Ist es mehr als nur ein heißer Flirt?

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Flirten ja, Liebe nein! Das hat sich der erfolgreiche Business-Tycoon Eric Chambault nach einer millionenschweren Scheidung geschworen. Nie wieder will er sein Herz verschenken! Doch als er auf einer Urlaubsreise die verführerische Molly kennenlernt, gerät sein Vorsatz ins Wanken. Der smarte Unternehmer kann die Anziehung zwischen sich und der hübschen Amerikanerin nicht leugnen. Mollys sinnliche Küsse lassen ihn schwach werden und an eine gemeinsame Zukunft glauben. Oder ist Molly doch nur an seinem Geld interessiert?


  • Erscheinungstag 28.01.2020
  • Bandnummer 022020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733713911
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der letzte Ort, an dem Molly Quinn heute Abend sein wollte, war das Merchant Seafarer Resort – noch dazu in hautengem Cocktailkleid, High Heels, die sie zehn Zentimeter größer machten, und Blasen an jedem Zeh.

Ihre Wagenschlüssel inklusive eines großzügigen Trinkgeldes überließ sie einem Parkwächter und holte noch einmal tief Luft, bevor sie die klimatisierte Lobby betrat.

Wegen einer eidesstattlichen Erklärung, die sie beurkunden musste, hatte ihr Arbeitstag heute bereits um sieben begonnen. Nach einem anstrengenden Tag mit Klienten, die sich wie Kinder aufgeführt hatten, hatte sie eine Stunde früher Feierabend gemacht, sich im Büro für den Abend umgezogen und durch den Verkehr gekämpft, um rechtzeitig auf Nantucket im Resort zu sein. Morgen stand ihr erster Gerichtstermin um zehn Uhr an, sodass sie mitten in der Nacht zurück in die Stadt fahren musste.

Warum tue ich mir das nur immer wieder an?

Allerdings musste Molly zugeben, dass es ein zauberhafter Ort war. Mit dem sanft abfallenden Gelände in Richtung Meer und seinem weißen Sandstrand war das Seafarer eine Art Wahrzeichen von Nantucket: ebenso überwältigend wie zeitlos, ein Ausbund an Reichtum und Luxus.

Trotzdem hätte Molly viel lieber mit einem Glas Rosé barfuß auf ihrem Balkon gesessen, anstatt sich in Stilettos auf einer exklusiven Veranstaltung zu zeigen, wie mondän ihre sündhaft teuren Designerschuhe auch sein mochten.

„Molly! Du hast es geschafft!“

Wie aus dem Nichts tauchte Ryan O’Neill vor ihr auf, perfekt gestylt, in Armani gewandet und mit einer Attitüde, als gehöre ihm das Resort. Groß, stattlich, mit auffallenden blauen Augen und einer irisch-rostroten Note im kastanienbraunen Haar erntete er überall, wo er auftauchte, Aufmerksamkeit. In letzter Zeit ganz besonders, nach einer aufsehenerregenden Scheidung von einer obskuren Schauspielerin, die aufgrund des öffentlichen Interesses jetzt bekannter war als je zuvor.

Ryan war derjenige mit dem Geld in der Beziehung gewesen, und Molly als seine Scheidungsanwältin sorgte dafür, dass er so viel wie möglich davon behielt.

Außerdem mochte sie ihn, und sie wurden sogar so etwas wie Freunde. Obwohl momentan eher ein psychisches Wrack, war Ryan ein netter lustiger Typ. Sie hatte es nicht fertiggebracht, ihm einen Korb zu geben, als er sie bat, ihn zu einer Charity-Versteigerung inklusive Dinner zu begleiten. Wer wollte so etwas schon allein durchstehen und auch noch schuld an einer ungeraden Gästezahl am gesponserten Tisch sein – besonders wenn man selbst einer der Hauptsponsoren war.

„Ryan …“ Lächelnd streckte sie ihm die Hände entgegen, die er mit seinen umfing und drückte, bevor er Molly an sich zog und auf beide Wangen küsste.

„Danke, dass du gekommen bist. Nichts ist schlimmer, als so einen Abend allein überstehen zu müssen“, raunte er ihr mit rollenden Augen zu.

Molly lachte und spürte, wie Ärger und Anspannung verflogen. „Entschuldige bitte, dass ich so spät dran bin.“

„Ach, das Theater geht gerade erst los. Soll ich uns ein Glas Wein organisieren?“

„Aber nur eins, ich muss heute Abend noch zurück in die Stadt fahren.“

„Stimmt, ich vergaß …“, murmelte er und legte wie selbstverständlich einen Arm um ihre Taille. „Immer korrekt, übernachten im Hotel ausgeschlossen. Du stellst gern Regeln auf, oder? Hältst du dich auch daran?“

„Immer.“ Geschickt wand Molly sich aus der allzu vertraulichen Geste und entschädigte ihren Gastgeber mit einem strahlenden Lächeln für den Rückzug. „Nur darum habe ich deine Einladung überhaupt angenommen. Du bist nicht mehr mein Klient, also verstoße ich auch gegen keine Regel.“

Ryan war ganz irischer Charmeur, inklusive dramatischem Seufzer und herausfordernd funkelnder Augen. „Noch nicht …“

Molly lächelte breit. „Netter Versuch, ich bleibe trotzdem nicht über Nacht.“

Wenn sie tatsächlich geglaubt hätte, seine Avancen wären mehr als reine Flirtversuche, wäre sie heute Abend nicht hier. Aber Ryan hatte die Scheidung längst nicht so locker abgehakt, wie er vorgab, und ihr würde ein wenig Abwechslung auch guttun. Also …

Ryan erwiderte augenzwinkernd ihr Lächeln und lotste Molly von der Lobby in den festlichen Ballsaal, wo das Abendessen und die Auktion zugunsten eines neuen Suchtzentrums stattfinden sollten. Das war der zweite Grund, warum sie nicht Nein hatte sagen können: Ryans Bruder war seit seinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr in einem Rehabilitationsprogramm. Hinzu kam, dass die Entdeckung von Unmengen an Schmerz- und Aufputschmitteln, die Ryans Frau bunkerte und konsumierte, die Hauptursache für die Scheidung gewesen war. Und sie war so hässlich und anstrengend verlaufen, dass Molly sich ernsthaft fragte, ob ihr großzügiges Honorar den Stress und Ekel vor derartigen Spektakeln noch rechtfertigte.

Aber das lag ja nun glücklicherweise hinter ihnen.

Der riesige Ballsaal mit den opulenten Kristalllüstern sah umwerfend aus. Die Tische waren in Elfenbein und Gold eingedeckt, prachtvolle Blumenarrangements erfüllten den Raum mit exotischem Duft. Die Hälfte der geladenen Gäste war bereits anwesend, stand mit langstieligen Sektflöten oder Highball-Gläsern in der Hand beisammen und plauderte miteinander. Im Hintergrund spielte leise Musik.

Ein beflissener Kellner kredenzte Molly gekühlten Weißwein, Ryan bat um einen Whiskey.

Molly atmete tief durch. Genau das hatte ihr gefehlt, gutes Essen, ein kühler Drink und ein gutaussehender Typ … alles bestens geeignet, um von dem leidigen Alltagskram abzulenken. Zwar wäre sie noch immer am liebsten zu Hause in ihren Kuschelklamotten, anstatt in engen Schuhen und einem unsichtbaren Korsett zu stecken, das locker zehn überflüssige Pfunde wegschummelte, die ihr einfach nicht standen, wie ihre Mutter ihr immer wieder dezent zu verstehen gab.

Eines Tages würde sie all diese Hilfs- und Foltermittel verbrennen und auf die Meinung anderer Leute pfeifen.

Eine Weile mischten Ryan und sie sich unter die anderen Gäste, dann wurden die Auktionsangebote für den guten Zweck in Displays und Werbevideos präsentiert. Bei den Angeboten handelte es sich ausnahmslos um attraktive Reisen.

Molly verschlugen die aufgelisteten Angebote den Atem.

Die avisierten Trips of a Lifetime entführten die Bieter zu einer afrikanischen Safari oder auf ein Schloss in der Provence inmitten eines blühenden Lavendelfeldes, nach Italien inklusive Gondelfahrten in Venedig oder auf ein Weingut in der Toskana. Auch der Regenwald in Costa Rica und Bergsteigen in Nepal waren unter den Angeboten.

Auf einige Events wurde bereits eifrig geboten, und während Molly sich mit einem Schluck Weißwein erfrischte, fragte sie sich, wie es wohl wäre, so eine Reise tatsächlich zu unternehmen.

Alle Ziele hatten das Potenzial, auf einer sogenannten Bucket List ganz oben zu stehen. Dieser Wunschliste dessen, was man in seinem Leben unbedingt sehen und erleben wollte, solange man dazu noch die Möglichkeit hatte … Auch eingedenk zum Beispiel von Ryans Bruder, der diese Chance möglicherweise nie bekommen würde.

Molly hielt einen Moment inne und dachte an ihre eigenen Probleme und Beschwerden, die eigentlich nur alberne Kleinigkeiten waren. Sie hatte eine tolle Karriere hingelegt und keine finanziellen Sorgen. Trotzdem war sie nicht glücklich. Möglicherweise stand ja eine Veränderung an. In letzter Zeit beschlich sie zunehmend das Gefühl, dass die Spezialisierung auf Familienrecht ein Fehler gewesen war – belastend für Körper und Seele. Das Problem war nur: Sie hatte keinen Schimmer, was sie glücklicher machen würde.

Ryan unterhielt sich gerade angeregt mit jemandem, und Molly zog ein Video in den Bann, in dem Orcas schäumende Ozeanwellen durchpflügten. Anschließend wechselte das Bild zu einer Gruppe von Kajakfahrern, im Hintergrund sah Molly riesige Mammutbäume, dann fand sie sich plötzlich zwischen sanften Hügeln voller Weinreben wieder und schlussendlich in einem luxuriösen Hotelzimmer inklusive Meerblick. Zusammengefasst wurden die atemberaubenden Eindrücke unter dem Titel: Island Outdoor Adventures – Vancouver Island, Kanada.

Kanada war vielleicht nicht der exotischste Ort der Welt, aber Molly hatte das Land von gelegentlichen Konferenzen in Montreal und Toronto in bester Erinnerung. Sie trat näher an den Tisch und griff nach einer der Hochglanzbroschüren. Ein Abenteuer, das eine Vielzahl von Erlebnissen versprach – die meisten im Freien, verbunden mit luxuriösen Unterkünften.

„Etwas dabei, das dich reizt?“ Ryans Stimme riss sie aus ihren Tagträumen.

„Könnte schon sein.“

Er nahm ihr die Broschüre aus der Hand und studierte sie. „Kajak fahren mit Orcas? Zip-Lining … Seilbahnrutsche durch den Regenwald?“ Seine lustige Grimasse verriet deutlich, was er davon hielt. „Klingt irgendwie nicht nach dir, Molly.“

Augenblicklich regte sich Widerstand. Woher will Ryan O’Neill wissen, wie ich wirklich ticke? Sicher, sie kamen gut miteinander aus. Er war ein angenehmer Klient, und es hatte einige ebenso anregende wie kurzweilige Gespräche zwischen ihnen gegeben.

Aber er kannte sie nicht. Nicht wirklich. Oder doch?

Bin ich möglicherweise tatsächlich so langweilig, wie sein Ton es nahelegt?

Molly spürte einen Kloß im Hals. Ihr ganzes Leben lang war sie einem festen Plan gefolgt – nie ein Ausreißer, kein einziger Fehltritt. Okay, sie hatte so gut wie keine Fehler gemacht, aber sie war auch nie ein Risiko eingegangen. Wenn sie etwas bedauerte, dann betraf es nichts, was geschehen war, sondern nur das, was sie nicht getan hatte …

„Was würde denn nach mir klingen?“, fragte sie defensiv.

Ryan trank einen Schluck Whiskey und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Arbeit, würde ich sagen. Du bist eigentlich ständig eingespannt, und wenn nicht, dann tust du etwas, was mit deiner Arbeit zu tun hat.“

„Wie heute Abend?“, konterte sie und sah, wie das Funkeln in seinen Augen verblasste.

„Ich habe dich nicht als meine Anwältin gefragt, sondern als Freundin.“

„Entschuldige …“ Molly seufzte. „Ich wollte nicht schnippisch sein.“ Es war ja nicht Ryan, über den sie sich ärgerte. Aber offensichtlich hatte er einen empfindlichen Nerv getroffen. Wahrscheinlich war sie wirklich überarbeitet.

Molly Quinn hatte eben immer genau das getan, was von ihr erwartet wurde. Nach dem Tod ihres Bruders oblag es ihr, das Familienbanner hochzuhalten, und sie hatte die Herausforderung voller Energie und Hingabe akzeptiert: Jahrgangsbeste ihrer Highschool-Klasse, Voll-Stipendium bis zum Bachelor und einen Abschluss bei Harvard Law … und das alles nur, um ihre Eltern stolz zu machen.

Nach dem Studium trat sie, wie erwartet, ins Familienunternehmen ein. Mit neunundzwanzig war sie jetzt vollwertige Partnerin bei Quinn, Colton und Quinn, der ersten Familienanwaltskanzlei an der Ostküste außerhalb von New York. Der Name Colton hatte nur noch nominelle Bedeutung, da der Partner ihres Vaters vor zwei Jahren in den Ruhestand gegangen war.

Mit noch nicht einmal dreißig Jahren hatte sie Dutzende von Ehen geschieden, ohne selbst je verheiratet gewesen zu sein.

Um genau zu sein, war sie sogar weit entfernt davon. Sie hatte einfach zu hart gearbeitet, um als das Anhängsel von jemandem zu enden. Molly wollte mehr … viel mehr.

Es war ja nicht so, dass sie ein bedauernswertes Leben führte. Es war ein schönes, ruhiges, behütetes … und manchmal natürlich auch einsames und langweiliges Leben.

„Hast du vor, ein Gebot abzugeben?“, erkundigte sich Ryan.

Molly schüttelte ihre trüben Gedanken ab. „Nein, eigentlich nicht, obwohl …“ Sie zögerte. „Vielleicht doch.“

„Na, dann fang doch hiermit an. So könntest du immerhin den Ball für jemand anderen ins Rollen bringen. Je höher das Gebot, desto besser fürs Reha-Zentrum.“

Das war ein Argument, das Molly einleuchtete.

Was soll’s! dachte sie, nahm das Angebot noch einmal genauer unter die Lupe und bot schließlich etwas weniger, als der Wert der Reise beziffert wurde.

Dreißig Minuten später saßen sie beim Dinner. Ryan war ein prominenter Gefäßchirurg, an seinem Tisch saßen Fachkollegen und deren Ehepartner. Molly lächelte und antwortete bei Bedarf, doch ein Großteil der Unterhaltung rauschte an ihr vorbei, da ihre Gedanken immer wieder zu dem Abenteuertrip auf Vancouver Island wanderten.

Wie mochte es sein, wenigstens einmal so etwas Verrücktes zu tun? Sie war nie besonders sportlich gewesen und hatte auch nie zu Impulsivität geneigt. Was ja nicht unbedingt heißen muss, dass ich dazu nicht in der Lage wäre, oder?

Das Essen war fantastisch, die Meeresfrüchte frisch und das Gemüse aus der Region. Auch die Musik war angenehm und die Unterhaltung witzig und pointiert – und Molly langweilte sich zunehmend.

Als alle Teller und Platten abgeräumt waren, haderte sie mit sich, dass sie unbewusst wieder einmal auf ihre Mutter gehört hatte, die ihr seit Ewigkeiten einbläute, grundsätzlich auf Nachtisch zu verzichten, da sie nicht zu den Glücklichen gehörte, die von Natur aus zur schlanken Linie neigten.

Warum muss ich mich eigentlich ständig kasteien? Das macht mich doch auch nicht zu einem besseren Menschen. Oder doch?

Genau das ist der Knackpunkt! ging ihr plötzlich auf.

Das strikte Befolgen jedweder Regel auf dem ihr vorgeschriebenen Weg brachte sie kein Stück weiter. Sie wusste nicht, wer sie wirklich war, außer einer guten Anwältin. Sekundenlang verschlug ihr diese Erkenntnis fast den Atem, dann presste sie die Kiefer zusammen und schob instinktiv das Kinn vor. Wenn jemand etwas daran ändern konnte, dann allein sie, so viel stand fest. Möglicherweise musste sie ihre Komfortzone verlassen, um wirklich herauszufinden, wer Molly Quinn war und wo sie noch hinwollte.

Mit einer gemurmelten Entschuldigung kehrte sie zu den Angeboten der stillen Auktion zurück. Am Island Outdoor Adventures-Tisch blieb sie stehen und prüfte den aktuellen Stand. Es gab zwei weitere Angebote, und ihre Enttäuschung verblüffte sie selbst.

Was soll’s! dachte sie trotzig und griff nach dem Stift.

Hastig kritzelte sie ein neues Angebot. Jetzt war sie richtig heiß. Endlich bot sich ihr die Chance, aus ihrem durchorganisierten Leben auszubrechen. Diese Option wollte Molly wahrnehmen. Es musste ja nicht gleich ein asketischer Weg absoluter Erleuchtung sein, ein Landschaftswechsel mit sportlichen Herausforderungen würde ihr sicher schon helfen, persönliche Klarheit und Einsichten zu erlangen.

Im Lauf des Abends kehrte sie immer wieder zu ihrem Tisch zurück und erhöhte das Angebot. Irgendwann fragte sie sich, ob es nicht langsam zu weit ging, und krümmte sich innerlich bei dem Gedanken daran, sie könnte wirklich den Zuschlag bekommen und was das für ihr Sparkonto bedeuten würde. Dann setzte ihr unbekannter Konkurrent noch ein Gebot drauf – und sie musste ihn einfach überbieten.

Schließlich wurden die letzten zehn Minuten zum Bieten annonciert.

Ein Mann Mitte dreißig hob eine Augenbraue, als er ihren letzten Eintrag las, dann griff er nach dem Stift und kritzelte etwas auf die Angebotsliste. Um nicht überboten zu werden, rückte Molly sofort nach und erhöhte das Gebot um zweitausend. Ihr Herz klopfte wie verrückt, als sie zu Ryan zurückkehrte. Die Gebote waren inzwischen doppelt so hoch wie der taxierte Wert der gesamten Reise.

Molly starrte nervös auf die Uhr und dann in Richtung ihres Tisches.

Mystery Man begegnete ihrem Blick und hob erneut eine Augenbraue. Er war verdammt attraktiv mit seinem dichten dunklen Haar und den nachtschwarzen Augen, die einen warmen Schimmer annahmen, sobald er lächelte. Als er das jetzt tat, präsentierte er ihr ein beeindruckend weißes Raubtiergebiss. Eine dreiste Herausforderung, der sie mit einem coolen Lächeln begegnete, das besagte: „Was auch immer.“

Noch sechs Minuten …

Mr. X schlenderte zum Tisch hinüber. Ein Lächeln spielte um seine markanten Lippen, als er ihr Gebot sah. Er erhöhte es erneut, trat zurück und ging.

Molly wollte unbedingt wissen, wie hoch es jetzt war. Doch sie hatte sich schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt, um ihn erneut überbieten zu können. Deshalb zuckte sie betont nonchalant mit den Schultern und wandte sich Ryan und Kit Merchant, der eigentlichen Initiatorin des Abends, zu, die zu spät gekommen war und jetzt den gesamten Tisch mit irgendwelchen Segelanekdoten unterhielt.

Als nur noch dreißig Sekunden übrig waren, schlenderte sie zum Tisch hinüber, holte tief Luft, als sie die letzte Summe sah, und überbot sie um einhundert Dollar. Molly legte den Stift hin, wandte sich um und sah, wie ihr Konkurrent sich erhob.

„Die Aktion ist beendet“, vermeldete der Conférencier in dieser Sekunde übers Mikrofon. „Es werden keine Gebote mehr angenommen.“

Sie hatte gewonnen!

2. KAPITEL

Eric Chambault atmete tief durch und trat aus dem Fahrstuhl. Wider Willen entschlüpfte ihm ein unwilliger Seufzer.

Erst das anstrengende Akquise-Meeting am frühen Morgen, dann die rasante Fahrt zum Flughafen, um die Maschine rechtzeitig zu erreichen. Die gut acht Stunden von Montreal nach Victoria hatte er dank Flugmodus ganz ohne Handy genossen. Doch kaum war er gelandet, klingelte es ununterbrochen. Also wies Eric seinen PA an, in den nächsten zehn Tagen sämtliche Telefonate umzuleiten und selbst zu bearbeiten, da er nicht erreichbar sei.

Danach tat er etwas, was er seit acht Jahren nicht fertiggebracht hatte: Er schaltete sein Handy aus und hoffte, dass sein Blutdruck nicht gleich wieder verrücktspielte. Eric war vierunddreißig, und sein Arzt hatte ihn eindringlich vor zu viel Stress gewarnt und ihm ans Herz gelegt, sich eine Auszeit zu nehmen.

Nur irgendwo am Strand zu liegen, war keine Option für ihn. Deshalb griff er den Rat eines Freundes auf und dachte über einen Abenteuerurlaub in freier Natur nach. Joe war vor gut einem Jahr in Südamerika gewesen und schwärmte immer noch davon.

Ursprünglich hatte Eric einen Urlaub für zwei geplant, doch dann wurden ihm die Scheidungspapiere zugestellt und eine Pärchen-Reise war damit natürlich passé.

Es folgten acht Monate juristischer Auseinandersetzungen, die ihn jede Menge Nerven, schlaflose Nächte und eine exorbitante Summe Bares gekostet hatten. Die Anwaltsgebühren für beide Parteien blieben ohnehin an ihm hängen, dazu eine Regelung, die ihn immer noch mit den Zähnen knirschen ließ. Knapp über dreißig Millionen in einer Summe zahlbar. Der einzige Lichtblick war, dass er sich zukünftig nicht jeden Monat um Alimente würde kümmern müssen.

Murielle hatte ihr Geld bekommen, und ihm blieb neben einem schlechten Geschmack im Mund ein desillusioniertes Herz.

Eric wedelte mit der Schlüsselkarte vor der Hotelzimmertür, und das grüne Licht wurde angezeigt. Mit einer Drehung des Knaufs öffnete sich die Tür, er trat ein und zog seinen schweren Koffer hinter sich ins Zimmer. Er hätte das natürlich auch einem Pagen überlassen können, aber im Moment wollte er niemanden sehen.

Ankommen, duschen und sich kurz hinlegen vor dem gemeinsamen Dinner heute Abend, das er jetzt schon fürchtete, wegen der anderen Gäste. Aber vielleicht täten eine Dusche und ein Power Nap seiner angeschlagenen Verfassung gut.

Ein undefinierbares Geräusch ließ ihn aufhorchen. Er runzelte die Stirn. Lief da etwa Wasser? Eric schaute sich um und stutzte, als er einen Louis Vuitton Koffer auf der Ablage entdeckte. Was zur Hölle …

War etwa jemand in seinem Zimmer? Sein Gesicht verfinsterte sich, als er das Bad ansteuerte und die Tür aufriss.

Ein spitzer Aufschrei, gespickt mit wilden Verwünschungen und gefolgt von einer Spritzwasserfontäne ließ ihn die Tür gleich wieder zuwerfen. Aber nicht, bevor er lange eingeseifte Beine, herausfordernd pralle, mit Badeschaum garnierte Brüste und ein blitzendes blaues Augenpaar unter einer dunklen Haarfülle wahrgenommen hatte.

Wie betäubt schüttelte Eric den Kopf und konnte selbst kaum fassen, was man in zwei bis drei Sekunden alles aufnehmen konnte.

Er räusperte sich. „Ähm … würden Sie mir verraten, was Sie in meinem Zimmer verloren haben?“, fragte er durch die geschlossene Tür.

Nach einem kurzen Geplätscher kam die Antwort scharf wie eine Rasierklinge. „Sie sind in meinem Zimmer, und ich verlange, dass Sie auf der Stelle verschwinden!“

Eric seufzte und massierte die Stelle über seiner Nasenwurzel, wo sich zwei kleine Falten zeigten und sich sein ganzer innerer Druck konzentrierte. „Ich habe gerade noch einmal nachgesehen und versichere Ihnen, dies ist mein Zimmer. Aber ich werde warten, bis Sie angezogen sind, dann wird sich alles klären, und die Hotelleitung wird Ihnen umgehend ein eigenes Zimmer zuweisen.“

Das wahrscheinlich kleiner und weniger komfortabel war als das von ihm gebuchte Zimmer mit dem großzügigen Kingsize-Bett, einer bequemen Sitzecke und einem unglaublichen Blick auf Victoria Harbour.

Ein undefinierbares Geräusch ließ ihn aufhorchen, dann lief Wasser aus der Wanne ab, und Eric trat von der Tür zurück. Wieder massierte er seine Stirn, trat ans Fenster und starrte nach draußen.

Unfassbar! Er hatte doch nur für ein, zwei Stunden entspannen wollen. War das zu viel verlangt in einem Luxushotel mit angeblich erstklassigem Service? Wie konnte es zu einer derart absurden Verwechslung kommen?

Im Badezimmer wurde herumrumort, laut und gereizt. Anscheinend war nicht nur er frustriert. Dann flog die Tür auf. Eric wandte sich um und erstarrte.

Sie war wütend, daran bestand kein Zweifel. Ihre blauen Augen, umrahmt von dunklen dichten Wimpern blitzten, und sie schien mit den hinreißenden Schmolllippen nach ihm schnappen zu wollen. Was für eine absurde Vorstellung!

Eingewickelt war sie in einen XL-Hotelbademantel, aber vor seinem inneren Auge sah er immer noch ihre wohlgeformten Beine. Eric schluckte mühsam.

„Ich schlage vor, Sie nehmen Ihren Koffer und marschieren gleich wieder runter in die Rezeption“, fauchte die aufgebrachte Badenixe.

Eric bemühte sich um ein verbindliches Lächeln. „Ich denke, wir sollten zusammen hinuntergehen und das klären. Ich warte, bis Sie angezogen sind.“

„Das glaube ich eher nicht.“

„Das Besitzrecht macht neun Zehntel aller Gesetze aus“, deklamierte er arrogant. „Deshalb bleibe ich.“ Er wies auf das King-Size-Möbel in der Zimmermitte. „Dies ist mein Bett, in dem ich gleich ein Nickerchen machen will, also seien Sie nicht so schwierig.“

Jetzt spielte ein triumphierendes Lächeln um ihren vollen Mund. „Zitieren Sie lieber kein Gesetz in meiner Gegenwart, damit können Sie nur verlieren“, warnte sie ihn. „Ich bin nämlich Anwältin.“

Fast hätte er sich geschüttelt. „Natürlich sind Sie das“, erwiderte er, kniff die Augen zusammen und studierte ihr gerötetes Gesicht. Es hatte etwas beunruhigend Vertrautes, er konnte es nur nicht unterbringen.

„Was soll das denn heißen?“ Jetzt stemmte sie empört die Hände in die Hüften, was ihren Bademantel vorn ein Stück aufklaffen ließ.

Eric versuchte nicht zu starren, aber sie war verdammt attraktiv, daran gab es nichts zu rütteln. Wo hatte er sie nur schon einmal gesehen? „Soll heißen, dass ich mir nur eins vorstellen kann, was noch schlimmer ist als ein unbefugter Eindringling, und das ist ein Anwalt in meinem Hotelzimmer.“

Er wusste, dass es unfair war, so etwas zu sagen, aber der einzige Grund, aus dem er diese einsame Reise unternommen hatte, war nun mal seine Scheidung. Und die perfiden Schliche der Anwälte, mit denen sie ihm ein Vermögen abgeluchst hatten, erbitterten ihn immer noch beträchtlich.

„Wow, alles klar …“ Molly marschierte zum Telefon, das auf dem Schreibtisch stand, griff nach dem Hörer und legte kurz danach wieder auf. „Ich gehe mich jetzt anziehen. In wenigen Minuten wird jemand hier sein und diese leidige Angelegenheit klären. Sie öffnen dann bitte die Tür …“

Ohne ihm auch nur einen Blick zu gönnen, nahm sie etwas aus einem Schrank, knallte kurz darauf eine Kommodenschublade zu und verschwand wieder im Bad.

Wie betäubt starrte Eric auf die geschlossene Tür. Eines musste er ihr lassen, wie man einen unliebsamen Zeitgenossen wirkungsvoll ignorierte oder sogar noch befehligte, hatte sie offensichtlich bis zur Kunstform kultiviert. Wenn er nicht so verärgert und empört gewesen wäre, hätte er sie sofort engagiert. Genau so jemanden brauchte er in seiner Firma.

Eine flüchtige Erinnerung streifte sein Bewusstsein, doch noch bevor er sie festhalten konnte, war sie auch schon wieder verflogen.

Es klopfte, und sie riefen beide Herein, aber es war Eric, der die Zimmertür öffnete. Fast gleichzeitig tauchte Molly fertig angezogen aus dem Bad auf.

„Guten Tag, Miss Quinn, Mr. Chambault, verzeihen Sie bitte die Unannehmlichkeiten. Ich bin Paul, der stellvertretende Manager, und die Verwechslung tut uns schrecklich leid.“ Er lächelte um Verzeihung heischend. „Mr. Chambault, ich fürchte, beim Einchecken ist uns ein Fehler unterlaufen, der dazu geführt hat, dass Ihnen die Schlüsselkarte zu Miss Quinns Zimmer ausgehändigt wurde.“

Miss Quinns Gesicht glühte förmlich vor Triumph. Eric zögerte einen Moment und suchte nach einer verbindlichen Floskel, anstatt auszusprechen, was ihm gerade durch den Kopf ging. „Irrtümer können vorkommen. Wenn Sie mir jetzt bitte mein Zimmer zeigen könnten …“

Pauls bemühtes Lächeln mutierte zu einer Art leidvoller Grimasse. „Leider ist es noch nicht bezugsfertig. Aber es dauert nicht länger als eine Stunde. Darf ich solange Ihren Koffer sicherstellen und Ihnen in unserer Executive Lounge einen Drink anbieten? Ich verspreche Ihnen, dass Sie sich noch vor Ihrem gemeinsamen Abendessen in Ihrem Zimmer frisch machen können.“

„Gemeinsames Abendessen?“, echote die als Miss Quinn angesprochene angebliche Anwältin mit erhobenen Brauen. „Sie nehmen doch nicht etwa auch an der Abenteuer-Tour teil, oder?“

Grundgütiger! Auf keinen Fall wollte Eric die nächsten zehn Tage mit ihr in einer Reisegruppe verbringen. Plötzlich erschien ihm ein reserviertes Handtuch an einem freien Badestrand über die Maßen verführerisch.

Dann trafen sich ihre Blicke, und Eric war überrascht, so etwas wie Verlegenheit in den ungewöhnlich blauen Augen zu sehen, ganz zu schweigen von ihren geröteten Wangen. Ob es der Hitze im Bad zuzuschreiben war oder sonst etwas zu bedeuten hatte, er wollte nicht, dass ihr erstes unglückliches Aufeinandertreffen in den nächsten zehn Tagen den Ton angab.

„Ich befürchte, daran lässt sich nichts ändern“, antwortete er lakonisch.

Es entstand eine unangenehme Pause, die Paul nutzte, um Erics Koffer und sein Handgepäck auf einen mitgebrachten Trolley zu stellen, während die beiden vom Hotel-Irrtum Betroffenen sich immer noch unbeholfen gegenüberstanden.

Autor

Donna Alward

Als zweifache Mutter ist Donna Alward davon überzeugt, den besten Job der Welt zu haben: Eine Kombination einer „Stay-at-home-mom“ (einer Vollzeit – Mutter) und einem Romanautor. Als begeisterte Leserin seit ihrer Kindheit, hat Donna Alward schon immer ihre eigenen Geschichten im Kopf gehabt. Sie machte ihren Abschluss in Englischer Literatur...

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