Heißer Flirt mit dem sexy Feind

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Verliebt in den Feind? Die schüchterne Rosanna erlebt mit einem verwegenen Fremden die aufregendsten Stunden ihres Lebens. Noch nie hat sie sich so begehrt gefühlt. Natürlich wird die Tochter neureicher Eltern ihr sündiges Geheimnis für sich behalten. Aber als sie den berüchtigten Milliardär Leo Castle um ein Treffen bitten muss, um ihn anzuflehen, ihre Familie nicht in den Ruin zu treiben, gerät Rose in Panik. Denn vor ihr steht ihr sexy Lover. Und was der kompromisslose Investor ihr zu sagen hat, kann er unmöglich ernst meinen …


  • Erscheinungstag 03.05.2022
  • Bandnummer 2543
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509664
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Rose Gold? Das ist ja eine Ewigkeit her!“

Rosanna Gold lächelte mit zusammengebissenen Zähnen und stöhnte innerlich auf. Eigentlich hatte sie gar keine Lust, hier zu sein. Ihre Eltern hatten sie mehr oder weniger dazu gezwungen. Dieses gesellschaftliche Ereignis, das auch wohltätigen Zwecken diente, durfte die Familie Gold auf keinen Fall verpassen. Deshalb war Rosanna dem Wunsch ihrer Eltern nachgekommen. Mal wieder.

Doch es stellte sich heraus, dass die Eröffnungsfeier des neuesten Luxusapartment-Komplexes im Zentrum Sydneys, der vom Immobilienkonzern Castle Holdings errichtet worden war, im Grunde nichts anderes war als ein schreckliches Highschool-Treffen. Und es war immer noch alles so wie damals.

„Mae, schön, dich zu sehen.“ Rosanna hoffte, dass die Röte, die ihr schon den ganzen Abend immer wieder in die Wangen schoss, endgültig weichen würde.

Mae Wilson, geboren und aufgewachsen inmitten von Sydneys Elitegesellschaft, war in der Schule einen Jahrgang unter Rosanna gewesen. Selbstverständlich gehörte sie zu den wohlhabenden neuen Bewohnern von Kingston Towers. Nur die absolute Crème de la Crème konnte sich eines der hochmodernen Stadtapartments mit den raffinierten Sicherheitssystemen und sämtlichem Komfort leisten.

„Was führt dich heute Abend hierher?“, fragte Mae.

Die Überraschung in Maes Tonfall und die bloße Tatsache, dass sie überhaupt gefragt hatte, machten es deutlich: Rosanna gehörte nicht in diesen prunkvollen Ballsaal. Wahrscheinlich hätte sie nie auch nur einen Fuß in dieses Etablissement gesetzt, wenn ihre Mutter sie nicht geradezu darum angefleht hätte.

Am Morgen war Rosanna von einem schrecklichen Anruf geweckt worden. Ihre Eltern hatten einen Autounfall gehabt. Sie sollte dringend nach Sydney kommen. In panischer Angst war sie mehrere Stunden mit dem Wagen zum Krankenhaus gefahren. Dort hatte sie festgestellt, dass es beiden den Umständen entsprechend gut ging. Der Grund für den Anruf war vielmehr diese Party gewesen. Es war wohl sehr wichtig, dass ein Mitglied der Familie Gold dort anwesend war. Und die Einzige, die hingehen konnte, war Rosanna.

Das Unternehmen hatte für ihre Eltern schon immer Vorrang gehabt. Sie hatte versucht, ihre Mutter davon zu überzeugen, dass diese eine Party nicht wichtig war. Doch vergeblich.

„Meine Eltern haben einige Räume hier eingerichtet.“ Rosanna lächelte.

Schon seit zwanzig Jahren kümmerte sich die Firma von Rosannas Eltern, Gold Style, um die Inneneinrichtung der Immobilien von Castle Holdings. Doch als Hugh Castle vor einem Jahr gestorben war, hatte sich einiges verändert. Alle hatten erwartet, dass Ash, Hughs leiblicher Sohn und rechtmäßiger Erbe, die Firma übernehmen würde, doch überraschenderweise war es schließlich Hughs unehelicher Sohn Leo Castle gewesen. Bis zu seinem letzten Tag hatte sich Hugh geweigert, ihn als Erben anzuerkennen. Rosannas Mutter hatte Leo als Kontrollfreak bezeichnet. Einen Workaholic, der bereits ein Versicherungsunternehmen besaß und nun auch noch Inhaber von Castle Holdings war. Offenbar war er sehr ehrgeizig und kompromisslos, was in den Augen ihrer Eltern keine gute Sache war. Denn er hatte für die Inneneinrichtung Angebote von Konkurrenten ihrer Eltern eingeholt. Die Aufträge gingen nun nicht mehr automatisch an Gold Style.

„Ah, Gold Style.“ Mae nickte und winkte ab. „Ich habe ganz vergessen, dass du etwas mit denen zu tun hast.“

Rosanna war das einzige Kind ihrer Eltern. Und leider auch deren größte Enttäuschung.

„Zieh das marineblaue Kleid an“, hatte ihre Mutter am Morgen energisch befohlen. „Das schmeichelt deiner Figur am meisten.“

Und das musste es auch, um ihre blasse, mit Sommersprossen übersäte Haut und ihre asymmetrische Taille zu kaschieren, die nicht einmal eine Operation an der Wirbelsäule hatte richten können. Jedenfalls nicht zur Zufriedenheit ihrer perfektionistischen Eltern. Das Aussehen spielte eine große Rolle für den Erfolg des Unternehmens, und selbst kleinste Makel waren nicht erlaubt. Rosanna trug heute nicht das Kleid, das ihre Mutter für sie vorgesehen hatte. In der Wohnung ihrer Eltern waren nur wenige Sachen von ihr gewesen, und so hatte sie sich für eine schwarze Seidenbluse und einen dazu passenden Rock entschieden. Ihre Mutter hatte Rosanna nie gern in Röcken gesehen, weil sie den vermeintlichen körperlichen Makel betonten, aber dieser hier war lang genug, sodass es hoffentlich nicht auffallen würde. Doch selbst wenn ihr Outfit alles kaschierte, was es sollte, war es für dieses Event in Kingston Towers eigentlich trotzdem nicht gut genug.

Normalerweise waren schicke Partys an solch noblen Orten nichts für Rosanna. Aber so aufgeregt wie am Morgen hatte sie ihre Mutter noch nie erlebt. Jemand aus der Familie Gold musste sich abends unbedingt vor dem Geschäftsführer blicken lassen.

Doch Rosanna hatte Leo Castle auch nach zwei Stunden auf der Party immer noch nicht getroffen. Und dass sie nicht einmal wusste, wie er aussah, machte die Sache nicht einfacher. Vorhin war sie Leos Halbbruder Ash Castle begegnet. Ash hatte sich strikt geweigert, irgendetwas mit der Firma seines Vaters zu tun zu haben. Umso mehr überraschte es sie, dass er jetzt hier war. Das Verhältnis zu seinem Halbbruder Leo musste besser sein, als es zu seinem Vater je gewesen war. Dennoch hatte Rosanna nicht den Mut aufgebracht, ihn zu bitten, sie Leo vorzustellen. Ihre Vorgeschichte mit Ash hatte sie davon abgehalten, denn in der Schulzeit hatte er sie einmal öffentlich gedemütigt. Das Schlimmste daran war die Reaktion ihrer Eltern gewesen. Sie hatten die Schuld sofort bei ihr und ihrem unvollkommenen Körper gesucht, und der Unmut ihrer Eltern lastete noch heute auf ihr. Das war auch der Grund, warum sie jetzt hier war: Sie wollte ihre Eltern wenigstens ein einziges Mal zufriedenstellen.

Auch wenn Ash vorhin ungewöhnlich ruhig und höflich gewesen war, hatte die Begegnung mit ihm einen unangenehmen Beigeschmack gehabt. Vor allem, als er diese schreckliche Sache von damals angesprochen hatte. Rosanna hatte die Demütigung nur überwunden, weil ihr klar geworden war, was für eine Hölle er damals durchgemacht haben musste. Deshalb hatte sie vorhin nett und entspannt reagieren können. Und vielleicht würde die Tatsache, dass sie zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder mit Ash gesprochen hatte, ihre Eltern auch zufriedenstellen. Immerhin war er ein Castle.

„Ich habe gehört, dass du Professorin an der Uni bist“, sagte Mae und riss sie aus ihren Gedanken. „Du warst schon immer eine Intelligenzbestie.“

Wieder stöhnte Rosanna innerlich auf. Wenn ihren Eltern die Realität nicht gut genug war, schmückten sie diese gern aus. Dabei schossen sie jedoch oft über das Ziel hinaus. In Wahrheit war Rosanna Laborantin am Institut für Biowissenschaften an der East River University, ein paar Stunden nördlich von Sydney. Und die guten Noten hatte sie nur gehabt, weil sie immer fleißig gelernt hatte, um ihre Eltern stolz zu machen. Zu ihrer Beliebtheit in der Schule hatte das leider nicht beigetragen. Mae gehörte zu den Leuten, die nur dann mit Rosanna gesprochen hatten, wenn sie sich ihre Notizen ausleihen wollten.

„Ich bin keine Professorin“, stellte sie mit einem entschlossenen Lächeln klar. „Ich halte nur ein paar Vorlesungen.“

Selbst das war übertrieben. Eigentlich war sie Tutorin für Erstsemester in Naturwissenschaften. Allerdings war die Arbeit mittlerweile eintönig und frustrierend geworden. Wieder einmal hatte Rosanna die Erwartungen nicht erfüllt, denn sie hätte doch schon längst Dozentin in Vollzeit sein können.

Das Gespräch mit Mae war ermüdend.

„Tut mir leid, Mae, aber ich muss unbedingt noch mit …“ Rosanna ließ den Blick durch den Saal schweifen in der Hoffnung, irgendjemanden zu entdecken, „… Harry reden.“

Diese Ausrede funktionierte schon den ganzen Abend.

Rosanna stieß den Atem aus, entfernte sich von den anderen Gästen und fragte sich, ob sie sich nicht schon aus dem Staub machen könnte.

Diese Mission war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Sie wusste, dass ihre glamourösen extrovertierten Eltern von ihrer zurückhaltenden Art als Kind und ihrem unvollkommenen Aussehen enttäuscht gewesen waren. Sie waren auch nicht begeistert gewesen, als Rosanna aus Sydney weggezogen war und sich geweigert hatte, in das Familienunternehmen einzusteigen. Und was ihre Eltern wohl am meisten enttäuscht hatte, war die Tatsache, dass sie sich keinen der begehrten reichen Junggesellen hatte angeln können, denn damit wäre das Ansehen der Familie noch weiter gestiegen.

Rosanna war es nicht gelungen, die Träume ihrer Eltern zu erfüllen, geschweige denn ihre eigenen.

Sie musste innerlich über ihr Selbstmitleid lachen. So sehr war sie damit beschäftigt gewesen, den Ansprüchen ihrer Eltern zu genügen, dass sie nicht einmal darüber nachgedacht hatte, was sie eigentlich selbst wollte.

Dennoch musste sie zugeben, dass Kingston Towers eine wirklich traumhafte Anlage war. Die Party fand auf der vorletzten Etage im Ostturm statt, von wo aus man einen atemberaubenden Blick auf die Stadt und den zweiten, etwas höheren Turm hatte. Die beiden Apartments im Ostturm hatte sich Rosanna bereits angeschaut. Sie blickte hinüber zum Westturm. War das etwa ein Terrassengarten? Ihre Neugier war geweckt. Einem Garten konnte Rosanna nicht widerstehen. Und heute war schließlich eine offene Besichtigung. Sie beschloss, wenn sie schon einmal hier war, die Gelegenheit zu nutzen, und ging zum Fahrstuhl. Sie wollte dieser schrecklichen Party nur für einen Moment entfliehen. Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, trat sie ein und drückte auf den obersten Knopf.

Oben angekommen, stieg sie aus und wurde sofort von Stille und einem Gefühl der Freiheit erfüllt. Die Ruhe hier war ein willkommener Kontrast zu den dröhnenden Bässen unten im Saal und dem Stimmengewirr der Leute, die sich lautstark unterhielten. Scheinbar hatte noch niemand der anderen Gäste die Idee gehabt, sich das Penthouse hier oben anzuschauen. Rosanna war froh, dass sie hier allein war und wenigstens für einen Moment keine unangenehmen Begegnungen mehr haben würde.

Die Glastüren, die auf die Terrasse führten, standen weit offen und luden geradezu ein, hindurchzugehen. Draußen atmete Rosanna den herrlichen Sommerduft ein und genoss die warme Brise. Wie sie bereits vermutet hatte, war der Terrassengarten ein wunderschöner grüner und lebendiger Ort. Da waren geschickt platzierte Spaliere, um die sich Kletterpflanzen rankten und so für einen natürlichen Sichtschutz rund um den gemütlichen Sitzbereich sorgten. Langsam fiel die Anspannung von ihr ab. Bei all dem Grün könnte man fast vergessen, dass man sich mitten in einer Großstadt befand. Warf man jedoch einen Blick über das Blätterdach hinaus, bot sich einem eine atemberaubende Aussicht auf den schimmernden Hafen. Doch es war der Garten, der sie wirklich in den Bann zog.

Während sie die weitläufig wirkende Fläche erkundete, begann es allmählich zu dämmern. Plötzlich leuchteten kleine Lämpchen auf, die zwischen den Blättern versteckt waren, und erzeugten eine stimmungsvolle Atmosphäre. Zu Rosannas Überraschung befand sich in dem Garten auch ein kleiner Pool. Er war von üppigen Pflanzen mit tiefgrünen Blättern umgeben, und im sanften Schein der kleinen Lichter wirkte der Ort wie eine magische Oase. Ein Gefühl von Begeisterung überkam sie, als ihr eine Pflanze mit einem besonders originellen Blattwerk ins Auge fiel.

Sie hatte nicht nur einen Zufluchtsort gefunden, sondern ein Paradies.

Leo Castle lehnte sich in dem großen Bürosessel in seinem Arbeitszimmer zurück und beobachtete still den ungebetenen Gast, der auf seiner Terrasse umherwanderte. Eigentlich durfte die Frau gar nicht hier sein. Er allerdings auch nicht. Er sollte unten im Saal sein und sich mit den zukünftigen Besitzern der Luxusapartments von Castle Holdings unterhalten. Die gesellschaftlichen Events waren für ihn ein lästiger Teil des Geschäfts, weil sie ihn von der eigentlichen Arbeit abhielten. Während er mit den Gästen geredet hatte, hatte das Handy in seiner Hosentasche pausenlos vibriert. Schließlich hatte er sich hierher zurückgezogen, um seine Nachrichten zu checken. Leo mochte die Arbeit, und er ließ sich nur ungern ablenken, wenn er gerade einen neuen Deal an der Angel hatte. Und dieser Deal war soeben zustande gekommen. Eigentlich sollte er jetzt unten sein und seinen Erfolg feiern.

Mit seinen dreißig Jahren hatte er lange gekämpft, um dort zu sein, wo er jetzt war. Und nun lag endlich alles in seiner Hand: sein Name, sein Ruf, sein Vermögen. Und die Macht über sein eigenes Schicksal.

Kingston Towers war Leos erstes großes Projekt als neuer Chef von Castle Holdings und zweifellos ein voller Erfolg. Im letzten Jahr hatte er einige grundlegende Veränderungen in dem Konzern bewirkt. Und dieses Schmuckstück hier oben hatte er ganz für sich allein beansprucht. Trotzdem verspürte er keine Zufriedenheit. Er fühlte gar nichts.

Da war nur wieder dieses brennende schmerzhafte Gefühl des Bedauerns in seiner Magengrube, das ihm schon so lange vertraut war. Bedauern darüber, dass seine Mutter nicht mehr am Leben war, um all das sehen zu können. Sie würde nie erfahren, dass ihre Ehre wiederhergestellt worden war, und sich niemals über diesen Erfolg freuen können. Also konnte Leo es auch nicht. Denn er war daran schuld, dass sie nicht mehr da war. Er richtete sich in seinem Sessel auf und versuchte, diese schmerzhafte Erinnerung zu verdrängen.

Er hatte keine Lust, wieder nach unten zu seinen Pflichten zurückkehren. Zum Glück war Ash heute hier. Er war es gewesen, der Leo aufgespürt hatte, als sie beide noch Teenager waren, und einen DNA-Test gemacht hatte, um ihre Blutsverwandtschaft zu beweisen. Er hatte Leo zur Seite gestanden und war seither sein Verbündeter.

Leo stand für immer in seiner Schuld. Doch ihre Verbundenheit basierte nicht nur auf der gemeinsamen Abscheu ihrem Vater gegenüber. Sie respektierten sich und waren füreinander da. Leo wusste, dass er auf Ash zählen konnte, und andersherum war es genauso. Im Moment war das die einzige Beziehung in Leos Leben, die wirklich funktionierte, und Ash war die einzige Familie, die er jemals haben würde.

Während Ash also die Gäste unten im Saal unterhielt, war Leo damit beschäftigt, die mysteriöse hübsche Frau auf seiner Terrasse zu beobachten.

Er glaubte nicht, dass sie ein Gast war. Sie trug eine schwarze Bluse, einen schwarzen Rock und dazu passende Schuhe mit bequemen Absätzen. Vermutlich gehörte sie zum Servicepersonal. Eine Kellnerin, die sich eine kleine Pause gönnte. Er nahm es ihr nicht übel, schließlich tat er dasselbe.

Er beobachtete sie, wie sie die Terrasse erkundete, und war zunehmend fasziniert von ihrem unbefangenen Verhalten. Sie war schlank und hatte flammend rotes Haar, das sie hochgesteckt hatte. Trotz der Entfernung und der einsetzenden Dämmerung konnte er ihre helle Haut erkennen. Er sah, wie sie tief einatmete und in die Ferne schaute, bevor sie sich wieder dem kleinen Garten zuwandte. Mit einer erstaunlichen Ehrfurcht und Behutsamkeit berührte sie die Blüten. Für einen kurzen Moment wünschte er sich, sie würde zu ihm aufschauen und ihn ebenso bedächtig und aufmerksam mustern, so als gäbe es nichts Spannenderes auf der Welt.

Lächerlich.

Er lachte kurz in sich hinein wegen seiner verrückten Gedanken. Wahrscheinlich war er schon müde. Niemals ließ er sich ablenken. Unter keinen Umständen. Doch jetzt, wo der neue Deal besiegelt und die Party ein Erfolg war, könnte er sich vielleicht eine kurze Auszeit erlauben und seine Aufmerksamkeit dem ungebetenen Gast auf seiner Terrasse widmen.

Er sah, wie sie vorsichtig eine der Blumen umfasste, um sie genauer zu betrachten. Leo war froh, dass die Frau sie nicht abpflückte, denn er mochte diese Blumen. Auch wenn sie nur deshalb überlebten, weil er Leute dafür bezahlte, dass sie sich um sie kümmerten. Nun wandte sich die Fremde einer anderen Pflanze zu, glitt mit den Fingern über das große, flache Blatt, am Stiel hinunter – und brach ihn ab.

Verdutzt starrte Leo zu ihr hinüber, doch im nächsten Moment musste er schmunzeln.

Diese kleine Diebin.

Sie hatte keine Blume gepflückt, sondern den Stängel einer potthässlichen Pflanze. Da er sie nicht weiter heimlich beobachten wollte und noch dazu auf frischer Tat ertappt hatte, beschloss er, sie zur Rede zu stellen.

„Und Sie sind …?“

Beim Klang der tiefen Stimme fuhr Rosanna zusammen und wirbelte herum. Als sie ihn sah, verschlug es ihr die Sprache. Er war groß und hatte wunderschöne blaue Augen.

Sie waren von einem solch strahlenden Blau, das Rosanna sofort in einen magischen Bann zog. Er war muskulös und unheimlich gut aussehend. Während er sich langsam, beinahe vorsichtig, auf sie zubewegte, fielen ihr weitere Einzelheiten auf. Der schwarze Anzug, den er trug, betonte seine Figur mit den breiten Schultern. Sein kurzes Haar und die markanten Wangenknochen verstärkten sein seriöses Erscheinungsbild. In Kombination mit der ernsten Miene vermutete sie, dass er zum Sicherheitspersonal gehörte. Als er näher kam, bemerkte sie seinen intelligenten, wachen und leicht verurteilenden Blick.

Rosanna war irritiert. Warum um alles in der Welt war sie plötzlich so hingerissen von diesem Mann?

„Sie dürfen eigentlich nicht hier sein“, sagte er jetzt und ignorierte die Tatsache, dass sie seine erste Frage nicht beantwortet hatte.

„Und Sie dürfen es?“, erwiderte sie, während sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen, damit die Röte, die ihr ins Gesicht geschossen war, wieder verschwand.

„Ja“, antwortete er bestimmt.

„Sind Sie vom Sicherheitsdienst?“ Es fiel ihr immer noch schwer, ruhig zu atmen.

Er musterte sie mit seinen leuchtend blauen Augen. „Arbeiten Sie hier?“

Arbeiten? Sie runzelte die Stirn, bis es ihr plötzlich dämmerte. Der Wachmann dachte, sie wäre eine Kellnerin. Er hatte also keine Ahnung, wer sie war. Sie konnte es ihm nicht verübeln. Woher sollte er sie auch kennen?

„Ich bin für eine Weile der Pflicht entflohen“, entgegnete sie zaghaft. Komplett gelogen war das nicht. „Sollten nicht bald ein paar Gäste hier sein?“

Er bewegte kaum merklich den Kopf. „Eigentlich sollte niemand hier hochkommen.“

„Und warum nicht?“, fragte sie etwas verlegen. „Das ist doch das Beste am ganzen Komplex.“

Er zögerte. „Die Inneneinrichtung ist noch nicht ganz fertig, deshalb ist der Zutritt für Besucher noch gesperrt.“

„Ich bin aber ohne Probleme heraufgekommen.“

„Das war ein Versehen.“

Sein Blick war so unbeirrbar, dass Rosanna sich eine kleine Stichelei nicht verkneifen konnte.

„Wohl nicht aufgepasst?“, murmelte sie unschuldig.

„Scheint so“, stellte er ernst fest. „Aber ich habe die Aufzüge gerade gesperrt. Man braucht jetzt einen Code, um nach oben zu fahren.“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Er hatte die Aufzüge gesperrt? „Und wie kommen wir dann wieder nach unten?“

Seine Mundwinkel zuckten fast unmerklich. Während Rosanna ihn ansah, wuchs ihre Neugier. War da etwa ein Schimmer von Belustigung in seinen Augen?

„Haben Sie Angst, dass Sie jetzt hier oben festsitzen?“, erkundigte er sich leise. Der neckische Tonfall in seiner Stimme war sehr schwach. Aber er war da.

„Überhaupt nicht“, log sie.

„Machen Sie sich keine Sorgen um Ihren Job?“

„Die werden nicht so schnell merken, dass ich weg bin.“

„Das glaube ich nicht“, sagte er. „Wenn so jemand wie Sie fehlt, fällt das sicherlich auf.“

Er lag zwar vollkommen daneben, aber es war schön, sich nur dieses eine Mal darauf einzulassen. Ein wohliger Schauer lief Rosanna über den Rücken. Der Himmel war noch dunkler geworden, und nur die kleinen Lichter zwischen den Blättern spendeten etwas Helligkeit. Dieser Ort war geheimnisvoll und aufregend. Und dieses unterschwellige Flirten? Das war überhaupt nicht ihre Art.

Und auch er schien nicht der Typ dafür zu sein. Aber es war nicht zu leugnen, dass da etwas in der Luft lag.

Sie schluckte schwer. „Sollten Sie nicht weiter Ihre Runden drehen?“

„Die Kollegen machen das schon. Außerdem muss ich Sie hier im Auge behalten.“

„Ich habe nicht vor, irgendetwas zu stehlen.“ Sie lachte auf.

„Aber das haben Sie doch schon.“ Er deutete mit dem Kinn auf ihre Hand.

„Oh, das.“ Sie hatte ganz vergessen, dass sie immer noch den abgebrochenen Stängel in der Hand hielt. Jetzt merkte sie, dass sie ihn so fest umklammerte, dass sie ihn fast zerdrückt hätte.

Wieder flackerte Belustigung in den Augen des Mannes auf, und seine ernste Fassade wurde von einem schiefen Lächeln durchbrochen, das sich langsam auf seinen Lippen ausbreitete. „Genau das.“

Er nahm ihr den Stängel aus der Hand, während sie wie gebannt auf sein Lächeln starrte. Ihr Herz klopfte wie wild, doch sie rührte sich nicht von der Stelle. Er war zwar keine Bedrohung, aber eine Versuchung. Vor allem, wenn er lächelte.

„Warum haben Sie ausgerechnet das genommen?“, fragte er. „Warum keine Blume?“

„Blumen sterben schneller, wenn man sie pflückt.“

„Sie sorgen sich also um die Pflanzen?“, fragte er nachdenklich. „Das war keine mutwillige Zerstörung?“

„Natürlich nicht.“

Sein Lächeln wurde breiter, und Rosanna bemerkte die Grübchen unter seinen perfekt geformten Wangenknochen. Sie stand weiterhin regungslos da, während er einen Schritt auf sie zumachte, ihr den Stängel aus der Hand nahm und ihr ins Haar steckte. Auch wenn er sie dabei nicht berührte, wagte sie es kaum, zu atmen. Als er fertig war, blieb er vor ihr stehen und sah ihr in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick und spürte, wie sich eine Spannung zwischen ihnen aufbaute, sodass Rosanna eine Gänsehaut bekam. Flirtete er etwa wirklich mit ihr?

Sie war es nicht gewohnt, dass Männer mit ihr flirteten. Normalerweise beachteten sie Rosanna gar nicht. Und wenn sie es doch taten, dann nur, um von ihrem Fachwissen zu profitieren oder etwas aus dem Laborschrank zu holen. Und sie selbst ging nie auf Männer zu. Zu groß war die Angst vor Abweisung. In Sachen Beziehungen hatte sie nicht viel Erfahrung. Doch jetzt gerade spürte sie nicht nur ein Prickeln im Bauch, sondern auch den Drang, sich diesem Mann zu nähern.

„Sie werden mich doch wohl nicht für so einen kleinen Diebstahl bestrafen, oder?“

Unvermittelt schossen ihr Fantasien durch den Kopf, wie eine solche Strafe wohl aussehen mochte.

Was ist nur los mit mir?

Als sie ein Funkeln in seinen Augen sah, wurde das Gefühl in ihrem Bauch immer stärker, sodass Rosanna befürchtete, die Kontrolle über sich zu verlieren.

„Warum sollte ich Leidenschaft bestrafen?“, entgegnete er leise.

Leidenschaft? Eine ungewohnte Hitze stieg in ihr auf. Ja, Pflanzen waren zweifellos ihre Leidenschaft. Aber das hier war etwas anderes. Er sah unverschämt gut aus, und sein ernster Ausdruck rief etwas tief in ihrem Inneren wach. Beschämt über ihre eigenen Gedanken, wandte sie den Blick von ihm ab. Small Talk war auch nicht gerade ihre Stärke. Sie war schon immer schüchtern gewesen. Doch jetzt musste sie sich schnell irgendwie aus der Affäre ziehen.

„Der Ausblick ist toll“, murmelte sie unbeholfen.

Er schwieg.

„Und die Terrasse ist wunderschön“, fügte sie hinzu und wurde immer nervöser. „Es ist so ruhig hier, dass man gar nicht das Gefühl hat, mitten in der Großstadt zu sein.“

Normalerweise war sie nie so lange unter Leuten, dass sich ein unangenehmes Schweigen entwickeln konnte.

„Haben Sie die anderen Apartments gesehen?“, fragte er.

„Die, die zur Besichtigung standen, ja.“ Sie blickte ihn an und konnte sich einen Spruch nicht verkneifen. „Sonst bin ich in keinem gewesen. Ich bin keine Einbrecherin.“

„Ach nein?“ Erneut blitzte etwas in seinen Augen auf. „Wie kann ich sicher sein, dass Sie dort nicht auch etwas gestohlen haben?“

Das Funkeln in seinen Augen entfachte ein Feuer in ihr. Es war ein aufregendes Gefühl der Herausforderung.

„Sie glauben mir nicht?“, entgegnete sie. „Wollen Sie mich etwa abtasten?“

Plötzlich erfüllte sie das starke Verlangen, berührt zu werden, und sie erschauerte angesichts dieses intensiven, für sie neuen Gefühls.

„Vielleicht wäre eine Leibesvisitation gar nicht so verkehrt.“ Sein Blick glitt an ihrem Körper entlang, als könnte er durch den schwarzen Satin hindurchsehen bis zu der schlichten schwarzen Unterwäsche, die sie darunter trug.

Rosanna hatte Mühe, einen klaren Kopf zu behalten.

„Das Einzige, was ich mitgenommen habe, ist dieser Stängel“, sagte sie.

„Warum gerade den?“, fragte er. „Ich habe mitbekommen, wie Sie die Pflanze angesehen haben, als wäre sie etwas Kostbares. Was macht sie so besonders?“

Wie lange hatte er sie schon beobachtet?

Verlegenheit stieg in ihr auf. „Mir hat die Farbe der Blätter gefallen. Ich wollte versuchen, sie aus diesem Steckling zu züchten.“

„Es war also nicht nur aus einer Laune heraus?“

„Ich mache nichts ‚aus einer Laune heraus‘ .“

„Ich auch nicht“, sagte er mit einem Augenzwinkern.

Sie lächelte. Das konnte sie sich gut vorstellen. Er wirkte viel zu ernst, um spontan zu sein. „Ich hätte den Stiel nicht abbrechen dürfen, ohne zu fragen.“

Er hob die Augenbrauen. „Wir alle sind manchmal versucht, etwas zu nehmen, das uns nicht gehört.“

Der Klang seiner heiseren Stimme verstärkte das lodernde Feuer der Versuchung in Rosanna.

„Ich verrate es keinem, wenn Sie es nicht wollen“, fügte er leise hinzu.

Dieses kleine Versprechen ließ etwas zwischen ihnen entstehen. Etwas verführerisch Verbotenes. Sie hatte den Eindruck, dass dieser Mann mit fast allem durchkommen konnte. Er hatte eine Aura, die nicht nur Macht und Autorität ausstrahlte, sondern auch etwas Geheimnisvolles.

„Machen Sie das oft?“, fragte sie.

„Etwas für mich behalten?“

„Etwas nehmen, das nicht Ihnen gehört.“ Hitze erfasste jeden Zentimeter ihrer Haut.

Er zögerte einen Moment und lächelte dann. „Ziemlich selten.“

Sie glaubte ihm, denn er wirkte diszipliniert und pflichtbewusst.

„Obwohl das nicht heißt, dass ich mich nicht zu etwas verleiten lassen würde“, fügte er plötzlich hinzu. „Wenn die Versuchung groß genug ist.“

Sie erschauerte.

„Sie sehen stark genug aus, um jeder Versuchung zu widerstehen“, sagte sie. „Sie wirken sehr diszipliniert.“

Er lachte kurz auf. „Der Schein kann trügen.“

„Aber nicht alles am äußeren Eindruck kann vorgetäuscht sein.“ Er stand so dicht vor ihr, dass sie fast seinen Atem spüren konnte. „Oder wollen Sie etwa behaupten, dass Sie nicht so stark sind, wie Sie aussehen?“

„Sie finden, ich sehe stark aus?“

„Ja. Das gehört doch zu Ihrem Job, oder?“

Er legte den Kopf schief, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Und Sie wirken wie eine Einbrecherin und benehmen sich auch wie eine. Und doch sehen Sie wie ein Unschuldsengel aus.“

Rosanna errötete einmal mehr. Er hatte ja keine Ahnung, wie unschuldig sie wirklich war. Jungfrau mit sechsundzwanzig – wie oft gab es denn so etwas?

Autor

Natalie Anderson
Natalie Anderson nahm die endgültigen Korrekturen ihres ersten Buches ans Bett gefesselt im Krankenhaus vor. Direkt nach einem Notfall-Kaiserschnitt, bei dem gesunde Zwillinge das Licht der Welt erblickten, brachte ihr ihr Ehemann die E-Mail von ihrem Redakteur. Dem Verleger gefielen ihre früheren Korrekturen und da es gerade einen Mangel an...
Mehr erfahren