Weihnachtszeit - Zeit der Sehnsucht

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ZEIT DER BESINNUNG - ZEIT DER SEHNSUCHT

Sechs Jahre dachte Collin nur an Rose, seine große Liebe. Nun ist er zu den Festtagen aus dem Krieg zurückgekehrt. Roses Augen leuchten vor Glück, als sie ihn ansieht … aber plötzlich weist sie ihn kühl zurück. Collin ist verzweifelt: Wird es für ihn nun kein Fest der Liebe geben?

EIN EARL UNTERM MISTELZWEIG

Diese Frau muss ein Weihnachtsengel sein! Davon ist der Earl of Burnham überzeugt, als er die schöne Wirtin Emilia kennenlernt - und spontan um ihre Hand anhält. Doch warum weist Emilia ihn weinend ab?

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Sir Philip auf Freiersfüßen: Einst war die Tochter seiner Nachbarn ein entzückender Wildfang - jetzt ist sie zu einer atemberaubenden Schönheit erblüht. Wenn er die Augen schließt, träumt er nur noch davon, Bethany in kalten Nächten mit heißen Küssen zu wärmen. Mit jedem Tag wächst Sir Philip Stavelys Verlangen nach seiner Angebeteten ins Unermessliche. Doch warum weist die betörende Bethany ihn so beharrlich ab?

CAPTAIN ALEXANDERS ENGEL

Stürmisch wie die winterliche Überfahrt von New York nach Plymouth sind Sarahs Gefühle für den geheimnisvollen Daniel Alexander. Kaum hat sie ihm ihr Herz geschenkt, muss sie fürchten, dass er sie betrügt ...

ENTSCHEIDUNG AM DREIKÖNIGSTAG

Warwickshire, 1226: Unfassbar! Lady Giselle ist nicht bereit, zu heiraten. Dabei wollte Sir Myles Buxton beim Weihnachtsfest um ihre Hand anhalten! Mit edlen Gaben will er ihr Herz erobern. Doch was schenkt man einer Maid, die nichts so sehr begehrt wie ihre Freiheit?


  • Erscheinungstag 19.12.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729110
  • Seitenanzahl 650
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Susan Spencer Paul, Louise Allen, Anne Ashley, Margaret Mcphee, Margaret Moore

Weihnachtszeit - Zeit der Sehnsucht

IMPRESSUM

Zeit der Besinnung – Zeit der Sehnsucht erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2001 by Mary Liming
Originaltitel: „A Promise To Keep“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL WEIHNACHTEN
Band 7 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Barbara Kesper

Umschlagsmotive: shutterstock_Sandratsky Dmitriy / GettyImages_czekma13

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733745226

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

London, Dezember 1815

Collin war froh, nach so vielen Jahren endlich wieder in London zu sein. Trotz Kälte und Nebel und ständiger Nässe war es England, Heimatboden, und somit Portugal, Spanien und Frankreich weit vorzuziehen – den Ländern, in denen er die letzten sechs Jahre Weihnachten verbracht hatte. In seiner Kompanie waren alle bemüht gewesen, das Fest so fröhlich zu feiern, wie in Kriegszeiten überhaupt möglich, und er hatte an diesem Tag stets besondere Dankbarkeit empfunden. Denn anders als viele seiner Freunde lebte er noch, und selbst inmitten des drückenden Elends hatten seine Männer und er Weihnachtslieder gesungen und sich einen Becher Wein gegönnt und die Kameradschaft untereinander genossen, die nicht wenig zur Festtagsfreude beitrug.

Ja, er hatte Grund gehabt, froh zu sein … doch selbst während jener kurzen Momente der Freude hatte er stets davon geträumt, nach England zurückzukehren und Rose zu finden, um mit ihr nicht nur den Weihnachtstag, sondern sein ganzes weiteres Leben zu verbringen.

Hier draußen auf der Straße waren kaum noch Fußgänger anzutreffen, nur ein paar Chaisen rollten langsam durch den dichten, kalten Nebel. Wenn deren Kutscher Collin unter der Laterne stehen sahen, wunderten sie sich sicherlich, warum ein anscheinend vernünftiger Mann sich bei solch grässlichem Wetter im Freien aufhielt, besonders, da es in unmittelbarer Nähe einen warmen, gemütlichen Gasthof gab. Das „Lamb and Wig“ hatte in diesem Teil Londons einen hervorragenden Ruf für seine gute Küche und sein süffiges Ale. Die Zimmer galten selbst bei vornehmen Reisenden als komfortabel, und der Kaffeesalon war ein beliebter Treffpunkt für die Anwälte, deren Kanzleien in Holborn lagen.

In dem sauberen, heiteren, angenehmen Gasthaus war man gut aufgehoben, wie Collin aus erster Hand wusste. Vor mehr als sechs Jahren hatte er hier die glücklichsten Wochen seines Lebens verbracht. Die Erinnerung an diese Zeit und an Rose hatte ihn während des Krieges aufrechtgehalten und ihn an diesen Ort zurückgebracht. So stand er nun draußen auf der Straße im Nebel und starrte auf das Gebäude auf der anderen Straßenseite.

Er würde Rose finden, anders war es gar nicht denkbar. Vor sechs Jahren hatte er ihr versprochen, zu ihr zurückzukehren, und dieses Versprechen würde er halten – ungeachtet ihres Briefs, in dem sie ihn von seinen Schwüren entbunden hatte. Immer noch erinnerte er sich des tiefen Schmerzes, mit dem er die kurze, kühle Mitteilung gelesen hatte, die sich so sehr von ihren früheren herzlichen, liebevollen Briefen unterschied.

Ohne nähere Gründe zu nennen, hatte sie nur geschrieben, dass er sie besser vergessen solle mitsamt der Tatsache, dass sie sich einander versprochen hatten. Falls er die Absicht hege, sie im „Lamb and Wig“ zu suchen – sie werde es verlassen und für immer fortgehen. Sie wünsche nur eins: dass er jeden Gedanken an sie verbannen und mit einer anderen glücklich werden solle. Der Brief endete mit der kurzen Entschuldigung „Es tut mir leid“ und dem Zusatz: „Ich bete dafür, dass du den Krieg heil überstehst und gesund zu deiner Familie in Northamptonshire zurückkehrst.“

Zuerst war er wie gelähmt gewesen, dann zornig, und als er das Schreiben ein zweites Mal gelesen hatte, zutiefst verzweifelt. Er konnte Rose nicht vergessen, das war unmöglich. Er erinnerte sich lebhaft an den Tag, da er sich auf den ersten Blick in sie verliebt hatte …

Sie bediente eine Gesellschaft von Rechtsgelehrten im Kaffeesalon des „Lamb and Wig“ und wehrte gutmütig lachend deren Versuche ab, mit ihr zu tändeln. Collin konnte es den Gentlemen nicht verübeln, denn sie war das hübscheste Mädchen, das er je zu Gesicht bekommen hatte. Lange schwarze Locken umrahmten ein süßes Antlitz mit cremeweißem Teint, frischen, rosigen Wangen und funkelnden Augen, die blauer waren als die schönsten Saphire.

Die Herren wagten nicht mehr als ein paar harmlose Neckereien, denn Rose war die Tochter des Wirts, und trotz ihrer siebzehn Jahre schaffte sie es mühelos, Männer, die sich unziemlich benahmen oder zu dreist wurden, auf Abstand zu halten. Selbst Collin wies sie kühl in die Schranken, als er das erste Mal versuchte, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Eine ganze Woche lang musste er sich hartnäckig bemühen, ehe sie nachgab – danach aber verbrachten sie so viel Zeit miteinander wie nur irgend möglich.

Collin war von seinem Vater nach London geschickt worden, um noch einen Monat die Zerstreuungen der Hauptstadt genießen zu können, ehe er mit seinem Regiment nach Portugal eingeschifft wurde. Als strenger, auf Anstand bedachter Vater hatte Sir John Mattison darauf bestanden, dass sein Sohn in einem respektablen Haus unterkam, und ihn daher im „Lamb and Wig“ eingemietet.

Natürlich hatte Collin protestiert; er wollte in einem interessanteren Teil der Stadt wohnen, wo er andere umtriebige junge Gentlemen treffen konnte, die ihn in all die Vergnügungen einführten, denen die jungen Stutzer in London frönten. Doch als er Rose kennenlernte, war er seinem klugen, erfahrenen Vater dankbar.

Mit Carl, Roses älterem Bruder, als Anstandshüter unternahmen sie so viel miteinander, wie es die drei verbleibenden Wochen nur gestatteten, besuchten Vauxhall, den Tower, Madame Tussaud’s und jedes nur denkbare Museum. Sie picknickten an der Themse und schlenderten gemeinsam mit dem ton durch den Hyde Park.

Jeder einzelne Augenblick war in Collins Gedächtnis lebhaft gegenwärtig, besonders aber die intimen, heimlich gestohlenen Augenblicke im Gasthof, wenn er seine Rose küsste und sie sich aneinanderschmiegten. Natürlich verzehrten sie sich nach mehr, doch Collin ließ nicht zu, dass er oder Rose den Kopf verloren. Seine Liebste war ihm zu teuer, als dass er sie so geringschätzig behandeln wollte. Außerdem bezweifelte er, dass Roses Vater seine einzige Tochter jemandem zur Ehe geben würde, der sich derartige Freiheiten herausnahm.

Doch versprochen hatten sie sich einander. Er schwor, sie zu heiraten, sobald er aus dem Krieg zurückkam, und sie gelobte, auf ihn zu warten. Sie würden sich treulich schreiben, und er erlegte ihr nur eines auf: dass sie ihn, falls ihm etwas zustieße, vergessen und sich einen neuen Liebsten suchen solle. Er wollte nicht, dass sie einsam blieb und einem Dahingeschiedenen nachtrauerte, wo sie doch so viel mehr vom Leben verdiente.

Er hätte nie gedacht, dass der Abschied von ihr ihn derart mitnehmen könnte, und das gleiche Gefühl übermannte ihn, als er in Portugal ihren ersten Brief erhielt. Mit bebenden Fingern brach er das Siegel, entfaltete den knisternden Papierbogen mit ihrer kleinen, zierlichen Schrift darauf. Ebenso aufgeregt und erwartungsvoll nahm er die folgenden Briefe entgegen. Seine Männer machten sich lustig über seine Treue zu seiner so fernen englischen Liebsten, denn Collin hielt unerschütterlich Abstand zu den Frauen, die sich willig den Soldaten anboten. Doch er wusste, im Stillen beneideten ihn seine Kameraden, besonders wenn wieder ein Schreiben von Rose eintraf.

Die vielen Briefe mussten sie ein kleines Vermögen kosten, und vermutlich erreichten ihn nicht einmal alle, da seine Division kreuz und quer in Spanien umherzog. Zum Glück hatte sein Vater ihm ein Leutnantspatent gekauft, sonst hätte er vielleicht gar nicht mit Post aus der Heimat rechnen können. Auch schadete es ihm nicht, dass er überraschend schnell zum Captain befördert wurde, und Roses glühende Glückwünsche machten ihn besonders stolz.

Der Brief mit den Gratulationen, erinnerte er sich, war einer der letzten, in denen noch Sätze voller Liebe und Sehnsucht standen. Er hatte ihn aufbewahrt mit all den anderen und als seinen kostbarsten Besitz mit zurück nach Hause gebracht. Ausgenommen ihre letzten Nachricht, die er, in einem Anfall trunkener Verzweiflung, ins Feuer geworfen hatte.

Erst Wochen später kam Collin nach und nach zu dem Schluss, dass hinter Roses knappem Abschied mehr stecken musste als nur plötzlich erkaltete Liebe. Sie hatte geschrieben, dass sie aus dem „Lamb and Wig“ fortgehe, und zu einen solchen Schritt wäre sie nur bereit gewesen, wenn sie einen neuen Liebsten gefunden oder man ihr keine andere Wahl gelassen hätte.

Dass sie ihr Herz einem anderen geschenkt haben könnte, nagte an ihm, doch wenn er ehrlich war, hielt er Rose für anständig genug, ihm das offen mitzuteilen. Stattdessen hatte sie ihn ohne jegliche Erklärung von seinem Versprechen entbunden, und das ließ keinen anderen Schluss zu als den, dass ihre Gründe recht peinlicher Natur sein mussten. Wenn Rose und ihre Familie sich gezwungen gesehen hatten, den Gasthof aufzugeben, galt es herauszufinden, wo sie sich hinbegeben hatten und ob Rose glücklich und gesund war. Jedenfalls würde er nicht eher ruhen, als bis er sie wiedersah und ihr sagen konnte, dass er sie immer noch liebte, und von ihr persönlich hörte, dass sie nicht mehr seine Gattin werden wollte.

Wieder ratterte eine Kutsche an ihm vorbei die nasse Straße entlang und verschwand im Nebel. Collin stellte den Kragen seines Wintermantels hoch und überquerte die Fahrbahn, ließ Nässe und Kälte hinter sich und betrat den Gasthof mit seiner vertrauten Wärme und Freundlichkeit, nach der er sich sechs lange Jahre gesehnt und von der er geträumt hatte.

Oft genug hatte er sich ausgemalt, wie es sein würde, wenn er über die Schwelle trat, nach Rose rief und in ihren Augen Überraschung, Freude, Liebe aufleuchten sah. Hatte sich vorgestellt, wie sie ihm mit ausgebreiteten Armen entgegenlaufen würde, und er sie auffing und an sich drückte und ihr Gesicht mit Küssen bedeckte. Wie alle, die ihn von früher kannten – Roses Vater, ihr Bruder und die Bediensteten – ihn überschwänglich und voller Zuneigung begrüßten und das Bier fließen würde, während er von seinen Erlebnissen erzählte, ohne auch nur einmal den Blick von Roses liebreizenden Zügen abzuwenden oder ihre Hand loszulassen. Es hätte der glücklichste Abend seines Lebens sein sollen.

Nun entdeckte er nicht ein einziges vertrautes Gesicht, obwohl sonst alles wie früher war. Warm, freundlich, einladend, doch es fehlte das dröhnende Willkommen, das Roses Vater stets Neuankömmlingen entgegenschmetterte, oder Carls herzliches Lächeln, mit dem er die Gäste bediente – und es fehlte Rose.

Sie waren fort, und mit ihnen jene einzigartige Atmosphäre, die den Gasthof ausgemacht hatte. Doch Collin hatte während der letzten sechs Jahre nicht umsonst querköpfige Männer kommandiert. Irgendjemand hier würde ihm, und zwar noch vor Ende der Nacht, einen Hinweis geben können, wohin Rose und ihre Familie verschwunden waren.

Entschlossen zog er seinen klammen Mantel aus und hängte ihn an einen Wandhaken in der Nähe des Feuers. Stumm betete er um ein Weihnachtswunder, dann marschierte er resolut in die Gaststube, um herauszufinden, was er wissen musste.

2. KAPITEL

Wie stets in dieser Jahreszeit, plagten Lady Dilbeck heftige Schmerzen in den Händen, und nicht nur dort, sondern auch in den Schultern, den Knien und in den Ellenbogen ebenso. Für ihre betagten Gelenke war die kalte Witterung verheerend – Rose wusste das aus Erfahrung. Nicht umsonst hatte sie während mehrerer Winter ihren schmerzgeplagten Vater gepflegt. Doch zu ihrem Leidwesen zeigten die Mittel, die ihm geholfen hatten, bei Lady Dilbeck nicht die gewünschte Wirkung. Rose war am Ende mit ihrem Latein. Heißes Wachs, Kampfer, Minze und zerriebene Eukalyptusblätter, alles brachte nur kurzfristig Erleichterung. Im Grunde war Rose klar, dass für ihre Dienstherrin nur eine Wetteränderung Abhilfe schaffen konnte.

Für Lady Dilbeck war die Weihnachtszeit eine Qual, und das nicht nur wegen der Kälte. Vor fünfzehn Jahren hatte sie kurz nach dem Fest ihren Sohn verloren, ihr einziges Kind, und seitdem wurde auf Dilbeck Manor Weihnachten nicht mehr gefeiert. Die Zeit, die eigentlich die fröhlichste des Jahres sein sollte, war hier die düsterste, freudloseste. Und Lady Dilbeck, die selbst wenn es ihr gut ging eine anspruchsvolle Brotherrin war, konnte man im Dezember nur schwer ertragen. Sie war reizbar, fordernd, grantig und beklagte sich unaufhörlich. Nichts vermochte sie zufriedenzustellen.

„Ist Ihnen warm genug?“ Rose setzte eine dampfende Schüssel auf dem Tisch neben Lady Dilbeck ab. „Soll ich mehr Holz auflegen lassen?“

„Nein, nein, mir ist schon viel zu heiß. Wollen Sie, dass ich mich zu Tode schwitze?“ Angewidert begutachtete Lady Dilbeck den Inhalt der Schüssel. „Was haben Sie da wieder Nutzloses zusammengebraut?“

„Einen Umschlag aus Kampfer und Minze. Neulich half Ihnen der ein wenig“, entgegnete Rose gelassen.

„Er half überhaupt nicht“, knurrte Lady Dilbeck gereizt, ließ Rose die Paste jedoch widerstandslos auftragen. „Es riecht grässlich“, setzte sie ungnädig hinzu, während Rose ihre Hand mit sauberen weißen Leinenbinden umwickelte. „Übel kann einem werden davon.“

Rose lächelte nur und versorgte auch die andere Hand. „Beim letzten Mal fanden Sie, es röche zu angenehm, um helfen zu können. Vielleicht wirkt es so nun besser.“

Lady Dilbeck warf Rose einen scharfen Blick zu und sah dann rasch fort, murrte aber unverständlich vor sich, bis der Wickel fertig angelegt war.

„So!“ Sanft strich Rose über die Verbände, dann legte sie die unbenutzten Verbände in die Schüssel und erhob sich. „Ich werde nun gehen und Miss Carpenter schicken, damit sie Ihnen vorliest. Der Breiwickel muss mindestens eine halbe Stunde einwirken. Wenn ich ihn entfernt habe, bringe ich Ihnen den Tee. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Mylady?“

Missmutig beäugte Lady Dilbeck ihre verbundenen Hände, die Rose behutsam auf das Kissen auf ihren Knien gebettet hatte.

„Schicken Sie Jacob herauf. Er soll das Feuer schüren.“ Ihre Ladyschaft schnaubte abfällig. „Es ist ja eisig hier.“

„Selbstverständlich.“ Rose atmete tief ein und nahm ihren ganzen Mut zusammen. „Lady Dilbeck, könnte ich etwas mit Ihnen besprechen? Die Bediensteten baten mich, es Ihnen vorzutragen …“

„Nicht jetzt.“ Die alte Dame ließ den Kopf gegen die Sessellehne sinken und schloss die Augen. „Schicken Sie Jacob her, sofort. Manchmal denke ich, Sie wollen, dass ich hier drinnen erfriere.“

„Sehr wohl, Mylady.“ Rose knickste und ging hinaus. Als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, blieb sie kurz stehen und seufzte enttäuscht auf.

Ein paar Minuten später betrat sie die Küche des Herrensitzes. Die gesamte Dienerschaft saß erwartungsvoll dort versammelt. Von Camhort, dem Butler, bis zu Janny, der Köchin, spiegelte sich in den Mienen aller eine Mischung aus Furcht und Hoffnung.

„Wie geht es ihr?“, fragte Jacob, der einzige Lakai und Hausdiener, gespannt. „Haben Sie mit ihr gesprochen?“

„Ich habe es versucht.“ Rose stellte die Schüssel ab und säuberte sich die Hände. „Ihre Ladyschaft möchte im Moment ihre Ruhe“, fügte sie entschuldigend hinzu. „Sie hat sehr große Schmerzen in den Händen.“

Janny schüttelte den Kopf. „Das ist um diese Jahreszeit immer so. Und wenn es nicht die Hände sind, dann tut ihr etwas anderes weh. Um sich ausgiebig über all ihre Wehwehchen zu beklagen, hat sie Kraft genug, aber zuhören mag sie nie.“

„Wenn sie uns nicht bald die Erlaubnis gibt“, sagte Emily, das Hausmädchen, „langt die Zeit nicht mehr für die Vorbereitungen, besonders nicht für den Pudding.“

„Es wird keinen Pudding geben.“ Ralf, der Stalljunge, stampfte enttäuscht mit einem Fuß auf. „Auch dieses Jahr nicht.“

Seine Mutter Hester, das zweite Hausmädchen, legte ihm den Arm um die schmalen Schultern. „Gib die Hoffnung nicht auf, Ralf. Miss Rose wird schon noch mit Ihrer Ladyschaft sprechen, nicht wahr, Miss? Wenn überhaupt jemand sie überreden kann, dann Sie.“

„Wir dürfen das Miss Rose nicht auferlegen“, mahnte Camhort mit verständnisvollem Blick zu Rose. „Sie würde Lady Dilbecks Missfallen erregen. Wir wissen doch alle, wie unangenehm Ihre Ladyschaft sein kann, wenn sie sich über jemanden ärgert.“

„Das macht mir nichts“, versicherte Rose lächelnd. „Es ist nur so schwierig, sie überhaupt zum Zuhören zu bringen. Und ich fürchte, egal wie behutsam ich die Sache vortrage, sie wird uns das Weihnachtsdinner versagen.“

„Ganz bestimmt“, murrte Janny nickend. „Es interessiert sie nicht, dass es nur für uns wäre und dass sie gar nicht dabei sein muss. Wie jedes Jahr wird sie uns das Fest ruinieren.“

Emily, die Hände fest an ihren weiß beschürzten Busen gedrückt, sagte aufgeregt: „Aber, Miss Rose, wenn Sie ihr sagen, dass es nur für uns hier im Dienstbotentrakt ist und dass wir ganz ruhig und leise sein werden, wird sie doch sicher einwilligen. Wir müssen ja nicht singen und Spiele spielen.“

Rose lächelte angesichts der hoffnungsvollen, jugendlichen Begeisterung des Mädchens. „Ich werde mir alle Mühe geben, sie zu überzeugen.“

„Wann denn?“ Das war Ralf, der jedoch sofort von seiner Mutter zum Schweigen gebracht wurde.

„Bald schon, eventuell heute Abend, wenn ich ihr ins Bett helfe. Dann hat sie ihr Glas Wein getrunken und ist vielleicht besserer Laune. Jetzt gibt es aber erst einmal genug zu tun. Also an die Arbeit. Und, Jacob …“, beeilte Rose sich hinzuzufügen, da alle schon auf dem Sprung waren, „Lady Dilbeck wünscht, dass das Feuer im Salon kräftig geschürt wird. Mach das bitte zuerst.“

Sie nickte dem Diener zu, dann begab sie sich in die Halle und eilte die Treppe hinauf in den dritten Stock. Dort klopfte sie an der Tür am Ende des Korridors und wartete, bis die Aufforderung einzutreten erklang.

Miss Nancy Carpenter war ein schmales, angespannt wirkendes junges Mädchen, das immer den Eindruck erweckte, als wolle es jeden Augenblick fluchtartig davonrennen. Sooft es nur ging, verkroch es sich in seine Kammer, wo es endlose Briefe schrieb, wie anscheinend auch jetzt, und kam nur zu den Mahlzeiten heraus oder wenn es nicht anders ging. Miss Carpenter lebte in ständigem Schrecken vor Lady Dilbeck, die ihre Tante war, und obwohl Rose ihr immer wieder zu erklären versuchte, wie sie mit der schwierigen alten Dame umgehen müsse, hatte das nichts bewirkt.

Miss Carpenter konnte durchaus hübsch genannt werden mit ihrem blonden, am Hinterkopf zu einem Knoten geschlungenen Haar und den großen blauen Augen, doch sie war entsetzlich dünn und blass. Vermutlich hätten ihr Spaziergänge und andere Aktivitäten an der frischen Luft gutgetan. Vor einem Jahr war sie auf Drängen ihrer Eltern, die ihr Lady Dilbecks Zuneigung sichern wollten, auf Dilbeck Manor eingetroffen, um ihrer reichen Verwandten als Gesellschafterin zu dienen.

Doch ihr Aufenthalt hier gestaltete sich anders erwartet. Ihre Eltern hatten ihr Geselligkeit und Vergnügungen versprochen, Lady Dilbeck jedoch ging fast nie aus und hatte bisher keinerlei Anstalten gemacht, Miss Carpenter in die Gesellschaft einzuführen. Stattdessen schien sie die Gegenwart ihrer Nichte ebenso unerfreulich zu finden wie Miss Carpenter die ihrer Tante. Ganz unbestritten hatte die alte Dame aber zumindest versucht, sich mit dem Mädchen anzufreunden, denn die langen Jahre des Alleinseins hatten ihr Bewusstsein dafür geschärft, wie sehr sie die Gesellschaft ihrer Haushaltsmitglieder brauchte.

„Sie können Lady Dilbeck nun vorlesen, Miss Carpenter.“ Das war eine der täglichen Aufgaben, die dem Mädchen oblagen, und die es verabscheute. Seine Augen weiteten sich. „Sie erwartet Sie im Salon“, setzte Rose hinzu.

Wenn möglich, wurde die junge Dame noch bleicher. „Danke, Miss Benham, ich komme sofort.“

Rose nickte lächelnd und wollte sich zurückziehen.

„Miss Benham?“

Fragend sah Rose hoch. „Ja?“

Miss Carpenter war aufgestanden. Sie verschränkte die Hände so fest ineinander, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.

„Miss Benham, ich … ich verlasse Dilbeck Manor. So… sobald es geht … Morgen.“

Verblüfft musterte Rose das blasse Gesicht des Mädchens. „Oh. Das wusste ich nicht. Lady Dilbeck hat nichts davon erwähnt.“

„Sie … sie weiß es nicht“, antwortet Miss Carpenter stockend. Sie wies auf ihren Schreibtisch. „Ich erhielt soeben einen Brief von meinem Vater. Er schreibt, ich könnte zu Weihnachten nach Hause kommen. Und das tue ich. Und ich werde nicht hierher zurückkehren.“ Entschlossen hob sie das Kinn.

„Sie haben es Lady Dilbeck noch nicht gesagt?“, fragte Rose leise. „Ohne Ihre Gesellschaft wird sie, fürchte ich, sehr einsam sein.“

Das Mädchen lachte freudlos. „Sie hasst mich, ich kann es ihr nie recht machen. Sie wird froh sein, wenn ich fort bin, sieht man davon ab, dass sie dann eine Person weniger zum Ausschelten hat. Es tut mir leid, wenn Sie und die Dienerschaft die volle Wucht ihres Missfallens abbekommen, aber ich kann es nicht länger ertragen.“

„Lady Dilbeck ist oft nicht sehr umgänglich“, gab Rose zu, „doch sie hasst Sie gewiss nicht, Miss Carpenter. Wenn Sie ihren Ausbrüchen entschiedener begegnen könnten, würde sie Sie ganz anders behandeln. Schwäche kann sie nicht ausstehen.“

„Ich weiß.“ Miss Carpenter nickte unglücklich. „Zu Ihnen ist sie meistens freundlich, aber Sie lassen es sich auch nicht anders gefallen. Ich dagegen kann ihr nicht die Stirn bieten. Ich kann’s nicht.“ Die junge Frau sah aus, als kämen ihr gleich die Tränen. „Ich will einfach nur weg, nach Hause. Bitte helfen Sie mir, Miss Benham. Ich habe solche Angst, dass sie mich nicht gehen lässt, wenn sie erfährt, was ich vorhabe.“

„Sie kann Sie nicht festhalten“, sagte Rose gelassen. Sie schloss die Tür und trat ins Zimmer. „Aber ich sehe schon, dass Sie nicht bleiben können. Nun setzen Sie sich erst einmal, beruhigen Sie sich und sagen Sie mir, was Sie tun wollen. Ich werde Ihnen helfen, soweit ich kann, das verspreche ich.“

Zwei Stunde später fand Rose endlich Gelegenheit, sich einen Augenblick auszuruhen. Müde, aber erleichtert schleppte sie sich in ihr Zimmer. Endlich hatte sie ein wenig Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen.

Es war ihr gelungen, Miss Carpenter zu beruhigen und ihre Pläne zu erfahren. Sie hatte versucht, ihr diese auszureden, aber schließlich nachgegeben. Trotzdem gefiel ihr die Sache nicht, denn sie würde Lady Dilbeck die Abreise ihrer Nichte verheimlichen müssen, bis das Mädchen tatsächlich unterwegs war.

Das bedeutete unnötige Grausamkeit gegen ihre Brotgeberin, die trotz ihres scheinbar gefühllosen Gebarens sehr verletzlich war. Rose wusste schon lange, dass sich hinter Lady Dilbecks Gereiztheit ein empfindsames Herz verbarg. Nur konnte Miss Carpenter das genauso wenig glauben wie die Tatsache, dass sie ihrer Tante wahrhaftig fehlen würde.

Rose wusste auch, dass Lady Dilbeck ihre Nichte verhätschelt, sie mit Liebe und Geld überhäuft hätte, wie es gewiss der Wunsch von Miss Carpenters Eltern gewesen war. Doch dazu hätte das Mädchen sich von den Verschrobenheiten Ihrer Ladyschaft nicht aus der Ruhe bringen lassen dürfen und stattdessen erkennen müssen, wie sich die Miene ihrer Tante aufhellte, wenn sie ins Zimmer trat, und wie sehr die alte Dame sich bemühte, sie bei Tisch ins Gespräch zu ziehen – meistens erfolglos.

Wie vor der Ankunft Miss Carpenters würde die alte Dame nun ihre Mahlzeiten wieder allein einnehmen müssen, zur Gesellschaft nur ihr Unglück und ihre Trauer. Vielleicht gar für den Rest ihres Lebens, denn es gab keine nahen Familienangehörigen mehr und kaum Umgang mit den wenigen entfernten Verwandten. Der Gedanke betrübte Rose.

So schwierig Lady Dilbeck im täglichen Umgang war, spürte Rose doch wachsende Zuneigung zu ihr. Die alte Dame hatte sie aufgenommen, ihr ein Heim und Arbeit gegeben, als sie sich verlassen gefühlt und schreckliche Angst ausgestanden hatte. Lady Dilbeck erwartete keinen Dank und gab ihr nie das Gefühl, als müsste sie sich ständig der Güte, die ihr widerfuhr, bewusst sein. Sie verlangte nur, dass Rose gute Arbeit leistete; besser noch, sie vertraute schlicht darauf, dass Rose genau dies tat.

Und nun würde Rose es ihr vergelten, indem sie der unglücklichen Nichte half, sich unbemerkt aus Dilbeck Manor wegzuschleichen. Die Abreise des Mädchens würde Lady Dilbeck tief treffen, schlimmer aber war, dass sie, wenn sie erst entdeckte, welchen Anteil Rose an diesem Verrat hatte, den Dienstboten ganz gewiss keinen Weihnachtsschmaus erlauben würde. Eher im Gegenteil – Weihnachten würde noch trübsinniger verlaufen als sonst, und Rose durfte sich vermutlich glücklich schätzen, wenigstens ihren Posten zu behalten.

Rose ließ sich auf den Fenstersitz sinken und schaute hinaus in den sich verfinsternden Himmel. Es würde bald schneien, vielleicht schon heute Abend. Rose lächelte versonnen. Als Kinder hatten sie und ihr Bruder Carl immer ganz aufgeregt auf den ersten Schnee gewartet. Welche Mühe es ihre Eltern damals Abend für Abend gekostet hatte, sie und Carl von den Fenstern fernzuhalten, durch die sie gespannt hinauslugten, ob nicht die ersten weißen Flocken rieselten!

Anders, als sie älter wurde – da bedeutete Schnee endloses Aufwischen von Fußstapfen. Doch die freudige Aufregung wegen der nahenden Feiertage war noch die gleiche. Unter den Gästen im Wirtshaus breitete sich Fröhlichkeit aus, in der Schankstube erklangen Weihnachtslieder und unter den Mistelzweigen, die über dem Durchgang zum Kaffeesalon hingen, herrschte reger Betrieb. Alle im „Lamb and Wig“ waren bester Stimmung, die nicht einmal die zusätzliche Arbeit zu dämpfen vermochte, die die Vorbereitung des berühmten Festessens erforderte.

Leise seufzte Rose auf und schloss lächelnd die Augen. Sie erinnerte sich so lebhaft, als wäre sie wieder dort. Sie wusste, diesen Luxus sollte sie sich besser nicht erlauben, denn anschließend würde sie sich nur elend fühlen. Doch es war so schwer, während der Weihnachtszeit nicht Erinnerungen nachzuhängen, nicht zurückzudenken daran, welches Leben sie einmal gehabt hatte. Und am schlimmsten war, dass sich Collin wieder in ihre Gedanken schlich.

Zwar dachte sie das ganze Jahr über an ihn, besonders im Spätsommer, der Jahreszeit, in der sie ihre wenigen kostbaren gemeinsamen Wochen verlebt hatten. Doch irgendwie war es ihr zur Gewohnheit geworden, sich besonders während der kalten Wintermonate um ihn zu sorgen und sich zu fragen, ob er wohl heil und gesund war, ob er unter der Kälte litt, ob er genug warme Decken und Nahrung und einen trockenen Unterschlupf hatte.

Aber mittlerweile wird er wieder wohlbehalten zu Hause sein, dachte sie wehmütig. Zurück in seinem Heim in Northampton, von seiner Familie freudig empfangen, wird er sich von den Strapazen des langen Krieges erholen. Dass er lebte, wusste sie, nachdem sie treulich sämtliche Aushänge des Kriegsministeriums mit den Namen der gefallenen oder verwundeten Offiziere gelesen hatte. Sein Name war nur einmal aufgetaucht: Captain Collin Mattison, leicht verwundet bei Salamanca.

Die Angst hatte sie fast umgebracht, denn viele Soldaten starben an den Folgen ihrer Verwundung, doch Collins Name war nicht wieder aufgetaucht auf den Listen. Sie hatte ihn anderswo erwähnt gefunden, in Berichten über diverse Schlachten, wo er stets Lob erntete, besonders aber in der letzten Schlacht, die erst vor wenigen Monaten in Belgien geschlagen worden war.

Inzwischen war der Krieg vorüber, und in ein paar Tagen würden Collin und seine Familie nicht nur Weihnachten feiern, sondern auch seine glückliche Rückkehr nach England.

Früher einmal hatte sie sich in diese Feier eingeschlossen gesehen; sie und Collin hatten sich diesen wunderbaren Tag ausgemalt, sowohl in Gesprächen, während er noch in London weilte, als auch in ihren Briefen, nachdem er fort war. Drei Jahre lang hatte Rose von diesen Träumen gezehrt, all ihre Gedanken und Pläne auf den Augenblick gerichtet, in dem Collin über die Schwelle des „Lamb and Wig“ trat und sie in seine Arme schloss.

Wie blauäugig sie damals gewesen war! Seufzend stand sie auf, ging zu ihrem Schrank, nahm einen warmen Strickschal heraus und legte ihn sich um die Schultern. In ihrer Naivität hatte sie geglaubt, dass es nichts gab, das ihre Zukunft zu zerstören vermochte. Doch das hatte sich als Illusion erwiesen. Liebe konnte nicht verhindern, dass das Leben in Träume einbrach und sie zerstörte.

3. KAPITEL

Obwohl Schnee lag, bog die Kutsche mit erschreckend hohem Tempo aus der Auffahrt von Dilbeck Manor auf die Straße ein. Um keinen Unfall zu riskieren, lenkte Collin sein Pferd an den Rand des Fahrwegs und schaute dem rasch entschwindenden Gefährt besorgt hinterher. Es war nachgerade ein Wunder, dass die Chaise sich nicht überschlagen hatte. Aber vielleicht gab es ja einen Grund für die Eile. Im Vorbeifahren hatte er hinter den Scheiben das Gesicht einer jungen Frau erspäht, die mit aufgerissenen Augen nach draußen blickte. Sie schien starr vor Schreck, ob allerdings wegen der rasenden Geschwindigkeit oder aus anderen Gründen, konnte Collin nur raten.

Kurz darauf war die Kutsche außer Sicht, und der Hufschlag verklang, und vor Collin tat sich eine weit ruhigere Aussicht auf.

Dilbeck Manor und seine Ländereien waren unübersehbarer Vernachlässigung anheimgefallen; das konnte selbst die dicke Schneedecke nicht verbergen. Das einstmals prächtige Herrenhaus wirkte baufällig und ungepflegt. Die umliegenden Parkanlagen waren verwildert, und die Felder, die Collin passierte, schienen seit Jahren weder Pflug noch Sense gesehen zu haben. Die meisten Pachthöfe waren unbewohnt und dem Verfall preisgegeben, was in Collins Augen eine Sünde war.

Er kannte Dutzende, nein, Hunderte Männer, die alles gegeben hätten für ein Dach über dem Kopf und ein Feld zum Beackern, das ihnen ein ehrliches Auskommen ermöglichte. Die meisten Soldaten seiner Kompanie suchten verzweifelt nach einem Broterwerb, seit sie heimgekehrt waren in ein England, das sie weder willkommen hieß, noch Verwendung für sie hatte. Für sie alle wäre Dilbeck Manor, so schlecht es bewirtschaftet wurde, die ersehnte Rettung.

Er fragte sich, ob es das auch für Rose war – eine Rettung –, oder ob es um etwas ganz anderes ging. Er wusste wenig über ihre Brotherrin, Lady Dilbeck, außer dass sie berühmt war für ihre Grillenhaftigkeit und dass sie seit dem Tode ihres einzigen Sohnes das Leben einer Einsiedlerin führte. Wie Rose die Dame überhaupt kennengelernt hatte, konnte Collin nur raten, doch irgendwie war es dazu gekommen, wenn seine Nachforschungen stimmten.

Und nun war er fast bei ihr. Allein der Gedanke ließ sein Herz schneller schlagen. Falls sie sich wirklich in Dilbeck Manor aufhielt und alles ging gut, würde er sie bald sehen, mit ihr sprechen, sie vielleicht sogar berühren – jedenfalls wenn sie, wie er es sich erhoffte, ebenso froh war, ihn zu sehen. In den letzten Jahren war so viel geschehen, und er wusste inzwischen zumindest in Ansätzen, warum sie ihm jenen Abschiedsbrief geschrieben hatte. Doch die Wahrheit zu kennen war nicht notwendig eine Garantie dafür, dass auch alles gut wurde.

Nicht dass es einen Unterschied machte. Er liebte Rose wie eh und je und wollte nicht glauben, dass ihre Liebe zu ihm einfach erloschen war, denn dazu hatte er ihren Charakter als zu beständig kennengelernt. Collin war hergekommen, um herauszufinden, was sie für ihn empfand. Der erste Blickkontakt mit ihr würde es ihm verraten, denn ihre blauen Augen pflegten der Spiegel ihrer Seele zu sein.

Bald schon würde er Bescheid wissen.

Er drückte seinem Pferd die Fersen in die Flanken, lenkte es wieder auf die schneebedeckte Straße und hielt auf das große, heruntergekommene Herrenhaus zu – und Rose.

Die Ställe waren in ähnlichem Zustand wie das Wohngebäude, und außer einem jungen Burschen, der herausgetrottet kam und ihn misstrauisch beäugte, waren weder ein Stallmeister noch Pferdeknechte zu sehen.

„Guten Tag“, grüßte Collin fröhlich in der Erwartung, dass der Junge die Zügel nahm, damit er absteigen konnte.

„Wir nehmen keine Reisenden auf, auch nicht bei Schnee“, verkündete der Junge unbeeindruckt. „Im Dorf, zwei Meilen die Straße runter, gibt es einen Gasthof.“

„Was? Nicht einmal bei dem schlimmen Wetter? Deine Herrin schickt vornehme Herrschaften weiter, ohne ihnen wenigstens eine trockene Scheune anzubieten?“

Der Bursche nickte und musterte Collin von oben bis unten. „Besonders Soldaten. Sagt sie wörtlich. Aber um ehrlich zu sein, ich glaub nicht, dass Sie hier Ihr Nachtlager aufschlagen wollen.“ Mit einer Hand deutete er zu dem Stall hinter sich. „Der hat nur noch das halbe Dach, und da drunter stehen die Pferde Ihrer Ladyschaft. Und nicht mal die kann ich ordentlich warm halten. Da würden Sie nicht unterschlüpfen wollen, Mister.“

„Captain Collin Mattison“, korrigierte Collin freundlich und bot dem Jungen seine behandschuhte Hand. „Oder nur Collin, wenn du magst. Und du bist …?“

„Ralf.“ Argwöhnisch nahm der Bursche Collins Hand, schüttelte sie kurz und ließ sie abrupt los. Fragend legte er den Kopf schief. „Woher wissen Sie, dass ich eine Herrin habe und keinen Herrn?“

„Weil ich hier bin, um deine Herrin Lady Dilbeck zu sprechen und auch eine andere Dame, die hier lebt. Es erleichtert dich hoffentlich, dass ich nicht die Absicht habe, in eurem Stall zu schlafen.“

„Welche Dame meinen Sie?“ Ralf schaute, wenn möglich, noch argwöhnischer drein.

„Miss Rose Benham.“

Ablehnung im Blick, wich Ralf einen Schritt zurück. „Miss Rose? Was wollen Sie von ihr?“

Collin hüpfte das Herz in der Brust. „Also ist sie hier? Gott sei Dank!“ Er nahm seinen Hut ab. „Ich wusste es vom Hörensagen, doch ich hatte Angst, sie könnte inzwischen wieder fort sein. Geht es ihr gut? Ist sie zufrieden?“ Als er die Verwirrung des Jungen bemerkte, lachte er auf. „Aber damit sollte ich dich nicht belästigen, Ralf. Entschuldige.“

„Sie kennen Miss Rose?“ Ralf wich noch weiter zurück.

„Sehr gut sogar“, versicherte Collin schmunzelnd. „Wir sind einander versprochen.“

Ralf riss die Augen auf und musterte Collin erneut, dieses Mal durchaus anerkennend. „Sie und Miss Rose?“

Collin nickte. „Ja, genau. Und ich habe den ganzen langen Weg von London hierher hinter mich gebracht, um sie zu sehen.“

Ralf schien überzeugt. Er trat vor und nahm die Zügel

„Sie ist drinnen, und Ihre Ladyschaft liest ihr gerade die Leviten … Haben Sie die Kutsche gesehen?“

„Ja, bestimmt wird sie noch umkippen, bei dem Tempo.“

Ralf nickte knapp. „Das war Lady Dilbecks Nichte. Ist auf Nimmerwiedersehen abgereist. Miss Rose hat ihr dabei geholfen. Heimlich, ohne es Ihrer Ladyschaft zu sagen. Jetzt weiß sie’s, und das stimmt sie nicht froh.“

Mit einem Blick zum Herrenhaus sagte Collin: „Dann will ich lieber hineingehen und sehen, was ich tun kann.“

Ralf lachte verächtlich. „Sie kennen Ihre Ladyschaft nicht. Sie können nix tun. Und es gibt wieder kein Weihnachten. Schon wieder nicht.“

Collin lächelte ihm zu. „Weihnachten kann man nicht aufhalten, Ralf, das kommt einfach, ob man will oder nicht. Und was deine Herrin angeht, zweifellos ist sie eine einschüchternde Frau, doch sie kann nicht schlimmer sein als ein Bataillon französische Infanterie, das einem auf dem Schlachtfeld mit Gebrüll entgegenstürmt.“ Er musterte das Stallgebäude, dann das Herrenhaus. „Gibt es jemanden, der sich um den Besitz kümmert, wenn auch nur schlecht und recht?“

„Nee, für einen Verwalter will Ihre Ladyschaft kein Geld ausgeben. Wir sind genug Leute, um sie zu versorgen, und das muss reichen.“

„Großartig“, murmelte Collin und löste den einzelnen Mantelsack, der sein spärliches Gepäck enthielt, vom Sattel. „Dann kümmere dich bitte um mein Pferd, Ralf, und überlass Lady Dilbeck mir.“

Rose wusste nicht recht, was schlimmer war – Lady Dilbecks Anklagen oder ihr ausdauerndes Schweigen. Im Augenblick bekam sie abwechselnd beides ab. Natürlich hatte sie Tadel verdient und ihn erwartet. Doch das machte es nicht leichter.

„Sie hätten zu mir kommen müssen.“ Lady Dilbeck saß in ihrem Lieblingssessel beim Feuer. Sie sah Rose nicht an, sondern hielt den Blick auf ihre mit warmen wollenen Tüchern umwickelten Hände geheftet. „Ich habe immer darauf vertraut, dass Sie mir gegenüber ehrlich sind. Rückhaltlos ehrlich.“

Der Schmerz, der in Lady Dilbecks Stimme mitschwang, war für Rose die schlimmste Strafe überhaupt. Schlimmer gewesen wäre nur, wenn die gebrechliche alte Dame zu weinen begonnen hätte. Dann wären auch Rose die Tränen gekommen.

Rose verschränkte ihre Hände so fest, dass es ihr wehtat. „Ja, ich hätte es Ihnen sagen müssen“, gab sie zu. „Aber Miss Carpenter war fest entschlossen abzureisen, auch ohne meine Unterstützung. Ich wollte nicht, dass sie den Haushalt mehr als nötig aufstört.“ Oder Sie, Mylady, fuhr sie im Stillen fort und malte sich aus, was passiert wäre, wenn Lady Dilbeck versucht hätte, ihre Nichte aufzuhalten. So außer sich, wie das gedankenlose, verwöhnte Mädchen gewesen war, hätte es womöglich sehr grausame Dinge gesagt. Und zu hören, was es über seine Tante dachte, hätte Lady Dilbeck tiefer verletzt, als einfach nur allein gelassen zu werden.

„Sie hatte Heimweh“, log Rose in der Hoffnung, Ihre Ladyschaft würde die Ausrede gelten lassen, „und wollte Weihnachten zu Hause verbringen. Ich bemühte mich, sie zum Bleiben zu bewegen, und hatte vor, mit Ihnen zu besprechen, ob wir das Haus nicht etwas fröhlicher herrichten könnten … nicht nur Ihrer Nichte wegen, sondern für uns alle. Doch sie wollte einfach nicht hören, und letztendlich versprach ich ihr dann, zu schweigen. Aber das war nicht recht von mir, und dass ich Sie hintergangen habe, ist unentschuldbar. Ich kann nur sagen, dass es mir zutiefst leidtut, und bitte Sie, mir zu verzeihen, auch wenn Sie wünschen, dass ich Dilbeck Manor verlasse. Bitte, Mylady, ich flehe Sie an; verzeihen Sie mir, ehe ich gehe.“

„Von Gehen war keine Rede“, entgegnete die alte Dame scharf und schaute Rose zornig an. „Aber Sie hätten mir sagen müssen, was Nancy vorhatte. Sie ist doch noch ein Mädchen, und Mädchen sind törichte Geschöpfe mit wenig Hirn und albernen Ansichten. Ich hätte schon herausbekommen, was sie bedrückt, und sie umgestimmt. Das dumme Ding!“ Lady Dilbecks Stimme zitterte. Rose wusste, dass ihre Brotherrin nur mühsam verbarg, wie verletzt sie war. „Ich hätte ihr einen heiteren Weihnachtstag beschert, wenn es sie denn so sehr danach verlangte. Wirklich“, fügte sie ernsthaft hinzu, wie um sich selbst zu überzeugen, „wenn sie mich nur darum gebeten hätte. Bestimmt wäre mir etwas eingefallen, um sie froh zu stimmen. Aber Sie haben mir ja nichts gesagt.“

„Und das tut mir sehr leid“, murmelte Rose bedrückt.

„Es tut Ihnen leid!“, wiederholte Lady Dilbeck vorwurfsvoll und schüttelte den Kopf. Eine Weile herrschte Schweigen. Als die alte Dame erneut das Wort ergriff, klang sie eher traurig als erzürnt. „Nein, Rose, es ist nicht Ihre Schuld. Ich weiß, warum Nancy fortging.“ Erneut senkte sie den Blick auf ihre Hände. „Ich weiß, sie war unglücklich hier, so abgeschieden von jeglichen Lustbarkeiten, nur in Gesellschaft einer übellaunigen alten Frau.“

„Aber nein, so war es nicht, Mylady“, rief Rose hastig.

„Lügen Sie mich nicht an, Rose“, verlangte Lady Dilbeck streng. „Und Sie müssen mich auch nicht schonen. Ich mag eine Närrin sein, aber deshalb soll meine Haushälterin mich noch lange nicht wie eine behandeln.“

„Nein, Mylady“, pflichtete Rose ihr leise bei, „natürlich nicht. Soll ich jetzt …möchten Sie, dass ich Ihnen das Frühstück hier serviere?“

„Damit ich mir das Vergnügen versage, im Speisesalon allein am Tisch zu sitzen?“, fragte Lady Dilbeck bitter. „Nein, ich muss mich wieder daran gewöhnen, denn ich glaube nicht, dass meine Nichte zurückzukehren gedenkt. Oder?“ Sie sah auf.

Rose atmete tief durch. „Nein, Mylady, Miss Carpenter wird nicht wiederkommen.“

Die Wangen der alten Dame wurden noch blasser, als sie bereits waren. „Ich verstehe.“ Unruhig bewegte sie die Hände unter den wollenen Hüllen. „Ich fühle mich heute Morgen sehr müde“, murmelte sie. „Helfen Sie mir in meine Räume, Rose, und lassen Sie mir Tee hinaufbringen.“

„Ja, Mylady.“ Sie trat zu Lady Dilbeck, um ihr aufzuhelfen, als es an der Tür klopfte und Camhort eintrat. Er wirkte verstört.

„Verzeihung, Mylady, ein junger Mann ist eingetroffen und besteht darauf, vorgelassen zu werden. Er müsse dringend mit Ihnen sprechen, behauptet er.“

„Schicken Sie ihn weg“, befahl Lady Dilbeck gereizt. „Um diese Tageszeit empfange ich keine Besucher.“

„Das sagte ich ihm bereits, Mylady“, versicherte Camhort eifrig, „doch er bestand darauf, Sie zu sprechen. Er erscheint mir sehr durchsetzungsfähig.“

„Das ist er in der Tat“, sagte jemand hinter dem Butler. Im nächsten Moment flogen die Flügeltüren zum Salon weit auf, und der besagte Jemand stand auf der Schwelle.

Roses erster Gedanke war, dass er sich kaum verändert hatte, nur ein wenig größer und kräftiger geworden war. Dann legte sich ihre Verwirrung ein wenig, und sie dachte: Gott, steh mir bei, er ist hier.

Collin.

Sie hatte geglaubt, sie würde ihn nie wiedersehen, doch da stand er in der Tür, attraktiv und stattlich wie eh, und lächelte sein so vertrautes Lächeln. Sein blondes Haar war zu lang und brauchte dringend einen Haarschnitt, aber es war immer noch von den goldenen Strähnen durchzogen, die ihr von Anfang an so gut gefallen hatten, und auch seine blauen Augen hatten ihren strahlenden Glanz nicht verloren.

Neben seinem linken Auge verlief eine Narbe und eine weitere entlang seines Kinns, doch beide konnten der Attraktivität seiner Züge nichts anhaben. Immer schon hatten die Frauen ihn anziehend gefunden, und Rose war ebenso eifersüchtig wie stolz gewesen, die Zuneigung eines solchen Mannes gewonnen zu haben. Nun aber, da sie ihn so unverhofft wiedersah, wurde ihr ganz schwach.

Mit einem Mal sah sie alles verschwommen, und einen schrecklichen Moment lang fürchtete sie, sich zu blamieren, indem sie in Ohnmacht fiel. Auch Collin schien es zu bemerken, denn er wurde ernst und machte einen Schritt auf sie zu. Rose wich einen Schritt zurück. Die Bewegung half ihr, sich zu fangen; tief sog sie frische Luft in ihre Lungen.

„Wer sind Sie?“, fragte Lady Dilbeck entrüstet. „Wie können Sie wagen, sich ungebeten in mein Heim zu drängen?“

Noch einen winzigen Augenblick hielt Collin den Blick auf Rose geheftet, dann wandte er sich, das ihm eigene charmante Lächeln auf den Lippen, Lady Dilbeck zu.

„Vergebung, Mylady.“ Er zog den Hut und verneigte sich. „Doch ich muss wirklich dringend mit Ihnen sprechen, und ich fürchtete, Sie würden mich abweisen und sich weigern, mich anzuhören. Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle. Ich bin Captain Collin Mattison aus Northamptonshire, kürzlich aus Spanien, Frankreich und Belgien zurückgekehrt.“

„Mattison?“ Die alte Dame musterte ihn gründlich. „Aus Northamptonshire? Sind Sie mit Sir John Mattison aus eben jener Grafschaft verwandt?“

„In der Tat, Mylady.“ Collins charmantes Lächeln vertiefte sich. „Sir John ist mein Vater.“

„Ach?“ Lady Dilbeck beugte sich vor. „Ich kann nur schwer glauben, dass Sir John, den ich als höchst wohlerzogenen Gentleman kenne, einen Sohn mit derart schlechten Manieren haben soll. Und ich weiß ganz gewiss, er würde keinem seiner Kinder erlauben, sich ungebeten Zutritt zu einem fremden Haus zu verschaffen.“

„Nein, da haben Sie recht. Dennoch bin ich sein Sohn, und eines weiß ich ganz gewiss – er wäre sehr ungehalten, wenn ich etwas, das mir sehr wichtig ist, so einfach aufgeben würde.“ Er spähte zu Rose hinüber.

Rose hatte es die Sprache verschlagen. Würde er ihrer Dienstherrin sagen, dass sie sich kannten? Und wie würde Lady Dilbeck auf die Eröffnung reagieren? Wie sollte sie glaubhaft versichern, dass sein Auftauchen reiner Zufall war? Falls es ein Zufall war. Was es nicht sein konnte. Collin war ihretwegen hier. Es musste so sein. Er war gekommen, um von ihr zu erfahren, was sie in ihrem letzten Brief ausgelassen hatte. Wollte eine Erklärung. Nichts anderes hätte sie von ihm erwarten dürfen! Wenn sie während ihrer kurzen gemeinsamen Zeit etwas gelernt hatte, dann, dass Collin Mattison seine Ziele mit unermüdlichem Eifer verfolgte, wie er auch seine Armeekarriere gegen alle Einwände seines Vaters verfolgt hatte. Mit der gleichen Unbeirrbarkeit, mit der er ihr trotz ihrer anfänglichen Kühle den Hof gemacht hatte, würde er auch auf eine Erklärung dringen, ob sie sie geben wollte oder nicht.

„Und was könnte so wichtig sein, dass nicht Zeit für gutes Betragen bliebe?“, fragte Lady Dilbeck ungnädig.

„Es geht um eine Gunst“, erwiderte er. „Eine große Gunst. Ich bin hier, um mich für den Posten als Ihr Verwalter zu bewerben. Mit sofortiger Einstellung. Genau genommen schon ab heute.“

Alle Umstehenden gafften ihn offenen Mundes an, sogar Camhort. Rose klappte förmlich der Unterkiefer herunter, und sie konnte ihn nur mit Mühe wieder schließen.

„Was?“, fragte sie dumpf und merkte erst dann, dass sie gesprochen hatte.

Lächelnd wandte Collin sich ihr zu. „Ja, Miss?“

Wortlos schüttelte sie den Kopf.

„Ich bedaure, wenn ich Sie ein wenig überrumpelt habe“, sagte er an Lady Dilbeck gewandt. „Aber bitte, Mylady, ich flehe Sie an, lassen Sie mich erklären.“

Ebenso sprachlos wie Rose, konnte Lady Dilbeck nur nicken.

Collin trat einen Schritt näher, seinen ziemlich zerdrückten Hut in den Händen drehend. Jetzt erst fiel Rose der jämmerliche Zustand seines Mantels und der darunter hervorlugenden Uniform auf. Beide sahen nach langen Märschen und soldatischer Pflichterfüllung aus, genau wie Collin selbst.

„Gerade erst bin ich nach Erfüllung meiner letzten militärischen Aufgaben in Brüssel nach England zurückgekehrt. Ich hatte gehofft, längst bei meinen Eltern daheim zu sein, doch dann passierte etwas … oder besser, passierte nicht. Worum es sich handelt, möchte ich Ihnen nicht sagen, nur, dass ich deshalb noch nicht nach Hause kann. Ich bin hier, in der Hoffnung, dass ich mich gegen Unterkunft und Verpflegung bei Ihnen nützlich machen darf, denn ich erinnerte mich, dass Sie eine Freundin meines Vaters sind. Sie können mich unterbringen, wo immer es Ihnen recht ist, auch in den Ställen. Als Soldat bin ich dergleichen gewohnt und kann bei allen Witterungsverhältnissen gut schlafen. Und, wenn Sie mir die Bemerkung verzeihen“, fügte er fester hinzu, „mir scheint, Dilbeck Manor könnte einen Verwalter gebrauchen. Ich würde ordentliche Arbeit leisten, das schwöre ich. Mein Vater unterwies mich persönlich in der Verwaltung eines Gutes.“

Lady Dilbeck starrte ihn immer noch verblüfft an. Langsam sagte sie: „Sie wollen mein Verwalter sein, nur gegen Kost und Logis?“

„Am Anfang ja. Sagen wir bis Weihnachten. Wenn Sie dann mit meiner Arbeit zufrieden sind, können wir über eine angemessene Vergütung reden, die nicht unbedingt in pekuniärer Form erfolgen muss.“

„Land werden Sie mir nicht abluchsen können.“

„Das würde ich nie verlangen“, entgegnete Collin leicht gekränkt. „Wenn ich etwas so Unehrenhaftes täte, würde mein Vater mich mit der Reitpeitsche prügeln, außerdem würde ich weder ihm noch meiner Mutter je solche Schande bereiten. Wie immer die Bedingungen unseres Abkommens ausfallen, sie müssten für Sie, Mylady, annehmbar sein.“

Eine ganze Weile musterte Lady Dilbeck ihn schweigend. „Ob Sie oder sonst wer, viel kann man in drei Wochen auf diesem Besitz nicht bewirken, Captain Mattison. Gewiss konnten Sie sich doch bei Ihrer Ankunft vom Zustand der Ländereien überzeugen.“

„Das ja, Mylady, aber ich hoffe, dass ich in dieser Zeitspanne Ihnen – und jedem hier auf Dilbeck Manor – meinen Wert beweisen kann.“ Abermals blickte er Rose an, ehe er sich wieder an die Hausherrin wandte. „Wollen Sie mir die Chance geben?“

„Ich sollte auf nähere Erklärung drängen“, meinte Ihre Ladyschaft nachdenklich. „Ihr Vater war viel besser mit meinem Gatten befreundet als mit mir, doch wir sind in der Tat langjährige Bekannte, und ich möchte nicht Anlass für einen Streit zwischen Vater und Sohn sein. Und wenn jemand entschlossen ist, etwas für sich zu behalten, will ich ihn nicht ausfragen, doch ich möchte sicher sein, dass ich nicht Sir Johns Zorn heraufbeschwöre.“

Collin legte sich die Hand aufs Herz. „Von Streit ist keine Rede, Mylady, und mein Vater wäre nicht erzürnt, darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort.“

Kopfschüttelnd nahm Rose zur Kenntnis, dass Lady Dilbeck überhaupt in Erwägung zog, einem völlig Fremden – sah man von ihrer Bekanntschaft mit dessen Vater ab – zu erlauben, sich auch nur eine einzige Minute lang um ihre Ländereien zu kümmern. Zwar hatte sie durchaus Geschäftssinn, doch ebenso pflegte sie vor allem Unvertrauten zurückzuschrecken. Es war unvorstellbar, dass sie eine solche Vereinbarung mit einem Unbekannten überhaupt in Betracht zog.

„Dies ist meine Haushälterin, Miss Benham.“ Lady Dilbeck wies mit einer eingehüllten Hand auf Rose.

„Miss Benham …“ Förmlich wandte Collin sich zu Rose und verneigte sich tief. „… ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

Rose mühte sich, ihre Lippen zu bewegen, wenigstens seinen Namen zu murmeln, doch zu mehr als einem knappen Knicks war sie nicht imstande.

„Ich vertraue sehr auf Miss Benhams Rat, Captain“, verkündete die alte Dame, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Daher soll sie über Ihr Schicksal entscheiden. Was sagen Sie, Rose? Sollen wir Captain Mattison die von ihm gewünschte Chance einräumen?“

Beide, Collin und Lady Dilbeck, schauten sie erwartungsvoll an. Völlig verwirrt sah Rose von einem zum anderen.

„Ich … Mylady, Sie können nicht ernsthaft wollen, dass ich etwas derart Wichtiges entscheide.“

„Und ob“, murrte Lady Dilbeck gereizt, „genau das sagte ich doch bereits!“

„Es wäre mir eine Ehre, Ihre Meinung zu hören, Miss Benham“, äußerte Collin ernst, „und ich werde mich nach Ihrer Entscheidung richten. Wenn Sie sagen, dass ich gehen soll, werde ich das augenblicklich tun.“

Er näherte sich ihr um einen Schritt und schaute ihr geradewegs in die Augen. Ach, er war ihr so schmerzlich vertraut, war ganz ihr Collin!

Doch er sollte nicht bleiben, sollte sich nicht bewähren, sie wollte es nicht. Wie hatte sie gebetet, ihm nie wieder begegnen, nicht den Schmerz fühlen zu müssen, das geliebte Gesicht noch einmal zu sehen. Nichts war ihr je härter angekommen als die Notwendigkeit, ihn fortzuschicken. Wie sollte sie nun ertragen, ihm nahe zu sein, mit ihm zu reden, seine Wärme zu spüren, seinen ureigenen Duft zu riechen und ihn dann abermals gehen lassen zu müssen?

Sie konnte es nicht … nein, unmöglich … und doch, wenn sie in sein geliebtes Gesicht schaute, in seine Augen …

„Bleiben Sie“, murmelte sie bedrückt, „wenn Sie es denn tatsächlich wollen.“

„Ja, sehr sogar“, erwiderte er erleichtert. „Danke, Miss Benham.“ Und an Lady Dilbeck gewandt: „Soll ich sofort anfangen, Mylady? Ich habe mein Pferd in Ralfs Obhut gelassen, und das wenige, was ich dabeihabe, ist in meinem Mantelsack, der draußen vor der Tür steht. Ich kann meine Pflichten umgehend aufnehmen, wenn es Ihnen recht ist.“

„Nun, so fangen Sie an, Captain.“ Lady Dilbeck machte eine ermunternde Geste. „Rose … Miss Benham, meine ich, wird Ihnen einen passenden Raum zuweisen und Sie dann mit Jacob bekannt machen. Er ist der Hausdiener und kann Ihnen den Besitz zeigen. Nehmen Sie keine Veränderungen vor, ohne mich konsultiert zu haben, sonst sind Sie schneller auf dem Weg nach Northamptonshire, als Sie glauben.“

„Ich werde nichts unternehmen ohne Rücksprache mit Ihnen, Mylady“, versprach Collin feierlich. „Dann reite ich gleich als Erstes die Ländereien ab und trage Ihnen heute Abend meine ersten Eindrücke und Vorschläge vor.“

„Heute Abend?“ Lady Dilbeck nickte zustimmend. „Sie gehören in der Tat zu den Schnellentschlossenen, Captain. Das gefällt mir. Rose, bringen Sie Captain Mattison im Ostflügel unter, und sehen Sie zu, dass er sich zurechtfindet. Sie werden dort allein sein, Sir, es wohnt sonst niemand in dem Teil des Hauses, doch die Zimmer sind hübsch und behaglich.“

„Danke, Mylady, ich bin mit allem zufrieden.“ Er verneigte sich noch einmal vor ihr, dann sah er Rose erwartungsvoll an.

Sie atmete tief ein und zog sich ihren Schal enger um die Schultern.

„Wenn Sie dann Ihr Gepäck holen, Captain, und mir folgen wollen …?“ Sie ging zur Tür. „Ich werde Ihnen Ihr Zimmer zeigen.“

4. KAPITEL

Sie hatte sich in den vergangenen sechs Jahren verändert. Ihr herrliches schwarzes Haar, das ihr einst lose über die Schultern gefallen war, trug sie streng zurückgekämmt und im Nacken zu einem festen Knoten gebunden. Ihr Gesicht, damals jugendlich frisch und lebhaft, war nun schmal und blass, beinahe durchscheinend. Und ihr Körper, einst mit entzückend üppigen Rundungen gesegnet, deren Anblick nicht enden wollendes Verlangen und oft genug blankes Begehren in ihm entfacht hatte, war nachgerade mager geworden.

Doch trotz der Veränderungen konnte Collin den Blick nicht von ihr wenden und er fand noch immer, dass sie die schönste Frau auf Gottes Erde war. Während seiner Zeit in der Armee hatte er unzählige Frauen getroffen, viele davon sehr verführerisch, doch keine hatte seinen Herzschlag derart beschleunigt wie Rose, keine ihm das Gefühl gegeben, sie halte seine ganze Welt in ihren kleinen Händen.

Er hatte Lady Dilbecks Salon betreten, Rose gesehen und es als überwältigendes Glück empfunden, einfach wieder in ihrer Nähe zu sein. Dass sie auf seinen Anblick eher mit Kümmernis reagierte, dämpfte seine Freude, doch nur kurz. Erst einmal waren sie wieder beisammen, trotz der Schwierigkeiten zwischen ihnen, und das war unbestreitbar ein Wunder.

Ihm voran erklomm sie die Treppe, scheinbar ungerührt und unnahbar, mit starr aufgerichtetem Rücken. Auch ihre Stimme war kühl und abweisend. Im zweiten Stockwerk angekommen, stieß sie die erste Tür im Korridor auf und sagte: „Hier werden Sie wohnen. Der Raum wurde länger nicht benutzt, doch der Kamin zieht gut, und ich lasse Jacob umgehend Kohlen bringen. Für die gesamte Etage ist eine Dienerin zuständig, deren Pflichten sich durch Ihre Anwesenheit vermehren.“

Sie schritt zu den beiden hohen Fenstern und zog mit einem scharfen Ruck die schweren Vorhänge zur Seite. Winterlicht strömte in den trüben, staubigen Raum. „Sie heißt Hester, und ich wüsste es zu schätzen, wenn Sie Ihre Ansprüche einschränken, so gut Sie können, um ihr nicht zu viel aufzubürden.“ Sie wandte sich ihm zu, und er sah, dass ihre Züge vor unterdrückten Gefühlen ganz starr waren. „Ich werde sie anweisen, Ihnen jeden Abend Handtücher und frisches Wasser und morgens heißes Wasser zu bringen.“

„Rose“, setzte Collin an, „ich …“

Sie ging zu dem hohen Bett in der Zimmermitte und faltete mit steifen, abgehackten Bewegungen den Überwurf zusammen. „Fall Sie Schmutzwäsche haben, legen Sie sie bitte bis morgen früh bereit; Hester wird sie mitnehmen. Ich sorge dann dafür, dass sie Sie bis zum Abend gesäubert zurückhaben.“

„Rose“, wiederholte er und ließ seinen Mantelsack zu Boden gleiten. „Es war nicht meine Absicht, dich derart zu überrumpeln, aber ich musste dich einfach finden. Bestimmt war dir doch klar, dass dies das Erste sein würde, was ich nach meiner Heimkehr in Angriff nehme.“

Sie sah ihn nicht an, nahm ihn scheinbar nicht einmal zur Kenntnis, sondern ging im Zimmer umher und entfernte die Schutzhüllen von den wenigen Möbelstücken. Es wird ein ansehnliches Gemach sein, wenn erst ein paar Kerzen brennen und das Feuer angefacht ist, dachte Collin vage, während er sie beobachtete.

„Ich weiß das mit deinem Vater und deinem Bruder“, sprach er weiter und trat ein wenig näher zu ihr. Sie war dabei, die Hülle von einem großen, vor der Feuerstelle befindlichen Lehnsessel zu entfernen. „Und auch, dass dieser Cousin von dir den Gasthof geerbt hat. Mir tut das alles sehr leid.“

„Die Dienstboten essen in der Küche“, sagte sie, als habe sie ihn nicht gehört, faltete das schwere Tuch und legte es auf einem Tisch ab. „Wir speisen zu ländlicher Stunde, und Janny, unsere Köchin, ist morgens sehr früh auf den Beinen. Wenn also Ihre Arbeit Sie schon vor dem Frühstück hinaus zu den Ländereien führt, wird sie Ihnen gern vorher etwas zubereiten.“

Collin trat so nah an sie heran, dass er sie hätte berühren können. „Warum hast du mir in deinem Brief nicht geschrieben, was in Wahrheit geschehen war? Ich hätte mir Urlaub verschafft und wäre dir zu Hilfe gekommen. Oder ich hätte dich zu meinen Eltern nach Northamptonshire geschickt, bei denen du bis zu meiner Rückkehr hättest bleiben können. Du wärst mit offenen Armen empfangen worden. Du weißt, dass sie dich schon während ich außer Landes war gern aufgenommen hätten und nur davon absahen, weil sie wussten, dass du im Gasthof gebraucht wurdest. Mein Vater erinnerte sich sehr gut an dich von seinen früheren Aufenthalten im ‚Lamb and Wig‘, und meine Mutter hoffte, dich dann besser kennenlernen zu können, als es per Brief möglich ist.“ Er berührte sanft ihren Arm. „Rose, hör mir doch zu.“

Sie zuckte zurück, versteifte sich und ging zum nächsten Sessel.

„Mittags spielt es keine Rolle, wann man zum Essen kommt. Janny hat stets Suppe auf dem Herd; man kann sich nach Bedarf etwas nehmen. Wenn Sie tagsüber unterwegs sind, wird sie Ihnen Brot und Käse einpacken. Die Dienerschaft isst um sieben Uhr zu Abend, nachdem Ihre Ladyschaft gespeist hat.“ Die Hülle rutschte von dem Sessel und wirbelte eine Staubwolke auf. Ungeachtet dessen hob Rose sie auf und faltete sie zu einem ordentlichen kleinen Päckchen. „Falls Sie das Dinner verpassen, werden Sie Janny überreden müssen, Ihnen noch etwas zu essen zu geben; was ihr nicht behagt, weil sie dann schon mit dem Kochen fertig ist. Doch ich bin sicher, Sie wird sich von Ihrem Charme so einwickeln lassen, dass sie selbst ihre blitzblank geschrubbten Töpfe zurück auf den Herd schafft, um Sie zu sättigen. Sie haben die Gabe, Frauen zu bezaubern, da ist Lady Dilbeck keine Ausnahme.“

Sie sprach ohne Verbitterung, stellte schlicht Tatsachen fest. Es war eine Vertraulichkeit, bei der Collins Herz einen hoffnungsvollen kleinen Satz machte.

„Ich fürchte, ich würde mich sehr anstrengen müssen“, meinte er lächelnd, „seit ich England – und dich – vor sechs Jahren verließ, hatte ich kaum Übung.“

Sie machte ein Geräusch zwischen Lachen und ungläubigem Schnauben.

„Ich war dir treu, Rose, wie ich es versprochen habe. Und es fiel mir nicht schwer. Nicht einmal nach deinem letzten Brief.“

Schweigend, ohne ihn anzuschauen, sammelte sie die gefalteten Hüllen ein. Collin folgte ihr entschlossen von einer Ablagestelle zur nächsten.

„Ich wünschte, du hättest mir geschrieben, was geschah. Ich hatte keine Ahnung, dass Carl plante, sich der Armee anzuschließen. Du schriebst nichts davon in deinen Briefen. Hätte ich es gewusst – und wäre er lebend in Spanien angekommen –, hätte ich ihn finden können und alles darangesetzt, ihn wieder heimzuschicken. Er hätte dich und deinen Vater nicht allein lassen dürfen. Das war töricht von ihm. Rose, willst du mich nicht wenigstens ansehen?“

Den Stapel Stoff im Arm, wandte sie sich um, sah ihm ins Gesicht und verkündete: „Wenn Sie noch etwas brauchen, Captain Mattison, sagen Sie es bitte besser mir als Camhort oder den Hausmädchen. Während Sie heute Nachmittag die Ländereien besichtigen, werden Hester und Emily – sie ist eigentlich für das Untergeschoss zuständig – Ihr Zimmer in Ordnung bringen.“ Sie wandte sich zum Gehen. „Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch eine Menge zu erledigen.“

Collin trat ihr in den Weg und hielt sie auf. „Das ist doch albern“, sagte er ungehalten. „Rose, du kannst nicht tun, als würdest du mich nicht kennen, nicht nach allem, was wir miteinander erlebt haben.“

„Nicht ich habe mit dieser Farce angefangen.“ Verärgert funkelte sie ihn an, und ihre ganze Förmlichkeit fiel von ihr ab. „Lady Dilbeck gegenüber gabst du vor, ein Fremder zu sein. Ich spiele das Spiel nur mit.“

„Das tat ich dir zuliebe, denn du hast zweifellos Lady Dilbeck nicht erzählt, dass du mit einem Soldaten verlobt warst. Oder?“

Röte stieg ihr in die Wangen, und ihr Ton wurde sanfter.

„Dazu bestand keine Veranlassung. Genau wie du keine Veranlassung hattest herzukommen.“ Kurz schloss sie die Augen. „Ich hätte dir alles schreiben sollen, doch ich fürchtet genau das, was du eben sagtest – dass du versuchen würdest, mir irgendwie zu helfen.“ Den Blick abwendend fuhr sie fort: „Und so sah ich davon ab und hoffte, du würdest es dabei belassen.“

„Natürlich hätte ich dir geholfen“, sagte er, konnte jedoch den Schmerz über ihre Worte nicht verbergen. „Ich liebe dich! Bis dein letzter Brief kam, lebte ich in der beruhigenden Gewissheit, dass du meine Frau werden würdest. Ich hätte alles, alles für dich getan.“

„Ich weiß“, antwortete sie mit bebender Stimme und hob endlich wieder den Blick zu ihm. „Aber ich hätte es nicht fair gefunden. Wenn Carl nur in London geblieben wäre und ich nicht ganz allein dagestanden hätte, als Vater starb, oder wenn er wenigstens auf dem Weg nach Spanien nicht erkrankt wäre, dann hätte alles gut ausgehen können. Das Gasthaus ganz allein zu führen wäre zwar schwer geworden, doch ich glaube fest, mit Hilfe von Jarvis und den beiden Hausmädchen hätte ich es geschafft. Doch als kurz nach Vater auch Carl noch starb, fiel alles an einen entfernten Cousin, diesen Mr Klivans, einen Mann, den ich nie im Leben gesehen hatte.“

„Und der dich völlig mittellos weggeschickt hat.“ Collin bemerkte ihre Überraschung und fuhr fort: „Jarvis erzählte es mir. Mr Klivans hatte wenigstens so viel Verstand, einen treuen Dienstboten zu behalten. Die beiden Mädchen entließ er allerdings. Viel mehr konnte Jarvis mir auch nicht sagen.“

„Ich verstehe.“ Sie ging zum Tisch und legte den Stapel Stoffhüllen sorgfältig darauf ab. „Als ich dich vorhin sah, war mir sofort klar, dass du eine ganze Menge erfahren haben musstest, wenn ich auch hoffte, dass dir das Schlimmste verborgen geblieben wäre. Aber vielleicht ist es am besten so, denn nun siehst du gewiss ein, warum ich diesen Brief schreiben und dich von deinem Versprechen entbinden musste.“

Collin schüttelte den Kopf. „Ich sehe gar nichts ein. Es ändert nichts zwischen uns!“

Mit großen Augen wandte sie sich ihm zu. „Wie kannst du das sagen! Es war schon schwer, überhaupt an eine Heirat mit dir zu denken, als mein Vater und mein Bruder noch lebten, doch wenigstens hatte der Gasthof einen hervorragenden Ruf, und ich konnte für mich beanspruchen, aus einer achtbaren Kaufmannsfamilie zu stammen. Und selbst da war es ein Wunder, dass deine Eltern keine Einwände gegen mich erhoben.“

„Keine Einwände? Wie kannst du so kühle Worte für ihre Haltung finden? Sie waren über alle Maßen erfreut zu wissen, dass ich mein Herz an ein wohlerzogenes Mädchen verloren hatte. Dass ich je ernstlich an Heirat denken würde, hatten sie nicht mehr zu hoffen gewagt.“

„Ja, sie schienen sich zu freuen, aber ein wenig reserviert waren sie auch. Das musst du zugeben.“ Sie seufzte auf. „Anders wäre es merkwürdig gewesen, denn dein Vater kannte mich nur flüchtig und deine Mutter gar nicht. Doch sie waren sehr gütig, besonders deine Mutter, als sie mich in ihrem Brief ihrer Einwilligung versicherte. Es war ein Beweis ihrer Liebe zu dir und ihres Vertrauens in dich, dass sie deine Verbindung mit einem Mädchen, zu dessen Gunsten so wenig sprach und das du erst so kurze Zeit kanntest, nicht infrage stellten.“

„Zu deinen Gunsten spricht alles“, behauptete er zornig. „Alles zumindest, was ich von einer Ehefrau erwarte, und nur das zählt. Deine Eltern entstammen beide respektablen Familien, und dein Vater hat darauf geachtet, dir eine ebenso gute Erziehung zuteilwerden zu lassen wie einer jungen Dame von Stand.“

„Sie führten einen Gasthof“, wandte sie leise ein, „und ich verrichtete die Arbeiten einer Dienstbotin – kochen, sauber machen, Gäste bedienen. Das tun junge Damen von Stand nicht, Collin. Trotzdem mochte ich für den jüngsten Sohn eines Landedelmannes als passend gelten. Inzwischen hat sich jedoch einiges geändert. Nun bin ich eine Dienstbotin, und nicht mehr die Tochter eines Gasthausbesitzers.“ Sie atmete tief ein. „Und ehe Lady Dilbeck mich gnädig aufnahm, stand ich weit unter einem Dienstbotendasein.“ Fest verschränkte sie die Hände vor dem Bauch. „Weit darunter, Collin. Mr Klivans schickte mich fort – mit nichts als den paar Besitztümern, die ich tragen konnte, und dann … dann brachte ich mich durch, so gut es ging. Ich will dir das alles nicht erzählen, außer um zu sagen, dass ich froh sein durfte, mich … mich nicht … an Männer verkaufen zu müssen.“ Sie errötete tief und schaute fort. „Doch wie ich mich durchbrachte, war nur wenig besser. Ich lebte mit Leuten, die ebenso verzweifelt waren wie ich. Gemeinsam fanden wir Wege zu überleben. Ich denke, du weißt, wovon ich spreche.“

Collins Herz zog sich schmerzhaft zusammen, da er zu wissen glaubte, was sie ihm sagen wollte. Diebstahl. Sie hatte in einer Familie von Dieben gelebt. Etwas ganz Gewöhnliches in Londons Straßen und anderswo, doch es fiel ihm schwer, sich Rose in diesen Verhältnissen vorzustellen.

„Es spielt keine Rolle“, murmelte er nach einem Moment der Überraschung. „Unter diesen schweren Zeiten leiden viele und müssen Dinge tun, die sie sonst niemals tun würden, um zu überleben. Selbst anständigen Leuten, Soldaten, die unter mir gedient haben, stolzen, ehrenwerten Männern, blieb nichts anderes übrig, als sich diesem Broterwerb zuzuwenden. Sie kamen aus dem Krieg heim und mussten feststellen, dass da das Nichts auf sie wartete.“

„Ja, ich weiß.“ Ein schwaches, trauriges Lächeln geisterte um ihre Lippen. „Auch in der Gruppe, mit der ich lebte, waren ehemalige Soldaten. Hauptsächlich Versehrte, manche hatten einen Arm oder ein Bein verloren oder beides. Sie wollten lieber stehlen, als betteln zu gehen.“ Gedankenverloren schüttelte sie den Kopf. „So wie ich lieber eine Diebin war als eine Hure. Irgendwie schien mir das noch ehrenhafter, doch leicht fiel mir die Wahl nicht.“ Sie senkte den Blick und ging zur Tür. Dieses Mal schnitt er ihr nicht den Weg ab.

„Sicher verstehst du nun, Collin, dass du mich unmöglich noch heiraten kannst. Deine Familie würde es zu Recht nicht zulassen …“

„Es spielt keine Rolle!“

„… und ich werde nicht so töricht sein, dich ohne ihre Zustimmung zu heiraten“, fuhr sie fort. „Ganz gleich, wie sehr ich dich lieben mag oder wie gern ich dich heiraten wollte.“

Collin sah ihr ins Gesicht. „Liebst du mich, Rose?“

Eine ganze Weile sah sie ihn stumm, mit großen Augen, an. „Ich werde dich immer lieben.“ Dann griff sie nach der Klinke. „Ich schicke Jacob mit den Kohlen herauf. Er wird auch die Staubhüllen mit nach unten nehmen.“

„Ich bleibe auf Dilbeck Manor“, warnte Collin. „So lange, bis ich dich irgendwie überzeugt habe, mein Frau zu werden. Denn ich liebe dich auch, Rose, auf ewig. Es ist mir so wichtig, dass ich es nicht einfach aufgeben werde. Das muss dir klar sein.“

Zum ersten Mal stiegen ihr Tränen in die Augen. Mühsam blinzelte sie sie fort.

„Sei kein Narr, Collin. Zwischen uns steht zu viel, und du machst es nur schwerer, wenn du nicht loslassen willst. Notfalls werde ich mich an deine Eltern wenden und ihnen die ganze Wahrheit über mich schreiben. Sie werden dich zur Vernunft bringen, wenn ich es nicht kann.“

„Schreib ihnen nur“, sagte er gleichmütig, „du wirst schon sehen, was dabei herauskommt.“

Nun rann doch eine Träne über ihre Wange. Collin sehnte sich danach, sie fortzuwischen, Rose in seine Arme zu nehmen und zu trösten, Kummer und Betrübnis wegzuküssen. Doch sie war völlig unzugänglich und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Zorn und Enttäuschung, die ihm zweifelsfrei zeigte, wie unwillkommen ihr jede zärtliche Geste von ihm wäre. Sie brauchte Zeit und neues Zutrauen und genau die Liebe, die nur er ihr geben konnte. Alles drei hatte er im Übermaß und würde es gut einzusetzen wissen – wenn er nur Geduld genug dazu aufbrachte.

Sie blieb an der Tür stehen und sah über die Schulter. „Eins sollst du wissen.“ Sie wischte sich über die feuchten Wangen. „Nachdem ich den Gasthof verlassen musste, habe ich wirklich alles versucht, irgendwo, egal wo, als Dienstbotin unterzukommen. Ich wäre vor keiner Arbeit zurückgescheut. Doch es war nichts zu bekommen.“

„Davon bin ich immer ausgegangen, etwas anderes hätte ich von dir nicht erwartet. Aber dass du in London Arbeit findest, selbst nur als Küchenmädchen, wäre eine Art Wunder gewesen. In ganz England gibt es keine Stellungen. Dass du hier etwas gefunden hast, noch dazu bei jemandem wie Lady Dilbeck, ist ein Glücksfall.“

„Ja, ein größerer, als du ahnst, Collin.“ Sie nickte langsam. „Ein viel größerer. Bitte lass es nicht so weit kommen, dass ich diese Arbeit, um dir zu entkommen, aufgeben muss.“

Er setzte zum Sprechen an, wollte sagen, dass er nie etwas Derartiges tun würde, doch sie zog die Tür auf, schlüpfte geräuschlos hinaus und ließ ihn allein mit seinen sich überschlagenden Gedanken.

5. KAPITEL

Sehen Sie mal da!“ Collin trat zurück und fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißglänzende Stirn. „Was haben wir denn da? Könnten wir den wohl gebrauchen?“

„Den Schlitten?“ Jacob schaute über Collins Schulter. „Der ist in gutem Zustand. Müsste geputzt werden und braucht ein bisschen Farbe, aber wenn wir die Pferde anspannen würden, könnten wir sofort losfahren.“

„Der war unter diesem alten Kram begraben.“ Collin zeigte auf einen Berg Decken und ausrangierte Möbelstücke. „Was bedeutet, dass er seit Jahren nicht benutzt wurde.“

„Seit gut zehn Jahren nicht, selbst wenn der Schnee für die Kutsche zu hoch lag. Bei Schnee verlässt Ihre Ladyschaft das Haus nicht mehr, jedenfalls heutzutage. Aber es ist ein guter Schlitten.“ Jacob wischte die schmutzigen Hände an seinem schweren ledernen Arbeitsschurz ab. „Wird eben nur nie benutzt.“

„Lady Dilbeck geht im Winter niemals aus?“, fragte Collin. „Nicht einmal zum Gottesdienst?“

Jacob schüttelte den Kopf. „Sonntags kommt der Pfarrer zum Tee, liest anschließend aus der Bibel und betet mit ihr, aber in die Kirche geht sie erst wieder im Frühjahr, wenn der Schnee getaut ist. Holen wir den da raus?“ Er wies mit dem Kopf auf den Schlitten. „Wir kommen besser voran, wenn er aus dem Weg ist.“

Zwar war der Nachmittag schon fortgeschritten, doch Collin hatte sich fest vorgenommen, heute noch mit der Ausbesserung des Dachs zu beginnen. Zuvor hatte er die wenigen verbliebenen Pächter des Gutes besucht und einige der Männer dazu bewegen können, am nächsten Morgen zu kommen, um bei den Reparaturen zu helfen. Er hoffte nur, dass sich das Wetter hielt. Denn in der Winterkälte zu hantieren war an sich schon nicht angenehm, doch ein Dach bei Schneefall instand zu setzen würde eine elende Schufterei werden. So oder so, die Arbeit musste getan werden, und wenn er und Jacob heute noch einiges an Vorbereitungen schafften, würde morgen alles umso leichter und schneller vonstattengehen.

„Schieben wir ihn erst einmal dort hinüber, zu den Pferden. Morgen bringen wir ihn ins Freie, und dann kann Ralf sich daranmachen, ihn zu putzen. Sofern das Wetter nicht dazwischenkommt.“ Collin stemmte sich gegen die eine Seite des einstmals eleganten Gefährts und Jacob gegen die andere, und mit nicht geringer Anstrengung schoben sie es quer über den mit Heu bedeckten Boden zum anderen Ende des Stalls.

„Großartig!“ Jacob nahm seinen Hut ab und fuhr sich mit einer Hand durch das dunkle, krause Haar. „Ich weiß nicht, ob es den Beifall Ihrer Ladyschaft findet, aber es wird schön sein, dieses Schmuckstück wieder in seiner alten Pracht erstehen zu lassen. Oder so prächtig, wie Ralf es hinkriegt.“ Liebevoll strich der Hausdiener mit der Hand über das Holz.

Jacob war ein hübscher, gutmütiger Bursche, etwa so alt wie Collin; groß und kräftig und äußerst anstellig bei allen Arbeiten, die auf dem Gut anfielen. Außerdem war er heftig in das Hausmädchen namens Emily verliebt, wenn Collin sich nicht sehr täuschte. Jedenfalls hatten sich die beiden heimlich Blicke zugeworfen, als er von Camhort offiziell den Dienstboten vorgestellt worden war.

„Ich erinnere mich noch daran, wie Seine Lordschaft, Gott hab ihn selig, jedes Jahr, sobald der erste Schnee fiel, mit dem Schlitten ausfuhr, und der war auf Hochglanz poliert und mit Immergrün geschmückt. Und darin saßen Ihre Ladyschaft und Master Bruce. Wie fröhlich sie damals alle waren!“ Jacob seufzte wehmütig. „Im ganzen Landadel gab es keine glücklichere Familie. Seine Lordschaft war sich nicht zu fein, laut herauszulachen, und sein Sohn genauso wenig, er war immer für einen Spaß zu haben. Und Lady Dilbeck …“ Jacob schüttelte bekümmert den Kopf. „…sie war ganz anders als heute. Sie war schön.“ Er schaute Collin an, als wollte er ihn mit seinem Blick davon überzeugen. „Und eine freundliche, zugewandte Dame. Damals liebte sie die Weihnachtszeit. Genoss jeden einzelnen Moment davon.“

„Tatsächlich?“ Collin betrachtet den Diener neugierig. „Hat der Tod ihres Sohnes ihr das Fest verleidet? Mag sie seitdem nicht mehr feiern?“

„Das vor allem, doch es begann schon, als Lord Dilbeck starb. Besonders er pflegte immer für die weihnachtliche Stimmung zu sorgen. Im ganzen Haus wurden die Zimmer mit Stechpalmenzweigen und roten Beeren geschmückt, selbst die Bilderrahmen in der großen Halle, und über den Türen hingen Mistelsträuße, und die vielen hübschen Hausmädchen, die wir hatten, bekamen da oft genug einen Kuss. Meine ältere Schwester arbeitete damals auch hier, bevor sie heiratete und das Haus verließ.“

„Kamen Sie durch Ihre Schwester nach Dilbeck Manor?“

„Ja, Sir.“ Jacob nickte. „Ich bin praktisch hier aufgewachsen, war damals noch ein junges Bürschchen. Lady Dilbeck behielt mich als Stalljungen, nachdem sie die meisten anderen entlassen hatte. Vor Jahren gab es reichlich Dienstboten auf dem Besitz – Hausmädchen, Lakaien, Hausdiener, Gärtner, Stallburschen die Menge, und alle livriert. Und die Pachthöfe waren bewohnt und in gutem Zustand. Lord Dilbeck hielt den Besitz so gut in Schuss, dass man stolz darauf sein konnte. Nur sieht man heute nichts mehr davon.“

Sie begannen, die Fläche unter dem Loch im Dach frei zu räumen.

„Es ist schon einige Jahre her, dass Lady Dilbecks Sohn starb, nicht wahr?“

„Fünfzehn Jahre sind’s; nach dem Tod seines Vaters war der Titel gerade auf ihn übergegangen. Master Bruce war erst fünfundzwanzig; er kam ganz nach seinem Vater, wär uns ein guter Dienstherr gewesen. Aber er erkältete sich schwer, das war kurz vor Weihnachten, und einen Monat später, im Januar, war er tot. Die ganze Zeit über hat ihn Lady Dilbeck persönlich gepflegt, saß Stunde um Stunde an seinem Bett und musste zusehen, wie es ihm immer schlechter ging. Sehen Sie, deshalb mag sie diese Zeit im Jahr nicht.“ Er warf Collin einen Verständnis heischenden Blick zu. „Sie erträgt die Erinnerungen daran nicht, wie froh es früher hier zuzugehen pflegte.“

„Es muss sehr schwer für sie gewesen sein, innerhalb weniger Monate Ehemann und Sohn zu verlieren …“, meinte Collin mitfühlend.

Jacob nickte. „Ja, und die beiden waren praktisch ihre ganze Familie.“ Er nahm den einen der beiden Besen, den Collin ihm reichte.

„Aber es gibt noch Verwandte?“ Collin begann den angehäuften Schmutz zusammenzukehren. In diesem Teil des Stalls war anscheinend seit Jahren nicht gefegt worden.

„Nur ganz entfernte“, murmelte Jacob schulterzuckend. „Habgieriges Pack, meiner Meinung nach, nur hinter dem Geld her. So wie diese Miss Carpenter.“ Man hörte ihm seine Abneigung an. „Sie war weiß Gott nicht die Schlimmste von der Bande, aber schlimm genug. Ein flatterhaftes, schlecht erzogenes Frauenzimmer, und so ängstlich, dass sie vor ihrem eigenen Schatten davonlief.“

Er hörte auf zu kehren und sah Collin an. „Nicht, dass ich ihre Abreise bedaure, nein, nur hat sie Lady Dilbeck verletzt und Miss Rose Ärger eingebracht. Und außerdem“, fügte er kläglich hinzu und begann wieder zu fegen, „hat sie unsere Chance auf ein rechtes Weihnachtsfest ruiniert. Ihre Ladyschaft wird uns keine Feier gestatten, sosehr Miss Rose sich auch dafür einsetzen wird.“

„Hatte sie versprochen, Lady Dilbeck darum zu bitten? Meinen Sie nicht, Ihre Ladyschaft würde vielleicht auch Camhort anhören? Oder sonst jemanden von der Dienerschaft?“

„Nee!“ Jacob schüttelte energisch den Kopf. „Ihre Ladyschaft hört auf niemanden außer Miss Rose, und das auch nur manchmal – es sei denn, Miss Rose besteht darauf, dass es der Gesundheit Ihrer Ladyschaft guttut, und spricht ein Machtwort.“ Er lachte. „Das bringt Lady Dilbeck immer ein bisschen ins Schwimmen, wenn Sie wissen, was ich meine.“

„Und ob ich das weiß.“ Robin erinnerte sich gut, wie hartnäckig Rose sein konnte. Diese Eigenschaft, unter vielen anderen, hatte ihn an ihr entzückt.

„Ralf erzählte mir, dass Sie Rose von früher her kennen“, sagte Jacob und sah Collin an. „Gut kennen sogar.“

„Wir waren verlobt, ehe der Krieg begann“, erklärte Collin offen. Bestimmt wussten inzwischen sowieso sämtliche Dienstboten davon. „Während des Krieges änderte sich das – zu meinem großen Bedauern. Allerdings weiß Lady Dilbeck nichts von meiner früheren Beziehung zu Miss Rose, und Miss Rose möchte nicht, dass sie es erfährt … wenigstens jetzt noch nicht. Ich würde es schätzen, wenn Sie das Geheimnis freundlicherweise wahrten und auch die andern darum bäten – Miss Rose zuliebe.“

Jacob richtet sich auf, faltete die Hände über dem Besenstiel und sah Collin fest in die Augen. „Sie werden nichts tun, das Miss Rose verstören würde, oder?“ Sein Ton und sein Blick waren eine einzige Warnung.

Collin musste lächeln. Offensichtlich hegten alle Bewohner von Dilbeck Manor, Lady Dilbeck eingeschlossen, große Zuneigung zu Rose.

„Ich liebe Miss Rose“, sagte er schlicht, „und würde ihr niemals wehtun. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort als Offizier der Armee Seiner Majestät und als Gentleman.“

Röte kroch in Jacobs Wangen, und er begann wieder zu fegen. „Ich wollte damit nicht sagen, dass Sie ’n schlechter Kerl sind, Captain.“

„Habe ich auch nicht angenommen“, entgegnete Collin freundlich, stellte den Besen fort und schaute sich um. „Sieht so aus, als wären wir fertig. Da sollten wir bis morgen Abend das Dach gedeckt kriegen, so Gott will. Wenn Sie hier die letzten Handgriffe machen, gehe ich jetzt zu Janny und rede mit ihr über die Verpflegung der Leute morgen.“

Neugierig musterte Jacob ihn. „Verpflegung? Ihre Ladyschaft wird das für unnötig halten. Oder sie erwartet, dass die Männer sich etwas mitbringen.“

Collin nahm seinen Rock vom Haken und schlüpfte hinein. „Ich habe ihnen zugesagt, dass sie für ihre Arbeit verpflegt werden, also werden sie Essen und Trinken bekommen. Sofern ich Janny dazu überreden kann, dachte ich an heißen Rumpunsch; der würde die Arbeit etwas erleichtern.“

Jacob lachte ungläubig. „Rumpunsch? Sie sind verrückt, Captain, wenn Sie glauben, dass Ihre Ladyschaft das erlaubt.“

„Und warum nicht? Es ist immerhin kurz vor Weihnachten, und was wäre da passender als heißer Punsch?“

„Lassen Sie ihn besser von Camhort zubereiten“, riet Jacob, als Collin schon an der Stalltür war, „Janny würde mit dem Rum knausern.“

Rose konnte ihren Anblick im Spiegel nicht ertragen. Sie fand sich hässlich. Hässlich und mager und farblos. Früher einmal war sie durchaus ein wenig eitel gewesen. Die Männer hatten ihr dichtes lockiges Haar und ihre wohlgestalte Figur bewundert, und man hatte ihr öfter versichert, dass sie ein sehr hübsches Mädel sei.

Doch inzwischen nicht mehr. Wie lange sie auch in den Spiegel schaute, sie konnte nicht leugnen, was sie sah. So viel von ihrem einstigen Ich war ihr in den vergangenen Jahren verloren gegangen. Ihr Haar – wenn sie es löste – fiel ihr immer noch lang und lockig über die Schultern, doch es war stumpf und glanzlos. Ihr Teint war bleich und ihre Augen umschattet. Und ihre Figur … furchtbar. Sie sah aus wie eine Halbwüchsige, dünn wie eine Bohnenstange. Was Collin denken musste, wenn er sie ansah! Die Vorstellung ließ sie fast in Tränen ausbrechen. Wovor sie sich, seit sie ihn verlassen hatte, krampfhaft zu hüten pflegte.

Er war, wenn möglich, noch stattlicher und attraktiver als vor sechs Jahren. Damals hatte er noch etwas Jünglinghaftes an sich gehabt, doch nun war er ein Mann, mit dem Körper und dem Gesicht eines Mannes, stark und kraftvoll und selbstbewusst. Obwohl – selbstbewusst war er schon immer, dachte sie und drehte sich vom Spiegel weg. Genau wie ich auch früher. Sie hatte sich unbesiegbar gefühlt.

Zu ihrem Kummer hatte sie erfahren müssen, dass das nicht stimmte. Und diese Lektion musste nun auch Collin lernen, ob er wollte oder nicht.

Sie ging zu ihrem Frisiertisch, nahm den Brief in die Hand, den sie geschrieben hatte, und las ihn noch einmal prüfend. Er war knapp und sachlich gehalten. Mehr als die kurze Mitteilung würde für Collins Eltern nicht notwendig sein, damit sie ihren dickköpfigen Sohn vor einer schädlichen Verbindung retteten. Sie würden verlangen, dass er Dilbeck Manor auf der Stelle verließ, und das hoffentlich, bevor Rose schwankend wurde und ihrem törichten Herzen nachgab.

Sie hätte sich so gern eingeredet, dass es eine Chance gab … dass ein Wunder geschehen würde … dass sie zusammenkommen könnten. Doch es gelang ihr nicht. Es war zu schmerzlich, das Unmögliche zu erhoffen. Nach ihrem Bruch mit Collin hatte sie lange darum gekämpft, ihren Frieden zu finden; nun würde sie wieder von vorn anfangen müssen, sobald er erst Dilbeck Manor verlassen hatte.

Und er würde gehen. Dafür würden seine Eltern sorgen, falls er nicht vorher selbst zur Vernunft kam und abreiste. Das allerdings bezweifelte sie, denn er wirkte erstaunlich entschlossen. Dass er überhaupt auf seiner Suche bis hierher gekommen war und sich dazu herabließ, die Stellung eines Verwalters auf einem so heruntergekommenen Besitz anzutreten, war ein Beweis dafür, wie hartnäckig er sein konnte.

Kaum dass Camhort ihn offiziell den anderen Bediensteten vorgestellt hatte, war Collin ausgeritten, um die Ländereien zu besichtigen. Als er ein paar Stunden später zurückgekommen war, hatte er Janny einen Nachmittagsimbiss, bestehend aus Brot und Ale, abgeschwatzt, sich anschließend Jacob geschnappt, damit er ihm beim Aufräumen des Stalls half, und den Bediensteten – nicht aber Lady Dilbeck – mitgeteilt, dass am nächsten Tag einige der Pächter kommen und bei der Reparatur des Daches mit anfassen würden.

Rose hatte ihn gewarnt, dass das Ihrer Ladyschaft nicht gefallen würde, doch Collin hatte nur gelächelt und ihr versichert, es werde schon alles gut werden. Während der folgenden zwei Stunden war Rose mit einiger Mühe Lady Dilbecks Fragen ausgewichen, die alle darauf abzielten, was Captain Mattison da eigentlich treibe, und hatte dafür gebetet, dass er es seiner neuen Herrin noch vor Ende des Tages mitteilen würde.

Aus ihren Gedanken auffahrend, merkte sie, wie spät es schon war. Zu dieser Jahreszeit dämmerte es früh, daher tat sie besser daran, sich auf den Weg ins Dorf zu machen, wenn sie nicht im Dunkeln zum Herrenhaus zurücklaufen wollte.

Als sie an der Küche vorbeikam, vernahm sie fröhliches Lachen und blieb gerade lange genug stehen, um zu hören, wie Janny Captain Mattison eine Tasse frisch aufgebrühten Tee anbot.

Um diese Zeit machte Janny nie Tee, außer für Lady Dilbeck. Doch die schlief fest – Rose hatte ihr vor einer halben Stunde ins Bett geholfen.

Collins tiefe Stimme hallte bis hinaus in den Gang, dann lachte Janny erneut. Rose verdrehte die Augen. Seit beinahe drei Jahren war sie nun auf Dilbeck Manor und die Gelegenheiten, bei denen sie Janny lächeln – nie aber lachen – sehen hatte, konnte man an einer Hand abzählen. Und dann kam Collin, hielt sich noch keinen ganzen Tag hier auf, und die sonst so griesgrämige Köchin war bester Laune.

Eine halbe Stunde war Rose forsch in dem knöcheltiefen Schnee ausgeschritten, als sie Hufschlag hinter sich vernahm.

„Rose!“ Collins stattlicher Hengst tauchte neben ihr auf und verfiel in Schritttempo. „Wieso läufst du bei diesem Wetter zu Fuß? Wenn du ins Dorf musst, kann ich die Kutsche für dich anspannen lassen.“

Starr geradeaus schauend, marschierte Rose weiter. „Ihre Ladyschaft besteht darauf, dass die Kutsche nur zu ihrem persönlichen Gebrauch dient“, sagte sie kühl. „Es ist nicht so weit ins Dorf, mir macht der Weg nichts aus.“

„Deine Füße müssen halb erfroren sein“, schalt er sanft, „und deine Stiefeletten werden Stunden brauchen, bis sie wieder trocken sind. Komm, ich nehme dich mit!“ Er beugte sich im Sattel vor und streckte ihr die Hand entgegen.

„Danke, nicht nötig.“ Obwohl er recht hat, dachte sie missmutig. Ihre Füße waren tatsächlich eiskalt.

„Rose!“, sagte er warnend. „Ich ruhe nicht, bis du aufs Pferd steigst und dich ins Dorf bringen lässt. Sonst reite ich die ganze Zeit neben dir her und liege dir in den Ohren.“

Wütend sah sie zu ihm hinauf. „Lass mich bitte in Ruhe!“

Er lächelte betörend. „Nein, unmöglich. Ich dürfte mich nicht mehr als Gentleman bezeichnen, wenn ich dich weiter durch den Schnee stapfen ließe. Sei nicht so dickköpfig.“

Rose blieb stehen und wandte ihm ihr Gesicht zu. „Du wagst es, mich dickköpfig zu nennen?“, fragte sie ungläubig. „Du bist der dickköpfigste Mensch auf Gottes Erdboden, Collin Mattison.“

„Ja, das stimmt. Und nun, da wir darüber einer Meinung sind, siehst du sicher ein, dass es keinen Zweck hat, hier herumzustehen und zu streiten, denn ich werde ja doch nicht nachgeben. Komm, setz deinen Fuß auf meinen Stiefel, und ich ziehe dich hoch.“ Er streckte ihr abermals seine Hand entgegen.

Resigniert ergriff sie sie und saß gleich darauf vor ihm im Sattel. Damit sie sicheren Halt hatte, legte er ihr den Arm um die Taille, dann trieb er das Pferd an.

„Na also“, meinte er munter, „wir haben beide Platz genug. Alles in Ordnung?“

Nein. Sie spürte seinen Körper an ihrem Rücken und fühlte sich von seiner Kraft und seiner Wärme umfangen. Erinnerungen daran, wie er sie früher in seinen Armen gehalten hatte, überfluteten sie, Erinnerungen an die Küsse und Liebkosungen, die sie bekommen und gegeben hatte, Erinnerungen daran, wie seine Hände über ihre Arme und Schultern geglitten waren …

„Rose?“

„Ja, alles in Ordnung“, beeilte sie sich zu versichern und atmete zitternd ein. „Und was machst du so spät am Nachmittag noch draußen?“ Sie versuchte, wie immer zu klingen. „Ich dachte, du hättest die Ländereien schon besichtigt, ehe du zusammen mit Jacob an dem Stall anfingst.“

„Ja, aber ich brauche Vorräte für morgen. Janny will einen kräftigen Imbiss für die Pächter herrichten, und Camhort hat sich bereit erklärt, heißen Rumpunsch zu brauen – nur fehlte ihm der Rum, und Janny war der Ansicht, dass Lady Dilbeck sich auf keinen Fall von einem der Schinken in der Speisekammer trennen würde.“

„Willst du sagen, dass du vorhast, diese Zutaten aus eigener Tasche zu bezahlen?“ Rose verrenkte sich fast den Hals, um ihn anschauen zu können. „Das kostet dich ein kleines Vermögen, Collin. Tu das nicht. Ich werde mit Lady Dilbeck sprechen.“

„Es macht mir nichts aus“, versicherte er. „Das Geld ist mir nicht wichtig.“

„Aber du wirst ja nicht einmal für deine Arbeit bezahlt“, protestierte Rose. „Du sollst nicht dein eigenes Geld für etwas ausgeben, das von Rechts wegen Lady Dilbeck zahlen müsste.“

„Rose, es ist mir gleich“, wiederholte er und drückte sie leicht. Er lächelte sie an und musste sich zusammennehmen, sie nicht zu küssen. Er war nicht darauf vorbereitet, sie wieder in seinen Armen zu spüren, sie zu berühren und an sich zu drücken. Nach so vielen Jahren und so vielen Träumen war Rose wieder bei ihm, dicht an seinen Körper geschmiegt. Und sah ihn an mit einem Ausdruck gereizten Missmuts, den er absolut anbetungswürdig fand.

Vom Aufenthalt in der Kälte waren ihr Wangen rosig überhaucht, und ihre blauen Augen blitzten mit dem alten Feuer, das er so gut an ihr kannte. „Ich versichere dir, es belastet mich nicht, eine solche Kleinigkeit für die Männer zu tun, die morgen kommen. Es macht mir Freude, ihnen ein bisschen die Weihnachtszeit zu verschönern, wenn es bis zum Fest selbst auch noch ein paar Tage hin ist.“

Rose wurde blass. „Collin, du darf das Wort Weihnachten Lady Dilbeck gegenüber nicht erwähnen. Sie tut so, als gäbe es das Fest nicht, und wenn jemand im Haus davon spricht, wird sie sehr unglücklich. Und du darfst es auch nicht feiern, schon gar nicht mit den Pächtern. Wenn sie davon erfährt …“

„Keine Angst. Ich kläre das mit ihr.“

„Collin …“

„Vertrau mir“, bat er sanft. „Ich weiß genau, warum sie Weihnachten nicht mag, und ich werde sehr behutsam vorgehen. Sag, warum gehst du so spät noch ins Dorf?“, setzte er hinzu, als er sah, dass sie widersprechen wollte. „Auf dem Heimweg wäre es sicher dunkel gewesen, und Ihre Ladyschaft hätte sich Sorgen um dich gemacht.“ Und wir anderen auch alle. Doch das sagte er nicht laut.

Sie drehte sich wieder nach vorn und schwieg einen Moment. Schließlich antwortete sie: „Ich habe an deine Eltern geschrieben und will den Brief aufgeben.“

„Da bin ich froh. Sie werden erfreut sein, etwas von dir persönlich zu hören.“

„Collin!“, tadelte sie und schüttelte den Kopf. „Du hast die Dinge schon immer gern in einem erfreulicheren Licht gesehen, als sie es verdienten. Deine Eltern werden dir zürnen, weil du meinetwegen nach Dilbeck Manor gekommen bist. Sie werden umgehend versuchen, dich zur Vernunft zu bringen.“

„Ich bin unabhängig, Rose, und obwohl ich meine Eltern außerordentlich respektiere, haben sie doch in einer so wichtigen Sache wie der Liebe keine Gewalt über mich. Und als vierter und jüngster Sohn genieße ich sowieso größere Freiheit. Natürlich kann ich mich keineswegs als reich bezeichnen, doch ich habe während meiner Armeezeit genug gespart, um mir ein Gut kaufen und einen eigenen Haushalt gründen zu können. Ich werde schlicht, aber angesehen leben können, und meine Gattin wird sich nicht schämen müssen. Und es wird ihr an nichts fehlen.“

„Das glaube ich gern“, murmelte Rose, „aber wie du auch zu leben gedenkst, deine Eltern werden dennoch darauf bestehen, dass du eine angemessene Ehe eingehst.“

„Ich wähle meine Gemahlin selbst, Rose, und bete, dass sie mich auch will. In dieser Sache gestehe ich meinen Eltern keine Einwände zu. Aber wir sind fast da.“ Er zügelte das Pferd. „Sag, wo du den Brief aufgeben willst, und dann führ mich zum Schlachter. Erledigen wir unsere Besorgungen, dann sind wir noch vor Sonnenuntergang auf dem Rückweg.“

Die Sonne ging noch längst nicht unter, als sie mit dem schwer beladenen Pferd den Rückweg antraten. Collin hatte nicht nur, taub für Roses Proteste, das Porto für den Brief an seine Eltern übernommen, sondern auch noch ausgiebig Einkäufe getätigt. Und so fanden sich ein Schinken, ein stattlicher Braten, ein Topf Nierenfett, eine Flasche besten Rums und eine zweite mit Brandy, zwei ganze Käselaibe, ein Leinensäckchen Früchte und Nüsse und eine Tüte mit ein paar Brocken Butterkaramell für Ralf in den beiden Körben, die Collin an seinen Sattel geschnürt hatte.

Rose wusste, was er plante, und billigte es nicht im Mindesten – wenn sie auch insgeheim hoffte, sein Vorhaben werde gelingen. Trotzdem bemerkte sie spröde: „Dein Pferd wird unter den unnötigen Lasten bald ermüden. Lady Dilbeck wird uns niemals einen Plumpudding gestatten, dann hast du das ganze Geld vergebens ausgegeben. Und du hättest mich zu Fuß zurückgehen lassen sollen“, fügte sie weniger überzeugend hinzu, denn wie sie so an ihm lehnte, war ihr noch viel wärmer und behaglicher als auf dem Hinweg, da es sich zum hereinbrechenden Abend stark abgekühlt hatte. „Das Tier sollte nicht so schwer tragen.“

„Mein Pferd hat schon viel mehr getragen, unter viel schwierigeren Bedingungen, wenn etwa Verwundete vom Schlachtfeld gebracht werden mussten, manchmal sogar zwei zugleich. Im Vergleich dazu bist du für das gute Tier bestimmt eine süße Last. Und was den Weihnachtspudding angeht, der wie Janny mir versicherte, köstlich werden wird, lass es dich nicht bekümmern. Genieß einfach die kommenden Tage und diese wundervolle, festliche Zeit. Im Krieg habe ich vor Weihnachten immer davon geträumt, in England zu sein, wo der Schnee weiß ist und nicht von Blut befleckt. Und hiervon habe ich auch immer geträumt …“ Er schlang seinen Arm fester um sie. „Genau hiervon. Nie mehr werde ich es für selbstverständlich halten, dir nahe zu sein, nicht einen Tag.“

Rose konnte sich vorstellen, wie jene Winter gewesen waren. Hier in England dagegen strahlte die Landschaft in weißer, reiner Pracht, so weit das Auge reichte. Und vor Collin auf seinem Ross sitzen zu dürfen, warm behütet in seinem Arm, machte sie froh und zufrieden. Also würde sie dieses eine Mal tun, was er ihr geraten hatte, und sich der Gegenwart erfreuen und sich um das Morgen erst sorgen, wenn es da war.

6. KAPITEL

Im Herrenhaus herrschte Aufregung, als sie zurückkehrten. Wie es aussah, war Ihre Ladyschaft vor einen halben Stunde aufgewacht und hatte sofort nach Roses Diensten verlangt, und als sie hörte, dass ihre Haushälterin nicht zugegen war, verschlechterte sich ihre ohnehin miserable Laune noch beträchtlich. Mittlerweile kochte sie vor Zorn, und sämtliche Dienstboten mühten sich, ihr alles recht zu machen. Hester hatte ihr beim Ankleiden und die Treppe hinunter geholfen. Nun saß die alte Dame im Salon und wartete ungeduldig darauf, dass das Dinner serviert wurde.

„Ist das für Lady Dilbeck?“ Collin hatte seine Bündel auf dem langen Küchentisch abgelegt, hob den Deckel von einem dampfenden Topf und sog tief den aromatischen Duft ein, der daraus aufstieg. „Oh, Gott, das riecht himmlisch!“ Er warf Janny, die ein Stück entfernt Brotteig knetete, ein strahlendes Lächeln zu. „Was hätte ich während des Krieges für einen Teller Ochsenschwanzsuppe gegeben! Meine Männer und ich, wir wären überglücklich gewesen, wenn wir jemanden wie Sie als Koch gehabt hätten, Janny.“

Janny strahlte auf und errötete gar, sehr zu Roses Überraschung.

„Pah – ein ganz einfaches Rezept, eins von meiner Mutter“, wiegelte sie ab. „Aber alle mögen es. Es ist die Lieblingssuppe Ihrer Ladyschaft.“

„Nach dem ersten Löffel ist es bestimmt jedermanns Lieblingssuppe.“ Collin deckte den Topf wieder zu und musterte Rose, die eben die Rumflasche sorgsam neben der übrigen Beute aus dem Dorf abstellte, mit nachdenklichem Blick. „Ist genug da für drei Personen an der Dinnertafel Ihrer Ladyschaft, Janny?“

Alle schauten auf, selbst Emily, die Weingläser polierte, und Camhort, der das Silberbesteck bereitlegte, das seine Herrin bei Tisch zu benutzen pflegte.

„Lady Dilbeck erwartet heute Abend keine Gäste“, schaltete Rose sich ein. Im Stillen betete sie, dass das Funkeln in Collins Augen nicht das ankündigte, was sie vermutete.

„Ich glaube doch“, entgegnete er.

Es lief glatter, als er zu hoffen gewagt hatte. Die Zuversicht, die er nach außen hin zeigte, was Lady Dilbecks Bereitschaft, mit Gästen zu dinieren, anging, basierte eher auf Vermutung als Wissen. Doch Vermutungen, hatte er während seiner Armeezeit gelernt, konnten hilfreiche Verbündete sein. Immerhin beabsichtigte er nicht, Lady Dilbeck zu schaden oder sie in die Irre zu führen; auch wusste er, dass er sehr behutsam vorgehen musste.

Doch er war sich sicher, dass sie, obwohl sie das Gegenteil behauptete, nicht gern allein speiste. Miss Carpenters Abtrünnigkeit hatte sie zutiefst getroffen, was sie indes nie offen zugeben würde. Sie machte dann auch nicht viele Einwände und nur ein paar Bemerkungen über seine Impertinenz, ehe sie nachgab und ihm zustimmte, als er vorschlug, Rose und er sollten ihr bei Tisch Gesellschaft leisten, damit er seine Pläne bezüglich des Gutes mit ihnen beiden erörtern könne.

Diskussionen mit Lady Dilbeck waren aber nie einfach. Sie stritt sich gern herum und fand an allen Plänen Collins etwas auszusetzen, angefangen mit der Reparatur des Stalldachs.

„Das will ich nicht!“, verkündete sie nachdrücklich und legte ihren Suppenlöffel neben dem leeren Teller ab. „Fremde Männer auf meinem Grund und Boden, die herumlaufen, wo sie wollen, und die Nase überall hineinstecken. Nein, das erlaube ich nicht!“, bekräftigte sie im Ton eines Feldwebels.

Im Umgang mit Feldwebeln hatte Collin viel Erfahrung.

„Es sind keine Fremden. Es sind Ihre eigenen Pächter, Madam. Sie treffen früh am Morgen ein und werden, mit ein wenig Glück und viel Tatkraft, vor Sonnenuntergang wieder fort sein. Das Dach des Stalls ist nur die erste von vielen Reparaturmaßnahmen, die ich während des Winters durchführen lasse. Auch um die Pachthöfe will ich mich kümmern, also werden die Männer sich anstrengen, um im Gegenzug Hilfe für ihre Höfe zu bekommen. Wenn die Höfe der noch ansässigen Pächter – und natürlich das Herrenhaus – erst instand gesetzt sind, werden wir uns den Pachthöfen widmen, die zurzeit leer stehen und verfallen.“

„Noch mehr Pächter braucht Dilbeck nicht“, beharrte Lady Dilbeck und richtete sich in ihrem Lehnstuhl auf, da Camhort neue Teller aufdeckte. „Sie bedeuten mehr Ärger als Einkünfte, führen ständig Klagen und lassen ihre Kinder herumstreunen. Ich wäre froh, wenn die jetzigen auch verschwinden.“

Collin wartete mit seiner Antwort, bis Camhort Ihrer Ladyschaft den Fisch vorgelegt hatte.

„Ohne Pächter gibt es keine Einkünfte, und ohne Einkünfte wird der Besitz verfallen. Allein am Herrenhaus sind schon mehr Reparaturen nötig, als selbst die vorhandenen Männer erledigen können.“ Da Camhort nun ihm die Platte anbot, nahm er von dem Fisch, der mit köstlicher Soße und Kräutern verfeinert ein weiteres von Jannys Meisterwerken war. „Gewiss wollen Sie doch nicht einen Besitz von solch historischer Bedeutung verkommen lassen, Lady Dilbeck. Die Familie Ihres Gatten war seit Generationen hier ansässig, nicht wahr?“

Rose räusperte sich warnend, doch zu spät. In Lady Dilbecks Miene zeigte sich unübersehbar, dass er das Falsche gesagt hatte.

„Ja“, murmelte die alte Dame kaum hörbar und ließ den Kopf hängen; die Gabel in ihrer Hand sank auf den Teller nieder. „Seit mehr als dreihundert Jahren haben die Favreaus auf Dilbeck gelebt. Doch das ist vorbei, wenn ich dahin bin. In direkter Linie gibt es keine Favreaus mehr. Dann geht das Anwesen an einen mir unbekannten, sehr entfernten Verwandten oder, schlimmer, an Fremde, denn mit dem Tod meines Sohnes hat Dilbeck seinen Status als Erbgut verloren.“

Sie schien förmlich zu schrumpfen, als ob mit den Worten all ihre Lebenskraft aus ihr herausgeströmt wäre.

„Ich verstehe“, sagte Collin leise. Alle Vorsicht in den Wind schlagend, griff er nach Lady Dilbecks Hand und drückte sie kurz. „Dann müssen wir zumindest dafür sorgen, dass der Besitz zu Ihren Lebzeiten gut in Ordnung gehalten wird, zu Ihrem eigenen Besten, wie sowohl Lord Dilbeck als auch Ihr Sohn es ganz sicher gewollt hätten. Erzählen Sie mir doch, kannten Sie Dilbeck schon, bevor Sie Ihren Gemahl heirateten, oder sahen Sie es als junge Braut zum ersten Mal?“

Mit der Frage wechselte er nicht nur das Thema, sondern weckte Lady Dilbecks Lebensgeister, was er, wie Rose glaubte, auch beabsichtigt hatte. Über nichts sprach sie lieber als über ihre ersten Jahre auf Dilbeck Manor, als ihr Sohn noch ein kleiner Junge gewesen war und ihr Leben glücklich. Sich über die letzte Zeit vor dem Tod ihrer geliebten Angehörigen zu äußern fiel ihr schwer, doch über die Jahre davor konnte sie ununterbrochen reden.

Rose saß schweigend da, verzehrte ihr Essen und beobachtete staunend, wie geschickt Collin das Gespräch lenkte und Lady Dilbeck aus ihrem Trübsinn holte, bis sie sogar lebhafte Freude zeigte. Beinahe sah sie wieder jung aus, und die Kümmernis, die sonst in ihrem Blick stand, verschwand. Erst später, nach dem Dinner, als sie sich im Salon vor dem Kamin niedergelassen hatten, machten Müdigkeit und Schmerzen sich wieder bemerkbar.

„Plagen Ihre Hände Sie?“, fragte Collin und stellte seine Teetasse beiseite. „Oben in meinem Zimmer habe ich eine Salbe, die mir während des Krieges oft half. Bestimmt würde sie auch Ihre Schmerzen ein wenig lindern. Erlauben Sie mir, sie zu holen.“ Er machte Anstalten, sich zu erheben.

„Nein, bemühen Sie sich nicht! Es gibt nichts, was noch wirkt. Rose wird mir gleich wieder eine ihrer üblichen Mixturen auftragen, ob ich will oder nicht.“

Doch Collin ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Er eilte aus dem Zimmer und kam ein paar Minuten später mit einer unscheinbaren, verbeulten Blechdose zurück, der ein durchdringender Geruch entwich, als er sie aufschraubte.

Rose roch daran und wich sofort mit einem gemurmelten „Oh, je“ zurück.

Ihre Ladyschaft hielt sich die Nase zu und rief: „Gott im Himmel, schließen Sie den Deckel! Das Zeug riecht ja schrecklich. Tun Sie es weg. Ich will es nicht.“

Rose war überzeugt, dass Collin sich eine endgültige Absage eingehandelt hatte, doch sie irrte sich. Irgendwie, und ohne größeren Widerstand überwinden zu müssen, strich er Lady Dilbeck das übel riechende Mittel auf die Hände, die er dann mit Roses Hilfe mit Leinenbinden umwickelte.

„Ach, es brennt ja gar nicht, wie ich befürchtet hatte!“ Lady Dilbeck schüttelte verwundert den Kopf, hob ihre verbundenen Hände und bewegte sie versuchsweise hin und her. „Eigentlich ist es sogar ein angenehmes Gefühl. Es kribbelt ein wenig. Und lindert.“ Wahrhaft erstaunt sah sie Rose an. „Der Schmerz lässt zusehend nach. Was für ein Mittel ist das, Rose?“

So wie es roch, wollte Rose das gar nicht wissen, doch wenn es ihrer Dienstherrin die Schmerzen nahm, würde sie mit Freuden lernen, die stinkende Masse anzurühren und sich einen großen Vorrat davon anlegen.

„Ich weiß es nicht, Mylady. Vielleicht kann Captain Mattison mir die Rezeptur verschaffen?“

„Ich wünschte, ich könnte“, entgegnete er. „Aber ich weiß leider auch nicht, woraus es besteht. Ein Soldat meines Regiments pflegte es für uns herzustellen, sobald er die Zutaten dafür fand. Er war ein recht interessanter junger Bursche, der beinahe jede Wunde versorgen konnte, selbst solche, an denen man normalerweise starb.“

„Also war er Arzt?“, fragte Lady Dilbeck.

„Nein.“ Collin nahm hob seine Teetasse zum Mund und trank einen Schluck. „Elliot Haysbert ist Gärtner. Das heißt, er war es, vor dem Krieg, auf einem Gut in Sussex. Nun befindet er sich in London, zusammen mit einer Anzahl weiterer Männer, die unter mir dienten.“ Da Rose ihm bedeutete, dass sie nachgießen wollte, hielt er ihr seine Tasse hin. „Ich würde ihm nur zu gern schreiben“, sagte er an Lady Dilbeck gewandt, „und ihn um das Rezept bitten. Aber vielleicht wäre es besser, wenn ich ihn bäte herzukommen, damit er Miss Rose persönlich zeigen kann, wie die Salbe hergestellt wird. So würde man Fehler bei der Zubereitung vermeiden.“

Rose runzelte die Stirn. „Ich bin mir sicher, dass ich einer schriftlichen Anleitung folgen kann.“

Doch Lady Dilbeck, die sich zurücklehnte und zufrieden und erleichtert die Augen schloss, sagte: „Das wäre schön, Captain; wenn Sie möchten, schreiben Sie ihm gleich morgen und bitten ihn, herzukommen. Der Mann muss ein Wunderheiler sein, dass er ein so wirkungsvolles Mittel herstellen kann. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass etwas meine Schmerzen so wirkungsvoll zu lindern vermochte.“

„Das freut mich“, murmelte Collin und lächelte Rose über den Rand seiner Teetasse hinweg zärtlich an. „Gleich morgen früh werde ich Elliot schreiben, noch bevor ich hinausgehe, um die Arbeiten am Stalldach zu beaufsichtigen. Es wird schön sein, ihn wiederzusehen“, fügte er hinzu, ehe Lady Dilbeck, die jäh die Augen aufgeschlagen hatte, erneut der Reparatur widersprechen konnte. „Nur eins habe ich nach dem Krieg vermisst – meine Männer; die fehlen mir sehr. Selbst die, die oft Ärger machten. Seltsam zu denken, wie sehr wir uns alle zurück in die englische Heimat sehnten, besonders um diese Jahreszeit, nur um dann wieder da zu sein und so wenig Willkommen zu finden – und noch weniger Arbeit.“

„Ein Haufen Schurken und Diebe“, verkündete Lady Dilbeck erbost. „Das ist es, was nach England zurückgekehrt ist. Abgesehen von den Offizieren“, verbesserte sie sich, „die wenigstens von edler Geburt sind. Doch der Rest – bah! Der hat bisher nur Ärger verursacht. Wütet in den Straßen, bestiehlt ehrliche Leute. Und verbreitet Ungeziefer und Krankheiten. Wellington hätte ihn besser in Spanien und Frankreich zurückgelassen.“

Rose sah Zorn in Collins blauen Augen aufblitzen, doch seine Miene blieb unverändert ruhig und höflich.

„Er ließ eine beträchtliche Zahl in jenen Ländern zurück, Mylady – sie starben dort, damit jene, die nicht in den Kampf zogen, ihre gewohnte Lebensweise aufrechterhalten konnten. Ich leugne nicht, dass viele meiner Männer Schurken und Diebe waren, manche wählten die Armee, um dem Strick zu entgehen. Trotzdem kämpften sie und waren bereit zu sterben, wenn nicht für England, dann zumindest für ihre Kameraden und für mich.“

Lady Dilbeck war nicht im Mindesten verärgert und stürzte sich bereitwillig in eine lebhafte Diskussion über das Thema. Rose, entsetzt, dass Collin so frei und offen mit Ihrer Ladyschaft sprach, saß während der langen Debatte steif und schweigend dabei, ohne sich in das Wortgefecht ziehen lassen. Ganz bestimmt würde Mylady Collin jeden Augenblick hinauswerfen, und sie wusste nicht, ob sie dann erleichtert wäre oder … betrübt. Sie wollte doch schließlich, dass er verschwand. Oder nicht?

Doch die alte Dame warf ihn nicht hinaus. Stattdessen fand sie noch größeren Gefallen an ihm als zuvor. Es endete damit, dass sie beide über die Hartnäckigkeit des jeweils anderen lachten und zu dem Schluss kamen, es habe keinen Zweck, weiter zu streiten, da sie einander in nichts nachstanden.

„Was haben Sie am meisten im Ausland vermisst, Captain Mattison?“, fragte Ihre Ladyschaft und lehnte sich, zwanglos aufseufzend, in ihrem Stuhl zurück. „Ihre Familie oder Ihre Liebste?“

„Ganz klar meine Liebste“, entgegnete Collin mit einem bedeutsamen Blick zu Rose, die spürte, wie ihr die Wangen heiß wurden, und rasch fortschaute. „Aber meine Familie auch. Und gleich danach kommen, glaube ich, besondere Anlässe und Feiertage. Ganz besonders Weihnachten.“

Rose hüstelte warnend und murmelte: „Möchten Sie noch Tee, Mylady?“

Doch Ihre Ladyschaft achtete gar nicht auf sie, sondern sah Collin aufmerksam an. „Weihnachten? Nicht Ostern oder Pfingsten?“

„Nun, das natürlich auch“, gab er zu, „doch Weihnachten ganz besonders. Wir pflegten am Weihnachtsabend ums Feuer zu hocken und an unsere Familien daheim zu denken, die sicher, frohgemut, mit vollem Magen und genug Kohle, dass sie nicht frieren mussten, in ihren Häusern saßen. Darüber zu sprechen schien unser trauriges Umfeld ein wenig zu erhellen. Dennoch“, sprach er aufseufzend weiter, „muss ich immer, wenn es Winter wird, an die langen, in fremden Ländern verbrachten Nächte denken, wo wir unser Lager oft in hohem Schnee aufschlugen. Manchmal hatten wir in solchen Nächten nicht einmal Zelte oder etwas zu essen. Aber wir hatten ein Feuer und einen Schluck Brandy und unsere Erinnerungen, und damit feierten wir Weihnachten.“

Autor

Margaret Moore

Ihre ersten Schreibversuche als Autorin machte Margaret Moore mit acht Jahren, als der verwegene Errol Flynn sie zu einer Geschichte inspirierte. Wenig später verfiel sie dem kühlen Charme von Mr. Spock aus Raumschiff Enterprise. Er ließ bei sich keine Emotionen zu – ganz anders als die Helden in ihren Romances!...

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