Tiffany Exklusiv Band 112

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KEINE FRAU FÜR EINE NACHT von LORI BORRILL

Als der Polizist Rick Marshall nach einem leidenschaftlichen One-Night-Stand erwacht, ist seine aufregende neue Bekannte Jessie plötzlich spurlos verschwunden – und mit ihr sein Auto, in dessen Kofferraum sich das Hauptbeweisstück eines Mordfalls befindet …

EIN HÖLLISCH HEISSER RITT von KIMBERLY RAYE

Ein One-Night-Stand – mehr soll Sabrina für den Womanizer Billy nicht sein. Denn für ihn zählt im Moment nur eins: Rodeo-Champion zu werden. Bis er den besten Sex seines Lebens mit Sabrina hat …

DER MANN VOM STRAND – EINE SÜNDE WERT von JOANNE ROCK

Ein Blick – und es gibt kein Zurück mehr. Sinnlich prickelt der Wind auf Ambers Haut, als sie gemeinsam mit dem attraktiven Fremden die Bar verlässt und an den Strand geht. Hemmungslos genießt sie ihren allerersten One-Night-Stand. Bis sie merkt, wer ihr Verführer wirklich ist …


  • Erscheinungstag 09.12.2023
  • Bandnummer 112
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516167
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lori Borrill, Kimberly Raye, Joanne Rock

TIFFANY EXKLUSIV BAND 112

1. KAPITEL

„Und, Sheriff? Noch weiter auseinander?“

Rick Marshall umfasste die Hüften des temperamentvollen Rotschopfes, der sich mit beiden Händen an der Schlafzimmerwand seiner Wohnung in San Francisco abstützte.

„Du solltest mich auf jeden Fall durchsuchen“, fuhr sie fort, blickte augenzwinkernd über die Schulter und presste, auf Zehenspitzen stehend, ihren Hintern gegen seinen Bauch. „Ich könnte ja etwas Gefährliches unter meinem Rock versteckt haben.“

Er neigte sich zu ihr, vergrub seine Lippen in ihren seidigen Locken und flüsterte: „Ich werde darauf zurückkommen.“

Sie lachte leise, und er hatte plötzlich den Duft süßer Früchte, das Aroma von Pfirsichen oder Erdbeeren in der Nase. Vielleicht war es auch der Duft der glänzenden tiefroten Kirsche, die sie heute Abend in der Bar derart lasziv zwischen ihren Lippen hatte spielen lassen, während sie ihn begehrlich angesehen hatte.

Rick war normalerweise eher zurückhaltend, doch nach einem so verdammt anstrengenden Arbeitstag und einer langen Zeit der Entbehrung spielte er diesmal nicht den Gleichgültigen. Die feurige Texanerin hatte Lust zu feiern, und er wollte in dieser Nacht endlich das tun, was er so lange vermieden hatte: Er wollte Spaß haben.

Aufreizend rieb sie ihren Po an ihm und spürte, wie sich seine Jeans zu spannen begann.

„Langsam, Jessie“, raunte er ihr ins Ohr. „Ich möchte nicht, dass diese Nacht so schnell zu Ende geht, wie sie begonnen hat.“ Er umfasste ihre Hüfte und sagte: „Mein bester Freund da unten hat lange nichts mehr erlebt.“

Sie drehte sich zu ihm, und in ihrem Blick lag plötzlich etwas Ernstes. Schließlich machte sie sich an seinem Gürtel zu schaffen.

„Na klar. Willst du mir etwa weismachen, dass bei einem so großen, gut aussehenden Mann in Uniform nichts los ist?“ Sie lächelte mild. „Du willst mich wohl für dumm verkaufen.“

Jessica Beane war alles andere als dumm, denn sonst hätte er sie nicht mit zu sich nach Hause genommen. Trotz ihrer kindlich wirkenden, sommersprossigen Nase und des zuweilen mädchenhaften Grinsens strahlte sie Reife und Erfahrenheit aus. Sie war also keinesfalls naiv, und das war alles, was er für diese Nacht wollte.

„Bleib ruhig bei deiner Meinung“, sagte er, nahm ihr Gesicht in beide Hände und presste seine Lippen genüsslich auf ihren Mund.

Sie fühlte sich wunderbar an und schmeckte honigsüß. So etwas hatte er lange vermisst. In letzter Zeit war er fast rund um die Uhr mit der Aufklärung von Tötungsdelikten beschäftigt, war seit Nats Tod Workaholic und wie besessen davon, so viele Verbrecher wie möglich zur Strecke zu bringen. Wie viele Körper hatte er schon tot herumliegen sehen, Menschen, die einfach so ihr Leben hatten lassen müssen.

Und du hast es nicht verhindern können, Kumpel!

Er atmete schwer und sog den würzigen Duft ihrer Haare ein. Zu gerne wollte er seine quälenden Gedanken abschütteln, wieder eine andere als nur die dunkle Seite des Lebens wahrnehmen. Zärtlich streifte er ihre warme, weiche Brust und erschauerte. Endlich spürte er wieder, wie lebendig und voller Leidenschaft er war. Als er am Abend in Scottys Bar gegangen war, hatte ihm nicht der Sinn nach einem sexuellen Abenteuer gestanden, doch dann hatte er Jessie mit ihren sündroten Kirschen gesehen, und er hatte nicht widerstehen können.

Ein One-Night-Stand war jetzt genau die richtige Medizin für ihn.

Sie hatte derweil seinen Gürtel geöffnet und machte sich weiter unten zu schaffen. Zunehmend ungestüm öffnete sie die Knöpfe seiner Jeans, während beide sich gierig küssten.

Von Jessies Tempo ein wenig überrascht, hielt er inne und fragte: „Warum so eilig, musst du irgendwo hin?“

„Ja, Süßer, direkt in deine Hose.“

Zärtlich küsste er ihren Nacken bis hinauf zu den Ohrläppchen. „Danach, meine ich.“ Er nahm ihren linken Ringfinger und rieb ihn sanft zwischen zwei Fingern. „Du wirst doch nicht zu Hause erwartet, oder?“

Sie stöhnte leise. „Nein. Kein Ring. Kein Ehemann.“ Und seufzend fuhr sie fort: „Auch kein Freund. Kein Partner. Niemand Nennenswertes.“

„Gut“, sagte er, „dann kannst du ja etwas länger bleiben.“ Er küsste ihren Hals und schob eine Hand unter ihr schwarzes, ärmelloses Oberteil, bis er eine ihrer von Seide umhüllten Brüste berührte. Er strich über die harte Knospe und entlockte Jessie sofort ein leises Stöhnen.

„Wie schön“, sagte er und spielte mit der anderen Brust. Zärtlich ließ er seine Hände über beiden Brustwarzen kreisen.

Sie zerrte an seiner Hose, griff hinein und umfasste ihn. Seit Ewigkeiten schon hatte er keine Frau mehr gespürt, sich stattdessen schnelle Erleichterung unter der Dusche verschafft. Doch das war nicht das Gleiche. Jetzt spürte er Jessies warmen Körper an seiner Haut, und ihre Berührung ließ ihn vor Begehren taumeln. Als kein Stoff mehr störte und sie ihn ganz in der Hand hielt, packte Rick sie unvermittelt an den Handgelenken und wich zurück.

„Ich habe das ernst gemeint. Du treibst dein Spiel mit einem ausgehungerten Mann“, sagte er, ergriff ihre Arme und schlang sie um seine Hüften. Dabei knabberte er verspielt an ihrem Ohrläppchen. „Ich möchte nicht, dass dieser Abend so schnell zu Ende geht.“

Sie glitt auf die Knie. „Dann sollten wir die Schärfe etwas herausnehmen.“

Als ihre weichen, feuchten Lippen ihn berührten und fest umschlossen, wurde ihm kochend heiß, und seine Nerven waren aufs Höchste gespannt.

„Bitte nicht“, versuchte er sie aufzuhalten, als sie schließlich innehielt, um ihn gleich anschließend mit ihrer Zunge langsam zu verwöhnen.

„Entspann dich ein wenig“, forderte sie ihn auf.

Glaubte die neugierige Schönheit wirklich, sie hätte es hier mit einem normalen Typen zu tun, einem Kerl, der ein geregeltes Sexleben hatte und immer wieder scharf und willig war bis zum Morgengrauen?

So war er früher gewesen.

Doch jetzt war er zu erregt. Er fürchtete, der Höhepunkt könnte zu schnell kommen, und schließlich hatte er auch seinen Stolz.

Sie umspielte ihn mit ihrer warmen Zunge, und er wollte zurückweichen. Doch da öffnete sie ihren Mund und nahm ihn ganz.

Der Stress von Wochen fiel von ihm ab, er bekam weiche Knie und suchte Halt an der Wand. Er fluchte leise. Doch als sie schließlich seine Hüften umklammerte und ihn zu sanften Stößen in ihren Mund aufforderte, gab er jeden Widerstand auf.

Er gehorchte einfach. Er hörte ihr lustvolles Stöhnen und spürte nur noch ihre feuchte Zunge.

Es war, als durchzuckten ihn Stromstöße. Ihm wurde brennend heiß. Er versuchte, sich ein letztes Mal zu wehren.

„Jessica, ich meine, was ich sage. Das ist …“ Ein heißes, stechendes Gefühl durchfuhr ihn und verschlug ihm die Sprache.

„O ja“, murmelte sie und nahm ihn dann wieder tief in sich auf. Sie merkte, dass er beinahe kam.

Sein Verlangen raubte ihm fast den Verstand, und es gab nichts mehr auf der Welt als diese berauschenden Lippen, die ihn fest umschlossen hielten.

Er beugte sich weiter nach vorne und suchte noch festeren Halt an der Wand. Noch bevor er ihn fand, hatte sie bereits einen ihrer Finger gekonnt auf einen anderen sensiblen Punkt zwischen seinen Beinen gedrückt.

„O Sch…“, schrie er und bewegte sich heftig vor und zurück. Als sie die Spitze zwischen ihre Lippen nahm, um ihn gleich wieder derart mit der Zunge ganz zu umspielen, wurde jede Zelle seines Körpers mit Wollust überschwemmt, und er bebte vor Lust.

Er kam heftig. Sein Orgasmus war überwältigend und so berauschend, dass ihm fast schwarz vor Augen wurde. Wie viel Zeit vergangen war, wusste er nicht, und erst als er ihr zufriedenes Stöhnen hörte, kam er wieder zu Besinnung.

Sie kniete noch und verwöhnte ihn weiter zärtlich mit der Zunge. Schließlich fand er die Kraft, sich wieder ganz aufzurichten.

Er bekam ein schlechtes Gewissen. Es war kaum Zeit vergangen, seit diese Frau in seinem Haus war, und schon hatte er auf diese Art Sex mit ihr gehabt. Was war bloß los mit ihm?

Er ergriff ihre Hände und zog sie zu sich hoch. Ihre braunen Augen funkelten vor Leidenschaft. Er wollte sich irgendwie entschuldigen, doch noch bevor er ein Wort sagen konnte, streifte sie ihr enges schwarzes Oberteil über den Kopf und zeigte ihm zwei zauberhafte runde Brüste hinter grüner Seidenspitze. Er war sprachlos und blieb es noch, als sie den Rock auszog und nur im Tanga und schwarzen Stilettos vor ihm stand.

„Das war wundervoll“, seufzte sie.

Und das war noch eine Untertreibung.

Dann berührte sie eine Stelle zwischen ihren Schenkeln, näherte sich ihm langsam und führte die Hand an ihre Lippen. „Ja, das war wundervoll.“

Er musste schlucken.

Als sie direkt vor ihm stand, legte sie den Finger an seinen Mund und strich über seine Lippen. „Möchtest du kosten?“

Ihr süßer Honigduft vermischte sich mit anderen zarten Düften. Als sie sich wieder an ihn presste, erwachte erneut sein Verlangen.

„Unglaublich“, murmelte er und saugte an ihrem Finger. Obwohl sie eine völlig Fremde war, schien sie seinen Körper besser zu kennen als er selbst.

Oder war sie sich einfach nur ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst?

So oder so, sie schien genau zu wissen, was er brauchte.

Sie winkelte ein Bein an, presste sich gegen seinen Oberschenkel und begann, ihre Hüften auf und ab zu bewegen. Ihre empfindlichste Stelle rieb am Stoff seiner Jeans. Er nahm ihren Finger zwischen die Lippen, glitt mit seiner Zunge von oben nach unten und gab ihr damit ziemlich genau zu verstehen, was er an den empfindsameren Stellen ihres Körpers tun wollte.

„Genau so“, sagte sie, „genau so möchte ich es haben.“

Und gleich darauf bekam er eine weitere Erektion.

Er nahm sie hoch und warf sie sanft auf sein Bett. Immer noch staunte er, wie diese Frau es geschafft hatte, ihn in kürzester Zeit so weit zu bringen. Noch vor ein paar Stunden hatte er sich zu alt und müde gefühlt für derartige Taten. Doch als er ihr jetzt den Tanga abstreifte, fiel alle Last von ihm ab, und er fühlte sich stark und männlich wie früher, bevor sein Leben aus den Fugen geraten war.

Sie spreizte die Beine, bis die Absätze ihrer Stilettos fast seine Schultern berührten, und gab sich dann seinen Küssen und dem Spiel seiner Hände hin. Er genoss den Augenblick der Erholung.

Selten nur ging er in Bars, und noch seltener nahm er einfach ein Mädchen mit nach Hause.

Doch irgendetwas trieb ihn an heute Nacht. Seit er das Revier verlassen hatte, gab es eine Kraft, die stärker schien als er. Und so ließ er sich bereitwillig mitreißen und trieb auf einen weiteren, brennenden Höhepunkt zu.

Nach dem wilden, ausgelassenen Liebesspiel lagen beide entspannt im Bett.

Jessie hatte sich halb in die Bettdecke gewickelt. Zufrieden an ihn geschmiegt, fuhr sie mit einem Finger über seine Bauchmuskeln.

„Was war es gleich noch, das du heute Abend feiern wolltest?“, fragte Rick, auf dem Rücken liegend. „Ich zeig’s dir“, rief sie voller Begeisterung, sprang lächelnd aus dem Bett und verschwand im Nebenraum.

Wie viel Energie diese Frau hatte! Trotz seiner beachtlichen Ausdauer hatten ihm drei Stunden Sex doch ganz schön zugesetzt, ihr aber offensichtlich einen Energieschub verpasst.

Jessie kam zurück und setzte sich auf das Bett neben ihn. Sie hielt eine abgegriffene Ausgabe der Zeitschrift People in der Hand und deutet auf das Foto eines Prominenten. Stolz rief sie: „Das wollte ich feiern!“

Er blinzelte im schwachen Licht der Nachttischlampe und betrachtet das Foto genauer.

„Jewel Murray?“, fragte er. Ein Schnappschuss des Starlets, irgendwo in der Stadt.

„Nein. Das hier, schau!“, erwiderte Jessie und deutete mit ihrem schlanken Finger auf die Handtasche, welche die Schauspielerin trug. Sie war hellpink und mit glänzend schwarzen Pailletten verziert und – waren das etwa grüne Federn?

Jessie strahlte: „Das ist eine Beane-Tasche. Dieses Foto hat mich bekannt gemacht.“

Jetzt erinnerte er sich an das kurze Gespräch, das er in der Bar mit ihr geführt hatte. Sie hatte erzählt, dass sie Handtaschendesignerin sei und zu einer Gruppe von Künstlern und Designern gehöre, die gemeinschaftlich eine Boutique am Ende des Union Square betrieben.

„Kannst du dir vorstellen, dass ich gerade noch 300 Dollar in der Tasche hatte, als dieses Foto in People erschien?“, fuhr sie fort. „Genauer gesagt war ich gerade dabei, die Gegend nach einem Job abzuklappern. So bin ich auch das erste Mal an Scottys Bar vorbeigekommen. Mir gefiel der Gedanke, dass dort so viele Polizisten verkehren.“ Sie schaute ihn mit unschuldigen Augen an. „Ich fühlte mich irgendwie sicherer, verstehst du?“

Er hätte beinahe laut gelacht. Die Polizei, dein Freund und Helfer! Aber wenn die Cops nach einem harten Arbeitstag und einigen Cocktails so richtig aufdrehten, sollten sich die Frauen in der Bar wohl lieber in Acht nehmen.

„Ich hatte gerade einen Teilzeitjob in einem Schnellrestaurant angenommen, als dieses Foto gedruckt wurde“, sagte sie, „und es dauerte keine vierundzwanzig Stunden, da wurde ich bereits nach meinem Lagerbestand gefragt. Ich bekam sogar einen Anruf aus Paris. Paris, kannst du dir das vorstellen?“

Ihre Begeisterung wirkte ansteckend. Ihre glänzenden goldbraunen Augen sogen ihn förmlich auf, und er fand Jessie entzückend.

Sie sprang auf und drückte die Zeitschrift fest gegen ihre Brust, wie etwas sehr Kostbares. „Ich habe sogar einen Kredit von der Bank bekommen! Genug für Material und eine Angestellte.“ Sie strahlte noch mehr. „Ich kann’s noch gar nicht glauben. Von einer Minute auf die andere bin ich von einer Kellnerin zur Unternehmerin geworden, die sogar in Paris ihre Taschen verkauft.“

Sie steckte die Zeitschrift in ihre Tasche und sprang zurück ins Bett. „Und genau deshalb wollte ich feiern.“ Sie schlang ein Bein um seine Taille und glitt mit dem Fuß zwischen seine Beine. Ihr gerade noch mädchenhafter Gesichtsausdruck verwandelte sich in den einer fordernden Frau. Sanft strich sie ihm mit dem Finger über die Lippen und hauchte: „Und du bist der Glückliche, der mit mir feiern darf!“

Eine warme Welle durchströmte ihn. Nie hätte er gedacht, dass nur ein paar aufreizende Bewegungen ihres runden, kleinen Pos, ihrer Brust auf seiner Haut und ihr sexy Blick ihn wieder derart erregen konnten. Er ließ sich nochmals ganz treiben, kostete ihren süßen, weichen Körper. Noch einmal geriet das Blut in seinen Adern in Wallung, noch einmal spürte er die Ekstase.

Danach fiel er in einen Tiefschlaf, und er schlief so lange wie seit Jahren nicht mehr.

2. KAPITEL

Jessie wurde vom Klingeln ihres Handys wach. Ihr Schlaf war leicht und unruhig gewesen – vor Aufregung und Vorfreude auf die kommenden Tage.

Grandma Hawley, ihre Großmutter väterlicherseits, lag eben doch richtig. Jessie hatte eine Glückssträhne, seit sie Texas verlassen hatte und in San Francisco lebte, und zu diesem Glück gehörte jetzt auch diese unglaubliche Nacht mit diesem wunderbaren Cop.

Sie schaute ihn zärtlich an. Rick war vom Klingeln ihres Handys nicht geweckt worden. Sie stand vorsichtig auf, nahm ihre Tasche und sein graues T-Shirt und ging leise ins Nebenzimmer.

„Hallo?“, rief sie gut gelaunt ins Telefon.

„Schön. Du lebst also noch!“ Es war die Stimme ihrer Freundin Georgia, mit der sie zusammen wohnte.

„Natürlich lebe ich noch. Wenn mein starker Sheriff aufwacht, muss ich unser Gespräch allerdings beenden.“

„Du hast dich nicht an die Regeln gehalten“, sagte Georgia vorwurfsvoll.

„Welche Regeln?“ Jessie überlegte. Dann fiel ihr die Abmachung wieder ein: „Ich hätte dich anrufen müssen und sagen, wo ich bin.“

„Bingo!“

Jessie schlug sich mit Ricks T-Shirt gegen ihre Stirn und murmelte: „Tut mir leid.“

„Na gut, das war dein erstes spontanes Date. Aber denk daran, du bist hier nicht zu Hause in Texas.“

Das ist ja das Gute, dachte Jessie.

„Sag mir, wo du bist, dann kann ich diesen miesen Abend vergessen und noch ein wenig schlafen.“

„Was war denn mit dem hübschen blonden Polizisten noch los, nachdem Rick und ich gegangen waren?“, hakte Jessie neugierig nach.

„Eine ganz kurze Nummer, und weg war er. Aber wie war’s bei dir?“

Jessie lächelte beim Gedanken an die letzten Stunden, an die Leidenschaft, mit der Rick und sie sich geliebt hatten. Aber um Georgia nicht allzu sehr zu frustrieren, sagte sie nur: „Er hatte eine unglaubliche Ausdauer. Wäre ich nicht so aufgeregt wegen des Meetings morgen gewesen, würde ich mich jetzt kaum rühren können.“

„Anfängerglück“, murmelte Georgia.

Vielleicht, dachte Jessie. Georgia hatte ihr den Tipp gegeben, Männer nicht gleich als potenzielle Ehemänner, sondern nur als Abenteuer zu betrachten. Auf jeden Fall gefiel Jessie diese neue Art sexueller Freiheit; sie machte ihr neues Leben noch aufregender.

„Ich packe das Glück eben beim Schopf.“

Georgia musste lachen. „Honey, du hast es wirklich verdient, nach all dem, was du durchgemacht hast. Und jetzt sag mir bitte, wo du bist.“

„Sekunde“, erwiderte Jessie und versuchte sich zu erinnern.

Als sie mit Rick hier hergefahren war, hatte sie nichts mehr von der Außenwelt mitbekommen, so voller sinnlicher Erwartung war sie gewesen.

Sie ging ans Fenster, öffnete die Vorhänge und hielt Ausschau nach einem Straßenschild. Sie erblickte jedoch nur zweigeschossige Reihenhäuser mit Garagen, wie sie in fast jeder zweiten Straße in San Francisco zu finden sind.

„Ich kann nicht erkennen, wo ich bin“, sagte Jessie.

Hatte Georgia ihr nicht immer ans Herz gelegt, auf die Umgebung zu achten und niemandem zu trauen?

Jessie zog sich Ricks T-Shirt über den Kopf, das ihr beinahe bis an die Knie reichte, öffnete die Haustür und trat ein paar Schritte heraus. Sie entdeckte schließlich ein Straßenschild und die Nummer des Hauses, in dem Rick wohnte, und teilte die Adresse ihrer Freundin mit.

„Na also, das war doch gar nicht so schwer.“

Jessie lachte. „Ich komme sowieso gleich in den Laden. Ich muss ein paar Bewerbungsgespräche führen, wegen einer neuen Mitarbeiterin, du weißt schon.“

Sie bekam Gänsehaut. Ihre neue Mitarbeiterin.

„Falls sie vor dir da sein sollte, kann Swan ihr ja ihre neusten Schmuckkreationen zeigen.“

Jessie kicherte, und sie beendeten das Gespräch.

Als sie gerade zurück ins Schlafzimmer gehen wollte, um sich noch ein bisschen neben Rick auszuruhen, klingelte das Handy erneut.

„Ja, bitte?“, fragte sie etwas verstimmt.

„Und, war er gut?“

Die gedämpfte, aber vertraute Stimme ließ sie erschaudern.

Sie wollte sprechen, brachte aber kein Wort heraus.

„Komm schon, Süße, wenn eine Frau ihren Mann betrügt, kann sie doch wenigsten erzählen, wie’s gewesen ist. Ist der Cop gut im Bett?“

Jessies Herz schlug heftig, und ihre Knie gaben nach. Sie musste sich an der Couch abstützen. Tausend Fragen schossen ihr durch den Kopf.

„Wa… Wade?“, stotterte sie.

„Du hast zwar vergessen, dass ich dein Mann bin, aber immerhin erinnerst du dich an meinem Namen.“

„Du bist nicht mehr mein Mann“, entgegnete Jessie.

Woher hatte er bloß ihre Handynummer, und woher wusste er, wo sie war?

Sie ging zum Fenster und schaute hinaus. Weder auf der Straße noch in den parkenden Autos war jemand zu sehen. Doch dann entdeckte sie einen alten, zerbeulten Pick-up. Jemand saß hinter dem Lenkrad und rauchte.

„Da irrst du dich, Sugar. Wir beide sind immer noch verheiratet.“

„Du bist doch im Gefängnis“, erwiderte sie.

„Nicht mehr, Sugar Beane. Und ich bin den weiten Weg hierhergekommen, um wieder bei dir zu sein.“

„Nenn mich gefälligst nicht so, ich bin nicht mehr deine Frau. Du hast die Scheidungspapiere im Gefängnis unterschrieben!“

„Eigentlich sollte ich ja böse sein“, sagte er und zog geräuschvoll an seiner Zigarette. „Da fahre ich so weit und finde dich in den Armen eines anderen. Du hast Glück, dass ich nicht eifersüchtig bin.“

Nicht eifersüchtig, sondern feige, dachte sie.

„Die meisten Männer würden so etwas mit einem Gewehr regeln.“

Sie blickte ruckartig zu dem Truck hinüber. „Du …“, war jedoch alles, was sie herausbrachte.

Hatte Wade jemals ein Gewehr in der Hand gehabt? Bei ihm musste man mit allem rechnen.

Er lachte kalt. „Aber solange du mir die gleiche Gunst gewährst wie deinem Sheriff …“

Jessie brach angewidert das Gespräch ab und warf das Handy auf die Couch wie einen Gegenstand, der gleich explodieren würde. Ihr Herz schlug heftig, ihre Hände waren feucht, und ihr war schwindlig vor Abscheu und Verwirrung.

Was hatte Wade Griggs hier zu suchen? Warum hatte ihr niemand Bescheid gesagt, dass er aus dem Gefängnis entlassen worden war?

Zwischen Wade und ihr war es an dem Tag aus gewesen, als die Polizei vor ihrer Tür gestanden und erklärt hatte, dass die von ihnen beiden gemeinsam geführte Werkstatt ein Umschlagplatz für gestohlene Autos sei. Wade war wegen Autodiebstahls im großen Stil angeklagt worden, und Jessie hatte alles verloren, was sie besessen hatte.

Er hatte sie vom ersten Moment an angelogen und ausgenutzt. Kaum zwölf Monate waren seither vergangen. Was wollte er jetzt von ihr?

Ihr Handy klingelte erneut. Sie lief zur Couch, presste es zitternd an ihr Ohr und hörte erneut die Stimme von Wade.

„Was willst du?“, fragte sie wütend.

„Wie gesagt, Sugar Beane, ich will zu meiner Frau.“

„Ich bin nicht deine Frau!“ Wie oft musste sie das noch wiederholen?

„Da hast du leider unrecht, Süße. Die Scheidung war nie rechtskräftig.“

Jessie war verwirrt. „Was redest du da?“

„Wir sind immer noch glücklich verheiratet, Süße, und das heißt: Was dir gehört, gehört auch mir.“

Sie blickte aus dem Fenster und sah Wade direkt gegenüber lässig an einem geparkten Auto stehen. Trotz der Entfernung konnte sie sein langes, schmales Gesicht und sein harsches Lächeln erkennen. Er war besser angezogen als sonst.

„Schau einfach in deinen Papieren nach. Ich habe nicht unterschrieben.“

Nach dem ersten Schreck erinnerte sich Jessie daran, dass sie die Papiere im Büro ihres Anwalts unterschrieben und dann ins Gefängnis geschickt hatte.

„War damals wohl alles ein wenig hektisch, als die alte Lady Hawley starb.“

Jessie kniff die Augen zu. Nein, jetzt bloß nicht auf seine Spielchen eingehen.

„Der Anwalt sagte, du hast unterschrieben.“

„Bist du sicher? Vielleicht verwechselst du das mit dem Anruf deines Anwalts, als er dir mitteilte, dass Grandma Hawley dir ihr ganzes Geld vermacht hat! Und die Hälfte davon gehört mir, verstehst du!“

Jessie schüttelte den Kopf. Sie hatte die Papiere einen Tag vor Grandma Hawleys Tod unterzeichnet. Jessie hatte dann sehr unter dem Verlust ihrer Großmutter gelitten und turbulente Tage und Streitereien mit der Familie ihres Vaters rund um die Begräbnisformalitäten erlebt. Trotzdem war sie sich sicher, die Scheidungspapiere ordnungsgemäß unterschrieben und abgeschickt zu haben.

Was für billige Tricks Wade nun anwandte, um wieder an sie und ihr Geld heranzukommen!

„Wir sind geschieden“, sagte sie nochmals mit vollem Nachdruck.

„Mein Anwalt meinte, du hättest fast hunderttausend Dollar von der alten Dame geerbt. Davon gehört mir die Hälfte. Dazu kommen die fünftausend, die du dir damals von mir geliehen hast.“

Jessie war sprachlos.

„Ja, als dein Ehemann kenne mich mit deinen Finanzen aus.“

„Dann weißt du auch, dass ich keinen Cent mehr davon besitze.“

„So? Die fünftausend jedenfalls lagen brav in der kleinen schwarzen Samtbox. Ich hab sie mir genommen – sozusagen als erste Anzahlung.“

War er etwa in ihrer Wohnung gewesen?

Womöglich hatte er auch den Schmuck ihrer Großeltern und den Diamantring von Georgias Mutter gestohlen. Ihr wurde bei dem Gedanken schlecht.

„Als meine rechtmäßige Ehefrau gehören mir fünfzigtausend Dollar von der Erbschaft. Gib mir das Geld, und du bekommst die Scheidung.“

„Ich bin geschieden, und alles, was ich habe, steckt in meinem Geschäft.“

„Stimmt, du wirst ja jetzt mit deinen Taschen demnächst reich werden.“ Selbst aus der Entfernung sah Jessie, dass er breit grinste. „Ich will die Hälfte deines Vermögens. Und jetzt beweg deinen süßen Hintern zu mir, und lass uns Spaß haben.“

Angewidert beendete Jessie das Gespräch und klappte das Handy zu. Sie wollte kein Wort mehr hören.

Sie ging ins Schlafzimmer und suchte ihre Sachen zusammen. Rick schlief immer noch tief und fest.

Was für eine Ernüchterung! Ein Anruf von Wade hatte sie aus dem siebten Himmel geholt und bedrohte ihr Glück. Wer konnte ihr jetzt helfen? Früher hatte ihre Großmutter ihr in jeder Lebenslage zur Seite gestanden, aber hier und jetzt war sie auf sich selbst gestellt.

Für einen Moment erwog sie, Rick zu wecken und ihn zu bitten, Wade zu verfolgen und ihm klarzumachen, sie in Ruhe zu lassen. Doch sie verwarf den Gedanken. Stattdessen rannte sie zur Hintertür hinaus und hielt ein paar Blocks weiter ein Taxi an.

Sie würde nach Hause fahren, die Papiere finden und Wade ein für alle Mal loswerden. Nie mehr sollte er Einfluss auf ihr Leben haben!

3. KAPITEL

Rick blinzelte in den schmalen Streifen Sonnenlicht, der durch den Vorhangschlitz fiel. Langsam wurde er wach. Normalerweise stand er lange vor dem Morgenrauen auf, froh, seinen unruhigen Träumen entkommen zu sein. Doch heute hatte er sehr lange tief und traumlos geschlafen. Er tastete nach seinem Wecker. Es war Viertel vor acht. Ein Rekord. Er überlegte, wie lange es her sein mochte, dass er so lange so gut geschlafen hatte.

Genau zwei Jahre, acht Monate, zwei Wochen und ein paar Tage.

Er schloss die Augen und ließ noch einmal die erregenden Bilder der vergangenen Nacht Revue passieren. Dann rollte er sich auf die andere Hälfte des Bettes. Sie war leer. Er richtete sich auf und schaute sich um. Von Jessie keine Spur.

War sie in der Küche und kochte Kaffee? Was für eine reizende Vorstellung! Er lächelte bei dem Gedanken, wie seine süße Gespielin gleich mit zwei Bechern heißen Kaffees zurück in sein Bett schlüpfen würde.

Als keine Geräusche zu hören waren, stand er auf. Seine Kleider waren überall auf dem Boden verstreut, und neben dem Bett lag ein Häufchen aufgerissener Kondomhüllen.

Er sammelte sie ein und bemerkte, dass Jessies Sachen weg waren: ihr enges Oberteil, die schwarzen Stilettos, der knappe Rock und die flippige orangefarbene Beane-Tasche. Verschwunden.

Etwas missmutig zog er seine Hose an und ging durch alle Räume. Jessie war nirgendwo zu entdecken.

Vergangene Nacht war sie die Erfüllung für ihn gewesen und hatte ihn all seine Fantasien ausleben lassen. Warum war sie jetzt einfach verschwunden? Er war enttäuscht.

Zurück in der Küche, nahm er einen Schluck kalten Kaffee vom Vortag, der bitter schmeckte. Rick versuchte einen klaren Kopf zu bekommen.

Hätte er ihre Telefonnummer notieren sollen, um sich noch mal mit ihr treffen zu können? Die Abmachung war klar gewesen: Es sollte bei einem Mal bleiben. Beide hatten das so gewollt. Und sie hatte sich daran gehalten.

Dann fiel ihm ein, dass er zur Arbeit musste, und er versuchte, weitere Gedanken an Jessie zu verdrängen.

Da hörte er plötzlich ein heftiges Klopfen an der Haustür. Rick öffnete, doch vor ihm stand nicht, wie insgeheim erhofft, die temperamentvolle Texanerin, sondern ein kleiner Chinese mit schlechtem Haarschnitt und Stirnrunzeln.

„Hast du vergessen, dass du einen Job hast?“, brummte sein Partner Kevin Fong und kam herein, einen Pappbecher Kaffee in der Hand. Sie arbeiteten seit anderthalb Jahren zusammen, und Rick mochte ihn von all seinen bisherigen Kollegen am liebsten.

Rick schloss die Tür hinter ihm. „Es ist noch nicht einmal acht Uhr“, verteidigte er sich.

„Sonst bist du immer schon vor sieben auf dem Revier. Und überhaupt: Warum gehst du nicht an dein Handy?“

„Mein Handy?“, fragte er leicht abwesend und schaute sich suchend um. Das Mahagoni-Tischchen, auf dem er sonst immer Handy und Schlüssel ablegte, war leer.

„Der Chef hat schon den ganzen Morgen versucht, dich zu erreichen.“

„Es ist erst zehn vor acht!“, rief Rick und durchsuchte seine Taschen und das Schlafzimmer.

Kevin folgte ihm gähnend. „Der Chef scheint genau so ein Frühaufsteher zu sein wie du“, fügte er hinzu.

„Was macht der Captain an einem Samstag überhaupt auf dem Revier?“, murrte Rick.

„Es geht um Creed Thornton. Er hat alles zurückbekommen, was wir als Beweismittel aus seiner Wohnung geholt haben“, erklärte Kevin.

Rick suchte weiter nach seinem Telefon.

„Der Chef möchte wissen, was du mit Thorntons Laptop gemacht hast.“ Mit gespieltem Ärger fuhr Kevin fort: „Mir kannst du’s auch ruhig sagen, wir arbeiten schließlich zusammen.“

Kevin fischte einen grünen Tanga hervor, der hinter der Couch gelegen hatte. „Das war bestimmt ein toller Abend gestern.“ Er grinste.

Rick warf Kevin einen scharfen, eindeutigen Blick zu. Er sprach nicht mehr gerne über sein Privatleben, spätestens seit dem Tag, an dem seine Frau umgebracht worden war.

Kevin verstand.

„Ich dusche schnell und komme dann mit aufs Revier“, sagte Rick.

„Und was ist mit dem Laptop?“, fragte Kevin erneut und machte es sich auf der Couch bequem. „Unsere Computerspezialisten haben nichts gefunden.“

„Ich möchte eine zweite Meinung.“

Kevin lachte. „Doch nicht etwa von deinem smarten Hacker-Freund?“

„Er ist nicht mein Freund, aber der Beste auf seinem Gebiet.“

„Nichts, was dieser Typ auf dem Computer findet, wird vor Gericht standhalten, das weißt du“, erwiderte Kevin.

„Der Laptop ist unsere einzige Chance, Creed Thornton als Mörder von Anna Mendoza zu überführen.“

„Trotzdem, es wird Ärger geben“, meinte Kevin.

Rick war von der Schuld Thorntons überzeugt. Als Sprössling einer reichen Familie und verheiratet mit einer noch reicheren Frau, arbeitete er als erfolgreicher Softwareentwickler, und sein wohlgeordnetes Leben war durcheinandergeraten, als man die junge Hausangesellte erhängt im Badezimmer gefunden hatte. Sie war schwanger von ihm gewesen und hatte sich angeblich aus Kummer darüber, dass er sich nicht scheiden lassen wollte, das Leben genommen. Doch vieles an dem Fall war unklar. Rick und Kevin hatten monatelang akribisch ermittelt, doch sie konnten Creed nichts nachweisen.

Nun wollte Creed schnellstmöglich seine Sachen zurück, vor allem seinen Laptop. Warum?

Rick wollte das herausfinden.

„Uns alle interessiert, was du vorhast“, sagte Kevin.

„Ich möchte einfach wissen, warum der Laptop für Creek so wichtig ist.“

Kevin dachte kurz nach und verstand. „Und? Hat dein Hacker-Freund schon etwas gefunden?“

„Er hat den Laptop noch nicht. Ich wollte ihm ihn heute Morgen vorbeibringen.“

Rick suchte weiter nach seinem Handy, fand es jedoch nicht. „Es muss im Auto liegen“, sagte er, und beide liefen die Treppe hinunter. Doch die Garage war leer: kein Auto, kein Handy, keine Autoschlüssel.

„Das Auto ist weg“, kommentierte Kevin das Offensichtliche. „Du hast den Wagen doch nicht an deine neue Freundin verliehen, oder?“, fragte Kevin.

„Nicht dass ich wüsste!“

Rick verzog den Mund. Sie gingen wieder hoch und schauten nach, ob in der Wohnung sonst noch etwas fehlte, und suchten nach Einbruchsspuren.

„Lässt du die Hintertür immer offen?“, fragte Kevin erneut.

„Nie.“

„Dann war es jemand anderes.“

Es fehlte nichts weiter. Man hatte es also nur auf sein Auto und sein Handy abgesehen.

Rick setzte sich seufzend auf die Couch und rieb mit den Händen sein Gesicht. Er suchte nach einer Erklärung.

Als könne Kevin Gedanken lesen, fragte er Rick: „Wie gut kanntest du deinen nächtlichen Besuch eigentlich?“

Rick schnaufte. Ein bisschen wusste er von Jessica Beane und kannte ihre überaus zärtlichen Talente, aber hieß sie überhaupt Beane? War der ganze Abend womöglich inszeniert gewesen, um ihn zu bestehlen?

Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. „Anscheinend nicht gut genug.“ Er fühlte sich schlecht. „Wir haben ein noch größeres Problem als den gestohlenen Wagen.“

Kevin horchte auf. Als er in Ricks Augen schaute, ahnte er Schlimmes. „Nein. Sag jetzt nicht, der Laptop ist in deinem Auto!“

„Im Kofferraum.“

„Mann, das gibt Ärger mit dem Chef. Ein gefundenes Fressen für Creeks Anwälte.“

Das war Rick ziemlich egal. Er wollte einfach nur den Fall aufklären.

„Ich muss den Wagen zurückhaben, so einfach ist das.“

„Ich gebe eine Fahndung heraus. Vielleicht haben wir Glück“, sagte Kevin.

Rick stand auf, ging ins Badezimmer und drehte die Dusche auf. „Und wenn du schon dabei bist, versuche alles über eine gewisse Jessica Beane herauszufinden. Beane mit einem ‚e‘ am Ende.“ Er versuchte vergeblich, sich an den Namen ihres Ladens zu erinnern. Ob sie überhaupt einen hatte? Der Gedanke, Jessie könnte ihn hintergangen haben, traf ihn hart. „In einer Minute habe ich geduscht, dann fahren wir aufs Revier.“

Vor allem musste Rick die rothaarige Texanerin finden. Die Frage war nur: Was tun, wenn er sie gefunden hatte?

4. KAPITEL

„Georgia, es tut mir so leid!“

Zum x-ten Mal entschuldigte sich Jessie, seit sie heute Morgen nach Hause gekommen war und jetzt im gemeinsamen Geschäft namens „Hidden Gems“ stand.

Ihre schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Wade war in der Wohnung gewesen und hatte alle Wertsachen mitgenommen. Jessies schwarzes Samtkästchen war vollständig geplündert, Schmuck und Uhr ihrer Großeltern, ein rubinbesetzter Ring und anderer Schmuck: alles gestohlen.

Aber am schlimmsten war der Verlust von Georgias Diamantring und der Medaille, einer militärischen Auszeichnung von Jessies Vater.

Jessie hatte sie an ihrem 16. Geburtstag von Grandma Hawley geschenkt bekommen mit den Worten: „Die passt zu dir. Du bist immer noch eine Hawley, eine Gewinnerin, durch und durch.“

So hatte die Großmutter damals an Jessies Stärke und Selbstbewusstsein appelliert und ihr auf diese Art und Weise immer die Hoffnung gegeben, dass sie im Leben vieles erreichen könne.

Doch von dieser Stärke spürte Jessie im Moment gar nichts.

„Es ist nicht deine Schuld“, erwiderte Georgia ebenfalls zum x-ten Mal. Sie schaute dennoch traurig. Jessie wusste, wie viel der Ring ihr bedeutete. Er gehörte zu den wenigen Dingen, die Georgia von ihrer früh verstorbenen Mutter geerbt hatte. Der Schmerz um den frühen Tod eines Elternteils hatte beide Mädchen schon während ihrer Schulzeit verbunden.

Jessie war geknickt. „Du bekommst ihn zurück, ich verspreche es dir. Und wenn ich jedes Pfandleihhaus im Land abklappern muss!“

Georgia lächelte gequält. Jessie wusste jedoch ziemlich genau, dass schon ein Wunder geschehen müsste, um die Sachen zurückzubekommen. Und ein Wunder hatte sich in ihrer Gegenwart noch nie ereignet.

„Hast du deinen Anwalt schon angerufen?“, fragte Georgia und lenkte damit das Gespräch auf das andere brennende Problem: die Unterschrift von Jessies Exgatten auf den Scheidungspapieren.

„Mein Anwalt arbeitet samstags nicht. Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen“, antwortete Jessie.

Sie hatte alles auf den Kopf gestellt und die Mappe mit den Scheidungspapieren schließlich gefunden. Doch keines der kopierten Dokumente war unterschrieben.

Sie konnte nicht glauben, dass ihr die fehlende Unterschrift damals nicht aufgefallen war. Ihre ganze Hoffnung lag nun auf ihrem Anwalt, der im Besitz eines unterschriebenen Exemplars sein musste.

Georgia versprühte Reiniger auf der Glasvitrine und polierte die Fläche.

„Hidden Gems“ gehörte insgesamt sechs Leuten: Jessie verkaufte ihre Beane-Taschen und Georgia ihre handbemalten Seidenschals. Swan stellte Indianerschmuck her, und Sonora handelte mit antikem Nippes, den sie mit Kennerblick zusammensuchte. Candace machte Hüte, und Vickey entwarf und schneiderte alle Arten von Mänteln und Jacken aus Kunstpelz.

Der geschäftliche Aufschwung der sechs Frauen hatte gerade erst begonnnen. Jessies Taschen machten in Prominentenkreisen Furore, und das verhalf natürlich auch dem Laden zu mehr Aufmerksamkeit, und die anderen Teilhaber profitierten davon.

„Mach dir keine Sorgen. Ich bin sicher, dass Roger eine Kopie der unterzeichneten Papiere in seinem Büro hat“, sagte Georgia und legte vorsichtig eine Kollektion von Sonoras antikem Bakelitschmuck zurück in die Auslage.

„Ich hoffe, du hast recht.“

Jessie atmete tief ein und versuchte ihren Kummer zu vergessen.

Als junges Mädchen hatte sie bereits begonnen, Handtaschen zu kreieren. Wenn es einmal wieder Streit und Ärger mit ihrem Stiefvater oder den Stiefbrüdern gegeben hatte und es laut in ihrer Familie geworden war, hatte sich Jessie gern in ihrem Zimmer verkrochen, hatte Kunstperlen aufgefädelt, gestickt und genäht – mit allen Materialien, die sie hatte auftreiben können. Sie liebte den Frieden, den diese Arbeit in ihre oftmals chaotische Kindheit gebracht hatte. Und bis zum heutigen Tag fand Jessie beim Entwerfen, Nähen und Besticken der Taschen Ruhe und Entspannung.

Als sie sich jetzt im Laden umschaute, fragte sie sich, wie sie ihren Anteil halten sollte, falls Wade tatsächlich ein Anrecht auf die Hälfte ihres Besitzes hatte. Unvorstellbar. Bevor Wade auch nur einen Cent erhielt, würde Jessie lieber das gesamte Inventar in Brand stecken und Insolvenz anmelden. Sie hoffte inständig, dass sich die Sache mit den Scheidungspapieren am Montag klären würde.

Heute Morgen hatte ein Polizeibeamter den Diebstahl aufgenommen, ihr und Georgia jedoch nur wenig Hoffnung gemacht, dass sie ihre liebsten Stücke je wieder zu Gesicht bekommen würden.

Jessie spürte Übelkeit aufsteigen. Sie musste herausfinden, wohin Wade geflohen war. Sie brauchte Spuren oder vielleicht doch ein Wunder. Oder einen Helden.

In diesem Moment sah sie einen Mann in der Tür stehen, der einem Helden schon recht nahe kam: Rick Marshall.

Sie straffte ihre Schultern und dachte an die schönen Dinge, die ihr in den letzten vierundzwanzig Stunden widerfahren waren. Wie gut Rick gewesen war!

Er wirkte größer und muskulöser als am Abend zuvor. Trotz der Sommerhitze trug er eine schwarze Uniformjacke. Mit seinem kurzen, dichten Haar und dem markanten Gesicht wirkte er sehr attraktiv.

Jessie lächelte ihn hoffnungsvoll an. Vielleicht hatte er bereits von ihrem Unglück gehört und wollte ihr beistehen.

„Oh, welch hoher Besuch“, witzelte sie und wunderte sich über seinen ernsten Gesichtsausdruck. Er kam näher, und sie sah in zwei zornige Augen.

War er wütend, weil sie heute früh wortlos gegangen war?

„Also, Sheriff, wegen letzter Nacht …“, begann Jessie.

„Ich bin kein Sheriff, sondern Inspector“, unterbrach er sie und bewegte kaum die Lippen dabei.

Also doch. Er war wütend. Aber ihre Abmachung war doch klar gewesen: ein One-Night-Stand und keine weiteren Verpflichtungen.

„Gut, dann Inspektor Marshall.“ Jessie war verstimmt. „Es tut mir leid, dass ich mich einfach so verdrückt habe. Ich …“

„Ich will nur mein Auto zurück.“

„Wie bitte?“

Er kam näher und senkte die Stimme. „Sagen Sie mir nur, wo mein Auto ist, und wir vergessen die ganze Geschichte, Ms. Beane.“ Er blickte kurz zu Georgia hinüber und fügte dann hinzu: „Oder soll ich lieber Mrs. Griggs sagen?“

Jessie war sprachlos.

„Sie heißt nicht Griggs“, wandte Georgia ein.

Rick warf Jessies Freundin einen kalten Blick zu.

„Nein? Ich habe da einige Namen zur Auswahl. Wie wär’s mit Sugar Jessica Hawley? Jessica Griggs? Oder etwa Sugar Beane?“

Jessie starrte ihn an. „Du hast Nachforschungen über mich angestellt?“

„Ich habe deine Spuren an meinem Bettrahmen gesichert.“

Das Blut schoss ihr ins Gesicht. „Wie kannst du nur!“

„Machen Sie das bei jeder Frau, mit der Sie schlafen?“, fragte Georgia, um Jessie zu verteidigen.

„Nur bei denen, die mein Auto stehlen.“

Jessie schob Georgia beiseite, stolperte fast und stellte sich ganz dicht vor Rick. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“

„Dann werde ich dir auf die Sprünge helfen.“ Er runzelte die Stirn. „Mein Auto wurde gestohlen. Du warst heute Nacht bei mir und bist plötzlich verschwunden, und es gibt eine lange Liste von Anklagen gegen dich wegen vielfachen Autodiebstahls und Betrugs.“

„Jeder dieser Anklagepunkte wurde fallen gelassen!“

„Vielleicht muss man den Fall erneut aufrollen.“

Jessie rang nach Luft, wütend und den Tränen nah.

Seit sie das Bett dieses Mannes verlassen hatte, nahm ihr Leben eine unheilvolle Wendung. Ihr Leben war in letzter Zeit so prima verlaufen, und nun schien sich eine Katastrophe anzubahnen. Man unterstellte ihr sogar, eine Kriminelle zu sein.

Sie versuchte sich zu sammeln. Heute war sie klüger als damals, als ihr Naivität und Unwissenheit vor Gericht alles genommen hatten. Sie würde nicht noch einmal die gleichen Fehler machen.

Jessie verschränkte die Arme vor der Brust und stellte sich gerade hin. „Ich möchte meinen Anwalt sprechen.“

„Genau“, bekräftigte Georgia.

Swan, die gerade hereingekommen war, hatte einen anderen Einwand.

„Entschuldigung“, mischte sich Swan ein, die gerade hereingekommen war, „diese Unterhaltung sollte im Hinterzimmer weitergeführt werden.“ Und flüsternd fügte sie hinzu: „Unsere Kunden werden schon neugierig.“

Rick packte Jessie am Arm und sagte: „Ich habe eine bessere Idee. Wir fahren gleich aufs Revier.“

Sie hätte ihm am liebsten gegen das Schienbein getreten. Erst Anschuldigungen vorbringen und dann erst Fragen stellen, das kannte sie ja schon von früher. Doch jetzt war es fast noch schlimmer. Sie hatte eine fantastische Nacht mit diesem Mann verbracht, der sich nun vom fantastischen Liebhaber zum Ankläger wandelte.

Aber Swan hatte recht. Sie mussten ihr Geschäft schützen. Also schluckte Jessie ihre Wut hinunter und nahm ihre orange Beane-Tasche. „Aber selbstverständlich begleite ich Sie“, sagte sie in hochmütigem Ton und fügte noch lauter hinzu: „Ich bin sicher, Mr. Marshall und ich können die Angelegenheit bei einer Tasse Kaffee regeln.“

Jessie verließ das Geschäft. Rick folgte ihr. Sie ging mit erhobenem Kopf schweigend die Straße hinunter. Als sie außer Sichtweite des Ladens waren, blieb sie plötzlich stehen, drückte ihm einen Finger auf die Brust und sagte: „Wenn du mich noch einmal so blamierst wie gerade eben, dann wirst du bald bereuen, mich je kennengelernt zu haben.“

Er nahm sie am Arm und zog sie über die Straße.

„Das tue ich bereits.“

Wie gemein er sein kann, dachte Jessie, und eine Mischung aus Verletztheit und Wut trieb ihr die Tränen in die Augen. Musste sie denn immer Pech mit Männern haben? Seit sie in Kalifornien lebte, hatte sie das Gefühl, klüger geworden zu sein, und nun das!

„Dann werde ich einen Weg finden, dass du mich hasst“, murmelte sie frustriert.

„Tu das“, sagte er. „Aber sag mir vorher, wo mein Auto ist.“

„Ich glaube, ich erwähnte es bereits. Ich weiß nicht, wovon du redest!“

Er brachte sie zu einer silberfarbenen Limousine, die nicht wie ein üblicher Streifenwagen aussah.

Jessie stand dicht vor Rick an der Wagentür und bemühte sich, den ihr seit letzter Nacht so vertrauten männlichen Geruch zu ignorieren.

Sie schob ihre Unterlippe vor und zischte: „Willst du mir keine Handschellen anlegen?“

Ein leichtes Zucken seiner Augenbraue verriet, dass ihn die Situation nicht kaltließ. „Ist das denn nötig?“, fragte er.

„Wenn es nach dir ginge, wahrscheinlich. Du traust mir doch jede Schandtat zu“, antwortete sie sarkastisch.

„Lassen wir’s drauf ankommen.“

Er öffnete die Beifahrertür, ließ Jessie einsteigen und schlug die Tür heftig zu.

Dann setzte er sich hinters Steuer.

Das war Jessies zweite Fahrt in einem Polizeiwagen. Ihre erste hatte sie damals ins Gefängnis von Colbrook County in Texas geführt und war die Ouvertüre zu einem Albtraum gewesen, der sie zwölf Monate ihres Lebens gekostet hatte.

Würde diese Fahrt besser enden?

Beim Anblick des Eisblocks, der neben ihr saß, befürchtete sie das Schlimmste.

5. KAPITEL

Rick fuhr in Richtung Hall of Justice los, in der neben dem Polizeipräsidium auch ein Gefängnis untergebracht war. Trotz seiner Wut auf Jessie hatte er noch etwas anderes gespürt, als sie sich wiedertrafen. Als sie so hübsch und lässig dagestanden hatte – mit ihren rotblonden Locken und den rosigen, lächelnden Lippen, hatte er sich sofort wieder an jeden lustvollen Moment der vergangenen Nacht erinnert und war erregt gewesen.

Statt sie nun weiter zu befragen, hielt er sich am Lenkrad fest und versuchte, sich nicht von ihrem süßen Duft und den schönen Beinen ablenken zu lassen.

Sie trug einen kurzen Rock und einen perlenbestickten, locker auf der schmalen Hüfte sitzenden breiten Gürtel. Ein zweilagiges T-Shirt machte das Outfit schlicht und sexy in einem. Es war schwer für ihn, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Leise fluchend warf er einen Blick auf die texanische Schönheit. Sein Ärger flaute langsam ab. Sie saß kerzengerade mit verschränkten Armen, schaute aus dem Fenster und wirkte dabei wie ein rebellischer Teenager. Rick fand sie ziemlich begehrenswert.

„Ich habe dein Auto nicht gestohlen“, sagte sie aufbrausend.

„Das behauptest du.“

Er nahm eine Abkürzung, um die angespannte Situation so schnell wie möglich zu beenden.

„Überleg mal“, fuhr Jessie fort, „wäre ich wohl seelenruhig in meinen Laden gegangen, wenn ich zuvor dein Auto gestohlen hätte?“

„Ich weiß nicht. Sag’s mir.“

Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Wenn du dich genau erinnerst, war ich diejenige, die dir von meinem Laden erzählt hat. Würde eine Diebin verraten, wo sie zu finden ist? Glaubst du das wirklich?“

Er gab Gas und hätte beinahe einen Passanten umgefahren, der bei Rot über die Ampel gegangen war.

„Ich weiß, was du denkst.“ Sie stieß ihn mit dem Finger an. „Du denkst, ich sei Teil einer Bande.“

„Der Gedanke ist mir gekommen.“

Sie lachte spöttisch. „Findest du das nicht ein wenig übertrieben? Ich verbringe einen ganzen Abend mit dir, nur um deinen – was war’s gleich? –, deinen Chrysler zu stehlen?“

„Ein Dodge Charger.“

Sie lachte voller Zorn. „Du glaubst also, ich habe dich in einer Bar aufgelesen, bin mit in deine Wohnung gegangen und hatte stundenlang Sex mit dir, nur um deinen Dodge Charger zu klauen?“

Nein, das glaubte er nicht. Nichts sprach gegen sie. Aber er wollte sie noch ein wenig in dem Glauben lassen. „Ich habe schon seltsamere Dinge erlebt.“

Sie schaute ihn ungläubig an. „Denkst du wirklich so von mir, nach all dem, was wir gemeinsam erlebt haben, nach all dem …“ Jessie begann zu schluchzen.

So ein Mist, dachte er. Er hat mit dem Feuer gespielt und sich die Hände verbrannt. Tränen konnte er nicht ertragen. Er bremste ab und parkte den Wagen vor einer Feuerwehreinfahrt.

„Beruhige dich.“ Er legte seinen Arm über ihre Sitzlehne und schaute ihr geradewegs in die Augen. „Ich weiß, dass du meinen Wagen nicht gestohlen hast, aber irgendetwas hast du damit zu tun. Und wenn du nicht für den Diebstahl verantwortlich gemacht werden willst, dann komm mit aufs Revier, und erzähl mir ganz genau, was du gemacht hast – von dem Moment an, als ich letzte Nacht eingeschlafen bin, bis vorhin, als ich in deinen Laden kam.“

Sie blieb einen Moment reglos sitzen, weil sie nicht glauben konnte, was sie eben gehört hatte. „Du weißt, dass ich den Wagen nicht gestohlen habe?“

„Es gibt keine Beweise, die gegen dich sprechen“, murmelte er.

„Und trotzdem hast du meinen Laden gestürmt und mich vor meinen Partnerinnen und Kunden bloßgestellt?“

Er fuhr erneut los und fädelte sich in den laufenden Verkehr ein.

Sie war immer noch sauer. „Du hast mich gedemütigt.“

„Ich denke, du übertreibst.“

„Du hast mich wie eine Kriminelle behandelt.“

„Dann würdest du jetzt mit Handschellen an der Seite eines meiner Kollegen auf dem Rücksitz kauern.“

„Blödmann!“

„Hör zu, du bist bei Weitem nicht so unschuldig, wie du tust. Ich denke, du hast mir einiges zu erklären.“

Sie schwieg und wandte sich trotzig ab. Ihren Blick hielt sie stur geradeaus gerichtet. „Du kannst mit meinem Anwalt sprechen“, sagte sie mit zusammengepressten Lippen.

Er hatte es lieber, wenn Jessie sauer war, als wenn sie weinte. Rick hatte heute bereits viel Zeit verloren. Erst hatte er nach Fingerabdrücken bei sich zu Hause gesucht und dann mit den texanischen Polizeibehörden telefoniert, um herauszufinden, was in seinem Haus geschehen war, während er geschlafen hatte. Jetzt musste ihm Jessie helfen, die Sache so schnell wie möglich aufzuklären.

„Mein Verhalten tut mir leid. Ich benehme mich sonst anders“, meinte er versöhnlich.

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und schaute dann wieder geradeaus auf die Straße.

Ob sie sich wirklich beruhigt hatte? Er brauchte ihre Aussage.

Er bog ab und hielt in zweiter Reihe vor der Hall of Justice.

„Komm mit“, sagte er.

Sie griff nach ihrer Tasche und folgte ihm. Sie fuhren ein paar Stockwerke mit dem Aufzug nach oben und gingen dann einen langen Gang entlang. Und als ob nicht alles schon kompliziert genug wäre, wartete auch noch das Ehepaar Paolo und Lucy Mendoza vor seinem Büro.

Mr. Mendoza stand auf und kam ihnen entgegen, während seine Frau wie immer sitzen blieb und sich mit einem Taschentuch über die verweinten Augen wischte.

Rick hatte ihnen damals die Nachricht vom Tod ihrer Tochter überbracht und sie seither regelmäßig besucht. Er verstand ihren Kummer.

„Inspektor Marshall“, sagte Paolo, obwohl er ihn ruhig hätte Rick nennen dürfen, „ich habe in der Zeitung gelesen, dass Creed Thornton nicht länger tatverdächtig ist, unsere Tochter ermordet zu haben.“

Rick blieb stehen und schüttelte den Kopf. „Das stimmt nicht. Er ist nach wie vor verdächtig.“

„In der Zeitung steht, dass alles, was die Polizei als Beweismittel beschlagnahmt hatte, wieder freigegeben worden ist. Auf dem Foto sah man Creed lächelnd vor dem Gerichtsgebäude stehen. Er winkte als ein freier Mann.“

Paolo war ebenso wie Rick davon überzeugt, dass Creed Thornton der Mörder seiner Tochter war. Doch Rick hatte seine Meinung nie kundgetan und wollte sich jetzt auch nicht dementsprechend äußern.

Er nahm seine Hand von Paolos Schulter, um nun Lucy die Hand zu schütteln.

„Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, und Creed hat noch nicht alle Beweismittel zurückerhalten. Wir müssen noch ein paar Sachen untersuchen.“

„Was für Sachen?“

Rick wünschte, er könnte dem Paar etwas Tröstliches sagen, blieb aber zurückhaltend. „Wenn es etwas Neues gibt, werden Sie es erfahren. Ich versichere Ihnen, dass wir uns wirklich Mühe geben herauszufinden, wer Ihre Tochter auf dem Gewissen hat.“

„Man behauptet immer noch, sie hätte sich das Leben genommen“, schluchzte Lucy.

„Ich gebe nicht auf“, war alles, was Rick erwiderte.

Die beiden Männer tauschten einen vielsagenden Blick. Dann nahm Paolo seine Frau an die Hand, nickte und wandte sich zum Gehen. „Sie sind ein guter Mensch, Inspektor. Ich glaube Ihnen.“

Rick nickte nur und schaute ihnen mitfühlend nach.

„Die armen Leute“, flüsterte Jessie. „Was ist denn mit ihrer Tochter passiert?“

„Das wollte ich gerade herausfinden, als mein Auto gestohlen wurde.“

Jessie schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht.“

„Lass gut sein“, murmelte er.

Durch die Begegnung mit den Mendozas war Rick wieder eingefallen, warum er Jessie eigentlich befragen wollte. Es gab eben wichtigere Dinge als eine gemeinsam verbrachte leidenschaftlich Nacht. Er wurde gebraucht, und vielleicht würde die Hilfe, die er anderen zukommen ließ, auch endlich ein wenig Frieden in sein eigenes Leben bringen.

Rick führte Jessie durch die Räume der Mordkommission. Die Kollegen schauten ihnen neugierig nach und lächelten, als sie in Richtung Konferenzsaal verschwanden.

Hurley, der mit mehr Glück als Verstand ausgestattet und auch Sohn des ehemaligen Polizeichefs war, rief: „Nicht schlecht, Marshall!“ und musterte Jessie von Kopf bis Fuß.

Rick hätte dem jungen Schnösel gern eine verpasst. Doch er schaute ihn nur mit durchdringendem Blick an. Und der reichte aus, um Hurley umzuhauen.

6. KAPITEL

Jessie folgte Rick durch ein Labyrinth von Schreibtischen und kleinen, abgetrennten Arbeitsbereichen. Mit ihren Marmorwänden, den langen Korridoren und den unzähligen Türen erinnerte die Hall of Justice in San Francisco eher an einen Regierungssitz als an einen Ort, an dem ein Polizeirevier untergebracht war. Jessie fühlte sich in dem riesigen Gebäude verloren.

Erst als sie Ricks Abteilung betraten, gewann sie wieder etwas mehr Sicherheit. Rick führte sie durch den Raum, und wieder folgten ihnen neugierige Blicke. Die wissen alle Bescheid, dachte Jessie, wahrscheinlich ist das Mikroklima der hiesigen Großstadtpolizei nicht viel anders als auf dem kleinen Revier meines Heimatortes Tulouse in Texas.

„Wie hat er das vorhin gemeint?“, fragte Jessie, als beide außer Hörweite Hurleys waren.

„Mister Wichtigtuer wollte mal wieder witzig sein“, antwortete Rick. „Aber das gelingt ihm nicht immer.“

Ein paar Kollegen hörten Ricks Worte und schmunzelten.

Doch Jessie war immer noch angespannt. Rick hatte es geschafft, sie einzuschüchtern, und am liebsten wäre sie davongelaufen.

Er brachte sie in einen kleinen Konferenzraum, und Jessie begann zu erzählen. Sie berichtete bis ins kleinste Detail, was geschehen war – von dem Moment an, als Georgia sie auf ihrem Handy anrief, bis zu dem Zeitpunkt, als sie das Taxi nach Hause genommen hatte. Rick ging im Raum auf und ab und hörte ihr aufmerksam zu. Als Jessie alles erzählt hatte, war sie erleichtert, und irgendwie keimte in ihr die Hoffnung, dass mit Ricks Hilfe alles rasch wieder in Ordnung kommen würde.

Aber sie sollte sich besser keinen Illusionen hingeben. Ricks Gesichtsausdruck wirkte abweisend.

„Also, wenn ich dich richtig verstanden habe“, begann Rick und baute sich vor Jessie auf, „dein Mann …“

Exmann.“

„… ist aus dem Gefängnis entlassen worden, ist trotz seiner Auflagen durch drei Bundesstaaten gefahren, um dir aufzulauern und dich zu schikanieren, und das direkt vor meiner Wohnung …?“ Er machte eine Pause. „Und du bist nicht auf die Idee gekommen, den Polizisten aufzuwecken, mit dem du eine Nacht verbracht hattest?“

„Eigentlich hatte ich das vor“, erwiderte sie ruhig.

„Doch stattdessen bist du abgehauen und hast alle Türen offen gelassen.“

Sie schaute zu Boden und dachte daran, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen und von niemandem sonst Hilfe erwarten konnte. Sicherlich, ihre Mutter hatte ihr ab und zu beigestanden, doch danach war es regelmäßig zum Streit gekommen. Und gegen ihren Stiefvater hatte Jessie stets den Kürzeren gezogen. Immer hatte sie allein zurechtkommen müssen.

So würde sie es auch jetzt halten. „Ich wollte dich nicht mit meinen Problemen belästigen. Deshalb habe ich dich nicht geweckt“, erklärte sie.

Er atmete hörbar aus und wollte gerade etwas erwidern, als ein relativ kleiner, asiatisch aussehender Mann hereinkam.

„Wir haben herausgefunden, dass von deinem Handy aus angerufen wurde“, verkündete er.

Ricks Blick hellte sich auf.

„Vor etwa einer Stunde. Und zwar hat jemand ein Pfandleihhaus in Reno, Nevada, angerufen.“

Jessie bekam einen Stich in die Magengegend. „War es Wade? Hat er das Pfandleihhaus angerufen?“

Der Mann musterte Jessie wortlos.

Sie stand von ihrem Stuhl auf. „Sprechen Sie von Wade?“, fragte sie eindringlich.

Rick beachtete sie nicht und wandte sich an den Mann. „Hast du die Polizei in Reno verständigt?“

„Sie haben eine Fahndung nach deinem Auto herausgegeben, konnten aber nichts weiter versprechen. In Reno sind die ‚Hot August Nights‘. Über eine Million Menschen sind zu diesem Riesenereignis angereist, und die Beamten haben alle Hände voll zu tun.“ Er blätterte ein paar Papiere durch. „Die Kollegen in Reno meinten, dass frühestens übernächste Woche wieder der normale Alltag einkehren wird.“ Er blickte Rick kurz an und seufzte. „Ich fürchte, dein Freund hat sich den perfekten Ort für sein Verschwinden ausgesucht.“

Ricks Blick verdüsterte sich. „Hast du irgendeine Ahnung, von wo aus genau er angerufen hat?“

Der andere schüttelte den Kopf. „Nein. Der Anruf war zu kurz, und sie konnten nur die angerufene Nummer ermitteln. Aber es liegt fast auf der Hand, dass dein Autodieb in Reno ist oder gerade erst von dort weggefahren ist.“

„Sie sprechen von Wade“, verkündete Jessie und trat näher zu den Männern. „Welches Pfandleihhaus hat er angerufen?“

„Jess, das ist Angelegenheit der Polizei.“

„Ist es nicht, zum Teufel! Ich möchte meinen Schmuck zurück! Wade will ihn versetzen.“ Sie versuchte, sich zu beherrschen. Wenigstens den Diamantring wollte sie Georgia zurückgeben.

„Wir werden versuchen, dein Eigentum aufzustöbern.“

Sein herablassender Ton machte Jessie wütend. Wie oft schon hatte sie derartige Versprechungen gehört? Der Polizei waren ihre persönlichen Dinge doch völlig unwichtig. Sie musste die Sache schon selbst in die Hand nehmen.

Sie stand auf und nahm ihre Tasche vom Tisch. „Ich habe alles erzählt, was heute früh passiert ist, und jetzt muss ich gehen.“ Sie wandte sich zur Tür, ohne auf eine Antwort zu warten. Hier würde sie nichts mehr erfahren, aber sie wusste nun, dass das Pfandleihhaus irgendwo in Reno war. Genug Informationen, um aufzubrechen.

Rick hielt sie am Arm fest. „Du gehst nirgendwo hin.“

„Pass bloß auf!“

Sein Griff wurde fester. „Setz dich hin, Jess.“

Sie verengte ihre Augen und blieb stehen. In den letzten Monaten hatte sie genug Zeit auf Polizeirevieren verbracht, um genau zu wissen, was die Polizei alles nicht für sie tun würde. Und die Zeit rannte ihr davon. „Willst du mich festnehmen?“

„Du kennst die Antwort.“

„Dann lass mich gehen. Wir sind hier fertig.“

Sie versuchte, ihren Arm aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt sie nur noch fester, bis es wehtat.

„Du wirst nicht nach Reno fahren.“

„O doch, werde ich.“ Sie schaute ihn an. Und mit einem Blick auf seinen Partner sagte sie: „Du hast doch gehört, dass es in Reno gerade hoch hergeht. Und falls du glaubst, ich warte ab, bis ihr euch in Bewegung setzt, hast du dich geschnitten.“

Er legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie auf den Stuhl. „Dann werde ich dich wegen Verdunklung...

Autor

Lori Borrill
Lori Borrill fing im Juni 2004 mit dem Schreiben an, nachdem ihr Ehemann seine damalige Arbeit aufgab um seinem Traum nachzugehen ein eigenes Unternehmen zu gründen. Dieser Schritt trug nicht gerade dazu bei den vollgestopften Terminplan der beiden zu entschärfen, aber er wurde ein beständiges Beispiel dafür, dass Träume deren...
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Die preisgekrönte Autorin Kimberly Raye war schon immer eine unheilbare Romantikerin. Sie liest gern Romane aller Art, doch ihre Seele wird besonders von Liebesromanen berührt. Von sexy bis spannend, dramatisch bis witzig – sie liebt sie alle. Am meisten gefällt es ihr jedoch, selbst welche zu schreiben, je heißer desto...
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