Cora Collection Band 53

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WOCHEN DER VERSUCHUNG von JENNIFER LABRECQUE
Vorsicht, Kamera: Liebe, Sex und Eifersucht! Die neue Realityshow mit dem attraktiven Junggesellen Rourke O'Malley verspricht ein Hit zu werden: Zwei Wochen wohnt er mit zwölf hinreißenden Frauen in einer Luxusvilla zusammen. Diejenige, die ihn erobert, gewinnt. Doch dummerweise schlägt sein Herz für Regieassistentin Portia ...

PARTY MIT ÜBERRASCHUNGEN von LINDA CONRAD
Offensichtlich hat ihre Familie Angst, dass Abby als alte Jungfer endet. Warum sonst hat ihr Bruder fast nur Junggesellen zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen? Abbie ist empört! Ihre Wut verfliegt erst, als sie unter den Gästen Cray Wolf Parker entdeckt. Schon in der High School hatte sie eine Schwäche für den attraktiven Mann ...

DIE LUST, DICH ZU LIEBEN von ANN MAJOR
Er ist der begehrteste Junggeselle in Texas: North Black! Die Frauen liegen ihm zu Füßen – doch er hat nur Augen für Melody Woods. Obwohl die wunderschöne Lady seine verführerischen Küsse erwidert, kommt es nie zum Letzten. Worauf wartet Melody?


  • Erscheinungstag 10.06.2022
  • Bandnummer 53
  • ISBN / Artikelnummer 9783751508759
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

JENNIFER LABRECQUE, LINDA CONRAD, ANN MAJOR

CORA COLLECTION BAND 53

1. KAPITEL

„Rourke O’Malley zu erleben ist Erotik pur“, las Portia Tomlinson laut vor. Sie verdrehte die Augen und überflog weiter die Fan-Mails auf der Webseite von The Last Virgin, der TV-Reality-Show, bei der sie auch schon als Produktionsassistentin gearbeitet hatte. „Unglaublich! Bei manchen Frauen ist wirklich eine Schraube locker.“

Rourke war der erfolgreichste Kandidat, dennoch hatte die Single-Frau in der Show ihn nicht gewählt. Die Zuschauerinnen daheim dagegen himmelten ihn an. Nicht zu fassen! Portia drehte sich mit ihrem Schreibtischstuhl herum.

„Findest du ihn etwa nicht erotisch?“, fragte Sadie Franken, eine der Büroassistentinnen.

Rourke O’Malley hatte mehr als einmal in Portias Träumen eine Rolle gespielt, aber das brauchte ja niemand zu wissen. Und es gefiel ihr keineswegs. Sie zuckte mit den Schultern. „Er ist ganz okay. Gutes Aussehen, toller Körper, aber das ist in Hollywood nichts Ungewöhnliches. Allerdings sind das …“, sie zeigte auf den Bildschirm, „… gute Aussichten für unsere neue Show.“

Sie hatten Rourke unter Vertrag genommen, er sollte für Date with the Rich and the Beautiful unter zwölf wohlhabenden Junggesellinnen seine Traumfrau wählen. Portia hatte irgendwo gelesen, dass es bei reichen gelangweilten Mitzwanzigern momentan angesagt war, die Nerven ihrer Eltern durch möglichst schrilles Benehmen zu strapazieren. Die zwölf jungen Frauen waren der beste Beweis dafür. Und Portia hatte man mit der Aufgabe betraut, den Star Rourke O’Malley während der Produktion zu betreuen. Sie musterte ihre zierliche rothaarige Kollegin. „Du gehörst also auch zu seinen Anbeterinnen.“

Sadie hob die Hand. „Ich bekenne mich schuldig. Er hat mir in letzter Zeit einige wunderbare Höhepunkte verschafft. Ich brauche nur die Augen zu schließen, und schon haben Rourke O’Malley und ich eine Menge Spaß.“

Die freche, unverklemmte Sadie brachte Portia immer wieder zum Lachen. „So genau wollte ich es gar nicht wissen.“

„Willst du ernsthaft behaupten, du hättest nachts keine erotischen Fantasien, wenn du Tag für Tag mit ihm zusammen bist? Hast du dir nie vorgestellt, diese sagenhaften Lippen zu küssen? Diesen Wahnsinnskörper nackt und Schweiß bedeckt über dir zu haben? Ihn zu berühren, von ihm gestreichelt zu werden?“

Das reichte. „Nein, nein, und nochmals nein!“, protestierte Portia. Jetzt aber, angeregt von Sadies Schilderung, lief eine heiße Welle durch ihren Körper. Tapfer versuchte Portia, die erotischen Bilder aus ihrem Kopf zu vertreiben.

„Du solltest aber …“

„Ganz bestimmt nicht“, unterbrach Portia sie entschieden.

„Ein paar schöne Fantasien haben noch niemandem geschadet.“

„Ich habe keine Zeit zum Fantasieren.“ Und wenn sie sich die Zeit nahm, brach sofort die raue Wirklichkeit über sie herein. Es war zu ernüchternd, also ließ Portia es lieber gleich sein.

Vor neun Jahren hatte sie erfahren, wohin Fantasien führen konnten – sie war plötzlich schwanger, Single und am Boden. Danach hatte sie in Lokalen bedient, Dannys Windeln gewechselt, die Abendschule besucht und sich mühsam hochgearbeitet.

Sadie schüttelte den Kopf. „Eine Frau ohne Fantasien – da fehlt doch etwas.“

Portia lachte. „Tut mir leid.“

„Wann hattest du dein letztes Date?“

„Das ist gar nicht lange her“, log Portia.

„Los, nenn mir Datum, Ort und den Namen des Kerls.“

Sadie war nett und lustig, aber jetzt ging sie zu weit. Portia hatte seit fast zehn Jahren kein einziges Date gehabt. Sie hatte weder Zeit noch Lust dazu. Männer dachten, allein erziehende Frauen wären leicht zu haben und brauchten dringend Sex. Was sie jedoch brauchte, waren mehr Freizeit und eine gute Pediküre.

Portia lächelte nur. Die gute Sadie wäre wie vom Donner gerührt, wenn sie wüsste, dass sie, nach Mark – Dannys Vater – keinen Sex gehabt hatte. Der hübsche, Süßholz raspelnde Mark hatte ihr ewige Liebe geschworen und sie verlassen, bevor sie ihm hatte von ihrer Schwangerschaft erzählen können. Danach hatte sie nur gehört, dass er in Los Angeles lebte und Drogen nahm.

„Du willst es also für dich behalten?“, fragte Sadie.

„Genau.“ Portia lächelte sie freundlich an.

„Na schön, dann fantasiere ich einfach für uns beide.“ Sadie deutete auf den Bildschirm mit der Fanpost. „Ich und die anderen Frauen mit der lockeren Schraube. Eigentlich jammerschade“, setzte sie hinzu. „Du bist während der Dreharbeiten zwei Wochen mit ihm zusammen. Zwei Wochen in romantischer Umgebung mit diesen blauen Augen, diesem schwarzen Haar, dem Superkörper … Mir wird ganz anders, wenn ich daran denke.“

„Ja, ja.“ Portia seufzte theatralisch, klimperte mit den Wimpern und hauchte: „Nur er und ich, Mondschein und ein Whirlpool.“ In nüchternem Tonfall fuhr sie fort: „Und ein Dutzend reiche Mädchen und das Produktionsteam. Äußerst romantisch.“

„Mach dich ruhig lustig. Ich wäre schon selig, wenn ich nur dieselbe Luft wie er atmen dürfte.“

„Du solltest lieber tief durchatmen, anstatt O’Malley anzuschmachten. Offenbar kriegt dein Gehirn nicht genug Sauerstoff.“ Portia blickte aus dem Fenster. „Haben wir heute etwa Smog-Alarm?“ Es war eine rein rhetorische Frage, denn der Wind von Santa Ana hatte den Smog, der einem sonst in der Stadt fast den Atem nahm, vertrieben.

„Sehr witzig.“

„Ich meine ja nur, selbst wenn ich an dem schnuckeligen O’Malley interessiert wäre – was nicht der Fall ist –, kann er sich unter den Schönen und Reichen des Landes umsehen. Ich bin nur eine Arbeitsbiene, die eine gute Show auf die Beine stellen soll.“

„Arbeitsbiene? Wie sich das anhört.“

„Es ist aber so.“ Portia würde sich durch nichts entmutigen lassen. Die zwei Wochen am Set waren ihre Bewährungsprobe. Wenn sie die Sache gut machte, würde sie eine Stelle im Studio bekommen. Dann wäre sie nicht mehr von Danny getrennt, den sie während ihrer Abwesenheit immer bei ihren Eltern und ihrer Schwester unterbrachte. Sie verstand sich sehr gut mit ihrer Familie, aber der Junge hatte schließlich nur einen Elternteil. Er brauchte sie. Klar, sie würde Überstunden machen müssen, aber an den Abenden wäre sie zu Hause, und morgens würde sie mit ihm frühstücken können. Von diesem Projekt hing also eine Menge ab.

„Ich möchte ein Kind von dir!“

Rourke flitzte in den Lift und beobachtete mit Entsetzen, wie die Frau, die ihn verfolgte, einen lilafarbenen Tanga-Slip schwenkte und sich fast die Finger in der Lifttür einklemmte. „Ich liebe dich!“, schrie sie, ließ den Slip fallen und zog im letzten Moment die Hand zurück. „Ruf mich an!“

Erleichtert lehnte er sich an die Wand der Fahrstuhlkabine. Zum Glück war die Frau nun nicht seinetwegen verstümmelt. „Das ist ja wie im Irrenhaus.“

„Ach was, Mann. Die Frauen sind eben verrückt nach dir“, bemerkte sein jüngerer Bruder Nick.

„Ich bin der Verrückte, weil ich mich auf diese Show eingelassen habe.“ Rourke deutete auf den Slip am Boden. Daran steckte ein Zettel mit einer Telefonnummer. Absolut hirnrissig.

„Du bist ein netter Bruder. Ich bin dir sehr dankbar, dass du das alles für mich tust.“

Doch Rourke fragte sich, ob Nick wirklich wusste, wie knapp er einer Gefängnisstrafe entgangen war. Wenn man es täglich mit großen Geldsummen zu tun hatte, war Unterschlagung eine ständige Versuchung, und Nick war ihr erlegen. Sein Arbeitgeber war bereit, auf eine Anzeige zu verzichten, falls er das Geld zurückbekäme. „Obwohl ich es nicht besonders schlimm finden würde, mir aus zwölf schönen schwerreichen Frauen eine auszusuchen.“

Nick hatte ja keine Ahnung. „So reiche Leute halten sich für Könige“, erklärte Rourke. Er wusste Bescheid, denn er hatte solche Menschen tagtäglich um sich.

„Entschuldige, das sollte nicht undankbar klingen. Ich bin wirklich heilfroh, dass du das Geld auftreibst.“

Die Lifttür ging auf. Rourke spähte im Flur nach weiteren Dessous schwenkenden Frauen. Die Luft war rein. Er stieg über den lilafarbenen Slip.

Nick bückte sich und steckte das gute Stück in die Tasche. „Und vielen Dank auch, dass du Mom und Dad nichts gesagt hast. Sie hätten das nie verwunden.“

Paul und Moira O’Malley hatten ihr Leben lang hart gearbeitet, um sich das hübsche Häuschen mit Garten in Quincey sowie einen relativ sorglosen Lebensabend leisten zu können. Sie waren stolz auf ihr Haus und ihre Kinder. Hätten sie von Nicks Verfehlung gewusst, sie hätten die Schande nicht ertragen. Zudem hätten sie sich in Schulden gestürzt, um ihm aus der Klemme zu helfen. Und das musste Rourke unbedingt verhindern.

Er verdiente gut als Investmentbanker. Allerdings war fast sein ganzes Geld fest angelegt. Dann erwähnte Nick, dass man im Reality-TV reich werden konnte. Zwar klang das in Rourkes Ohren unwahrscheinlich, war aber allemal besser, als sich einem Kredithai auszuliefern.

Leider war es nicht Nick, der für die Show in Frage kam, obwohl er gut aussah und viel Charme hatte. Die Mädchen hatten es auf Rourke abgesehen, ein Beweis für dessen Ausstrahlung und kluge PR-Arbeit. In den vergangenen zwölf Jahren hatte Rourke seine Zahnspangen abgelegt, regelmäßig trainiert und seine dicke Brille gegen Kontaktlinsen eingetauscht; dennoch lag ihm das ganze Theater nicht. Über Finanzfragen konnte er sich Stunden lang unterhalten, aber ansonsten war er eher scheu. Man bezeichnete ihn als einen starken, schweigsamen Typ, und das bereitete ihm erst recht Unbehagen. Er fühlte sich wie ein Hochstapler. Und vor Frauen hatte er regelrecht Angst.

Doch nun war er in die zweite Runde der Show gelangt und die Siegesprämie lag in Reichweite. Er musste die Sache jetzt durchziehen.

Er schloss die Tür seines Apartments auf und trat mit Nick ein. Seit zwei Jahren wohnte er nun hier und genoss nach wie vor den Blick auf die modernen Hochhäuser, die alten roten Ziegelgebäude und den berühmten Bostoner Hafen.

„Danke, dass du meine Wohnung gehütet hast. Watson fühlt sich hier am wohlsten.“ Als er seinen Namen hörte, sprang der kleine Schnauzer von Rourkes Lieblingssessel und trottete zu seinem Herrchen. Rourke kraulte ihn hinter den Ohren. „Gleich gehen wir raus“, versprach er, und Watson bezog sofort Posten an der Tür. „Du weißt ja, Mom und Dad mögen Hunde nicht besonders.“

Während der Dreharbeiten für The Last Virgin hatten Rourkes Eltern Watson aufgenommen, wo er nicht nur seinem geliebten Sessel nachtrauerte, sondern auch noch in den Garten verbannt wurde. Jetzt wohnte Nick in Rourkes Apartment.

„Es macht mir Spaß. Wats und ich sind dicke Freunde, ich sammle nur nicht gern seine Hinterlassenschaften ein, wenn wir spazieren gehen.“ Nick schüttelte sich.

Rourke lachte. „Immer noch besser, als im Gefängnis von einem tätowierten Typen drangsaliert zu werden.“

Nick zuckte zusammen. „Okay, wo ist die Plastiktüte? Her damit.“

Rourke nahm die Hundeleine und gab Nick die Tüte. Man konnte Nick einfach nicht lange böse sein.

„Ich wünschte, ich könnte mit dir tauschen“, sagte Rourke, als sie hinausgingen. Ihm grauste vor den kommenden zwei Wochen. In der letzten Show war es ganz gut gelaufen, es gab eine Gruppe Männer und eine Frau. Er hatte sich mit Andrea, inzwischen weltweit bekannt als Die Jungfrau, richtig angefreundet. Und wenn sie noch ein wenig länger am Drehort geblieben wären, hätte er auch mit der unmöglich angezogenen Kamerafrau Jacey Freundschaft geschlossen. Er hatte das Gefühl, dass Jacey ihn verstand. Aber nun würde er es allein mit einer Gruppe verwöhnter Luxusfrauen zu tun haben. Und mit Portia Tomlinson.

Mit gemischten Gefühlen hatte er es aufgenommen, dass sie bei der Show Produktionsassistentin sein würde. Sie faszinierte ihn. Trotz ihrer freundlichen, lässigen Art schien sie auf ihn herabzusehen. Vielleicht, wenn sie ihn erst besser kannte …

Nach der letzten Show hatte er sich mit ihr verabreden wollen, aber man hatte ihn sofort für die nächste Staffel verpflichtet. Außerdem wohnte er in Boston und sie in Los Angeles. Allerdings waren das nur Ausreden. In Wahrheit fürchtete er, von ihr eine Abfuhr zu bekommen. „Glaub mir, ich würde lieber hinter Watson her putzen, als mich von diesen verwöhnten Prinzessinnen jagen zu lassen.“

Sie stiegen in den Fahrstuhl.

Nick – er hatte einen beachtlichen Frauenverschleiß – schüttelte den Kopf. „Du bist wirklich komisch, Rourke. Du brauchst eine Therapie. Ich begreife dich zwar nicht, aber ich weiß dein Opfer zu schätzen.“ Nick boxte ihm an die Schulter. „Wer weiß, vielleicht findest du unter dem Dutzend toller Mädchen deine große Liebe.“

Ja, er brauchte tatsächlich eine Therapie. Zwölf schöne Frauen zur Auswahl, und er dachte nur an eine, die unerreichbar war. „Schon möglich.“

„Ich will dich nicht beleidigen, aber ich könnte dir ein paar Tipps geben. Mit Frauen habe ich keine Probleme“, bemerkte Nick. Was für eine Untertreibung!

Rourke hatte in der Tat bei Portia keine Punkte gemacht. Sie behandelte ihn wie ein Möbelstück, eine Requisite. Und er wollte sich vor den zwölf Frauen nicht blamieren. Das Beste wäre, Nick mitzunehmen, aber das ging natürlich nicht. Immerhin, ein paar Tipps konnten nicht schaden. „Also gut, leg los.“

Portia schleppte ihren Koffer über den Lieferantenkorridor der Villa, die auf einem der Hügel über Hollywood lag. Im Unterschied zu den Kandidatinnen transportierte sie ihr Gepäck selbst.

„Darf ich dir helfen?“ Die tiefe, sonore Stimme verursachte ihr sofort Gänsehaut. Die Stimme gehörte dem Mann, der sie in den vergangenen zwei Tagen in ihren Träumen heimgesucht hatte. Dem Mann, der schuld an ihrer Frustration und Gereiztheit war: Rourke O’Malley.

Sie lächelte höflich und warf im Gehen einen Blick über die Schulter. „Danke, nein, ich bin fast da.“

Oh, diese aufregenden blauen Augen – und so nah.

„Es macht mir wirklich nichts aus“, beharrte er.

Am liebsten hätte sie erwidert: „Heb dir das für die Prinzessinnen auf, schöner Mann, für die brauchst du deine ganze Kraft.“ Aber O’Malley war der Star, und sie musste ihn bei Laune halten. Wenn er unbedingt ihren Gepäckträger spielen wollte, dann sollte sie ihn nicht daran hindern. Sie blieb stehen. „Na gut, vielen Dank.“

Als er ihr den Koffer abnahm, berührten sich ihre Hände. Ein Kribbeln überlief ihren Körper, und plötzlich kam ihr der Korridor beklemmend eng vor. O’Malleys breite Schultern nahmen zu viel Raum ein, sein Duft lenkte sie ab.

Seit den Aufnahmen und der anschließenden Ausstrahlung von The Last Virgin war etwas Unglaubliches geschehen: Rourke O’Malley sah noch umwerfender aus. Portias Blick blieb an den zwei offenen Knöpfen seines Poloshirts, der gebräunten Haut und dem hervorschauenden dunklen Brusthaar hängen. Sie sah hoch, einen Moment lang schauten sich beide an, und da passierte etwas zwischen ihnen, das Portia lieber nicht wahrhaben mochte. Sie holte tief Luft und wandte sich ab. „Hier entlang.“

„Ich folge dir“, sagte er.

Während sie den Flur hinunterliefen, versuchte Portia das intensive Gefühl zu ignorieren. Sie musste locker, aber distanziert bleiben. Schließlich war er nur ein Teammitglied, und gut aussehende Männer hörten immer wieder gern, wie attraktiv sie waren. „Du siehst gut aus. Offenbar bekommt dir die Anbetung der Massen.“ Sie lächelte ihm zu.

O’Malley schüttelte den Kopf, sichtlich verlegen. Und das war keinesfalls gespielt. „Es ist total verrückt.“ Sie bogen um eine Ecke. „Neulich hat mich eine Frau bis zum Fahrstuhl verfolgt und mir ihren Slip aufgedrängt … mit ihrer Telefonnummer darauf.“

Portia fand die Sache lustig, und auch erotisch. Sie konnte ein Lachen nicht unterdrücken. O’Malley warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. „Ich hoffe, sie hatte ihn nicht gerade an und dass es ein hübscher Slip war.“

Wieder schüttelte er den Kopf. „Sie hielt ihn in der Hand – es war ein lilafarbener Tanga. Außerdem wollte sie ein Kind von mir.“

Portia fand, es klang, als wundere er sich. „Und? Hast du sie angerufen?“ Sie konnte der Versuchung, ihn aufzuziehen, nicht widerstehen.

„Natürlich nicht“, gab er empört zurück. Dann setzte er verlegen hinzu: „Das hast du doch genau gewusst, oder?“

„Klar, aber ich bin froh, dass es meine Meinung über dich bestätigt.“ Portia blieb vor der Tür des auf dem Lageplan für sie vorgesehenen Zimmers stehen. Die Villa war so riesig, dass man Pläne ausgeben musste. Auf einmal wurde ihr bewusst, dass O’Malleys Nähe ihr noch immer zu schaffen machte. Er war eben nicht nur ein Teamkollege.

„Da wären wir.“ Sie öffnete die Tür und wollte ihm ihren Koffer abnehmen. „Danke nochmals.“

O’Malley tat, als hätte er es überhört, und trug den Koffer ins Zimmer. Er betrachtete die Kommode, den ungerahmten Spiegel, den einfachen Stuhl, den nackten Betonboden und schließlich das schmale Bett. „Ziemlich spartanisch“, stellte er fest.

„Du und die Prin…“ Portia korrigierte sich hastig, „… Kandidatinnen, ihr habt Gästezimmer. Das Team hat die Sklavenquartiere, bis auf Lauchmann und Daniels.“ Das waren der Produzent und der Regisseur.

O’Malley musterte sie, und ihr wurde heiß. „Ich glaube kaum, dass du die Sklavin von irgendjemandem sein könnest.“ Seine rauchige Stimme beflügelte ihre Fantasien.

„Richtig, ich lasse mir nichts befehlen. Du etwa?“

„Kommt darauf an, was von mir verlangt wird.“ Er schaute sie eindringlicher an. „Und von wem. Übrigens, wie gestaltet sich unsere Beziehung?“

„Unsere Beziehung?“

„Beim Dreh.“

Natürlich. „Na ja, du solltest schon auf mich hören. Wenn ich dich bitte, etwas zu tun oder irgendwohin zu gehen, solltest du gehorchen. Andererseits muss ich dafür sorgen, dass du glücklich bist …“ Hoppla, wie klang das denn? „Dass deine Bedürfnisse befriedigt werden …“ Noch schlimmer. Hoffentlich nahm er nicht an, sie würde ihm gleich ihre Unterwäsche aufdrängen. „Sag mir einfach, wenn du etwas möchtest.“

„Egal, was?“ Er hob eine Augenbraue, und ihr Herz begann heftig zu klopfen.

„Innerhalb vernünftiger Grenzen“, gab sie etwas kühler zurück.

„Ich will versuchen, nur vernünftige Bedürfnisse zu entwickeln.“

„Danke. Du wirst sehen, ich bin sehr entgegenkommend.“ Himmel, schon wieder so eine zweideutige Formulierung.

„Es wird mir ein Vergnügen sein, deine Wünsche zu erfüllen.“ Rourke wuchtete den Koffer aufs Bett, das keinen Zentimeter nachgab. „Das Bett ist hart wie ein Brett. Hast du es gern so?“

Es war so lange her, seit sie … doch das meinte er doch überhaupt nicht. Er weckte sexuelle Energien in ihr, die sie längst vergessen glaubte. Aber offenbar war sie keineswegs immun gegen den sexy O’Malley, wenn er vor ihrem Bett stand und sich erkundigte, ob sie es hart mochte. Bei der Vorstellung überlief es sie heiß. „Es wird schon gehen.“

„Verglichen mit unseren Zimmern finde ich dies unfair.“

„Ach, was soll’s. Könntest du dir Tara Mitchells hier drin vorstellen?“ Taras Vater war ein Ölmagnat. Oder ein Immobilienkönig? „Oder jemanden aus ihrem Gefolge?“

„Okay, du hast recht.“

„Und vergiss nicht die aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen. Irgendein Irrer oder ein paar Terroristen könnten auf die Idee kommen, hier Geiseln zu nehmen.“

Rourke nickte. „Daran habe ich auch schon gedacht. Das Studio geht mit Date with the Rich and the Beautiful ein großes Risiko ein.“

Er bemerkte Portias Verblüffung. „Was ist denn?“, fragte er.

„Du gehörst doch selbst zu den Reichen und Schönen.“

Rourke lachte. „Ich bin nicht reich. Zwar nicht ganz arm, aber in der Liga werde ich nie spielen.“

„Es sei denn, du heiratest eine der Frauen.“

„Von Heirat war nie die Rede, und ich habe das Kleingedruckte im Vertrag genau gelesen. Und wenn ich eine Kandidatin heirate, wäre es nicht mein eigenes Vermögen, oder? Das ist nur Medienrummel. Ich weiß, wie ich aussehe.“

„Die Frauen auch. Du bist ein unglaublich attraktiver Mann, O’Malley, und ich denke, das weißt du auch.“ Ihr Ton war gleichmütig, sachlich, als spräche sie vom Wetter. In Hollywood war gutes Aussehen einfach Pflicht.

Er schüttelte den Kopf. „Mein Bruder ist der schöne Mann in der Familie.“

Es gab einen weiteren O’Malley, der noch besser aussah? „Dann Gnade Gott den Frauen.“ Sie beschloss, diese Information an die Presseabteilung weiterzugeben. Ihr Handy klingelte, auf dem Display erschien die Nummer ihrer Mutter. „Entschuldige, ich muss telefonieren.“ Damit wandte sie sich von Rourke ab. „Ja?“

„Hi, Mom“, sagte Danny.

„Hallo, du.“ Sie trat an das kleine Fenster, das auf den Hintereingang der Küche hinausging.

„Bist du gerade beschäftigt?“ Danny hatte bereits gelernt, stets danach zu fragen. Immer wenn Portia zu einem Drehort fuhr, rief er gleich am ersten Tag an. Der arme Kleine. Er war erstaunlich anpassungsfähig, dennoch fand er es nicht schön, wenn sie weg war. Ein Job im Studio wäre wirklich eine Erleichterung.

„Es geht so. Und was machst du gerade?“ Ein weiß gekleideter Koch kam aus der Küche und zündete sich eine Zigarette an.

„Nichts Besonderes. Ich wollte nur wissen, ob du gut angekommen bist.“

„Bin ich. Das Haus ist super. Es würde dir gefallen.“

Sie sprachen eine Weile miteinander, und am Ende des Gesprächs versicherte Portia Danny, dass er ihr fehlte.

„Ich hab dich lieb, Danny. Heute Abend rufe ich dich an.“

Sie legte das Handy beiseite und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass Rourke noch immer neben dem Bett stand.

„Oh, du bist ja noch da“, sagte sie.

„Darf ich dich etwas fragen?“ Er deutete auf das Handy. „War das dein Freund?“

„Das war meine große Liebe“, entgegnete Portia. Ihr Privatleben gehörte ihr, sollte Rourke doch denken, was er wollte. Vielleicht würde das ja zu einer entspannteren Beziehung führen.

„Demnach brauchst du keine TV-Show für ein erfülltes Liebesleben?“

So viel könnte ihr kein Sender zahlen. „Nein, mein erfülltes Leben wartet zu Hause.“ Sehr gut. Jetzt würde er gehen, bevor sie auf noch mehr dumme Gedanken kam. „Danke fürs Koffertragen. Wir sehen uns bei der Besprechung.“

Damit schob sie ihn aus dem Zimmer und schloss hinter ihm die Tür. Sie atmete tief aus und stellte fest, dass O’Malley ihr seine Frage gar nicht gestellt hatte. Egal. Seine Nähe machte sie kribbelig.

Sie öffnete den Koffer. O’Malleys Duft hing noch im Raum – oder bildete sie sich das nur ein? „Hast du es gern hart?“ Ihr wurde ganz heiß. Verflixt, ihre Brustspitzen richteten sich auf, als sie an den sinnlichen Ausdruck auf seinem Gesicht dachte. Mit zitternden Händen packte sie ihre Sachen aus.

Es würden sehr lange zwei Wochen werden.

Fasziniert von der Architektur der Villa und beunruhigt von der Begegnung mit Portia Tomlinson, schlenderte Rourke durch die Räume. Portia war nett und freundlich, trotzdem hatte er das Gefühl, dass sie ihn nicht mochte. Nein, sie war herablassend zu ihm. In gleichgültigem Ton hatte sie ihm das Kompliment gemacht, dass er gut aussah, und dennoch bedeutete es ihm mehr als die heißen Liebesschwüre, die Nick ihm auf der Webseite gezeigt hatte. Die waren ja so peinlich. Portia war anders. Als sie ihn wegen des lilafarbenen Slips aufgezogen und darüber gelacht hatte, war sie ihm gleich viel zugänglicher vorgekommen. Und das machte das Ganze nur noch komplizierter. Und dann diese Veränderung, als sie telefonierte. Da wurde sie plötzlich sanft und zärtlich. Wie mochte der Mann aussehen, der einen solchen Wandel bewirkte? Sie hatte diesen Danny als ihre große Liebe bezeichnet, und Rourke verspürte so etwas wie Eifersucht. Wie albern, natürlich war sie verbotenes Terrain. Er hatte sich um zwölf schöne Frauen zu kümmern, die sich für ihn interessierten. Warum also raste sein Puls, sobald er sich im selben Raum mit Portia befand?

Offensichtlich hatte er Nicks Ratschläge nicht genügend beherzigt. Dabei war er sogar bis in Portias Schlafzimmer gelangt! Aber dieser Freund … ihre große Liebe …

„Hallo“, sagte jemand direkt vor ihm.

Er fuhr zusammen. Fast hätte er Jacey umgerannt.

„Entschuldige, ich war in Gedanken.“ Er versuchte, Portias Bild zu verdrängen. Da er sich ehrlich freute, Jacey zu sehen, lächelte er ihr zu. „Schön, dass du auch dieses Mal hinter der Kamera stehst.“

Sie erwiderte das Lächeln. „Ja, wir sind schon fast eine Familie.“

„Stimmt, ich habe gerade Portia gesehen.“

„Sie hat das Zimmer neben meinem, wir sind im Dienstbotenflügel“, erklärte Jacey. „Das lässt auf unsere Bedeutung schließen, oder?“

„Ist es wirklich so schlimm?“, fragte er.

„Nein, nein. Man kann sein Geld auf unangenehmere Weise verdienen.“

„Wie bist du zu diesem Job gekommen? Hast du dich schon immer fürs Filmen interessiert?“ Jaceys Blick verriet Misstrauen, als würde er sich nicht ernsthaft für ihren Job interessieren. Rourke lachte über ihre finstere Miene. „Ich möchte es tatsächlich wissen. Du erinnerst mich an meinen jüngeren Bruder.“

„Trägt er auch nur Schwarz?“

Rourke musste lachen. Nie im Leben würde Nick wie ein Grufti herumlaufen. „Nein, er steht auf Ralph Lauren, aber genau wie du trägt er das Herz auf der Zunge.“

Das beruhigte Jacey, und sie berichtete ausführlich von ihrem Werdegang. Nach einer Weile lachte sie verlegen. „So genau wolltest du es bestimmt nicht wissen.“

„Doch. Ich finde es spannend.“

„Hast du schon mal durch eine Filmkamera geschaut?“

„Noch nie.“

„Ich könnte es dir mal zeigen, aber du musst nicht aus Höflichkeit Ja sagen.“

„Das fände ich ganz toll. Sag mir Bescheid, wenn du Zeit hast.“

„Also gut. Durch die Kameralinse sieht man die Dinge viel klarer und …“ Sie hielt inne. „Siehst du, jetzt fange ich schon wieder an.“

„Es ist offenbar eine echte Leidenschaft von dir.“

„Richtig.“ Sie legte den Kopf schräg und musterte ihn. „Du erinnerst mich an Digg, du bist so natürlich.“

„Danke für das Kompliment. Scheint ein prima Typ zu sein.“ Es war allgemein bekannt, dass Digg und Jacey etwas miteinander hatten, so unwahrscheinlich es auch klang.

„Ja, er ist ganz okay.“ Sie schaute auf ihre Uhr. „Oh Mann, du musst zum Briefing, und ich habe in zehn Minuten Kameracheck. Portia lyncht mich, wenn ich dich aufhalte.“

„Ist sie so streng?“

„Im Grunde nicht, sie liebt nur Pünktlichkeit.“

„Sie wirkt ziemlich verschlossen. Wie verbringt sie eigentlich ihre Freizeit?“, fragte Rourke ganz offen.

„Vielleicht wäscht sie ihre Sachen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Sie ist ein bisschen eine Einzelgängerin. Aber was willst du denn von Portia? Reichen dir zwölf reiche Mädchen nicht?“

„Natürlich nicht. Ja, schon. Aber ich bin einfach nur neugierig, weil wir zusammenarbeiten. Sonst interessiert sie mich nicht weiter.“ Kaum hatte er das ausgesprochen, war ihm klar, dass er log.

2. KAPITEL

„Hier sind die Informationen über die Frauen, die du heute Abend auf der Cocktailparty vor dem Dinner kennenlernen wirst. Blondinen, Brünette und Rothaarige mit unterschiedlichen Interessen. Drei Dinge haben sie jedoch gemeinsam, sie sind alle Frauen.“ Portia scherzte, aber so unsinnig war der Scherz nicht. Eine Kandidatin aus einer anderen Show hatte sich zur Überraschung aller als Mann entpuppt. „Sie sind schön und reich. Du bist der am meisten beneidete Mann Amerikas.“

O’Malley nahm den Ordner entgegen und blätterte ihn durch. Portia sah zu, wie die Tontechniker Terry und Jeff in der Nähe der Couch ihren Soundcheck machten. Die Party zum Kennenlernen sollte in diesem Raum stattfinden. Die Villa ähnelte einem maurischen Palast mit kunstvoll geschnitzten Türen, Bogengängen, hohen Decken und einem zentralen Türkischen Bad mit echten Palmen. Die Luft war angefüllt mit Düften von Mandeln, Sandelholz, Weihrauch und Myrrhe. Es war luxuriös und wirkte ein wenig dekadent – die passende Kulisse für einen attraktiven Mann und seinen Harem. In der Tat hatte um 1930 eine leichtlebige Filmdiva sich die Villa bauen lassen, was Portia besonders amüsant fand.

Der Salon war ausgestattet mit schweren Vorhängen, niedrigen Diwanen, gedämpftem Licht und einem Deckengemälde, das einen Sternenhimmel darstellte. Gewiss waren diese Mauern Zeugen vieler rauschender Orgien gewesen.

Lag es an ihrem Gespräch mit Sadie, an der sinnbetörenden Umgebung oder an dem sagenhaften Mann neben ihr, dass Portia lauter verbotene Fantasien durch den Kopf wirbelten? Bilder, wie sie ausgestreckt auf einem Diwan lag und sich von einem breitschultrigen, dunkelhaarigen Mann verwöhnen ließ, der ungeheure Ähnlichkeit mit O’Malley hatte.

Entschlossen verdrängte sie die sündigen Einbildungen. Wenn in diesem Raum jemandem Lust bereitet wurde, dann bestimmt nicht ihr. Ihre Freude würden die sensationellen Einschaltquoten sein. Rourke würde mit einer der Frauen die Liebesszenen spielen. Und Portias Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass es so weit kam. Sex verkaufte sich, Sex zog Zuschauer an. Ihr Lohn war die Quote.

Rourke hatte die Fotos und Biografien durchgesehen. „Stimmt, alles Frauen.“ Er lächelte, was seinen Sex-Appeal noch mehr erhöhte. „Sie sind attraktiv und sehen nach Geld aus. Hast du sie schon mit ihnen gesprochen? Sind sie nett?“

Portia ignorierte das Kribbeln auf ihrer Haut und sagte sich einmal mehr, dass Rourke O’Malley nur ein weiterer gut aussehender Mann war.

Ja, sie kannte die Mädchen. „Nett“ und „reich“ gingen weder unbedingt Hand in Hand, noch garantierte Geld für guten Geschmack und anständiges Benehmen. Alle diese Frauen waren sehr selbstverliebt, und man musste sich auf Eifersüchteleien gefasst machen. Aber das würde für interessante Aufnahmen sorgen.

Portia lächelte. „Ja. Du wirst dich bestens amüsieren.“

„Freut mich.“ O’Malley nahm die Papiere in die andere Hand. „Ich weiß, ich sollte nicht fragen, aber ich tue es trotzdem.“

Aha, die unvermeidliche Frage danach, was für die Siegerin des Wettbewerbs herausspringen würde. Die Siegerin würde eine eigene TV-Show bekommen. Es war albern, doch es funktionierte. Der Vater einer jeden Teilnehmerin könnte vermutlich einen ganzen Sender kaufen, aber die Kandidatinnen waren alle wild auf eine eigene Show. Das Gerangel um die besten Auftritte würde gute Aufnahmen liefern. Natürlich durfte sie O’Malley das nicht mitteilen.

Terry und Jeff überprüften die Verlegung der Tonkabel entlang der Fußleisten. Das normale Chaos. „Na los, frag schon.“

Da sie die Frage zu kennen meinte und sie von den möglichen Problemen mit dem Ton abgelenkt war, hörte sie nicht auf Rourke und gab die Standard-Antwort: „Selbst wenn ich es wüsste, dürfte ich es dir nicht sagen.“

Verwirrt runzelte er die Stirn. „Du darfst mir nicht sagen, weshalb du mich nicht magst?“

Das also war seine Frage. Portia wurde rot. Normalerweise kam sie mit allen gut aus, denn sie war locker und freundlich. Dass sie kaum etwas von sich preisgab, gereichte ihr meistens zum Vorteil. „Ich dachte, du hättest nach dem Preis für die Gewinnerin gefragt.“

Er winkte ab. „Das würdest du mir sowieso nicht verraten. Ich bin nicht mehr so naiv.“ Er zwinkerte ihr zu, und Portia fragte sich, ob er sich über sie lustig machte oder mit ihr flirtete – oder beides.

Allerdings stieg heißes Verlangen in ihr auf, als sie sich vorstellte, wie O’Malley sich nackt zwischen den Schenkeln einer Frau bewegte. „Kann ich mir denken.“

O’Malley zuckte mit den Schultern. „Ich bin kein Frauenheld. Ich hoffe nur, ihr unterschiebt mir keinen Transvestiten, wie bei der anderen Show.“ Er lächelte sie an, und Portia erwiderte sein Lächeln. Üblicherweise nahmen schöne Männer sich weit wichtiger als Rourke.

„Darauf haben wir sorgfältig geachtet.“ Jene Show war zwar noch gerettet worden, doch der Regisseur Burt Mueller hatte gedroht, das gesamte Team zu entlassen, sollte so etwas noch einmal vorkommen. Erneut versicherte sie: „Es sind garantiert alles richtige Frauen.“

„Da bin ich aber erleichtert.“

Sie mochte sich Rourkes Schreck nicht ausmalen, wenn er entdeckte, dass eine der Kandidatinnen genauso ausgestattet war wie er.

„Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet. Weshalb magst du mich nicht?“ Rourkes Blick war ernst.

„Ich habe nichts gegen dich.“ Sie war nur verunsichert. Bei den Dreharbeiten zu The Last Virgin hatte sie ihn abgetan, wie sie alle egozentrischen Männer abtat. Aber O’Malley ließ sich nicht einfach in eine Schublade stecken. Sein jungenhafter Charme und sein Aussehen versetzten Portia in Alarmzustand. Sie verglich ihn mit einer lockenden roten Beere am Strauch, die womöglich giftig war. Dennoch musste sie mit ihm zusammenarbeiten und ihn bei Laune halten. „Ich habe absolut nichts gegen dich“, versicherte sie.

„Du weichst aus.“

Leider war O’Malley auch scharfsichtiger, als ihr lieb war. „Das ist mein Job. Ich kann es mir nicht erlauben, mich mit unseren Gästen einzulassen.“

„Ich wollte damit nur ausdrücken, dass du alles über mich weißt, ich aber nichts über dich.“

„Die Kandidaten sind meistens damit einverstanden, sich zu öffnen. Es ist der Preis, den Stars zahlen. Ich dagegen arbeite hinter den Kulissen, und das gefällt mir.“ Sie fand, dass die meisten Kandidaten solcher Shows Blender waren. Erschreckend eigentlich, wenn man bedachte, wie viele Leute sich dafür meldeten.

„Du bist auserkoren, hier ein Liebesfest zu feiern, und ich trage dazu bei, dass alles reibungslos läuft. Das ist alles.“ Sie lächelte, aber ihr Tonfall ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sie eine klare Grenze zog.

Einen Augenblick glaubte sie zu erkennen, dass die Zurechtweisung ihn kränkte. Rourke lächelte gezwungen. „Du hast vollkommen recht. Entschuldige, wenn ich aufdringlich war.“

Die Situation wurde ihr zunehmend unbehaglich. „Keine Ursache“, sagte sie betont munter. Dann sah sie auf die Uhr und stellte erleichtert fest, dass die Zeit drängte. „Du solltest jetzt in dein Zimmer gehen, duschen und dich fertig machen.“

Wie oft hatte sie das zu einem Mann gesagt, ohne sich etwas dabei zu denken? Warum sah sie jetzt das beunruhigend erotische Bild vor sich, wie O’Malley nackt und nass aus der Dusche kam?

Sie schaute auf ihr Klemmbrett, nicht weil da etwas Wichtiges stand, sondern um Rourkes Blick auszuweichen. „Deine Garderobe wird in einer Stunde in dein Zimmer gebracht. Wir treffen dort uns in anderthalb Stunden und klären die letzten Fragen.“

O’Malleys Lächeln wirkte ein wenig zynisch. „Du organisierst mein –, wie nanntest du es noch mal? – Liebesfest ausgesprochen gekonnt.“ Damit ging er.

Portia stand mitten im Raum und sah ihm hinterher, bis er verschwunden war.

„Aha, du bist also das neueste Mitglied in seinem Fanclub, Portia?“, rief Terry quer durch den Salon.

Vor Schreck ließ Portia fast ihr Klemmbrett fallen. Über ihren Betrachtungen hatte sie Terry und Jeff ganz vergessen.

„Ihr solltet mich besser kennen. Ich bin in gar keinem Fanclub.“

Und so sollte es auch bleiben. Sie organisierte, er agierte vor der Kamera, und Schluss.

„Halt noch eine Sekunde still, ja?“ Cindy, die Garderobiere, zupfte Rourkes Smoking zurecht. Dann trat sie einen Schritt zurück und musterte ihn kritisch. Es klopfte.

„Komm rein!“, rief er über die Schulter. Portia war bekannt für ihre Pünktlichkeit. Die Tür hinter Rourke wurde geöffnet und wieder geschlossen.

Er spürte, dass es Portia war. Die kurzen Haare in seinem Nacken richteten sich auf, Adrenalin schoss ihm durch den Körper.

Cindy strich über seine Smokingjacke und meinte: „Deine Mama wird stolz auf dich sein, und die Frauen müssen sich auf einiges gefasst machen.“ Mit ihrem fröhlichen Geplapper erinnerte Cindy ihn sehr an seine Mutter. „Ist er nicht zum Anbeißen?“, fragte sie in Portias Richtung.

Rourke musste über die übertriebenen Komplimente lachen und drehte sich zu Portia um.

Ihr Lächeln wirkte etwas angestrengt. „Zum Glück habe ich bereits gegessen.“

Ihr Blick war kühl, seine Körpertemperatur stieg trotzdem. Sein Herz begann heftig zu schlagen, als er sich ihre Lippen auf seiner Haut vorstellte, ihren Duft, der sich mit seinem mischte. Was hatte sie nur an sich, dass sie ihn dermaßen anzog? Sie war nicht schön, aber sie war faszinierend, exotisch, rätselhaft – und frustrierend.

Cindys Funkgerät meldete sich. Nach dem üblichen Krächzen war die Stimme der Maskenbildnerin Tamsin zu vernehmen. „Cindy, Miss Freeman möchte dich sofort sprechen.“

Rourke hatte sich die Akte der Mädchen noch einmal genauer angesehen. Lissa Freeman würde ein Immobilienimperium erben, und sie hatte die letzten Jahre in Europa verbracht. In der Akte stand nicht, dass Lissa eine Spur der Verwüstung hinter sich her zog, aber das hatten die Medien bereits reichlich ausgeschlachtet. Sie war eine dunkelhaarige, launische Zeitbombe, die bei der geringsten Unannehmlichkeit explodierte. Allerdings, so sagte sich Rourke, sollte man nicht allzu viel auf Klatsch geben.

Aus dem Funkgerät ertönte jetzt: „Ich brauche Sie nicht sofort, sondern gestern.“

Okay, vielleicht konnte man dem Klatsch glauben. Diese herablassende Stimme konnte nur Miss Freeman gehören.

Eine Grimasse schneidend ging Cindy zur Tür. „Bestimmt weiß sie nicht, dass du mitgehört hast. Sonst würde sie einen anderen Ton anschlagen.“

Es krächze erneut aus dem Funkgerät. „Kommen Sie nun endlich? Ich habe schließlich noch anderes zu tun.“

„Ich kann es mir nicht verkneifen“, sagte Cindy zu Rourke und Portia und schaltete das Mikro ein. „Ich bin gerade noch mit Mr. O’Malley beschäftigt, danach komme ich gleich zu Ihnen.“

„Oh. Lassen Sie sich ruhig Zeit, es hat keine Eile.“ Auf einmal klang Miss Freeman zuckersüß.

Cindy schüttelte den Kopf und lachte. „Pass gut auf ihn auf“, sagte sie zu Portia. „Wir sind dabei, einen Guppy in ein Haifischbecken zu setzen.“

Einen Guppy? Rourke lachte, um seine plötzliche Nervosität zu überspielen. Er, der geradezu unfähig war zu lockerem Geplauder, allein unter zwölf Small-Talk-Expertinnen. „Ich protestiere gegen den Guppy.“

Cindy schwenkte das Funkgerät. „Du weißt schon, was ich meine. Kümmere dich gut um ihn, Portia.“

„Ich bin sicher, er wird eine gute Figur machen“, gab Portia zurück.

Schön, dass wenigstens ein Mensch an mich glaubt, dachte Rourke.

Kaum hatte Cindy den Raum verlassen, wurde ihm bewusst, dass er in seinem Schlafzimmer allein war mit Portia Tomlinson, der Frau, von der er sich so stark angezogen fühlte und die ihm Rätsel aufgab.

Verstohlen sah er sich in dem Raum mit dem breitem Bett, dem dicken Teppich, dem Kunstdruck von Gustav Klimts „Kuss“ an der Wand, dem „Kamasutra“ auf dem Nachttisch und der gedämpften Beleuchtung um. Sein Blick fiel auf Portias Hochsteckfrisur, ihren eleganten Hosenanzug, die sexy Designer-Schuhe. Und ganz besonders nahm er ihren Duft wahr.

Hastig suchte er nach einem unverfänglichen Gesprächsthema. „Lissa Freeman hat mit ihrem Anruf soeben meine Auswahl auf elf Frauen beschränkt.“

„Du solltest ihr nicht mit Vorurteilen begegnen. Vielleicht ist sie bloß aufgeregt“, erwiderte Portia.

„Würdest du so reden, wenn du lediglich nervös vor einem Date bist?“

„Bestimmt nicht, aber gib ihr eine Chance.“

Wie würde Portia sich bei einem Date verhalten? Kühl und reserviert? Fröhlich und ausgelassen? Was für Vorlieben und Interessen hatte sie? Was erregte sie?

„Okay.“ Ihre Stimme war dunkel und belegt. Sie räusperte sich. Vielleicht spürte sie ja auch diese Spannung. „Hast du noch Fragen, bevor es losgeht?“

Rourke versuchte, an die anderen Frauen zu denken, aber er war absolut hingerissen von dem Spiel des Lichts auf Portias Haut, ihren Haaren. Die klare Linie ihrer Nase, die sinnlichen Konturen ihrer Lippen nahmen seine Aufmerksamkeit vollkommen gefangen. „Gibt es irgendwelche Verhaltensmaßregeln für heute Abend?“

„Nur eine. Wir werden im Salon Champagner servieren. Halt dich besser etwas zurück, schließlich bist du der Star.“

„Keine Sorge, ich trinke kaum Alkohol.“ Bei den Dreharbeiten zu The Last Virgin hatten einige Kandidaten sich über das spärliche Alkoholangebot beklagt. „Weshalb gab es bei der letzten Show keinen Champagner?“

„Diese Show hat einen anderen Charakter. Wenn man mehrere Männer und nur eine Frau als Gäste hat, darf Alkohol nun einmal nicht in Strömen fließen. Du weißt, Sex verkauft sich. Du bist sexy, die Frauen sind attraktiv, daher will Lauchmann die Atmosphäre mit Champagner auflockern.“

„Ich brauche meine Dates nicht mit Alkohol aufzulockern“, bemerkte Rourke, um das ein für alle Mal klarzustellen. Dann erkundigte er sich vorsichtig: „Du findest mich sexy?“

„Selbstverständlich.“ Ihre Miene blieb freundlich-gelassen, und einmal mehr fragte er sich, was wohl in ihr vorgehen mochte. „Was wirklich nichts zu bedeuten hat. Auch einen Ferrari kann ich bewundern, ohne dass ich ihn fahren müsste.“

Der Vergleich leuchtete ihm ein, dennoch konnte er nicht widerstehen weiterzubohren. „Und wenn du eine Testfahrt angeboten bekämst?“

„So ein Angebot kriegt man nur, wenn man als Käufer in Frage kommt. Und ich kann mir keinen Ferrari leisten.“

„Wenn die Testfahrt aber zu nichts verpflichtete?“

„Ich würde trotzdem ablehnen. Es würde nur unerfüllbare Wünsche wecken. Ich bin Realistin.“

Er auch, aber er hatte Träume. Hinter ihrer kühlen Fassade musste sie doch ebenfalls Fantasien haben. „Was gefällt dir eigentlich an einem Ferrari?“

„Das, was allen daran gefällt. Die schöne, erotische Form, die perfekten Proportionen, die Reaktionsgeschwindigkeit. Diese Kraft.“ Ihre Augen blitzten auf. „Die Frauen in dieser Show können sich alle einen Ferrari leisten. Vermutlich sogar mehrere.“

Nach welchen Regeln wurde hier gespielt? Was würde Portia unter die Haut gehen? „Und wenn ich sie mit auf mein Zimmer nehme?“

„Ich fürchte, Ferraris passen hier nicht hinein.“

Sie blieb also ungerührt, aber sie hatte Humor. „Ich meinte die Frauen.“

Portia warf einen anzüglichen Blick auf das breite Bett. „Das ist dein gutes Recht. Ich denke, der Platz reicht für alle zwölf. Und hier drinnen gibt es keine Kameras.“

„Wer garantiert mir das?“

„Ich. Du musst mir schon glauben.“

Seit der letzten Show, bei der Andrea Scarpini aller Welt als letzte Jungfrau vorgeführt worden war, glaubte er diesen TV-Leuten überhaupt nichts mehr. „Es wäre wirklich okay, wenn ich eine Frau hier mit heraufbringen würde?“

Wieder blickte sie zum Bett. „Natürlich.“

„Und wenn es jeden Abend eine andere ist?“

„Das oder mehrere gleichzeitig, wie es dir beliebt.“ Portia gab sich ungerührt, aber die Röte in ihrem Gesicht war allzu verräterisch. Sie ging zum Nachttisch und zog die Schublade auf. Rourke traute seinen Augen nicht. Da lagen mehrere Packungen Kondome. „Wir kümmern uns um dein Wohl. Sollten sie knapp werden, brauchst du es mir nur zu sagen.“

Unglaublich!

Rourke lachte, amüsiert und gekränkt zu gleich. Dieser Frau war er offenbar nicht gewachsen. Aber in seinem Vertrag stand auch nichts davon, dass er Höchstleistungen zu vollbringen hatte. „Ich schätze, mit dem Vorrat komme ich aus.“ Himmel, so viele Kondome hatte er in seinem ganzen Leben nicht verbraucht. Außerdem hatte zwei Mal beim Training im Fitness-Studio sein Rücken gestreikt. Wollte er all diese Kondome benutzen, würde er sich demnächst im Streckverband wieder finden.

„Die einzige Regel lautet, dass alle einverstanden sein müssen. Nein heißt wirklich nein.“

„Gilt das für beide Seiten? Und was ist, wenn eine Kandidatin etwas von mir will, und ich möchte nicht?“

„Ich denke, das solltest du handhaben wie bei einem normalen Date.“

„Schön, aber zu Hause habe ich die Möglichkeit, mich nicht wieder zu melden.“

„Du wirst ja die Kandidatinnen nach und nach aussondern.“

„Und wenn ich überhaupt keine Kandidatin küssen möchte?“

Portia lächelte verkrampft. „Das halte ich für unwahrscheinlich. Du wirst doch die eine oder andere attraktiv finden.“ Sie schaute auf ihr Klemmbrett. „Ich kann einfach nicht glauben, dass du im Türkischen Bad oder auf der Terrasse nicht Lust auf Küsse bekommst.“

„Ist es dir nicht unangenehm, anderen beim Küssen zuzuschauen? Ihre heimlichen Gespräche mit anzuhören?“ Rourke war stets sehr diskret, und Portia wirkte so zurückhaltend. Er musste annehmen, solche Intimitäten gingen ihr gegen den Strich. Ihm wurden schon bei dem Gedanken an ein Dutzend fremde Frauen die Hände feucht, gar nicht zu reden vom Austausch von Zärtlichkeiten.

Gleichmütig gab sie zurück: „Es ist unser Job, man geht innerlich auf Distanz. Dir wird es helfen, wenn du dich als Schauspieler siehst, der nur eine Rolle spielt.“

„Wahrscheinlich verrätst du mir nicht, wo überall Kameras angebracht sind?“

„Das darf ich leider nicht. Das wäre Betrug an den Zuschauern.“

„Hältst du dich immer so strikt an die Regeln, Portia?“ Er kannte die Antwort bereits.

„Unbedingt. Du nicht?“, fragte sie herausfordernd zurück.

„Bis jetzt schon. Ich habe noch nie nach etwas so stark verlangt, dass ich die Regeln verletzt hätte. Aber sollte ich mir etwas sehr, sehr wünschen …“ Er schaute ihr tief in die Augen und machte eine bedeutungsvolle Pause. „Oder jemanden – so sehr, dass ich an nichts anderes denken könnte …“

„Das hört sich ja schlimm an.“ Ihre Stimme stockte.

„Ich finde, es ist derselbe schmale Grat wie zwischen Liebe und Hass“, sagte er.

Sie wandte den Blick ab, und die aufgeladene Atmosphäre entspannte sich. „Komm, lass uns zu den Kandidatinnen gehen. Vielleicht begeistert dich eine so sehr, dass du alle Regeln vergisst.“

3. KAPITEL

„Du wirkst nervös“, sagte Portia vor dem Salon zu Rourke. Sie war heilfroh, dass sie nicht mehr in seinem Zimmer und in der Nähe der großzügigen Auswahl an Kondomen war.

„Nervös ist gar kein Ausdruck.“

Das passte wirklich nicht zu einem Playboy. „Immer mit der Ruhe. Es sind auch nur Menschen, und du siehst umwerfend aus. Sie werden dich anhimmeln.“ Solche tröstlichen Worte bekam jeder Kandidat von ihr zu hören, nur dieses Mal war ihr der Gedanke ein Graus.

Seine Schultern in der dunklen Smokingjacke und dem weißen Hemd waren eindeutig verspannt. „Dreh dich um und halt das mal.“ Sie reichte ihm ihr Klemmbrett. Tief durchatmend begann sie, sanft seine Schultern zu massieren. Es war das erste Mal, dass sie dies bei einem Kandidaten machte. Ihre Motivation war auch nicht, dass sie O’Malley berühren wollte. Keinesfalls. Sie wollte ganz bestimmt nicht seine harten Muskeln unter ihren Fingerspitzen spüren. Es war überhaupt nichts Persönliches, sondern einfach nur ihr Job.

Er stöhnte genüsslich auf. „Wo hast du das denn gelernt?“

„Ich habe von Natur aus geschickte Hände.“

„Oh, Portia.“

Sie hörte förmlich, wie er ihren Namen im Bett flüsterte, während sie mit den Händen ganz andere Dinge tat … Was war bloß mit ihr los? Lag es an dem Gespräch mit Sadie? An den Wortwechseln mit O’Malley, die mit Zweideutigkeiten geradezu aufgeladen waren? An der romantischen Kulisse? Ich muss mich zusammenreißen, sagte sie sich.

„Gleich geht es dir besser“, erklärte sie und strich seine Smokingjacke glatt.

Langsam drehte er sie um und sah sie an. Seine Augen blickten ernst, sein Kopf war gesenkt, sodass Portia seinen warmen Atem an der Wange spürte und die winzigen Falten in seinen Augenwinkeln sah.

Hilfe, O’Malley wollte sie küssen. Noch schlimmer war, dass auch sie es wollte.

„Portia …“

In letzter Sekunde meldete sich ihre Vernunft. Was tat sie da? Jeden Moment konnte jemand kommen. Hielt Rourke sich für so unwiderstehlich, dass er meinte, jede Frau fiele ihm sofort um den Hals? Sie trat einen Schritt zurück.

Hastig nahm sie ihm das Klemmbrett ab und hoffte, dass er das Zittern ihrer Hände nicht bemerkte. Noch einmal sah sie das Programm durch, das sie natürlich auswendig kannte, und schaute auf ihre Uhr. „Dein Auftritt ist in dreißig Sekunden.“

Er streckte die Hand aus, als wollte er ihr über die Wange streichen, und heißes Verlangen durchzuckte sie. Wie lange war es her, seit ein Mann sie zärtlich gestreichelt hatte? Und dies war eindeutig der falsche Mann, um ihre Sehnsucht zu wecken. Im letzten Moment hielt er sich zurück und ließ die Hand sinken.

Portia fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Du musst jetzt hinein.“

Er schüttelte sich, als hätte er die Realität aus den Augen verloren. Dabei wirkte er merkwürdig verletzlich, fast verunsichert. „Ich bin …“

„Du bist bereit, die Ladies kennen zu lernen“, warf sie schnell ein. Doch innerlich war sie zutiefst aufgewühlt von dem Beinahe-Kuss. „Die Zuschauer beten dich an, und diesen Frauen wird es nicht anders gehen.“

Portia schaltete das Mikrofon ein, das mit dem Kopfhörer von Grant Atwood, dem Moderator der Show, verbunden war. „Noch zehn Sekunden.“ Im Geist zählte sie ab. Dann öffnete sie die Tür und schob Rourke hinein, wobei sie zur Seite trat, um nicht von der Kamera eingefangen zu werden.

Portia hatte alle Kandidatinnen schon vorher schön gefunden, doch an diesem Abend übertrafen sie sich selbst. Mit Geld konnte man zwar keine Liebe kaufen, aber umwerfende Kleidung ganz gewiss. Selbstverständlich handelte es sich um die begehrtesten Edelmarken und außergewöhnlichen Schmuck.

In diesen Outfits steckte mehr Geld, als Portia im ganzen Jahr verdiente. Nicht zu reden von den Accessoires. Portia hätte wetten mögen, dass jeder Edelstein echt war. Tara Mitchells trug Abendsandaletten, deren Riemchen mit Diamanten besetzt waren. Modeschmuck glitzerte anders. Ihr gut geschnittener Hosenanzug war Portia absolut angemessen erschienen – bis jetzt. Die Zuschauer würden all den Glanz und Glamour mit den Augen verschlingen. Und O’Malley ebenso, dachte Portia mit einem Anflug von Neid, während die Frauen vor ihm aufmarschierten.

Grant begann mit der Vorstellung der Teilnehmer. Portia verzog sich in eine dunkle Ecke und schaute zu. Die Kandidatinnen hatten Anweisung, O’Malley nicht zu küssen. Der Grund war ein ganz praktischer – der Star sollte nicht mit Lippenstift beschmiert werden, und eine gewisse Distanz verlieh ihm Autorität. Die Szenerie sollte ja an einen Harem erinnern.

Jaceys Kamera war in voller Aktion, und Portia hätte sich keine bessere Eröffnung der Show wünschen können. Trotz seines Lampenfiebers lieferte O’Malley einen perfekten Auftritt. Charmant begrüßte er die Damen und gab einer jeden Frau das Gefühl, dass er sich besonders freute, sie kennen zu lernen. Seine auf die Wangen gehauchten Küsse waren wie Verheißungen künftiger Genüsse. Portia wusste, wie sich sein warmer Atem auf der Haut anfühlte, wie sein würziger Duft sie eingehüllt hatte, wie sie vor Erwartung gebebt hatte. Nur die Berührung seiner Lippen kannte sie noch nicht. Und daran zu denken war heller Wahnsinn. Hatte sie ihm nicht deutlich mitgeteilt, dass die Angestellten beim Sender zu den Showgästen Abstand hielten? Die erotische Spannung zwischen ihr und O’Malley würde bestimmt verfliegen, wenn die Kandidatinnen ins Spiel kamen, oder? Wahrscheinlich waren ihre ungehörigen Gefühle nur eine Reaktion auf die dekadente Umgebung. Nun hatte Rourke nicht nur eine, sondern gleich ein Dutzend Zielscheiben für seine Flirtversuche, und das war ihr sehr recht. Oder nicht?

„Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber du siehst in Wirklichkeit noch besser aus“, sagte Carlotta Zimmerman, die den Abschluss der Vorstellungsrunde bildete.

Rourke lachte. „Danke, das liegt an dem Smoking. Selbst Rumpelstilzchen würde darin gut aussehen.“

Carlotta lächelte hilflos. Offenbar hatte sie keine Ahnung, wer Rumpelstilzchen war. Auch gut. Er gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange, ebenso wie den anderen elf Frauen. „Ich freue mich, dich kennen zu lernen.“

Carlotta gesellte sich wieder zu den anderen. Sie waren alle wunderschön anzuschauen, und sie dufteten himmlisch. Die Vorstellungsrunde war besser als erwartet gelaufen, doch er verspürte nicht dieses gewisse Knistern wie zuvor auf dem Flur mit Portia. Jetzt hielt sie sich in der hinteren Ecke links verborgen. Die ganze Zeit hatte er ihre Gegenwart gespürt. In ihrem schlichten Hosenanzug, das Haar hochgesteckt, strahlte sie Eleganz und Stil aus. Dagegen wirkten die anderen Frauen geradezu aufgedonnert.

Ein Kellner bot Rourke ein Glas Champagner an. Rourke trank einen Schluck. Es war nicht gerade sein Lieblingsgetränk, doch es war kühl und löschte den Durst. Außerdem hatte er gegen ein wenig Alkohol zur Auflockerung nichts einzuwenden, obwohl er längst nicht mehr so nervös war wie zu Anfang. Nun blieb ihm noch eine halbe Stunde, um sich mit den Damen zu unterhalten.

Er fand es durchaus schmeichelhaft, Hahn im Korb zu sein, das musste er sich eingestehen. Natürlich würde das jeder Mann genießen. Möglicherweise brauchte er die von Nick empfohlene Therapie letzten Endes gar nicht. Vielleicht würde er sich, wenn er Portia das nächste Mal traf, nicht wie ein Trottel benehmen, der sie zu küssen versuchte.

„Worauf wollen wir anstoßen, Rourke?“, erkundigte sich Lissa Freeman. Sie hakte sich bei ihm ein und drängte sich an ihn, als wären sie bereits ein Paar. Dabei drückte sie ihren beachtlichen Busen gegen seinen Arm. Merkwürdig, er empfand beim Anblick ihrer kaum verhüllten Brüste nicht den Adrenalinstoß wie bei Portias Händen auf seinen Schultern.

Eine Rothaarige – er hatte ihren Namen vergessen – schob sich an Tara Mitchells vorbei und begab sich an seine andere Seite. Die beiden waren offenbar die energischsten in der Runde. Wenn er sich richtig erinnerte, war im vergangenen Jahr im Internet ein Video von der Rothaarigen und ihrem damaligen Freund aufgetaucht. Rourke hatte es sich nicht angesehen, aber sein Kollege Jason war hin und weg gewesen. Er würde beim Anschauen dieser Show bestimmt ausrasten. Die anderen Frauen umringten ihn, und er musste beinahe lachen, als er an den Vergleich der Garderobiere Cindy mit einem Haifischbecken dachte.

Alle sahen ihn erwartungsvoll an. Er sollte sich endlich einen Trinkspruch einfallen lassen, anstatt sich heimlich zu amüsieren.

Lächelnd hob er sein Glas. „Auf die schönen Ladies hier und auf eine erfolgreiche Show.“

Alle stießen an und tranken. Rourke fand es ziemlich schwierig, aus seinem Glas zu trinken, da Lissa sich regelrecht an seinen Arm klammerte.

„Ich trinke auch auf etwas“, ließ Lissa sich vernehmen und sah ihm tief in die Augen. „Auf den Beginn einer wunderbaren Beziehung.“

Nun, darauf konnte er gewiss anstoßen, solange es dabei nicht um sie ging, und das hatte sie ja nicht direkt erwähnt. Kaum hatte er mit Lissa angestoßen, schaltete sich die Rothaarige – Maggie hieß sie – ein und sagte: „Jetzt ich. Darauf, dass die Kamera uns von unserer besten Seite zeigt.“

Bridget Anders, eine weitere Kandidatin, winkte den Ober mit dem Tablett heran. „Hier ist mein Toast.“ Alle nahmen sich neue Gläser. „Auf lange heiße Nächte.“

Rourke verlor den Überblick, wer welchen Trinkspruch ausbrachte. Er hob einfach jedes Mal sein Glas und lachte, als die Sprüche immer gewagter wurden.

Irgendwann legte tatsächlich eine der Damen die Hand auf seinen Po und tätschelte ihn genüsslich. Danach fiel es Rourke nicht mehr ganz so leicht, in dieser animierten Runde entspannt zu bleiben. Zudem war ihm die ganze Zeit bewusst, dass Portia in der Nähe war. Ich spiele nur eine Rolle, sagte er sich. Doch er hatte das Gefühl, als spielte er für eine einzige Zuschauerin.

Portia trocknete sich ab und schlüpfte in ihren Frotteebademantel. Sie musste sich beeilen, das Bad frei zu machen. Die Dienstbotenzimmer hatten keine eigenen Badezimmer, und sie musste sich das Bad mit fünf Kollegen teilen. Portia packte ihre Sachen zusammen und klopfte im Vorbeigehen an Jaceys Zimmertür.

„Das Bad ist frei!“, rief sie.

In ihrem Zimmer angekommen, schloss sie die Tür. Die ersten Tage am Set waren lang und anstrengend gewesen. Und das lag nicht nur daran, dass sie ein Dutzend Frauen in Schach halten musste, die O’Malley umschwärmten wie Bienen den Blütennektar. Es ist schließlich mein Job, dachte sie, während sie Shorts und T-Shirt anzog, die ihr als Pyjama dienten. Täglich waren tausend Details zu bedenken, und O’Malley war nur eins davon. Daran lag es nicht, wenn sie sich nachts schlaflos im Bett wälzte oder diese verwirrenden Träume hatte, in denen sie die Ereignisse des vergangenen Tages verarbeitete.

Kein Wunder, dass es ihr nach solchen unruhigen Nächten vorkam, als wäre jeder Blick von O’Malley, jeder Scherz, jedes Küsschen für eine der Kandidatinnen in Wahrheit für sie bestimmt. Sie hatte schon gehört, dass man in der abgeschlossenen Welt des Drehortes die Realität aus den Augen verlor. Natürlich wurde sie damit fertig, aber allmählich waren ihre emotionalen Kräfte erschöpft.

Sogar ihr hartes, schmales Bett schien ihr jetzt verlockend. Sie rubbelte ihr feuchtes Haar trocken. Das war ein Vorteil von glattem Haar und einem guten Festiger – sie brauchte nicht zu föhnen. Sie würde es nur bürsten und am Morgen hochstecken, und schon war sie vorzeigbar.

Sie schlug die Bettdecke zurück und wollte sich gerade hinlegen, als sich ihr Pieper meldete. Verflixt! Wer war das denn?

O’Malley. Was mochte er wollen, kurz vor Mitternacht? Hatte er von den Frauen vorhin nicht genug Zuwendung bekommen? Portia war kein Nachtmensch. Sie war müde und gereizt, und sie hatte Feierabend, obwohl sie eigentlich rund um die Uhr im Dienst war. Aber für heute hatte sie genug von O’Malley, von seiner unheilvollen Attraktivität, seinem lässigen Charme, seinem Duft, der sie ständig verfolgte, selbst wenn Rourke gar nicht in der Nähe war. Und vor allem hatte sie genug von ihrer Reaktion auf ihn.

„Was steht an, O’Malley?“, fragte sie ohne Umschweife – keine gute Wortwahl bei einem Mann, der viele Stunden mit einem Dutzend heißer Ladies verbracht hatte. „Ich meine, brauchst du etwas?“ Auch nicht gerade geschickter. Sie gab auf.

„Ich … also, ich komme nicht mehr hoch“, erwiderte er mit gepresster Stimme.

Das konnte doch nun wirklich nicht sein Problem sein. Portia war ein wenig enttäuscht von dieser plumpen Anmache. „Wie redest du denn mit mir?“, fuhr sie ihn an.

Er lachte, doch hörbar angestrengt. „Du hast mich falsch verstanden. Ich kann nicht mehr aufstehen. Ehrlich! Du musst mir helfen.“

„Wieso kannst du nicht aufstehen?“

„Hör mal, glaubst du, ich blamiere mich gern vor dir und belästige dich mitten in der Nacht? Aber in diesem Zustand kann ich morgen nicht drehen, verstehst du?“

Himmel, sie war so erleichtert, dass er nicht an Impotenz litt, sie hatte überhaupt nicht an die Konsequenzen für den Dreh gedacht.

„Wo bist du gerade?“, fragte sie.

„Auf dem Boden in meinem Zimmer.“

„Was in aller Welt …“ Egal, sie würde es bald erfahren. „Bin schon unterwegs.“

„Vielen Dank.“

Da sie im Grunde ständig im Dienst war, hatte sie kaum Freizeitkleidung dabei. Aber in dieser Situation ein Kostüm oder einen Hosenanzug anzuziehen kam ihr doch zu albern vor. Nun, er würde sie in Shorts und T-Shirt ertragen müssen. Sie schlüpfte in Flip-Flops und schloss die Tür hinter sich. Als sie am Bad vorbeikam, hörte sie Jacey unter der Dusche singen. Portia lächelte. Wer hätte das von Jacey, diesem Grufti, gedacht? Man lernte eben nie aus. Vielleicht war es auch wirklich Liebe. Jacey machte aus ihrem Glück mit Digg keinen Hehl.

Die beiden hatten sich im letzten Jahr bei einer Show kennengelernt. Digg war Kandidat, und Jacey Kamerafrau. Gerüchten zufolge war Jacey gekündigt worden, und Digg wäre um ein Haar aus der Show geflogen. Techtelmechtel zwischen Team und Kandidaten waren nicht nur schlechter Stil, sondern auch streng verboten. Die Episode hatte Digg beinahe eine Million Dollar gekostet und Jacey den Job.

Portia ging durch das Labyrinth der Korridore, die so spät nachts gespenstisch wirkten, und hielt sich das abschreckende Beispiel von Jacey und Digg vor Augen. Doch als sie O’Malleys Zimmer betrat, hätte sie fast laut gelacht. Zusammengekauert wie ein Hase hockte er am Boden und sah unglücklich zu ihr hoch.

„Du solltest deine Tür abschließen.“

„Ich hab’s vergessen. Zum Glück, sonst wärst du nicht hereingekommen.“

„Ich wage kaum zu fragen, aber wie hast du das fertig gebracht?“

„Fitness-Übungen. Und wenn du lachst, drehe ich dir den Hals um.“

Seine Stellung musste äußerst unbequem sein, aber Rourke zwinkerte ihr zu.

„Im Moment wirkst du nicht sehr bedrohlich auf mich.“

„Warte nur, bis ich wieder einsatzfähig bin.“

Ihre Bemerkung war wohl doch etwas voreilig gewesen. Jetzt, wo sie einigermaßen beruhigt über O’Malleys Zustand war, bemerkte Portia, dass er nur seine Pyjamahose anhatte, und sonst nichts. Oh ja, sein nackter Rücken war sehenswert, ein wahres Kunstwerk. Ihr Mund wurde trocken, ein Hitzestoß durchfuhr ihren Körper.

Mit der Zunge befeuchtete sie ihre Lippen. „Und wie kann ich dir helfen? Ich bin keine Ärztin.“

„Das ist mir schon zwei Mal im Fitness-Center passiert. Der Trainer hat sich dann jedes Mal hinter mich gestellt und vorsichtig, aber energisch an meinen Schultern gezogen.“

„Okay.“ Portia trat hinter ihn und schluckte. Aus der Nähe sah er noch aufregender aus. Das Licht von der Nachttischlampe verlieh seiner Haut einen goldenen Schimmer.

„Du müsstest dich über mich stellen und deine Arme unter meine Achseln schieben.“

Breitbeinig ging sie über ihm in Position, die Waden dicht an seinen Hüften. Sie beugte sich herunter und schob die Hände unter seinen Achseln hindurch nach vorn. Er hatte Schmerzen, und sie musste ihm helfen, aber bei allen Göttern – es war so aufregend, seine seidige Haut berühren, seinen Duft einzuatmen und seine Hüften an ihren nackten Beinen zu spüren.

„Versuch bitte nicht, mich hochzuziehen. Drück nur nach vorn, damit ich mich strecke.“

Portia hielt inne, die Arme um seinen muskulösen Oberkörper geschlungen, das Gesicht dicht an seinem dunklen Haar, ihre Brüste – sie trug keinen BH – streiften leicht über seinen Rücken. „Ich habe so was noch nie getan. Und wenn ich nun etwas falsch mache?“

Erstens wollte sie Rourke nicht wehtun, und zweitens durfte sie den Star nicht beschädigen, wollte sie nicht den Zorn ihrer Bosse heraufbeschwören. „Wir sollten lieber einen Arzt holen.“

Sie ließ ihn los und atmete wieder freier.

„Unsinn, du bist geschickt, das weiß ich. Ich vertraue dir vollkommen. Verschränk die Hände vor meiner Brust, dann hast du mehr Kraft.“

Erneut schlang sie Arme von hinten um ihn, faltete die Hände und drückte sie an seine breite Brust.

Plötzlich wurde es Portia bewusst, dass sie zehn Jahre lang keinen Sex mehr gehabt hatte. Ihre Brustspitzen richteten sich bei der Berührung mit Rourkes Haut auf. Ausgerechnet jetzt mussten ihr derartige Gedanken kommen!

„So ist es richtig“, stieß er mit gepresster Stimme hervor.

Bestimmt litt er sehr, und sie schwelgte wie eine sexhungrige Närrin in lüsternen Fantasien. Aber sie hungerte in der Tat nach Sex, nur war ihr das bislang nicht klar gewesen. In Rourkes Nähe konnte sie allerdings an nichts anderes denken.

Sie spürte, wie sein Herz heftig pochte. Er vertraute ihr, und sie würde ihn nicht enttäuschen. Sie drückte gegen seinen Rücken, zog langsam seine Schultern nach hinten und brachte Rourke schließlich in eine sitzende Stellung.

„Uh, ich muss mich hinlegen. Wenn du jetzt bitte loslassen würdest?“

Beschämt über ihr Festklammern ließ sie hastig los und trat einen Schritt zurück. Seine körperliche Nähe hatte sie so erregt, dass sie möglichst viel Distanz brauchte.

„Geht es dir besser?“, erkundigte sie sich, während sie zur Tür ging, um auf der Stelle das Weite zu suchen.

„Ich bitte dich nicht gern, aber ich brauche noch eine Eispackung.“ Vorsichtig hievte er sich aufs Bett und legte sich auf den Bauch. „Neben der Couch ist ein Kühlschrank, klugerweise als Seitentisch verkleidet. Darin müsste Eis sein.“

„Hast du irgendwo eine Plastiktüte?“

„Da war eine, aber der Zimmerservice hat sie mit meiner Wäsche mitgenommen.“

„Warte mal kurz.“

„Ich rühre mich nicht vom Fleck“, bemerkte er trocken.

Portia ging ins Bad und schaute sich um. Auf der Ablage sah sie Rourkes Rasierzeug, Deo, Zahnbürste, Kamm, doch keine Tüte. Sie griff nach einem Handtuch.

In ihrem Zimmer hatte sie eine Plastiktüte, aber dafür müsste sie den langen Irrweg durch die dunklen Korridore hin- und zurücklaufen. Kein reizvoller Gedanke. Wahrscheinlich gab es auch in der Küche oder der Wäschekammer Plastiktüten, doch auch das hieße weiteres Herumlaufen, womöglich müsste sie einen Dienstboten wecken.

Sie kehrte ins Zimmer zurück. Lass dir was einfallen, Mädchen, befahl sie sich. Vielleicht fand sie im Nachtschrank etwas. Sie zog die Schublade auf und wühlte darin herum. Nichts, außer den Kondomen. Frustriert schob sie die Schublade zu. Moment … Oh nein! Aber warum eigentlich nicht? Erneut machte sie die Schublade auf und nahm ein Kondom heraus.

„Oh, Portia, du lässt meine kühnsten Träume wahr werden“, sagte Rourke, „aber ich fürchte, ich bin nicht in der Stimmung. Augenblick – was rede ich da? Die aufregendste Frau der Welt steht vor meinem Bett und wickelt ein Kondom aus. Natürlich bin ich in Stimmung. Ich lege mich einfach auf den Rücken, aber du musst die meiste Arbeit machen.“

In ihrem überhitzten Hirn stellte sie sich vor, wie sie sich auszog, ihm die Pyjamahose abstreifte und sich über ihn beugte. Nein, nein und nochmals nein!

„Ich mache dir eine Eispackung. Und zwar für den Rücken.“

„Ach so.“ Einen Moment lag er mit geschlossenen Augen da, dann sah er sie an. „Ich wünschte, ich könnte meine Aussagen ungeschehen machen. Als wäre es nicht schon peinlich genug, dass du mich in diesem Zustand erlebt hast.“

„Und ich mag mir lieber nicht vorstellen, was in deinem Kopf vorgeht.“ Er hatte sie die aufregendste Frau der Welt genannt. Die Bemerkung ging ihr nicht aus dem Kopf.

Ohne Zögern blies sie das Kondom auf, während O’Malley sie beobachtete. Und in seinem Blick lag sich nicht etwa Schmerz.

Plötzlich war es unglaublich heiß im Zimmer – als hätte man eine Heizung angestellt. Doch es waren nur ihre heißen Fantasien. Sie begann, Eiswürfel in den Gummischlauch zu füllen, was nicht ganz einfach war. Ihre Hand, mit der sie das Kondom hielt, war warm, das Eis kalt. Verdammt noch mal, warum hatte sie auch noch eins mit Gleitmittel genommen?

„Okay, meine Würde ist ohnehin lädiert, also kann ich ruhig gestehen, dass ich den Anblick nicht aushalte.“ Er schloss die Augen und öffnete sie gleich wieder. „Vielleicht sollte ich einfach nicht hinschauen.“

Sie sollte ihm den Rücken zuwenden, ins Bad gehen, sich irgendwie anders verhalten. Stattdessen benahm sie sich wie die Heldin aus einer Seifenoper und reizte ihn bewusst, indem sie mit sinnlichen Bewegungen an dem Kondom auf und ab strich. Hatte sie ihren Verstand draußen in den gespenstischen Korridoren gelassen? Die erotisch aufgeladene Atmosphäre machte sie fast benommen.

„Du bist ein ganz verdorbenes Weib, Portia Tomlinson. Ich glaube sogar, du hast einen Hang zum Sadismus.“

„Und du schaust zu. Bist du vielleicht Masochist?“

„Wenn es um dich geht, könnte das durchaus sein.“

Sie verknotete den eisigen Phallus. Schon damals, als sie bei Kindergeburtstagen als Clown jobbte, hatte sie geahnt, dass die Übung im Zuknoten von Luftballons sich eines Tages auszahlen würde.

Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. „Schade um das gute Stück, aber Not kennt kein Gebot. Wo tut es dir weh?“

„Du willst es nicht wirklich wissen, oder? Leg es mir fürs Erste aufs Kreuz.“

Sie lachte, umwickelte das Ganze mit einem Handtuch und kniete sich auf die Bettkante. Dann legte sie das Bündel knapp über seinen Bund. „Gut so?“

„Etwas weiter unten.“

Sie schob das Handtuch ein bisschen nach unten. Rourke zu berühren war keine gute Idee. „Besser?“

„Nein, noch weiter runter.“

Sie rückte es noch ein wenig tiefer und entdeckte nichts als nackte Haut.

„Da ist es richtig.“

Offenbar trug er keine Unterhose. Nur dieser aufregende nackte Körper unter dem dünnen Baumwollstoff. Auf einmal fand sie die Situation gar nicht mehr lustig. Sie hatte Mühe zu atmen, sie konnte den Blick nicht von dem Streifen Haut wenden. Plötzlich war Rourke O’Malley nicht mehr bloß irgendein gut aussehender Kerl in Hollywood, sondern der Mann, der sie als die aufregendste Frau der Welt bezeichnet hatte.

Es wäre so leicht, sich auf dieses Spiel einzulassen. Sie könnte ihn auf den Rücken drehen, ihn streicheln, bis er erregt wäre. Dann könnte sie ihre Sehnsucht stillen, bis sie beide erschöpft wären.

Sie sprang vom Bett, als hätte sie sich verbrannt.

„Schlaf gut“, stieß sie hervor. Ihre Vernunft gebot ihr, sofort aus der Tür zu marschieren, doch ihre Unvernunft ließ sie regungslos in Betrachtung des sexy, halb nackten O’Malley auf den seidigen Laken verharren.

„Vielen Dank für alles“, sagte Rourke. Er zeigte auf ihr T-Shirt. „Stimmt das?“

„Was?“ Portia blickte auf ihr T-Shirt mit dem Aufdruck „Ich liebe intelligente Männer!“ Danny hatte es ihr zum Valentinstag geschenkt. Ihr Sohn war ungeheuer stolz auf seine guten Noten in der Schule. „Ach so, ja … Das hat mir eine Freundin geschenkt. Ich liebe intelligente Männer. Schließlich wohne ich mit einem zusammen.“

„Verstehe.“ Das Strahlen in Rourkes Augen erlosch.

„O’Malley, ich möchte, dass du eins begreifst. Das hier ist nie passiert.“ Portia eilte zur Tür. Nichts in dem dunklen Labyrinth der Korridore konnte so beängstigend sein wie das, was sie sich von O’Malley wünschte.

4. KAPITEL

Am nächsten Morgen erschien Rourke Punkt neun Uhr auf der Terrasse. In der Nacht hatte er kaum geschlafen, sondern immer wieder die peinlichen Szenen vor seinem geistigen Auge ablaufen lassen: Als er Portia erklärte, wie gern er mit ihr schlafen würde, als er stumm süße Qualen litt, während sie seine nackte Haut berührte und er ihre Brüste am Rücken spürte. Er konnte das Rätsel dieser faszinierenden Frau nicht lösen. Sein einziger Trost bestand darin, dass er ihr ebenfalls nicht gleichgültig zu sein schien.

Sie saß am anderen Ende der Terrasse, wo keine Weinlaubpergola Schutz vor der strahlenden kalifornischen Sonne spendete. Er ging zu ihr hinüber, vorbei an dem mit Mosaiksteinen ausgelegten Springbrunnen, der inmitten der lichtüberfluteten Terrasse sprudelte.

Portia blickte von ihrem Klemmbrett hoch, auf dem sie sich Notizen machte, und schenkte ihm ein unverbindliches Lächeln, ganz die tüchtige Produktionsassistentin. „Guten Morgen. Schön, dass du pünktlich bist.“ Er hatte bereits bei den Dreharbeiten für The Last Virgin festgestellt, dass sie unermüdlich arbeitete, eine grenzenlose Geduld besaß und niemals unpünktlich war.

Wie an den anderen Tagen würde er auch heute nach dem morgendlichen Briefing kaum einen Moment mit ihr allein sein. Ständig umringten ihn Kameraleute, Garderobieren, Tontechniker. Er beschloss, die Gunst der Stunde zu nutzen.

„Wegen gestern Abend …“

„Du hast dich beim Dinner hervorragend gehalten“, unterbrach sie ihn. „Du hast keine der Frauen vernachlässigt. Bist du schon zu einer Entscheidung gelangt?“ Sie lächelte, trank einen Schluck Tee, war freundlich und sachlich. Offensichtlich war der Teil des gestrigen Abends, über den er sprechen wollte, für sie kein Thema.

Wie sie hier so saß, in ihrem tadellosen Kostüm, das Haar streng hochgesteckt, schienen die Ereignisse der Nacht in der Tat weit weg zu sein. Aber es war geschehen, und er würde nicht einfach darüber hinweggehen. Zu lebendig war die Erinnerung an Portia in seinem Zimmer.

Er hatte sich wie ein Trottel benommen. Als er sah, wie sie die Kondompackung aufriss, war das für ihn, als könnte er im Lotto den Jackpot gewinnen. Es war ein Moment der plötzlichen Erkenntnis, dass er diese Frau wollte und nicht die anderen aus der Show.

„Hast du dich entschieden, wer ausscheiden soll?“, fragte sie erneut nach und riss ihn aus seinen Gedanken.

Wenigstens diese Frage war leicht zu beantworten. „Lissa Freeman.“

Portia runzelte die Stirn. Rasch fuhr er fort: „Ich bin fest entschlossen. Es ist nicht einmal wegen der Geschichte mit ihrem Walkie-Talkie am ersten Tag oder weil sie an mir klebt wie ein Klette.“

Rourke blickte an Portia vorbei auf den eindrucksvollen Canyon und die Luxusvillen am Hügel. „Sie machte mehrmals abfällige Bemerkungen über die anderen Kandidatinnen. Mit Frauen, die andere herabwürdigen, kann ich nichts anfangen.“ Er wandte dem Canyon den Rücken zu und schaute Portia an. Die Sonne schien warm auf seine Schultern, und Portias Duft wehte zu ihm herüber.

„Dann ist Lissa also draußen.“ Über den Rand ihrer Tasse hinweg warf Portia ihm einen Blick zu. „Sie geht dir echt auf die Nerven, wie?“

Rourke schob die Hände in die Hosentaschen. „In der Schule gehörte ich oft zu denen, über die gelästert wurde. Ich weiß, wie das ist.“ Warum sollte er ihr nicht davon erzählen? Noch mehr als am Abend zuvor konnte er sich nicht vor ihr blamieren.

Sie hob die Augenbrauen. „Das kann ich nicht glauben.“

Er zuckte mit den Schultern. „Mein Spitzname war Rourke die Gurke.“

„Wieso das denn?“

„Vielleicht, weil es sich reimt?“ Jetzt war es ihm doch peinlich, davon angefangen zu haben. Verlegen lehnte er sich an den mit Weinranken bedeckten Stützbalken. „Ich war lang und dünn, trug eine starke Brille und eine Zahnspange wegen meines Überbisses. Ich war nicht gerade ein toller Hecht, und ich wusste das. Aber ich wollte es nicht dauernd in der Pause oder in der Umkleidekabine zu hören bekommen.“

„Das war bestimmt schlimm“, meinte Portia mitfühlend.

Autor

Jennifer La Brecque
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Linda Conrad
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Ann Major

Ann Major wird nicht nur von ihren Leserinnen sehr geschätzt, sondern bekommt auch von anderen Romance-Autorinnen wie Nora Roberts und Sandra Brown tolle Kritiken.

Aber ihr Erfolg ist hart erarbeitet, denn sie sagt von sich selbst, dass sie keine Autorin ist, der alles zufliegt. Sie braucht die täglichen kleinen Rituale...

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