Sinnliche Blume von Hongkong

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Lord Henry zögert keine Sekunde, die Wette der entzückenden Diebin Isabella anzunehmen: Wenn er sie auf frischer Tat ertappt, gewährt sie ihm jeden Wunsch. Plötzlich hat die herbstliche Ballsaison in Hongkong einen ganz neuen Reiz für den Frauenhelden ...


  • Erscheinungstag 25.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746629
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die Position, in der Isabelle Lei Hennessey unter dem Sims des großen Fensters kauerte, war alles andere als angenehm, und sie wagte kaum zu atmen, während sie wartete. Die Sonne war fast untergegangen, doch ihre letzten Strahlen warfen ihr Licht noch immer auf die Häuserwände und in die engen Gassen. Isabelle war darauf bedacht, sich im Schatten der kunstvoll in Form geschnittenen, großen Sträucher zu halten. Sie war ganz in Schwarz gekleidet – in einen Anzug aus geschmeidiger Seide, der sich wie eine zweite Haut an ihren kurvigen Körper schmiegte und ihr größtmögliche Bewegungsfreiheit gewährte. Außerdem erlaubte er ihr, sich völlig lautlos zu bewegen. Sollte man sie entdecken, würde ihr Aufzug im viktorianischen Hongkong größten Anstoß erregen. Allerdings wäre ein rufschädigender Skandal vermutlich noch ihr geringstes Problem, wenn jemand den Grund herausfinden sollte, aus dem sie dieses sinnlich geschnittene Kleidungsstück trug …

Doch so bequem und praktisch ihre ungehörige Bekleidung auch war, sie linderte nicht den Krampf, den sie in ihrem rechten Bein spürte.

Natürlich – ausgerechnet heute verspäten sie sich, schimpfte sie innerlich.

Dann – endlich – verrieten ihr die schlurfenden Schritte der Träger die Ankunft der Sänfte. Sie duckte sich noch tiefer in ihr Versteck und beobachtete, wie Familie Wilkinson aus ihrer luxuriösen Villa trat. Mrs Wilkinson war eine zierliche Frau, die mit ihrem schmalen Gesicht an einen Vogel erinnerte. Ihr Gatte hingegen war so rundlich, wie ein Mann nur sein konnte. Isabelle beobachtete, wie er unbeholfen in die Sänfte stieg, die ächzend heruntersank, während sich die chinesischen Träger angestrengt bemühten, das unerwartete Gewicht zu stemmen.

„Oh, das ist völlig unmöglich!“

Isabelles Blick flog zu der jungen Miss Wilkinson, der Tochter des Hauses, deren Gesicht sich rasch vor Ärger rötete. Die wenig attraktiven Falten, die sich um ihren Schmollmund gruben, boten einen scharfen Kontrast zu ihrer prächtigen, eleganten Abendrobe. Vermutlich will sie sich heute Abend einen der neu eingetroffenen, reichen Junggesellen angeln, dachte Isabelle.

„Was um Himmels willen ist los, Liebes?“, fragte Mrs Wilkinson, die es sich bereits neben ihrem Gatten in der Sänfte bequem gemacht hatte.

Miss Wilkinson stemmte ihre behandschuhten Fäuste in die Hüften und wirkte wie ein trotziges kleines Kind. Sie deutete anklagend auf die Sänfte.

„Diese dummen Kulis haben eine Bambussänfte gebracht“, verkündete sie und stampfte mit dem Fuß auf. „Eine Bambussänfte! Darin kann ich mich unmöglich sehen lassen. Wo ist die schwarz lackierte Sänfte, die wir sonst benutzen?“ Empört rang sie die Hände. „Wenn er mich nun darin sieht?“

„Er, Liebes?“ Ihre Mutter richtete resigniert den Blick gen Himmel. „Schluss jetzt. Steig ein, damit wir aufbrechen können. Wir werden ohnehin bereits verspätet zum Herbstball des Gouverneurs eintreffen.“

Mit einem wütenden Schnauben kletterte Miss Wilkinson in die Sänfte und verschränkte die Arme. Und endlich setzten sich die Träger in Bewegung, um die Wilkinsons durch die engen, sich windenden Gassen hinauf zur Mountain Lodge zu bringen, die auf dem Gipfel des Victoria Peak lag. Erleichtert atmete Isabelle aus und nahm das Fenster genauer in Augenschein. Mit einer schnellen Drehung des Handgelenks holte sie ein kurzes, scharfes Messer hervor, schob die Klinge vorsichtig zwischen den Holzrahmen und das Mauerwerk und begann das verrottende Holz zu bearbeiten. Es kam einem kleinen Wunder gleich, dass die Wilkinsons den Auswirkungen der feuchten, subtropischen Hitze auf viktorianische Häuser keine Beachtung schenkten. Innerhalb weniger Minuten hatte sie genug Holz entfernt, um das Fenster aufhebeln zu können. Mit einem leisen Knarren schwang es auf. Schnell und lautlos wie ein Schatten schlüpfte Isabelle ins Haus.

Mit katzengleicher Anmut bewegte sie sich durch das dämmrige Zimmer zur Tür, wo sie innehielt und lauschte. Sie hörte die Dienstboten unbekümmert plaudern. Offenbar hatten sie sich, da ihre Herrschaft den ganzen Abend außer Haus war, zu einem Schwatz in der Küche getroffen. Vorsichtig versuchte Isabelle, knarrende Dielen zu vermeiden, schlich in die Halle, stieg die Stufen hinauf und stahl sich auf Zehenspitzen in Miss Wilkinsons Gemächer.

Dort stach ihr das, was sie suchte, sofort ins Auge.

Die prunkvolle, goldfarbene Seidenrobe hing nachlässig über einem Stuhl, ihr handbestickter Saum lag ausgebreitet wie eine Schleppe auf dem zerschlissenen Teppich. Wie einen alten Freund begrüßte Isabelle das Gewand und nahm es in ihre Arme. Das elegante Kleidungsstück war schwer und von unverkennbarer Pracht; ganz offensichtlich hatte es früher einmal einem Kaiser gehört. Sie ließ den glänzenden Stoff über ihre Haut gleiten und stellte sich vor, es sei die Liebkosung eines Liebhabers, denn gewiss fühlten sich die zärtlichen Hände eines Mannes ebenso herrlich sanft und weich an.

Nur einen Augenblick später, begleitet vom leisen Rascheln der Seide, schlüpfte Isabelle – die berüchtigtste Diebin von Hongkong – wieder aus dem Haus und verschwand in der Nacht.

2. KAPITEL

Der Herbstball war bereits in vollem Gange, als Isabelle in Mountain Lodge, der Residenz des britischen Gouverneurs in Hongkong, ankam. Das Licht aus dem Ballsaal strahlte aus den großen Fenstern und zeichnete helle Rechtecke auf den gepflegten Rasen. Isabelle stahl sich von Schatten zu Schatten, als sie den Hügel zum Herrenhaus hinaufeilte. Dort angekommen, drückte sie sich an die Außenmauer und zog sorgfältig die Seidenmaske zurecht, die die untere Hälfte ihres Gesichts verbarg. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn man sie so kurz vorm Beenden ihrer Mission noch ertappte.

Sie schlüpfte durch das dunkle Fenster eines Gästezimmers – das, wie sie wusste, unbewohnt war – ins Haus. Das wertvolle Bündel trug sie noch immer in ihrem Arm, als sie leise durch den Raum schlich und die schwere Eichentür öffnete, die auf den Korridor hinausführte. Unerwartet traf ein Lichtstrahl ihr Gesicht. Isabelle kniff erschrocken die Augen zusammen, verfluchte im Stillen ihr Pech und huschte mit leisen Schritten durch den Gang des Gästeflügels, der zu den Gemächern der Familie führte. Sie wollte gerade um eine Ecke biegen, als Stimmen an ihr Ohr drangen, zwar nicht nahe genug, um ihr gefährlich zu werden, dennoch verbarg sie sich eilig in einer Nische und lauschte angestrengt.

„Man behauptet, Lord Henry James sei ein verwegener, unverbesserlicher Schürzenjäger.“ Die dröhnende, tiefe Bassstimme gehörte unverkennbar dem Gouverneur.

„Ja, das Gerücht habe ich auch gehört“, antwortete sein Sohn Arthur lachend. „Aber sein Vater, der gute Duke, hat gedroht, ihn zu enterben, sollte ihm ein weiterer Skandal zu Ohren kommen. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass man Lord James aufgetragen hat, sich während seines Aufenthalts hier in Hongkong auf Brautschau zu begeben.“

„Und du glaubst, er findet die passende Partie in unserer Familie?“, fragte der Gouverneur zweifelnd.

„Warum nicht? Unser Stammbaum ist recht eindrucksvoll, zudem würde eine Verbindung mit unserer Familie dem Duke Einfluss in Ostasien verschaffen. Und vergiss nicht, meine Schwester ist eine beeindruckende Schönheit“, sagte Arthur.

„Ein profitables Geschäft für beide Seiten“, stimmte der Gouverneur zu. „Sollen wir den jungen Lord James wecken, damit er am Ball teilnehmen kann?“

Ihre Stimmen wurden lauter, ihre Schritte näherten sich. Isabelle konnte nicht länger warten. Die Vorstellung, entdeckt zu werden, ließ ihr Herz wie wild schlagen, als sie den Flur hinunterlief, weiter in den Gästeflügel hinein. Sie bog hastig um eine weitere Ecke, geriet auf dem weichen, dichten Flor des Teppichs ins Rutschen – und prallte direkt an die Brust eines Mannes. Der unerwartete Anblick ließ sie die beiden Männer hinter sich völlig vergessen, und sie wich erschrocken zurück.

Auch er blickte sie entsetzt an. Überrascht riss er die Augen auf, während er mit den Fingern an den unteren Knöpfen seines offenen Hemdes nestelte. Sein braunes Haar war zerzaust, sein Atem kam keuchend, offensichtlich hatte er gerade eine anstrengende – und womöglich ungehörige – Tätigkeit beendet. Unwillkürlich schweifte Isabelles Blick von seinem markanten Kinn zu der nackten, muskulösen Brust, die wie gemeißelt schien. Erstarrt blickten die beiden einander an, bis das Ächzen eines Dielenbrettes sie aufschreckte.

Isabelle wurde bewusst, dass sie in der Falle saß, denn nun war ihr der Fluchtweg nach beiden Seiten versperrt. Panik stieg in ihr auf und schnürte ihr die Kehle zu. Die Schritte ihrer nichtsahnenden Verfolger näherten sich unerbittlich. In ihrer Verzweiflung entschloss sie sich, einen Sprung zur Seite zu machen und an dem Fremden vorbeizulaufen. Doch bevor sie sich bewegen konnte, spürte sie, wie er sie mit seinen kräftigen Händen festhielt. Ein plötzlicher Ruck brachte sie aus dem Gleichgewicht; sie stolperte zur Seite und fand sich gleich darauf hinter den schweren Damastvorhängen eines Fensters wieder – eisern umschlungen von den starken Armen des Fremden. Verstohlen schaute sie ihm ins Gesicht, ihre Blicke begegneten sich. Als sie in seine schiefergrauen Augen sah, verstand sie, was er vorhatte, und als er sich vorbeugte und ihr sanft zwei Finger auf die Lippen legte, wurde aus ihrer Ahnung Gewissheit. Sie nickte, senkte den Kopf und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das ihren Körper ergriff.

Nie zuvor war Isabelle einem Mann so nahe gewesen, die ungewohnte Berührung ließ sie zutiefst erröten. Mit jedem schnellen Atemzug, den sie tat, inhalierte sie seinen herben Duft, in dem sich Schweiß und würziges Zedernholz mischten. Sie spürte jeden Muskel seines harten Körpers. Sie konnte sogar das Klopfen seines Herzens unter ihren Handflächen fühlen.

Reglos verharrte Isabelle und lauschte den Schritten der Männer, die sich beständig näherten. Die Schultern des Fremden bebten immer noch von seiner kürzlichen Anstrengung und verursachten ein verräterisches Rascheln der Vorhänge. Darauf bedacht, den Stoff, der sie verbarg, nicht noch weiter in Bewegung zu versetzen, hob Isabelle langsam eine Hand an seine Wange, damit er seine Aufmerksamkeit auf sie richtete. Er wirkte erstaunt, als sie ihre Brust an seine drückte und ihre schlanken Finger auf seine Schultern legte. Dann atmete sie tief ein und langsam wieder aus. Mit ihren leuchtenden grünen Augen, die selbst im Dämmerlicht strahlen mussten, flehte sie ihn stumm an, es ihr gleichzutun. Ihr Atem wurde weich, ruhig und leise. Er folgte ihrer Führung, atmete im gleichen Rhythmus wie sie, und seine Brust hob und senkte sich mit der ihren.

Sie hörte, wie die Männer an ihrem Versteck vorübergingen, doch dann blieben sie überraschend stehen. Einer der beiden klopfte dreimal laut an eine Tür.

„Lord James?“, rief der Gouverneur und klopfte erneut. „Lord James?“

Autor

Linda Skye
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