Heiße Leidenschaft - Best of Baccara 2023

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Mit diesem eBundle präsentieren wir Ihnen die schönsten und erfolgreichsten Baccara-Romane aus 2023 – leidenschaftlich, aufregend und extravagant. Die kleine Auszeit vom Alltag für die selbstbewusste Frau … Happy End garantiert!

EIN PLAYBOY, DER FÜR IMMER BLEIBT? von JOSS WOOD
Ihr Duft, der Geschmack ihrer Lippen, ihr Körper in seinen Armen – seit einer unverhofft sinnlichen Begegnung in einem steckengebliebenen Fahrstuhl ist Bauunternehmer Rowan ganz bezaubert von Jamie. Wie gut, dass sie beide eine unverbindliche Affäre wollen, denn der Sex mit ihr ist atemberaubend! Doch dann erwartet Jamie ein Kind von ihm, und plötzlich wünscht sich Rowan nichts sehnlicher, als für immer für sie da zu sein…

KONKURRENZ BELEBT DIE LIEBE von DONNA HILL
Wie bitte, Paul schnappt ihr den Job weg? Layne ist empört! Vor Jahren haben sie sich getrennt, weil Layne bei einem TV-Sender in Washington D. C. Karriere machen wollte. Und jetzt soll ausgerechnet Paul den Moderator-Posten bekommen, auf den sie so lange hingearbeitet hat. Das ist so was von inakzeptabel! Inakzeptabel ist allerdings auch die Anziehung zwischen ihnen, die schon beim ersten Wiedersehen voll aufflammt. Layne will ihm unbedingt widerstehen, trotzdem landet sie bald mit Paul im Bett. Belebt die Konkurrenz ihre Liebe neu?

EIN PLAYBOY ZUM VERLIEBEN? von ANNE MARSH
Playboy Declan Masterson muss sich schnellstens ein seriöses Image zulegen – sonst verliert er sein Erbe. Eine Segelregatta für wohltätige Zwecke, auf der er sich mit Charlotte ein Boot teilt, scheint die perfekte Gelegenheit zu sein! Charlotte hat so gar nichts mit ihm gemeinsam: Sie stammt aus einer angesehenen Familie, kleidet sich zurückhaltend und benimmt sich nie daneben. Doch als sie Schiffbruch erleiden und in einer kleinen Hütte festsitzen, entdeckt Declan, dass Gegensätze sich auch anziehen können ...


  • Erscheinungstag 11.01.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751528382
  • Seitenanzahl 480
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Joss Wood
Originaltitel: „Crossing Two Little Lines“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA , Band 2285 03/2023
Übersetzung: Monika Paul

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751515566

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Wehe, du brichst noch mal in meine Wohnung ein!“, schimpfte Jamie Bacall-Metcalfe und schaute ihren elf Monate älteren Bruder finster an. Greg saß mit nass geschwitzten Haaren, in Shorts, Turnschuhen und einem alles andere als sauberen T-Shirt an ihrem Küchentisch und blieb ungerührt. Er hatte die Augen fest auf den Bildschirm ihres Tablets geheftet und trank ihren Kaffee. „Den Schlüssel habe ich dir für Notfälle überlassen, nicht, damit du hier während deiner Joggingrunde verschnaufst“, fuhr sie etwas freundlicher fort, denn im Grund hatte sie nichts gegen seine Besuche, im Gegenteil. Sie liebte ihren Bruder, er und sein Ehemann Chas waren ihre besten Freunde. „Zumindest könntest du duschen, bevor du einbrichst“, ergänzte sie mit einem missbilligenden Blick auf das schmuddelige T-Shirt und schenkte sich einen Kaffee ein.

„Chas ist da eigen. Er mag’s nicht, wenn ich total verschwitzt aufkreuze.“ Ohne vom Bildschirm aufzusehen, tastete Greg nach seiner Tasse.

„Da haben er und ich was gemeinsam.“ Jamie trat hinter ihren Bruder und sah ihm neugierig über die Schulter. „Was guckt’s du denn Spannendes?“

Weil Greg nicht sofort antwortete, nahm sie sich einen Moment Zeit, um das Foto auf dem Bildschirm zu betrachten. Es handelte sich um das Porträt eines Mannes Mitte dreißig: markantes Kinn, gerade Nase, sinnlicher Mund, braunes Haar mit natürlichen hellen Strähnen und gerade so unrasiert, wie sie es mochte. Aber es waren seine Augen, die sie wirklich fesselten. Sie leuchteten in dem intensiven Blau der Flügel eines Himmelfalters, und wie bei den Schmetterlingsflügeln war das blaue Innere von einem schwarzen Ring eingefasst. Wenn der Rest von dem Kerl nur annähernd so toll war wie sein Gesicht, musste sie ihn unter Vertrag nehmen. Wer war das, und wie kam sie an ihn ran? Heiße Typen, die sportlich und intellektuell zugleich rüberkamen, fand man nicht alle Tage.

Dann endlich legte Greg das Tablet weg und fuhr sich durch das dichte dunkle Haar, das Jamies so ähnlich war. „Worum ging’s da?“, fragte sie und deutete auf den schwarzen Bildschirm. Und v or allem: Wer ist der Typ?

Die Härchen auf ihren Unterarmen hatten sich aufgerichtet, aber es dauerte einen Moment, ehe sie begriff, dass es sich bei dieser Reaktion um dieses gewisse Kribbeln handelte. Wow! War sie am Ende doch noch keine vertrocknete alte Jungfer?

„Das war ein Artikel über Rowan Cowper.“ So, wie Greg das sagte, klang es, als wüsste jeder, wer Rowan Cowper war.

Sie zuckte die Achseln. „Über wen?“

Greg schnaubte. „Cowper Construction? Die Firma, die das neue Krankenhaus gebaut hat?“

„Hallo? Du bist Architekt und musst die Bauherren natürlich kennen, mein Lieber, aber ich leite ja bloß eine Werbeagentur! Die für diesen Cowper übrigens Verwendung hätte.“

„Ich würde ihn auch nicht von meiner Bettkante schubsen“, meinte Greg.

„Aber vielleicht dein Ehemann.“ Jamie lachte. Sie wusste genau, dass ihr Bruder nur Sprüche klopfte. „Wie kommt der Typ auf die Titelseite?“

Greg schenkte sich Kaffee nach. „Er war spät nachts noch auf einer Baustelle zugange. Auf dem Weg zum Auto hat er beobachtet, wie ein paar finstere Typen einen Collegestudenten verprügeln: drei gegen einen. Cowper ist dazwischengegangen und hat die Ganoven im Alleingang ausgeschaltet. Und weil es sich bei dem Opfer um den Sohn des Gouverneurs handelt, wird Cowper jetzt als Held gefeiert.“

Nun ergab das Ganze einen Sinn! Gouverneur Carsten war ein persönlicher Freund ihrer Eltern, denen wiederum die Zeitung gehörte, in der über Cowper berichtet wurde. Der jüngere Sohn des Gouverneurs hatte vor Kurzem in den sozialen Medien für Aufsehen gesorgt, als er sich als bisexuell und non-binär geoutet hatte.

„Ein Hassverbrechen?“ fragte Jamie. Sie fühlte sich ganz elend, wenn sie sich vorstellte, was für Idioten da draußen frei herumliefen.

„Schon möglich, aber die Polizei hält sich natürlich bedeckt. Genauso gut kann es sein, dass man ihn wegen seiner Familie ins Visier genommen hat. Cowper hat dem Jungen jedenfalls das Leben gerettet, denn die Typen waren mit Messern bewaffnet und hatten anscheinend auch vor, sie zu benutzen.“ Greg lehnte sich zurück und musterte Jamie von oben bis unten. „Jetzt aber mal was anderes: Wie geht es dir, James Jessamy?“

Jamie funkelte ihn böse an. Auch nach all den Jahren war es ihr ein Rätsel, was ihre Eltern sich dabei gedacht hatten, sie mit diesem Namen zu belasten. Wenigstens hatten sie sich darauf einigen können, sie Jamie zu nennen.

„Mir geht es gut, Gregory Michael Henry.“

Seine besorgte Miene ließ keinen Zweifel daran, worauf die Frage abzielte. Nächsten Monat jährte sich der Todestag ihres Mannes zum fünften Mal, und wie immer stand sie um diese Zeit noch mehr als üblich unter Beobachtung ihrer Familie. Dabei empfand sie selbst den Jahrestag von Kadens Tod nicht als besonders schrecklich, denn sie dachte sowieso ständig an ihn, durchlebte den Unfall jeden Tag aufs Neue und fühlte sich heute genauso schuldig wie vor fünf Jahren. Und diese Schuldgefühle kamen nicht in Wellen, sie waren immer da. Es war ihre Schuld, dass er gestorben war.

„Tut es nicht.“

Tat es nicht, nein. Aber sie konnte so tun, als ob.

Rowan Cowper kippte den Whiskey in einem Zug hinunter und ließ die Schultern kreisen. Wenn er nur die Smokingjacke los wäre! Und diese Krawatte! Während sein Begleiter schwadronierte, schielte Rowan unauffällig auf seine Armbanduhr, eine Patek Philippe Aquanaut, die er sich gerade erst selbst geschenkt hatte, und hätte vor Erleichterung fast laut geseufzt: Kurz vor elf! Nicht mehr lange, dann konnte er diese ätzende Veranstaltung, ein Wohltätigkeitsbankett, organisiert von der Frau des Gouverneurs, verlassen. Worum ging es gleich noch mal? Krebskranke Kinder? Obdachlose? Es wollte ihm nicht mehr einfallen, obwohl er ein stattliches Sümmchen gespendet hatte. In Zukunft sollte er besser zuhören oder solche grässlichen Veranstaltungen einfach meiden, wobei ihm Option zwei eindeutig mehr zusagte.

Er murmelte eine Entschuldigung und bahnte sich einen Weg zum Ausgang. Alle Versuche, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, blockte er ab. Bis vor ein paar Wochen war er nur ein Bauunternehmer unter vielen gewesen, wohlhabend, ja, aber kein Mitglied der High Society von Maryland. Doch sein beherztes Eingreifen bei dieser Schlägerei hatte ihm nicht nur ein Abendessen in der Villa des Gouverneurs beschert, sondern Einladungen zu allen wichtigen gesellschaftlichen Events im ganzen Bundesstaat. Nicht schlecht für einen Jungen aus West Garfield Park, einer der gefährlichsten Gegenden von Chicago, wenn nicht von ganz Illinois.

Er wusste, wie es lief. Gute Beziehungen zu den Entscheidungsträgern zahlten sich im Geschäftsleben immer aus. Sein Leben würde einfacher werden, sehr viel einfacher. Schon dieser Abend war alles andere als Zeitverschwendung gewesen: Er hatte erfahren, dass in einem der Außenbezirke der Stadt ein neues Gewerbegebiet ausgewiesen werden sollte und dass ein Kunststoffwerk den Bau neuer Fertigungsanlagen plante, und hatte Namen und Nummern der Leute bekommen, die er wegen dieser Projekte kontaktieren konnte.

Keine schlechte Ausbeute für einen Abend. Der Nachteil war natürlich, dass er mit Einladungen zum Essen oder auf einen Drink und auch mit sexuellen Angeboten überschüttet worden war. Er hatte alle abgelehnt.

Er wartete noch auf den Aufzug, als eine weibliche Stimme seinen Namen rief. Seufzend drehte er sich um. Shona … irgendwas. Sie waren ein paar Mal miteinander ausgegangen, aber als sie ihn ihrer Familie vorstellen wollte, hatte er den Rückwärtsgang eingelegt. Ganz, ganz schnell. Er war nicht zum Schwiegersohn gemacht. Die einzige feste Bindung, die er je eingegangen war, war die zu Cowper Construction. Das Unternehmen war seine große Liebe.

„Shona, hi!“

Zu seinem Entsetzen küsste sie ihn auf beide Wangen und boxte ihn dann spielerisch in den Bauch. „Was für ein Glück, dass ich dich treffe. Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen. Hast du eine neue Telefonnummer? Ich habe dir nämlich ungefähr tausend Nachrichten aufs Band gesprochen.“

Fieberhaft überlegte Rowan, wie er sich aus der Affäre ziehen konnte, ohne Shonas Gefühle zu verletzen, als er plötzlich eine Hand im Rücken spürte. Er wirbelte herum und sah in die funkelnden goldbraunen Augen einer Frau. Sie war brünett, trug ein eng anliegendes, mit silbernen Perlen besetztes Kleid, und als sie die schmale Hand in seine schob und den Kopf an seine Schulter lehnte, erhaschte er den Hauch eines dezenten, aber verführerischen Parfüms. Die Frau war atemberaubend schön – makelloser Teint, große Augen, fantastische Kurven … Sein Herz schlug einen Dreifachsalto. Seltsam. Das hatte es noch nie getan.

„Da bist du ja, Schatz! Sorry, ich habe mich mit Terry festgequatscht. Von dem soll ich dich übrigens grüßen“, sagte sie und bedachte ihn mit einem dermaßen strahlenden Lächeln, dass es einen Moment dauerte, ehe ihm dämmerte, dass sie vom Gouverneur sprach.

Sie warf ihm einen verschwörerischen Blick zu und wandte sich an dann Shona, die sie mindestens genauso verwirrt wie verärgert beobachtete. „Shona, hi! Wie geht es? Was machen deine Eltern? Grüße sie bitte ganz lieb von mir.“

Mit einer blitzschnellen Bewegung verhinderte die Schöne, dass sich die Türen des Aufzugs, der in der Zwischenzeit gekommen war, wieder schlossen, und zog an Rowans Hand. „Komm schon, im Kühlschrank warten eine Flasche Moët, Erdbeeren und Sahne.“

Rowan ließ sich von ihr in den Aufzug ziehen, während er sich unwillkürlich ausmalte, wie er ihre seidige Haut mit Sahne bestrich und sie dann ableckte. Oder eine Erdbeere in Champagner tauchte und die pralle Frucht zwischen diese roten Lippen schob. Als er sich umdrehte, bemerkte er, dass Shona ihnen mit bebender Unterlippe hinterhersah. Sie tat ihm beinahe leid, und er wollte gerade etwas Tröstliches zum Abschied sagen, als die schöne Frau seinen Arm drückte.

„Auf keinen Fall! Darauf hat sie’s doch angelegt“, murmelte sie.

Aha. Also gut.

Dann schlossen sich auch schon die Fahrstuhltüren, und er kam sich vor, als wäre er durch ein Portal in eine seltsame neue Welt getreten. Herrlich, aber merkwürdig.

Welcher Teufel hatte sie eigentlich geritten, dem sehr großen, sehr scharfen Rowan Cowper zu Hilfe zu eilen? Wollte der Typ ihre Hilfe überhaupt? Vielleicht hätte er Shona gerne mit zu sich nach Hause genommen, und sie hatte ihm jetzt die Tour vermasselt. Verlegen tänzelte Jamie von einem Fuß auf den anderen, während ihre Hand noch immer in seiner – wunderbar warmen – Hand lag.

Verstohlen studierte sie seine Miene. Er zeigte keine Regung, es war unmöglich zu erraten, was in seinem Kopf vorging, aber immerhin meinte sie, den Ansatz eines Lächelns zu erkennen. Schrecklich sauer war er also nicht.

„Sie dürfen mich jetzt loslassen“, sagte sie.

Er sah auf ihre Hände und gab sie sofort frei. „’Tschuldigung.“

Sofort wünschte sich ihre Hand in seine zurück, es hatte sich gut angefühlt dort. „Sie müssen sich nicht entschuldigen, schließlich habe ich Sie weggezerrt“, antwortete Jamie mit einem schiefen Grinsen. „Hoffentlich habe ich die Situation nicht falsch interpretiert, und Sie wollten gar nicht gerettet werden.“

Da endlich verzogen sich die fest aufeinandergepressten Lippen zu einem Lächeln. „Ich komme ganz gut alleine zurecht, aber es war ein netter Versuch.“

Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß. Wohl wahr: Er strahlte eine unglaubliche Kraft, Energie und Souveränität aus, gleichzeitig aber so viel Gelassenheit und Intelligenz – wahrscheinlich gab es nichts, womit er nicht alleine fertig wurde.

Mit einem Mal kam sie sich ziemlich einfältig vor. Zwar hatte sie mit den allerbesten Absichten gehandelt, aber vielleicht hatte sie dadurch alles erst so richtig durcheinandergewirbelt. „Ich hatte nicht die Absicht, Ihre Pläne zu durchkreuzen.“

„Das haben Sie nicht. Ich wollte sowieso nach Hause.“

Jetzt war sie auch nicht schlauer als zuvor. Wieso machte der Typ sie so nervös? Sie hatte ständig mit attraktiven Männern zu tun, beruflich und bei Events wie diesem, aber bisher war ihr noch bei keinem so heiß geworden, und zwar an Stellen, an denen sie schon lange nichts mehr gespürt hatte.

Aufgrund des Zeitungsartikels vor ein paar Wochen hatte sie ihn sofort erkannt. Im echten Leben sah er noch besser aus, deswegen war es ihr unmöglich gewesen, nicht ständig in seine Richtung zu schielen. Und deshalb war ihr auch nicht entgangen, dass er vom aufmerksamen Zuhörer zum resignierten und schließlich schlichtweg gelangweilten Gast mutiert war. Und wie unangenehm ihm die Begegnung mit Shona war.

Was machte sie sich eigentlich so viele Gedanken wegen diesem Kerl? Auf einmal wollte Jamie nur noch raus aus diesem Aufzug und so viel Abstand wie möglich zwischen sich und den geheimnisvollen Rowan Cowper bringen. Sie hatte sich so gut eingerichtet in ihrem schützenden Kokon aus Schuld und Trauer. Nach der Sache mit Kaden hatte sie sich angewöhnt, Distanz zu wahren, sich nicht einzubringen.

Stattdessen blickte sie in Rowans Augen – und bäng!

Natürlich hatte auch sie schon von diesen ominösen Funken gehört, die plötzlich übersprangen, nur passierte ihr das zum ersten Mal. Eine unerklärliche Kraft drängte sie, die Arme um diesen starken, sonnengebräunten Hals zu schlingen und diese Lippen zu erforschen. Nicht eine Sekunde länger konnte sie leben, ohne in Erfahrung zu bringen, ob dieser Mann genauso dunkel und gefährlich schmeckte, wie sie vermutete.

Sein Blick fiel auf ihren Mund. Sie spürte, dass er seufzte, bevor sie es hörte, sah, wie sich seine Augen verdunkelten, und verfolgte atemlos, wie er sich herunterbeugte und … auf einen Knopf an der Konsole hinter ihr drückte.

„Sie wollten doch ins Foyer, oder?“, fragte Rowan höflich.

Na super! Da träumte sie von einem heißen Kuss – und er konnte nicht schnell genug von ihr wegkommen. Ihre Fantasie ging heute Abend gewaltig mit ihr durch.

„Eigentlich in die Tiefgarage“, stammelte sie und verwünschte das verräterische Rot, das ihr in die Wangen geschossen war, aber Rowan achtete ohnehin nur auf die Leuchtanzeige und runzelte die Stirn.

„Komisch.“

„Was?“

„Wir fahren rauf statt runter. Und die Anzeige spinnt.“

Plötzlich rauschte die Kabine ein ganzes Stockwerk nach unten, stoppte mit einem heftigen Ruck und sauste dann wieder nach oben. Rowan hämmerte auf den Knopf für die nächste Etage. „Wir müssen das Ding anhalten und einen anderen Aufzug nehmen.“

Die Kabine bewegte sich wieder abwärts.

„Okay. Acht, sieben, sechs, fünf …“, zählte Jamie, während sie darauf wartete, dass der Aufzug anhielt und sie entließ. In diesem Moment kam die Kabine mit einem Ruck und einem ächzenden Geräusch zum Stehen.

„Das hört sich gar nicht gut an“, murmelte Rowan. „Die Aufzuganlage scheint defekt zu sein. Das könnte ein bisschen dauern. Ich fürchte, wir sitzen hier eine Zeit lang fest.“

Na großartig!

2. KAPITEL

Rowan beendete den Anruf und schnitt dem Smartphone eine Grimasse. „Hab’ ich mir doch gleich gedacht“, sagte er, während er das Handy in die Hosentasche gleiten ließ. „Sämtliche Aufzüge sind ausgefallen. Man versucht, die Leute rauszuholen, zuerst natürlich die älteren Herrschaften und eventuell Kinder. Das heißt, wir werden vermutlich als Letzte an die Reihe kommen.“

Zu seiner Überraschung zuckte die Frau lediglich mit den Achseln und hob einen Fuß. „Wenn wir schon festsitzen“, sagte sie, „will ich wenigstens diese Folterinstrumente ausziehen.“

Das konnte Rowan nachvollziehen. Er selbst schlüpfte aus dem Jackett, nahm die Krawatte ab und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. Dann drehte er das Jackett auf links und breitete es auf dem Kabinenboden aus. „Bitteschön! Wäre ja schade, wenn Sie sich das Kleid schmutzig machen. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach zu waschen ist.“

Jamie strich über das perlenbestickte Oberteil und warf ihm einen erleichterten Blick zu. „Vielen Dank. Eigentlich sollte ich es überhaupt nicht tragen, aber alle paar Jahre hole ich es aus dem Schrank, verliebe mich wieder in das gute Stück, und dann muss ich es einfach anziehen.“ Sie setzte sich vorsichtig, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand der Kabine und streckte die Beine aus. An der Innenseite ihres Fußes, direkt am Knöchel, war eine winzige Hummel tätowiert, die Zehennägel waren rosarot lackiert.

Rowan ließ sich in gebührendem Abstand neben ihr nieder: „Wie, sagten Sie, war mal Ihr Name?“

„Ich bin Jamie Bacall-Metcalfe.“

Jamie, ja, das passte. „Und wieso sollten Sie dieses Kleid“, er warf einen fragenden Blick darauf, „nicht tragen? Das verstehe ich nicht. Haben Sie es geklaut? Ausgeliehen, ohne zu fragen?“

Dass so viele Worte aus seinem Mund flossen, überraschte ihn selbst am meisten. Er redete selten so viel, schon gar nicht mit Fremden. Und die meisten Menschen waren Fremde.

Ihr Lachen klang erstaunlich tief und sehr sexy. „Weder noch.“ Sie strich sich über die schlanken Beine. „Es stammt aus den Zwanzigerjahren, ist also über hundert Jahre alt und entsprechend wertvoll.“

Er starrte sie mit offenem Mund an. „Echt jetzt?“ Das Kleid sah aus, als käme es gerade aus der Schneiderei.

Sie nickte. „Ich habe ein Faible für die Mode und den Schmuck der Zwanziger- und Dreißigerjahre“, gestand sie achselzuckend. „Vorhin hätte ich fast ein Glas Rotwein darübergekippt, aber es ist gerade noch mal gutgegangen. Es war höchste Zeit, mich zu verabschieden.“

Er sah ihr an, dass sie die Wahrheit sagte, aber nicht die ganze Wahrheit. „Und was ist noch passiert?“

Die außergewöhnlichen Augen weiteten sich, dann traf ihn ein misstrauischer Blick. „Woher wissen Sie, dass etwas passiert ist?“

Er hätte ihr jetzt erklären können, dass sechs Jahre in diversen Pflegefamilien ihn zu einem Meister in der Interpretation von Körpersprache gemacht hatten. Mehr als einmal hatte ihm die Tatsache den Hals gerettet, dass er jede noch so kleine Veränderung im Blick, in der Haltung oder der Miene seines Gegenübers wahrnahm. Tat er aber nicht. Seine Vergangenheit war sein Geheimnis, und das würde auch so bleiben.

Ihm fiel auf, dass sie mit dem breiten Goldring am Ringfinger der rechten Hand spielte. An der linken trug sie keinen Ring. Sehr gut! Aus einem Grund, den er selbst nicht kannte, hätte es ihn gestört, wenn zu Hause ein Ehemann, Verlobter oder Lebensgefährte auf sie gewartet hätte.

„Jetzt rücken Sie schon raus damit!“

Sie lehnte den Kopf an die Wand. „An dem Tisch, an dem ich mit meinen Eltern und meiner Großmutter saß, saß noch so ein Typ. Er hat mich um ein Date gebeten, und als ich ihn höflich abwimmeln wollte, ist mir meine Familie in den Rücken gefallen. Um aus der Nummer rauszukommen, musste ich ein Glas Rotwein umstoßen.“ Sie seufzte. „Ständig erkläre ich meiner Familie, dass ich gut alleine zurechtkomme, aber sie sind der Ansicht, ich müsste wieder aufs Pferd steigen.“

Seine Verwirrung hätte nicht offensichtlicher sein können. „Welches Pferd?“

„Sie finden, es ist höchste Zeit, dass ich wieder jemanden kennenlerne“, gestand sie und betrachtete dabei angelegentlich ihre Hände, „um dann zu heiraten und ein Kind in die Welt zu setzen. Ich bin nämlich die Einzige, die den Fortbestand der Familie sichern kann.“

Oje, wenn Familienleben so aussah, war es wahrlich nicht lustig. „Ist das so wichtig, den Fortbestand zu sichern? Gibt es in Ihrer Familie eine seltene genetische Variante, ohne die die Menschheit nicht existieren kann?“

Als sie lachte, spürte er, wie sich seine Kehle zusammenzog und sich ein Knoten in seinem Magen bildete. Wann hatte er das letzte Mal eine Frau zum Lachen gebracht?

„Absolut nicht, leider. Sagt Ihnen der Name Bacall was?“

Ja, klar! Jeder, der in Annapolis lebte, kannte die Familie. Die Bacalls herrschten über ein Medienimperium und waren an verschiedenen IT-Firmen beteiligt. Sie waren nicht nur unermesslich reich, sondern gehörten zu den Vornehmsten der Vornehmen in Maryland.

„Natürlich sagt mir der Name was. Ich bin ein Riesenfan von Greg Bacall, diesem begnadeten Architekten, der auf nachhaltiges Bauen spezialisiert ist.“

Ihre Augen strahlten. „Mein Bruder! Zugegeben, er ist ein Genie auf seinem Gebiet, aber er kann auch gewaltig nerven.“

Die Zuneigung, die in ihrer Stimme mitschwang, machte Rowan ein wenig neidisch. Er hätte gerne Geschwister gehabt, noch mehr aber hätte er sich wenigstens ein Elternteil gewünscht, dem er genug bedeutet hätte, um ihn nicht wegzugeben. Aber er hatte es aufgegeben, sich Dinge zu wünschen, die er nicht haben konnte, und war es gewohnt, abgeschoben zu werden, und hatte sich schon vor langer Zeit damit abgefunden, allein zu leben.

„Ist denn nicht Ihr Bruder für das Fortbestehen der Familie und des Namens zuständig?“, fragte er, weil ihn die Beziehungen innerhalb dieser Familie interessierten.

„Greg ist schwul. Er könnte zwar trotzdem ein Kind großziehen, aber er und sein Partner haben sich dagegen entschieden. Also ruht die letzte Hoffnung meiner Mutter und meiner Großmutter auf mir, und die beiden sind geradezu besessen von der Vorstellung, ein Baby in den Armen zu halten.“

Jetzt war seine Neugierde wirklich geweckt. „Dann habe ich noch zwei Fragen: Warum wartet zu Hause kein Mr. Jamie? Und: Wollen Sie überhaupt ein Kind?“

Ihre Miene verdüsterte sich. „Das ist eine lange Geschichte, und nein, ich will auch keine Kinder.“

Das war eindeutig gelogen. Er blickte sie scharf an. „Wirklich?“

„Wirklich.“ Sie nickte nachdrücklich, wich seinem Blick aber aus und schielte stattdessen zur Tür, wodurch er seinen Verdacht bestätigt sah, dass sie die Wahrheit ein wenig verbog.

Weil er selbst nichts mehr hasste, als wenn jemand in seinem Innenleben herumstocherte, beschloss er, es gut sein zu lassen. Schließlich war es ihr Körper, ihr Leben, sie war es, die mit der Enttäuschung ihrer Mutter und Großmutter fertig werden musste.

„Mann, hab ich einen Kohldampf“, sagte Jamie unvermittelt, und wie zur Bestätigung knurrte ihr Magen. Zu Rowans Belustigung wurde sie rot. „Könnten Sie mich ein bisschen ablenken, bitte?“

Sie sah ihn an, und plötzlich spürte er dieses gewisse Prickeln. Am Flackern ihrer Augen, am kurzen Stocken des Atems, an der Art, wie sich ihre Schultern spannten, erkannte er, dass sie es auch gefühlt hatte. Auch die brennenden Wangen und das hektische Pochen der kleinen Ader in ihrer Halsgrube sprangen ihm ins Auge, und ein weiteres, untrügliches Indiz: Ihre Brustwarzen zeichneten sich plötzlich fest und hart unter den winzigen Perlen auf dem Oberteil ihres Kleides ab. Sie fühlte sich genauso zu ihm hingezogen wie er sich zu ihr.

Er könnte sich jetzt einfach zu ihr hinunterbeugen und sie küssen. Nichts würde er lieber tun. Jede Wette, dass sie nichts dagegen hätte. Aber wenn sie tatsächlich so aufeinander abfuhren, wie er meinte, nämlich kompromisslos und leidenschaftlich, dann würde es kein Halten geben. Und das war nicht klug. Nicht in einem Aufzug.

Fieberhaft suchte er nach einem neutralen Gesprächsthema. „Woher wissen Sie eigentlich, wer ich bin?“, fragte er, beantwortete die Frage aber sofort selbst: „Ach ja, der Zeitungsartikel.“

Jamie nickte. „Sie sind auf Einladung des Gouverneurs hier, richtig? Und weil Sie sich von diesem Abend wichtige geschäftliche Kontakte versprechen.“ Während sie sprach, beäugte sie seine Armbanduhr, und er konnte förmlich hören, wie sie sich fragte, wie viel Unterstützung ein Mann nötig hatte, der sich eine der teuersten Uhren der Welt leisten konnte.

Ob sie wohl nachempfinden konnte, dass dies keine Frage des Geldes war? Konnte sie, die in der Welt der Reichen und Schönen aufgewachsen war, verstehen, dass diese Einladung gleichbedeutend war mit der Aufnahme in einen exklusiven Club? Für jemanden wie ihn, der nicht mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren war, war die Einladung zu so einem Event völlig undenkbar gewesen, bis ihm zufällig der Sohn des Gouverneurs über den Weg lief. Genau wie die wirklich lukrativen und prestigeträchtigen Bauaufträge weit außerhalb seiner Reichweite gelegen hatten. Bis jetzt.

„Manchmal kommt es weniger darauf an, was man kann, sondern darauf, wen man kennt“, erklärte er ihr. „Ich bin fleißig, ich bin geschickt, aber das reicht nicht immer.“ Mehr wollte er dazu nicht sagen, er hatte schon zu viel gequasselt.

„Kann ich nachvollziehen. Mein Vater regt sich furchtbar auf über die, die in der Stadt das Sagen haben. Seiner Ansicht nach schneiden sie sich ins eigene Fleisch, weil sie alle wichtigen Aufträge immer denselben inkompetenten, ineffizienten, faulen Säcken zuschustern, nur weil sie auf derselben Schule waren oder im gleichen Club Polo spielen.“

„Der Mann gefällt mir.“

„Ja, er ist der gechillteste, coolste und am wenigstens versnobbte Mensch, den ich kenne, und das, obwohl er Bacall Media in der fünften Generation leitet. Meine Mutter ist genauso bodenständig, bloß meine Großmutter …“ Jamie zuckte resigniert mit den Schultern. „Um es mal vorsichtig auszudrücken: Sie hält sich für die Dowager Countess Crawley von Annapolis.“

„Für wen?“

„Sie kennen Downton Abbey nicht?“

„Ich schaue kaum Fernsehen.“

„Gar nicht?“

„Die Nachrichten, ein bisschen Sport.“

„Aber wie schalten Sie ab?“

Gar nicht. „Mit Sport, Lesen.“ Obwohl er sich nicht erinnern konnte, was und wann er zum letzten Mal nur zum Vergnügen gelesen hatte. „Ich arbeite viel.“

Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er sich soeben selbst zum Langweiler abgestempelt. Und nicht zu Unrecht. Um das Thema zu wechseln, fragte er: „Mögen Sie diese Art von Veranstaltung?“

Sie rümpfte die Nase. „Nicht wirklich, aber es wird erwartet, dass ich mich blicken lasse. Ich will nicht angeben, aber meine Familie ist ziemlich einflussreich, und ich bin das, was man eine ‚ausgezeichnete Partie‘ nennt: angesehene und gut betuchte Familie, einigermaßen vorzeigbar …“

Wenn man „einigermaßen vorzeigbar“ als vage Umschreibung für „absolut umwerfend schön“ durchgehen ließ, dann okay.

„Mir ist natürlich klar, dass die meisten Männer, die um mich herumscharwenzeln, mehr am Vermögen und an den Beziehungen meiner Familie interessiert sind als an mir.“

Seiner Meinung nach unterschätzte sie ihre Wirkung auf das andere Geschlecht, aber er verstand sie. Er wusste auch nie, ob sich eine Frau um ihn bemühte, weil er wohlhabend oder noch nicht lange am Markt war oder weil sie sein Gesicht von einer Titelseite kannte.

Niemand kannte ihn wirklich. Vor allem, weil er das nicht zuließ. Er hielt Menschen auf Distanz, notfalls behauptete er, emotional verkrüppelt zu sein. Was man ihm kaum übel nehmen konnte. In seinem Leben war ihm jedes Mal, wenn er eine engere Beziehung eingegangen war – zu einem Sozialarbeiter, einer Lehrerin, einem Freund oder zu irgendwelchen Pflegeeltern –, dieser Mensch auf die eine oder andere Weise entrissen worden. Deshalb schützte er jetzt sein Herz mit einem Panzer und ließ sich nie auf ein persönliches Gespräch ein. Bis jetzt. Mit Jamie.

Natürlich nur, weil sie gemeinsam im Aufzug feststeckten und es absonderlich wäre, sich nicht zu unterhalten. Verschlossen und wortkarg, das war er, aber absonderlich war er nicht. Hoffentlich.

„Am liebsten würde ich mir ein Schild umhängen: ‚Nicht zu haben‘. Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden. Ich will keinen Flirt, keine Beziehung, und die Hälfte eines Paares will ich auch nicht sein.“

Eine klare Ansage! Und weil jedes Wort davon aufrichtig geklungen hatte, nahm er ihr das auch ab. Diese Frau spielte nicht die Unnahbare, sie war ein Mensch, der seine Freiheit und Einsamkeit schätzte.

Jamie stupste ihn sanft in die Seite. „Sie werden doch sicher auch ständig mit Angeboten überhäuft. Wie war es heute? Hier?“

Weil er nicht prahlen wollte, zuckte er nur mit den Schultern, doch Jamie knuffte ihn nur noch etwas fester. „Raus mit der Sprache!“ Doch Rowans Lippen blieben versiegelt, und nach einem kurzen, aber überraschend entspannten Schweigen sagte Jamie: „Jetzt haben wir einen Haufen Kohle für die Teilnahme an einer Spendengala ausgegeben, teuren Wein getrunken und teures Essen gegessen …“

„Davon aber nicht allzu viel“, ergänzte Rowan.

Sie nickte. „… wenig, aber teures Essen, und jetzt sitzen wir hier in einem Aufzug und haben nichts Besseres zu tun, als uns darüber zu beklagen, dass es Menschen gibt, die mit uns ausgehen möchten. Wenn das kein Luxusproblem ist.“

In der Tat! Aber Rowan kam aus armen Verhältnissen, er wusste, wie es war, nichts zu besitzen, tagelang nichts zu essen zu haben, die Miete kaum bezahlen zu können. „Ich weiß, was Sie meinen. Andererseits schützt Reichtum nicht vor Einsamkeit, vor Problemen, vor Gefühlen oder, in Ihrem Fall, vor einer nervigen Verwandtschaft.“

Ihre Blicke kreuzten sich, und Rowan sah, wie sich ihre Augen vor Verlangen verdunkelten. Sein Herz begann zu rasen, als sich ein schüchternes, aber aufrichtiges Lächeln auf ihre Lippen stahl. „Wie tiefsinnig!“

„Ich bin ein tiefsinniger Mann.“

„Wirklich?“, flüsterte sie, und ihr Blick wanderte von seinem Mund zu seinen Augen und wieder zurück.

„Ja. Außerdem bin ich ein Mann, der Sie küssen möchte.“

Sofort schlang Jamie den Arm um seinen Hals. „Nur zu.“

Das ließ Rowan sich nicht zweimal sagen. Sanft legte er die Lippen auf ihren Mund, um dessen Form und Textur zu erfühlen. Dann begann er, an Jamies herrlich voller Unterlippe zu knabbern, während er gleichzeitig mit dem Daumen ihre hohen Wangenknochen streichelte. Erst als er es nicht länger aushielt, fuhr er mit der Zunge über ihre Lippen, und sie öffnete sie bereitwillig. Sie schmeckte nach Wein und Wunder.

Eine Weile begnügten sie sich mit trägen Küssen, denn weitere Erkundungen waren durch ihre Position unmöglich. Doch Rowan wollte Jamie fühlen! Daher schlang er den Arm um ihre Taille und zog sie auf seinen Schoß.

Ein lautes Ratschen ließ sie erstarren.

„War das Ihr Kleid?“, keuchte Rowan entsetzt.

Jamie sah an sich hinab, und ihr entfuhr ein „Ups!“, als sie auf dem Oberteil einen langen Riss entdeckte, unter dem ihr Busen hervorblitzte.

Ups? Er hatte ein kostbares Kleid beschädigt, und mehr hatte sie dazu nicht zu sagen? „Entschuldigung, das tut mir leid.“

Sie zuckte gleichgültig die Achseln. „Das war nur die Naht. Ich denke, das lässt sich reparieren. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja!“ Sie legte die Hand auf seine Wange, ihr Daumen strich über seine Unterlippe, und schon küsste sie ihn wieder.

Ihm schwirrte der Kopf. Ihr Duft, der Geschmack ihrer Lippen, der sanfte Druck ihres Körpers, so zart, so sexy, so unglaublich feminin. Wie von selbst landete seine Hand auf ihrer Brust, und er seufzte, als sie sich ihm entgegenwölbte.

Ja, sie wollte ihn. Bei dem Gedanken wurde ihm schwindelig.

„Hallo, Leute! Unser Team ist auf dem Weg zu euch. Wir holen euch bald da raus. Vielen Dank für eure Geduld.“

Beim Klang der fremden Stimme war Rowan zurückgezuckt. Mit Entsetzen fiel ihm ein, dass heutzutage in den meisten Aufzügen Kameras installiert waren. Irgendjemandem hatten sie eben eine beeindruckende Show geboten. Leise fluchend schob er Jamie von seinem Schoß, stand auf und reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen. Der Riss in ihrem Kleid sah schlimmer aus, als er gedacht hatte. Ihre Retter würden freie Aussicht auf ihre rechte Brust genießen.

„Oje“, stammelte er, „das Kleid! Das tut mir sehr leid. Dagegen ist ein Rotweinfleck ein Klacks!“

Sie sah an sich herunter und verzog das Gesicht. „Zum Glück kenne ich einen wirklich guten Schneider.“

„Die Rechnung geht aber an mich. Ziehen Sie das über.“ Rowan hob sein Jackett vom Boden auf, verstaute das Portemonnaie und die Codekarte fürs Auto in seinen Hosentaschen und legte Jamie das Sakko um die Schultern. Es reichte ihr bis zur Mitte des Oberschenkels, und als sie die Arme bewegte, flatterten die Ärmel wie bei einer Vogelscheuche. Er half ihr, sie aufzurollen, und knöpfte das Jackett anschließend zu.

Jamie beobachtete ihn amüsiert. „Man sieht, dass Sie es gewohnt sind, die Dinge in die Hand zu nehmen.“

Da hat sie recht, dachte er. Wenn sich niemand um dich kümmert, musst du es selbst tun. Und irgendwann kümmerst du dich dann automatisch um Leute, die jünger und kleiner sind als du. So kannte er es, genauso hatte er es sein Lebtag gehandhabt.

„Hallo da drinnen! Wir kommen jetzt rein“, rief eine Stimme von draußen.

„Das war die aufregendste Aufzugfahrt meines Lebens“, flüsterte Rowan Jamie noch ins Ohr, ehe er sie von der Tür wegzog.

„Allerdings.“ Jamie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und drückte seinen Arm. „Danke, dass Sie nicht alles verderben, indem Sie mich um ein Date bitten.“

Genau das hatte er vorgehabt. „Aber die Chemie scheint ja zu stimmen“, widersprach er vorsichtig.

„Schon, und ich fand es auch toll, aber …“ Sie zuckte die Achseln, und ihm sank das Herz.

„Kein Interesse?“

Sie schüttelte den Kopf. „Interesse schon. Ich bin nur noch nicht so weit.“

Er hörte die Wehmut in ihrer Stimme und fragte sich, woher die rührte. „Werden Sie das je sein?“, fragte er, auch wenn er nicht wusste, weshalb. Schließlich war er genauso wenig an einer Beziehung interessiert – weder mit Jamie noch mit einer anderen Frau.

„Wahrscheinlich nicht.“ Noch einmal drückte sie seinen Arm, dann erhob sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mundwinkel.

Kaum stand sie wieder fest auf den Füßen, wurde die Tür der Kabine aufgestemmt, und Rowan blickte in die grinsenden Gesichter ihrer Retter. Der jüngere der beiden Helfer streckte Jamie die Arme entgegen. „Kommen Sie, ich ziehe Sie hoch.“

„Das mach ich schon“, erwiderte Rowan schroff. Er fasste Jamie von hinten um die Taille und hob sie mühelos so hoch, dass ihre Füße den Boden des Gangs berührten. Noch ein kleiner Schubs, schon stand sie im Flur. Dann reichte er ihr Tasche und Schuhe und hievte sich selbst hinaus, während Jamie sich schon bei den Helfern bedankte.

Das war’s dann wohl. Rowan nahm ihre Hand. „Sollte ich wieder mal in einem Aufzug stecken bleiben, dann hoffentlich wieder mit Ihnen.“

Sie bedachte ihn mit einem letzten strahlenden Lächeln und nickte. „War nett, mit Ihnen festzusitzen, Cowper.“ Und dann verschwanden sie und sein Jackett aus seinem Leben.

3. KAPITEL

Zwei Wochen nach jenem Abend betrat Jamie den Firmensitz von Cowper Construction. Die Büros waren in einem eleganten Bürohochhaus in der Innenstadt von Annapolis untergebracht, ausgestattet mit modernen Sitzmöbeln, abstrakter Kunst und einem bulligen Typ mit Headset auf dem rasierten Schädel am Empfangstresen, der Jamie mit einer Geste um etwas Geduld bat.

Sie nickte und schlenderte zu einem der riesigen Fenster, Rowans frisch gereinigtes Jackett hängte sie über den nächstbesten Stuhl. Zehn vor sechs, verriet ihr ein Blick auf die Armbanduhr. Eigentlich sollte sie nicht hier sein. Auf ihrem Schreibtisch stapelte sich unerledigte Arbeit, außerdem erwarteten ihre Eltern sie heute Abend zum Essen.

Diese Familie! Sie schien nichts anderes im Kopf zu haben als Jamies Gefühlsleben. Ja, Jamie war verwitwet, sie hatte ihren Mann geliebt, trotz aller Probleme, und ja, sie fühlte sich schuldig, und das würde wohl so bleiben. Aber sie war nicht am Boden zerstört. Unglücklicherweise waren sowohl ihre Mutter als auch ihre Großmutter der Überzeugung, Jamie würde es erst dann wieder gut gehen, wenn sie eine neuen Partner hatte. Doch das würde nicht passieren.

Die beiden würden ausflippen, wenn sie wüssten, dass sie Rowan geküsst hatte – wobei das Wort „küssen“ dem, was passiert war, kaum gerecht wurde. Kurz hatte Jamie mit dem Gedanken gespielt, den Kuss zu beichten, sich letztendlich aber dagegen entschieden. Weil er so einmalig war, so kostbar, so überraschend und … so wunderschön.

Es hatte sich einfach unglaublich gut angefühlt – die Wärme, die Rowan ausstrahlte, der berauschende Duft nach Deo und Mann, der straffe Körper und der würzige Geschmack seiner verführerischen Lippen. Sie hätte ihn ewig küssen wollen, sich gern verloren in dieser Welt, die nur ihnen beiden gehörte, in einer Welt voller bunter Farben, intensiver Empfindungen …

Das Schrillen eines Telefons holte Jamie in die Gegenwart zurück. Was wollte sie gerade tun? Ach ja, das Dinner bei ihren Eltern absagen.

Auf dem Handy war eine ganze Reihe von Einladungen eingegangen: Strandparty bei den Gordons, der dreißigste Hochzeitstag der Jacksons. Sie seufzte. Die Bacalls, Gordons und Jacksons waren seit Generationen befreundet, ihre Eltern wären enttäuscht, wenn sie nicht zu den Feiern käme. Aber wenn sie, wie üblich, ohne Begleitung aufkreuzte, würde sofort wieder das Getuschel losgehen: die arme Jamie! Seit Kadens Tod hat sie keine Beziehung gehabt …

Vor ihrem inneren Auge beschwor sie Kadens Gesicht herauf: die grünen Augen, die rot-goldenen Stoppeln auf Wangen und Kinn, der Mund, der immer zu lächeln schien. Sie hatte so gehofft, dass ihre Kinder sein rotes Haar erbten. Die Kinder, die sie nie haben würde.

Darüber, dass es mit dem Kinderkriegen einfach nicht klappen wollte, hatten sie sich im Auto auf dem Weg in ein eigentlich romantisches Wochenende gestritten. Wie der Streit angefangen hatte, wusste Jamie nicht mehr, aber sie erinnerte sich, dass sie Kaden angebrüllt hatte, er solle nicht dauernd auf diesem Thema herumreiten. Er hatte zurückgebrüllt, dabei nicht auf die Straße geachtet und eine Kurve nicht richtig erwischt, sodass der Wagen auf der vereisten Straße ins Schleudern geraten war.

Niemals würde sie das Kreischen von Metall vergessen, den Geruch des Bluts oder Kadens Anblick. Solange sie lebte, würde sie von Albträumen heimgesucht werden, in denen er verzweifelt nach Atem rang, dann wurde das Licht in seinen Augen schwächer, er entglitt ihr …

„Jamie?“

Erschrocken wirbelte sie herum, doch all ihre Schuldgefühle und die Traurigkeit verflogen, als sie Rowan erkannte. Komisch, wie er es schaffte, sie in die Gegenwart zu ziehen und sie im Hier und Jetzt zu verankern.

„Hi.“

„Hi.“ Er musterte sie sichtlich verwirrt. „Wo waren Sie denn mit Ihren Gedanken? Ich habe Sie mehrmals angesprochen, aber Sie haben mich nicht gehört.“

„Tut mir leid.“ Jedes Mal, wenn Jamie in den Sog der Erinnerungen geriet, war sie völlig weggetreten und erlebte die grauenvollen Stunden auf dieser gottverlassenen Straße noch einmal, betete, weinte, schrie um Hilfe, bettelte um Vergebung.

Jetzt erst bemerkte sie, dass das Foyer inzwischen menschenleer und die Beleuchtung gedimmt war. „Wo sind denn alle hin?“

„Feierabend! Sie stehen schon mindestens zehn Minuten alleine da“, erklärte ihr Rowan.

Heute trug er eine Baumwollhose und ein marineblaues Button-down-Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Gürtel und Schuhe waren aus nussbraunem Leder. Das Outfit stand ihm genauso gut wie neulich der Smoking. Der Typ könnte wahrscheinlich eine Papiertüte tragen, dachte Jamie, und sähe immer noch heiß aus. Im unwahrscheinlichen Fall, dass er ihr je nackt unter die Augen träte, würde sie auf der Stelle Feuer fangen.

„Ich freue mich über Ihren Besuch, aber verraten Sie mir auch den Grund dafür?“

Jamie versuchte, sich zu konzentrieren. Weswegen war sie noch mal hergekommen? Ihr Blick fiel auf das Paket aus der Reinigung, und sie deutete darauf. „Ihr Jackett. Ich habe es reinigen lassen.“

„Wie aufmerksam, danke schön“, erwiderte Rowan. „Oh, und was ist mit Ihrem Kleid? Ich wollte doch die Kosten der Schneiderin übernehmen.“

Niedergeschlagen schüttelte sie den Kopf. „Nichts zu machen! Anscheinend befindet sich der Riss an einer ungünstigen Stelle.“

„Das tut mir aber leid, vor allem weil Sie an dem Stück so hängen.“

„Ich hätte es nicht anziehen dürfen.“ Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und sah sich um. „Schön haben Sie’s hier, sehr elegant.“

„Was haben Sie erwartet? Einen Baucontainer mit ramponierten Schreibtischen mitten auf einer Baustelle?“, fragte Rowan und schmunzelte.

So was in der Art, ja. Nicht, dass sie ihm das ins Gesicht sagen würde. Mit dem Kinn deutete sie auf ein Eckbüro mit verglasten Wänden. „Ist das Ihres?“

„Mhm. Darf ich Ihnen einen Drink anbieten, wo Sie schon mal hier sind?“, fragte Rowan.

Liebend gern, auch wenn es klüger wäre, ihm einfach das Jackett in die Hand zu drücken und zu gehen. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte etwas mit ihm trinken, ihn dabei eine Weile betrachten und, ja, ihn noch einmal küssen. Und noch einmal. Und immer wieder. Ihr war klar, dass sie mit dem Feuer spielte, aber sie würde schon rechtzeitig zurückzucken, bevor sie sich verbrannte. Ihr Herz war mit einem Panzer aus Stahl und Eis ummantelt, er war undurchdringlich. Ein kleiner Flirt, sogar ein One-Night-Stand mit dem scharfen Rowan Cowper würde ihr nichts anhaben. Sie war durch die Hölle gegangen, ein paar kleine Flammen machten ihr keine Angst.

„Gerne.“

Sie nahm das Paket aus der Reinigung in die eine Hand, mit der anderen schlang sie sich den Riemen der Handtasche über die Schulter und folgte Rowan zu seinem Büro.

Rowan ließ ihr den Vortritt in sein Allerheiligstes. An der einen Wand stand ein niedriges Sofa, in der anderen Ecke befand sich ein kleiner Konferenztisch. Das Spektakulärste an diesem Raum war die Aussicht, deshalb steuerte Jamie auch sofort auf die mit raumhohen Fenstern verglaste Ecke zu. Die Dämmerung brach gerade herein, überall in der Stadt gingen die Lichter an – eine geradezu verzauberte Atmosphäre.

„Diese Aussicht! Grandios“, flüsterte sie ehrfürchtig.

„Dem kann ich nur zustimmen.“

Irgendetwas an seinem Tonfall veranlasste Jamie, sich umzudrehen. Anstatt auf die Skyline oder den Hafen war Rowans Blick auf Jamie gerichtet. Als er bemerkte, dass sie ihn ertappt hatte, lächelte er und betrachtete ihre Gestalt – von dem zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengerafften Haar über die auffällige Halskette, das weiße Seidentop, die elegante schwarze Hose. Der Anblick der knallrot lackierten Zehennägel entlockte ihm ein Schmunzeln, das bei Jamie ein merkwürdiges Kribbeln in der Magengrube erzeugte.

Verunsichert wandte sie den Blick von Rowan ab und schaute sich um. Die Glaswände waren auf einmal schwarz und undurchdringlich, man konnte nicht einmal mehr ins Foyer hinaussehen.

„Moment mal, haben Sie das Glas verdunkelt? Warum denn?“, fragte sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals – nicht, weil sie Angst hatte, mit ihm allein zu sein, im Gegenteil. Wenn überhaupt, dann hatte sie Angst, dass er sie nicht in den Arm nehmen und küssen könnte.

Denn genau deswegen war sie hergekommen.

Sie wollte in seinen Armen liegen, seine Lippen spüren, ihre Fingernägel über seinen Rücken ziehen. Er war seit fünf Jahren der erste Mensch, bei dem sie sich wieder lebendig fühlte, so wie eine Frau, die Wünsche und Bedürfnisse hatte.

„Ein paar Leute arbeiten noch, und ich wollte uns ein bisschen Privatsphäre verschaffen.“

„Wozu?“

Plötzlich stand er so dicht bei ihr, dass sie die Wärme spürte, die er ausstrahlte, den Duft seines Rasierwassers roch. Ihr Top rieb gegen sein Hemd. Er neigte den Kopf, bis höchstens noch ein Millimeter seine Lippen von ihren trennte. „Deshalb. Ich möchte dich küssen, Jamie.“

„Ich dachte schon, du fragst nie“, flüsterte sie und rückte noch näher. Sie bekam gerade noch mit, dass er lächelte, dann trafen sich ihre Lippen mit überwältigender Präzision.

Rowan fackelte nicht lange. An Selbstvertrauen mangelte es ihm nicht, das war besonders sexy. Völlig überrumpelt, krallte Jamie die Finger in sein Hemd, sonst wären die Beine unter ihr weggeknickt. Sie wollte diesen Mann mehr als irgendeinen anderen je zuvor. Sie wollte ihn nackt, nur von den Lichtern von Annapolis beschienen – auf dem Sofa, auf dem Boden oder auf dem Schreibtisch.

Damit hatte sie nicht gerechnet, und es machte ihr Angst. Was tat dieser Mann mit ihr? Sie hielt nichts von One-Night-Stands, selbst zu ihren wildesten Zeiten, lange vor Kaden, hatte sie ihre Liebhaber mit Bedacht gewählt. Aber von Rowan kam sie anscheinend nicht los. Nicht, bevor sie wusste, wie es war, mit ihm zu schlafen. Selbst wenn das an einem Dienstagabend im Juli in seinem Büro passierte.

Rowan wickelte sich ein paar Strähnen ihres Haares um die Faust und zog ihren Kopf sanft so weit zurück, dass sie ihn ansehen musste. „Ich will dich nackt sehen.“

Seine unverblümte Ehrlichkeit gefiel ihr. Bei ihm wusste man genau, woran man war. Sie ließ das Hemd los und strich mit der Hand über seinen Oberkörper. „Ich habe mir auch schon ausgemalt, wie du wohl ohne alles aussiehst.“

Überrascht hob er die Augenbrauen. „Du hast an mich gedacht?“

O ja, viel zu oft. „Und das war definitiv nicht jugendfrei“, stellte sie klar.

„Gut zu wissen. Ich habe nämlich auch an dich gedacht. In einer schwer jugendgefährdenden Dauerschleife.“

Während die Romantikerin in ihr dahinschmolz, hob die Realistin mahnend den Zeigefinger: Achtung, hier geht es ausschließlich um Sex und nichts anderes!

„Sollen wir woandershin gehen?“, fragte Jamie und genoss das Kitzeln seiner Bartstoppeln, als sie seine Wange streichelte.

„Ziehst du dich dann für mich aus?“

Kurz war sie versucht, sich ein bisschen zu zieren, die Schüchterne zu mimen, aber nur einen Moment lang. Wenn er aus seinem Herzen keine Mördergrube machte, würde sie es auch nicht tun. „Gut möglich.“

Rowan schenkte ihr eines seiner seltenen Piratengrinsen, bei dem ihr Hören und Sehen verging. „Na wunderbar!“ Er schnappte sich ihre Tasche mit der einen, ihre Hand mit der anderen Hand, führte sie in eine Ecke des Raums und öffnete dort eine Tür, hinter der sich ein Aufzug verbarg. Dort hinein schob er sie, trat hinter ihr in die Kabine und drückte den einzigen Knopf auf dem Panel. Sofort sausten sie nach oben.

Sekunden später glitten die Türen auf, und Rowan führte Jamie in ein geräumiges Penthouse-Apartment. Sie staunte nicht schlecht über die doppelflügeligen Fenster, die einen noch atemberaubenderen Blick auf die Skyline und den Hafen boten als das Büro. Allerdings blieb ihr kaum Zeit, sich umzusehen, denn Rowan zog sie sofort weiter. Immerhin fiel ihr auf, dass die Einrichtung aus noblen italienischen Designerstücken bestand, die Wohnung mit Parkettboden ausgelegt, die Küche klein, aber hochmodern war.

Sie gingen durch einen Flur, vorbei an eins, zwei, drei Schlafzimmern, dann öffnete Rowan die Tür zu einem Eckzimmer, das von einem riesigen Bett dominiert wurde. Eine Glastür führte hinaus auf eine kleinere, private Terrasse mit Whirlpool, die wie geschaffen war, um an einem lauen Sommerabend oder auch im Winter die Aussicht zu genießen und zu chillen.

Rowan nahm ihr Gesicht in beide Hände und zwang sie, ihn anzusehen. „Sicher, dass du das willst?“

Sicher? Absolut!

Sie wollte es zwar nicht wollen, aber das stand auf einem anderen Blatt. Seit Jahren bestürmten Greg und Chas sie, sexuell wieder aktiv zu werden. Sie sei viel zu jung, um sich zu verkriechen und sich mit ihrem Kummer einzuigeln. Doch bis zu diesem Samstagabend vor zwei Wochen hatte Jamie weder die Energie noch genügend Interesse dafür aufgebracht. Erst Rowan hatte ihre Libido aus dem Koma erweckt. Und die wollte jetzt befriedigt werden.

Aus diesem Grund war Jamie durch die halbe Stadt gefahren und hatte die Rückgabe des Jacketts als Vorwand für einen Besuch bei Rowan benutzt. Weil sie sich in seiner Gegenwart zum ersten Mal seit Jahren wieder lebendig fühlte, mehr wie die richtige Jamie. Irgendwie gelang es ihm, ihre Schuldgefühle beiseitezuschieben. Außerdem erwartete er von ihr nicht mehr, als dass er für einen kurzen Moment über ihren Körper verfügen durfte, und sie empfand es als ungeheuer befreiend, einmal nur im Augenblick zu leben und sich keine Gedanken über morgen, die nächste Woche oder das nächste Jahr zu machen.

„Deine Wohnung ist riesig.“

„Die Führung holen wir nach“, versprach er, „erst will ich dich entdecken.“

Das hätte ziemlich kitschig geklungen, wenn er sie dabei nicht so treuherzig und voll aufrichtiger Bewunderung angesehen hätte. Also nickte Jamie, schloss die Augen, holte tief Luft und spürte … nichts mehr.

Als sie die Augen wieder aufschlug, stand er ein gutes Stück von ihr entfernt, was sie beruhigte. Ein Mann, der ihre nonverbalen Botschaften lesen konnte, würde auch merken, wenn sie nicht mehr weitermachen wollte.

„Wenn du es dir anders überlegt hast, gehen wir wieder nach vorne und trinken was, oder wir fahren nach unten ins Büro. Du brauchst mir nichts zu erklären“, meinte er.

Der Mann war wirklich schwer in Ordnung. Jamie schüttelte den Kopf. Sie stellte sich vor ihn und legte die Hand genau da auf seine Brust, wo sein Herz schlug. „Ich bin zwar ein bisschen aus der Übung, aber …“

„Aber?“

„Ich will es. Ich weiß nur nicht, wie ich dir das verständlich machen soll.“

Er schmunzelte verhalten. „Hast du gerade.“ Er lächelte immer noch, als er die Lippen behutsam auf ihre legte. „Ich bin verrückt nach dir, Jamie“, murmelte er, und in seinen Augen brannte Hunger, Hunger nach ihr.

Sie schlang eine Hand um seinen Nacken, schmiegte sich an ihn und genoss die Art und Weise, wie ihre Körper perfekt ineinander passten. Dann öffnete sie den Mund und gab sich dem Kuss hin.

„Das ist so viel besser als in meinen Träumen“, flüsterte er und seine Augen, dunkelblau wie der nächtliche Ozean, glühten vor Leidenschaft. „Darf ich dich ausziehen und aufs Bett legen?“

„Ja“, antwortete sie, ohne zu zögern, „bitte.“

Er stieß einen erleichterten Seufzer aus, und auch Jamie seufzte, als er sie so fest an sich drückte, dass sie fühlen konnte, wie hart er bereits war. Er tastete mit einer Hand nach ihrer Brustwarze und streichelte sie gerade so intensiv, wie Jamie es liebte. Obwohl er eigentlich noch gar nicht richtig zur Sache gekommen war, fühlte sich ihr Slip bereits feucht an. Und wenn er sie nicht gleich wieder küsste, würde sie schreien vor Verzweiflung. Also presste sie die Lippen auf seinen Mund und schickte ihre Zunge auf Erkundung.

So vorwitzig kannte sie sich gar nicht. Normalerweise wartete sie, bis der Mann den ersten Schritt tat. Er führte, sie folgte. Heute war es anders. Bei Rowan fühlte sie sich mutig. Selbstbewusst. Stark.

Rowan hielt sie fest umschlungen und rührte sich nicht. Weder machte er den Mund auf, noch erwiderte er den Kuss, aber als Jamie sich zaghaft zurückziehen wollte, hinderte er sie mit einem „Nein“ daran. „Das fühlt sich toll an“, erklärte er ihr, „dein Mund ist … der Himmel auf Erden.“

Und jetzt begann er, sie zu küssen, mit heißen, berauschenden Küssen. Sofort war es um Jamie geschehen. Deswegen war sie hergekommen, um genau das mit Rowan zu erleben. Er war zwar ein Fremder, trotzdem kannte sie ihn, und er kannte sie. Er wusste, wie er sie berühren, küssen, aufreizen und wieder herunterbremsen musste. Wie er es anstellen musste, damit sie sich nach ihm verzehrte. Und für ihn brannte.

Jamie zerrte ihm das Hemd aus der Hose und berührte die samtige Haut seines Rückens. Unterdessen zeichnete Rowan die Konturen ihrer Wangen mit den Lippen nach und knabberte an ihrem Hals, während er sie gleichzeitig Stück für Stück entkleidete. Als sie nur noch in BH und Slip dastand, wurde ihr bewusst, wie lange es her war, seit ein Mann ihr das Gefühl gegeben hatte, unfassbar schön und hinreißend zu sein. Und sie merkte, wie sehr ihr das gefehlt hatte – die starken Arme, die Wärme, die Kraft, das Yin und das Yang.

Plötzlich konnte es ihr nicht schnell genug gehen: Sie riss den Knopf seiner Hose auf, zog den Reißverschluss herunter, befreite den steil aufgerichteten Penis aus den Boxershorts und massierte ihn vom Ansatz bis zur Spitze. Dafür wurde sie mit einem leisen Fluch belohnt, dann schob Rowan sie behutsam zur Wand und bat sie, sich mit dem Gesicht dagegen zu drehen und mit den Händen abzustützen. Sie keuchte, als sein Mund jeden einzelnen Wirbel liebkoste. Dass ihr BH zu Boden fiel, bekam sie nur am Rande mit, denn Rowan hatte ihre nackten Brüste von hinten mit beiden Hände umfasst und streichelte sie, bis sich die Nippel zu harten Spitzen versteiften.

„Ich will dich“, murmelte er und zog ihr den Slip herunter. Bevor Jamie überhaupt registrierte, dass sie nackt vor ihm stand, während er noch angezogen war, schob er die Hand zwischen ihre Schenkel und fand mühelos genau den richtigen Punkt. Jamie stöhnte. Jetzt drang er mit einem Finger in sie ein, mit einem zweiten … Jamies Atem ging nur noch abgehackt, stoßweise, verzweifelt.

Dann ließ er sie plötzlich los und drehte sie so, dass sie ihn ansehen konnte. Ohne die Augen von ihr abzuwenden, zog er sich aus. Er war wunderschön und muskulöser, als sie erwartet hatte. Kaum war die letzte Hülle gefallen, packte er Jamie, zog sie an einem ihrer Beine zu sich und schlang es um seine Taille. Sie japste, als seine Erektion ihr empfindliches Zentrum berührte. In dieser Stellung zog er sie zu seinem riesigen Bett, ließ sich rücklings auf die Matratze fallen und schob sich behutsam in sie hinein.

Auf einmal hob er den Kopf. „So himmlisch sich das auch anfühlt“, meinte er, „aber wir brauchen ein Kondom.“

Jamie bewegte sich sanft auf und ab und grinste, als er stöhnte. „Eine Sekunde noch, ja?“

Er protestierte zwar, ließ sie aber gewähren. Sie schloss die Augen und gab sich diesem absolut perfekten Genuss hin, bis er sich zurückzog, sie vorsichtig von sich herunterrollte und begann, in der Nachttischschublade zu kramen. Schließlich hatte er die Schachtel mit den Kondomen gefunden, zog eines heraus und riss die Verpackung auf. Jamie ließ sich aufs Bett sinken und beobachtete, wie er es überstreifte. Dann legte er sich auf sie, sodass seine Erektion ihr Geschlecht berührte.

„Ich kann es kaum erwarten“, raunte er ihr ins Ohr.

Jamie streichelte sein Kinn. „Das verlangt ja auch keiner.“

Mehr wollte er nicht hören. Er drang in sie ein und erfüllt sie, heiß und groß und wunderbar. Jamie kam es vor, als würde sich eine riesige Wunderkerze entzünden. Die Hitze ließ unter ihrer Haut eine ganze Batterie von Feuerwerkskörpern explodieren, die zu einer gewaltigen Feuerwalze verschmolzen, deren Wucht sie von innen heraus zerriss.

Noch nie hatte sie einen derart gewaltigen, intensiven Orgasmus erlebt, und kaum war er abgeklungen, war sie bereit für den nächsten. Und noch einen. Sex mit Rowan, stellte sie fest, während vor ihrem inneren Auge ein Kaleidoskop aus bunten Farben tanzte, machte sofort süchtig. Das könnte ein Problem werden.

Jamie lag auf dem Bauch auf Rowans großem Bett und brachte es gerade noch fertig zu atmen. Sie hatte ganz vergessen, wie herrlich Sex sein konnte. Sie war völlig ausgelaugt, und das war allein Rowans Schuld. Was er mit ihr angestellt hatte … Ihr schwirrte der Kopf, ihr Körper prickelte und bebte. Sie hatte jede einzelne Sekunde genossen. Jeden Kuss, jede Berührung, die Art und Weise, wie er ihren Körper und ihre Seele zum Singen brachte. Und sobald sie sich ein wenig erholt, etwas getrunken und frische Kraft getankt hatte, wäre sie nicht abgeneigt, eine dritte – und gerne auch vierte – Runde zu drehen.

Aber erst einmal musste sie ein kurzes Nickerchen machen. Gähnend schnappte sie sich ein Kissen, schlang die Arme darum und winkelte das Knie an. Nur kurz schla…

Sie stöhnte unwillig, als jemand sie sanft anstupste und ein tiefes Lachen erklang. „Schlafmütze!“ Rowan drückte ihr einen Kuss in den Nacken.

Wenn er wüsste, dass sie ohne Tabletten nicht durchschlafen konnte und deshalb selten mehr als drei Stunden am Stück schlief, weil sie jede Art von Medikamenten verabscheute. Dass sie die Geister der Vergangenheit regelmäßig zwischen Mitternacht und vier Uhr heimsuchten und von ihr verlangten, die Ereignisse dieser fatalen Autofahrt immer und immer wieder zu durchleben. Manchmal tat sie ihnen den Gefallen, in anderen Nächten las sie stattdessen, arbeitete oder sah fern. So oder so, sie hatte definitiv ein Schlafd...

Autor

Joss Wood

Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...

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