Partys, Sex und noch viel mehr

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Glamour, Shows, Blitzlicht: Die Moderedakteurin Kimi genießt die Fashionwoche in Paris - und ihre heiße Affäre mit dem Fotografen Holden MacGreggor. Noch ahnt sie nicht, dass ihr Lover keineswegs ein Fotograf ist, sondern ein Detektiv, der undercover ermittelt …


  • Erscheinungstag 01.06.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733752347
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ich liebe Paris im Frühling, dachte Kimberley Renton auf dem Weg zu ihrem ersten großen Event in der französischen Hauptstadt. Paris war ihre Lieblingsstadt, vor allem während der Modewoche.

Ihre schwindelerregend hohen Absätze klackerten rhythmisch, als sie die Rue de Rivoli hinabging. Sie trug einen Designerrock aus schwarz-weiß gemustertem Taft, der ihr bei jedem Schritt um die Beine wirbelte und einen interessanten Kontrast zu dem strengen Schnitt ihrer eng anliegenden schwarzen Jacke bildete. Die blütenweiße Karte in ihrer Hand würde ihr gleich Zugang zu einem der größten Ereignisse in der Modewelt verschaffen.

Kimberley war Moderedakteurin der Zeitschrift „Uptown“, einem der bekanntesten Modemagazine der Vereinigten Staaten. Sie war zur Modewoche nach Paris gekommen, um live mitzuerleben, wie die besten Designer der Welt ihre neuesten Kreationen präsentierten. Sie hatte sogar einen Platz in der ersten Reihe, der Traum eines jeden Modebegeisterten.

Amüsiert beobachtete sie, wie sich Stars und Sternchen bei Simone, die zurzeit als die französische Designerin schlechthin gehandelt wurde, ein Stelldichein gaben. TV-Sender und Regenbogenpresse würden natürlich diese Prominenten in den Vordergrund rücken, denn sie machten die Modewoche überhaupt erst zu einem gesellschaftlichen Ereignis. Kimberley wusste jedoch, für die Topdesigner hatten sie selbst und ihresgleichen in dieser Woche ungleich mehr Bedeutung als irgendwelche Film- oder Popstars.

Trotzdem, es machte Spaß zuzusehen. Es war fast wie bei einer Oscarverleihung. Eine ganze Horde Fotoreporter war da, um die Ankunft der einzelnen Stars zu dokumentieren, und mindestens einhundert Fans und Schaulustige hielten sich am Fuß der Eingangstreppe auf.

Gerade fuhr eine strahlend weiße Limousine vor. Als sich die Tür öffnete, schrien die Zuschauer entzückt auf. Nicola Pietra, ein italienischer Filmstar, war sehr routiniert im Umgang mit den Medien. Sie hatte ihr Markenzeichen, ein halb sexy, halb wehmütiges Lächeln, bereits aufgesetzt, bevor sie den Faltenwurf ihres Kleides ordnete. Sie war eine zierliche junge Frau mit einer unglaublichen Fülle dunkler Locken, die ihr wie ein Wasserfall um Kopf und Schultern fielen. Ihre dunklen Augen standen etwas schräg.

Ihr leichter Akzent ließ sie liebenswert wirken, und wenn jemand sie mit Sophia Loren oder Gina Lollobrigida vergleichen würde, wäre sie bestimmt die Letzte, die protestieren würde. Auch Kimberley, die selbst Halbitalienerin war, war begeistert von Nicola, die erst im italienischen, später im amerikanischen Filmbusiness Karriere gemacht hatte. Der kostbare Schmuck der Schauspielerin funkelte im Blitzlichtgewitter, während sie auf Mark Apple wartete, die derzeitige männliche Nummer eins in den amerikanischen Kinos. Das strahlende Paar gewährte den Fotografen und Fans ein paar Augenblicke und schritt dann langsam, von Bodyguards abgeschirmt, Arm in Arm die Stufen hinauf. Die bevorstehende Hochzeit der beiden war schon jetzt eine Sensation. Fast ganz Hollywood wusste, dass das Paar sich in Paris aufhielt, um ein Hochzeitskleid auszusuchen.

Obwohl die Pariser für ihre mangelnde Begeisterung für Berühmtheiten bekannt waren, hatte sich eine Menschenmenge angesammelt, die dem Paar zujubelte. Es hieß, dass Mark Apple, dem sein Erfolg wohl allzu sehr in den hübschen Kopf gestiegen war, sogar versucht habe, den Buckingham Palace für seine Hochzeit zu mieten – allerdings vergeblich. Kimberley war schon – genau wie der Rest der Welt – sehr gespannt auf das Kleid, für das die beiden sich schließlich entscheiden würden.

Das Kleid würde vor der Hochzeit hier auf der Modenschau präsentiert werden, das hatte Simone als Designerin zur Bedingung gemacht. Simone war auf ihre Art genauso kapriziös wie das berühmte Brautpaar und wohl die größte Designerin der Welt. Ihre Kreationen waren absolut einzigartig, und niemals wurde der Preis eines Kleides bekannt gegeben. Sie arbeitete nach der Devise, dass jemand, der nach dem Preis eines Kleides fragen musste, sich dieses nicht wirklich leisten konnte.

Endlich war das Paar, Mark in einem Anzug von Armani, Nicola in einem Kleid von Valentino aus roter Seide mit einer Schleppe aus Federn, in den heiligen Hallen der Mode verschwunden. Sofort löste sich die Menge auf. Mark Apple wirkt ja live so viel kleiner als im Film, hörte man die Leute sagen. Diese Kommentare wurden hauptsächlich in englischer Sprache geäußert. Die Franzosen achteten offenbar mehr auf die Kleidung. Armani, nicht besonders originell. Und sie, das kleine Persönchen, ganz in Rot? War das nicht ein bisschen zu gewagt? Die Italiener waren nicht so ungnädig. Was für eine Figur! Und hatte man jemals solches Haar gesehen?

Nachdem die Prominenz ihren Auftritt gehabt hatte, konnte Kimberley unbehelligt die Stufen hinaufgehen. Oben angekommen, drehte sie sich noch einmal um und blickte zurück.

Zu ihren Füßen lag die Rue de Rivoli, ein von Bäumen gesäumter Boulevard, wunderschön anzusehen. Funkelnde Lichter, gut gekleidete Menschen. Wenn Kimberley den Kopf ein wenig neigte, konnte sie den Louvre sehen und die Seine, die es niemals eilig zu haben schien, genau wie die Liebespaare, die an ihrem Ufer entlangspazierten.

Wenigstens einen Abend würde sie sich freinehmen und Paris als Touristin genießen, doch heute war sie im Dienst.

Kimberley drehte sich um, machte einen Schritt und wäre dabei fast mit dem wohl unmodischsten Menschen in ganz Paris zusammengestoßen. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine hochgewachsene Gestalt wahr, dichtes, dunkles Haar und ein alter Tweedmantel, darunter ein Paar Jeans, für die ganz sicher kein Designer verantwortlich zeichnete.

„Entschuldigung“, sagte sie und machte einen Schritt rückwärts. Der Mann hatte erstaunlich feste Bauchmuskeln.

„Sie sprechen Englisch?“

„Oh. Oui. Ja.“Vor lauter Schreck hatte sie vergessen, Französisch zu sprechen. Allerdings deutete der Ton des Fremden darauf hin, dass er diese Sprache ohnehin nicht verstand. „Kann ich Ihnen helfen?“

Er zog eine weiße Karte aus der Innentasche seines Mantels, die genauso wie Kimberleys Einladungskarte aussah. „Ich bin auf der Suche nach Hausnummer fünfundvierzig.“

Kimberley blinzelte überrascht. „Wieso?“

„Ich muss da zu einer Party, eine Modeparty.“

„Eine Modeparty?“ Simones Event als Modeparty zu bezeichnen war ungefähr so, als wenn man die Mona Lisa ein nettes Bildchen genannt hätte.

Er blickte auf sie herab – eine ungewohnte Erfahrung für sie, denn sie war für eine Frau ziemlich groß. Seine Augen funkelten amüsiert hinter runden Brillengläsern.

Ein Amerikaner in Paris. Und das während der Modewoche.

„Ja. Veranstaltet von irgendeiner Modedesignerin. Sie sind sehr elegant gekleidet, ich dachte, vielleicht wissen Sie, wo diese Party stattfindet.“

„Stimmt. Ich gehe auch dorthin. Hier entlang.“ Sie deutete auf den Eingang.

Der Fremde atmete erleichtert auf. „Danke. Ich habe dem Taxifahrer meine Einladung gezeigt, und er hat mich einfach hier abgesetzt. Ich hatte gar keine Zeit, ihn zu fragen, in welches Haus ich gehen muss.“

„Ich möchte nicht unhöflich sein, aber was machen Sie hier?“

„Ich bin Fotograf. Von der Minneapolis Daily Tribune.“

„Aha.“ Kimberley musterte den Mann. „Was ist mit Harold Vine passiert?“

„Mit wem?“

Wie konnte er Fotograf bei der Daily Tribune sein, ohne den Mann zu kennen, der seit fünf Jahren für das Blatt Modefotos machte? „Er fotografiert normalerweise für die Daily Tribune.“

„Oh. Richtig. Harold. Ich weiß nicht. Ich schätze, er ist krank. Man hat mich in letzter Minute angerufen. Ich arbeite freiberuflich.“

Auch bei genauerer Betrachtung wirkte sein Outfit keineswegs besser. Er trug ein Hemd, das verdächtig nach Flanell aussah, und seine Stiefel wirkten, als ob er mit ihnen den Himalaja durchwandert hätte. „Sie haben das noch nie gemacht, nicht wahr?“

„Wie kommen Sie darauf?“, erwiderte er. „Ich habe Tausende Fotos gemacht. Manche waren übrigens extrem schwierig aufzunehmen.“

„Ich meine aber, Sie haben noch nie die Modewoche fotografiert, oder?“

„Nicht in Paris, nein“, gab er zu.

„Sonst würde ich mich an Sie erinnern.“ Er wäre ihr aufgefallen, nicht nur wegen seines völligen Mangels an Modebewusstsein, sondern auch wegen der Art, wie er sie ansah. Daraus schloss sie, dass er wohl einer der wenigen heterosexuellen Männer war, die sich während der Modewoche in Paris aufhielten.

Auch er musterte sie neugierig. „Leben Sie denn hier in Paris?“

Kimberley schüttelte den Kopf. „Das würde ich gern, aber nein, ich lebe in Manhattan.“

„Ah, Sie hören sich an wie eine Amerikanerin, aber Sie sehen aus wie eine Europäerin.“

„Die Kleidung ist von hier. Ich bin eigentlich halb Italienerin, aber in New York geboren und aufgewachsen.“

„Wie schön für New York.“

Ermochte sich anziehenwie einfarbenblinder Trampel, aber er hatte Charme. Irgendwie war er sexy.

„Sollen wir?“ Er deutete auf die Treppe vor ihnen.

„Müssen Sie sich nicht vorher noch umziehen?“ Sie deutete auf den kleinen Rucksack, den er über der Schulter trug.

„Das ist meine Fotoausrüstung.“

„Richtig.“ Kimberley zuckte mit den Achseln. Er war ja nicht ihr Fotograf. Außerdem würde seine Anwesenheit den Abend vielleicht noch amüsanter machen.

„Ganz schön extravagant“, murmelte er, als sie die mit rotem Teppich ausgelegten Stufen hinaufgingen. Na, wenn er das schon extravagant fand … dann würde er gleich sein blaues Wunder erleben.

Sie zeigte ihre Einladung und wurde mit einem höflichen „Bonsoir, mademoiselle“ eingelassen. Ihr Begleiter zeigte seine Karte ebenfalls und wollte ihr folgen.

„Un moment, monsieur. S’il vous plaît.“

„Was?“

„Er sagt, Sie sollen stehen bleiben.“

Ihr Begleiter seufzte entnervt. „Was sind das für Leute? Die Modepolizei?“

Kimberley lächelte. „Ganz genau. Und wenn Sie nicht tun, was sie sagen, dann wird man Sie hinauswerfen, Amerikaner oder nicht.“

Von dem französischen Redeschwall, der nun folgte, konnte sie genug verstehen, um dem Fremden zu erklären, worum es ging. „Es ist Ihr Rucksack. Sie dürfen ihn nicht mit hineinnehmen.“

Er nahm den Rucksack ab und öffnete ihn. „Bitte, durchsuchen Sie ihn. Es ist nur eine Fotoausrüstung. Ich bin Fotograf.“

„Das sind Franzosen“, erklärte Kimberley. „Das heißt nicht, dass sie taub sind.“

Der Mann, der offenbar den Sicherheitsdienst leitete, schüttelte energisch den Kopf und wandte sich an sie. „Pas de sacs dans le salon.“ Er hob gebieterisch die Hand.

„Sie können den Rucksack nicht mitnehmen.“

Er drückte den Rucksack jetzt erst recht an sich.

Drinnen war die Party bereits in vollem Gang. Sie musste sich unbedingt unter die Gäste mischen. Außerdem begann diese Auseinandersetzung sie zu nerven.

„Alles Gute. Ich denke, Sie kommen schon klar“, sagte sie, winkte kurz und betrat die glitzernde Welt der Mode.

Die elegant ausgestatteten Räume waren voller Menschen. Kellner in Uniform bewegten sich geschmeidig durch die Menge und jonglierten dabei silberne Tabletts voller Champagnergläser.

Los geht’s, sagte sich Kimi und zog den Bauch ein. Dies war einer der wenigen Orte auf der Welt, wo eine Frau sich dick fühlen konnte, selbst wenn sie bei einem Meter zweiundsiebzig knapp sechzig Kilo wog.

Jeder hier – Prominente, Models, Designer, Modefreaks – war schön und schlank oder zumindest reich genug, um Selbiges vorzutäuschen. Allein die Kleidung, die hier getragen wurde, war mehrere Millionen wert. Was den Schmuck betraf, der an Handgelenken, Dekolletés und Fingern glitzerte, darüber konnte sie nur spekulieren.

Kimberley atmete tief ein. Die Luft war geschwängert mit dem Duft teurer Parfums. Sie liebte solche Events, sie liebte die glamouröse Atmosphäre.

Man hörte fast alle Sprachen dieser Welt, Französisch, Italienisch, Spanisch, Farsi, Japanisch und viele mehr. Sie selbst sprach gut genug Französisch und Italienisch, um sich sicher zu fühlen, vor allem hier, wo es ja nur um oberflächliche Themen ging. Also nahm sie sich ein Glas Champagner und begann mit dem Small Talk.

Sie begrüßte Journalisten, die sie kannte, und Designerassistenten, die für sie genauso wichtig waren wie für die Models.

Simone, die Gastgeberin, hielt von einem Sessel aus Hof. Sie war eine hagere Gestalt mit Schatten unter den Augen. Natürlich trug sie stets ihre eigenen Kleider, und immer schwarz, niemals etwas Farbiges.

Sie redete schnell und viel, und ihre Hände waren dabei ständig in Bewegung. Die Menschen um sie herum hingen an ihren Lippen. Sogar Nicola Pietra und Mark Apple – in der Welt des Glamours nannte man sie gerne „Apple Pie“ – mussten sich mit Rang zwei begnügen, was die Aufmerksamkeit der Gäste betraf. Dieser Abend gehörte Simone.

Kimberley merkte schnell, dass es ihr nicht gelingen würde, auch nur in deren Nähe zu gelangen. Sie blickte sich um. Mit wem könnte sie sonst noch ins Gespräch kommen? Da sah sie den Fotografen, dem sie vor dem Eingang begegnet war. Er hatte es also bis hierher geschafft, wenn auch ohne Rucksack.

In dieser Umgebung stach er heraus wie – ja wie genau? Sie beobachtete ihn einen Moment. Er selbst schien ebenfalls damit beschäftigt zu sein, andere zu beobachten. Er wirkte so … wachsam. Das Champagnerglas in seiner Hand ließ ihn erst recht wie einen Außenseiter wirken. Offenbar war er kein Mann, der es gewohnt war, Champagner zu trinken.

Jetzt hatte sie’s: Er stach heraus wie ein einsamer Wolf, der in eine Volière voll bunter Paradiesvögel geraten war. Ja, er strahlte etwas aus, das Kimberley an ein Raubtier denken ließ. Irgendwie wirkte er ein bisschen gefährlich.

Niemand redete mit ihm. Er befand sich ganz offensichtlich außerhalb seines gewohnten Fahrwassers. Ob sie Mitleid mit ihm haben und ihn ein paar Leuten vorstellen sollte? In diesem Moment sah sie Brewster Peacock auf ihn zugehen.

Oh oh. Zickigkeit war ja das Markenzeichen der Modebranche, doch Brewster Peacock übertraf darin jeden. Seine Kolumne wurde allgemein beachtet, vor allem wegen seines beißenden Humors. In der Regel nahm er die aufs Korn, die besonders verletzlich und wehrlos waren: etwa ein Model, das sich nach einer Entziehungskur zum ersten Mal wieder auf den Laufsteg wagte, oder einen Designer, der längst passé war und ein Comeback versuchte. Peacock lebte nach der Devise, dass das geschriebene Wort eine schärfere Waffe war als jedes Schwert, und mit seiner Kolumne hatte er so manchen Rufmord begangen und so manche zarte Seele verbal in Stücke gerissen.

Auch wenn er Kimberley wie seinesgleichen behandelte und sie sogar schon einmal in seiner Kolumne zu einer der bestgekleideten Frauen erklärt hatte, nahm Kimberley sich vor ihm in Acht wie vor einem Schlangennest.

Es wäre bestimmt vernünftiger, den hochgewachsenen, dunkelhaarigen, fürchterlich gekleideten Fremden Brewster zu überlassen. Sie war jedoch dazu erzogen worden, mitzufühlen mit denen, die weniger Glück hatten als sie. Dank ihrer Mutter wusste sie wahrscheinlich mehr über das harte Schicksal der Frauen in der Dritten Welt als die meisten Frauen dort selbst. Der Fotograf allerdings war keine Frau in der Dritten Welt, befand sich hier jedoch gegenüber Brewster ganz eindeutig im Nachteil. Möglicherweise stand seine Karriere als Modefotograf auf dem Spiel, bevor er überhaupt eine einzige Aufnahme gemacht hatte.

Sie bahnte sich einen Weg zu dem ungleichen Paar. Brewster war zwischen vierzig und fünfzig, und sein richtiger Name lautete Boris Pushkoski, doch sein selbst gewähltes Pseudonym passte sehr viel besser zu ihm. Modisch tendierte er zum Extrem, er liebte schreiend bunte Farben. Heute trug er ein königsblaues Samtjackett, ein altmodisches Stück aus den Zwanzigern, wahrscheinlich von Dior. Sein Haar war gebleicht und extrem kurz geschnitten. Er trug makellose zweikarätige Diamanten in den Ohrläppchen und behauptete, für Männer diesen Trend gesetzt zu haben. Wahrscheinlich stimmte das sogar.

Kimberley war jetzt nahe genug, um zu hören, was Brewster sagte. „Und wie finden Sie den neuen Trend zum nabeltiefen Dekolleté?“

Es folgte eine kleine Pause. Kimberley hielt den Atem an.

„Ich spreche kein Französisch“, erwiderte der Fotograf.

Ohne zu überlegen, trat sie vor und lachte, als ob sie gerade einen besonders guten Witz gehört hätte. „Das habe ich zufällig mitbekommen. Es tut ja so gut, wenn jemand über unsere Branche lachen kann. Brewster …“, sie beugte sich vor für die unvermeidlichen Luftküsschen, „… ich habe mich schon gefragt, wo du bist.“

„Kimi, ma petite.“ Er drehte sich um und betrachtete sie. Seine himmelblauen Augen wirkten ja so harmlos. „Du siehst fantastisch aus, wie immer.“ Er hielt sie ein Stück von sich weg. „Und mit wem musstest du schlafen, um diesen Rock zu bekommen?“

Verblüfft richtete der Fotograf den Blick auf Kimberleys Rock. Sie lächelte süß. „Mein Geheimnis.“

Brewster musterte den Fotografen. „Unser Freund hier hat offenbar auch seine ganz eigenen Quellen, was die Garderobe betrifft.“

„Ja, er hat einen ziemlich eigenwilligen Humor.“

Brewster hob eine Braue. „Ihr kennt euch?“

Was um alles in der Welt machte sie hier? Sie war im Begriff, ihren guten Ruf in der Modewelt aufs Spiel zu setzen wegen eines Tölpels, der offensichtlich blind war für den Unterschied zwischen seinem Fusselpullover und guter Mode. „Wir sind uns schon einmal begegnet“, erwiderte sie leichthin.

Sie wusste, Brewster fragte sich jetzt, warum sie wohl so geheimnisvoll tat. Er liebte nichts so sehr wie anderer Leute Geheimnisse. Vor allem deshalb, weil er sie lüften und den Rest der Welt daran teilhaben lassen wollte.

Kimberley versuchte, das Thema zu wechseln. „Simone ist ja in Topform.“

Brewster blickte über die Schulter. „Sie beglückt wieder einmal ihre Fans. Als ob sie jemals etwas wirklich Bedeutendes zu sagen hätte. Ach, und hast du ihren neuesten Lover gesehen, Darling? So ein magerer Tscheche, der früher Hockey gespielt hat.“ Er wedelte sich mit einer perfekt manikürten Hand Luft zu. „Hockey!“

„Ich wusste nicht, dass sie einen neuen Freund hat. Was ist mit ihrem Mann?“

„Oh, der ist irgendwo auf Schürzenjagd.“

„Wie ich sehe, ist Apple Pie auch hier. Weißt du etwas über das Kleid?“, fragte Kimberley.

„Tja, ich habe es natürlich noch nicht gesehen“, erwiderte Brewster selbstzufrieden. „Aber man hört so einiges.“

Er konnte zwar ganz schön gemein sein, aber irgendwie mochte Kimberley ihn auch ein wenig, schon allein, weil er immer über alles so gut Bescheid wusste. „Was denn?“

Er blickte sich um wie ein Verschwörer, dann antwortete er mit gesenkter Stimme: „Ich habe gehört, es gibt zwei Kleider.“

„Zwei Kleider?“, flüsterte Kimberley zurück.

Das versprach wirklich interessant zu werden. Brewsters Augen funkelten. „Eins für die Braut und ein winzig kleines für das Baby der Braut.“

Pietra und Apple hatten eine zweijährige Tochter, was kein Geheimnis war, doch dass die Kleine das gleiche Kleid tragen sollte wie ihre Mutter, war wirklich eine interessante Neuigkeit. „Das ist nicht dein Ernst.“

Brewster lächelte triumphierend. „Warte nur ab. Und jetzt, meine Lieben, muss ich unbedingt mit Valentino reden.“ Er lächelte huldvoll und stolzierte von dannen.

Kimberley musterte den Fremden, der sehr erleichtert wirkte. „Danke, dass Sie mich gerettet haben“, sagte er.

Sie sah ihm in die Augen. „Wer sind Sie?“

„Das sagte ich doch schon. Ich bin Fotograf und arbeite für die Minneapolis Daily Tribune.“

„Hören Sie auf mit dem Unsinn. Sie kennen ja nicht einmal den Unterschied zwischen Décolletage und Trikotage. Kein Mensch würde Sie jemals als Modefotograf anheuern.“

Der Fremde zog die Brauen hoch und reichte Kimberley seine Visitenkarte.

Sie wirkte echt. „Holden Mac Greggor, Fotograf“, las sie laut.

„Ich bin Holden Mac Greggor“, sagte er, als ob sie annehmen könnte, er habe die Karte gestohlen. Nur gut, dass er nicht versuchte, ihr die Hand zu schütteln. Schließlich hatte sie Brewster gegenüber so getan, als würden sie sich kennen.

„Kimberley Renton, Moderedakteurin. Uptown Magazine.“

Wieder blickte sie auf die Karte. „Wie heißt Ihre Redakteurin?“ Sie kannte die meisten Leute in der Branche, auch die leitende Moderedakteurin seiner Zeitung. Diese Frau würde ihn lebendig verschlingen, wenn sie ihn in diesem Outfit hier sähe.

„Marsha Sampson. Ich soll sie hier treffen.“

„Sie sind Ihrer Redakteurin noch nie begegnet?“

Er schüttelte den Kopf.

„Wenn Sie ihr so gegenübertreten, wird Ihr erster Tag Ihr letzter sein.“ Irgendetwas stimmte hier nicht.

„Ich bin Fotograf“, erklärte er unwillig. „Kein Model. Wen interessiert, was ich anhabe?“

„Sehen Sie, das ist es. Ich bin sicher, dass Sie kein Modefotograf sind.“

Er hatte brauen Augen, wie sie feststellte. Sehr attraktiv. „Ich mache das sozusagen auf Probe.“

„Wer hat Sie eingestellt?“

Er sah sie einen Moment lang schweigend an, so als ob er versuchen würde, eine Entscheidung zu treffen. „Rhett Markham hat mich eingestellt.“

„Der Herausgeber? Aber …“

Er blickte sich um. „Wie halten Sie davon, anderswo etwas trinken zu gehen?“

Eigentlich hatte sie schon mit allen für sie wichtigen Leuten gesprochen. Sie wäre gern noch ein bisschen geblieben, aber jetzt war ihre Neugier geweckt. Und wie.

„Warum?“

„Ich brauche Hilfe in einer gewissen Angelegenheit, und ich glaube, Sie könnten die Person sein, nach der ich suche.“

Kimberley empfand die Spannung zwischen ihnen fast körperlich, jedes Mal wenn er sie ansah. So etwas hatte sie schon lange nicht mehr erlebt. „Ein origineller Spruch, das muss man Ihnen lassen.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem sexy Lächeln. „Wenn ich Sie anmachen wollte, würde sich das anders anhören. Ich brauche wirklich Ihre Hilfe. Als Modefachfrau. Aber ich kann hier wirklich nicht darüber reden.“

Sie war eine moderne junge Frau mit den Überlebensinstinkten einer langjährigen Bewohnerin von Manhattan. Andererseits, sie hatte ja ihr Handy, und dank ihrer Mutter hatte sie als Teenager ein Kampfsporttraining absolviert. Sie fühlte sich also einigermaßen sicher. Außerdem hatte sie ein ziemlich gutes Bauchgefühl, was Menschen betraf.

„Okay“, sagte sie. „Dann gehen wir.“ Sie zog ihn Richtung Ausgang. „Die Frau dort mit den feuerroten Haaren und dem furchteinflößenden Gesichtsausdruck ist übrigens Ihre neue Redakteurin.“

Er warf einen Blick auf Marsha Sampson und duckte sich. „Alles klar.“

So schnell wie möglich und ohne Aufsehen zu erregen, verließen sie den Raum. Am Ausgang nahm er seinen Rucksack wieder in Empfang. Dann traten sie hinaus in die Nacht.

Draußen war es ruhig und die Luft kühl. Mehrstöckige Häuser aus der Jahrhundertwende mit schmiedeeisernen Balkongeländern säumten die Straße auf beiden Seiten. Typisch Paris. Sogar der Geruch war typisch Paris.

„Kennen Sie sich hier aus?“, fragte er.

„Ja. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns jemand aus der Modebranche hier sieht, ist sehr groß.“ Kimberley überlegte. „Aber ein paar Blocks weiter gibt es ein paar kleine Bistros, wo wir einigermaßen unbeobachtet wären.“

„Klingt gut.“ Mit langen Schritten marschierte er los, passte sich jedoch nach kurzer Zeit ihrer Schrittlänge an.

„Wie schaffen Sie es nur, in solchen Dingern zu gehen?“

„Sie sind dafür gedacht, dass man gut aussieht, nicht stundenlang herumwandert.“

Er lächelte breit. „Ich wette, Sie waren noch nie in Ihrem Leben wandern.“

Kimberley schwieg. Wenn er wüsste. Als Jugendliche hatte sie mehrere Sommerferienlager überstehen müssen. Schrecklich. Dabei wäre sie viel lieber mit ihren Freundinnen in der Stadt bummeln gegangen.

Ihre arme Mutter, die sich so bemüht hatte, ihre Tochter nach ihrem Vorbild zu erziehen – mit Birkenstocksandalen und ohne Büstenhalter –, hatte nichts dagegen tun können, dass aus eben dieser Tochter ein typisches Mädchen wurde, noch dazu eines, das verrückt nach Mode war. Was für ein ungleiches Paar sie abgaben. Kimberley hatte das Gefühl, dass sie ihren Sinn für Mode ihrem Vater verdankte, einem italienischen Lebemann. Er war ihr nie wirklich ein Vater gewesen, doch ihre Karriere hatte sie wohl ihm zu verdanken.

Ihre Mutter, eine typische Yale-Studentin im letzten Semester, hatte sich natürlich geweigert zu heiraten, nachdem sie schwanger geworden war, während ihr Vater, ein Katholik mit ausgeprägtem Familiensinn, eine Heirat gewollt hätte. Evelyn Renton hatte allerdings darauf bestanden, dass er das Kind finanziell unterstützte. Kimberley besaß also ein kleines Vermögen und einen Vater, den sie nicht kannte. Sie wusste, dass sie peinlich war für einen gut situierten Geschäftsmann mit Frau und vier Kindern. Ihre naive Hoffnung, eines Tages einer glücklichen italienischen Großfamilie anzugehören, war zerstört worden, als endgültig klar wurde, dass ihr Vater nicht die Absicht hatte, sie jemals seiner Frau und ihren Halbgeschwistern vorzustellen.

Sie versuchte, das Ganze philosophisch zu sehen. Immerhin hatte es sich in ihrem Job als vorteilhaft erwiesen, dass sie jahrelang Italienisch und Französisch gelernt hatte in der Hoffnung, ihr Vater würde es sich anders überlegen.

Mithilfe von Google hatte sie sich immer wieder über ihn und sein Leben informiert und sich insgeheim gewünscht, er täte das Gleiche im Hinblick auf sie.

„Was halten Sie davon? Sollen wir hineingehen?“ Holden weckte Kimberley aus ihren Gedanken, als sie an einer kleinen Bar vorbeikamen.

„Wunderbar“, erwiderte sie. Normalerweise würde sie lieber draußen sitzen und die Passanten beobachten, doch drinnen wäre die Gefahr wesentlich geringer, dass man sie zusammen sehen könnte.

Kurz nachdem ihre Getränke serviert wurden, entschuldigte er sich, kehrte jedoch sehr schnell wieder zurück. Er hielt sein aufgeklapptes Handy in der Hand. „Es ist Rhett Markham. Er will Sie sprechen.“

Kimberley hatte angenommen, Holden sei zur Toilette gegangen. Stattdessen telefonierte er mit seinem Chef?

Der wiederum mit ihr sprechen wollte?

Sie nahm das Handy. „Hallo?“

„Kimberley? Rhett Markham hier.“

„Wie geht es Ihnen, Mr. Markham?“

„Gut, danke.“

„Wie geht es Ihrer Frau?“

„Gut. Louise geht es auch gut. Sie vermisst natürlich ihren Job, aber sie freut sich auf die Ankunft des Babys nächsten Monat. Ich werde ihr Grüße von Ihnen bestellen. Hören Sie, wir haben ein Problem, und Sie sind genau die richtige Person, um uns zu helfen. Ich habe Mac Greggor die Erlaubnis gegeben, Sie über alles zu informieren. Wir verlassen uns auf Ihre Diskretion. Verstehen Sie?“

Das hörte sich ja an wie ein zweitklassiger Krimi. „Ja. Ich soll den Mund halten, mich nicht verplappern.“ Aber worüber? „Und weiter? Was genau ist das Problem?“ Kimberley hatte Rhett Markhams Stimme erkannt, aber trotzdem nach seiner Frau gefragt, um ganz sicher zu sein. Sie vertraute vorsichtshalber niemandem, ganz wie in einem dieser zweitklassigen Krimis.

Autor

Nancy Warren
Nancy Warren hat mehr als 20 erotische und witzige Liebesromane mit großem Erfolg veröffentlicht. Ihren großen Durchbruch hatte sie im Jahr 2000, als sie den Harlequin Blaze-Wettbewerb für bisher unveröffentlichte Autoren gewann. Daraufhin erhielt sie sogleich den Auftrag, drei Romane zu verfassen. Es folgten weitere Preise bei etlichen Wettbewerben. Zudem...
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