Spätere Heirat nicht ausgeschlossen

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Was hat Jackson sich da bloß eingebrockt? Spontan hat der überzeugte Junggeselle behauptet, er würde seine Nachbarin Phoebe heiraten. Natürlich nur, um ihr damit einen Gefallen zu tun! Doch je länger er so tut, als wären sie ein verliebtes Paar, desto stärker begehrt er die bezaubernde Phoebe tatsächlich ...


  • Erscheinungstag 22.04.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777265
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als Phoebe Finley zum ersten Mal in ihrem Leben das Verlangen spürte, die großen drei Worte zu sagen, war die Situation so gut wie perfekt dafür. Es war eine lauschige Augustnacht. Der Mond stand rund und hell am Himmel, und die Sterne glitzerten wie frisch poliert. Eine warme Brise trug den Duft von Jasmin durch das offene Fenster im dritten Stock und spielte mit der weißen Spitze auf Phoebes ärmellosem Nachthemd aus Batist. Grillen sorgten mit ihrem rhythmischen Zirpen für ein nächtliches Konzert. Es war der Pulsschlag eines einzigartigen Augenblicks.

Phoebe stand in ihrem Schlafzimmer und hielt Rex eng umschlungen. Das Gefühl kam wie aus dem Nichts, überwältigte sie und füllte ihr Herz, bis sie die Worte einfach sagen oder platzen musste. „Ich glaube, ich lie…“

Nein! Ihr Mund schloss sich fest und hielt den gefährlichen Satz auf. Sie durfte so etwas nicht denken und schon gar nicht aussprechen.

Rex schaute sie nur an, und sie begriff, dass sie längst verloren war.

„Ich werde deinen Vater finden“, sagte sie laut zu dem zwei Monate alten Jungen in ihren Armen. Er war ihr kleiner Neffe, der Sohn ihres Stiefbruders. „Ich muss ihn finden, bevor du mich endgültig um den Finger gewickelt hast.“

Sie hielt das Kind an sich gedrückt, stieg aus ihrem Bett und ging ins Wohnzimmer. An das Kinderbett, das dort in der Ecke stand, verschwendete sie keinen Blick. Rex war eine Nachteule, genau wie sein Vater.

Auf dem kleinen Esszimmertisch standen der Computer, den sie für ihre Arbeit als medizinische Dokumentarin benutzte, ein Drucker und ein Telefon. Das Baby fest im Arm, nahm sie den Hörer und wählte mit dem Daumen die Nummer ihres jüngeren Stiefbruders.

„Bitte, bitte geh ran“, flüsterte sie. In den vergangenen vierzehn Tagen war Rex’ Vater kein einziges Mal ans Telefon gegangen, aber Phoebe war von Natur aus optimistisch, und diesmal hatte sie es wirklich nötig.

Als sie das Klicken in der Leitung hörte, setzte ihr Herz einen Moment lang aus. „Teddy …“

Eine Automatenstimme unterbrach sie. „Der Teilnehmer ist nicht bekannt oder nicht erreichbar.“

„Was?“ meinte Phoebe entsetzt.

„Bitte überprüfen Sie die Nummer, und wählen Sie erneut.“

„Okay, okay.“ Phoebe atmete tief durch, unterbrach die Verbindung und versuchte es noch einmal.

Beim zweiten Mal klang die Blechstimme nicht weniger geduldig. „Bitte überprüfen Sie die Nummer, und wählen Sie erneut.“

Phoebe unterdrückte ein Stöhnen. „Mach dir keine Sorgen“, sagte sie zu ihrem Neffen und legte den Hörer auf. „Und denk nicht, dass ich dich loswerden will. Es ist nur so, dass …“

… ich dich am liebsten gar nicht mehr hergeben möchte.

Oh, oh! Sie musste Rex’ Vater Teddy wirklich schnellstens ausfindig machen! Sonst verlor sie endgültig ihr Herz an diesen knuddeligen Winzling.

Vor zwei Wochen hatte Teddy das Baby bei ihr abgeladen. „Nur für den Nachmittag“, hatte er gesagt. „Ich brauche ein bisschen Zeit, um meinen Kopf zu sortieren.“

Sie war keineswegs überrascht gewesen, als er weder vor dem Abendessen noch danach wieder auftauchte. Rex’ Mutter, Teddys Freundin, war kurz nach der Geburt gestorben, und auf die Trauer war Teddy ebenso wenig vorbereitet gewesen wie auf seine plötzliche Rolle als allein erziehender Vater.

Doch dann hatte sie drei Tage lang mit allen Freunden oder Bekannten von Teddy, an die sie sich erinnern konnte, Kontakt aufgenommen. Niemand hatte eine Ahnung, wo er stecken könnte, und schließlich war sie in Panik geraten. Endlich hatte Teddy angerufen, als sie einmal für kurze Zeit nicht zu Hause gewesen war, und eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Es gehe ihm gut, und er sei sicher, auch Rex ginge es gut. „Nur ein bisschen mehr Zeit“ wolle er. „Vielleicht einen Monat.“ Und danach würde er beschließen, was er wegen des Babys tun wolle.

Phoebe machte die Augen zu und drückte Rex an sich. Beschließen wollte er dann, was zu tun sei. Dabei musste jetzt sofort etwas geschehen!

Nur eine Person hatte sie bisher noch nicht erreichen können – Natalie Minton, eine Schulfreundin von Teddy. Entschlossen wählte Phoebe trotz der späten Stunde noch einmal die Nummer und schaukelte dabei Rex, der unruhig zu werden begann.

Diesmal hob nach einer Weile tatsächlich jemand ab. „Hallo?“

„Natalie, hier ist Phoebe Finley, Teddys Schwester. Tut mir Leid, dass ich dich so spät noch anrufe, aber hast du Teddy in der letzten Zeit getroffen?“

„Was?“

„Teddy“, wiederholte Phoebe, während sie sich hin und her wiegte, weil Rex zu weinen begann. „Ich suche Teddy.“

„Wer schreit denn da?“

Phoebe schluckte. „Rex. Du weißt schon, Teddys Baby. Hast du ihn gesehen?“

Nach einer Pause sagte Natalie verschlafen: „Hatte Teddy ihn nicht zu Angelas Beerdigung mitgebracht?“

Rex weinte lauter, und Phoebe hob ihn an ihre Schulter. „Nein, Natalie“, sagte sie geduldig, „Ich möchte wissen, ob du Teddy gesehen hast.“

Die Stimme klang auf einmal etwas wacher. „Was denn, er ist einfach abgehauen? Und hat das Kind wirklich bei dir abgegeben?“

Dass Natalie die Situation sofort begriff, machte Phoebe stutzig. „Hat er denn mit dir darüber gesprochen?“

„Und ob. Er war ganz sicher, dass du das Baby nehmen würdest. Er dachte sogar daran, es dir ganz zu überlassen.“

Als ob er das Gespräch verstünde, begann Rex jetzt lauthals zu schreien. Phoebe streichelte ihm beruhigend den Rücken und schloss die Augen. „Noch irgendwas, Natalie?“ fragte sie mit erhobener Stimme, um das Babyschreien zu übertönen. „Hat er noch mehr gesagt, oder weißt du, wo er sein könnte?“

„Nein, keine Ahnung.“

Offenbar wusste Natalie wirklich nichts weiter. Also verabschiedete Phoebe sich schnell, um Rex wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen. Sie begann, mit ihm auf und ab zu gehen. Inzwischen wusste sie, dass er sich erst beruhigen würde, wenn sie unermüdlich Runde um Runde mit ihm durch die Wohnung wanderte. Kilometer würde sie heute Nacht noch zurücklegen müssen.

Er dachte sogar daran, es dir ganz zu überlassen.

Während Rex sich allmählich beruhigte, begriff Poebe erst richtig, was Natalies Worte bedeuteten.

War das wirklich sein Ernst?

Und was, wenn es so wäre?

Wäre es nicht vielleicht sogar machbar? Ihre Arbeitszeit war sowieso flexibel, konnte also leicht an den Tagesrhythmus des Babys angepasst werden. Sie könnte ihren College-Abschluss auf später verschieben oder sich um Tagespflege auf dem Campus bemühen. Vorlesungen hatte sie ohnehin nur zweimal pro Woche. Und da die Vermieterin und einige Nachbarn alles andere als begeistert davon waren, wie gut man hier eine Babystimme durch die dünnen Wände hörte, schien es ratsam, sich möglichst selten mit Rex in der Wohnung aufzuhalten.

Allerdings war da noch ein anderer Aspekt, den es zu bedenken galt. Wenn sie die Verantwortung für ein Kind übernahm, würde sie romantische Beziehungen vorerst hintanstellen müssen. Diesbezüglich hatte sie ohnehin ziemlich altmodische Vorstellungen – sie wartete auf den Mann, bei dem es „klick“ machte. Einen Mann, der nur aufzutauchen brauchte, und ihr Herz und ihre Seele würden ihn sofort erkennen. Zweifellos würde das schwierig werden, wenn sie stets Rex bei sich hatte.

Natürlich war sie schon öfter mal mit jemandem ausgegangen. Doch sie war entschlossen, jene Art von Liebe zu finden, die ihre Mutter bei ihrem Stiefvater gefunden hatte. Und leider gab es für sie bisher nicht viel Grund zur Hoffnung. Dabei war sie schon vierundzwanzig. Doch nun war da Rex, und er brauchte sie. Jetzt.

Als ob das Baby mit dem Ergebnis ihres Gedankengangs zufrieden war, fielen ihm die Augen zu, und seine erstaunlich langen, gebogenen Wimpern legten sich über seine zarten Wangen.

Da sie ihn lieber noch nicht ins Bettchen legen wollte, setzte Phoebe sich vorsichtig auf das kleine geblümte Sofa. Trotz ihrer Müdigkeit bestaunte sie einmal mehr das Wunder Baby, und das gefährliche Gefühl erfüllte erneut ihr Herz.

Rex wimmerte ein wenig im Schlaf, und Phoebe drückte ihn leicht an sich. „Ich liebe dich“, sagte sie und ließ die Worte endlich heraus. „Ich bin ja da.“

Dann gestattete sie es sich, noch etwas Großes und Wichtiges zu sagen, obwohl es jede Menge Probleme geben würde, ihre Gefühle in die Tat umzusetzen: „Mami ist da.“

Nebenan weinte schon wieder das Baby. Jackson Abbott versuchte, das jammervolle Geschrei zu ignorieren und wieder einzuschlafen.

Es ging nicht.

So ziemlich jeder Laut drang durch die dünne Wand zwischen seiner Wohnung und der nebenan. Mal war es das Babygeschrei, mal die irritierend sanfte Stimme der Nachbarin, die das Baby geduldig tröstete.

Eine warme Nachmittagsbrise bauschte die Musselinvorhänge seines Schlafzimmers auf und ließ dann wieder nach, sodass der Stoff zurückfiel. Das half auch nicht gerade beim Einschlafen.

Wieder bohrte sich das Weinen durch die Wand. Wer auch immer für die Unterteilung des alten dreistöckigen Gebäudes in mehrere Wohnungen verantwortlich war, hatte dabei sehr gespart. Jackson hatte mit der Eigentümerin des Hauses zwar einen Mietvertrag ausgehandelt, der von Monat zu Monat verlängert werden musste, weil das für ihn am günstigsten war. Aber das Haus war wirklich nicht so gebaut, dass es auf Dauer den Bedürfnissen eines Mannes entsprach, der arbeitete, wenn die anderen schliefen, und schlafen musste, wenn andere ihrem Tageswerk nachgingen.

Das Baby weinte weiter, und Jackson seufzte. Es ging weniger um die Lautstärke als um das Kind selbst – Jackson hatte eine Schwäche für Babys.

Dieses hier weckte außerdem seine Neugierde. Er war seit einem Monat hier in Strawberry Bay, und er sollte noch fünf Wochen bleiben. Zuerst war seine Nachbarin erfreulich leise gewesen. Die meiste Zeit des Tages hörte er gar nichts, nur hin und wieder führte sie ein Telefongespräch.

Dann, so etwa vor vierzehn Tagen, war das Baby in ihr Leben getreten.

Und in seins.

Er schlug auf das Kopfkissen und versuchte, das verdammte Ding etwas weicher zu machen, während das Baby weiter jammerte. Wo war es nur hergekommen? Er hatte seine Nachbarin ein paar Mal kurz zu Gesicht bekommen. Sie hatte nicht schwanger ausgesehen. Wenn die moderne Medizin nicht irgendein unerhörtes Schnellverfahren entwickelt hatte, konnte das Kind nicht ihr eigenes sein.

Doch was ging ihn das alles an? Er musste schlafen. Sonst war er heute Nacht bei der Arbeit nicht zu gebrauchen.

Die Nachtschicht war besonders anstrengend, dennoch war er seit zwei Jahren dabei. Das würde auch für unbestimmte Zeit so bleiben. Zwischen neun Uhr abends und fünf Uhr früh war die einzig mögliche Zeit, die Highways in Kalifornien abzusperren. Dann gingen er und seine Männer an die Arbeit, um die Brücken zu verstärken, damit diese den zukünftigen Erdbeben besser standhalten konnten.

Das Baby weinte und weinte. Und stets bildete die sanfte Stimme seiner Nachbarin den Kontrapunkt dazu, sanft und tröstend. Es musste ein noch sehr kleines Baby sein. Vermutlich litt es an Blähungen. Jackson kannte sich da aus.

Er riss entnervt die Augen auf und starrte an die Decke.

Die Vorhänge blähten sich wieder. Das Baby weinte. Die Frau sprach mit sanfter Stimme. Es gab sieben Haarrisse in der Zimmerdecke. Das Baby weinte.

Sicher, er hätte längst nach nebenan gehen und sich beschweren können. Aber er zog es vor, für sich zu bleiben – er vermied Auseinandersetzungen so beharrlich wie Bindungen. Das Leben funktionierte für ihn besser auf diese Weise.

Er funktionierte besser so.

Das Baby weinte. Jackson wälzte sich auf den Bauch und zog sich das Kissen über den Kopf.

Er würde sich nicht darauf einlassen. Nicht auf das Baby, nicht auf die Frau. Er ließ sich nie auf andere Menschen ein.

Als Jackson am nächsten Morgen um halb acht seinen schweren Arbeitsstiefel aufschnürte, weinte das Baby wieder – oder immer noch. Es ließ sich nicht ignorieren. Und das nach der durchgearbeiteten Nacht und einer Extrastunde in der heißen Blechkiste von Büroanhänger, wo er noch einen Bericht geschrieben und zum Firmensitz in Los Angeles gefaxt hatte.

Jackson schloss die Augen, warf den Stiefel auf den Boden und ließ sich rücklings auf die Matratze fallen. Er hatte gestern nicht viel geschlafen, und angesichts des Weinens nebenan war es unwahrscheinlich, dass er heute mehr Glück hatte. Die Stimme der Frau begann zu murmeln, aber das Baby ließ sich nicht beschwichtigen.

Schluss jetzt! Jackson setzte sich auf und zerrte ungeduldig an den Schnürsenkeln seines zweiten Stiefels. Er musste dringend schlafen. Wenn er nicht genug Schlaf bekam, fing er noch an, über Dinge nachzudenken, die er vergessen wollte. Der Stiefel fiel zu Boden, und das Poltern übertönte beinahe den Lärm von nebenan.

Weinendes Baby. Sanfte Frauenstimme.

Das Baby wurde noch lauter. Die Stimme der Frau begann besorgt zu klingen, und Jackson verlor die Nerven. Er brauchte Ruhe!

Seine Füße glitten zurück in die Stiefel, und mit entschlossenen Schritten ging er zur Wohnungstür. Er öffnete sie und starrte auf die Tür nebenan. Hier draußen auf dem Gang war alles genauso deutlich zu hören wie hinter ihm in der Wohnung.

Kontakt aufnehmen zu müssen, war mindestens genauso schlimm wie der Lärm. Doch er riss sich zusammen – schließlich hatte er sich seinen Schlaf verdient! – und klopfte.

Als die Tür aufging, hob Jackson erstaunt die Augenbrauen. Es mochte die richtige Wohnung sein. Die richtige Frau war es auf gar keinen Fall.

Doch sie hatte ein weinendes Baby auf dem Arm, versuchte, es mit jener sanften, ihm nur allzu vertrauten Stimme zu beruhigen, und sah ihn dabei fragend an. Ihre Augen erinnerten ihn an das Blaugrau des Himmels bei Sonnenaufgang und die dunklen Wimpern an die Nacht, in der er sich so zu Hause fühlte.

Poesie. Sie brachte ihn dazu, wie ein verdammter Dichter zu denken! Es war nicht zu fassen.

„Ja?“ fragte sie vorsichtig.

Er starrte sie an, unfähig, etwas zu sagen. Sicher, ihre Augen waren schön, und ihre Stimme kannte er längst. Dennoch …

Sie trug ein schlichtes geblümtes Kleid und Sportschuhe. Langes dunkles Haar fiel ihr in Wellen über die Schultern. Er sah weich gewölbte Wangen, zarte Haut und einen Mund, der aussah, als wäre er eben erst geküsst worden. Dabei wäre Jackson jede Wette eingegangen, dass diese Lippen unberührt waren.

Sie warf ihm einen nervösen Blick zu und begann, das noch immer weinende Baby sanft zu schaukeln. „Ja?“ fragte sie noch einmal.

Er sah zu, wie anmutig sie sich in den Hüften wiegte, und vergaß zu denken. Hinter ihr sah er im Wohnzimmer auf einem kleinen Esstisch einen Laptop, und in der Küche eine Kasserolle mit einer Nuckelflasche darin. Anders als seine eigene, in nichts sagendem Weiß gehaltene Wohnung war ihre in einem sanften Pfirsichton gestrichen. Fünf oder sechs gerahmte Familienfotos hingen an einer der Wände.

Die Familienfotos brachten ihn wieder zu sich. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, möglichst einschüchternd auszusehen. „Hören Sie …“, begann er mit grollender Stimme. Er deutete auf seine halboffene Tür und wollte gerade weiterreden, da lächelte die junge Frau ihn plötzlich an.

„Sie sind mein Nachbar!“ rief sie erleichtert.

Aus irgendeinem Grund dachte er wieder an einen Sonnenaufgang. Er sah, wie sie ihm ihre Hand entgegenstreckte und noch strahlender lächelte. Sie winkte ihn zu sich in die Wohnung. „Kommen Sie nur, kommen Sie herein!“ Sie trat zurück und streichelte dabei die ganze Zeit das weinende Baby.

Ihre Freundlichkeit nahm ihm völlig den Wind aus den Segeln.

Er folgte ihr zögernd und fluchte im Stillen. Es wäre besser gewesen, seine Beschwerde auf neutralem Boden außerhalb der Wohnung vorzubringen. „Jackson Abbott“, stellte er sich kurz vor. „Ich bin gekommen, weil …“

„Sie glauben ja nicht, wie sehr ich mich freue!“ Sie gab dem Baby einen Schnuller, den es aber nicht annehmen wollte. „Ich hatte eigentlich vor, mich vorzustellen, als sie hier einzogen.“ Wenn sie lächelte, bildete sich ein Grübchen in einer ihrer Wangen. „Ich heiße Phoebe Finley.“

Sie begann erneut, sich hin und her zu wiegen, um das Baby zu beruhigen. Wieder verpasste er deshalb den richtigen Moment, sein Anliegen vorzubringen.

„Und ich wollte mich bei Ihnen bedanken“, fuhr sie fort.

Was? Bedanken wollte sie sich?

Sie hielt im Wiegen inne und hob das Baby höher. „Wie Sie sehen, war ich beschäftigt.“

Jetzt oder nie, dachte Jackson und war drauf und dran, endlich seine Beschwerde loszuwerden. Aber so, wie sie das Baby jetzt hielt, bekam er es zum ersten Mal richtig zu sehen. Anstatt sich zu beschweren, betrachtete er es. Es verstummte und betrachtete ihn ebenfalls.

Unwillkürlich sprach er es an: „Hey, Klein…“, er sah genauer hin und versuchte, aus der dicken Windel klug zu werden, „…es.“

Das glückliche Grübchen erschien wieder auf Phoebes Wange. Anscheinend mochte sie Männer, die mit Babys sprachen. „Das ist Rex, der kleine Sohn meines Bruders.“ Sie trat einen Schritt näher, ihr Ton wurde vertraulich. „Und der Grund, warum ich mich bei Ihnen bedanken muss.“

„Bedanken? Wofür denn?“ fragte Jackson mürrisch und bemühte sich, weder sie noch das Baby anzusehen.

„Dafür, dass Sie sich nicht über den Lärm beschwert haben, natürlich.“

„Über den Lärm?“ wiederholte er.

Das Baby begann nun doch wieder zu weinen. Sie legte es an ihre Schulter. Es beruhigte sich nicht. „Das müssen Sie gehört haben“, sagte sie.

„Oh, ja“, erwiderte Jackson schwach.

„Wissen Sie, alle anderen beschweren sich nämlich. Dank Ihnen konnte ich immer wieder sagen, dass es so schlimm nicht sein kann, wenn es Sie nicht stört.“

Jackson schluckte. Warum um alles in der Welt war er nicht gleich am ersten Tag hergekommen und hatte einen Aufstand gemacht? „Ist Ihr … Ihr Bruder für eine Weile bei Ihnen zu Besuch?“ fragte er hoffnungsvoll.

Ein seltsamer Ausdruck erschien kurz auf ihrem Gesicht. „Na ja, … äh … nein. Nur Rex. Wenigstens für den kommenden Monat. Vielleicht länger.“ Sie schien die Verwirrung von seinem Gesicht abzulesen. „Es ist ein bisschen … kompliziert. Rex’ Mutter starb gleich nach seiner Geburt, und mein Bruder braucht ein wenig Zeit für sich. Ich … helfe aus.“ Sie hauchte einen sanften Kuss auf den Kopf des Babys.

Ihre Augen hatten nicht den Ausdruck einer „Aushilfe“. Aber er war nicht hier, um darüber zu urteilen – oder um gar Gefallen an dieser Angelegenheit zu finden! Obwohl er immer noch von diesem unschuldigen und dabei so sinnlichen Mund fasziniert war …

Ihr Ton wurde wieder vertraulich, und sie lächelte glücklich. „Sie sind so nett und verständnisvoll gewesen, dass ich es Ihnen als Erstem sagen möchte: Ich hoffe, Rex für immer bei mir behalten zu können.“

Er glaubte, sich verhört zu haben. „Bitte?“

Sie räusperte sich. „Na ja, mein Bruder ist momentan … von der Bildfläche verschwunden. Aber er wird zurückkommen, und dann werden wir das mit dem Sorgerecht regeln.“

Jackson öffnete den Mund, um ihr zu sagen, dass es Happy Ends nur im Märchen gab. Menschen verschwanden meist auf Nimmerwiedersehen, entweder weil sie es so wollten, oder weil sie einem entrissen wurden. Mit seinen dreißig Jahren hatte er beides erlebt.

Aber dies war nicht seine Angelegenheit und schon gar nicht der Grund, warum er an ihre Tür geklopft hatte. „Hören Sie …“, begann er wieder.

Was sollte er jetzt sagen? Sollte er wirklich ihre naiven Träume wie eine Seifenblase zerplatzen lassen, indem er sich doch noch über das Kind beklagte? Er gestand sich seine Niederlage ein. Okay, er würde sich eben im nächsten Laden ein paar Ohrstöpsel besorgen …

Phoebe gestattete ihm jedoch keinen Rückzieher. Sie griff nach seinem Ärmel. „Wollten Sie etwas borgen?“ fragte sie laut, um das Babyweinen zu übertönen.

„Nur Ruhe“, murmelte Jackson.

„Zucker?“

Er zögerte noch eine Sekunde. „Richtig“, sagte er dann. „Ich wollte Zucker borgen.“

„Oh, kein Problem“, meinte Phoebe mit sonnigem Lächeln. Sie warf einen Blick in ihre Küche und sah dann das weinende Kind an.

Er verstand, was sie damit sagen wollte. Wie sollte sie Zucker holen und gleichzeitig das Baby trösten? Also meldete er sich seit schier unendlich langer Zeit mal wieder freiwillig zum Kinderhüten. „Geben Sie ihn mir“, bot er an.

Sie zögerte, kam aber anscheinend zu dem Schluss, der Kleine könne kaum noch unzufriedener werden. Vorsichtig reichte sie Jackson das Baby. Er hielt den Atem an, als er die warme, verletzliche Last in seinen Armen spürte.

Sofort hörte das Baby auf zu weinen. Seine dunklen Augen starrten zu Jackson herauf, während eines der beiden winzigen Fäustchen ungelenk in der Luft herumfuchtelte.

Wahrscheinlich war das Kind schlicht hingerissen von seinem ersten Kontakt mit einem überarbeiteten Mann, der dringend acht Stunden Schlaf benötigte. Doch auch nach ein paar Sekunden begann das Kind nicht wieder zu weinen. Die Bewegungen wurden stattdessen immer ruhiger, und als Jackson es etwas fester an seine Brust drückte, schien es … einzuschlafen?

Jackson schaute hinüber zu Phoebe. Sie starrte ihn ungläubig an.

Er war selbst völlig überrascht. Früher war er mit kleinen Kindern zwar gut zurechtgekommen. Doch dass vierzehn Jahre ohne Übung nichts daran geändert hatten, erschien auch ihm erstaunlich.

2. KAPITEL

Jackson hatte seine Stiefel ausgezogen und war beim Frühstücken, als es am nächsten Morgen an seiner Tür klopfte.

In aller Ruhe nahm er noch einen Schluck Cola, anstatt zur Tür zu gehen. Er hörte Rex schreien. Es war erst kurz nach sechs Uhr, aber er nahm an, dass das Baby schon länger missgestimmt war. Wieder klopfte es, ein Schlagzeugrhythmus zum Babygeschrei.

Natürlich war das Phoebe Finley mit dem Kind, und er hatte vor, sie zu ignorieren, bis sie wegging. Er wollte keine nähere Bekanntschaft mit ihr und dem Baby, das nicht ihres war, dem sie sich aber offensichtlich voller Hingabe widmete.

Er hörte Phoebes Stimme durch die billige Wohnungstür. „Jackson! Jackson! Bitte machen Sie auf! Ich brauche ganz dringend einen guten Nachbarn!“

Damit kann nicht ich gemeint sein, dachte er.

Doch dann rief sie allen Ernstes: „Hilfe!“

Sein Gehirn mochte nicht dumm sein – seine Füße waren es leider. Sie stemmten sich gegen den Boden, sodass er aufstehen musste. Sie zwangen ihn, zur Tür zu gehen. Und seine Hand zögerte nicht, zu öffnen. Das war ganz klar eine Verschwörung …

Er sah die dunklen Haarkaskaden, die flehenden blaugrauen Augen und auch die ebenmäßigen weißen Zähne, die sich verlegen in eine volle Unterlippe drückten. „Mein Retter!“ stieß Phoebe hoffnungsvoll hervor.

„Bin ich nicht.“ Er warf einen Blick auf Rex, dessen Kopf sich beim Klang seiner Stimme zu ihm drehte. „Was ist das Problem?“

„Mrs. Bee, unsere Vermieterin, und ungefähr zwei Drittel der Mieter. Rex ist seit vier Uhr wach und weint. Es gab wieder Beschwerden. Und Mrs. Bee fängt an, mir zu drohen.“

Jackson zog eine Grimasse. Die ältliche Vermieterin wirkte auf den ersten Blick wie eine niedliche Großmutter. Doch er wusste, dass sie streng und unerbittlich war. Dennoch fragte er nur: „Und?“

„Und ich dachte, dass Sie vielleicht wieder zaubern und Rex zum Einschlafen bringen können. Er muss erschöpft sein, und Sie haben gestern nur ein paar Sekunden dafür gebraucht.“

Es war Phoebe, die erschöpft aussah. Schatten umrandeten ihre Augen, die dadurch noch blauer wirkten. Aber Jackson ignorierte es. „Nein“, sagte er und schickte sich an, die Tür wieder zuzumachen. „Ich bin beim Frühstück.“

Autor

Christie Ridgway

Mit elf Jahren schrieb Christie ihren ersten Liebesroman. Der Held war ihr Teenageridol, die Heldin war natürlich sie selbst. Dieser erste Schreibversuch existiert noch, aber glücklicherweise lagert er in einer abgeschlossenen Holzkiste, zu der längst der Schlüssel verloren gegangen ist.
Am College machte Christie Ridgway ihren Abschluss in Englisch und arbeitete...

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