend gibt es heutzutage nicht mehr“, konterte sie und zog die Tür hinter sich zu. „Ehe man sich’s versieht, steht ein Fremder vor der Tür und will einen foltern.“

Sein Lächeln war die Qualen wert, die sie zweifellos erwarteten.

„An die wichtigsten Aufwärmübungen erinnern Sie sich noch, oder?“

Sie gab sich Mühe, nicht allzu beleidigt zu wirken. „Natürlich.“ Aber ihre Muskeln und Seh...

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