Sag Ja zum Glück

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Als der umwerfend attraktive Bauunternehmer Nick Barron die junge Architektin Georgia Cauldwell einstellt, rettet er damit auch ihr zerbrochenes Herz. Denn überraschend knistert es zwischen ihnen heiß! Ein paar unvergessliche Wochen verbringen sie miteinander, in denen nur zärtliche Gefühle und wachsendes Vertrauen zählen. Georgia ist überzeugt, dass sie endlich die große Liebe gefunden hat – da verschwindet Nick spurlos. Als er wieder zurückkehrt, hat er sich verändert. Soll sie wirklich bei ihm bleiben, fragt Georgia sich. Aber noch immer hat Nick etwas an sich, dem sie einfach nicht widerstehen kann …


  • Erscheinungstag 02.01.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524100
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Nennen Sie mir einen guten Grund, warum ich Ihnen helfen sollte.“

Der Mann, der vor ihm saß, zuckte mit den Schultern. Er war ein stolzer Mensch, der sichtlich am Ende war, und es bereitete Nick wirklich kein Vergnügen, ihn in die Enge zu treiben. Aber er musste dieser Sache auf den Grund gehen, und um den heißen Brei herumzureden führte zu keinem Ergebnis und half seinem Gegenüber nicht.

„Mr. Broomfield?“

Wieder ein Achselzucken. „Ich kann … ich kann Ihnen keinen Grund nennen. Ich weiß ja nicht mal, warum ich hier bin.“

„Also, warum sind Sie zu mir gekommen?“

„Es war Gerrys Idee. Gerry Burrows – Sie haben ihm im letzten Jahr aus der Klemme geholfen.“

„Ich erinnere mich. Wir haben seine Firma gekauft.“

„Oh, Sie haben viel mehr als das getan. Sie haben ihm das Leben gerettet. Er stand kurz vor dem Selbstmord, und seine Frau war kurz davor, ihn zu verlassen. Sie haben ihm eine neue Chance verschafft.“

Und dieser Mann sah aus, als würde er auch eine brauchen. Nick fragte sich, wie viele verzweifelte Freunde Gerry Burrows noch hatte.

„Gerry Burrows besaß ein Unternehmen, das zu kaufen sich lohnte. Bisher weiß ich nichts über Sie oder Ihre Firma. Ich habe keine Ahnung, was Sie von mir erwarten. Also erzählen Sie mir doch einfach, was genau Sie sich vorstellen.“

Andrew Broomfield lachte bitter. „So weit habe ich noch gar nicht gedacht …“

„Das sollten Sie aber. Wenn ich Ihnen helfen soll, Mr. Broomfield, brauche ich einen guten Grund.“

„Ich wäre froh, wenn ich einen hätte, aber es gibt keinen. Nur ein Verrückter würde mir helfen.“ Sein Lachen wurde immer brüchiger. „Wir kaufen und verkaufen bankrotte Unternehmen. Es lief richtig gut, doch dann haben wir uns übernommen und mehrere Geschäfte gekauft, um Outlets zu eröffnen. Leider ging der Umsatz zurück, und in unseren einzigen Vermögenswert mussten wir so viel Geld investieren, dass es uns den Rest gegeben hat. Wir können so nicht weitermachen – und wenn ich niemanden finde, der uns unter die Arme greift, werden wir Konkurs anmelden müssen.“

„Vielleicht wäre es das Beste.“

„Nein.“ Broomfield schloss die Augen und schüttelte langsam den Kopf. „Für mich vielleicht, denn ich habe es nicht anders verdient, aber meine Frau ist schwanger, und wir haben gerade erfahren, dass mit dem Baby etwas nicht in Ordnung ist. Es muss gleich nach der Geburt operiert werden. Mehrfach. Meine Frau hat keine Ahnung, dass ich in geschäftlichen Schwierigkeiten stecke. Ich kann es ihr nicht antun – sie kurz vor der Geburt des Babys obdachlos machen. Aber ich weiß einfach keinen Ausweg …“

Verdammt. Der Mann hatte gerade Nicks wunden Punkt getroffen.

„Obdachlos?“, wiederholte er.

Broomfield nickte betrübt. „Ich Idiot habe der Bank unser Haus als Sicherheit angeboten. Es ist nichts Besonderes – nur ein ganz normales Einfamilienhaus mit drei Schlafzimmern und angesichts unserer Schulden nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist unser Zuhause, und ich darf es ihr nicht auch noch nehmen.“

Nick lehnte sich zurück und beobachtete, wie sein Gegenüber versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Du meine Güte, bekam er auf seine alten Tage etwa ein weiches Herz? Er wusste längst, dass er Broomfield helfen würde, obwohl er den Mann nicht kannte und ihm eigentlich egal sein sollte, was aus dessen schwangerer Frau oder dem kranken Baby wurde.

„Erzählen Sie mir von dem Vermögenswert.“

„Es ist nur ein Baugelände – ein altes, heruntergekommenes Schulgebäude mit einer nicht mehr benutzten Kapelle und einer Handvoll provisorischer, verstreuter Klassenräume. Ich habe es vor ein paar Jahren gekauft, und im letzten Jahr haben wir die Genehmigung bekommen, es zu modernisieren und auf dem Gelände Wohnhäuser zu errichten. Wir hätten es gleich wieder verkaufen sollen, aber ich … na ja, ich dachte, wir könnten mehr verdienen, wenn wir es selbst nutzen. Leider habe ich die Kosten unterschätzt. Gewaltig.“

„Also haben Sie damit angefangen.“

„Ja, aber dann ist uns das Geld ausgegangen, und wir können den Bauunternehmer nicht mehr bezahlen. Ich habe ihn überreden können, uns noch etwas Zeit zu geben, aber er hat uns nur deshalb eine Gnadenfrist eingeräumt, weil wir ihm schon jetzt eine Menge Geld schulden.“

„Wie viel?“

„Ich bin nicht sicher – Tausende. Hunderttausende, wahrscheinlich.“

Nick fragte sich, wie man sich so hoch verschulden konnte, ohne den genauen Betrag zu kennen. „Und die anderen Schulden?“

„Ebenso viel – vielleicht sogar noch mehr. Unser Unternehmen steckt in echten Schwierigkeiten, aber jemand, der weiß, was er tut, könnte etwas daraus machen. Mit dem Verkauf der Ladengeschäfte könnte man die Schulden tilgen, aber es würde dauern, und dafür fehlt uns die Zeit. Wertvoll ist allein das alte Schulgelände, und das auch nur, wenn man es erschließt. Aber dann hat es Potenzial.“

Nicks Spürnase regte sich. Potenzial gehörte zu seinen Lieblingsworten. Genau wie Ehrlichkeit. Niemand konnte Broomfield vorwerfen, dass er etwas verheimlichte. Der Mann beschönigte nichts, und das gefiel ihm.

„Na gut. Ich werde mir das Gelände ansehen, wenn ich in ein paar Tagen aus New York zurückkomme. Bis dahin möchte ich exakte Zahlen und Bilanzen sehen. Danach unterhalten wir uns wieder.“

„Wenn ich einfach nur mein Haus …“

„Ich verspreche nichts. Ich bin kein Wohltäter, Mr. Broomfield, aber ich werde tun, was ich kann.“

„Weißt du, was du da kaufst?“

Nick zog die Jacke aus, ließ sich auf den Ledersessel hinter dem Schreibtisch fallen und warf einen Blick auf das ungläubige Gesicht seiner Assistentin.

„Wovon redest du?“

Seufzend setzte Tory sich und verdrehte die Augen. „Von dem Geschäft mit Broomfield? Dem Schulgelände?“

Nick runzelte die Stirn. „Was ist damit? Ein paar schäbige alte Gebäude, nichts Großartiges. Aber mit Potenzial, hat er gesagt, glaube ich.“

„Nichts Großartiges?“ Schnaubend wedelte Tory mit einem dicken Ordner. „Also hast du dir die Pläne, die ich dir gefaxt habe, noch nicht angesehen?“

Nick lächelte. „Schuldig im Sinne der Anklage.“

„Das habe ich mir gedacht. Die angeblichen schäbigen alten Gebäude sind ein viktorianisches Landhaus im Stil einer italienischen Villa, ein Kutschenhaus, eine Kapelle, Stallungen und so weiter und so weiter. Mit ein paar Hektar Sportflächen. Es gibt noch einige provisorische Klassenräume aus den Tagen, als es noch eine Privatschule war. Die müssen natürlich abgerissen werden, wenn sie überhaupt noch stehen. Der Rest ist ein Juwel – eine erstklassige Immobilie, ein Ufergrundstück in Yoxburgh in Suffolk. Du könntest wenigstens einen Hauch von Interesse aufbringen.“

Nick setzte sich gerader hin. Er kannte Yoxburgh. Als Kind hatte er dort am Strand gespielt, und seine Mutter lebte etwa zwanzig Meilen von dort entfernt. „Du hast etwas von Plänen gesagt“, erinnerte er Tory.

„Richtig. Detaillierte Entwürfe und Vorlagen für die Umwandlung in Wohnungen und Stadthäuser und den Bau weiterer Gebäude auf dem Gelände. Nicht gerade originell, aber das Ganze ist eine Goldmine, und wenn du schlau bist, gehört sie bald dir.“

Nick spürte, wie sein Herz etwas schneller schlug. „Wissen wir etwas über den Bauunternehmer?“

„Ja. Er kommt aus dem Ort, heißt George Cauldwell und genießt einen ausgezeichneten Ruf. Ich habe ihn überprüft. Er ist seit Jahren im Geschäft, und ich habe keinen einzigen unzufriedenen Kunden gefunden. Wenn das Projekt auch nur annähernd so erfolgreich ist wie seine bisherigen, könnte es uns einen stattlichen Profit einbringen. Da war jemand sehr, sehr nachlässig – oder er hat keine Ahnung, was er an Land gezogen hat.“

„Nachlässig? Eher verzweifelt.“ Nick dachte an Andrew Broomfield, der mit seiner schwangeren Frau in einem kleinen Haus wohnte, das kurz vor der Zwangsversteigerung stand. Vielleicht würde er ja etwas für die beiden tun können. Sicher, nach den Zahlen, die er gesehen hatte, war Broomfields Unternehmen weniger wert als die Schulden, die darauf lasteten. Also würde das Bauprojekt schon eine Menge einbringen müssen, wenn er nicht nur den selbstlosen Retter spielen wollte.

Aber wenn er Torys Gesichtsausdruck richtig deutete …

Er zeigte auf den Ordner. „Sind das zufällig die Pläne?“

Sie landeten auf dem Schreibtisch und rutschten über die Platte, bis Nick sie mit der flachen Hand festhielt. Er blätterte den Ordner durch, breitete die Zeichnungen vor sich aus und betrachtete sie, bis ihm bewusst wurde, was für eine einmalige Gelegenheit sich ihm gerade bot.

Rasch ging er im Kopf seine heutigen Termine durch und überlegte, was er delegieren und was er auf morgen verschieben konnte. Dann faltete er die Pläne wieder zusammen, schob sie in den Ordner zurück und stand auf. „Ich werde mir das Gelände ansehen. Jetzt gleich.“

„Aber du bist zum Mittagessen mit Simon Darcy …“

„Übernimm du das. Simon vergöttert dich – aber lass dich bloß nicht überreden, für ihn zu arbeiten, mehr verlange ich nicht. Ich brauche Seeluft.“

„Ich rufe den Bauunternehmer an. Er setzt Broomfield unter Druck, und der arme Kerl wartet auf deine Antwort. Sie werden sich freuen, dich zu sehen.“

„Nein. Warn sie nicht vor. Ich will erst sehen, wie dieser George Cauldwell arbeitet, bevor ich mich festlege.“

Tory wollte widersprechen, ließ es jedoch. „Na schön. Aber lass dein Handy an.“

Niemals, dachte Nick. Plötzlich war ihm klar geworden, dass sein Leben zur Routine erstarrt war und er sich unsäglich langweilte. Er war im New York gewesen, um ein anderes Geschäft abzuschließen, und hatte in drei Tagen nur sechs Stunden geschlafen. Er war müde und ausgebrannt und brauchte unbedingt etwas Zeit für sich.

Heute würde Nick Barron sich eine kurze Auszeit gönnen.

1. KAPITEL

Auf der Baustelle herrschte Stille.

Kein Wunder, dachte Georgia betrübt. Sie hatte die Arbeiter schon vor Tagen nach Hause geschickt, und sie selbst war auch nur hier, weil die Sorgen sie nachts nicht schlafen ließen. Sie hatte nichts Besseres zu tun. Ihr Vater lag im Krankenhaus, und sie war nur hergekommen, um die Zahlen noch einmal durchzugehen und auf ein Wunder zu hoffen. Vielleicht hatte sie ja etwas übersehen, und die Firma war doch noch retten.

Nein. Sie hatte nichts übersehen.

Seufzend stützte Georgia den Kopf auf die Hände und blickte über das Gelände auf die See hinaus. Kein Wunder, keine Rettung, nur die Bank mit ihren Forderungen und ihr Vater mit seiner angegriffenen Gesundheit.

Von ihren Träumen ganz zu schweigen.

Sie stand auf und zog den Mantel an. Hier herumzusitzen brachte nichts. Sie würde einen Kontrollgang machen und nachsehen, ob etwas gestohlen oder zerstört worden war. Mechanisch griff sie nach dem Schutzhelm und rümpfte die Nase. Zwar hasste sie das Ding, aber Vorschriften waren Vorschriften.

Archie folgte ihr schwanzwedelnd, und sein fröhliches Gesicht brachte sie zum Lächeln. „Komm schon, Archie, sehen wir uns alles an.“

Sie verließ das Baustellenbüro, ging durch den schneidenden Märzwind und schloss die Seitentür der alten Villa auf – in der sie nie wohnen würde, wenn nicht doch ein Wunder geschah.

Zusammen stiegen sie die Treppe hinauf. Georgias Schritte hallten durch das leere Haus, Archies Krallen klapperten auf den Holzstufen, bis sie den Raum an der Spitze des großen quadratischen Turms erreichten. Er war nicht groß, aber wegen der Fenster an drei Seiten und der atemberaubenden Aussicht auf die Bucht und die weite See dahinter hatte sie gehofft, ihn eines Tages zu ihrem Schlafzimmer zu machen.

Außerdem bot er den besten Blick auf das Gelände, und sie starrte auf die aufgewühlte Erde, die mit Pflöcken abgesteckten Bauplätze, das halb modernisierte Kutschenhaus und die hinter hohen Bäumen verborgene Kapelle.

Es gab so viel zu tun – und es war unendlich schade, dass nicht das daraus werden würde, was sie sich vorgestellt hatte. Selbst wenn Broomfield das Geld dafür auftrieb, war sein Entwurf einfach zu großspurig, um dieser einmaligen Lage gerecht zu werden.

„Deiner Meinung nach“, sagte sie streng. „Du bist nicht allein auf der Welt. Auch andere Leute dürfen mitreden.“

Selbst wenn sie keine Vision, keine Fantasie, keine … Seele besaßen. Angewidert wandte sie sich ab, und dabei erfasste ihr Blick eine einsame Gestalt, die am Rand des Rasens vor dem Haus stand und auf das Meer hinausstarrte.

„Wer ist das, Archie?“, murmelte sie. Der Hund raste die Treppe hinunter, durch die Seitentür, über das Gras und bellte, so laut er konnte.

Mist. Das Letzte, das absolut Letzte, was Georgia an diesem Morgen brauchte, war ein Besucher. Sie musste telefonieren, denn wenn sie nicht bald von Andrew Broomfield eine ehrliche Antwort bekam, würde die Bank die Geduld verlieren.

Dann wären sie am Ende.

„Archie! Bei Fuß!“, rief sie, aber der Wind verwehte ihre Stimme, und außerdem hatte Archie etwas Besseres zu tun. Der kleine Terrier lag auf dem Rücken, streckte die Beine in die Luft, ließ sich den Bauch kraulen und dachte an alles andere als daran, ihr zu gehorchen. Georgia konzentrierte sich auf den Mann, der ihren Hund kitzelte. Vielleicht hatte sie bei dem mehr Glück.

„Entschuldigung!“

Zu Archies Enttäuschung richtete er sich auf und drehte sich zu ihr um. Seine Augen waren hinter einer Designer-Sonnenbrille verborgen. Doch das Lächeln war nicht zu übersehen, und verblüfft spürte Georgia, wie ihr Herz gleich etwas schneller schlug.

„Guten Morgen.“

Du meine Güte, seine Stimme war tief, und ihr Puls beschleunigte sich noch mehr.

„Morgen.“

Das war das einzige Wort, das sie herausbrachte. Sie überquerte die Einfahrt, ging über den Rasen und baute sich vor dem Fremden auf, eine Hand am Schutzhelm, den Kopf in den Nacken gelegt.

Der Mann überragte sie – nicht, dass man dazu besonders groß sein musste. Hätte er in der Einfahrt gestanden, hätte sie sich auf den leicht erhöhten Rasen stellen können, um nicht ganz so klein zu wirken. Schade, dachte sie, doch dann nahm er die Sonnenbrille ab, und sie starrte in ein Augenpaar, dessen Farbe der von regenfeuchtem Schiefer glich. Ihr stockte der Atem.

Nein. Selbst flach auf dem Rücken liegend wäre er ihr gegenüber im Vorteil. Er hatte etwas an sich, etwas äußerst Maskulines, Selbstsicheres, das ihren Mund trocken und die Knie weich werden ließ.

Falls er von der Bank kam, war sie erledigt. Sein Vorgänger war klein, sanft und schüchtern gewesen, und sie hatte ihn mühelos um den Finger gewickelt.

Bei dem hier, mit seiner weichen, alten Lederjacke, dem forschenden Blick und der energischen Ausstrahlung, würde ihr das wohl kaum gelingen. Dieser Mann war zäh. Na ja, das war sie auch, und für sie stand mehr auf dem Spiel. Wenn er tatsächlich von der Bank kam, würde sie ihn über die Baustelle schleifen und ihm zeigen, warum sie so viel Geld brauchten – und er würde zuhören. Sie würde ihm keine andere Wahl lassen.

So übel konnte er nicht sein, denn Archie stand auf den Hinterbeinen, die schmutzigen Vorderpfoten an der teuer aussehenden Hose, und wedelte begeistert mit dem Schwanz, während er dem Fremden die Hand leckte. Aber vielleicht war der Mann einfach nur ein neugieriger Spaziergänger.

Georgia straffte die Schultern, klopfte gegen ihr Bein und atmete tief durch. „Kann ich Ihnen helfen? Archie, komm sofort her!“

„Das weiß ich noch nicht. Ich wollte mich nur mal umsehen – ein Gefühl für das Gelände bekommen.“

Die Anspannung legte sich, an ihre Stelle trat Verärgerung. Baustellentouristen waren eine Plage, und dieser hier bildete keine Ausnahme. Trotz der tollen Augen.

Nein. Vergiss die Augen, dachte sie. „Es tut mir leid, aber Sie dürfen das Gelände nicht besichtigen, ohne sich vorher im Büro anzumelden. Archie, hierher! Sofort! Das steht auf dem Schild am Eingang. Es ist gefährlich, allein auf der …“

„Sagen Sie bloß, Sie sind die Sicherheitsbeauftragte“, unterbrach er sie belustigt, und sie fühlte, wie ihre Brauen nach oben zuckten.

„Nein, ich bin die Bauleiterin und habe die Nase gestrichen voll von Leuten, die hier herumspazieren, als wären sie im Park!“, fuhr sie aufgebracht fort. „Das hier ist Privatgelände, und wenn Sie sich nicht an die Vorschriften halten, muss ich Sie bitten, die Baustelle sofort zu verlassen.“

„Das könnte etwas voreilig sein“, erwiderte er leise.

„Finden Sie?“ Sie musterte ihn und schaute wütend in die kühlen stahlblauen Augen. „Nun ja, es tut mir leid, wir wollen nicht, dass Sie uns auf Schadenersatz verklagen, weil Sie sich verletzt haben, also muss ich Sie bitten, mein Gelände zu verlassen, bevor Sie sich wehtun.“

Ihr Gelände?“ Er klang spöttisch, und sie musste sich beherrschen, um ihn nicht zu ohrfeigen.

„Richtig“, bestätigte sie mit ihrem letzten Rest Selbstkontrolle. „Mein Gelände. Gehen Sie freiwillig, oder muss ich die Polizei rufen?“

Er schüttelte langsam den Kopf. Sein Gesicht, auf dem das Lächeln längst verblasst war, verfinsterte sich. „Oh, ich werde nirgendwohin gehen. Aber Sie vielleicht, und ich hoffe, Sie nehmen Ihren Hund mit, bevor er mich zu Tode leckt. Ich werde mich jetzt gründlich umsehen, und während ich das tue, könnten Sie so freundlich sein, George Cauldwell zu sagen, dass ich ihn suche? Obwohl ich inzwischen glaube, dass es zwischen uns nur wenig zu besprechen gibt. Mein Name ist übrigens Barron. Nick Barron.“

Oh. Der Name sagte ihr nichts, aber offenbar sollte er es, und sie bekam plötzlich ein mulmiges Gefühl. Wenn der Mann ihren Vater sprechen wollte, kam er vermutlich von der Bank. Obwohl die Jeans und die Lederjacke nicht so recht dazu passten. Aber wenn er kein Bankmensch war, wer …

„Er ist nicht hier“, antwortete sie. „Sind Sie von der Bank?“

„Nicht ganz. Kommt er heute noch her?“

Nicht ganz? Was hieß das? Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin seine Tochter. Georgia“, fügte sie misstrauisch hinzu. „Ich vertrete ihn, während er … fort ist.“

„In dem Fall wären Sie vielleicht so freundlich, mir die ganze Baustelle zu zeigen. Falls ich so dumm sein sollte, mich zu einem Kauf zu entschließen, möchte ich jeden Quadratzentimeter sehen.“

Kauf? Das ganze Projekt?

Gütiger Himmel, was hatte sie getan? Diese Baustelle war das größte Projekt, das ihr Vater jemals in Angriff genommen hatte, und vor ihr stand der Mann, der über ihr Schicksal bestimmte. Und sie hatte ihm gerade mit der Polizei gedroht!

Fantastisch. Seit zwei Monaten steckten sie Geld in diese Baustelle, die Modernisierung der bestehenden Gebäude machte Fortschritte, und die ersten Neubauten nahmen Gestalt an. Die ganze Zeit warteten sie auf Anweisungen – und vor allem auf Geld. Aber das ließ auf sich warten, weil die viel zu ungenauen Pläne immer wieder zu Verzögerungen führten. Broomfields Firma mochte ja tolle Ideen haben, aber um wichtige Einzelheiten kümmerte sie sich nicht, und der Teufel steckte nun mal im Detail. Wenn es zu einer Konventionalstrafe kam, würden sie sich darüber streiten müssen, wer schuld war.

Und jetzt stand der Mann, der möglicherweise die Antwort auf ihre Gebete war, vor ihr. Sie würde ihn nicht wieder gehen lassen, bevor sie die Chance bekam, ihm ihre Sicht der Dinge zu schildern. Vielleicht konnte sie ihn sogar dazu bewegen, ihnen das zu zahlen, was Broomfield ihnen schon jetzt schuldete.

Aber als Erstes musste sie sich eine Entschuldigung einfallen lassen – und zwar eine gute. Georgia zwang sich, seinem Blick standzuhalten, und verlor den Mut. Kein Zweifel, seine Geduld ging zu Ende, und in seinen Augen las sie nichts als Skepsis und Zweifel – Zweifel, die sie hier und jetzt ausräumen musste.

„Es tut mir leid, ich weiß nichts von einem Verkauf des Geländes“, gab sie hastig zu. „Mein Vater liegt seit fast zwei Wochen im Krankenhaus, und ich muss mit Andrew Broomfield reden – das heißt, ich versuche es. Er weicht mir aus.“

„Ich frage mich, warum“, murmelte er.

Sie schluckte ihren Stolz herunter. Die erste Entschuldigung hatte nicht gewirkt. Sie würde sich größere Mühe geben müssen.

„Hören Sie, es tut mir wirklich leid. Falls ich unhöflich war, entschuldige ich mich. Normalerweise bin ich nicht so, aber ich dachte, Sie wären einfach nur neugierig. Deshalb habe ich Sie so angefaucht. Wir haben auf der Baustelle schon genug Diebstähle und Vandalismus gehabt, daher bin ich etwas nervös, wenn ich mich allein hier aufhalte …“

„Sehe ich wie ein Vandale aus?“

Nein, dachte sie, du siehst wie ein Racheengel aus, und ich mache alles nur noch schlimmer. Sie schüttelte den Kopf, schloss die Augen und fragte sich, ob er noch da sein würde, wenn sie sie wieder öffnete.

Er war da. Verdammt. „Nein, natürlich nicht, aber es war ein harter Tag, und ich … Können wir noch mal von vorn anfangen?“

Einen Moment lang betrachtete er sie nur, dann entspannte seine Miene sich fast unmerklich. „Klingt eher nach einem harten Monat.“

Sie lachte etwas zu laut. „Das kann man wohl sagen. Tut mir leid, ich hatte wirklich keine Ahnung, dass Sie das Projekt übernehmen. Andrew ist in letzter Zeit sehr verschlossen. Natürlich führe ich Sie gern über das Gelände, aber ich werde Ihnen erst einen Helm besorgen, und Sie müssen sich eintragen. Vielleicht kann ich dabei ein paar Ihrer Fragen beantworten.“

„Es hört sich an, als hätten Sie mehr Fragen als ich.“

Sie lachte trocken. „Nur eine, die zählt, und die hat wohl Zeit. Wir warten auf eine Zwischenzahlung, und die Bank wird langsam unruhig. Bei Andrew komme ich nicht weiter. Gestern hat er mir eine Nachricht geschickt, in der er eine Zahlung in Aussicht stellt, aber damit kann die Bank nichts anfangen.“

Seine Lippen wurden schmal. „Das könnte meine Schuld sein. Ich war außer Landes und habe ihm bisher nicht geantwortet.“

„Und ich wollte Sie auch noch vom Gelände werfen.“ Georgia seufzte. „Mein Gott, was für ein Schlamassel! Ich habe die Arbeiter nach Hause geschickt, weil ich sie nicht beschäftigen kann. Am Ende der Woche werde ich sie wohl vorübergehend entlassen müssen, damit sie anderswo Geld verdienen …“

„Das tut mir leid.“

„Wie bitte?“, fragte sie verblüfft.

„Ich sagte, es tut mir leid – dass Sie solche Schwierigkeiten haben. Ich wäre früher hergekommen, aber ich war in New York. Ich habe mir die Unterlagen faxen lassen, als der Vertrag unterschrieben war, aber ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung, dass es ein so riesiges Gelände ist. Wir haben es als Teil einer Firmenübernahme bekommen, und ich habe die Pläne erst heute Morgen zu Gesicht bekommen. Vielleicht kann ich Ihnen ein paar Antworten geben, wenn Sie mir die Zeit dazu schenken.“

Georgia starrte ihn an. Sie war unhöflich gewesen, und er entschuldigte sich? „Natürlich.“ Sie nickte, aber eigentlich war sie in Eile. Sie musste zur Bank, um ihnen diese Neuigkeit zu überbringen – sobald sie wusste, wie diese Neuigkeit genau lautete! Sie schaute auf die Uhr. „Ich kann Ihnen eine halbe Stunde geben. Ich muss noch telefonieren und Fundamente markieren, wenn ich den Plan einhalten will.“

Er schüttelte den Kopf. „Keine Fundamente – und wenn Sie diesen Auftrag bekommen wollen, werden Sie mir die Zeit geben, die ich benötige, Miss Cauldwell. Ohne meine Zustimmung wird hier kein Stein mehr vermauert. Sie können telefonieren, mehr nicht. Der Rest Ihres Tages gehört mir, und wenn ich mit dem zufrieden bin, was Sie mir erzählen, kommen wir ins Geschäft. Wenn nicht, sind Sie draußen. Wie auch immer, hier wird sich einiges ändern.“

Georgia schnappte nach Luft. Das konnte ja heiter werden! „Wie Sie meinen, aber uns droht eine Konventionalstrafe und …“

„Nicht, wenn Sie die Arbeit einstellen. Das wäre unfair. Außerdem halte ich nichts von Konventionalstrafen. Wenn man seinem Personal vertraut, sind sie überflüssig.“

Ihre Augen wurden groß. „Kann ich das schriftlich haben?“

Zu ihrem Erstaunen lachte er. Es veränderte sein Gesicht völlig, ließ die harten Züge weicher erscheinen und die Augen leuchten. Und der Mund – dieses langsame, lässige Hochziehen eines Winkels …

„Das können Sie. Lassen Sie uns noch mal von vorn anfangen.“ Er streckte die Hand aus. „Nick Barron. Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Miss Cauldwell.“

„Bitte nennen Sie mich Georgia.“ Sie legte ihre Hand in seine und wünschte, sie hätte sie heute früh eingecremt.

Und dann vergaß sie alles bis auf seinen festen Griff, die Wärme seiner Finger und die plötzliche Kälte, als er sie losließ.

„Gern. Ich nehme an, Sie wollen jetzt, dass ich einen dieser dämlichen Helme aufsetze und eines dieser Schilder trage, auf denen ‚Besucher‘ oder so etwas steht.“

„Ja“, erwiderte sie mit klopfendem Herzen und dachte nicht mehr daran, dass sie den Mann noch vor wenigen Minuten mit einem Fußtritt von der Baustelle hatte befördern wollen! Er gab ihr eine Chance, die letzte Chance, die Pleite abzuwenden und die Würde und die Firma ihres Vaters zu retten. Georgia war fest entschlossen, sie zu nutzen.

Daher straffte sie die Schultern, schenkte Nick Barron ein gewinnendes Lächeln und zeigte zum Büro. „Gehen wir und rüsten Sie aus, und dann können wir mit der Besichtigung beginnen.“

Es war verblüffend.

Nick stand auf etwas, das in besseren Zeiten wahrscheinlich mal ein satter Rasen gewesen war, blickte aufs Meer hinaus und lauschte der Brandung am Strand unter ihm. Sie krachte gegen die Wellenbrecher und schleuderte Gischt auf die Promenade, während der salzige Wind an seinem Haar zerrte und ihm das Gefühl gab, endlich wieder richtig zu leben. 

Er lachte vor Begeisterung, und als er sich zu Georgia umdrehte, sah er, dass sie ihn nachdenklich musterte.

„Was ist denn?“

„Sie lieben es auch – das Meer“, sagte sie mit Nachdruck, als wäre es ihr wirklich wichtig, und er nickte.

Autor

Caroline Anderson

Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills & Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.

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