Feurige Küsse im Winterpalast

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Für die warmherzige Ekaterina ist der winterlich geschmückte Katarinenpalast ein Gefängnis und die Dekadenz der Zarin schockiert sie. Einziger Lichtblick sind die leidenschaftlichen Momente mit dem verführerischen Andrej - für die Ekaterina schon bald ihr Leben riskiert!


  • Erscheinungstag 21.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759858
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ekaterina Romanowa, die älteste und zugleich schönste Tochter von Baron Dimitri, stand umgeben von gackernden Hühnern vor der Palastküche. Obwohl sie die Nichte der herrschenden russischen Kaiserin war, trug sie nur ein schlichtes Kleid und einen einfachen Wollmantel. Ihre vollen, dunklen Locken hatte sie nicht hochgesteckt, daher fielen sie ihr wild durcheinander bis weit in den Rücken. Ihre zarte Haut war frei von jenem weißen Puder, der gegenwärtig so in Mode war.

Hätte ihr alter Vater dieses völlig schmucklose Erscheinungsbild gesehen, er wäre wahrscheinlich vom Schlag getroffen tot zu Boden gesunken. Ihre Mutter wäre bei ihrem Anblick ohnmächtig geworden, und ihre jüngeren Schwestern hätten erst lautstark ihr Missfallen kundgetan und dann vor Scham das Gesicht verhüllt.

Doch Ekaterina kümmerte sich nicht darum, was irgendwer von ihr denken mochte.

„Kommt, Kinder“, rief sie mit ihrer sanften, glockenhellen Stimme. „Kommt und holt euch Brot!“

Im nächsten Moment wurde die junge Adlige von einer Schar hungriger Kinder umschwärmt, die ihr die schmutzigen Hände entgegenstreckten und sich gegenseitig zu übertönen versuchten. Jedes der Kinder wollte unbedingt einen der großen, in der kalten Luft dampfenden Brotlaibe zu fassen bekommen, um ihn zu seiner ausgehungerten Familie zu bringen.

„Brot! Brot!“, riefen die Kinder und versuchten mit Pfiffen auf sich aufmerksam zu machen.

„Ja, richtig“, erwiderte Ekaterina lachend. „Brot. Aber schubst euch nicht gegenseitig weg, es ist genug für euch alle da!“

Augenblicke später waren in dem großen Bastkorb nur noch ein paar Brotkrumen zu finden. Ekaterina lächelte zufrieden, während um sie herum dicke, schwere Schneeflocken lautlos zu Boden fielen. Es war nicht mehr lange bis zum Weihnachtsfest, und das Brot, das sie eben verteilt hatte, würde für die Familien der kaiserlichen Dienerschaft ein Segen sein. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sie daheim vor ihren Tellern mit Eintopf saßen und dazu eine noch warme Scheibe Brot aßen. Normalerweise mussten sie sich mit winzigen Rationen Getreide begnügen, damit sie durch den schier endlosen Winter kamen, der mit seinen eisigen Temperaturen das Leben für die meisten Menschen nahezu unerträglich machte.

Als fröhliche Weihnacht konnte man das wohl nicht bezeichnen, überlegte sie und widerstand der Versuchung, ihr Missfallen laut zum Ausdruck zu bringen. Oben im Norden versuchte ihr Vater die Dienerschaft gerecht zu behandeln, und es war sein Vorbild gewesen, das sie seit jeher dazu veranlasste, sich für die Rechte der Bauern einzusetzen. Immerhin war es deren harte Arbeit, die den Reichen ein Leben in Luxus erlaubte. Doch hier im Katharinenpalast, der verschwenderischen Rokoko-Residenz der russischen Herrscher, wurden die Bauern und Diener kaum besser behandelt als ein beliebiger Esel oder ein Hund. Die Menschen waren gezwungen, sich mit den winzigsten Portionen zufriedenzugeben und jeden Krumen gierig aufzulesen, den die Kaiserin ihnen hinwarf. Sie mussten sich damit abfinden, weil die einzige andere Wahl der Hungertod gewesen wäre.

Ekaterina verzog mürrisch das Gesicht, als sie an ihre Tante dachte, Kaiserin Anna von Russland. Sie war eine fast erschreckende Erscheinung, ihr ganzer Leib war vom jahrelangen Genuss der köstlichsten und fettigsten Gerichte aufgegangen wie ein Hefeteig. Ekaterina konnte kaum fassen, dass ihre Tante in diesem straff geschnürten Korsett überhaupt noch einen Atemzug tun konnte.

Viel schlimmer als die unbekümmerte, dekadente Lebensart war das gehässige und rachsüchtige Wesen dieser Frau.

Ekaterina schlenderte gemächlich zum Rand des von Mauern umgebenen Innenhofs. Dabei zog sie ihre fein gezeichneten Augen­brauen nachdenklich zusammen. Dass sie aufgefordert worden war, sich am kaiserlichen Hof in Sankt Petersburg einzufinden, war für die im Norden beheimatete Familie Romanowa eine unerfreuliche Überraschung gewesen. Kaiserin Anna hatte stets Abstand zum alten Adel im Allgemeinen und insbesondere zu ihren Geschwistern gewahrt, deshalb konnte es nichts Gutes bedeuten, dass sie die jüngste Tochter ihres Bruders zu sich an den Hof bestellt hatte.

Entgegen der Ansicht vieler anderer war eine solche Aufforderung keinesfalls eine Ehre, sondern mehr eine Art unterschwellige Kriegserklärung. Als junge, unverheiratete Adlige konnte Ekaterina als politische Geisel benutzt oder einfach nur zum Spaß gedemütigt werden. Erst letztes Jahr hatte ein Angehöriger der Oberschicht wegen irgendeiner bedeutungslosen Angelegenheit die Gunst der Kaiserin verspielt, und sie hatte den ältlichen Mann gezwungen, am Hof für ihre Belustigung zu sorgen. Die hatte darin bestanden, ihn splitternackt in einen für diesen Zweck angefertigten goldenen Käfig zu stecken, wo er wie ein Vogel kauern und krächzen musste. Schlimmer aber war noch, dass die große Familie des Adligen während des harten Winters aus unerfindlichen Gründen völlig spurlos verschwand. Ohne jeden Zweifel hatte das etwas mit der persönlichen Polizeitruppe von Kaiserin Anna zu tun gehabt.

Seit ihrer Ankunft vor nicht ganz einer Woche war es Ekaterina immer wieder gelungen, eine unmittelbare Begegnung mit ihrer Tante zu vermeiden. Stattdessen hatte sie sich hinter den ehrgeizigeren Damen am Hof mit ihrem Kopfschmuck aus Edelsteinen und Federn versteckt. Dabei war einige Anstrengung erforderlich, um an einem so ausgelassenen, verderbten Hof nicht aufzufallen. Um hier nicht den Verstand zu verlieren, blieb Ekaterina nichts anderes übrig, als zu bewährten Methoden zu greifen, indem sie sich beispielsweise inkognito dort aufhielt, wo nur das einfache Volk anzutreffen war.

Als sie die um den Hof verlaufende Mauer erreichte, fiel ihr leises, glockenhelles Lachen auf. Sie blieb stehen und sah zu einer kleinen Gruppe Kinder, die aus Kiefernzweigen schlichten Weihnachtsschmuck bastelten. Was sie dort schufen, hatte nichts mit der teuren, kitschigen Dekoration zu tun, die ihre Tante für die Weihnachtszeit hatte beschaffen lassen. Für die Kinder gab es keine kristallenen Kugeln und strahlenden Kerzen, sondern nur ein paar tiefrote Beeren. Zusammengehalten wurde das Ganze von ausgefransten Stücken Schnur, und dennoch gefiel Ekaterina das, was sie dort sah, weitaus besser.

Als sie zu ihnen ging und der Neuschnee bei jedem Schritt unter ihren Stiefeln knirschte, drehten sich die Kinder zu ihr um. Ekaterina sah in die geröteten Gesichter und lächelte, mit den Fingerspitzen strich sie über die angenehm duftenden Kiefernnadeln.

„Das sieht wunderschön aus, Kinder“, lobte sie sie, woraufhin die Kinder sie freudig anlächelten. Ekaterina tätschelte jedem von ihnen den Kopf, dann beugte sie sich vor, zwinkerte ihnen zu und sagte: „Kommt morgen zu mir in die Küche. Ich habe Süßes, das ihr untereinander aufteilen könnt.“

Sie richtete sich auf und setzte ihren Spaziergang fort, während ihr warm ums Herz wurde, da sie hinter sich das aufgeregte Kichern der Kinder hörte. Ihr Weg führte an der Mauer entlang bis zu einem schmiedeeisernen Tor. Sie öffnete es und durchschritt den Torbogen. Vor ihr erstreckte sich eine wundervolle Winterlandschaft. Strahlend weißer Schnee bedeckte die weitläufigen Weiden, die in Abständen von kleinen Hainen aus immergrünen Bäumen unterbrochen wurden. Ekaterina ließ den Palast hinter sich zurück, um der Natur näher zu sein. Dabei genoss sie die kalte, klare Luft auf ihrer Haut und den Anblick eines strahlend blauen Himmels, der sich in alle Richtungen erstreckte, so weit das Auge reichte.

In diesem Moment bemerkte sie ihn.

Ein Mann stand mitten auf dem Feld, die Daumen in die Hosentaschen eingehakt, den Blick von Ekaterina abgewandt. Seine Fußspuren waren die einzigen im funkelnden Schnee. Obwohl der kalte Wind sein locker sitzendes, weißes Hemd flattern ließ, zeigte der Mann keine Regung. Er schien nicht einmal vor Kälte zu zittern! So starr verharrte er auf seinem Platz, dass nur sein in weißen Wölkchen aufsteigender Atem erkennen ließ, dass er ein lebender Mensch war, aber keine Statue.

Doch was hätte er für eine Statue abgegeben! Er hätte jeden mythischen, aus Marmor gehauenen Gott vor Neid erblassen lassen. Sogar aus ihrem momentanen Blickwinkel, der sie vor allem seinen Rücken sehen ließ, gab er vor dem vollkommenen Blau des Himmels am Horizont eine beeindruckende Silhouette ab. Er war groß, schlank und muskulös, was durch sein wallendes Leinenhemd und die eng anliegende Wollhose noch unterstrichen wurde. Dieser Mann hatte breite Schultern, sein dunkles zerzaustes Haar wurde vom Wind so zur Seite geweht, dass sie ein wenig von seinem unrasierten kantigen Kiefer erkennen konnte. Ekaterina musste schlucken, als er das Gewicht von einem Bein aufs andere verlagerte. Gebannt hielt sie den Atem an, da er plötzlich losging und sie bei jedem Schritt den Neuschnee unter seinen Schuhsohlen knirschen hörte. Sein Ziel schien ein kleiner Hain zu sein, hinter dem sich ein schmaler Bach versteckte.

Er ging weg!

Ekaterina konnte sich nicht von der Stelle rühren. Stattdessen stand sie wie angewurzelt da, während sie fast verzweifelt bemüht war, den Fremden nicht aus den Augen zu verlieren. Ihre Neugier war unstillbar, dennoch vergaß sie darüber nicht, dass es äußerst riskant sein konnte, einem Unbekannten hinterherzulaufen.

Sie biss sich auf die Lippe und zog die Augenbrauen zusammen, während der Mann in der Ferne entschwand. Sollte sie es wirklich wagen, ihn auf sie aufmerksam zu machen und ihre Unversehrtheit aufs Spiel zu setzen, nur damit sie diesen gut aussehenden Fremden einmal aus der Nähe betrachten konnte? Genau in diesem Moment blieb der Mann stehen und drehte den Kopf zur Seite, sodass sie sein Profil zu sehen bekam, während der Wind ihm die dunklen Locken aus dem Gesicht wehte. Ekaterinas Magen wurde von einem unerklärlichen Kribbeln erfasst.

Ja, antwortete sie auf ihre unausgesprochene Frage, weil sie einfach nicht anders konnte.

Entschlossen folgte sie ihm und achtete darauf, möglichst in seine viel größeren Fußstapfen zu treten, damit sie bei ihren Schritten keine Geräusche verursachte, die der Fremde hätte hören können. Andererseits, so überlegte sie, wäre das für ihn vielleicht ein Anlass gewesen, sich zu ihr umzudrehen. Ihr ging es ja nur um einen kurzen Blick auf sein Gesicht, sagte sie sich. Nur ein ganz flüchtiger Blick, der ihre Neugier stillen würde, mehr nicht. Während sie weiter seinen ausladenden Schritten folgte, ging ihr die Frage durch den Kopf, ob er auf ihre Anwesenheit verärgert reagieren oder ob ihre Kühnheit sein Interesse wecken würde.

Alle Gedanken verstummten im nächsten Augenblick, da der Mann den Bach erreicht hatte, der fast vollständig zugefroren war. Sie blieb stehen, weil sie damit rechnete, dass er sich spätestens jetzt umdrehen und sie dann entdecken würde. Doch dann wurden sie beide durch das Schnattern eines Gänsepaars abgelenkt. Hatten sie verpasst, nach Süden aufzubrechen? Wie war es ihnen möglich gewesen, bis jetzt zu überleben?

Der Mann griff in seine Hosentasche und holte ein paar Brotkrumen hervor. Er schnalzte ein paar Mal mit der Zunge, um die Gänse auf sich aufmerksam zu machen, dann warf er das Brot auf den schneebedeckten Boden und sah zu, wie die Vögel darüber herfielen und lautstark meckernd jedes noch so kleine Bisschen aufpickten. Wut kochte in Ekaterinas Bauch hoch und erfasste ihren ganzen Körper. Das Geschnatter dieser fetten Tiere machte sie umso wütender, da sie mitansehen musste, wie er ihnen weitere Krumen hinwarf.

Wie kann er es nur wagen? fragte sie sich und ging ohne zu überlegen weiter auf ihn zu. Wie kann er es nur wagen, sein Essen an simple Gänse zu verschwenden?

Der Fremde stutzte, als er auf einmal ihre Schritte im Schnee hörte. Er drehte sich zu ihr um und sah sie erstaunt an. Die Brauen zog er überrascht hoch.

„Ihr da!“, fuhr Ekaterina ihn an. Sie ging auf ihn zu, ihre blauen Augen weit aufgerissen. „Was glaubt Ihr denn, was Ihr da macht?“

Der Fremde hob die Hände, die letzten Krumen fielen zu Boden. „Ich füttere die Gänse“, antwortete er und sah sie weiter erstaunt an.

„Ihr füttert die Gänse?“, wiederholte Ekaterina ungläubig. „Ihr verfüttert Brot an die Gänse, während die Bevölkerung dem Hungertod nahe ist?“

Der Mann war verdutzt, seine Miene machte keinen Hehl aus seinem Erstaunen. Diese Frau hatte ihn bei seinem täglichen Ritual gestört, zu dem es gehörte, hinaus in die Wildnis zu gehen und seine Gänse zu füttern. Hier in der kalten, verlassenen Weite eine menschliche Stimme zu hören, war nichts, was er erwartet hätte … auch wenn er nicht hätte behaupten wollen, dass es völlig unerwünscht gewesen wäre. Ihre Stimme klang lieblich, auch wenn sie von Verärgerung geprägt war. In jedem Fall empfand er es als einen willkommenen Gegensatz zu der rauen Umgebung, die er für diesen Moment hinter sich zurückgelassen hatte. Er war nach hier draußen in die Natur gewandert, um dem Schweiß, dem Staub und den lautstarken Anweisungen zu entkommen. Die kalte, klare Luft und die natürliche Schönheit der Umgebung wirkten auf ihn üblicherweise erfrischend und belebend, doch jetzt … jetzt konnte er den Blick nicht von diesen Augen abwenden und von dem Feuer, das in ihnen loderte.

Die Frau ihm gegenüber war zierlich, aber ihre schmale Statur wirkte durch den zu großen Wollmantel noch viel kleiner und zerbrechlicher. Ihre leuchtend blauen Augen waren wie einzigartige Juwelen, die vor Leidenschaft brannten. Seine künstlerische Ader veranlasste ihn sofort, die Konturen ihres Gesichts nachzuzeichnen, angefangen am eleganten Bogen, den ihre Augenbrauen bildeten, bis hin zum vollkommenen Schwung ihrer verlockenden Lippen. Das pechschwarze Haar und der strahlende Teint bildeten einen deutlichen Kontrast zur kargen Landschaft ringsum. Am Hof hatte er sie bislang noch nie gesehen, und er war sich sicher, dass sie ihm aufgefallen wäre, wenn sie dort jemals anwesend gewesen wäre.

Auch wenn sie schlank und zierlich war, änderte es nichts daran, dass sie in diesem Moment vor Wut kochte. Er wich einen Schritt zurück, aber sie war gleich wieder dicht vor ihm und hob die Hand, um mit einem Finger seine Schulter zu traktieren.

„Also?“, fragte sie mit einem Tonfall, der ihre Stimme wie eine knallende Peitsche erscheinen ließ.

Abermals zielte sie mit dem Zeigefinger auf ihn, doch er bekam ihre Hand zu fassen, die er nur locker festhalten musste.

Autor

Linda Skye
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