Hausmädchen sucht: Millionär zum Verlieben

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VERLIEBT IN DEN CHEF? von ROBYN GRADY

Tristan traut seinen Augen kaum: Wer ist diese verführerische junge Fremde, die in seinem Swimmingpool ihre Bahnen zieht? Und wo steckt seine Haushälterin Ella …? Als er ihren Blick auffängt, stockt Tristan der Atem. Offenbar ist aus dem hässlichen Entlein, das still und unscheinbar seinen Haushalt führte, eine sinnliche Schönheit geworden! Aber warum sieht es in der Halle aus, als wären Einbrecher da gewesen? Was ist mit Ella los? Tristan ist fest entschlossen, ihr Geheimnis zu lüften … Doch statt seine Fragen zu beantworten, reicht sie die Kündigung ein!

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  • Erscheinungstag 08.02.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529150
  • Seitenanzahl 497
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robyn Grady

Verliebt in den Chef?

IMPRESSUM

BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
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Vertrieb: asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg
Telefon 040/347-27013

© 2009 by Robyn Grady
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1612 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Ute Launert

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 12 / 2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 978-3-86295-587-9

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

1. KAPITEL

Tristan Barkley wusste, wenn Gefahr im Verzug war. Als er die gläserne Schiebetür aufzog und einen prüfenden Blick auf den großen Garten hinter seinem Haus warf, verstärkte sich seine böse Vorahnung. Sein Herzschlag beschleunigte sich, seine Nackenhärchen richteten sich auf, und jeder Muskel in seinem Körper war gespannt.

Wo war Ella? Was war mit ihr geschehen?

Heute Morgen hatte er sich kurzfristig dazu entschlossen, abends zu einer Galaveranstaltung in Sydney zu gehen. Deswegen hatte er bereits zweimal versucht, seine Haushälterin anzurufen. Wegen der Gala war er von seiner siebentägigen Reise nach Melbourne extra einen Tag früher zurückgekehrt und brauchte jetzt seinen Smoking.

Zunächst dachte er sich nichts dabei, als Ella nicht ans Telefon ging – vielleicht kaufte sie gerade ein. Das tat sie oft, da sie großen Wert darauf legte, ihrem Chef jeden Wunsch von den Augen abzulesen und stets alles im Haus zu haben. Das war auch einer der Gründe, aus denen Tristan sie so sehr schätzte.

Als er aber vor einigen Minuten zu Hause angekommen war, hatte er gesehen, dass ihre Autoschlüssel am Haken hingen. Wenig später hatte ihm vor Entsetzen der Atem gestockt: Der Inhalt ihrer Lederhandtasche war achtlos auf dem Küchentresen ausgeschüttet worden. Ihre Uniform lag auf links gedreht auf dem Marmorboden. Einen ihrer schwarzen Schnürschuhe fand Tristan neben dem Esstisch, den anderen bei der Tür. Da stimmte etwas nicht. Was, wenn jemand in das Haus eingedrungen war … es gewagt hatte, Ella etwas anzutun …

Mit vor Aufregung klopfendem Herzen ging er hinaus und blieb abrupt stehen, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung in der hinteren Ecke des Gartens wahrnahm. Tristan sah genauer hin und entdeckte den Eindringling, und zwar im Swimmingpool, wo er mit kräftigen Bewegungen auf dem Rücken schwamm! Auf einen Blick erkannte Tristan, dass es sich um eine Frau handelte. Und was für eine! Sie trug einen roten Badeanzug, der mehr von ihrer aufregend kurvigen Figur preisgab, als er verhüllte.

Tristan stieß einen Ruf der Empörung aus. In der Vergangenheit hatte es eine Serie von Überfällen in seiner Nachbarschaft gegeben, und die Polizei vermutete, dass es sich um das Werk eines Gaunerpärchens handelte. Eine ältere Dame war in ihrem eigenen Haus überfallen und gefesselt worden. War diese braun gebrannte Frau möglicherweise die Freundin des unverschämten Diebes?

Er stürmte auf den Pool zu, als ihn ein anderer Gedanke durchzuckte. Was, wenn Ella nur eine Freundin eingeladen hatte? Als er allerdings näher darüber nachdachte, konnte er sich nicht daran erinnern, sie jemals über Freunde oder Familie sprechen gehört zu haben. Außerdem wäre das keine Erklärung für die ausgeleerte Handtasche und die achtlos hingeworfene Dienstkleidung. Es lieferte ebenfalls keinen Hinweis darauf, wo Ella steckte.

Mit langen Schritten eilte er auf das Schwimmbecken zu. Sobald er die Frau aus dem Wasser herausgezogen hätte, würde er, verdammt noch mal, seine Antworten bekommen.

Er erreichte den Beckenrand im selben Moment, in dem die geheimnisvolle Fremde aus dem Wasser stieg, wobei ihr das lange weizenblonde Haar über den Rücken fiel. Sie war vollbusig und hatte lange, wohlgeformte Beine. Sie sah aus, als wäre sie gerade einem Hochglanzmagazin für Bademode entstiegen.

Tristan blieb eine Armlänge von ihr entfernt stehen und verschränkte abwartend die Arme. Nichts ahnend richtete sich die Frau zu ihrer vollen Größe auf und strich sich über das feuchte Haar. Sie sah durch und durch wie ein James-Bond-Girl aus. Als sie Tristan bemerkte, sah sie ihn erschrocken an.

Vor Überraschung rang Tristan nach Atem und ließ die Arme kraftlos sinken. Verwundert blinzelte er einige Male und schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein. Die Haarfarbe hätte eigentlich braun sein müssen, und auch der Körper schien nicht zu ihr zu passen. Trotzdem stellte er die Frage, die ihm auf der Zunge lag. „Ella … sind Sie das?“

„Mr. Barkley?“ Die Wangen der blonden Sexbombe hatten auf einmal fast die gleiche Farbe wie die Zierrosen in den Terrakottatöpfen am Rand des Poolbeckens. „Wollten Sie nicht erst morgen kommen?“

„Ich habe vorhin angerufen.“ Zweimal , u m gena u z u sein .

Beherrscht von seinen Instinkten, konnte er den Blick nicht von ihr wenden und spürte förmlich, wie sein Blut zu kochen begann. Heilige Mutter Gottes, er hatte ja gar keine Ahnung gehabt …

Ella verschränkte nun ihrerseits die Arme über der Brust, was ihr ohnehin schon faszinierendes Dekolleté noch verführerischer zur Geltung brachte. Das konnte einfach nicht dieselbe Frau sein, die seit acht Monaten bei ihm arbeitete.

„Ich habe mir diese Woche beim Joggen den Fuß verstaucht“, erklärte sie. „Und weil ich auf jeden Fall trainieren wollte, bin ich stattdessen geschwommen.“ Sie sah zwischen Tristan und dem Pool hin und her, und aus ihrem feuchten Haar fielen feine Wassertropfen auf sein Anzugshemd. „Hoffentlich macht es Ihnen nichts aus.“

Tristan versuchte all die neuen Informationen zu verarbeiten. Seine bescheidene Haushälterin Ella lief regelmäßig, um sich fit zu halten? Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass sie sich für etwas anderes als saubere Badezimmer, die Ordnung in der Küche und pünktlich servierte Mahlzeiten interessierte … nicht zu vergessen für eher unauffällige Dienstkleidung. In diesem bemerkenswerten Badeanzug aber sah sie einfach umwerfend aus. Als ihm bewusst wurde, dass ihn dieser Anblick alles andere als kaltließ, schüttelte Tristan sich und straffte die Schultern. Seine Reaktion war vollkommen unangemessen, denn Miss Ella Jacob war nur eine Haushälterin – seine Angestellte – und schuldete ihm noch einige Antworten.

Er schluckte, um den Kloß im Hals loszuwerden, und deutete vorwurfsvoll auf das Haus. „Ihre Sachen sind überall in der Küche verstreut, und Ihre Handtasche ist auf dem Küchentisch ausgekippt worden.“ Was sollte man schon denken, wenn man so etwas sah? Er hatte sich furchtbare Sorgen gemacht.

Verlegen senkte sie den Blick. „Oh, das meinen Sie.“

Er runzelte die Stirn. „Ja, verdammt, genau das.“

Während das Wasser von ihrem Körper auf die Fliesen tropfte, entfernte sie sich einige Schritte von Tristan. „Das ist schwer zu erklären.“

„Genauso schwer wie die Tatsache, dass Sie plötzlich eine neue Haarfarbe haben?“ Er fragte sich ernsthaft, was in aller Welt hier eigentlich vor sich ging.

„Das hier ist meine Naturfarbe“, erklärte sie schulterzuckend. „Das Braun hat mir nicht mehr gefallen, und ich wollte meine alte Haarfarbe wiederhaben.“

Er brummte ungehalten, und zwar laut genug, dass sie es hörte. Zweifellos wich sie seinen Fragen aus, obwohl er kein schlechter Chef war und ihren Respekt verdiente – den sie ihm bisher auch immer gezollt hatte. Bis heute … Tristan konnte den Gedanken nicht zu Ende führen, weil ihm plötzlich ein übler Verdacht kam. „Haben Sie Schwierigkeiten, Ella?“, fragte er besorgt. „Gibt es etwas, worüber Sie mit mir nicht sprechen wollen?“

Sie blickte über die Schulter zu ihm, den sinnlichen Mund leicht geöffnet, und sah auf einmal sehr verletzlich aus. Nervös spielte Ella mit eine Strähne ihres blonden Haars. „Nein, keine Schwierigkeiten – eigentlich eher das Gegenteil.“

Sie machte einen Schritt auf die Sonnenliege zu, wobei Tristans Blick auf ihr Bein fiel. Ein sehr hübsches Bein, nebenbei bemerkt. Überhaupt hatte sie einen sehr schönen Körper. Wieder stieß Tristan einen verärgerten Laut aus. Es half nichts, er musste dem Geheimnis unbedingt jetzt auf die Spur kommen.

Ella nahm ein Handtuch von der Liege und wickelte es wie einen Sari um, bevor sie sich umdrehte, um ins Haus zurückzukehren.

Tristan stellte sich ihr in den Weg. „Ich erwarte eine Antwort, Ella“, sagte er im scharfen Ton und wendete den Blick nicht von ihr ab.

Das Wasser rann über ihr makelloses Gesicht. Er starrte in ihre saphirblauen Augen, die ihm vorher nie aufgefallen waren. Trug sie eigentlich normalerweise eine Brille? Er konnte sich nicht daran erinnern, sie jemals mit einer gesehen zu haben.

Ella öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich darauf wieder. Schließlich seufzte sie ergeben. „Ich wollte es Ihnen eigentlich morgen sagen.“

Ihm riss bald der Geduldsfaden, verärgert stemmte Tristan die Hände in die Hüften. „Ich schätze, Sie werden es mir jetzt schon sagen.“

Kaum merklich hob sie ihr Kinn. „Ich reiche meine Kündigung ein. In zwei Wochen gehe ich.“

Tristan hatte das Gefühl, als würde die Welt aus den Angeln gehoben. Verwirrt fasste er sich ins Haar. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. „Sie wollen kündigen? Warum? Wollen Sie mehr Geld?“ Das Gehalt, das er zahlte, war zwar überaus großzügig, falls sie aber mehr haben wollte – kein Problem. „Sagen Sie einfach, wie viel Sie wollen.“ Sie war die beste Haushälterin, die er jemals gehabt hatte – gründlich, selbstständig, unauffällig. Zumindest war sie das bis heute gewesen, und er hatte nicht vor, sie kampflos gehen zu lassen. Besonders jetzt nicht, da er wichtigen Besuch erwartete. Der kürzlich gewählte Bürgermeister einer benachbarten Kleinstadt hatte sich in drei Wochen zum Dinner bei Tristan angekündigt. Tristan wollte unbedingt einen guten Eindruck machen, denn davon hing der günstige Ausgang eines Geschäfts ab, in das er viel Zeit und Geld investiert hatte. Sein Verhältnis zu Bürgermeister Rufus war leider nicht immer das beste gewesen. Vielleicht würden auch Ellas ausgezeichnete Kochkünste nicht viel daran ändern, aber Tristan wollte jede Unterstützung, die er bekommen konnte.

„Es geht nicht um Geld“, antwortete Ella gelassen.

Plötzlich beschlich Tristan ein bestimmter Verdacht. Natürlich! Er rieb sich die Schläfe und versuchte, weniger streng zu klingen. „Also, wissen Sie, wenn Sie den Vorfall meinen, bevor ich gefahren bin …“

Sie errötete tiefer und schüttelte heftig den Kopf, wobei sich ihre Brust hob und senkte, und machte eine abwehrende Geste. „Nein, das ist nicht der Grund für meine Kündigung.“ Während sie das sagte ging sie weiter in Richtung Haus.

Tristan erlangte seine Selbstbeherrschung wieder und atmete erleichtert aus. Obwohl sie es bestritt, wusste er jetzt, warum sie kündigen wollte. Die Sache würde sich leicht wieder in Ordnung bringen lassen.

„Ich gebe zu, dass es sehr peinlich war“, sagte er, während er versuchte, mit ihr Schritt zu halten. „Aber es gibt keinen Grund, sich für irgendwas zu schämen oder etwas Überstürztes zu tun.“ Er erinnerte sich sehr gut an den besagten Morgen. „Sie haben gedacht, dass ich schon auf dem Weg nach Melbourne war. Es muss ein Schock für Sie gewesen sein, mich so plötzlich unbekleidet zu sehen.“

Mit gesenktem Kopf hielt sie weiter auf das Haus zu.

An jenem Morgen hatte er nackt in seinem Schlafzimmer gestanden, als Ella in den Raum gekommen war. Überrascht hatte sie nach Atem gerungen und ihn mit weit aufgerissenen Augen angestarrt. Als Tristan allerdings einen Schritt auf sie zugemacht hatte, um sie zu beruhigen, war sie auch schon wie ein verschrecktes Reh die Treppen hinuntergerannt. Nachdem er sich angezogen hatte, hatte er mit ihr darüber reden wollen, aber Ella war bereits aus dem Haus gegangen. Danach war er gleich für eine Woche verreist, und sie hatten nicht darüber gesprochen … bis jetzt.

Da sie zusammen in einem Haus lebten, konnte es schon mal zu vertrackten Begegnungen kommen: Sie überraschte ihn nackt im Schlafzimmer, er sah sie in einem aufreizend sexy Badeanzug im Pool schwimmen … Tristan fiel wieder ein, was er ursprünglich hatte wissen wollen. „Ihre Kündigung ist aber keine Erklärung dafür, was mit Ihrer Handtasche passiert ist.“ Die so achtlos ausgeschüttet worden war, als ob irgendein Verbrecher eilig etwas darin gesucht hätte, fügte er im Stillen hinzu.

Sie ging langsamer weiter und wickelte sich das Handtuch fester um. „Ich bekomme endlich das Erbe meiner Mutter ausgezahlt.“ Sie warf ihm einen flüchtigen Blick zu. „Es ist zwar nichts, verglichen mit Ihrem Reichtum, aber es reicht, um sorgenfrei zu leben. Der Testamentsvollstrecker hatte gestern Abend vergeblich versucht, den Betrag auf mein Konto zu überweisen. Deswegen hat er angerufen, um mich nach meiner Bankleitzahl zu fragen, aber ich habe das Buch nicht finden können, das ich normalerweise in meiner Tasche habe.“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Da habe ich wohl die Nerven verloren und alles auf den Tisch geschüttet.“

Normalerweise war Ella so gelassen und souverän wie Tristan, aber jetzt, nachdem er selbst übertrieben reagiert hatte, konnte er ihr Verhalten verstehen. „Aber was ist mit Ihrem Kleid? Und mit den Schuhen?“, hakte er nach.

Sie verzog kurz das Gesicht. „Als mein Anwalt mir sagte, dass am Montag das Geld auf meinem Konto ist, konnte ich nicht anders und musste die Schuhe auf der Stelle loswerden.“ Während sie langsam weitergingen, sah sie auf ihre nackten Füße. „Es tut mir leid. Ich habe nicht darauf geachtet, wo sie gelandet sind.“

Tristan steckte die Hände in die Hosentaschen. Ella hatte also geerbt. Es war zwar seltsam, aber irgendwie hatte er sich nie vorstellen können, dass sie Eltern hatte. Sie war ihm immer wie ein unbeschriebenes Blatt vorgekommen – er fragte sie nicht nach ihren Angelegenheiten und sie ihn nicht seinen. Obwohl zurzeit auch nicht wirklich viel in seinem Privatleben los war.

Er ging zur Seite, um sie durch die immer noch offen stehende Tür in die Küche zu lassen. „Mein Beileid wegen Ihrer Mutter“, sagte er.

Sie warf ihm einen Blick zu, aus dem er nicht schlau wurde. „Sie ist schon vor acht Monaten gestorben, bevor ich bei Ihnen angefangen habe.“

Als sie durch die Küche ging, wurde ihm bewusst, wie wenig er über das Leben seiner Haushälterin wusste. Sie hatte einfach mit der Begründung an seiner Tür gestanden, dass sie von der Stellenausschreibung gehört habe. Sie hatte keinerlei Referenzen, und obwohl er normalerweise darauf bestand, hatte er sie eingestellt. Irgendwie hatte er gleich das Gefühl gehabt, dass sie die Richtige für die Position war. Es passte einfach alles: ihr zurückhaltendes Auftreten, ihr unauffälliges Äußeres, die Art, wie sie ruhig und ohne Umschweife seine Fragen beantwortet hatte.

Normalerweise überdachte er jede seiner Entscheidungen gründlich, denn er hasste es, Fehler zu machen. Seine Brüder hatten ihn schon in seiner Kindheit Superhirn genannt und wegen seiner Pingeligkeit aufgezogen. Das schien jetzt eine Ewigkeit her zu sein, und obwohl Josh ihn schon seit Längerem nicht mehr besucht hatte, hielten die Brüder Kontakt zueinander. Allerdings hatte Tristan schon jahrelang nicht mehr mit seinem älteren Bruder Cade gesprochen, und wenn es nach Tristan ging, blieb es auch dabei.

Ella hatte in der Zwischenzeit auf dem Stuhl am Fenster Platz genommen und zuckte vor Schmerzen leicht zusammen.

Tristan folgte ihr. „Soll ich mir das mal ansehen?“, fragte er mit einem Blick auf ihren Knöchel. Er hatte in seiner Jugendzeit als Rettungsschwimmer gearbeitet und kannte sich in Erster Hilfe aus.

Widerstrebend nickte sie, und er ging vor ihr in die Hocke.

„Es ist schon wieder abgeschwollen“, erzählte sie ihm, während er vorsichtig ihren wundervollen Fuß hin und her bewegte. „Es ist nicht schlimm.“

„Waren Sie damit beim Arzt?“, erkundigte er sich.

„Nein, nicht nötig. Ich hatte das schon einmal während meiner Schulzeit, als ich noch Querfeldeinlauf gemacht habe. Ich trage eine Bandage und versuche, das Gelenk nicht zu überlasten, aber ich kann mit dem Laufen einfach nicht aufhören. Es ist so befreiend.“

Noch nie zuvor hatte sie so viel von sich preisgegeben. Warum tat sie es jetzt? Weil sie vorhatte, ihn zu verlassen? Weil sie plötzlich frei und das triste, lange Kleid los war, das ihre wunderschönen Beine bedeckt hatte? Beine, die sich bestimmt genauso wundervoll anfühlten, wie sie aussahen … Bevor sich seine Finger verselbstständigen konnten, setzte Tristan ihren Fuß zurück auf den Boden und stand auf. Reiß dich zusammen, Superhirn, ermahnte er sich selbst im Stillen. Das war nicht der richtige Zeitpunkt für ein weiteres Missgeschick, auch wenn ihre plötzliche Verwandlung ein gewaltiger Schock für ihn war … wie übrigens auch ihre Kündigung. Wohin würde sie wohl in zwei Wochen gehen?

„Haben Sie schon eine Wohnung für Ihre Zeit danach?“, erkundigte er sich.

„Ich möchte mir was in einer annehmbaren Gegend kaufen. Bis dahin wohne ich eben irgendwo zur Miete“, sagte sie und sah zu ihm mit funkelnd blauen Augen auf.

Er nickte und gab sich nach außen gelassen, aber in Wahrheit tat es ihm weh, wenn er daran dachte, dass Ella bald nicht mehr da sein würde, wenn er nach Hause kam. Ihre Vorgängerin war trotz erstklassiger Referenzen nicht annähernd so gut gewesen und hatte sich hauptsächlich durch versengte Hemden und zweitklassige Mahlzeiten ausgezeichnet. So hatte er sie schließlich entlassen und in Ellas Fall weniger Wert auf Zeugnisse gelegt. Und siehe da – sobald sie begonnen hatte, sich um seinen Haushalt zu kümmern, war alles so, wie es sein sollte. Sie wusste genau, wie viel Eis sein Scotch vor dem Abendessen haben musste. Seine Bettdecken waren stets gut ausgelüftet und dufteten nach Lavendel. Nicht zuletzt konnte er ihr vollständig vertrauen und brauchte keine Angst zu haben, dass irgendein wertvoller Einrichtungsgegenstand spurlos verschwand. Verdammt.

Er rieb sich den Nacken. „Zwei Wochen, richtig?“

Gequält lächelte sie. „Es wird Ihnen sicher keine Probleme bereiten, jemanden zu finden, der in diesem wunderschönen Haus für ein so gutes Gehalt arbeitet.“

„Ich werde niemanden finden, der so gut kocht wie Sie.“

Sie sah ihn amüsiert an. „Vielen Dank, aber meine Kochkünste sind nun wirklich nichts Besonderes.“

Wer behauptete das? Als er nur daran dachte, stieg ihm der Duft ihres Beef Wellington in die Nase. Ganz besonders mochte er es, wie sie bei Tisch die Bratensoße aus der edlen Sauciere verteilte – nur über das Fleisch und nie über das Gemüse. Und sie fragte immer, ob es noch irgendwas gab, was er wünschte, worauf er immer mit Nein geantwortet hatte.

Er verspürte ein unangenehmes Hungergefühl im Magen, räusperte sich und ärgerte sich darüber, nicht im Flugzeug gegessen zu haben. „Was und wie auch immer Sie es gemacht haben“, sagte er, während er zu seiner Aktentasche ging, die neben ihrer Handtasche auf der Küchenanrichte lag. „Ich habe von unseren Gästen nur Komplimente zu hören bekommen – und die Frage, ob sie wiederkommen dürfen.“

Als er den Aktenkoffer öffnete, sah er aus dem Augenwinkel, wie Ella aufsprang. „Sie haben jemand Besonderen zum Dinner eingeladen, richtig?“, vermutete sie.

Er blätterte in einigen Bebauungsplänen, die er an diesem Nachmittag noch durchgehen musste. „Ich werde mich schon irgendwie davor drücken können.“ Blieb ihm etwas anderes übrig? Ella wollte offensichtlich sofort mit ihrem neuen Leben beginnen – raus aus den alten Sachen, rein in was Neues, Hübsches. Wenn er niemanden auftrieb, der Rippchen in Honig-Whiskey-Soße machte so wie sie, dann würde Tristan eben versuchen müssen, ohne sie zu überleben. Allerdings hegte er die Befürchtung, dass dem Bürgermeister zu Ohren gekommen war, wie Stadtrat Stevens Ellas Karamellapfelkuchen über den grünen Klee gelobt hatte. Rufus hatte bekanntermaßen eine Schwäche für süße Sachen.

So oder so, der Bürgermeister hatte sich selbst eingeladen, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Auf der einen Seite würde er sich von Ellas Kochkünsten überzeugen wollen und auf der anderen Seite Probleme ansprechen, die mit der Nutzungsänderung einiger Grundstücke im Zusammenhang standen. Es ging hierbei um einige Flächen, die Tristan gekauft hatte, um ein großes Projekt zu verwirklichen. Keineswegs freute Tristan sich auf ein anderes Thema, das Rufus mit aller Sicherheit ansprechen würde und bei dem es um eine wunderschöne, aber verlogene junge Frau ging – die Tochter des Bürgermeisters …

Als Ellas Stimme hinter seinem Rücken erklang, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. „Für wann ist das Dinner denn geplant?“

„Wirklich, Ella, Sie …“

„Sagen Sie schon“, drängte sie ihn.

Er stieß einen tiefen Seufzer aus. „In drei Wochen. Aber ich komme klar.“ „Wenn Sie wollen, kann ich etwas länger bleiben.“ Er nahm die Brille ab, drehte sich zu ihr um und lächelte. Sie war wirklich durch und durch loyal. „Ich kann Sie nicht darum bitten, das für mich zu tun.“

„Eine Woche länger wird mich nicht umbringen.“ Kaum hatte sie das gesagt, zuckte sie verlegen zusammen. „Ich wollte eigentlich sagen, dass ich natürlich bleibe, wenn ein einziges Geschäftsessen über den Erfolg Ihres Projekts entscheidet.“

„Das weiß ich wirklich zu schätzen, Ella. Aber wie köstlich Ihr Essen auch ist, es wird sicher nicht über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.“

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Aber schaden kann es auch nicht, oder?“

„Nein, schaden tut es auf keinen Fall“, stimmte er zu, während er seine Aktentasche schloss.

„Dann ist es abgemacht“, sagte sie zufrieden.

Tristan staunte nicht schlecht. In der Vergangenheit hatte Ella so gut wie nie ihre Meinung durchgesetzt. Und jetzt tat sie es auch nur in seinem Interesse. Es war wirklich ein Jammer, dass er sie nicht dazu bewegen konnte, für immer bei ihm zu bleiben. Doch wieso sollte eine junge und attraktive Frau weiterhin Hausmädchen sein, wenn sie über genügend Geld verfügte, um nicht mehr arbeiten zu müssen? Er konnte schon dankbar sein, dass sie überhaupt noch eine Woche länger als geplant bei ihm blieb. Schwungvoll hob er den Koffer vom Küchentresen. „In Ordnung, ich nehme Ihr Angebot an, aber ich schulde Ihnen was dafür.“

Sie machte sich daran, den Inhalt ihrer Handtasche aufzusammeln. „Sie haben schon mehr als genug getan“, sagte sie abwehrend.

„Was? Indem ich Ihnen erlaubt habe, für mich zu kochen, sauber zu machen und meine Wäsche zu waschen?“

„Ich durfte hierbleiben, als ich es am meisten gebraucht habe.“ Sie zögerte für einen kleinen Moment, bevor sie ihr Portemonnaie in der Handtasche verstaute, und Tristan sah, dass ihr Gesichtsausdruck plötzlich verschlossen wirkte. Ihre Vergangenheit ging ihn nun wirklich nichts an, erst recht wo sie jetzt gekündigt hatte. Trotzdem war er fasziniert von ihr wie nie zuvor. Was würde es schon schaden, ihr ein wenig näherzukommen, bevor sie wegging? Vielleicht würde er sogar eine Antwort auf seine Frage finden, wie aus dem hässlichen Entlein so ein wunderschöner Schwan werden konnte.

Er legte den Kopf schief. „Ich bestehe darauf, mich bei Ihnen zu revanchieren. Was würden Sie davon halten, wenn ausnahmsweise ich mich mal um das Abendessen kümmere?“

Sie sah ihn beinahe verschmitzt an, als sie abschließend die Haarbürste zurück in die Tasche gleiten ließ. „Ich habe gar nicht gewusst, dass Sie kochen können.“

„Das kann ich auch nicht, aber ich kenne ein paar ausgezeichnete Köche.“

Sie versteifte sich plötzlich und brauchte einen Moment, bevor sie ihre Stimme wiederfand. „Sie wollen mich zum Essen ausführen? Aber ich bin doch Ihre Haushälterin .“

„Nur noch für drei Wochen.“ Er wollte nicht, dass sie auf falsche Gedanken kam. „Sehen Sie es einfach als kleines Dankeschön für Ihre bisherige Arbeit … und dafür, dass Sie noch um eine Woche verlängert haben.“

Es war kein Date, wirklich nicht. Er hatte schon eine ganze Weile keine richtige Verabredung mehr gehabt. Die Frauen in seinen Kreisen waren entweder unerträglich albern, selbstherrlich oder – wie Bindy Rufus – durch und durch hinterhältig. Es waren einfach zu viele von ihnen gewesen, die er eingeladen hatte, um herauszufinden, ob die Chemie zwischen ihnen stimmte. Schließlich war er zweiunddreißig – Zeit, sich endlich eine Frau zu suchen und eine Familie zu gründen. Aber mit jedem Geburtstag, der verstrich, und jeder enttäuschenden Verabredung wurde ihm klarer, dass er eher den altmodischen Typ Frau bevorzugte.

Ella brühte einen starken Kaffee, wie Tristan ihn am liebsten mochte. Während sie den Kopf nach unten neigte und ihr feuchtes Haar sich hinter ihren Ohren zu kringeln begann, beantwortete sie seine Fragen. „Es wäre wohl nicht … angemessen, wenn ich mit Ihnen essen gehe.“

„Tja, dann werden Sie Ihre Meinung wohl ändern müssen“, erwiderte Tristan, denn wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann brachte ihn nichts und niemand davon ab. Er versuchte ein wenig freundlicher zu klingen. „Sie wissen doch: Es ist immer richtig, sich zu erholen und ein wenig Spaß zu haben.“

Sie überlegte einen Augenblick, bevor sie ihn lächelnd ansah. „Ja, vermutlich haben Sie recht.“

Tristan fühlte beim Anblick ihres unschuldigen Lächelns Hitze in sich aufsteigen. „Dann sagen wir morgen Abend“, beschloss er und machte sich hastig aus dem Staub. Auf halbem Weg zu seinem Arbeitszimmer schlug er sich mit der Hand vor die Stirn. Wo war er heute bloß mit seinen Gedanken?

„Ach ja, Ella, ist mein Smoking schon aus der Reinigung zurück? Ich muss heute Abend zu einer Veranstaltung.“

„Er hängt in Ihrem Kleiderschrank, Mr. Barkley.“ Sie wurde plötzlich blass, und es kam ihm vor, als könnte er in ihr wie in einem offenen Buch lesen. Mit Sicherheit dachte sie an den Schrank, vor dem sie ihn vergangene Woche splitterfasernackt gesehen hatte.

Doch das lag jetzt alles hinter ihnen, und bevor er endgültig in sein Büro verschwand, erhaschte er noch einen letzten Blick auf ihre unglaublich schönen Beine.

Zumindest dachte Tristan, dass alles hinter ihnen lag.

2. KAPITEL

Als Ella ihren neuen Lipgloss aufgetragen hatte, betrachtete sie sich im Schlafzimmerspiegel und seufzte. Das Leben war schon manchmal schwer. Es war nun acht Monate her, dass ihre Mutter Roslyn ihren langen Kampf gegen den Krebs letzten Endes doch nicht gewonnen hatte. Noch am Tag der Beerdigung war Ella von einem Mann besucht worden, den sie bis zum Ende ihrer Tage verfluchen und hoffentlich niemals mehr wiedersehen würde.

Einige Wochen vor dem Tod ihrer Mutter war Drago Scarpini in Ellas Leben getreten. Er hatte behauptet, der uneheliche Sohn von Ellas Vater Vance und somit ihr Halbbruder zu sein. Scarpinis Mutter sei Italienerin gewesen, die vor vielen Jahren nach Westaustralien ausgewandert und erst kürzlich gestorben wäre. Auf ihrem Sterbebett habe sie ihrem Sohn den Namen seines Vaters verraten. Scarpini fand heraus, dass sein Vater zwar schon lange tot war, trotzdem habe er auf der Suche nach weiteren Geschwistern dessen Witwe aufsuchen wollen. Die Geschichte schien überzeugend, aber von ihrer ersten Begegnung an misstraute Ella ihrem Halbbruder. Als sich im Laufe der folgenden Wochen Roslyns körperliche und geistige Verfassung zusehends verschlechterte, setzte Scarpini seine Besuche fort, und seine wahren Motive wurden immer offensichtlicher.

Zufällig hörte Ella ein Gespräch zwischen ihm und ihrer Mutter mit, in dem er ihr erzählte, wie schwierig es für ihn gewesen sei, ohne Vater und Geld aufzuwachsen. Weil Vance Jacob ihm ja keine Entschädigung mehr zahlen könne, schlug Scarpini vor, dass Roslyn ihr Testament ändern und das Vermögen zwischen Ella und ihm aufteilen solle. Scarpini betonte, dass es nur fair sei, nachdem er ohne Vater aufgewachsen und viele Jahre lang finanziell benachteiligt gewesen sei.

Ella fand sein Verhalten ihrer kranken und verwirrten Mutter gegenüber widerlich. Außerdem gab es keinen Beweis dafür, dass Scarpini tatsächlich war, für wen er sich ausgab. Hätte Ella das Geld übrig gehabt, hätte sie einen Detektiv damit beauftragt, den zwielichtigen Mann zu überprüfen. Nicht lange darauf bekam Ella ein weiteres Mal mit, wie Scarpini versuchte, Roslyn unter Druck zu setzen – und warf ihn kurzerhand raus. Nur einen Tag später starb ihre Mutter, viel früher, als die Ärzte erwartet hatten. Scarpini nahm an der Beerdigung teil und spielte den trauernden Bruder, der seine Schwester unterstützte. Kurz darauf stand er aber wieder vor Ellas Tür und forderte von ihr, das Erbe mit ihm zu teilen. Als Ella ihn daran erinnerte, dass sie gerade erst ihre Mutter verloren hatte, wurde Scarpini richtig wütend, denn er brauchte das Geld dringend, um seine Spielschulden zu bezahlen. Ella schlug ihm daraufhin die Tür vor der Nase zu, und er schrie, dass sie das noch bereuen würde – was sie dann auch tat, denn nur einen Tag darauf erhielt sie Besuch von der Polizei.

Scarpini hatte sie beschuldigt, Roslyn mit Morphium umgebracht zu haben, um zu verhindern, dass sie das Testament zu Ellas Ungunsten veränderte. Niemals würde Ella die darauffolgende Stunde vergessen – es war furchtbar gewesen, obwohl keine Anklage gegen sie erhoben werden konnte. Einen Tag später wurde das Fenster ihres Hauses eingeschlagen und eine Beileidskarte auf den Kaminsims gelegt. Scarpini rief an und drohte, dass es unangenehm für sie werden würde, wenn sie nicht auf seinen Vorschlag einginge. Er würde sie verfolgen, bis er hätte, was er wollte.

Vor Angst zitternd rief sie daraufhin die Polizei an, die aber nicht viel gegen Scarpini unternehmen konnte. Der Officer erklärte ihr, dass sie zwar versuchen könne, eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Seiner Meinung nach sei es aber besser, einfach abzuwarten, bis Scarpini sich beruhigt habe und wieder verschwinde. Der Beamte riet ihr, umgehend die Polizei zu benachrichtigen, sollte ihr Halbbruder ihr gegenüber handgreiflich werden.

In jener Nacht machte Ella kein Auge zu. Sie hatte ihre Arbeit aufgegeben, um ihre Mutter pflegen zu können. Von ihren Ersparnissen war kaum etwas übrig, nachdem sie Roslyns Behandlungen davon bezahlt hatte. Das Haus und eine Anlageimmobilie mussten erst verkauft werden, bevor sie an das Vermögen käme, und das würde wenigstens einige Wochen, wenn nicht gar Monate dauern. Als der Morgen dämmerte, hatte Ella zwei Entscheidungen getroffen: Zum einen brauchte sie einen Job, bis sie an das Geld vom Erbe herankam. Zum anderen hatte sie nicht vor, herumzusitzen und darauf zu warten, welchen sadistischen Schachzug Scarpini sich als Nächstes überlegte. Als ihre Entscheidung feststand, mietete sie ein Postfach für ihren Schriftverkehr mit dem Testamentsvollstrecker. Dann färbte sie ihr Haar braun und bewarb sich als Haushälterin bei Tristan Barkley, obwohl sie keine Arbeitszeugnisse hatte. Wenigstens konnte sie kochen, putzen und Wäsche waschen. Als sie den Job an Land gezogen hatte, ließ sie sich in Barkleys Villa nieder und gab weiter nichts von sich selbst preis.

Seitdem hatte sie von ihrem Peiniger nichts mehr gehört. Sie hoffte, dass die Polizei recht gehabt hatte und Scarpini wieder in das Loch zurückgekrochen war, aus dem er gekommen war. Das Haus und der Besitz ihrer Mutter waren verkauft und hatten über eine Million Dollar gebracht – jetzt war es endlich an der Zeit, durchzuatmen, sich von ihrer Verkleidung zu befreien und ein neues Leben zu beginnen. Und wie dieses neue Leben begann! Mit einer Einladung zum Dinner mit dem durch und durch faszinierenden Tristan James Barkley. Ihr Körper kribbelte vor Vorfreude, als sie in den Spiegel sah und die Kristallanhänger an ihren Ohren befestigte. Bis jetzt hatte sie in einem Albtraum gelebt; wie wundervoll wäre es, wenn von nun an Träume wahr werden könnten …

Als es an der Schlafzimmertür klopfte, sprang Ella erschreckt auf. Tristans tiefe Stimme klang durch die Tür. „Wir haben den Tisch für acht Uhr reserviert. Wir sollten bald losfahren.“

Nervös schluckte sie. „Ich bin gleich fertig!“, rief sie zurück. Sie griff nach ihrem Abendtäschchen und warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel auf ihr weißes Cocktailkleid und die farblich passenden Riemchenpumps. Wie ein Partygirl der High Society sah sie leider nicht aus, noch nicht einmal annähernd. Aber Mr. Barkley hatte ja auch betont, dass es kein Date sondern nur ein Dankeschön-Essen war – er konnte ja nicht wissen, dass sie hoffnungslos in ihn verknallt war.

„Ella?“

Sie atmete tief aus. Jetzt ging es los. Als sie die Küche betrat, die sich neben ihrem Zimmer befand, bedachte Tristan sie mit einem überraschten, aber anerkennenden Blick. Angenehme Wärme durchflutete Ellas Körper, als sie seine Bewunderung bemerkte.

Tristan lächelte, und sie konnte nicht anders, als dabei auf seine perfekt geformten Lippen zu starren.

Er vergrub die Hände tief in den Hosentaschen. „Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin immer noch nicht daran gewöhnt, Sie nicht in Uniform zu sehen.“

Sie widerstand der Versuchung, die Jacke auf seinen breiten Schultern glatt zu streichen. Tristan war groß und muskulös und machte einen umwerfenden Eindruck mit seinem halsfreien Hemd und den tadellosen, maßgeschneiderten Hosen. Er war von einer fast greifbaren Aura der Macht umgeben, und sein nahezu hypnotischer Blick schlug Ella in seinen Bann. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart wohl und wusste, dass er sie schätzte – zumindest ihre Fähigkeiten als Haushälterin.

In der Absicht, diesen Gedanken aus dem Kopf zu bekommen, streckte sie den Rücken durch. „Morgen ziehe ich wieder meine Uniform an.“

Er nahm die Hände aus den Taschen und kam ihr entgegen. „Sie mögen sie nicht besonders, habe ich recht?“

Es machte wohl keinen Sinn zu lügen. „Nein, nicht besonders.“

„Die Angestellten meiner Eltern hatten immer Uniformen, das ist alles. Ich denke, es spricht nichts dagegen, wenn Sie in den letzten drei Wochen lieber Ihre eigenen Sachen tragen.“

Ellas Herzschlag beschleunigte sich. Säume, die über dem Knie aufhörten und nicht darunter? Frische Farben? Absätze, die verführerisch auf dem teuren Marmorfußboden klapperten? „Das wäre irgendwie nicht … passend“, meinte sie zögernd.

„Es ist Ihre Entscheidung, aber Sie wissen jetzt, dass ich nichts dagegen habe.“ Sein Lächeln wurde noch eine Spur breiter. „Im Ernst, es ist wirklich keine große Sache.“

Vielleicht nicht für ihn. Es war zwar lächerlich, aber ausgerechnet heute Abend verglich Ella sich mit den Glamourgirls, mit denen Tristan normalerweise in den Hochglanzmagazinen abgebildet war. Eleanor Jacob hingegen war nur eine normale Frau, der es vorherbestimmt war, ein normales Leben zu führen. Das sollte sie besser nicht vergessen. Trotzdem hatte sich an diesem Wochenende das Verhältnis zu ihrem Chef verändert, wenn auch nur ein wenig. Nicht mehr lange, und sie würden sich nie mehr wiedersehen. Eigentlich … Sie stieß den Atem aus. Verflucht, er hatte recht: Es war wirklich keine große Sache, in Zukunft auf ihre Dienstkleidung zu verzichten. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht“, entgegnete sie lächelnd.

Sie wurde aus seinen dunklen, verständnisvollen Augen nicht schlau. Er kehrte zur Hintertür zurück, um zu sehen, ob sie verschlossen war. „Es macht mir nichts aus“, wiederholte er und drückte prüfend auf die Klinke.

„Ich habe vorhin abgeschlossen“, bemerkte Ella. Er zog die Jalousien herunter. „Man kann nie sicher genug sein.“

Ihr war klar, warum er sich heute Nacht besonders viel Gedanken um die Sicherheit machte. Weil sie am Tag zuvor so unüberlegt gehandelt hatte, war er davon ausgegangen, dass ihr etwas zugestoßen war. „Es tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen gestern so einen Schrecken eingejagt habe, Mr. Barkley“, entschuldigte sie sich ein weiteres Mal.

„Nicht der Rede wert.“ Aber sicherheitshalber sah er nach, ob die Fenster verschlossen waren.

Was war ihm wohl durch den Kopf gegangen, als er am Tag zuvor das Chaos in der Küche gesehen hatte? Doch wie hatte sie ahnen können, dass er einen Tag früher aus Melbourne zurückkehrte? Hätte sie es gewusst, hätte sie sicher nicht diesen Badeanzug angezogen. Es gab zwar Frauen, denen es nichts ausmachte, mit ihrem Körper anzugeben, aber zu denen gehörte Ella nicht. Der Gedanke, sich vor ihrem Chef zu entblößen, war ihr zutiefst unangenehm, obwohl er das offensichtlich ganz anders sah. An dem Morgen, an dem sie ihn im Schlafzimmer überrascht hatte, hatte er sich zu ihr umgedreht – durchtrainiert, gebräunt und … nackt. Er hatte zwar überrascht, aber kein bisschen verlegen reagiert. Warum auch, mit so einem Wahnsinnskörper?

Tristan hatte seinen Rundgang beendet und kehrte mit ernstem Gesicht zu ihr zurück. „Eine Sache müssen wir allerdings noch klären.“

Was hatte sie falsch gemacht? Sie machte sich auf das Schlimmste gefasst. „Ja, Sir?“

„Ich möchte kein ‚Sir‘ und auch kein ‚Mr. Barkley‘ mehr von Ihnen hören, besonders heute Abend nicht. Wir wollen doch nicht die Bedienung im Restaurant verwirren, oder?“ Um seine Augen zeigten sich kleine Lachfältchen. „Abgemacht?“

Ella entspannte sich und erwiderte nickend sein Lächeln.

Als er sie durch die Verbindungstür in die Garage führte, ruhte seine warme Handfläche sacht auf ihrem Arm. Er hatte ja gar keine Ahnung, dass diese harmlose Berührung ihr Blut beinahe zum Überkochen brachte.

Einige Minuten darauf quetschte sie sich in seinen schnittigen schwarzen Bugatti, in dem es verführerisch nach teurem Leder und ihm duftete. Jedes Mal, wenn sie Tristans Bettwäsche wechselte, konnte sie nur knapp der Versuchung widerstehen, in sein Bett zu krabbeln und eines seiner Kopfkissen an sich zu pressen, um diesen Duft zu inhalieren. Verstohlen warf sie Tristan von der Seite einen Blick zu. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn seine verlockenden Lippen ihre berührten? Wenn er sie an seinen festen, warmen Körper presste? Der Gedanke durchfuhr sie wie ein Blitz und erregte sie aufs Äußerste, sodass ihr Herz zu rasen begann und sie ihre Hände im Schoß zu Fäusten ballte. Sie musste aufpassen, dass ihre Traumwelt sie nicht in Schwierigkeiten brachte. Am besten, sie lenkte sich mit einer Unterhaltung ab.

Sie musterte intensiv die Pinien, an denen sie vorbeifuhren, und fragte betont fröhlich: „Wie war denn die Feier gestern Abend?“

„Wenn Sie es wirklich wissen wollen – todlangweilig“, erwiderte Tristan, während die Tore zur Grundstückseinfahrt automatisch aufschwangen und er den Sportwagen auf die Straße lenkte.

Sie lächelte in sich hinein. Das hieß also, dass keine interessanten Frauen dort gewesen waren. Sie rutschte tiefer in den Ledersitz. „Ich dachte, ich hätte Sie nach Hause kommen hören.“

„Haben Sie etwa auf mich gewartet?“

Er lächelte ihr zu, und der Anblick seiner glänzenden dunklen Augen ließ ihre Wangen erröten. „Ich habe einen alten Film gesehen und dabei Ihren Wagen gehört.“ Nein, sie hatte nicht auf ihn gewartet. Nicht wirklich.

„Erzählen Sie mir jetzt nicht, dass Sie auf Filme mit Fred Astaire und Ginger Rogers stehen.“

Sie musste lachen. „Nein, nicht auf s o alte Filme. Kennen Sie Lov e Story ?“ Allein bei dem Soundtrack dieser berühmten Schnulze bekam sie schon Gänsehaut.

„Ja, kenne ich. Sie sind also romantisch.“

„Wie wohl die meisten Frauen.“

Er hüstelte amüsiert. „Glauben Sie das wirklich?“

Sie sah flüchtig zu ihm hinüber. Das war eine merkwürdige Frage – natürlich träumten alle Frauen davon, irgendwann Mr. Right zu treffen. Sie träumten von Blumen, kirchlichen Trauungen und funkelnden Diamantringen. Normalerweise taten sich die Männer schwer damit, sich an jemanden zu binden, besonders wenn sie so begehrt waren, dass sie sich eine regelrechte Sammlung an Freundinnen leisten konnten. Tristan Barkley war geradezu ein Paradebeispiel dafür.

Er parkte den Bugatti vor einem Spitzenrestaurant in einem exklusiven Randgebiet Sydneys.

„Haben Sie für heute Abend reserviert?“, wollte Ella wissen, als Tristan ihr die Wagentür aufhielt. Sie hatte gehört, dass es so gut wie unmöglich sei, in diesem Restaurant kurzfristig einen Tisch zu ergattern.

Er blinzelte ihr zu. „Ich habe doch gesagt, dass ich ein paar ausgezeichnete Küchenchefs kenne.“

So überraschte es sie dann auch nicht sonderlich, als der überaus aufmerksame Oberkellner sie zu dem besten Tisch des Hauses führte. Sie saßen an einem wunderbaren Fensterplatz, von dem aus sie den bezaubernden Anblick des beleuchteten Hafens bei Nacht genießen konnten. Hier waren sie abgeschirmt von den anderen Gästen und konnten trotzdem den Gitarristen hören, der sanfte Balladen anstimmte.

Als der Kellner gegangen war, studierte Ella die angebotenen Speisen – nirgendwo war ein Preis zu sehen. Sie konnte sich vermutlich noch nicht einmal vorstellen, wie teuer ein Dinner hier sein musste.

„Sie kommen wohl öfter hierher?“, erkundigte sie sich, als ein Kellner Tristan im Vorbeigehen zunickte und dieser den Gruß erwiderte.

Er sah auf die Karte. „Oft genug.“

Sie würde jetzt nicht fragen, mit wem er hierherkam. Vermutlich jedes Mal mit einer anderen Frau. Er sprach niemals über seine Verabredungen, und sie wusste nur, was sie gelegentlich in den Magazinen zu sehen bekam. Tristan Barkley war ein brillanter, geheimnisvoller Mann, der früher oder später sein Herz verlieren würde. Sie konnte sich allerdings nicht vorstellen, dass er jemals mit nur einer Frau zufrieden sein würde. Ein Blick in seine dunklen, vor Begierde glühenden Augen verriet ihr, dass er im Schlafzimmer unersättlich sein musste. Ihr Herz begann zu rasen, als vor ihrem inneren Auge das Bild von glänzenden nackten Körpern aufblitzte, die ineinander verschlungen auf seinem Bett lagen. Schnell griff sie nach dem Wasserglas und nahm einen großen Schluck. Ihr war klar, dass dieser Abend wie eine süße Qual für sie werden würde.

Sie wählten das Hauptgericht – erlesenes Steak für ihn, Meeresfrüchte für sie –, und als das Essen serviert wurde, sprachen sie bereits angeregt über Musik, Politik und Bücher. Es hatte ihn überrascht zu erfahren, dass sie ebenfalls Kriminalromane liebte. Als er ihnen zum zweiten Mal Wein nachschenkte, stellte sie erleichtert fest, dass sich ihre Nerven nahezu beruhigt hatten. Beinahe hatte sie vergessen, dass dieser umwerfend attraktive Mann, der ihr gegenübersaß, ihr Chef war.

„Wie ist Ihr Steak?“, fragte sie interessiert, denn es duftete köstlich und schien perfekt zubereitet zu sein.

Er tupfte seine Mundwinkel mit der Serviette ab. „Fast so gut wie Ihr Filet Mignon“, entgegnete er, und sie lachte, wobei sie sicher nicht sehr überzeugt aussah. „Es stimmt“, fügte er hinzu und führte das Weinglas an seine Lippen. „Es muss doch schön für Sie sein, dass Sie heute keinen Abwasch nach dem Essen haben.“

„Oh, das ist wirklich keine Arbeit mit der Spülmaschine.“

„Hat Ihnen Ihre Mutter beigebracht, so zu kochen?“

„Um ehrlich zu sein – sie hatte es nicht so mit dem Kochen. Das war der Grund, warum ich es gelernt habe.“ Sie lächelte schwach. Als ihre Mutter vor achtzehn Jahren diesen Unfall gehabt hatte, musste sich ja jemand um diese Sachen kümmern.

„Ihr Vater hat Ihnen das sicher hoch angerechnet.“

Sie senkte bekümmert den Blick und sah in die flackernde Kerzenflamme vor sich auf dem Tisch. „Er ist an einem Herzinfarkt gestorben, als ich zehn war. Herzschwäche liegt bei uns in der Familie.“

Langsam setzte Tristan das Glas auf dem Tisch ab. „Das tut mir leid wegen Ihres Vaters.“

„Mir auch. Er ist ein bemerkenswerter Mann gewesen. Er hat mir beigebracht, wie man mit einer Strickliesel Freundschaftsbändchen bastelt.“ Sie lächelte wehmütig bei der Erinnerung und zuckte verlegen mit den Schultern. „Das klingt irgendwie nicht wirklich spannend, fürchte ich.“

Er suchte ihren Blick. „Es klingt so, als hätten Sie ihn sehr lieb gehabt. Was hat er denn beruflich gemacht?“

„Er ist Pferdetrainer gewesen, und wir hatten ein paar Stallungen. Jeden Morgen ist er vor Sonnenaufgang aufgestanden, auch sonntags. Sein einziges Laster war das Wetten – es ging aber nie um viel Geld, immer nur um ein paar Dollar in der Woche.“ Vielleicht hatte Scarpini ja diese Spielleidenschaft geerbt. Ella verstärkte den Griff um ihr Essbesteck. Auf gar keinen Fall wollte sie sich durch die Erinnerung an diesen Mann den Abend verderben lassen.

„Ich habe nie verstanden, warum manche Menschen spielen müssen“, sagte Tristan. „Wenn sie gründlich darüber nachdenken würden, wäre ihnen klar, dass sie nur dabei verlieren.“

„Ich glaube, es geht mehr um das Gefühl , das sie haben, wenn sie gewinnen – das ist wie ein Rausch“, meinte Ella und lächelte ironisch.

„Wie eine Droge?“

Sie nickte.

„Spielen Sie?“

Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Nein, niemals.“

„Sie wissen wahrscheinlich, dass ich auch nicht spiele. Ich wette nur auf todsichere Sachen.“ Er musterte ihr Gesicht, und angenehme Hitze breitete sich auf ihrer Haut aus. Sie versuchte, nicht ihre glühenden Wangen zu berühren, während er ihnen den Rest aus der Weinflasche einschenkte und das Thema wechselte. „Haben Sie Geschwister, Ella?“

Innerlich krümmte sie sich zusammen. Das war nicht gerade das, worüber sie sprechen wollte. „Darüber lässt sich streiten.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Das klingt interessant.“

„Es ist eine lange Geschichte.“

Er schob seinen fast leeren Teller zur Seite. „Ich bin ein guter Zuhörer.“

Aufmerksam betrachtete sie sein aufmunterndes Lächeln und die nachdenklichen dunklen Augen. Sie wusste nicht, ob es falsch oder richtig war, aber sie wollte es ihm erzählen und wenigstens für einen Abend mehr als nur die Hausangestellte sein. Als der Kellner den Tisch abgeräumt hatte, sammelte Ella sich und suchte nach den richtigen Worten.

„Ich habe einen Halbbruder.“

„Sieht nicht danach aus, als würden Sie sich darüber freuen.“

„Dafür habe ich meine Gründe.“

Sein Blick ruhte auf ihr, und er wartete geduldig darauf, dass sie weitererzählte.

Sie fragte sich, ob sie wirklich so vertraut mit Tristan werden wollte. Sie war schon immer ein zurückhaltender Mensch gewesen. Aber sie war keine sechzehn mehr. Sie war sechsundzwanzig und aß mit einem Mann zu Abend, von dem sie so gut wie nichts wusste, dem sie aber trotzdem vertraute. Wenn sie jemals ihre Flügel ausbreiten und erwachsen werden wollte, dann war jetzt ein guter Zeitpunkt dafür.

Sie fasste an den Stiel des Weinglases, das vor ihr auf dem Tisch stand, und drehte es langsam. „Vor über zwei Jahren habe ich meinen Job aufgegeben, um meine Mutter rund um die Uhr versorgen zu können. Man hatte Krebs bei ihr diagnostiziert. Sie hatte schließlich Metastasen in den Knochen und …“ Ella schluckte schwer, weil die Trauer sie zu überwältigen drohte. „Auch ihre Organe waren betroffen“, fuhr sie schließlich fort, „ebenso ihr Gehirn. Zum Ende hin wusste sie manchmal noch nicht einmal mehr, was für ein Jahr wir hatten.“

Seit ihrem schweren Sturz auf der Hintertreppe vor achtzehn Jahren war Roslyn ohnehin sehr empfindlich gewesen. Sie hatte damals sechs Wochen im Koma gelegen, und obwohl die Brüche mit der Zeit langsam verheilt waren, hatte sich ihre Wahrnehmungsfähigkeit nie wieder ganz erholt. Sie war eine glückliche, liebevolle Frau gewesen, nur ein wenig … langsam.

„Es muss für Sie beide sehr schwierig gewesen sein, als Sie sich um sie gekümmert haben“, bemerkte Tristan mitfühlend.

Zeitweise war es unerträglich gewesen, ihrer geliebten Mutter dabei zuzusehen, wie sie allmählich verwelkte und die Fähigkeit verlor, für sich selbst zu sorgen. „Sie hat mich schließlich angefleht, sie in ein Pflegeheim zu bringen, aber ich habe es nicht übers Herz gebracht.“

„Sie hatte Glück, Sie als Tochter zu haben“, sagte er mit tiefer Stimme.

Als er sich zurücklehnte, wusste sie, dass er darauf wartete, wann der Halbbruder in die Geschichte trat. Nichts wünschte sie sich mehr, als den schrecklichen Mann aus ihren Gedanken zu verbannen, und ihn ganz zu vergessen. Seit acht Monaten hatte sie seinen Namen nicht mehr ausgesprochen, aber sie erinnerte sich noch zu gut an sein grinsendes Gesicht, als er mit der Polizei bei ihr aufgetaucht war. Doch vielleicht würde es ihr helfen, diesen Dämon zu bannen, wenn sie darüber sprach, und den Schmerz und die Erniedrigung zu vergessen, die sie immer noch in sich fühlte.

Sie konzentrierte sich auf das Kerzenlicht, das sich im Kristall ihres Weinglases brach. „Ein paar Wochen vor dem Tod meiner Mutter tauchte plötzlich ein Mann auf, der behauptete, Vaters unehelicher Sohn zu sein.“

„Sie haben ihm nicht geglaubt?“

Wieder stiegen die vertrauten Zweifel in ihr auf. War er es? War er es nicht? Machte es einen Unterschied, wenn sie verwandt waren? Nach dem, was Scarpini ihr angetan hatte, wollte sie es nicht mehr herausfinden. „Er hat sehr überzeugend gewirkt“, erinnerte sie sich. „Aber ich habe seinen Augen misstraut.“

„Die Fenster zur Seele.“

Sie sah vom Kerzenlicht auf und zu Tristan hinüber. Seine Augen waren klar und voll unerschütterlicher Stärke und guten Absichten.

„Drago Scarpini hat einen leeren Blick. Er sieht durch einen durch. Und sein Lächeln …“ Bei der Erinnerung daran lief es ihr kalt den Rücken herunter. „Es ist eiskalt. Aber meine Mutter hat er um den Finger gewickelt. Er wollte ihr einreden, dass es im Sinne meines Vaters wäre, wenn sie ihr Testament zu Scarpinis Gunsten ändern würde. Ich habe ein Gespräch zwischen den beiden belauscht“, gestand sie mit leiser Stimme.

Tristan hob den Kopf. „Das klingt fast so, als wäre es seine Masche, verletzliche Frauen zu beeinflussen und Beute zu machen.“

„Die Ärzte hatten ihr noch ein paar Monate gegeben, aber sie ist früher als erwartet gestorben.“

„Und Romeo hat nichts vom Kuchen abbekommen.“

Es schnürte ihr die Kehle zu. Sie würde Tristan nicht die ganze Geschichte erzählen. Er brauchte nichts davon zu wissen, dass man sie beschuldigt hatte, ihre eigene Mutter umgebracht zu haben. Das war zu hässlich. „Ich bin lange in mich gegangen und habe mich dazu entschlossen, ihm zehntausend Dollar vom Erbe abzugeben.“

Tristan sah sie enttäuscht an. „Ella, Sie können noch nicht einmal sicher sein, dass Sie denselben Vater haben. Und selbst wenn dem so wäre, hätte er nichts von dem Erbe Ihrer Mutter fordern dürfen.“

„Mein Anwalt hat das Gleiche gesagt, aber ich hatte nicht die geringste Lust herauszufinden, ob wir verwandt sind. Ich wollte ihm einfach das Geld geben.“ Sie zog die Schultern hoch. „Vermutlich, um mein Gewissen zu beruhigen und die Sache loszuwerden.“

Das war nicht wirklich aufrichtig, sondern nur der Erinnerung an ihren Vater geschuldet und daran, was er an ihrer Stelle getan hätte.

„Es wundert mich, dass er Sie nicht schikaniert hat“, meinte Tristan. „Solche Typen lassen normalerweise nicht locker, bis sie ihren Willen bekommen.“

Ein weiterer Schauer rann über ihren Rücken, und am liebsten hätte sie sich umgedreht, aber sie unterdrückte das Verlangen. „Das ist jetzt alles Vergangenheit.“

Der Kellner kam zu ihnen, um die Bestellung für den Nachtisch entgegenzunehmen, und den restlichen Abend unterhielten sie sich über Tristans Arbeit. Es ging um dieselbe wichtige Angelegenheit, die er mit dem Bürgermeister besprechen wollte. Ella tat es richtig leid, als der Abend vorbei war und sie wieder zu Hause ankamen.

Als sie durch den Garagendurchgang in die Küche gingen, legte sie ihre Tasche auf den Tresen und drehte sich um. Tristan stand mit einem Gesichtsausdruck dicht hinter ihr, aus dem sie nicht schlau wurde. Seine Gegenwart war übermächtig, sein verlockender Mund zu nah, um zu widerstehen.

„Kann ich noch etwas für Sie tun, bevor Sie schlafen gehen?“, fragte sie mit einem scheinbar lockeren Lächeln und versuchte sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. Verlegen sah sie auf ihre Schuhe. Das war eine denkbar schlechte Wortwahl gewesen.

„Nein, vielen Dank“, entgegnete er und zog eine Braue hoch. „Aber da ist etwas, Ella. Ich muss nächstes Wochenende zu einer wichtigen Abendveranstaltung und wollte Sie fragen, ob Sie mich begleiten würden.“

Bei seinen Worten schienen in ihrem Magen Schmetterlinge wild hin und her zu flattern. Wollte er sich wirklich mit ih r verabreden?

„Es wird auch ein bedeutender Geschäftskontakt von mir da sein“, fuhr Tristan fort. „Ich würde gerne die Gelegenheit nutzen, mit ihm in einer entspannten Umgebung zu sprechen, aber man darf nur in Begleitung auf der Feier erscheinen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir auszuhelfen? Nach unserem gemeinsamen Abend bin ich davon überzeugt, dass Sie die ideale Begleitung für einen solchen Anlass wären.“ Er lachte leise. „Ich werde alles dafür tun, dass es nicht zu langweilig für Sie wird.“

Sie schloss ihren halb geöffneten Mund und versuchte, den stechenden Schmerz hinter ihrer Stirn zu unterdrücken. Es war also nur eine geschäftliche Angelegenheit? Natürlich war es das. Wie lächerlich von ihr zu denken, dass es etwas anderes sein konnte.

Nächstes Wochenende brauchte er eine Frau an seiner Seite, die höflich und vorzeigbar war und wusste, wo sie hingehörte. Eine platonische Begleitung, die ihn nicht dabei störte, wenn er etwas Wichtiges zu besprechen hatte. Die Haushälterin in ihrem schönsten Kleid. Eigentlich reagierte sie etwas zu empfindlich, dachte sie. Tristan war ehrlich zu ihr gewesen, und es war ja nicht so, dass sie etwas Besseres vorhatte.

Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln. „Es wäre mir eine Freude.“

„Hervorragend.“ Obwohl er lächelte, war da noch etwas anderes in den Tiefen seiner geheimnisvollen Augen. Quatsch, ermahnte sie sich, alles nur Einbildung.

Trotzdem machte Tristan einen Schritt auf sie zu und sah sie unverwandt an. Ella versteifte sich plötzlich und nahm nichts anderes mehr wahr als diesen Mann und seine magischen Augen. Doch küsste er sie nicht, sondern berührte lediglich ihren linken Ohrring, sodass sie die Wärme seiner Hand an ihrem Hals spürte.

„Das wollte ich Ihnen schon den ganzen Abend sagen“, sagte er mit rauchiger Stimme. „Die stehen Ihnen wirklich ausgezeichnet.“

Ihr Herz klopfte so laut, dass er es hören musste. „Sie sind aber nicht echt“, hauchte sie.

„Ein Jammer, Ihnen würden Diamanten stehen.“ Er ließ den Blick von ihrem Ohr über ihren Hals bis zu ihren zitternden Lippen schweifen, was ein Feuer in ihr entfachte und ihre Wangen zum Glühen brachte. Für einen winzigen Moment glaubte sie, dass er sich vorbeugen und sie auf den Mund küssen würde. Dass er sie in den Arm nehmen und ihren Körper mit leidenschaftlichen Küssen bedecken würde, wie sie es sich in ihren Träumen bereits so oft ausgemalt hatte. Diese Möglichkeit schien auch tatsächlich zwischen ihnen zu schweben, greifbar nah und sehr verlockend, aber dann lächelte er, drehte sich um und ging.

„Gute Nacht, Ella!“, rief er ihr über die Schulter zu.

Sie stieß den Atem aus und seufzte leise. „Gute Nacht.“

Sie war gerade im Begriff, leicht benommen in ihr Schlafzimmer zu gehen, als das Telefon in der Küche klingelte. Tristan war schon fort, vermutlich bereits auf dem Weg nach oben, deshalb nahm sie den Anruf an. Es war schließlich Samstagabend und würde schon nicht so wichtig sein.

„Bei Tristan Barkley“, sagte sie in den Hörer, bekam aber keine Antwort. „Hallo!“ Ella runzelte die Stirn. „Ist da jemand?“

Der Sekundenzeiger der Wanduhr schien auf einmal so laut zu ticken, dass es jedes andere Geräusch übertönte. Ella stellte sich vor, wie sich Drago am anderen Ende der Leitung freute, weil er ihr einen Schrecken einjagte.

Angewidert warf sie das Telefon hin und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Ihr war der kalte Schweiß ausgebrochen. Du reagierst vollkommen über, ermahnte sie sich. Schuld daran war nur das Gespräch über Scarpini beim Dinner und dass sie ihr Erbe bekommen hatte. Wahrscheinlich hatte sich jemand nur verwählt.

Trotzdem sah sie vor dem Schlafengehen nach, ob die Hintertür verschlossen war – und nicht nur ein-, sondern zweimal.

3. KAPITEL

Am darauffolgenden Donnerstagmorgen stand Tristan von seinem Schreibtisch auf und begrüßte seinen Bruder, der ihn in seinem Büro in der Stadt besuchte. Tristan und Josh umarmten sich herzlich.

„Gehst du eigentlich überhaupt noch aus diesem Büro, oder hast du schon Wurzeln hier geschlagen?“, neckte Josh ihn anschließend.

Tristan lachte. Sein jüngerer Bruder war ein gern gesehener Gast, der immer gute Laune verbreitete. Sie ähnelten einander äußerlich so sehr, dass sie von vielen für Zwillinge gehalten wurden. „Nur weil du verliebt bist, heißt das noch lange nicht, dass die Welt stehen bleibt.“

„Bist du sicher?“, fragte Josh scheinbar erstaunt.

Sein Bruder heuchelte Mitgefühl. „Dir muss es ja wirklich schlecht gehen, mein Lieber.“ ...

Autor

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