Heirate mich, schöne Fremde!

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Meer, Strand, silbernes Mondlicht auf nackter Haut! Stopp! Die erotischen Stunden, die er mit der schönen Fremden in seinem Luxus-Resort in der Südsee verbracht hat, muss er vergessen. Schließlich zählen für Marco Silviano keine Gefühle. Auch als die blonde Venus ihn in Oxford in seinem Büro überrascht und ihm mitteilt, dass sie ein Kind von ihm erwartet, behält der Hoteltycoon die Kontrolle. Er wird Imogen heiraten! Doch Marco hat die Rechnung ohne die stolze Engländerin gemacht. Warum reicht all sein Geld nicht aus, um sie von einer Ehe zu überzeugen?


  • Erscheinungstag 04.06.2019
  • Bandnummer 2391
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712235
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Hingerissen beobachtete Marco Silviano die Blondine mit den reizvollen Kurven, die gerade an der Bar Champagner für sich und ihre Freundin bestellte. Selbst ihre Stimme klang unfassbar sexy, und das eisblaue Kleid, das sich im gedämpften Licht schimmernd um jede Rundung ihres Körpers schmiegte, war mehr als verführerisch.

Diskret winkte er den Barkeeper heran. „Der Champagner geht auf meine Rechnung, mit den besten Empfehlungen an die Damen.“

„Gern, Sir. Und von wem, wenn ich fragen darf?“

Das luxuriöse Ferienresort auf einer Südseeinsel gehörte erst seit Kurzem zur Silviano Leisure Group, dem Familienunternehmen, das Marco leitete. Er war hier, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass seine Anweisungen genauestens befolgt wurden. Aus Erfahrung zog er es allerdings vor, sich erst als Gast ein Bild von der Lage zu machen, bevor er sich zu erkennen gab.

„Marco“, erwiderte er freundlich, ohne seinen Nachnamen zu nennen.

Beide Frauen sahen neugierig zu ihm herüber, als der Barkeeper ihnen die Nachricht überbrachte, doch Marco war ganz auf die umwerfende Blondine fixiert. Ihre Blicke trafen sich, und sofort schien die Luft zwischen ihnen vor Spannung zu knistern. Marco stockte der Atem, so verblüfft war er. Er sah ihr in die Augen, und die Welt stand still. Das war ihm noch nie passiert.

Schnell erholte er sich von seinem Schrecken, ließ seinen Charme spielen und erhob grüßend sein Glas. Nur beiläufig registrierte er, dass die andere Frau seine Geste lächelnd erwiderte und der Blondine etwas zuraunte, während diese ihn immer noch unverwandt ansah. Auch er hatte nur Augen für sie. Lang und wellig fiel ihr helles Haar über ihre Schultern herab bis zu den vollen runden Brüsten, die ihr tief ausgeschnittenes Kleid perfekt zur Geltung brachten.

Lächelnd erhob nun auch sie ihr Glas, doch die eigentlich harmlose Geste wirkte provozierend erotisch. Marco war wie elektrisiert. Das Versprechen, ein nettes Mädchen zu heiraten und sich häuslich niederzulassen, das seine Eltern ihm mühsam abgerungen hatten, rückte in weite Ferne und verschwand mit der sinkenden Sonne am Horizont.

Er würde eine ganze Woche hierbleiben, getarnt als ganz normaler Gast. Die perfekte Gelegenheit, um sich von den Fesseln einer Familie zu befreien, in der er sich schon immer fremd gefühlt hatte. In letzter Zeit war einiges passiert, was dazu geführt hatte, dass er immer häufiger nach seinen Heiratsplänen gefragt wurde. Um dem lästigen Kreuzverhör durch seine Familie zu entgehen, hatte er dem Hauptbüro der Silviano Group in New York den Rücken gekehrt und hier auf der Insel Zuflucht gesucht.

Sein Vater hatte vor Kurzem einen Herzanfall erlitten. Dadurch waren dunkle Familiengeheimnisse ans Licht gekommen, die schwer auf ihm lasteten. Die Vergangenheit hatte ihn wieder eingeholt. Voll Bitterkeit dachte er an all die vielen Male, als er vergeblich versucht hatte, den Erwartungen seines Vaters gerecht zu werden. Und nun musste er sich auch noch ständig anhören, dass es seine Aufgabe war, der Familie einen Stammhalter zu präsentieren! Einen männlichen, natürlich, darauf legte sein Vater Wert.

Seine Schwester Bianca konnte zu ihrem Leidwesen keine Kinder bekommen, also ruhten alle Erwartungen auf ihm. Er allein war dafür zuständig, einen Erben für das Familienimperium in die Welt zu setzen, das sein Großvater als italienischer Einwanderer in New York gegründet hatte.

Marco hatte das Gefühl, dass er dringend eine Ablenkung brauchte, und da kam ihm ein kleiner Flirt gerade recht. Was war schon dabei? Noch hatte er nicht geheiratet, und er hatte auch nicht vor, es in absehbarer Zeit zu tun. Die Aussicht auf ein Abenteuer mit der attraktiven Blondine versetzte ihn in freudige Anspannung. Er war weit weg von New York, weit weg von seiner anstrengenden Familie. Schnell genug würde er sich der Realität wieder stellen müssen, aber jetzt gab es Wichtigeres zu tun.

Er glitt von seinem Barhocker und ging auf die beiden Frauen zu. Die blonde sah ihm erwartungsvoll, aber auch ein wenig nervös entgegen, was ihn stutzig machte. Vielleicht war es normalerweise nicht ihre Art, mit Männern in Bars zu flirten, und sie gab sich nur hier auf dieser exotischen Urlaubsinsel so offen. Oder sie war immer noch perplex über die heftige Anziehungskraft zwischen ihnen. Wie auch immer, es war ein aufregender Cocktail, der sich an diesem lauen Südseeabend zusammenbraute, und Marco hatte vor, ihn in vollen Zügen zu genießen.

„Danke für den Champagner!“ Die andere Frau trat einen Schritt zurück und überließ ihrer blonden Freundin so bereitwillig das Feld, als wollte sie sie unbedingt mit Marco verkuppeln.

„Ja, auch von mir vielen Dank.“ Die Blondine klang viel schüchterner, als ihr freizügiges Outfit vermuten ließ. Das blaue Seidenkleid stellte ihre üppigen Rundungen so aufreizend zur Schau, dass Marco es ihr am liebsten auf der Stelle ausgezogen hätte. Er brannte darauf, sie in die Arme zu nehmen und herauszufinden, welche Freuden ihr sexy Körper für ihn bereithielt.

„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.“ Er stand neben ihr an den Tresen gelehnt, das Brandyglas in der Hand, und konnte nichts anderes tun, als in ihre großen blauen Augen zu sehen, blau und unergründlich wie das Meer …

Himmel, was war nur mit ihm los? Wahrscheinlich hatte er zu viel Zeit mit seiner Schwester verbracht, die ihm beharrlich einzureden versuchte, dass auch er eines Tages die Richtige finden und sich in sie verlieben würde. Trotz ihres Kummers über ihre eigene Kinderlosigkeit glaubte auch Bianca, ihn ständig daran erinnern zu müssen, dass die Familie einen männlichen Nachkommen brauchte.

Marco selbst fand die Vorstellung, eine eigene Familie zu gründen, vollkommen abwegig. Er führte ein Leben auf der Überholspur, vergnügte sich mit wechselnden Affären und hatte nicht die geringste Lust auf Ehe- und Familienleben. Wie auch, nachdem er sich schon in seiner jetzigen Familie nie wirklich wohlgefühlt hatte? Die große Liebe, die seine Schwester ihm prophezeite, war für ihn kein Thema. Erst recht nicht, seit er herausgefunden hatte, was seine Mutter vor ihm verbarg und warum es ihm nie gelungen war, die Liebe seines Vaters zu gewinnen. Mit Liebe, egal welcher Art, wollte er nichts mehr zu tun haben.

Als Kind hatte er geglaubt, er wäre es nicht wert, geliebt zu werden. Jetzt, als Erwachsener, war er fest entschlossen, sich niemals zu verlieben.

Die Blondine lächelte ihn an, und sein Puls beschleunigte sich. Ein neues Abenteuer lockte. „Das ist Julie Masters“, sagte sie, „und ich bin Imogen …“ Sie zögerte. „Nur Imogen.“

Kein Nachname? Wie praktisch, dachte er. „Sie sehen entzückend aus, nur Imogen.“ Zufrieden stellte er fest, dass sein Charme noch funktionierte. Und dass bei diesem Flirt sehr viel mehr Nervenkitzel im Spiel war als sonst. „Ich bin Marco.“

„Hallo, Marco“, hauchte Imogen mit ihrer leisen, sexy Stimme.

„Und, wie gefällt es den beiden Ladies hier?“, erkundigte er sich in freundlich-unverbindlichem Ton, nur um die aufgeheizte Stimmung etwas abzukühlen.

„Es ist wunderbar!“ Imogen klang ehrlich begeistert. „Wir sind erst gestern Abend angekommen, aber ich bin jetzt schon verliebt in die Insel.“

„Ja, einfach traumhaft“, pflichtete Julie ihr bei, bevor sie sich wieder der Bar und ihrem Champagner zuwandte.

Ein besseres Feedback hätte Marco sich nicht wünschen können. Auch sein erster Eindruck von der Ferienanlage war positiv, doch das unbefangene Urteil der Gäste – reicher, verwöhnter Gäste – war Gold wert. „Woher kommen Sie?“

„Aus London“, sagte Julie wie aus der Pistole geschossen. „Daddy spendiert uns einen Urlaub in der Sonne, deshalb sind wir hier.“

„Sie beide sind Schwestern?“ Erstaunt blickte Marco von der blonden Imogen zu der dunkelhaarigen Julie.

„Cousinen“, warf Imogen rasch ein, und Julie kicherte. Marco hatte das Gefühl, dass die beiden ihn auf den Arm nahmen, doch solange er weiter mit Imogen flirten konnte, nahm er das gern in Kauf.

Er sah, wie Imogen ihrer „Cousine“ einen raschen Blick zuwarf, einen warnenden, vielleicht sogar leicht erschrockenen Blick, doch als sie sich wieder ihm zuwandte, lag ein Lächeln auf ihren Lippen. „Wir bleiben nur eine Woche.“

„Dann sollten wir das Beste aus dieser Woche machen.“

Errötend schlug sie die Augen nieder und vertiefte sich in die Betrachtung der aufsteigenden Bläschen in ihrem Champagnerglas, ganz so, als müsste sie sich erst darüber klar werden, ob sie das wirklich wollte.

„Genau“, rief Julie fröhlich dazwischen. „Also, wenn ihr mich bitte entschuldigen würdet?“

Imogen blickte erschrocken auf. „Du willst schon gehen?“

„Ja, aber ich bin sicher, Marco leistet dir gern Gesellschaft.“ Julie entfernte sich lachend. Es fehlte nicht viel, und sie wäre davongehüpft.

Amüsiert wandte Marco sich wieder Imogen zu. Ihre zurückhaltende Art gefiel ihm. Er fand es reizvoll, sich zur Abwechslung einmal um eine Frau bemühen zu müssen, die ihm nicht gleich um den Hals fiel – oder in sein Bett, wie es andere reihenweise taten. In dieser Hinsicht empfand er es fast als Nachteil, reich zu sein und einen bekannten Namen zu tragen. Frauen interessierten sich nicht für ihn als Mensch, sondern nur dafür, was er ihnen zu bieten hatte.

Imogen, nur Imogen, machte nicht diesen Eindruck. Abgesehen von dem teuren Designerkleid, das sie trug und das eher zu der exaltierten Julie gepasst hätte als zu ihr, wirkte sie nicht wie eine Frau, die sich von Glamour und Luxus beeindrucken ließ.

„Tut mir leid“, sagte sie, offenbar peinlich berührt von Julies allzu offensichtlichen Bemühungen, sie beide zu verkuppeln.

Auch das gefiel Marco. Es versprach eine interessante Woche zu werden. Die bezaubernde Imogen war ein willkommenes Kontrastprogramm zu dem Stress, der ihn bei seiner Rückkehr in New York erwartete. Er spielte sogar mit dem Gedanken, etwas ganz Unerhörtes zu tun und sein Smartphone für ein, zwei Tage abzustellen, um wirklich seine Ruhe zu haben. Wenn als Belohnung eine Nacht mit Imogen winkte, war er zu allem bereit. Er hatte nicht vor, den Funken, der zwischen ihnen übergesprungen war, vorschnell verglühen zu lassen.

Nein, er würde die Glut diesmal langsam anfachen, die Spannung ganz allmählich steigern, bis sie sich in wildem, berauschendem Sex entlud. Das hatte er noch bei keiner Frau getan. Die Vorstellung, den Flirt mit Imogen bis zum Äußersten auszureizen, heizte sein Verlangen erst richtig an.

„Ich habe nicht das Geringste dagegen, Ihnen Gesellschaft zu leisten“, versicherte er mit einem tiefen Blick in ihre Augen. „Wir haben eine Flasche Champagner und den ganzen Abend noch vor uns. Was wollen wir mehr?“

Ihr verhaltenes Lächeln war ebenso anziehend wie verwirrend. Zum ersten Mal in Gesellschaft einer schönen Frau hatte Marco das Gefühl, dass der Ausgang des Abends auch ohne seine selbst auferlegte Zurückhaltung völlig ungewiss war. Imogen war anders als die Frauen, mit denen er sich sonst amüsierte. Bei ihr musste er sich anstrengen, um ans Ziel zu kommen. Das war neu für ihn, aber auch ungemein aufregend.

„Ohne Julie schaffe ich die nicht“, meinte sie mit einem Blick auf die Flasche Champagner in ihrem Eiskübel. „Das prickelnde Zeug steigt mir viel zu schnell zu Kopf.“

Ein Partygirl aus reichem Haus, das keinen Champagner vertrug? Marco wunderte sich, dachte aber nicht weiter darüber nach, sondern konzentrierte sich lieber wieder auf den Anblick ihrer vollen roten Lippen, die er nur zu gern küssen wollte. „Dann lassen wir uns eben ganz viel Zeit.“

Sie sah ihn von unten herauf an und schob sich eine Locke hinter das Ohr. Bei jeder anderen Frau hätte er es als typisches Flirtsignal ausgelegt, wenn sie in seiner Gegenwart mit ihren Haaren spielte, Imogens Verlegenheit aber wirkte echt. Was ihm zu denken gab. Wenn sie tatsächlich so unerfahren im Umgang mit Männern war, wie es den Anschein hatte, würde er mit seiner üblichen Taktik nicht weiterkommen. Das machte es umso spannender.

„Einverstanden.“ Wieder schenkte sie ihm dieses kleine, verhaltene Lächeln.

„Dann lassen Sie uns ein ruhiges Plätzchen suchen, wo wir ungestört sind“, schlug er vor und gab dem Barkeeper ein Zeichen, dass sie den Champagner am Tisch weitertrinken würden.

Imogen sah ihn mit Panik in den Augen an, dann warf sie lässig ihr Haar zurück, wobei sie mehr von ihrem cremeweißen Dekolleté enthüllte, als sie vermutlich beabsichtigt hatte. Sie sah hinreißend aus. So begehrenswert, dass Marco ein alarmierender Gedanke kam. Was, wenn sie gar kein Single war? Kein vernünftiger Mann würde eine Frau wie sie wieder gehen lassen, und von gebundenen Frauen ließ er grundsätzlich die Finger.

„Gute Idee“, stimmte sie zu.

Er legte ihr die Hand an den Rücken und dirigierte sie sanft, aber bestimmt zu einem etwas abgelegenen Tisch im Außenbereich des Restaurants. „Ich möchte natürlich niemandem auf die Zehen treten“, meinte er beiläufig, nachdem er ihr den Stuhl zurechtgerückt und den Kellner, der den Champagner brachte, mit einem Wink entlassen hatte.

„Auf die Zehen? Wie meinen Sie das?“

Mit einem verstohlenen Blick auf ihre rechte Hand vergewisserte er sich, dass sie keinen Ehering trug. „Nun, auf eine schöne Frau wie Sie wartet in London doch sicher ein Freund oder Verlobter, habe ich recht?“

Imogen zuckte zusammen. Die Frage nach einem Verlobten traf sie an ihrem wunden Punkt, aber das konnte der charmante Marco natürlich nicht wissen. Er ahnte ja nicht, wie schäbig Gavin sie abserviert hatte. Wie feige er sich aus dem Staub gemacht hatte, eine Woche vor der geplanten Hochzeit! Und dass Gavin seit Kurzem mit einer anderen verheiratet war, nachdem er doch steif und fest behauptet hatte, er wäre nicht für die Ehe geschaffen und die Verlobung mit Imogen wäre nur auf Druck ihrer Familien zustande gekommen.

„Kein Freund, kein Verlobter“, erwiderte sie betont locker, während Marco gekonnt den Champagner in die Gläser füllte. Nachdenklich betrachtete sie sein dunkel glänzendes Haar und seinen tief gebräunten Teint und überlegte, ob er womöglich südeuropäische Wurzeln hatte. Als er unvermittelt aufblickte, fühlte sie sich ertappt.

Verlegen nahm sie das Glas entgegen, das er ihr reichte. Kein Zweifel, dieser Mann bewegte sich in völlig anderen Kreisen als sie, die kleine Angestellte. Er roch geradezu nach Reichtum und Macht. Was tat sie nur hier? Warum hatte sie auf Julie gehört und sich vom Zauber dieser Insel verführen lassen, auf die es sie im Rahmen ihrer Arbeit so unverhofft verschlagen hatte?

Und warum saß von allen anwesenden Frauen ausgerechnet sie mit dem attraktivsten Mann an einem lauschigen Zweiertisch? Mit seiner großen, sportlichen Gestalt war er ihr gleich beim Betreten der Bar aufgefallen. Da Männer sich in der Regel jedoch mehr für die hochgewachsene Julie mit ihren Model­maßen interessierten als für sie, die Kleine, Kurvige, hatte sie gleich wieder weggesehen. Was natürlich dumm von ihr war. Gavin mochte ihrem Selbstwertgefühl einen empfindlichen Knacks versetzt haben, aber es würde ihm nicht gelingen, sie in das Tal der Tränen und Erniedrigungen zurückzuschicken, das sie aus ihrer Schulzeit nur zu gut kannte.

Vorsichtig nippte sie an ihrem Champagner. Natürlich hatte sie es einzig und allein Julie zu verdanken, dass sie hier saß. Es war Julies Idee gewesen, den Aufenthalt in diesem Urlaubs­paradies zu nutzen, um ein wenig Glanz in ihren tristen Alltag zu bringen. Wenn ihr Arbeitgeber, der Chef von Luxury Travel, sie schon auf diese Südseeinsel schickte, um das neue Angebot der Silviano Group zu testen, dann konnten sie es sich auch gut gehen lassen, und zwar richtig. Das war der Plan.

Nur dass Imogen nicht damit gerechnet hatte, dass ein Mann wie Marco Teil dieses Plans sein würde. Er war anders als alle Männer, die sie je kennengelernt hatte. Er war zielstrebig, selbstbewusst und schien genau zu wissen, was er wollte. Sie.

Eigentlich war es gar nicht ihre Art, den blonden Vamp zu spielen. Aber Julies Vorschlag, sie solle eine heiße Affäre eingehen, um endlich über Gavins Verrat hinwegzukommen, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte sich längst ausgesöhnt mit ihrer zierlichen, aber wohlgerundeten Figur, und das wollte sie Julie unbedingt beweisen.

Kein Wunder, dass ihre Freundin und Kollegin alles getan hatte, um sie Marco in die Arme zu treiben. Er war der Playboy-Typ, wie er im Buche stand: reich, gut aussehend und umwerfend charmant.

Imogen fasste einen Entschluss. Ja, sie würde Julies Herausforderung annehmen. In dieser einen Woche auf der Insel würde sie eine neue Imogen sein, eine ganz andere als sonst. Sie würde den Abend mit Marco genießen, als ob es ihr letzter wäre. Es war ihr Abend, und mit wem hätte sie ihn lieber verbringen wollen als mit einem so anziehenden Mann wie Marco?

„Ich muss zugeben, ich bin überrascht, aber glücklich, dass ich Sie heute Abend für mich allein habe.“ Seine warme dunkle Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Ihr Herz raste. Seit er an der Bar auf sie zugekommen war, fühlte sie sich vor Aufregung wie beschwipst, dabei hatte sie bisher kaum etwas getrunken.

„Ja, ich auch.“ Aber konnte sie das? Konnte sie die coole Verführerin spielen, den Typ Frau, für den Männer wie Marco sich interessierten?

Sie musste unwillkürlich lächeln, als sie daran dachte, wie Julie im Flugzeug auf sie eingeredet hatte: „Vergiss den elenden Mistkerl, der kurz vor dem Altar die Kurve gekratzt hat, und fang wieder an zu leben!“

Julie hatte recht. Deshalb hatte sie ihr auch versprochen, beim nächsten Mann, der sich für sie interessierte, auf die Vergangenheit zu pfeifen und nur für den Augenblick zu leben. Kein Gedanke an das Vorher oder Nachher, und schon gar nicht an den „elenden Mistkerl“, den einzigen Mann, mit dem sie jemals zusammen gewesen war.

„Sie lächeln“, bemerkte Marco.

„Ich befinde mich an einem wundervollen Ort in angenehmer Gesellschaft, also warum sollte ich nicht lächeln?“ Sie versuchte, unbefangen zu klingen, ein wenig zu flirten, aber sie fühlte sich nicht recht wohl in dieser Rolle. Genauso wenig wie in dem hochgeschlitzten blauen Seidenkleid, das alles an ihr betonte, was sie normalerweise lieber kaschierte. Sie gab sich große Mühe, dem Kleid gerecht zu werden, die Frau zu sein, zu der es passte. Es war ein Kleid für nur Imogen.

„Verführung pur“, lautete Julies Urteil, als sie den Traum aus blauer Seide abends anprobiert hatte. Das exklusive Modell stammte aus dem Fundus, den die Firma ihnen für ihren Testurlaub zur Verfügung gestellt hatte. Es war bestimmt sündhaft teuer gewesen. Imogen hätte sich nie träumen lassen, dass sie jemals so ein Kleid tragen würde.

„Nur angenehm, mehr nicht?“, beschwerte sich Marco, ein listiges Funkeln in den dunklen Augen. Er sah aus wie ein Südeuropäer, sprach aber Englisch mit astreinem amerikanischem Akzent.

„Na gut.“ Sie lachte. „Auf die Gefahr hin, dass Sie jetzt übermütig werden – ich befinde mich an einem wundervollen Ort in Gesellschaft eines sehr charmanten Mannes.“

„Schon besser“, meinte er lachend. „Also, nur Imogen, was tun Sie in London?“

Imogen verschluckte sich fast an ihrem Champagner. Sie hatte nicht vor, diesem offenbar äußerst wohlhabenden und noch dazu äußerst gut aussehenden Mann zu erzählen, dass sie nur eine einfache Angestellte war, die sich von einem Gehalt zum nächsten hangelte. Warum die Magie des Abends vorzeitig zerstören? Warum den Traum nicht weiterspinnen und eine ganz neue Identität für sich erfinden?

„Ich arbeite als Chefassistentin.“ Sie nippte erneut an ihrem Champagner, stellte dann vorsichtshalber das Glas ab, bevor sie doch noch einen Schwips bekam. „Und Sie?“

„Ich bin in der Freizeitbranche tätig.“

„In Amerika, nehme ich an?“

„Richtig, aber meine Familie stammt ursprünglich aus Sizilien. Meine Großeltern wanderten gleich nach der Hochzeit aus, um in Amerika ein neues Leben zu beginnen. Sie eröffneten ein kleines Café und blieben für immer dort.“ Aus seinem Lächeln schloss Imogen, dass er seinen Großeltern sehr nahegestanden haben musste oder noch stand, was ihr sehr sympathisch war. War er etwa ein Familienmensch?

„Wie romantisch!“, sagte sie, merkte aber sogleich an seinem befremdeten Gesichtsausdruck, dass dies nicht das Wort war, das er gewählt haben würde. Offenbar war ihr erster Eindruck richtig gewesen, und sie hatte es mit einem waschechten Playboy zu tun. Einem Mann, der nicht an einer festen Bindung interessiert war, romantische Anwandlungen lächerlich fand und sich davor hütete, das Wort Liebe auch nur in den Mund zu nehmen.

„Sind Sie eine Romantikerin?“ Sein schroffer Tonfall schien ihre These zu untermauern.

Lachend beugte sie sich vor, um nach ihrem Glas zu greifen, und merkte zu spät, dass ihr offenherziger Ausschnitt Marcos Blick magisch anzog. Ihrer Meinung nach hätte das blaue Kleid der superschlanken Julie sowieso viel besser gestanden, aber Julie hatte gemeint, sie sehe großartig darin aus, und außerdem solle sie sich von Gavins abfälligen Bemerkungen über ihre Figur nicht verunsichern lassen.

„Ist das nicht irgendwie jeder?“, erwiderte sie, ohne sich ihre Verlegenheit anmerken zu lassen, lehnte sich zurück und trank einen weiteren Schluck Champagner. „Ich finde Ihre Familiengeschichte jedenfalls sehr romantisch, Sie nicht?“

„Nein.“ Sein Nein klang so hart, dass er ihr beinahe leid tat. Bis sie sich klarmachte, was sie selbst sich mit ihrem ausgeprägten Sinn für Romantik eingehandelt hatte. Einen Bräutigam, der sie mit dem fertigen Hochzeitskleid hatte sitzen lassen. Jetzt konnte sie schon fast darüber lachen. Egal, ob dieser italienischstämmige New Yorker mit seiner nüchternen Einstellung nun recht hatte oder nicht, es machte auf jeden Fall Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Sie hatte sich lange nicht mehr so sorglos gefühlt.

„Sehen Sie sich doch nur mal um! Alles dreht sich um Romantik.“ Sie wies mit ausgebreiteten Armen auf die hübsch gedeckten Tische im Kerzenlicht, die schummrig beleuchtete Bar, die Terrasse, auf der sie jetzt saßen, direkt unter dem südlichen Sternenhimmel.

„Okay, ich kapituliere“, rief er lachend.

„Ach, wirklich?“, neckte sie ihn, als würden sie sich seit Jahren kennen.

Er nickte einlenkend. „Ein bisschen romantisch ist die Insel schon, das gebe ich zu.“

„Na also, jetzt kommt der Italiener in Ihnen durch“, erwiderte sie leise lachend, worauf er sich zu ihr beugte und sie eindringlich ansah.

„Und, gefällt er Ihnen?“ Der Flirt drohte auf eine gefährliche Ebene zu geraten, aber Imogen dachte gar nicht daran, ihn zu beenden. Vielleicht war es der Champagner, der sie so mutig machte.

„Und ob“, erwiderte sie. „Jedenfalls sehr viel besser als der hartgesottene New Yorker Businessman.“

„Autsch.“ Marco erhob sein Glas „Wenn das so ist, dann trinke ich auf eine Woche voll Romantik in Gesellschaft einer wunderschönen Frau.“

Niemand hatte Imogen jemals als schön bezeichnet. In der Schule war sie wegen ihres Gewichts immer nur gehänselt worden, und als ihre Mutter tröstend von „Babyspeck“ sprach, hatte ihr das als pummeligem Teenager den Rest gegeben. Jahrelang hatte sie mit sich gehadert, weil sie nicht so rank und schlank war wie ihre Cousinen.

Bis sie irgendwann genug davon hatte, sich ständig selbst zu bemitleiden, und beschloss, sich so anzunehmen, wie sie war. Von da an ging sie mit neuem Selbstbewusstsein durchs Leben. Sie verliebte sich in Gavin, den sie schon aus Kindertagen kannte, und aus ihnen beiden wurde ein Paar.

Gavin war ihr erster Freund, ihr Ein und Alles, aber er hatte ihr in den zwei Jahren, die sie zusammen waren, nicht ein einziges Mal gesagt, dass sie schön sei. Sie hatte versucht, sich nichts daraus zu machen, aber es hatte sie doch sehr gekränkt. Erst recht, als er dann die Verlobung gelöst hatte.

„Auf die Romantik des Augenblicks.“ Sie prostete Marco zu, der sie über den Rand seines Glases hinweg ansah. Ich will dich, sagte sein Blick. Sie konnte die Worte fast hören. Sie lagen wie ein Flüstern in der Abendluft.

Von der Bar drang eine leise, gefühlvolle Melodie zu ihnen herüber. Die richtige Musik, um mit einem ganz besonderen Menschen zu tanzen. Es war lange her, seit Imogen das letzte Mal getanzt hatte. Gavin war zuletzt kaum noch mit ihr ausgegangen, schon gar nicht zum Tanzen. Spätestens da hätte sie ahnen müssen, dass er nicht wirklich etwas für sie empfand, sie ganz sicher nicht liebte. Sie aber war so blind gewesen, immer noch an ein Happy End zu glauben. So dumm würde sie nie wieder sein.

„Möchten Sie tanzen?“ Marco stand auf und reichte ihr die Hand.

Verwirrt sah sie zu ihm auf, während ihr alle möglichen Bedenken durch den Kopf schossen.

„Wollen wir der Realität für eine Weile entfliehen und die Romantik des Augenblicks genießen?“

„Wie könnte ich da Nein sagen?“

„Nun, Imogen“, sagte er, als er sie auf die Tanzfläche führte und die Arme um ihre Taille legte. „Sie sind also hier, um vor etwas zu fliehen.“

Autor

Rachael Thomas

Vor über zwanzig Jahren wählte Rachael Thomas Wales als ihre Heimat. Sie heiratete in eine Familie mit landwirtschaftlichem Betrieb ein und konnte in ihrem neuen Zuhause endlich Wurzeln schlagen. Sie wollte schon immer schreiben; noch heute erinnert sie sich an die Aufregung, die sie im Alter von neun Jahren empfand,...

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