Romana Exklusiv Band 338

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  • Erscheinungstag 23.07.2021
  • Bandnummer 338
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503211
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Caroline Anderson, Nina Harrington, Lucy Ellis

ROMANA EXKLUSIV BAND 338

1. KAPITEL

„Signor Valtieri! Sie müssen mich anhören!“, durchbrach die verzweifelt klingende weibliche Stimme die abendliche Stille.

Gio hatte jedoch keine Lust und keine Energie mehr, mit Camilla Ponti diplomatisch umzugehen, und außerdem keine Zeit. Ihretwegen hatte er seinen Urlaub schon um einen Tag verschoben. Sie hatte gegen seinen Klienten Marco Renaldo gerichtlich vorgehen wollen, aber dieser hatte darauf bestanden, erst noch einmal mit ihr zu reden.

Das Gespräch heute Nachmittag war sehr emotional verlaufen, die Frau hatte geschluchzt und gebettelt. Doch ihr früherer Geschäftspartner hatte sich nicht beeindrucken lassen und auf seiner Forderung bestanden. Entweder würde sie die Sache vergessen, oder er würde sie wegen Betrugs und Unterschlagung anzeigen. Sie hatte schließlich nachgegeben, Gio jedoch vorgeworfen, er hätte Marco zu dieser Vorgehensweise geraten. Sie schien überzeugt zu sein, dass er ihr ihre Firmenanteile vorenthielt. Allerdings hatte sie ihre Rechte selbst verwirkt.

Nach dem Gespräch hatte er mit Anita vereinbart, sie um sechs abzuholen. Er konnte es kaum erwarten, aus Florenz hinauszukommen, und hatte zu Hause den eleganten Anzug und das weiße Seidenhemd abgestreift. Die Seidenkrawatte, die Anita ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, hatte er über den Stuhl gehängt und die handgefertigten Schuhe aus feinstem Leder weggestellt. Nachdem er auch noch die goldenen Manschettenknöpfe mit seinem Monogramm, ebenfalls ein Geschenk von Anita, in die Schublade gelegt hatte, zog er nach dem Duschen seine Lieblingsjeans und einen Pullover an. Die abgenutzte Lederjacke und die bequemen Boots hatten schon bessere Tage gesehen, aber er fühlte sich darin wohl.

Zuletzt nahm er noch den vollen Müllbeutel aus dem Abfalleimer in der Küche, warf die leere Weinflasche hinein und ging zur Tür. Das Gepäck hatte er bereits im Kofferraum seines Wagens verstaut.

Er konnte es gar nicht erwarten, die Arbeit für zwei Wochen zu vergessen und sich zu entspannen. Er freute sich sehr auf den Skiurlaub mit seiner Familie.

Anita kam auch mit. Er hatte sie in der letzten Zeit vermisst. Allerdings war er ihr seit der Hochzeit seines Bruders aus dem Weg gegangen, weil ihm die ganze Sache zu kompliziert geworden war. Doch im Beisein seiner Familie würden sie das erotische Knistern sicher unter Kontrolle halten können.

Aus irgendeinem Grund hatte das Hauen und Stechen, das in seinem Beruf üblich war, seinen Reiz verloren, und nach einem Tag wie heute war er einfach nur müde und abgespannt.

Und nun das noch. Offenbar hatte diese Frau irgendwie herausgefunden, wo er wohnte, und ihm aufgelauert.

„Signora Ponti, es gibt wirklich nichts mehr zu sagen“, begann Gio diplomatisch, was er sich jedoch hätte sparen können.

„Bitte hören Sie mir zu. Ich brauche das Geld dringend.“

„Aber Sie können nichts beanspruchen, was Ihnen nicht zusteht. Signor Renaldo hat Sie schon darauf hingewiesen, dass Sie mehr als genug heimlich für sich abgezweigt haben.“

„So war es doch gar nicht. Ich hatte meine Gründe.“

„Das behauptet jeder“, erwiderte er erschöpft. „Jetzt entschuldigen Sie mich bitte.“

„Aber ich habe das Geld verdient“, schluchzte sie und streckte verzweifelt die Hände nach ihm aus. „Sie müssen mich anhören. Bitte.“

Seine Geduld war erschöpft, und er trat einige Schritte zurück. „Nein, das muss ich nicht. Es ist alles geklärt.“ Mit dem Abfallbeutel in der Hand wollte er sich umdrehen.

„Nein!“, rief Signora Ponti in dem Moment.

Aus den Augenwinkeln sah Gio, wie sie den Arm mit der Handtasche hob. Es gelang ihm nur noch, das Gesicht mit der freien Hand zu schützen, ehe die große, schwere Tasche ihn so hart traf, dass er das Gleichgewicht verlor. Er knickte um, und dann schmerzte sein Knöchel so höllisch, dass ihm fast übel würde. Gio konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und fiel prompt auf den Müllbeutel, der ihm aus der Hand rutschte. Er hörte das Klirren von zerbrechendem Glas, und der scharfe Schmerz, der eine Sekunde später seinen Oberschenkel durchdrang, raubte ihm beinah den Atem.

Gio schob den Müllbeutel unter sich weg und wartete darauf, dass sie ihm noch einen Schlag versetzte. Sekundenlang blickte er sie nur schockiert an, bis er das Blut an seinen Fingern bemerkte. Und während er es zunächst verständnislos betrachtete, begriff er. Er hatte sich auch am Oberschenkel verletzt.

Offenbar wurde es der Frau ebenfalls klar, denn sie rief mit entsetzter Miene: „Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht verletzen!“ Sie drehte sich um und eilte davon.

Erleichtert lehnte er sich an die Mauer und schloss kurz die Augen. Dann bewegte er vorsichtig den anderen Fuß, der offenbar unverletzt war. Das rechte Bein tat jedoch höllisch weh, und er entdeckte den Glassplitter, der herausragte. Um die Blutung stillen zu können, zog er ihn heraus.

Dann wickelte er seinen Schal um die verletzte Hand und presste sie auf den Oberschenkel, ehe er das Smartphone aus der Tasche zog. Er musste Anita anrufen, denn seine Brüder und der Rest der Familie waren schon in dem Chalet in den Bergen. Anita hatte noch einen Termin mit einer jungen Frau, deren Hochzeit sie plante, und er hatte mit ihr vereinbart, sie um diese Zeit abzuholen.

Sie würde ihm helfen, denn sie wusste immer eine Lösung, wenn es problematisch wurde. Gio zitterte jedoch am ganzen Körper, während er mit der linken Hand die Kurzwahltaste drückte.

Sogleich meldete sich ihre Mailbox mit ihrer persönlichen Ansage, und er hätte vor Verzweiflung schreien können.

„Wir laufen uns ständig über den Weg, aber wenn ich dich dringend brauche, bist du nicht da. Kannst du mir das erklären?“, sprach er darauf. Dann tat er das einzig Vernünftige und wählte den Notruf.

Anschließend versuchte er noch einige Male vergeblich, Anita zu erreichen. Doch allein ihre Stimme zu hören, fand er irgendwie tröstlich.

Ihr Smartphone läutete immer wieder, Anita spürte es in ihrer Tasche vibrieren.

Vermutlich wollte Gio wissen, wie lange es noch dauerte. Er würde sich schrecklich ärgern, wenn sie ihn warten ließ.

„Gut, wir haben jetzt alles genau besprochen“, versuchte sie, zum Ende zu kommen. „Ich arbeite Ihnen einige Vorschläge aus, und dann setzen wir uns wieder zusammen, sobald ich aus dem Urlaub zurück bin.“

„Ich dachte, wir könnten schon heute alles erledigen“, wandte die junge Frau ein.

„Es tut mir leid, ich habe wenig Zeit, weil ich gleich fahren will. Machen Sie sich keine Sorgen, Ihre Hochzeit findet doch erst in sieben Monaten statt“, erklärte Anita nachdrücklich und legte die Unterlagen zusammen. Dann stand sie auf und reichte der jungen Frau die Hand.

Diese erhob sich auch. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie aufgehalten habe. Ich hätte gern jetzt schon alle Einzelheiten besprochen“, erwiderte sie mit einem angedeuteten Lächeln.

„Das kann ich verstehen. Nach meiner Rückkehr in zwei Wochen vereinbaren wir den nächsten Termin“, versprach Anita. Mit einem professionellen Lächeln verließ sie das Café und widerstand der Versuchung, das Smartphone hervorzuholen, ehe sie außer Sicht war.

Erst dann prüfte sie die Nachrichten und stellte fest, dass Gio sechsmal angerufen hatte. Er ist bestimmt schrecklich wütend, überlegte sie.

Doch als sie die Anrufe abhörte, klang seine Stimme gar nicht zornig, sondern eher verzweifelt, was Anita sich nicht erklären konnte. Beunruhigt versuchte sie mehrere Male, ihn zu erreichen, doch jedes Mal schaltete sich seine Mailbox ein. Als sie fast schon aufgeben wollte, meldete sich eine weibliche Stimme.

„Hallo? Sind Sie Anita?“

„Ja, Anita della Rossa. Wo ist Gio? Was ist passiert? Und wer sind Sie?“

„Ich bin Krankenschwester in der Notaufnahme und …“

Den Rest verstand Anita gar nicht mehr, so heftig klopfte ihr Herz. „Was ist mit ihm? Hatte er einen Unfall? Ist er etwa schwer verletzt?“

„Sind Sie eine Angehörige?“

Beinah hätte Anita Ja gesagt. „Nein, ich bin eine gute Freundin der Familie und kenne ihn seit meiner Kindheit“, erwiderte sie stattdessen. „Wir sind beinahe wie Bruder und Schwester.“ Und wir waren einmal ein Liebespaar, fügte sie insgeheim hinzu. Das ging jedoch niemanden etwas an. Es würde sich im Krankenhaus herumsprechen, und sein Bruder, der Arzt war und dort auch Betten belegte, würde es erfahren.

Da man ihr keine Auskunft geben wollte, beschloss sie, ihre Beziehungen spielen zu lassen und als Erstes seinen Bruder Luca anzurufen.

Gio hatte höllische Schmerzen, aber wo überall, versuchte er noch herauszufinden. Schließlich war er sich sicher, dass es seine rechte Hand war, und wollte sie bewegen, was jedoch kaum möglich war, denn sie war fest bandagiert.

Außerdem tat sein rechter Oberschenkel genauso weh wie der rechte Fuß. Die Schmerzen während des Ausziehens waren kaum auszuhalten gewesen. An mehr erinnerte er sich nicht, wahrscheinlich war er ohnmächtig geworden.

Zu allem Überfluss hatte er auch noch fürchterliche Kopfschmerzen.

Plötzlich nahm er einen vertrauten Duft wahr und öffnete die Augen. „Anita?“

Anita kam näher und sah ihn mit ihren braunen Augen besorgt an. Sie ist wirklich die schönste Frau der Welt, schoss es ihm durch den Kopf.

„Ciao, Gio“, begrüßte sie ihn leise, während sie sich über ihn beugte und auf die Wange küsste. „Wie geht es dir?“

„Gut“, behauptete er. Als sie skeptisch eine Augenbraue hochzog, bekräftigte er: „Es ist alles in Ordnung.“

„Du siehst aus, als hättest du mit Vampiren eine Party gefeiert.“

„Sehr komisch.“ Er wandte sich ab, um ihrem besorgten Blick nicht zu begegnen.

„Ich habe Luca angerufen“, erklärte sie. „Man wollte mir keine Auskunft geben, was mit dir los ist, deshalb habe ich mir selbst geholfen.“

Verdammt, auch das noch, dachte er. „Wie hat er reagiert?“

„Er will zurückkommen.“

„Das ist doch lächerlich. Ich habe nur ein paar Kratzer.“

„Gio, deswegen hätte dich niemand ins Krankenhaus eingeliefert“, entgegnete Anita aufgebracht. Dann atmete sie tief durch, um sich zu beruhigen. „Deine Mutter hat ihm das Telefon aus der Hand gerissen, sie regt sich schrecklich auf. Ich habe ihr versprochen, dass du sie anrufst, sobald du kannst.“

Fast bereute Gio, sich an sie gewandt zu haben. Aber sie hätte sowieso herausgefunden, was passiert war.

„Du hättest ihn aus dem Spiel lassen sollen“, meinte er und seufzte.

„Als ich in der Notaufnahme anrief, um mich nach dir zu erkundigen, wollte man mir keine Auskunft geben und hat mich nach deinen Angehörigen gefragt. Um überhaupt etwas zu erfahren, habe ich Lucas Handynummer angegeben. Deshalb wusste er schon Bescheid.“

Natürlich hatte sie keine andere Wahl, überlegte er. Sobald nach seiner Einlieferung Klarheit über seine Identität geherrscht hätte, hätte man seinen Bruder informiert, weil dieser hier bekannt war.

„Dann erzähl mal, was passiert ist“, bat Anita ihn. Sie zog den Stuhl an sein Bett und setzte sich.

„Die frühere Geschäftspartnerin eines Klienten hat mir ihre Handtasche an den Kopf geschleudert“, antwortete Gio und lachte ungläubig.

„Ihre Handtasche?“

„Ja. Und es kommt noch schlimmer. Als ich ausweichen wollte, bin ich umgeknickt und auf meinen eigenen Müllbeutel gefallen. In Zukunft werde ich den Müll ganz bestimmt korrekt entsorgen.“

Anita blickte ihn fassungslos an. „Gio, wieso ziehst du es ins Lächerliche? Die Sache ist ernst. Was ist wirklich geschehen?“

Er lachte wieder. „Glaub mir, es ist die Wahrheit. Nach den fürchterlichen Schmerzen zu urteilen, könnte es wirklich ernst sein.“

„Was genau hat die Frau dir denn getan?“

„Nichts. Sie hat nur versucht, mich mit ihrer Handtasche niederzuschlagen. Wer weiß, was sich alles darin befand, sie war jedenfalls sehr schwer. Ich habe das Gleichgewicht verloren und bin auf den Müllbeutel gestürzt. Danach habe ich den Glassplitter aus der Wunde gezogen, was ein fataler Fehler war.“

Sie runzelte die Stirn. „Was für einen Glassplitter hast du wo herausgezogen, Gio?“

„Ganz oben in dem Müllbeutel lag eine leere Weinflasche, die zerbrochen ist. Als ich den Beutel unter mir weggeschoben habe, habe ich mir die Hand verletzt, und in meinem Oberschenkel steckte ein Splitter, den ich herausgezogen habe. Das hätte ich besser lassen sollen, denn er hatte die Arterie getroffen. Aber keine Sorge, mein bestes Stück ist unverletzt“, fügte er trocken hinzu.

„Solche Späße solltest du dir sparen, Gio. Wegen der verletzten Arterie hättest du verbluten können.“

Gio hob die rechte Hand, um sie auf ihre zu legen. Doch er hatte ganz vergessen, dass sie bandagiert war, und zog sie wieder zurück. „Setz dich auf die andere Seite“, bat er sie rau. Allerdings hing er dort am Tropf.

Dennoch war es die bessere Alternative. Nachdem Anita den Platz gewechselt hatte, verschränkte sie die Finger mit seinen.

Es fühlte sich wunderbar an. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie angespannt er gewesen war.

Sekundenlang schwiegen sie. Dann runzelte Anita wieder die Stirn, weil sie den Zusammenhang immer noch nicht verstand.

„Warum hat die Frau dich überhaupt angegriffen, Gio? War es etwa eine deiner Exfreundinnen?“

„Nein“, antwortete Gio belustigt. „Ich habe doch schon erwähnt, dass sie die frühere Geschäftspartnerin eines Klienten ist. Sie scheint schrecklich frustriert zu sein. Mein Klient und ich hatten heute ein Gespräch mit ihr, was auch der Grund dafür war, dass ich unsere Abreise um einen Tag verschoben habe. Sie musste letztlich klein beigeben und scheint nun davon überzeugt zu sein, dass ich sie hereingelegt habe.“

„Stimmt das denn?“

„Natürlich nicht. Ich habe nur sichergestellt, dass sie das von meinem Klienten bekommt, was ihr zusteht, nämlich nichts.“

„Oh. Und deshalb geht sie so brutal auf dich los?“

„Dass ich jetzt hier liege, ist letztlich meine eigene Schuld. Sie konnte nichts dafür, dass ich gestolpert und auf den Müllbeutel gestürzt bin. Glücklicherweise ist mein Knöchel nicht gebrochen, sondern nur verstaucht.“ Dennoch sind die Schmerzen kaum zu ertragen, fügte er insgeheim hinzu.

„Und was ist mit deiner Hand?“ Anita warf einen besorgten Blick darauf. „Deine Finger sind zu sehen, demnach sind sie unverletzt, oder?“

„Ja, ich kann sie auch bewegen. Wie gesagt, es ist vor allem meine Schuld.“

„Na ja, es war schon etwas ungeschickt“, meinte sie, und er lachte leise über die freundliche Untertreibung. „Übrigens, die Polizei möchte mit dir reden, wenn du dazu schon in der Lage bist. Und du musst deine Mutter anrufen.“

Gio nickte. „Dann erledige ich das zuerst, wähl du die Nummer für mich. Anschließend unterhalte ich mich mit der Polizei. Aber die Frau hat ja nichts Schlimmes getan.“

„Gio, sie hat dich angegriffen. Nur deshalb bist du jetzt verletzt.“

„Sie hat mich mit der Handtasche getroffen. Es ist kein Fall für die Polizei.“

„Und wenn sie es noch einmal versucht?“

Er zuckte die Schultern. „Das tut sie nicht, und selbst wenn, bin ich darauf vorbereitet.“

Statt noch länger mit ihm zu diskutieren, wählte Anita die Nummer seiner Mutter und reichte ihm das Smartphone, ehe sie ihn allein ließ, um etwas zu essen.

Ob ihr das Essen in der Cafeteria schmeckte oder nicht, hätte sie gar nicht sagen können. Es war ihr auch egal, weil sie immer nur Gios Bild vor Augen hatte, wie er in dem Krankenhausbett lag. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie seine Anrufe nicht beantwortet hatte.

Er hätte sterben können, ehe er anderweitig Hilfe herbeirufen konnte. Oder hatte er etwa zuerst den Krankenwagen angefordert und erst dann sie angerufen? Das kam ihr wahrscheinlicher vor, denn alles andere wäre unvernünftig gewesen.

Ihr wurde plötzlich übel, und sie ließ die Hälfte des belegten Brötchens auf dem Teller liegen.

Als sie in sein Zimmer zurückkehrte, hatte Gio sich aufgerichtet und sah blass und erschöpft aus.

„Was sagt die Polizei?“, erkundigte Anita sich.

„Man will die Frau befragen. Angeblich hat sie den Krankenwagen gerufen. Allerdings ist sie telefonisch nicht zu erreichen.“

„Sie hat den Krankenwagen gerufen?“, vergewisserte sie sich.

„Ja. Warum?“

Wenn das stimmte, brauchte sie kein schlechtes Gewissen zu haben, weil sie auf seine Anrufe nicht reagiert hatte. Sie schüttelte den Kopf und setzte sich neben ihn ans Bett. „Nur so. Geht es dir inzwischen besser?“

„Kaum. Der Arzt war vorhin da. Man will mich zur Beobachtung über Nacht hierbehalten. Ich soll noch eine Bluttransfusion bekommen. Die Vampire waren offenbar ziemlich gierig.“

Sie erwiderte sein Lächeln nicht, denn sie fand das alles gar nicht lustig. Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass es fast Mitternacht war.

„Ich fahre jetzt nach Hause und komme morgen früh wieder. Soll ich dir irgendetwas mitbringen?“

„Ja, wenn du mir die kleinere Reisetasche aus dem Auto bringen würdest, wäre ich dir dankbar. Am besten sagst du der Polizei Bescheid, was du vorhast, falls der Tatort noch abgesperrt ist. Ich habe den beiden Polizisten erklärt, dass man sich den ganzen Aufwand sparen kann. Aber man scheint nach Beweisstücken zu suchen. Die Autoschlüssel sind in meiner Lederjacke da drüben.“ Gio wies in die Richtung. „Ach so, es ist der kleine Mercedes Sportwagen.“

„Und wo ist dein Ferrari?“

„Für den Stadtverkehr eignet sich der Mercedes besser“, erwiderte er lächelnd.

„So eine vernünftige Entscheidung passt doch nicht zu dir.“

„Vielleicht habe ich mich ja geändert.“

Anita musste lachen. Giovanni Valtieri würde sich niemals ändern, auf dieses Wunder hoffte sie schon lange nicht mehr.

Nachdem sie die Schlüssel an sich genommen hatte, beugte sie sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Wange. Sie empfand es als seltsam tröstlich, seine rauen Bartstoppeln zu spüren, als er sich zu ihr umdrehte und ihre Wange leicht mit den Lippen streifte.

„Wir sehen uns morgen früh“, sagte sie leise, ehe sie sich aufrichtete und seinem müden Blick begegnete.

„Ciao, Anita“, verabschiedete er sich. „Und danke für alles.“

„Gern. Pass auf dich auf. Und bitte keine Auseinandersetzungen mehr mit irgendwelchen Frauen.“

Gio lachte leise und winkte ihr mit der gesunden Hand nach. An der Tür blieb sie stehen und winkte kurz, dann ging sie hinaus auf den Flur, wo sie einem der Polizisten begegnete. Sie bat ihn, seine Kollegen zu informieren, dass sie etwas aus Gios Wagen holen würde.

Ohne auf seine Antwort zu warten, eilte sie weiter. Sie war müde und emotional erschöpft. Deshalb wollte sie nur noch nach Hause. Aber zuerst musste sie noch Gios Reisetasche holen.

Wenig später begleitete man sie durch die Absperrung, und sie konnte sie mitnehmen.

Endlich in ihrer Wohnung angekommen, duschte Anita rasch und legte sich ins Bett. Doch sie konnte nicht einschlafen, zu viele Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Wie leicht hätte sie Gio verlieren können, auch wenn er genau genommen gar nicht zu ihr gehörte. Die Vorstellung, dass er vielleicht verblutet wäre, erfüllte sie mit Entsetzen.

Ach, er wird wieder gesund, ich sollte aufhören, mich zu quälen, sagte Anita sich schließlich. Es half allerdings nicht, denn immer wieder sah sie sein unglückliches Gesicht vor sich.

„Darfst du gehen?“

„Ja, aber ich habe keine Ahnung, wohin. In dem Zustand setze ich mich nicht ans Steuer, und ich kann auch die Treppen zu meinem Apartment kaum hinauflaufen. Außerdem hat die Polizei mir geraten, vorerst nicht in meine Wohnung zurückzukehren, bis Klarheit über Camilla Pontis seelische Verfassung herrscht. Momentan scheint sie verschwunden zu sein. Man hat mir sogar geraten, Florenz vorübergehend zu verlassen.“

„Dann lass uns doch verreisen, wie wir es geplant hatten“, schlug Anita vor. „Ich kann fahren.“

„Was soll ich denn jetzt im Skiurlaub? Am besten fährst du ohne mich, und ich bleibe zu Hause im Palazzo, wo Carlotta mich versorgt.“

„Sie ist mit ihrem Mann zu Besuch bei den Enkelkindern in Neapel“, erinnerte sie ihn.

„Stimmt, das hatte ich vergessen.“ Und was nun?

„Gut, du kommst mit zu mir“, erklärte sie nach kurzem Zögern. „Wir beide haben ja jetzt frei, und ich kann mich um dich kümmern.“

„Nein, das kann ich nicht annehmen. Du wolltest doch so gern Ski laufen“, wandte Gio ein, obwohl ihr Vorschlag ihm ausgesprochen gut gefiel.

„Natürlich kannst du das. Ich habe dich schließlich schon gerettet, als du als Junge auf Bäume geklettert bist. Du kannst dir kaum selbst helfen, also sieh zu, dass du gesund wirst, während die Polizei die Frau sucht.“

Es war in der Tat eine verlockende Idee. Die Sache hatte allerdings einen Haken: Er wäre zwei Wochen lang mit Anita ganz allein in ihrem Haus. Und das war keine gute Idee.

2. KAPITEL

Nachdem die Entlassungsformalitäten erledigt waren, brauchte Gio nur noch aus dem Rollstuhl in Anitas Wagen zu steigen. Es kam ihm vor wie ein Albtraum, zumal es auch noch in Strömen regnete, aber er biss die Zähne zusammen und schaffte es irgendwie.

„Alles in Ordnung?“, fragte Anita betont munter, während sie sich ans Steuer setzte. Er kannte sie jedoch schon über dreißig Jahre, sodass ihm nicht verborgen blieb, wie besorgt sie war. Und das fand er ausgesprochen rührend.

„Natürlich“, behauptete er. „Lass uns fahren.“ Er schlug den Kragen seiner blutverschmierten Lederjacke hoch und lehnte sich zurück. Zwar glaubte er nicht, dass Camilla Ponti wirklich gefährlich war, aber er wollte nichts riskieren und nicht auch noch Anita in Gefahr bringen.

Bald hatten sie Florenz hinter sich gelassen, und als sie auf der Schnellstraße an Siena vorbei in Richtung Montalcino fuhren, wo ihre und seine Familien schon seit mehreren Generationen lebten, warf Anita ihm einen flüchtigen Blick zu. „Fühlst du dich jetzt besser?“, erkundigte sie sich lächelnd.

Gio seufzte erleichtert und schloss die Augen. „Viel besser.“

Gut, dass Gio eingeschlafen ist, dachte Anita. Er hatte viel Blut verloren, war erschöpft und hatte in der vergangenen Nacht wahrscheinlich vor Schmerzen kaum Schlaf gefunden. Dass er sie beim Fahren nicht beobachtete, war ihr sehr recht. Obwohl sie sich schon lange kannten, brachte er sie immer wieder durcheinander.

Sie liebte ihn von ganzem Herzen und würde ihn immer lieben, auch wenn es aussichtslos war. Nur einmal hatte sie Hoffnung geschöpft, die schönen Wochen mit ihm waren jedoch unvermittelt wieder zu Ende gewesen, und das hatte ihr das Herz gebrochen. Eigentlich hätte sie die Freundschaft mit ihm längst abbrechen und ihn auffordern müssen, selbst eine Lösung für seine Probleme zu finden. Das brachte sie allerdings nicht fertig.

Oft genug hatte sie versucht, sich von ihm fernzuhalten, aber sie war immer wieder schwach geworden, denn sie war nach wie vor überzeugt, dass er ihre Gefühle erwiderte, auch wenn er das Gegenteil behauptete. Vielleicht würde sich ja eines Tages doch noch alles zum Guten wenden.

Bei dem Gedanken lachte sie traurig. Es war reine Selbsttäuschung, so etwas zu glauben.

„Na?“, ertönte in dem Moment seine Stimme.

Anita drehte sich kurz zu ihm um und sah ihm flüchtig in die Augen, ehe sie sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. „Hast du gut geschlafen?“

„Ich ruhe mich nur aus, das ist alles.“

„Du hast aber geschnarcht.“

„Das tue ich nie.“

„Doch.“ Es stimmte wirklich. Zwar schnarchte er nicht laut, es war eher ein sanftes Geräusch, das sie in den wenigen gemeinsamen Wochen vor fünf Jahren als beruhigend empfunden hatte.

„Warum hast du vorhin gelacht?“

„Wie bitte?“

„Du hast gelacht. Es klang aber nicht belustigt, sondern eher verbittert.“

Ach ja, jetzt fiel es ihr wieder ein. „Ich habe nur über das Gespräch gestern mit der jungen Frau nachgedacht“, improvisierte sie. „Sie glaubte, wir könnten alles innerhalb einer Stunde klären, und war verärgert, als ich sie vertrösten musste.“

„Konntest du meine Anrufe deshalb nicht entgegennehmen?“

Anita nickte und biss sich auf die Lippe, weil sie sich schon wieder schuldig fühlte.

„Anita, du kannst nichts dafür. Ich wusste ja, dass du noch einen Termin hattest.“

„Ja, aber ich hätte schon auf deinen ersten Anruf reagieren müssen.“

Gio drückte ihr sanft die Hand. „Es ist doch alles gut gegangen.“

„Und wenn sie nicht den Krankenwagen gerufen hätte und du ohnmächtig geworden wärst?“

„Ach, ich hatte doch schon dafür gesorgt, dass ich nicht verblute“, behauptete er. „Außerdem habe ich auch über die Notrufnummer Hilfe angefordert.“

„Wirklich? Das hast du noch gar nicht erwähnt.“

„Es stimmt aber. Und jetzt muss ich mich nur noch erholen. Ich frage mich, ob man die Frau gefunden hat.“

„Wird sie eine Gefängnisstrafe bekommen?“

Er lachte. „Nein, auf keinen Fall. Sie wollte mich doch nicht verletzen.“

„Du bist also bereit, ihr großmütig zu verzeihen?“

„Darum geht es mir eigentlich gar nicht. Ich bin einfach stinksauer, weil ich längst im Skiurlaub sein wollte und nur ihretwegen noch in Florenz war. Man muss die Sache realistisch sehen. Sie ist im Grunde nicht wütend auf mich, sondern auf meinen Klienten Marco. Ärgerlich ist nur, dass ich unglücklich gestürzt bin.“

Nur ärgerlich? wiederholte Anita insgeheim und hätte beinah laut gelacht. „Hast du ihn schon gewarnt? Vielleicht attackiert sie ja jetzt ihn.“

„Er ist gestern gleich nach dem Treffen ins Ausland geflogen. Im Übrigen weiß er sich zu schützen.“

„Du solltest irgendwo wohnen, wo du in Sicherheit bist. In dein Apartment zu gelangen ist ein Kinderspiel. Es ist durchaus möglich, dass sie seelisch gestört ist, aber wenn sich nun wirklich einmal jemand an dir rächen will?“

Gio zuckte die Schultern. Darüber hatte er auch schon nachgedacht. Aber er liebte seine Wohnung, er wollte sie nicht aufgeben. Allein der Blick von der Dachterrasse über die Stadt bis zu den Hügeln in der Ferne war es wert, sie zu behalten. Die Vorstellung, in einem Haus mit strengen Sicherheitsvorkehrungen und ohne diese Aussicht zu leben, verursachte ihm großes Unbehagen.

„So ein Schritt muss gut überlegt werden“, erwiderte er ausweichend. Dann schloss er die Augen und lauschte dem rhythmischen Geräusch der Scheibenwischer.

Gio schlief tief und fest, als Anita in die Einfahrt zu ihrer Villa, wie sie das eher schlichte Haus nannte, einbog. Es war früher einmal das Hauptgebäude des Guts ihrer Familie gewesen. Sie liebte es sehr, es gehörte ihr, und sie hatte von dort eine herrliche Aussicht auf die Umgebung. Hier konnte Gio sich erholen, denn es war eingeschossig, und er brauchte keine Treppen zu steigen.

Sie parkte den Wagen vor dem Eingang und stieg vorsichtig aus, um ihn nicht zu wecken. Dann eilte sie ins Haus und stellte die Heizung an. Es war zwar nicht wirklich kalt, nach dem Regen jedoch ungemütlich kühl. Anschließend bezog sie das Bett im Gästezimmer, von dem aus man einen herrlichen Blick auf die traumhaft schöne Landschaft und den Palazzo Valtieri hatte, den Wohnsitz seiner Familie seit mehreren Hundert Jahren.

Normalerweise konnte sie abends die hell erleuchteten Fenster sehen, momentan lag der Palazzo allerdings in tiefer Dunkelheit da, weil niemand zu Hause war. Wie oft sie nachts wach gelegen und sich gefragt hatte, ob Gio dort war und vielleicht zu ihr herüberblickte, konnte sie nicht mehr zählen.

Wahrscheinlich hatte er das sowieso nie getan, denn er empfand für sie nicht so viel wie sie für ihn, wie er ihr vor fünf Jahren klargemacht hatte, als er die Beziehung von einem Tag auf den anderen beendete. Außerdem hielt er sich sowieso die meiste Zeit in Florenz auf. Dort hatte er seine Anwaltskanzlei und sein Apartment.

Ich muss aufhören, mich mit den Erinnerungen herumzuquälen und mich nach ihm zu sehnen, ermahnte Anita sich schließlich.

Nachdem sie das Bett bezogen hatte, schaltete sie die Außenbeleuchtung ein und ging zum Wagen zurück, um Gio zu holen.

Ihre Schuhe knirschten auf dem Kies, während sie auf ihn zuging. Plötzlich öffnete er die Augen und sah sie durch die Windschutzscheibe an.

Sie spürte sein Zögern und gestand sich ein, dass auch sie Bedenken hatte. Es würde schwierig sein, zwei Wochen lang die Gleichgültige zu spielen, und sie bezweifelte jetzt schon, dass es ihr gelingen würde.

Es ließ sich nicht länger aufschieben, er musste aussteigen, ins Haus humpeln und irgendwie versuchen, sich nicht an das letzte Mal zu erinnern, als er hier gewesen war. Es war vor neun Monaten gewesen, in der Nacht nach der Hochzeit seines Bruders Massimo.

Wie leicht hätten wir ein Kind bekommen können, dachte Gio auf einmal. Wenn er sich nicht rechtzeitig besonnen und kurz entschlossen zurück nach Florenz gefahren wäre, hätte es leicht dazu kommen können.

Sie hatten einen wunderschönen Tag verbracht. Nach der standesamtlichen Trauung im Rathaus im engsten Familienkreis hatten sie in dem Restaurant gegessen, das Carlottas Neffen gehörte. Anschließend war Massimo mit seiner Braut in den Palazzo gefahren, und der Rest der Familie hatte sich bei Luca versammelt. Aber Gio hatte sich schon bald verabschiedet und Anita nach Hause gefahren. Sie hatte ihm noch einen Kaffee angeboten, ehe er weiterfuhr, und er hatte angenommen.

„Gio?“, riss sie ihn in dem Moment aus den Gedanken.

Mit dem schmerzenden Fuß zuerst stieg er aus und richtete sich auf. Dann drehte er sich zu ihr um und lehnte sich an die Autotür.

„Alles in Ordnung?“

„Mir ist nur etwas schwindlig“, antwortete er.

„Ich helfe dir.“ Sie legte sich seinen linken Arm um die Schulter und umfasste seine Taille. Dann führte sie ihn langsam zur Tür.

Da Anita sehr zierlich war, wagte er nicht, sich auf sie zu stützen. Es gefiel ihm jedoch, ihre Nähe zu spüren. Eigentlich hätte er es auch allein geschafft. Das verriet er ihr allerdings nicht, um sie nicht zu verletzen, wie er sich einredete.

Andererseits nahm sie ihm so leicht nichts übel. Wie wütend war er geworden, wenn sie ihn nach Hause gebracht hatte, nachdem er vom Baum oder von einer Mauer gefallen oder mit dem Fahrrad nach einer halsbrecherischen Fahrt gestürzt war. Nie hatte sie auch nur mit der Wimper gezuckt oder seine Einwände beachtet.

Also schwieg er und genoss einfach ihre Nähe. Und den Duft ihres dezenten Parfüms, das er ihr unzählige Male zu Weihnachten und zum Geburtstag geschenkt und sich dabei stets für seine Fantasielosigkeit entschuldigt hatte.

„Geht es jetzt besser?“

Gio nickte nur. Sogleich sah sie ihn prüfend an.

„Es geht dir schlecht, stimmt’s? Ich dachte, du würdest mich auffordern, dich in Ruhe zu lassen …“ Sie verstummte und begegnete seinem belustigten Blick. „Hast du etwa nach all den Jahren endlich gelernt, liebenswürdig zu sein?“

„Wohl kaum.“ Gio lachte leise und streichelte ihr mit der unverletzten Hand gönnerhaft die Wange. Er wusste, wie sehr Anita sich immer wieder von Neuem über diese Geste ärgerte.

Prompt funkelten seine Augen warnend. „Sei vorsichtig, mein Lieber.“ Sie ließ ihn in der Eingangshalle stehen und ging in die Küche. „Möchtest du einen Kaffee?“

Langsam folgte er ihr. „Nur wenn du inzwischen eine ordentliche Kaffeemaschine hast. Gibt es bei dir vielleicht auch etwas zu essen?“

„Die Lebensmittel sind noch im Auto. Zuerst mache ich den Kaffee. Willst du dich hinlegen oder lieber sitzen?“ Sie wies auf das abgenutzte alte Ledersofa.

Da hätte ich im Juni beinah die Beherrschung verloren, erinnerte er sich. Aber es wirkte wirklich einladend und stand gegenüber der Terrassentür, sodass er die ihm so vertrauten Lichter unten im Tal erkennen konnte.

„Ich setze mich erst einmal“, entschied er und sank vorsichtig auf das Sofa. Dann streckte er die Beine aus und seufzte erleichtert. „Ich brauche unbedingt etwas Koffeinhaltiges, und dein Kaffee ist auf jeden Fall besser als der im Krankenhaus.“

Anita warf ihm einen rätselhaften Blick zu, nahm zwei Tassen aus dem Schrank und fand auch noch eine Dose Kekse.

„Hier, iss die, während du auf den Kaffee wartest.“ Sie reichte ihm die Dose. „Ich habe Fertiggerichte gekauft. Du kannst mir sagen, wann ich sie warm machen soll.“

„Gut. Am liebsten gleich, ich komme fast um vor Hunger.“

Sie lachte. „Das ist bei dir doch ein Dauerzustand. Eigentlich ist es ein Wunder, dass du nicht kugelrund bist.“

„Das hat etwas mit meinem scharfen Verstand zu tun. Da verbraucht man viel Energie.“

„Ah ja, ich verstehe.“ Sie versuchte, sich das Lächeln zu verkneifen, und er wandte sich ab, damit sie nicht seinem belustigten Blick begegnete.

Schließlich schloss er die Augen und seufzte wieder. Das Leben wäre viel leichter, wenn sie sich nicht so sehr zueinander hingezogen fühlen würden. Angefangen hatte es, als sie beide vierzehn waren. Sie hätten einfach nur die Freunde bleiben können, die sie bis dahin gewesen waren. Immer waren sie unzertrennlich gewesen, und plötzlich hatten ihre Hormone verrückt gespielt. Daraufhin hatte Anita mehr Zeit mit gleichaltrigen Mädchen verbracht und er mit Jungen seines Alters.

Doch trotz des gelegentlichen Unbehagens waren sie immer Freunde geblieben. Das waren sie auch heute noch, zwanzig Jahre später. Wenn er etwas Interessantes, Trauriges oder Aufregendes erlebte, war Anita die Erste, die es erfuhr. Aber seit sie sich vor fünf Jahren einige herrliche Wochen lang ihren Gefühlen hingegeben hatten, hatte sich alles geändert.

Er hatte versucht, sich von Anita fernzuhalten, denn er fand es schwierig, in ihrer Nähe zu sein und ihr nicht geben zu können, was sie sich wünschte. Nur im vergangenen Juni hätte er beinah die Kontrolle verloren. Seitdem hatte er sich etwas zurückgezogen und sie eher selten gesehen. Und er vermisste sie mehr, als er sich eingestehen wollte.

Anita hörte Gio seufzen und blickte zu ihm hinüber. Er wirkte sehr ernst, und sie fragte sich, ob er an die Frau dachte, die ihn angegriffen hatte. Oder vielleicht an das letzte Mal, als sie hier auf dem Sofa gesessen hatten und sich beinah geliebt hätten?

„Hier ist dein Kaffee.“ Sie stellte seine Tasse auf den niedrigen Tisch neben ihm, ehe sie ihre holte.

„Hast du keine Schokoladenkekse?“

„Du bist wirklich anspruchsvoll“, beschwerte sie sich und holte die Packung aus dem Schrank. „Ich wollte sie für besondere Gelegenheiten aufbewahren, aber dann essen wir sie eben jetzt.“ Sie ignorierte seine hochgezogene Augenbraue und legte die Packung zwischen ihn und sich auf das Sofa. Als sie sich gleichzeitig einen Keks nehmen wollten, berührten sich ihre Finger, und Anita zog schnell die Hand zurück.

„Nach dir“, sagte sie.

Gio lächelte flüchtig, nahm sich einen Keks und aß ihn genüsslich.

Ihr war klar, dass er sich über sie lustig machte, und sie wandte sich ab. Nach der zufälligen Berührung verspürte sie immer noch ein erregendes Prickeln. Dass sie nach all den Jahren vergeblichen Hoffens so auf ihn reagierte, verstand sie selbst nicht mehr. Allerdings hatte Gio ihr Hoffnungen gemacht. Sie hatten eine Affäre gehabt und waren vor nicht allzu langer Zeit nahe daran gewesen, sich erneut auf eine einzulassen.

„Die schmecken gut.“

„Ja, ich weiß. Lass welche übrig, sonst kannst du nachher nichts mehr essen.“

„Das bezweifle ich.“

Anita machte die Packung wieder zu, während Gio sich zurücklehnte und seufzte.

Er scheint hierhin zu gehören, auf dieses Sofa, dachte sie, und ihr fiel wieder einmal auf, wie attraktiv er war.

„Wie schmeckt dir der Kaffee?“, fragte sie, um sich abzulenken.

„Na ja, man kann ihn trinken. Was hältst du davon, wenn wir dir morgen eine vernünftige Maschine kaufen? Zwei Wochen ohne richtigen Kaffee halte ich nicht aus.“

„Könntest du meinen Kaffee nicht mit Rücksicht auf meine Gefühle akzeptieren?“

„Das meinst du nicht ernst, oder?“, fragte er belustigt.

Sein verführerisches Lächeln verursachte ihr Herzklopfen, und sie fühlte sich sehr verletzlich. Deshalb lachte sie betont unbekümmert und schlug ihn spielerisch mit dem Sofakissen auf die Schulter.

„Ob man die Frau inzwischen gefunden hat? Irgendwie macht sie mich nervös“, wechselte sie das Thema.

„Vermutlich hat sie jetzt große Angst“, meinte er.

„Ja, kann sein. Was genau wollte sie eigentlich von dir?“

Gio zuckte die Schultern. „Sie und mein Klient waren Geschäftspartner, und sie hat ihn jahrelang finanziell betrogen. Er hat es herausgefunden und sie aufgefordert, die Firma zu verlassen. Doch sie bestand auf ihrem vermeintlichen Recht und wollte ihn verklagen, um die Hälfte der Anteile zu behalten. Er hat ihr anhand einer genauen Aufstellung bewiesen, dass sie keinerlei Ansprüche mehr hat, und sie musste klein beigeben. Dafür macht sie nun mich verantwortlich.“

Anita sah ihn erstaunt an. „Wieso das denn?“

„Sie war offenbar davon überzeugt, dass sie im Recht ist.“

„Okay, dann hat sie sich geirrt. Oder sie kennt deinen Ruf nicht. Am besten hätte sie alles stillschweigend akzeptiert.“

„Natürlich, sie war aber völlig verzweifelt und außer sich. Hätte ich begriffen, was mit ihr los ist, hätte ich mir wahrscheinlich etwas Zeit für sie genommen.“

Sie legte ihm die Hand auf die Schulter, eine unnötige und riskante Geste. Aber sie hatte einfach das Bedürfnis, ihn zu berühren.

Auf einmal begegnete sie seinem Blick. Seine dunklen Augen wirkten fast schwarz, und die Zeit schien stillzustehen. Hitzewellen durchfluteten Anita, und sie sehnte sich schmerzlich danach, sich an Gio zu schmiegen und den Kopf an seine Schulter zu lehnen.

Lange sahen sie sich schweigend an, bis Anita schließlich die Hand zurückzog und aufstand.

„Ich hole die Lebensmittel aus dem Auto und mache das Abendessen“, erklärte sie angespannt, bevor sie die Küche verließ. Sekundenlang blieb sie neben ihrem Wagen stehen und atmete tief die kühle Luft ein, um sich wieder in den Griff zu bekommen.

Wie konnte sie Gio immer noch so sehr lieben? Fünf Jahre hatte sie Zeit gehabt, um über ihn hinwegzukommen. Zuweilen hatte sie sogar geglaubt, sie würde es schaffen. Doch das war eine Illusion gewesen, wie sie sich nun eingestehen musste. Ob es ihnen gelingen würde, sich in den nächsten zwei Wochen zu beherrschen, war mehr als fraglich. Sie hielt es schlichtweg für unmöglich.

Als Anita ins Haus zurückkehrte, telefonierte Gio gerade mit seiner Mutter.

„Mach dir keine Gedanken, Anita sorgt gut für mich. Selbstverständlich bin ich nett zu ihr, das hat sie doch verdient.“ Er zwinkerte ihr lächelnd zu. Dann sagte seine Mutter offenbar etwas, was ihm nicht gefiel, denn er wandte sich ab und erwiderte ärgerlich: „Natürlich nicht. Das ist doch Unsinn.“

Was meinte er damit? Dass sie niemals zusammenkommen und ein Paar werden würden? Seine Mutter wäre glücklich darüber, ihre auch, aber es war sinnlos und reine Zeitverschwendung, überhaupt darüber nachzudenken. Also konzentrierte Anita sich darauf, die Einkäufe wegzuräumen.

Es störte sie jedoch, dass sie unfreiwillig jedes seiner Worte mitbekam, und aus lauter Verzweiflung ließ sie alles stehen und liegen und eilte ins Badezimmer. Seine sanfte Stimme und das leise Lachen gingen ihr viel zu sehr unter die Haut.

Aber als Anita in die Küche zurückkehrte, telefonierte Gio immer noch, allerdings mit Luca, denn das Gespräch drehte sich um medizinische Fragen. Was seine Verletzungen betraf, sagte er seinem Bruder nicht die Wahrheit.

Kurz entschlossen nahm sie ihm das Smartphone aus der Hand. „Hallo, Luca. Er belügt dich nach Strich und Faden. Er hat unerträgliche Schmerzen, sieht fürchterlich elend aus, und außerdem ist ihm schwindlig.“ Sie wich zurück, als Gio ihr das Handy wegnehmen wollte, während Luca ihr Ratschläge erteilte.

„Er darf den Fuß noch nicht belasten“, fügte er hinzu.

„Ich achte darauf und hoffe, er hört auf mich. Gio wird langsam ungeduldig, ich gebe ihn dir wieder.“

„Moment noch, Anita. Ich weiß, dass es für dich schwierig ist“, sagte Luca sanft. „Wir sind dir sehr dankbar, dass du so viel für ihn tust. Aber pass auf dich auf, und lass dich nicht von ihm verletzen. Wenn es dir zu viel wird, ruf uns an, dann kommt einer von uns sofort zurück.“

Anita schluckte. „Das ist schon okay, aber danke für das Angebot. So, jetzt reiche ich dich weiter.“ Sie drückte Gio das Handy in die Hand, bevor sie zwei Fertiggerichte in den Backofen schob. Dann dachte sie über Lucas Ratschläge nach. Gesundes Gemüse, frische Salate, Vollkornbrot und etwas Fleisch wären jetzt gut für Gio. Einiges davon hatte sie da, doch alles andere wollte sie morgen mitbringen, wenn sie einkaufen fuhr.

Während sie den Salat zubereitete, stellte Gio den Fernseher an und zappte von einem Programm zum nächsten. Auf einmal rief er: „Sieh dir das an. Sie berichten in den Nachrichten darüber.“

Anita legte alles aus der Hand und setzte sich auf die Lehne am anderen Ende des Sofas.

„Laut Polizeibericht ist Giovanni Valtieri heute Mittag aus dem Krankenhaus entlassen worden, in das er gestern nach einem tätlichen Angriff eingeliefert wurde. Offenbar hat ihn Anita della Rossa abgeholt, eine Freundin der Familie, mit der der Rechtsanwalt einmal liiert war.“

„Meine Güte“, brachte sie verblüfft hervor. „Wie haben die das denn herausgefunden?“

„Keine Ahnung. Aber das war anscheinend noch nicht alles.“

Ein Reporter stand vor dem Krankenhaus und berichtete, dass man sie am Vortag und an diesem Morgen gesehen hätte, und redete dann über Gios Beziehung zu ihr.

„Giovanni ist der jüngste Sohn von Vittorio und Elisa Valtieri und entstammt somit einer der ältesten und bekanntesten Familien in der Toskana. Er ist ein überaus erfolgreicher Rechtsanwalt und eine schillernde Persönlichkeit. Dass er die Freundschaft mit der Hochzeitsplanerin Anita della Rossa erneuert hat, gibt Anlass zu Spekulationen, und es stellt sich die Frage: Wird Anita bald ihre eigene Hochzeit planen?“

Gio hatte offenbar genug gehört, denn er schaltete das Gerät aus und saß mit zusammengepressten Lippen da. Schließlich legte er die Fernbedienung weg, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

Anita sah ihm an, dass er nicht nur wütend, sondern vor allem beunruhigt war.

„Ich hätte dich nie in die Sache hineinziehen dürfen. Das ganze öffentliche Gerede über unsere Beziehung hätte ich dir gern erspart. Genauso schlimm ist, dass man damit Camilla Ponti auf dich aufmerksam macht“, erklärte er nach längerem Schweigen.

Wehmütig lächelnd streichelte sie ihm die Wange. „Reg dich deswegen nicht auf, Gio. Hier spürt mich keiner auf, kaum jemand weiß etwas von diesem Haus. Man vermutet höchstens, dass ich mich in meinem Apartment in Florenz oder bei meinen Eltern aufhalte. Und nur deren Adresse ist bekannt.“

„Am besten warnst du deine Eltern, was da auf sie zukommen kann“, riet er ihr.

In dem Moment läutete auch schon ihr Smartphone, und sie verbrachte die nächsten fünf Minuten damit, ihre Mutter zu beruhigen. Es wäre alles in Ordnung, sie und Gio hielten sich in ihrem Haus auf, und das mit der Beziehung wäre reine Spekulation.

„Und das soll ich dir glauben? Wo Rauch ist, ist auch Feuer, Anita.“

Ihre Mutter wusste nichts von ihrer Affäre vor fünf Jahren, denn sie hatten es keinem Menschen erzählt. Massimo und Luca ahnten es, aber sonst niemand. Doch offenbar wussten es die Journalisten und Reporter, wie sich soeben herausgestellt hatte, und nun auch die halbe Toskana.

„Es ist nur ein Gerücht“, versicherte Anita. „Ich muss jetzt Schluss machen, ich koche gerade.“

So leicht ließ ihre Mutter sich nicht überzeugen. „Pass auf dich auf, carissima“, sagte sie liebevoll.

„Das mache ich. Ciao, mamma. Und grüß papà.“

Anita legte das Handy weg und blickte Gio an.

„Und? Was meint sie?“

„Sie ist besorgt.“

„Klar, sie ist ja deine Mutter. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie gleich hier erscheint, um zu prüfen, ob wir in getrennten Zimmern schlafen.“

„Dann wäre sie sicher enttäuscht, ich habe nämlich das Gästezimmer für dich vorbereitet. Möchtest du auf dem Sofa oder am Tisch essen?“

„Hier, wenn es dir recht ist, dann muss ich nicht aufstehen.“

Das bedeutete, dass er starke Schmerzen hatte, trotz der Tabletten, die er vorhin mit dem Kaffee genommen hatte. Sie brachte ihm den Teller mit dem Salat und getoasteter Ciabatta und ein Glas Wein.

Sie hatte alles so klein geschnitten, dass er es mit der Gabel essen konnte und kein Messer zu benutzen brauchte. Nachdem er den letzten Rest des Dressings mit einem Stück Toast vom Teller gewischt hatte, sagte er: „Das hat wunderbar geschmeckt. Was duftet da so verlockend?“

„Lasagne. Dazu brauchst du auch nur die Gabel.“

„Danke, du denkst an alles.“

Anita nahm seinen Teller mit und brachte ihm einen neuen mit der Lasagne, ehe sie ihren holte und sich neben ihn setzte. Nach dem Essen lehnte Gio sich zurück und seufzte zufrieden.

„Fühlst du dich besser?“

„Oh ja. Es war wirklich gut und dringend nötig, da ich seit vorgestern nichts Vernünftiges mehr gegessen hatte.“ Er drehte sich zu ihr um und sah sie ernst an. „Anita, du solltest deinen Skiurlaub genießen, statt dich hier um mich zu kümmern. Ganz fatal ist, dass man sogar in den Nachrichten über uns berichtet.“

„Ach, das Geschwätz der Leute interessiert mich nicht.“

„Aber mich. Und dass man Camilla Ponti einen Hinweis darauf gegeben hat, wo sie uns finden kann, halte ich für sehr bedenklich.“

„Sie wird dich in Ruhe lassen“, behauptete sie entgegen ihrer Überzeugung. „Sie versteckt sich in Florenz vor der Polizei. Sicher hat sie begriffen, dass sie schon genug Probleme hat. Außerdem hast du doch behauptet, das Ganze wäre ihr eher unangenehm gewesen.“

„Das war es auch. Es war wohl nicht ihre Absicht, mich zu verletzen.“

„Dann ist ja alles in Ordnung“, erwiderte sie nachdrücklich. „Die Bewegungsmelder am ganzen Haus schalten sich sowieso ein, falls jemand sich nähert. Ich fahre vorsichtshalber auch noch den Wagen in die Garage. Außerdem schalte ich die Alarmanlage ein, falls es dich glücklich macht.“

Ich wäre glücklich, wenn man Camilla Ponti gefunden und einem Arzt vorgestellt hätte, dachte Gio.

„Ja, tu das“, antwortete er jedoch nur.

„Okay. Du solltest jetzt ins Bett gehen.“

Nachdem sie sich sekundenlang angesehen hatten, stand er auf. „Dann bringst du mich am besten ins Gästezimmer.“

Anita führte ihn über den Flur und öffnete die Schlafzimmertür. Seine Reisetasche hatte sie ausgepackt und alles ordentlich auf den Stuhl und in die Kommode gelegt. Die Schmerztabletten hatte sie aus der Küche mitgebracht, wo er sie auf dem Sofa vergessen hatte.

„Danke“, sagte er erfreut, als er sie entgegennahm, denn er war sich ziemlich sicher, dass er sie heute Nacht brauchte. Nachdem er sich in dem Raum umgeblickt hatte, sah er ihr in die Augen. „Es ist wirklich gemütlich hier. Danke, Anita.“

„Gern. Ich bringe dir noch ein Glas Wasser. Das Badezimmer ist direkt gegenüber. Frische Handtücher habe ich dir hingehängt. Schaffst du es allein, oder soll ich dir beim Ausziehen helfen?“

Gio lachte leise. „Das wäre keine gute Idee.“

Obwohl sie ihn gut kannte, konnte sie seinen unergründlichen Blick nicht deuten. Wieder wurde ihr heiß, doch Anita ließ sich nichts anmerken. „Ich dachte, es ginge dir nicht gut.“

„Das tut es auch nicht, aber ich würde mir nie und unter keinen Umständen von dir beim Ausziehen helfen lassen. Buonanotte, Anita.“ Er folgte ihr langsam zur Tür und schloss diese hinter ihr.

3. KAPITEL

Sekundenlang stand Gio da und lauschte, bis er Anita in der Küche hantieren hörte. Sie schien wütend auf ihn zu sein, was ihn nicht wirklich überraschte, denn er hatte ihr freundliches Angebot viel zu schroff zurückgewiesen.

Nicht auszudenken, wie peinlich es wäre, wenn sie ihm beim Ausziehen half und merkte, wie sein Körper auf ihre Berührungen reagierte.

Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als es mit seiner unverletzten Hand allein zu versuchen. Zuerst musste er jedoch das Badezimmer aufsuchen. Halb nackt oder nur im Pyjama würde er nicht über den Flur laufen.

Da er sein Waschzeug nicht fand, nahm er an, dass sie es ihm ins Badezimmer gelegt hatte. Prompt verspürte er schon wieder Schuldgefühle. Warum eigentlich? Er würde das alles auch für sie tun und sich nicht davon abbringen lassen, ihr beim Ausziehen zu helfen. Sie hätte bestimmt nicht so unhöflich reagiert wie er. Dieser Gedanke verstärkte seine Schuldgefühle noch.

Langsam ging Gio ins Badezimmer und brauchte einige Minuten dafür, sich mit der linken Hand die Zähne zu putzen. Nachdem er sich gewaschen hatte, öffnete er die Tür und hielt verblüfft inne. Anita stand davor.

Sie war zu beunruhigt gewesen, um Gio sich selbst zu überlassen. Zutiefst verletzt über seine Zurückweisung, war sie in die Küche geeilt. Was fällt ihm eigentlich ein? fragte sie sich zornig. Vor fünf Jahren hatte er es kaum erwarten können, dass sie sich gegenseitig die Sachen abstreiften. Was hatte sich seitdem so dramatisch geändert, dass er sich noch nicht einmal in der für ihn schwierigen Situation helfen lassen wollte? Mit der Affäre hatten sie eine Grenze überschritten, alles war dadurch anders geworden, es gab kein Zurück mehr.

Dass sie ein Liebespaar gewesen waren, konnten sie nicht rückgängig machen. Doch die Hilfe, die sie ihm angeboten hatte, hatte nichts mit Sex zu tun. Oder für ihn vielleicht, denn sie erinnerte sich daran, wie oft …

Nein, das ist lächerlich, sagte Anita sich nachdrücklich, bevor sie den Geschirrspüler zumachte und die Arbeitsplatte mit einem feuchten Tuch reinigte. Schließlich blitzte und glänzte die Küche, und Gio war immer noch im Badezimmer, was sie ziemlich beunruhigend fand. Sie beschloss, sich zu vergewissern, dass er allein zurechtkam.

Vor der Badezimmertür lauschte sie und hörte ihn frustriert seufzen, und dann wurde diese plötzlich geöffnet. Als Anita sein schmerzverzerrtes Gesicht sah, hätte sie ihn am liebsten umarmt. Sekundenlang schloss er die Augen und schüttelte den Kopf, bevor er sie schuldbewusst anblickte.

Offenbar spiegelten sich alle möglichen Emotionen in ihrem Gesicht, denn er streichelte ihr mit der gesunden Hand die Wange und entschuldigte sich: „Es tut mir leid, cara.“

Nun gab es für sie kein Halten mehr. Sie schlang ihm die Arme um den Nacken und barg das Gesicht an seiner Brust.

„Verzeih mir, dass ich dich allein gelassen habe“, flüsterte sie und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. „Ich habe mir fürchterliche Sorgen gemacht.“

Gio seufzte und strich ihr über den Rücken. „Es geht schon wieder, Anita. Mach uns doch eine heiße Schokolade. Inzwischen ziehe ich mich um. Und keine Tränen mehr, okay?“

Sie löste sich von ihm und wischte sie weg. „Ich ärgere mich ja selbst über meine dumme Reaktion.“

„Du bist bezaubernd. Ich kann mich glücklich schätzen, eine so gute Freundin zu haben.“

Freundin, wiederholte sie insgeheim. Mehr als die Freundschaft mit ihr wollte er nicht. Sie nickte und ging zurück in die Küche.

Gio biss die Zähne zusammen und schaffte die wenigen Schritte in sein Zimmer nur mühsam. Dann betrachtete er den verletzten Fuß.

Die Krankenschwester hatte Schwierigkeiten gehabt, ihm die Hose überzuziehen, ohne ihm dabei wehzutun. Wie wollte er es da mit nur einer gesunden Hand schaffen? Ob es ihm passte oder nicht, er musste Anita doch bitten, ihm zu helfen.

Als sie mit der heißen Schokolade zurückkam, saß er auf dem Bett, und sie fragte beim Anblick seiner finsteren Miene: „Gibt es ein Problem?“

„Ja, ich kann meine Hose nicht allein ausziehen“, gab er widerwillig zu.

„Das kann ich mir vorstellen“. Anita musste sich das Lächeln verkneifen. „Du brauchst auch für heute Nacht ein paar Kissen, um den verletzten Fuß zu entlasten.“ Sie stellte die Tassen auf den Nachttisch, schlug die Decke zurück und legte zwei Kissen unten ins Bett. „So, das müsste genügen. Willst du in der Hose schlafen, da du dir unter keinen Umständen von mir beim Ausziehen helfen lassen würdest?“

Ihr Ton verriet, wie verletzt sie war, und Gio zuckte zusammen. Es würde ihm recht geschehen, wenn sie ihn jetzt im Stich ließ. Aber das würde sie bestimmt nicht tun.

Wohl oder übel musste er jedoch seinen Stolz überwinden. „Es tut mir leid, es war nicht so gemeint. Ich will natürlich nicht in der Hose schlafen, weiß aber nicht, wie ich sie ausziehen soll“, gab er zu.

„Wenn du dir von mir helfen lässt, ist es eine ziemlich schmerzfreie Angelegenheit“, erklärte sie sanft.

Natürlich hatte er keine andere Wahl. Also öffnete er den Reißverschluss seiner Hose, schob sie über die Knie und setzte sich wieder auf die Bettkante. Irgendwie kam er sich nackt und verletzlich vor, was lächerlich war, denn es hatte ihm nichts ausgemacht, sich von den Krankenschwestern helfen zu lassen. Weshalb reagierte er dann bei Anita so empfindlich?

Weil ich weiß, wie es ist, sie zu lieben, beantwortete er sich die Frage selbst.

„Okay, dann mach es bitte, Anita“, bat er sie.

Sie hockte sich vor ihn und bemerkte den Verband an seinem Oberschenkel, kurz unterhalb der Leiste. „Das war knapp“, stellte sie bestürzt fest. „Da bist du ja haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschrammt.“

„Mein Liebesleben geht dich eigentlich nichts an.“ Er wünschte, sie würde woanders hinsehen.

„Daran habe ich auch gar nicht gedacht“, erwiderte sie leicht spöttisch. „Aber da du das Thema angeschnitten hast: Es wäre doch schade, wenn du keine Kinder mehr bekommen könntest.“

„Das will ich auch gar nicht, cara. Die Vaterrolle liegt mir nicht.“

Anita setzte sich auf die Fersen und blickte ihn erstaunt an. „Was für ein Unsinn. Du wärst ein wunderbarer Vater. Mit den Kindern deines Bruders gehst du so liebevoll um, sie hängen sehr an dir.“

„Ich bin ja nur ihr Onkel und kann sie deshalb verwöhnen. Trotzdem will ich keine eigenen Kinder, die Verantwortung ist mir zu groß. Wenn ich mir welche wünschte, hätte ich schon welche.“

Mit mir sicher nicht, schoss es ihr durch den Kopf. Ehe aus ihrer Beziehung etwas Dauerhaftes hatte werden können, hatte Gio sie mir nichts, dir nichts beendet.

„Eines Tages änderst du sicher deine Meinung. Alles andere wäre ein Jammer bei dem Potenzial.“

„Wovon redest du?“, fragte er gereizt. „Keine Frau wird mich jemals dazu bringen können, meine Meinung zu ändern.“

Deutlicher könnte er es mir nicht zu verstehen geben, dachte sie. Oft hatte sie davon geträumt, ein Kind von ihm zu bekommen, das so aussah wie er mit dem dunklen Haar und den dunklen Augen. Doch darauf würde sie sich ganz bestimmt nicht einlassen, sonst müsste sie an ihrem gesunden Menschenverstand zweifeln.

„Das ist sehr schade“, erwiderte sie betont unbekümmert und versuchte, es etwas ins Lächerliche zu ziehen. „Natürlich möchte ich dein Ego nicht unnötig aufblasen, aber du bist ein gesunder und gut aussehender Mann, und wenn du nicht gerade auf deinen eigenen Müllbeutel fällst, bist du auch einigermaßen intelligent. Du hättest sicher liebenswerte Kinder, vorausgesetzt natürlich, dass sie nicht deine innere Einstellung hätten.“

Da er derart lockere Sprüche von ihr gewohnt war, konterte er: „Meine Güte, du hast gut reden. Wie sieht es denn mit deiner inneren Einstellung aus?“

„Die erben deine Kinder sowieso nicht. Das hast du mir schon vor fünf Jahren klargemacht.“

Sekundenlang schwieg er verblüfft, dann streichelte er ihr die Wange. „Anita?“

Sie wandte sich ab. „Vergiss es“, sagte sie undeutlich. „Ich mache mir nur Sorgen um dich.“

„Das ist nicht nötig.“ Gio fuhr sich mit der verletzten Hand durchs Haar und zuckte zusammen. Er war schrecklich müde, hatte Schmerzen und wollte sich hinlegen. Bei ihrer Bemerkung hatte er sich jedoch ein aufgewecktes kleines Mädchen mit einem kecken Lächeln und einem scharfen Verstand vorgestellt. Und das gab ihm zu denken.

„Ich möchte mich hinlegen“, erklärte er unvermittelt.

„Entschuldige.“ Anita zog ihm den linken Schuh aus und streifte ihm die Hose weiter hinunter, zuerst über den linken, dann sehr vorsichtig über den rechten Fuß. Zuletzt folgten die Socken.

Als er den verletzten Fuß vorsichtig bewegte, verzog er vor Schmerzen das Gesicht.

„Irgendwie ist die Farbe beeindruckend“, meinte sie scherzhaft und richtete sich auf.

Nachdenklich betrachtete er den Fuß oder das, was davon aus dem Verband herausragte. Er war blau und schwarz und würde wahrscheinlich bald alle Regenbogenfarben annehmen. Darauf freute er sich schon, weil dann auch die Schmerzen nachließen, wie er hoffte.

Sie half ihm, sich hinzulegen, und deckte ihn zu. „Muss der Verband noch gewechselt werden?“

„Nein, erst morgen.“

„Okay.“ Sanft legte sie ihm die Hand auf den Arm. „Es geht mich ja nichts an, aber ich bin froh, dass du keinen bleibenden Schaden erlitten hast.“

Gio klopfte auf die Bettkante. „Komm, lass uns die Schokolade trinken. Ich bin zu müde, um noch viel zu reden.“

„So kenne ich dich gar nicht“, scherzte sie, setzte sich aber neben ihn auf das Bett. Danach reichte sie ihm eine Tasse und nahm die andere in die Hand, ehe sie die Nachttischlampe ausknipste, sodass sie die funkelnden Lichter in der Ferne sehen konnten. Eine Zeit lang schwiegen sie, und schließlich seufzte er zufrieden.

„Ich liebe diesen Blick. In der Stadt ist es nie so dunkel wie hier, und das vermisse ich sehr.“

„Ich auch“, stimmte Anita ihm zu. „Manchmal sitze ich abends oder nachts da und sehe stundenlang hinaus. Ohne die hell erleuchteten Fenster des Palazzos fehlt etwas, finde ich. Das empfinde ich immer als ein Zeichen.“

„Als ein Zeichen?“, wiederholte Gio. „Siehst du etwa nur deshalb hinaus, um festzustellen, ob ich da bin?“

Mit der Vermutung kam er der Wahrheit viel zu nahe, wie sie sich unbehaglich eingestand. „Träum ruhig weiter“, meinte sie betont munter. „Hast du schon deine Tabletten genommen?“, wechselte sie dann das Thema.

„Ja, Anita. Hör auf, dir so viele Gedanken zu machen. Ich habe mich durch meine eigene Dummheit in diese Situation gebracht.“

„Nicht ganz“, wandte sie ein. „Wenn diese Frau dir nicht aufgelauert hätte, wäre das alles nicht passiert.“

„Na ja, da hast du recht. Vielleicht müssen wir wirklich damit rechnen, dass sie plötzlich hier auftaucht. Tu mir den Gefallen, und bleib heute Nacht hier bei mir.“

„Wie bitte? Soll ich dich etwa beschützen?“, versuchte sie zu scherzen.

„Keineswegs, eher umgekehrt“, antwortete er.

„Wie bitte? Du willst mich beschützen?“, erkundigte sie sich belustigt. „Du kannst dich doch kaum bewegen.“

„Aber ich kann mich vor dich stellen“, erklärte er ruhig.

Offenbar meinte Gio es ernst. Sie fand sein Machogehabe so absurd, dass sie nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte.

„Gio, sie kommt nicht hierher.“

„Ausschließen können wir es jedenfalls nicht, besonders nachdem man in den Nachrichten darüber berichtet hat. Deshalb lässt es mir keine Ruhe.“

Sie wusste, dass er darauf bestehen würde, sie zu beschützen. Deshalb gab sie nach. Sollte er doch glauben, er wäre dazu in der Lage. Von Camilla Ponti drohte ihnen keine Gefahr, davon war Anita überzeugt. Aber sie spürte eine andere Gefahr auf sich zukommen, denn sie war sich nicht sicher, ob sie ihm widerstehen konnte.

„Okay, wenn du es so willst, mache ich mich jetzt fertig.“

„Vergiss nicht abzuschließen.“

„Wie gut, dass du mich daran erinnerst, sonst hätte ich bestimmt nicht daran gedacht“, antwortete sie spöttisch.

Aber es passte ihr gut, heute Nacht neben ihm zu schlafen, denn dann konnte sie sich jederzeit vergewissern, dass alles in Ordnung war. Sie musste nur der Versuchung widerstehen, sich an ihn zu schmiegen. Allerdings würde er wahrscheinlich sowieso gleich einschlafen, weil er so erschöpft und müde war.

Sie stand auf, knipste das Licht wieder an und ging zur Tür. „In zehn Minuten bin ich zurück.“

In ihrem Pyjama, in dem sie sich sicherer fühlte als in einem ihrer Seidennachthemden, legte Anita sich schließlich neben ihn. Sie hätte sich jedoch keine Gedanken zu machen brauchen, denn Gio rührte sich nicht. Auch sie blieb in gebührendem Abstand ruhig liegen, bis sie ihn in der Nacht irgendetwas sagen hörte, wobei er sogar um sich schlug.

„Gio, es ist nur ein Traum!“, weckte sie ihn.

Er murmelte etwas vor sich hin und entspannte sich.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht stören.“

„Das macht gar nichts. Du hast etwas Schlimmes geträumt, oder?“

„Es scheint so. Komm her.“ Er streckte den linken Arm aus und zog sie an sich. Während sie den Kopf an seiner Brust barg, spürte sie, wie sein Herzschlag sich langsam beruhigte.

Zu gern hätte sie gewusst, wovon er geträumt hatte. Wahrscheinlich von dem Übergriff, wie sie vermutete, und prompt stellten sich wieder ihre Schuldgefühle ein. Es hätte noch viel schlimmer enden können, wenn der Krankenwagen nicht rechtzeitig eingetroffen wäre. Bei dem Gedanken krampfte sich ihr Herz zusammen, und sie hatte Mühe zu atmen.

Ihn zu verlieren, weil Gio nicht mit ihr zusammen sein wollte, war vielleicht noch zu verkraften. Aber es wäre unerträglich gewesen, wenn er ums Leben gekommen wäre.

Anita schmiegte sich an ihn und streichelte mit den Zehen seinen linken Fuß. Sie schlief ein, und als sie aufwachte, lag ihr rechtes Bein über seinem linken, und auf einmal verspürte sie wieder diese grenzenlose Sehnsucht nach ihm, die sie fast schon vergessen hatte.

Nein, das stimmte nicht, sie hatte sie nur verdrängt. Aber jetzt schaffte sie es nicht mehr und presste sich so eng an ihn, dass er reagierte und das linke Bein leicht anhob.

Das ist Wahnsinn, schoss es ihr durch den Kopf. Er war verletzt und hatte Schmerzen, es führte also zu nichts. Sie beschloss, von ihm wegzurücken.

„Wohin willst du?“, fragte er prompt.

„Ich will dir nicht wehtun.“

„Das tust du auch nicht. Bleib so liegen.“ Er zog sie wieder an sich.

Nachdem sie wieder eingeschlafen war, träumte sie, Gio und sie würden sich lieben, und stöhnte auf.

„Anita?“ Gio wandte den Kopf.

In dem Moment wurde sie wach und wisperte seinen Namen. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, die Lippen auf ihre zu pressen. Bereitwillig und innig erwiderte sie seinen Kuss, und er gestand sich ein, dass er sie viel zu sehr begehrte.

„Oh verdammt“, fluchte er leise, als er sich spontan zu ihr umdrehen wollte, und ließ das rechte Bein vor lauter Schmerzen wieder zurücksinken.

„Gio?“ Anita richtete sich halb auf.

„Alles in Ordnung“, behauptete er und streichelte ihr sanft den Rücken. „Ich brauche dich, und ich begehre dich“, fügte er leise hinzu. „Ich möchte dich lieben, aber es geht einfach nicht.“

Zärtlich ließ sie die Hand über seine Brust und weiter hinuntergleiten, und auf einmal konnten sie sich nicht mehr beherrschen. Sie halfen sich gegenseitig, ihre grenzenlose Sehnsucht und das heiße Verlangen zu stillen.

Als es vorbei war, machte sich Ernüchterung in Gio breit. Was zum Teufel hatte er sich dabei gedacht? Vor fünf Jahren hatte er die Beziehung mit Anita beendet und sich vorgenommen, sich von ihr fernzuhalten, weil er das Gefühl hatte, auf ihn wäre nicht unbedingt Verlass und er könnte eine Frau nicht wirklich glücklich machen. Er hatte sich von ihr getrennt, damit sie einen anderen Mann fand, der besser zu ihr passte und mit dem sie Kinder haben konnte. Es schien auch zu klappen, denn sie hatte genug Verehrer und lernte immer wieder jemanden kennen, mit dem sie sich verabredete. Wenn er sich zusammennahm und sie in Ruhe ließ, würde sie sich bestimmt für einen anderen entscheiden.

Doch offenbar gelang es ihm nicht, seinem Vorsatz treu zu bleiben. Ausgerechnet jetzt, wo er auf ihre Hilfe angewiesen war, hatte er alles zunichtegemacht, weil er sich nicht unter Kontrolle hatte.

Natürlich hätte er sie nicht die ganze Nacht neben sich im Bett gebraucht, aber er hatte es so gewollt. Mit Camilla Ponti hatte es nichts zu tun, er rechnete nicht damit, dass sie hier auftauchte. Nein, er begehrte Anita, das war alles.

Daran hatte sich nichts geändert.

Autor

Caroline Anderson

Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills & Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.

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