Workout fürs Herz: 5 sportliche Traummänner

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  • Erscheinungstag 07.03.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751526425
  • Seitenanzahl 616
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

Leidenschaftliches Wiedersehen erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2006 by Roxanne St. Claire
Originaltitel: „The Sins Of His Past“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA EXKLUSIV
Band 184 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Alina Lantelme

Umschlagsmotive: Ivan Kyryk / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 3/2024

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751528269

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

Bruce Monroe hatte es bisher in seinem Leben nicht oft die Sprache verschlagen. Aber als er in der warmen Aprilsonne auf das ihm einmal so vertraute Haus in der Hauptstraße von Rockingham, Massachusetts, starrte, war er wie vor den Kopf geschlagen. Wo war das „Monroe’s“?

Er betrachtete das Schild über der Tür. Nun, darauf stand zwar der Name, aber das M war klein geschrieben, und daneben waren ein Laptop und ein Kaffeebecher abgebildet. Das Haus wirkte auch irgendwie größer und moderner. Die Holzschindeln waren durch Backsteine ersetzt worden, an denen sich Efeu rankte. Auch die drei Erkerfenster zur Straßenseite hin waren neu. Zumindest gab es die alte Mahagonitür noch. Bruce öffnete sie und ging hinein.

Drinnen blieb er wie angewurzelt stehen und unterdrückte einen Fluch. Statt der gemütlichen Bar fand er einen großen lichtdurchfluteten Raum vor, in dem Sofas und Computer standen. Wo, verdammt, war „Monroe’s“? Das richtige „Monroe’s“ – und nicht dieser Cybersalon. Er sah sich nach vertrauten Gegenständen um, versuchte, sich an einen bestimmten Geruch zu erinnern. Aber alles, was ihm in die Nase stieg, war der Duft von Kaffee.

In der Bar seiner Eltern wurde kein Kaffee serviert. Kühles Bier natürlich, viel Whiskey und auch Tequila, aber kein Kaffee. Nicht hier, wo die Einheimischen sich nach den Baseballspielen des Teams der Rockingham High School versammelten, um jeden von Bruce’ unvorhersehbaren Würfen noch einmal auszudiskutieren. Nicht hier, wo an den Wänden zahlreiche Fotos und Zeitungsartikel hingen, die seine erfolgreichen Spiele dokumentierten und sein Talent und seinen tollen Einsatz lobten. Nicht hier, wo …

„Kann ich Ihnen helfen, Sir?“

Bruce blinzelte und schaute auf die junge Frau, die vor ihm stand.

„Möchten Sie einen Platz am Computer?“, fragte sie.

Was er brauchte, war ein Wodka mit Eis. Er warf einen Blick auf die Bar. Zumindest die war noch da. Aber die einzige Person, die dort saß, trank irgendetwas aus einer Kaffeetasse.

„Ist Seamus Monroe hier?“ Natürlich erwartete er nicht, dass sein Vater am Dienstagmorgen in der Bar arbeitete, aber er hatte es zu Hause bereits vergeblich versucht. Sein Elternhaus hatte regelrecht verlassen gewirkt. Schnell schüttelte er den Anflug von Schuldgefühlen ab.

„Mr. Monroe ist heute nicht da.“ Die junge Frau strahlte ihn an. „Sind Sie der neue Softwarehändler?“

Er sah auf die Wand, an die seine Mutter sein erstes Trikot gehängt hatte, das er als Baseballprofi bei den Nevada Snake Eyes getragen hatte. Doch jetzt hing dort ein gerahmtes Schwarzweißfoto, das einen schneebedeckten Berg zeigte. „Haben Sie eine Telefonnummer, unter der ich ihn erreichen kann?“

„Tut mir leid, aber die kann ich Ihnen nicht geben. Möchten Sie vielleicht mit unserer Managerin sprechen?“

Hat Dad etwa eine Managerin angeheuert? fragte Bruce sich verblüfft. Doch dann ließ seine bereits seit Wochen andauernde Anspannung etwas nach. Er tat das Richtige. Er hatte zwar eine Riesendummheit begangen, die seine Karriere beendet hatte. Aber nach Hause zu kommen, um die Bar zu übernehmen, war absolut richtig. Offensichtlich hatte es schon jemand sich zunutze gemacht, dass sein Vater das Interesse an der Bar verloren hatte. Doch er würde die ganzen Veränderungen schnell wieder rückgängig machen. „Ja, ich würde gern mit ihr reden.“

Die junge Frau deutete auf die Bar. „Dort gibt es Kaffee. Wenn Sie möchten, bedienen Sie sich, während ich Miss Locke hole.“

Locke? Seit Bruce in Rockingham angekommen war, war es das erste Mal, dass ihm etwas vertraut vorkam. Er kannte jeden Locke, der jemals hier gelebt hatte. Und erst vor kurzem hatte er eine E-Mail von Jack Locke, seinem alten Freund aus der High School, erhalten. Jack hatte ihm geschrieben, dass er Bruce’ Kummer über das abrupte Ende seiner steilen Baseballkarriere mit nur dreiunddreißig Jahren gut verstehen konnte. Jacks Eltern waren vor Jahren nach Florida gezogen. Also blieb nur Kendra, Jacks Schwester, übrig.

Bruce schluckte. Kendra hatte er vor neun Jahren das letzte Mal gesehen, als er zur Beerdigung seiner Mutter für eine Woche nach Hause gekommen war. Und damals war Jacks Schwester … Nun, sie war kein Kind mehr gewesen. Und er hatte sich wie ein feiger Mistkerl verhalten und sich hinterher nie mehr bei ihr gemeldet. Auch wenn er es wirklich sehr gern getan hätte.

Nein, diese Miss Locke konnte unmöglich Kendra sein, entschied er, als sich die Mitarbeiterin auf den Weg machte. Vielleicht eine entfernte Cousine. Denn damals war Jacks Schwester kurz davor, ihr Studium in Harvard zu beginnen. Und ganz sicher war die unheimlich kluge, schlagfertige und ehrgeizige Kendra letztendlich nicht im „Monroe’s“ gelandet. Bei der Erinnerung daran, dass sie auch auf anderen Gebieten ungeheuer engagiert und leidenschaftlich war, wurde ihm ganz heiß. Und das trotz der vielen Jahre, die seither vergangen waren – und der zahlreichen Frauen, die er inzwischen kennengelernt hatte.

„Entschuldigen Sie, Sie wollten mich sprechen?“

Er drehte sich um und blickte erst einmal in mandelförmige blaue Augen.

„Bruce?“

In ihren schönen Augen konnte er lesen, dass sie erschrocken war, als sie ihn erkannte. Und er musste sich anstrengen, damit seine Augen nicht verrieten, dass es ihm genauso ging. Ist es möglich, dass ich mit dieser hinreißenden Frau geschlafen habe, die sich gerade durch die hellblonden Haare fährt? Dass ich diesen sexy Mund geküsst und sie dann nie mehr angerufen habe? Was bin ich für ein Idiot! „Kendra.“ Er konnte nicht anders, als seinen Blick langsam bis zum Ausschnitt ihres engen T-Shirts und schließlich zu dem Monroe’s-Logo wandern zu lassen.

Sie wurde rot, reckte das Kinn und musterte ihn entrüstet. „Was machst du denn hier?“

„Ich bin nach Hause gekommen.“ Er bemerkte, dass sie ungläubig die Augenbrauen hob. Erneut schaute er auf das Logo ihres T-Shirts und dann auf ihre schmale Taille und die Rundung ihrer Hüften, die von der hautengen Jeans betont wurde. Er bedachte sie mit einem umwerfenden Lächeln. Vielleicht hatte sie ihm verziehen, dass er sich nie mehr bei ihr gemeldet hatte. Möglicherweise würde sie auch für ihn arbeiten, wenn er die Bar übernommen hatte. Vielleicht würde sie … Aber zunächst musste er etwas anderes klären. „Ich suche meinen Dad.“

Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Warum probierst du es nicht bei Diana Lynn Turner?“

Wo bitte? fragte er sich bestürzt. Ist Dad etwa inzwischen schon ein Fall für die Fürsorge? „Kümmert sich diese Frau um meinen Vater?“

Kendra lachte ironisch. „Wie man es nimmt. Diana Lynn ist die Verlobte deines Vaters.“

„Seine was?“ Verwitwete Männer, die vor einem Jahr einen Herzschrittmacher eingesetzt bekommen hatten, hatten keine Verlobte.

„Seine Verlobte, Bruce. Dein Dad verbringt jede Nacht bei ihr und ist auch oft tagsüber in ihrem Haus. Aber sie gehen morgen früh auf eine Kurzreise. Deshalb solltest du dich beeilen, wenn du ihn noch sehen möchtest.“

Bruce wusste, dass er sich viele Jahre lang äußerst rar gemacht hatte. Aber dass sein Vater sich verlobt hatte, ohne es ihm zu sagen, konnte er kaum glauben. Es sei denn, Seamus Monroe vermutete, dass seinem Sohn diese Neuigkeit absolut nicht behagte. Und mit dieser Vermutung hatte er recht. „Und wo wohnt diese Diana Lynn?“

„In der ehemaligen Swain Villa.“

Er runzelte die Stirn. „In dem heruntergekommenen alten Schuppen am Strand?“

„Jetzt nicht mehr. Diana hat dort wahre Wunder vollbracht.“ Kendra hantierte mit einigen Menükarten aus Plastik. „Sie bringt einfach alles auf Vordermann.“

Also darum geht es, dachte Bruce. Eine Frau, die nur hinter dem Geld der Männer her ist, hat sich meinen Dad gekrallt. Dann war er ja gerade noch rechtzeitig nach Hause gekommen. Er sah sich in dem Raum mit den Computern um. „Jetzt erzähl mir nur nicht, dass sie auch hinter diesen ganzen Veränderungen hier in der Bar steckt.“

„Der Bar?“ Kendra legte die Karten wieder weg und schaute zu der Bar an der gegenüberliegenden Wand. „Nun, bis jetzt war es uns noch nicht möglich, lange genug zu schließen, um die Bar herauszureißen.“

„Warum solltet ihr das tun?“, fragte er, besonders beunruhigt über die Wörter „wir“ und „herausreißen“.

Kendra zuckte mit den Schultern und betrachtete eine Bank aus Kirschholz, die bereits hier gestanden hatte, als Bruce noch ein Baby war. „Die Bar rentiert sich nicht unbedingt für uns.“

Hat sie „uns“ gesagt? überlegte er. „Das ist komisch.“ Er sah sie an, als wäre sie eine blutige Anfängerin. „Normalerweise rentiert sich die Bar in einer Bar am meisten.“ Sein einschüchternder Blick schien nicht zu funktionieren. Tatsächlich machte Kendra den Eindruck, als würde dadurch nur ihr Kampfgeist geweckt.

„Sicher ist das bei anderen Geschäftsmodellen richtig“, erklärte sie nachdenklich. „Aber Fakt ist, dass die Bar keinesfalls der profitabelste Teil eines Internet-Cafés ist.“

Er lachte ungläubig. „Und seit wann ist ‚Monroe’s‘ ein Internet-Café?“

„Seit ich ‚Monroe’s‘ gekauft habe.“

„Seit du was …?“, fragte Bruce entgeistert.

Er weiß es nicht, wurde Kendra bewusst, als sie den Schock in seinen dunkelbraunen Augen wahrnahm. Offensichtlich hatte er keine Ahnung davon, dass sie seit zwei Jahren eine geschäftliche Vereinbarung mit seinem Vater hatte. Sie hatte nie den Mut aufgebracht, Seamus zu fragen, ob er seinen Sohn darüber informiert habe. Denn Seamus war dem Thema Bruce für lange Zeit höflich aus dem Weg gegangen. Aber das würde jetzt wohl ein Ende haben.

„Ich habe ‚Monroe’s‘ vor einer Weile gekauft. Nun, die Hälfte. Und ich führe das Café, obwohl dein Dad immer noch mit fünfzig Prozent daran beteiligt ist.“ Dass es in Wahrheit einundfünfzig Prozent waren, brauchte sie Bruce ja nicht unbedingt auf die Nase zu binden.

„Wirklich.“ Er rieb sich nachdenklich das Kinn.

Kendra stellte fest, dass er sich bereits längere Zeit nicht mehr rasiert hatte. Der leichte Dreitagebart passte gut zu seinem markanten Gesicht und dem verführerischen Grübchen am Kinn, das sie schon einmal mit der Zunge liebkost hatte. „Ja, wirklich.“ Wieder hantierte sie mit den Karten, um ihre Hände zu beschäftigen und nicht in Versuchung zu geraten, ihm über die Bartstoppeln zu streichen.

„Und du hast ‚Monroe’s‘ in diesen Cybersalon verwandelt.“ Er schaute sich verächtlich um.

Sie musste lachen. Er brachte sie immer zum Lachen. Schon damals, in der Kindheit, als sie zehn war, hatte er sie geneckt. Sie hatte gekichert und war dann nach oben gerannt, hatte sich in ihrem Zimmer aufs Bett geworfen und aus lauter Liebe zu ihm geheult. „Wir sind im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen, Bruce, und du kannst dich jederzeit gerne einloggen.“

„Nein, vielen Dank.“ Er trat einen Schritt zurück und bedachte sie von oben bis unten mit einem dieser prüfenden Blicke, die sie immer noch unter Strom setzten.

Als er ihr schließlich wieder ins Gesicht sah, zwang sich Kendra, ihm in die dunklen Augen zu schauen. Und sein herausfordernder Blick ließ erkennen, dass es ihm immer noch egal war, was andere von ihm dachten. Dieser provozierende Blick sowie seine Vorliebe für Spaß und Spiel und sein stets hundertprozentiger Einsatz auf dem Baseballfeld hatten ihm den denkwürdigsten aller Jahrbucheinträge in der Geschichte der Rockingham High School eingebracht: Bruce ist wild.

Sie sahen sich etwas zu lange in die Augen, und sie fühlte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. An wie viele Dinge erinnerte er sich noch? Dass sie ihm gestanden hatte, schon ihr Leben lang in den besten Freund ihres großen Bruders verknallt zu sein? Erinnerte er sich daran, dass sie während ihrer gemeinsamen leidenschaftlichen Nacht nie das Wort nein benutzt hatte? Dass sie, „ich liebe dich“, geflüstert hatte, als sie mit ihm geschlafen hatte und endlich eins mit dem Mann ihrer Träume geworden war?

Sophie kam mit einem großen braunen Umschlag auf Kendra zugeeilt und riss sie aus ihren Gedanken. „Der Bote von Kinko’s hat ihn gerade abgegeben.“

Kendra nahm den Umschlag. „Bist du sicher, dass sie alles mitgeschickt haben?“

Die junge Frau nickte. „Und die Diskette zur Datensicherung ist auch drin.“

Okay, jetzt bin ich fast am Ziel, dachte Kendra. Seamus und Diana würden morgen nach Boston, New York und San Francisco reisen. Sie wollten Investoren für die Umgestaltung von „Monroe’s“ in das erste Internet-Café mit Galerie, Theater und Künstlertreff in der Gegend auftreiben. Kendra hatte zwei Jahre Recherche und Planung in dieses Projekt gesteckt. Nun kam es nur noch auf die Präsentation an.

„Seamus hat gerade angerufen“, fügte Sophie hinzu. „Er möchte die Unterlagen heute noch sehen, um eventuell noch einige Punkte mit dir durchzugehen, bevor er mit Diana abreist.“

Kendra warf einen Blick auf Bruce, der es wieder einmal schaffte, durch seine bloße Anwesenheit den Raum kleiner wirken zu lassen. Ihr war er schon immer größer erschienen, als er tatsächlich war. Ungeachtet der Tatsache, dass er all ihre Träume zunichte gemacht hatte, hatte sie ihn stets idealisiert.

Doch dann überkam sie ein ungutes Gefühl. Jeder wusste, dass Bruce’ Baseballkarriere zu Ende war. Wollte er für immer in Rockingham bleiben? Dann hätte er einmal mehr die Gelegenheit, ihre Pläne zu durchkreuzen. Nicht, weil sie ihm wie ein liebeskrankes Schulmädchen in die Arme fallen würde – diesen Fehler würde sie nie mehr begehen –, sondern weil er die Meinung seines Vaters ändern könnte. Falls er „Monroe’s“ haben wollte, so würde Seamus ihm das Lokal geben. Seamus würde Bruce sogar die Sterne vom Himmel holen. Der verlorene Sohn war zurückgekehrt, und die Ersatztochter könnte jetzt einfach im Regen stehen gelassen werden.

Sie betrachtete das Gesicht, das sie einmal so sehr geliebt hatte. Bruce Monroe konnte doch nicht zurück nach Rockingham kommen und erneut ihr Leben ruinieren. Aber sie würde ihm nie die Befriedigung verschaffen, zu erfahren, wie viel Macht er über sie hatte – damals wie jetzt. „Du kannst hinter mir herfahren“, sagte Kendra so gleichgültig, dass sie stolz auf sich war.

„Du kannst mit mir fahren“, schlug er vor.

„Nein, danke.“ Erinnert er sich nicht daran, was passiert war, als sie das letzte Mal zusammen in einem Auto gesessen hatten? fragte sie sich.

„Du kannst mir vertrauen.“ Bruce zwinkerte ihr zu. „Ich bin lediglich von den Rennstrecken verbannt worden, nicht von den Straßen.“ Er spielte auf den Unfall an, den er bei einem Autorennen verursacht hatte.

„Ich dachte nur daran, dass du deinen Vater schon viele Jahre nicht mehr gesehen hast. Zweifellos wirst du länger dort bleiben wollen als ich.“

„Das hängt davon ab, wie ich empfangen werde.“ Er lächelte. „Es ist eine ganze Weile her.“

„Das kann man wohl sagen.“

Sein Lächeln wurde breiter, als er erneut den Blick über ihren Körper wandern ließ. Sie musste aufpassen, dass ihre Knie nicht weich wurden. „Ist das deine Art, mir mitzuteilen, dass du mich vermisst hast, Kendra?“

Nun war sie dermaßen elektrisiert, dass sie rot wurde. Sie spürte, wie sie mit jeder Faser ihres Körpers auf ihn reagierte, und räusperte sich. „Es ist sicher unmöglich für dich, das zu verstehen, Bruce. Aber jeder einzelne Einwohner Rockinghams hat es irgendwie geschafft, ganz ohne Psychotherapie, Medikamente oder Drogen deine lange Abwesenheit zu überleben. Jeder einzelne.“

Er lachte nur und zwinkerte ihr zu. „Nun, komm schon. Ich werde fahren. Hast du alles, was du brauchst?“

Nein, dachte sie. Sie brauchte Scheuklappen, die sie daran hinderten, ihn anzustarren. Außerdem einen Panzerschrank für ihr Herz und einen Keuschheitsgürtel. Erst dann wäre sie für ihn gerüstet. Aber das brauchte er nicht zu wissen. Und niemals durfte er erfahren, warum sie das Studium in Harvard noch im ersten Jahr geschmissen hatte. „Ja, ich habe alles.“ Sie drückte den Umschlag an ihre Brust und lächelte ihn strahlend an. „Nur der hier ist von Bedeutung.“

„Was ist denn hier in der Stadt eigentlich los?“ Bruce warf einen Blick auf die kleinen Antiquitätenläden und Kunstgalerien auf der rechten Seite des High Castle Boulevards, konnte aber nicht widerstehen, auch seine Beifahrerin verstohlen anzuschauen. Denn Kendra sah so viel besser aus als all die Veränderungen in seiner Heimatstadt.

„Was los ist? Diana Lynn Turner ist hergekommen.“

Schon wieder diese berühmte Diana Lynn, dachte er. „Jetzt erzähl mir nicht, dass sie die rosafarbenen Häuserwände der Wohnsiedlungen gebaut hat, die ich auf dem Weg in die Stadt gesehen habe. Und seit wann hat alles einen Namen wie Rocky Shores, Point Place oder Shoreline Estates?“

„Seit Diana Lynn hier ist“, antwortete Kendra leicht ungeduldig, weil Bruce nicht begriff, welche Macht Diana hatte.

„Was ist sie? Ein 1-Mann-Bauunternehmen?“

Sie lachte leise und so mädchenhaft, dass ihm unerwartet ganz heiß wurde. „Sie hat die Häuser nicht gebaut, aber die Bauunternehmen vorgeschlagen und das Auswahlgremium davon überzeugt, Einfluss auf die Planungskommission zu nehmen. Dann hat sie ihre eigene Immobilienfirma gegründet und den Wohnungsmarkt in Rockingham in Schwung gebracht.“

„Warum?“

„Aus einer Reihe von Gründen.“ Kendra hob den Zeigefinger. „Erstens, weil Cape Cod als Reiseziel an der Küste boomt, und wir wollen, dass Rockingham daran teilhat und nicht mehr nur als Zwischenstopp auf der Route zu interessanteren Orten betrachtet wird.“ Sie hielt den zweiten Finger hoch. „Zweitens, weil die Stadtkasse nahezu leer ist, in den Schulen veraltete Bücher benutzt werden, die Ampeln eine Computeranlage benötigen, und weil Geld gebraucht wird, um neue Polizisten einzustellen.“

Bevor sie zum dritten Punkt kommen konnte, griff Bruce nach ihrer Hand und schob sie sanft nach unten. „Ich habe verstanden. Es geht um den Fortschritt.“ Nur widerwillig ließ er ihre Hand los. „Dann ist Diana Lynn also nicht nur hinter dem Geld der Männer her.“

Kendra lachte. „Ganz im Gegenteil, sie macht Rockingham zu einer Goldgrube und sorgt dafür, dass Geld in die leeren Kassen kommt.“

Er schwieg einen Moment, als er in die Beachline Road bog, wo man früher einen ungehinderten Blick auf das blaue Wasser des Nantucket Sound hatte. Doch jetzt standen da eine Menge neuer Läden, die allerdings auf alt gemacht waren, ganz im Stil der von Wind und Wetter verwitterten Häuser New Englands. Bruce mochte Diana Lynn nicht. „Also wie tief hat sie ihre Krallen denn in meinen Dad versenkt?“

„Ihre Krallen?“, fragte Kendra amüsiert. „Sie hat keine Krallen. Und hättest du dir einmal in den letzten Jahren die Mühe gemacht, nach Hause zu kommen, um nach deinem Vater zu sehen, dann wüsstest du das.“

„Das wird kaum funktionieren.“

„Was?“

„Die Schuldzuweisung.“

Kendra atmete tief aus. „Von mir wirst du keine Schuldzuweisung zu hören bekommen, Bruce.“

Nicht einmal dafür, dass er sie nach der Nacht, in der sie wunderbaren Sex miteinander gehabt hatten, nicht einmal angerufen hatte? Er glaubte ihr nicht. „Keine Schuldzuweisung? Und wie würdest du dann deine letzte Bemerkung interpretieren?“

Sie setzte sich aufrecht hin. „Das war lediglich eine Feststellung. Es ist eine Tatsache, dass du deinen Vater sehr lange …“

„Moment mal. Es stimmt nur, dass ich sehr lange nicht in Rockingham war. Aber Dad ist zu jedem Spiel gekommen, das die Snakes in Boston hatten. Außerdem war er auch einige Male in Las Vegas.“

„Und du hattest kaum Zeit für ein gemeinsames Abendessen mit ihm.“

Dieses Mal atmete Bruce tief aus. Er erwartete nicht, dass Kendra ihn verstand. Das erwartete er von niemandem und besonders nicht von dem Mann, den er gleich treffen würde. Aber ein Abendessen mit Dad hatte unweigerlich zur Folge, dass er mit guten Ratschlägen, Maßregelungen und Anweisungen überhäuft wurde, was Bruce nicht ausstehen konnte. Er machte alles gern auf seine Art und damit ganz anders, als es seinem Vater vorschwebte. Es war leichter für ihn, einfach wegzubleiben. „Ich habe mich ab und zu mit deinem Bruder Jack unterhalten“, sagte er, um zu zeigen, dass er die Verbindung zu Rockingham nicht völlig abgebrochen hatte.

„Wirklich?“, fragte Kendra überrascht. „Das hat er nie erwähnt.“

„Er scheint seinen Job zu mögen.“ Das war das Erste, was ihm einfiel, um zu beweisen, dass er tatsächlich mit Jack geredet hatte.

Sie nickte. „Jack ist der geborene Marketingmann. Er ist gewissermaßen mit der Firma verheiratet.“

Dieser Vorgabe konnte Bruce nicht widerstehen. Außerdem wollte er es unbedingt wissen. „Und was ist mit dir?“ Er erinnerte sich daran, dass ihre Mitarbeiterin im Internet-Café sie Miss Locke genannt hatte. Aber heutzutage hatte das überhaupt nichts zu bedeuten. „Hast du inzwischen einen Ehemann, ein Haus und Kinder, Kennie?“ Sie schweigt einen Moment zu lange, dachte er. Hasst sie etwa den Spitznamen immer noch, den er ihr gegeben hatte, als sie ein dünnes, kleines zehnjähriges Mädchen war, das die älteren Jungs im Keller belauscht hatte?

„Nein, die habe ich nicht.“

Er lächelte. „Warum bist du dann nicht in New York oder Boston? Erzähl mir nicht, dass es dich nach deinem Harvard-Studium zurück in das gute alte Rockingham verschlagen hat?“

Sie schluckte. „Ich habe mein Studium nie abgeschlossen.“

Bruce schaute sie kurz an. „Im Ernst? Das letzte Mal …“, er hielt kurz inne. „Ich meine, als meine Mutter gestorben ist, warst du doch bereits mitten im ersten Jahr.“ Kendra errötete, als würde sie sich fragen, woran er sich sonst noch erinnerte, wenn er an seinen letzten Besuch in Rockingham dachte. Ihn überraschte es, dass er sich genau an jedes Detail erinnern konnte.

„Ich hatte dann hier sehr viel geschäftlich zu tun“, entgegnete sie knapp.

Etwas in ihrer Stimme sagte ihm, besser keine weiteren Fragen zu stellen. Er atmete durch das offene Fenster die salzige Luft ein, und unzählige Erinnerungen stiegen in ihm auf. „Es riecht nach Baseball“, sagte er fast zu sich selbst.

„Wie bitte?“

„April in New England. Der Frühling liegt in der Luft, und Frühling bedeutet Baseball.“ Zumindest war das die vergangenen siebenundzwanzig Jahre seines Lebens so gewesen. Seitdem er damals das erste Mal einen Baseballschläger in die Hand genommen und zu spielen begonnen hatte.

„Vermisst du es?“, fragte sie.

„Nein“, antwortete er schnell. „Ich wollte mich ohnehin vom Spielfeld zurückziehen.“ Das war natürlich gelogen. Er war dreiunddreißig und immer noch in Topform, trotz der Schmerzen im Ellbogen. Aber seine Vorliebe für schnelle Autos hatte ihn dazu verführt, aus Spaß an einem Autorennen teilzunehmen. Und das war den Eignern der Nevada Snake Eyes gewaltig gegen den Strich gegangen, denn damit hatte Bruce gegen einen Passus in seinem Vertrag verstoßen.

„Dein letztes Jahr war gut“, meinte sie.

Er musste an ihre Bemerkung in der Bar denken, dass die Leute in Rockingham auch sehr gut ohne ihn gelebt hätten, und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Glaubst du, dass irgendjemand hier davon Notiz genommen hat?“

Sie erwiderte sein Lächeln, und er bemerkte ihre Grübchen. „Ja, haben wir.“

Vor der Kurve, hinter der die Swain Villa lag, drosselte er instinktiv das Tempo. Statt seinen Vater zu sehen, wollte er viel lieber noch länger mit Kendra zusammen sein. „Meine tolle letzte Spielzeit hat aber jemanden nicht daran gehindert, die Wände im ‚Monroe’s‘ neu zu dekorieren.“

Ihr Lächeln wurde wehmütig. „Dinge ändern sich, Bruce.“

Ganz offensichtlich, dachte er. Aber würde er sich durchsetzen, dann könnte er all die Veränderungen wieder rückgängig machen. Vielleicht nicht die rosafarbenen Häuser und Antiquitätenläden. Aber „Monroe’s“ könnte er in die Bar von früher verwandeln und ein Stück seiner Jugend als gefeierter Baseballspieler wieder aufleben lassen. Und dabei könnte er auch gleich an einige der noch sehr lebendigen Erinnerungen an diese eine Nacht mit Kendra anknüpfen. „Dann brauche ich aber jemanden, der mir hilft, mich mit dem neuen Rockingham vertraut zu machen.“ Die Aufforderung in seiner Stimme war unüberhörbar.

Sie verschränkte die Hände und sah geradeaus. „Du wirst bestimmt jemanden finden.“

Er warf ihr einen Blick zu. Seiner Meinung nach hatte er bereits jemanden gefunden. „Da bin ich mir sicher.“

2. KAPITEL

Völlig verblüfft schaute Bruce auf die ehemals baufällige große Villa. „Aber hallo“, bemerkte er überrascht. „Ich wette, die alte Elizabeth Swain würde sich im Grab umdrehen.“

Kendra versuchte, das Anwesen mit seinen Augen zu sehen. Anstelle der alten Villa mit fehlenden Holzschindeln, zerbrochenen Fenstern und verwildertem Garten stand jetzt dort ein dreistöckiges Haus im New-England-Stil mit grauer Holzverkleidung, einem schwarzen Dach, Terrassen und Säulen. Glaswände boten einen Ausblick auf den Nantucket Sound. Die Einfahrt säumte eine Reihe von großen Ahornbäumen, und der grüne Rasen vor der Villa war perfekt gepflegt.

„Hier wohnt Dad?“ Bevor sie ihn korrigieren konnte, tat er es selbst. „Ich meine, seine … Freundin lebt hier?“

Kendra lachte. „Er ist fast immer hier. Aber er ist altmodisch und will nicht offiziell hier einziehen, bevor sie nicht verheiratet sind.“

Bruce wandte den Blick vom Haus und blickte Kendra entsetzt an. „Wann werden sie …?“

„Sie haben es in der Tat nicht eilig. Sie sind beide mit ihren Karrieren beschäftigt und …“

„Karrieren?“ Er klang, als würde er nicht davon ausgehen, dass es eine Karriere wäre, „Monroe’s“ zu betreiben.

Nun, da täuschte er sich aber. Es ist meine Karriere, dachte sie.

„Aber natürlich sollten sie nichts übereilen.“ Er bog in die neu gepflasterte Einfahrt ein. Als er anhielt, fuhr er sich fast schon automatisch über den Ellbogen und starrte auf das beeindruckende Haus. „Ich kann nicht glauben, dass das die alte Swain Villa ist. Als Jugendliche haben wir hier oft mit einem Fass Bier eine Party gefeiert.“

O ja, davon hatte Kendra damals gehört. Da sie drei Jahre jünger war als Jack und seine Freunde von der Rock High, hatte sie nie an diesen Partys teilgenommen. Aber dank des Heizungsschachtes zwischen ihrem Zimmer und dem Keller im Haus hatte sie am nächsten Tag immer die Details erfahren. War die Heizung ausgestellt, dann hatte sie die Jungs belauschen können, die im Keller oft Billard gespielt hatten. Aber das war bis heute ihr Geheimnis. Sie wusste mehr über Bruce als die Mädchen, die ihn auf der Rock High angehimmelt hatten.

„Du wirst das Haus auch innen nicht wiedererkennen“, sagte sie. „Diana hat ein Händchen für Einrichtungen. Und sie ist eine ausgezeichnete Fotografin. Die Fotos im ‚Monroe’s‘ stammen alle von ihr. Schau dir nur das hier an. Sie …“

Er machte die Autotür auf und schnitt ihr das Wort ab. „Lass uns gehen.“

Einen Moment lang saß Kendra still da. Was hat er nur gegen diese Frau, der er doch noch nie begegnet ist? Es sind fast zehn Jahre vergangen, seit seine Mutter tot ist. Findet er nicht, dass Seamus ein bisschen Glück verdient? Schnell stieg sie aus und holte ihn auf dem Weg zum Haus ein. „Wir können einfach durch die Küche hineingehen.“

Bruce blieb kurz stehen. „Du bist wohl regelmäßig hier?“

Nun, sie wohnte in dem Gästehaus am Strand, knapp hundert Meter weiter weg, das sie gemietet hatte. „Ich komme täglich mit den neuesten Umsatzzahlen vorbei.“ Sie machte eine Glastür auf und trat ein. „Diana! Seamus! Seid ihr da? Ich habe eine Überraschung für euch“, rief sie.

In einiger Entfernung bellte ein Hund.

„Wir sind oben, Kendra“, ertönte eine Frauenstimme. „Nimm dir einen Kaffee. Sobald wir angezogen sind, kommen wir nach unten.“

Kendra bemerkte, dass Bruce neben ihr erstarrte, und lächelte. „Sie sind immer … Nun, sie sind verliebt.“ Sie musste ihn nicht anschauen, um seine Reaktion mitzubekommen. Sein Widerwille war förmlich spürbar. Als hätte er nie die Nacht bei einer Frau verbracht, dachte sie. „Setz dich.“ Sie deutete auf die Stühle am Tisch vor dem Erkerfenster. „Willst du eine Tasse Kaffee?“

„Nein, danke.“ Er setzte sich und ließ den Blick durch die große Küche im Countrystil, das Esszimmer gegenüber und das behagliche Wohnzimmer auf der anderen Seite der langen Granittheke wandern. „Du hast recht. Ich kann kaum glauben, wie sich hier alles verändert hat.“

Sie entschied, nicht schon wieder ein Loblied auf Diana zu singen. Sie setzte sich ihm gegenüber, stellte einen Becher mit heißem Kaffee auf den Tisch und legte den Umschlag daneben. Dann holte sie tief Luft. Bevor Diana und Seamus auftauchten, um Bruce in Empfang zu nehmen, und schließlich der Rest von Rockingham auf ihn aufmerksam werden würde, musste sie eines unbedingt wissen. „Warum bist du zurückgekommen?“

Er verschränkte die Arme vor seiner muskulösen Brust. „Wie du weißt, habe ich mich vom Baseball zurückgezogen.“

Alle Welt wusste, dass es nicht an dem war. Sein Vertrag war ausgesetzt worden, nachdem er unerlaubt an einem Autorennen teilgenommen hatte. Zudem hatte er das Auto auch noch zu Schrott gefahren. Aber Kendra ließ es gut sein. „Hast du eigentlich vor … Hast du vor, dich hier niederzulassen?“ Bitte sag nein, dachte sie. Werde ich es aushalten, wenn er ja sagt?

„Ja.“

Ohne sich etwas anmerken zu lassen, trank sie einen Schluck Kaffee.

„Ich bin es leid, in Las Vegas zu leben“, fuhr Bruce fort.

„Ich dachte, du hättest außerhalb von Las Vegas gewohnt.“

Er zuckte mit den Schultern. „Das ist kein großer Unterschied. Ich habe keinen Grund, dort zu bleiben, wenn ich nicht mehr für die Snake Eyes spiele.“

„Und wie sieht es mit einem Job als Trainer aus? Machen das nicht viele Profis, nachdem sie … ausgeschieden sind?“

Wieder massierte Bruce seinen rechten Ellbogen. Kendra kannte die Geste inzwischen schon. Aber dieses Mal verzog er dabei vor Schmerzen das Gesicht. „Keine Ahnung. Mal sehen. Ich brauche einen guten Physiotherapeuten. Kennst du einen?“

„Da wirst du wohl nach Boston fahren müssen.“

„Das ist eine Stunde von hier entfernt.“

Dann zieh doch dorthin, dachte sie. „Bei dem Verkehr mittlerweile eher zwei Stunden.“ Sie trank wieder einen Schluck Kaffee und fragte so unbeteiligt wie möglich: „Und was willst du hier machen?“

Anstatt zu antworten, schnappte sich Bruce einfach ihren Umschlag. „Was ist das?“

Kendra war nicht bereit, ihn in ihre Pläne einzuweihen. Sein Vater würde ihm wahrscheinlich von ihrem tollen Projekt erzählen. Aber sie wollte das nicht tun. Sie hatte vor langer Zeit ihre Träume mit ihm geteilt, und hatte sie jetzt, fast zehn Jahre später, immer noch nicht verwirklicht. Und der Grund dafür war er. „Nur Papierkram aus dem Café.“

„Es ist eine Bar“, verbesserte er sie und ließ den Umschlag zurück auf den Tisch fallen. „Kein Café.“

„Ach du meine Güte.“

Als sie Diana Lynns heisere Stimme hörten, drehten sich beide zur Küchentür um. Diana war ganz in Weiß gekleidet und hielt ihren geliebten Newman auf dem Arm. „Ich kenne Sie von den Fotos, Bruce.“ Newman jaulte und wollte heruntergelassen werden.

Bruce starrte Diana einen Moment lang an und stand dann auf. „Ja, so heiße ich.“

Sie betrat die Küche und setzte den kleinen Cockerspaniel ab, der sofort auf Kendras Schoß sprang und Bruce anbellte.

„Ich bin Diana Lynn Turner.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Was für ein Glück, dass Ihr Vater den Herzschrittmacher hat, denn sonst würde er einen Herzanfall kriegen, wenn er herunterkommt.“ Sie strahlte, als sie sich die Hände schüttelten. Dann musterte sie Bruce anerkennend von oben bis unten, lächelte und drehte sich zu Kendra um. „Kein Wunder, dass du schon dein ganzes Leben lang in ihn verknallt bist. Er ist einfach zum Anbeißen“, äußerte sie unverblümt.

Kendra schaffte es, nur ein bisschen rot zu werden, setzte eine total uninteressierte Miene auf und zuckte mit den Schultern. „Das hängt wohl davon ab, wie du ‚zum Anbeißen‘ definierst.“

Bruce nahm die Bemerkung über Kendras Verknalltsein zur Kenntnis, wandte seine Aufmerksamkeit aber zunächst wieder Diana zu. Sie trug ihre schwarzen Haare aus dem Gesicht frisiert und hatte so wenig Falten, dass sie entweder hervorragende Gene oder ihren eigenen plastischen Chirurgen besaß. Ihre großen bronzefarbenen Augen strahlten. Obwohl sie ganz sicher jünger als sein einundsiebzigjähriger Vater war, vermutete Bruce aufgrund ihres Auftretens, dass sie bereits die Fünfzig überschritten und jede Minute ihres Lebens genossen hatte. „Sie haben hier ja wirklich wahre Wunder vollbracht.“

„Danke.“ Sie spielte mit ihrer Perlenkette. „Und was hat Sie denn dazu bewogen, endlich nach Hause zu kommen?“

„Ich habe meine aktive Laufbahn beendet.“

Diana lachte. „Das wohl kaum. Aber Ihr Vater wird sich wahnsinnig freuen, Sie zu sehen. Wie lange werden Sie bleiben?“

Er rieb sich beiläufig das Kinn. „Eine Weile.“

„Und wie lange dauert eine Weile?“

„Für immer.“

Sie riss die Augen auf. „Sie wollen hier in Rockingham bleiben?“

„Wer will hier bleiben?“, erklang Seamus Monroes dröhnende Stimme. Als er um die Ecke kam, blieb er wie angewurzelt stehen. „Das gibt es doch nicht“, murmelte er und fasste sich ans Herz.

Einen Augenblick lang hatte Bruce wirklich Angst, sein Vater würde einen Herzanfall erleiden. Ihm blieb kaum Zeit wahrzunehmen, dass die ehemals schwarzen Haare seines Vaters jetzt komplett ergraut waren, was ihn vornehmer aussehen ließ. Dann hatte Seamus ihn auch schon umarmt und so fest an seine Brust gedrückt, dass beide kaum noch Luft bekamen. Bruce fühlte sich unglaublich erleichtert. Denn obgleich sein Vater immer sehr hohe Anforderungen an ihn stellte, wusste Bruce auch, dass er ihn abgöttisch liebte. Darauf zählte er. Und darauf, dass sein Dad im Alter vielleicht milder geworden war.

Sie klopften sich gegenseitig auf den Rücken. Dann umfasste Seamus das Gesicht seines Sohnes. „Was hast du dir nur dabei gedacht, an einem Autorennen teilzunehmen?“

Bruce lachte und trat einen Schritt zurück. „Dass sie mich nicht dabei erwischen.“

„Du hättest ums Leben kommen können.“ Seine Augen funkelten.

Diese Art von Dialogen mit seinem wütenden Vater kannte Bruce mittlerweile auswendig. „Ich bin aber am Leben geblieben, Dad“, antwortete er wie schon so oft.

„Aber deine Karriere.“

„He, ich bin dreiunddreißig.“ Er bewegte seinen rechten Arm. „Es ist an der Zeit, für jüngere Spieler Platz zu machen.“

Seamus gab ein Grummeln von sich, mit dem er deutlich machen wollte, was er von der Antwort seines Sohnes hielt. Als er dann den Arm nach Diana ausstreckte, hellte sich seine Miene deutlich auf. „Hast du schon die Liebe meines … Diana kennengelernt?“

Natürlich wusste Bruce, dass Mom nicht ewig die einzige große Liebe seines Vaters bleiben konnte. Aber der kleine Junge in ihm hätte am liebsten um sich geschlagen. „Natürlich. Und ich bin sehr beeindruckt davon, wie sehr sich die alte Swain Villa verändert hat.“

„Hast du dir ‚Monroe’s‘ angesehen?“ Dad blickte voller Stolz auf Kendra, die immer noch den kleinen Hund auf dem Schoß hielt.

„Ja.“ Bruce schaute Kendra an. „Ich habe die Bar gesehen. Auch dort hat sich viel verändert.“ Er steckte die Hände in die Hosentaschen. „Die ganze Stadt sieht jetzt vollkommen anders aus.“

Sein Vater drückte Diana an sich. „Sie ist der Grund dafür. Diese Lady hier hat das alles bewirkt.“ Er tätschelte Dianas Hüften und blickte dann zu Kendra. „Und unsere Kendra, die ebenfalls eine Powerfrau ist.“

„Also, was geht hier vor, Dad? Kendra hat mir erzählt, dass du dich im Internet-Geschäft versuchst.“

„Ja, das haben wir jetzt ein Jahr lang erfolgreich getestet. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir noch weitere Geschäftsfelder erschließen. Richtig, Kendra?“

Sie schob den Umschlag über den Tisch. „Und hier habe ich die nötigen Informationen dazu.“

„Oh!“ Schnell schnappte Diana sich den Umschlag. „Lass mich sehen! Wie wunderbar, dass Bruce auch hier ist. Dann gehen wir jetzt alle ins Wohnzimmer und schauen uns Kendras Meisterstück an.“

Ihr Meisterstück? Also nicht nur Papierkram. Bruce warf Kendra einen vielsagenden Blick zu, aber die hatte ihm bereits den Rücken zugedreht, um mit Diana ins Wohnzimmer zu gehen. Als die beiden Frauen weg waren, wandte er sich an seinen Dad. „Also, wie geht es dir? Funktioniert dieses Ding einwandfrei?“

Seamus lächelte verschmitzt. „Mein Ding funktioniert bestens. Auch ganz ohne kleine blaue Pillen.“

„Ich meinte eigentlich den Herzschrittmacher.“

Sein Vater lachte. „Das weiß ich. Alles in Ordnung. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie gesünder.“ Er warf einen Blick auf Diana. „Und ich war schon sehr lange nicht mehr so glücklich“, fügte er hinzu.

„Das sieht man.“ Bruce bemühte sich, fröhlich zu klingen.

Im Wohnzimmer hatte Kendra Computerausdrucke mit Diagrammen und Grafiken auf einem großen Couchtisch ausgebreitet. Daneben lagen Bauentwürfe von Architekten und handgezeichnete Skizzen.

Bruce’ Blick fiel auf eine Skizze, die eine Art Bühne und ein Auditorium darstellte. Was hatte denn eine Bühne im „Monroe’s“ zu suchen? Er konnte versuchen, mit der Romanze seines Vaters klarzukommen. Aber auch noch die Bar zu verschandeln, in der er praktisch aufgewachsen war, das war wirklich schwer zu verkraften. „Also, um was geht es denn bei all dem hier?“

„Das, mein Sohn, ist ‚Monroe’s‘ Zukunft.“ Seamus nahm neben Diana auf dem kleinen Sofa Platz und legte ihr den Arm um die Schultern. „Wir haben das Konzept getestet. Mittlerweile machen wir damit Profit, und jetzt planen wir eine Erweiterung.“

„Ich hatte den Eindruck, als wäre die Expansion schon ziemlich weit fortgeschritten“, entgegnete Bruce, nachdem er es sich auf dem Sofa gegenüber bequem gemacht hatte. Er saß in der Nähe von Kendra, die auf dem Boden kniete und die Papiere ordnete.

„Nun, wir haben den kleinen Laden nebenan gekauft, um mehr Platz zu haben“, erklärte Diana. „Aber Kendras Pläne gehen noch viel weiter.“

„Ach ja? Inwiefern?“ Er sah Kendra an und wartete auf eine Erklärung.

Sie hielt seinem herausfordernden Blick stand. „Wir hoffen, auch noch den Rest des Häuserblocks kaufen zu können, sodass wir schließlich noch ein kleines Theater und eine Galerie für die hier ansässigen Künstler sowie einen DVD-Verleih anbieten können.“

Er gab sich Mühe, sich seine Verärgerung nicht anmerken zu lassen.

„Erzähl ihm von dem Schulungszentrum“, überredete sein Vater Kendra.

„Außerdem haben wir vor, für Leute, die technisch nicht auf dem neuesten Stand sind, Kurse einrichten, in denen sie eine Art Internetschulung bekommen können.“

Bruce starrte Kendra nur an. Alles, was er wollte, war eine Bar zu betreiben, in der Fans im Fernsehen Sportprogramme verfolgen und dabei ihr Bier trinken konnten. Eine Art Datenautobahn hatte darin wahrlich keinen Platz. Aber er schwieg, weil er sich eine Strategie überlegt hatte. Sobald sein Vater erfahren würde, dass er die Bar übernehmen wollte, würde er bestimmt seine Meinung ändern. Wenn es sein musste, dann würde er Kendra ihre fünfzig Prozent einfach abkaufen. Sie konnte ihr Theater, die Galerie und das Schulungszentrum ja irgendwo anders in Rockingham eröffnen.

Er würde seinem Vater klar machen, dass er hier den Rest seines Lebens verbringen, sich eine Zukunft aufbauen wollte. Ihm blieb sonst nur die Wahl, Trainer zu werden. Bei den Regelverstößen, die er vorzuweisen hatte, bezweifelte er allerdings, dass ihn viele Teams haben wollten. Schließlich war er kein gutes Vorbild für jüngere Spieler. Und es interessierte ihn nicht, wie viele andere Exprofis für das Fernsehen oder irgendein großes Unternehmen tätig zu werden. Er wollte einfach nur zu Hause sein. Vielleicht würde er in Rockingham nie mehr der allseits beliebte und gefeierte Star sein, aber er war hier aufgewachsen und wollte hier alt werden. Aber nicht in einem abgefahrenen Internet-Café. Diesen Kompromiss konnte er nicht eingehen.

In der Nähe von Bruce’ durchtrainiertem Körper war es Kendra unmöglich, sich zu konzentrieren. Ganz zu schweigen davon, dass Seamus seinen Sohn ständig um seine Meinung bat, und Bruce machte aus seiner Missbilligung keinen Hehl. „Dieses Diagramm sagt aus, wie sehr das Geschäft im Internet-Café zugelegt hat“, erläuterte sie, verlor dann aber für einen Moment den Faden. Die Zahlen verschwammen vor ihren Augen, und Bruce’ lange Beine waren nur Zentimeter von ihr entfernt. Sie ließ den Blick kurz zu seinen muskulösen Oberschenkeln wandern. Newman, diese treulose Tomate, hatte sich neben ihn geschmuggelt und himmelte ihn wie ein Baseball-Fan an. Selbst Hunde nahm Bruce für sich ein.

„Dieses Diagramm hast du uns bereits gezeigt.“ Diana reichte ihr ein anderes Blatt. „Hier sind die Ergebnisse einer Untersuchung, die belegt, dass Internet-Cafés die sozialen Zentren dieses Jahrhunderts sind. Die Leute wollen beim Surfen nicht isoliert zu Hause sitzen, erinnerst du dich? Das wolltest du uns zeigen.“

Oh, verdammt. Ja, natürlich, dachte sie. Auf diesem Trend basiert meine ganze Zukunft, und ich lasse mich von muskulösen Oberschenkeln ablenken.

„Was meinst du, Bruce?“, fragte Seamus jetzt bestimmt schon zum zwanzigsten Mal. „Hast du diese Cafés auch in Las Vegas gesehen?“

„Ich habe noch nie in meinem Leben eins gesehen.“

Kendra warf ihm einen ungläubigen Blick zu. „Aber du hast doch sicher einen Computer und eine E-Mail-Adresse.“

Er nickte. „Ich sagte dir ja bereits, dass ich eine E-Mail von Jack bekommen habe.“ Er sah seinen Vater an. „Offen gestanden, weiß ich nicht, was hier in der Gegend so los ist. Aber der Rest der Welt geht immer noch in eine Bar, um etwas zu trinken. Zum Glück war ich noch nie in einer Bar, in der die Cocktails durch Tastaturen ersetzt wurden. Zumindest bis heute nicht.“

Seamus betrachtete seinen Sohn. „Nun, die Einnahmen unserer Bar waren rückläufig. Vor zwei Jahren waren wir kurz davor, rote Zahlen zu schreiben, weil sich hier große, nationale Restaurantketten breitgemacht haben.“

„‚Monroe’s‘ hat schon des Öfteren harte Zeiten durchgemacht, Dad. Die Bar wird immer überleben.“

„Rockingham ist nicht mehr die verschlafene Ferienstadt von früher“, mischte sich Diana ein. „Die Einwohnerzahl ist nach oben geschnellt, und die Stadt ist voller junger moderner Leute, die auf dem neuesten technischen Stand sind.“

„Und diese jungen modernen Einwohner gehen nicht mehr in eine Bar?“, fragte Bruce. „In anderen Städten tun sie das noch.“

Ein unbehagliches Schweigen breitete sich aus. Schließlich fragte Seamus: „Was hast du gegen unsere Pläne, Bruce?“

Er beugte sich nach vorn. „Ich bin nach Hause gekommen, um ‚Monroe’s‘ zu übernehmen und eine erstklassige Bar für Sportfans daraus zu machen.“

Kendra zuckte innerlich zusammen. Sie hatte es bereits in dem Moment gewusst, als er aufgetaucht war. War Bruce Monroe nur zu dem Zweck auf der Welt, ihr Leben zu ruinieren? Er wusste nicht, was er ihr das letzte Mal angetan hatte – damit hatte sie dann allein fertig werden müssen. Aber dieses Mal konnte er doch sehen, wie viel ihr dieses Projekt bedeutete.

Ebenso wie Seamus. Sie schaute den Mann an, der wie ein Vater für sie war, seit ihre Eltern den Kontakt zu ihr abgebrochen hatten. Aber Seamus, auf dessen Gesicht sich Erstaunen, Freude, aber auch Sorge abzeichneten, hatte nur Augen für Bruce. Wie hatte sie auch nur eine Minute vergessen können, dass Seamus seinen einzigen Sohn über alles liebte? Ganz egal, wie oft sich Bruce den Wünschen seines Vaters widersetzt hatte, es hatte Seamus’ Liebe keinen Abbruch getan.

„Ich hatte keine Ahnung, mein Sohn.“

Kendra ahnte bereits, was Bruce jetzt sagen würde.

„Dad, die Bar ist seit mehr als siebzig Jahren in Familienbesitz.“

Bingo. Ich wusste es, dachte sie. „Monroe’s“ gehört eben den Monroes. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben.

Diana beugte sich vor und taxierte Bruce mit demselben Blick, mit dem sie gewöhnlich ihre Gegenspieler bei Verhandlungen bedachte. „Und wann genau hatten Sie denn vor, Ihren Vater darüber zu informieren, dass Sie diese Tradition fortsetzen wollen?“

„Heute“, antwortete er sofort. „Ich wollte es ihm nicht am Telefon, sondern in einem persönlichen Gespräch sagen. Mein Haus in Las Vegas steht zum Verkauf. Ich habe vor, nach Rockingham zu ziehen, sobald wir alles geklärt haben.“

Seamus atmete tief aus und zog Diana wieder sanft an sich. „Ich wünschte, du hättest mir früher davon erzählt“, meinte er zu Bruce.

Warum? Hätte das denn etwas geändert? Kendra biss sich auf die Lippe, um diese Fragen nicht laut auszusprechen.

„Ich denke, Kendra hat da ja auch noch ein Wörtchen mitzureden“, schaltete sich Diana ein. „Ihr gehören neunundvierzig Prozent des Geschäfts.“

Kendra fühlte Bruce’ Blick auf sich. Zweifellos erinnerte er sich an ihre Behauptung, ihr würden fünfzig Prozent gehören. Lügen hatten eben kurze Beine. „Ich bin sicher, dass ihr alle wisst, wie ich das empfinde. Es war immer mein Traum, ein solches Projekt umsetzen und dann die Geschäfte führen zu können.“

„Aber ‚Monroe’s‘ ist wie ein Teil von mir“, sagte Seamus ruhig.

Wie Bruce, dachte sie. Bruce, der nicht einmal nach Hause gekommen war, als seinem Vater ein Herzschrittmacher eingesetzt worden war. Bruce, der sich der Bitte seines Vaters widersetzt hatte, aufs College zu gehen, obwohl er ein Baseball-Stipendium bekommen hätte. Bruce, der sie nie angerufen hatte, nachdem sie miteinander geschlafen hatten und daher auch nie herausgefunden hatte, dass sie schwanger geworden war … Und dass sie dieses Kind verloren hatte.

„Ist es dir ernst damit?“, fragte Seamus seinen Sohn. „Oder wirst du beim nächsten guten Jobangebot alles wieder stehen und liegen lassen?“

„Sehr ernst, Dad.“

Nun, dann kann ich meinen Traum wohl begraben, dachte Kendra.

„Und das kommt bei dir ja nicht allzu oft vor.“ Seamus lachte leise. „Dann muss ich mir wohl ein paar Gedanken darüber machen.“

„Ich bin nach Hause gekommen, um die Bar zu übernehmen. Ich kann nicht mehr spielen und will weder Trainer werden, noch bin ich daran interessiert, fürs Fernsehen zu arbeiten. Ich möchte dir das Tagesgeschäft im ‚Monroe’s‘ abnehmen und dich auszahlen.“ Bruce warf Kendra einen Blick zu. „Natürlich wusste ich nicht, dass du schon eine so große Hilfe hast. Ich bin sicher, dass wir etwas aushandeln können. Das heißt, wenn du mein Angebot in Betracht ziehen wirst.“ Er sah wieder mit ernstem Gesicht seinen Vater an.

Ohne ein Wort begann Kendra ihre Unterlagen einzusammeln. Sie würde ihre Idee irgendwo anders präsentieren müssen. Das Projekt war immer noch realisierbar. Ihr würde schon etwas einfallen. Um sich an Seamus’ Lokal zu beteiligen, hatte sie ihren letzten Cent investiert. Aber sie hatte sich schon in schlimmeren Lagen befunden – in finanzieller, emotionaler und auch körperlicher Hinsicht. Sie würde es überleben, wie sie alles bisher überlebt hatte.

„Was machst du da, Kendra?“, fragte Seamus in scharfem Ton.

Sofort hielt sie inne. „Wir müssen die Präsentation nicht zu Ende bringen. Nicht jetzt jedenfalls.“ Sie sah hoch und entdeckte den schmerzlichen Ausdruck in den Augen des älteren Mannes. Obwohl sie nie darüber geredet hatten, bestätigte ihr sein Blick, was sie schon immer vermutet hatte. Seamus wusste, wer dafür verantwortlich war, dass sie ihr Harvard-Studium hatte beenden müssen.

„Nicht so schnell“, meinte Seamus.

Heißt das, dass er sich noch nicht sicher ist? „Nun, bis du entschieden hast, was zu tun ist …“ Sie fuhr fort, ihre Unterlagen einzusammeln, und Bruce, der ihr behilflich sein wollte, streifte dabei zufällig ihren Arm. Sie zuckte zurück und verfluchte ihre Reaktion darauf. Ihr Mund wurde trocken, und sie bemerkte mit Entsetzen, dass sie einen Kloß im Hals hatte. Sie würde ihm keinesfalls die Genugtuung verschaffen, sie weinen zu sehen. Sie holte tief Luft und zwang sich aufzustehen. „Ich werde nach Hause gehen, um etwas zu holen“, brachte sie hervor. „In ein paar Minuten bin ich wieder zurück.“

„Und wo ist dein Zuhause?“, fragte Bruce.

„Kendra wohnt im Gästehaus am Strand“, sagte Diana. „Geh nur, Liebes. Wir werden auf dich warten.“

Sie hat zweifellos mitbekommen, dass ich kurz davor bin, in Tränen auszubrechen, dachte Kendra und sah Diana dankbar an.

„Warum gehst du nicht mit, Bruce?“, fragte Seamus, dem Kendras Zustand offensichtlich entgangen war. „Ich möchte ein paar Minuten mit Diana allein sein.“

Bruce stand auf, und Kendra widerstand dem Drang zu protestieren. „Zeig mir den Weg.“ Er deutete auf die Tür.

Kendra warf Diana erneut einen flehenden Blick zu, den die ältere Frau mit einem kurzen Nicken beantwortete. Geh und lass mich mit ihm reden, sagten ihre Augen.

„In Ordnung“, meinte Kendra. „Wir werden in ein paar Minuten zurück sein.“

„Lasst euch ruhig Zeit“, erklärte Seamus. „Wir müssen nachdenken.“

Aber Kendra wusste, dass es für Seamus nicht viel zu überlegen gab, wenn Bruce an der Sache beteiligt war. Seamus’ Herz hing an seinem Sohn – unabhängig davon, wie viele Fehler Bruce bereits gemacht hatte. Und das konnte sie Seamus nicht einmal vorwerfen. Auch sie hatte immer eine Schwäche für seinen Sohn gehabt. Wortlos verließ sie das Zimmer, gefolgt von Bruce und Newman.

Kaum waren sie draußen, beugte sich Bruce zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: „Schon dein ganzes Leben lang bist du in mich verknallt, hm? Das ist aber ziemlich abgefahren.“

3. KAPITEL

Ohne etwas zu erwidern, bückte Kendra sich, um den kleinen Cockerspaniel auf den Arm zu nehmen. „Hast du irgendwas gehört, Newman? Ich nicht.“ Der Hund bellte und schmiegte sich an ihren Hals.

Glücklicher Newman, dachte Bruce. „Oh, du ignorierst mich also?“ Er lachte, als er hinter ihr die Holzstufen hinunterging. „Das ist sehr reif.“

„Und diese Bemerkung vom Inbegriff eines reifen Mannes.“ Sie setzte den Hund auf einem gepflasterten Weg ab, der parallel zum Strand verlief. „Wie erwachsen du geworden bist, ist bei der Berichterstattung über dieses Autorennen ziemlich deutlich geworden.“

Dagegen konnte er nicht viel einwenden. „Aber du bist es ganz sicher“, sagte er. Als sie ihn fragend ansah, fügte er hinzu. „Erwachsen geworden, meine ich.“

Kendras Gesicht wurde einen Moment weicher, aber dann straffte sie die Schultern und marschierte auf das Haus zu.

Bruce lächelte. Jacks kleine Schwester zu necken hatte ihm schon immer sehr viel Spaß gemacht. Sogar als sie zehn und dünn gewesen war und dann immer entweder gekichert oder geweint hatte. Aber jetzt, da sie älter war und Rundungen an den richtigen Stellen hatte, machte es ihm noch mehr Spaß.

„Hier wohne ich“, erklärte sie, als sie sich einem Strandhaus mit grauer Holzfassade näherten. „Du kannst hereinkommen, oder hinunter zum Wasser gehen, um darin eine Weile dein Spiegelbild zu bewundern, wenn dir das lieber ist.“

„Ich werde mitkommen. Ein nettes Haus. Wie lange wohnst du schon hier?“

„Anderthalb Jahre. Ich war Dianas erste Mieterin, nachdem die Renovierung abgeschlossen war.“ Kendra lächelte ironisch. „Ich habe ihr Seamus vorgestellt.“

„Ich kann einfach nicht glauben, dass er mir nichts von der Verlobung erzählt hat.“

„Du hast ja auch nicht gerade viel mit ihm gesprochen im letzten Jahr.“

Bruce wusste, dass sie eigentlich während der letzten zehn Jahre meinte. „Ich schulde dir zwar keine Erklärung, aber ich war ziemlich beschäftigt damit, Baseball zu spielen.“

„Von Oktober bis März?“

„Da habe ich in Japan gespielt.“

„Und was war in der Saison, in der du vier Wochen lang verletzt warst?“

Das weiß sie? „Da hatte ich jeden Tag Physiotherapie. Und jetzt bin ich doch hier, worüber du nicht besonders glücklich zu sein scheinst.“

Kendra wirbelte herum und zeigte mit dem Haustürschlüssel auf seine Brust. „Erwartest du wirklich von mir, dass ich Freudensprünge mache, weil du deine Karriere vermasselt hast und dich deswegen jetzt in meine einmischen willst?“

„Ich wusste nichts von diesem Internet-Café. Dad hat es nie erwähnt. Er hat auch nie etwas von einer Freundin erzählt oder über dich.“

Sie starrte ihn einen Augenblick lang an, als wollte sie etwas erwidern. Aber dann rief sie den Hund, der am Strand entlangspazierte, und schloss die Tür auf.

Beim Anblick ihrer Hüften, ihres Pos und ihrer Beine in den ausgeblichenen Jeans erinnerte sich Bruce daran, wie sie diese Beine um ihn geschlungen hatte, als sie auf einer Decke im Sand gelegen hatten. In dieser Nacht hatte Kendra auch Jeans angehabt. Er hatte noch ganz deutlich vor Augen, wie er den Reißverschluss aufgemacht, ihre weiche Haut berührt und ihr dann die Jeans ausgezogen hatte. Es überraschte ihn nicht, dass ihm jetzt wieder ganz heiß wurde. In all den Jahren, die vergangen waren, hatte sein Körper immer intensiv reagiert, wenn er an diese Nacht gedacht hatte. Irgendwie hatte sich diese Nacht am Strand für ihn nie wie ein flüchtiges Abenteuer angefühlt. Wahrscheinlich, weil er eigentlich der Versuchung nicht hätte nachgeben dürfen, mit der kleinen Schwester seines besten Freundes zu schlafen.

„Hör mal.“ Er vergrub die Hände in den Hosentaschen, um dem Drang zu widerstehen, sie zu berühren. „Ich hatte keine Ahnung, wie sehr sich alles hier verändert hat. Oder dass du und Dad geplant habt, etwas völlig anderes zu machen.“

„Das haben wir aber.“ Sie ging ins Haus und hielt ihm die Tür auf.

Bruce folgte ihr. Erwartete sie etwa von ihm, dass er die Bar ganz ihr überließ? An der Tür stand schließlich immer noch sein Familienname, verdammt. „Vielleicht können wir ja einen Kompromiss aushandeln“, schlug er vor. „Vielleicht könnten wir ja für die Leute, die sich nicht im Fernsehen die Baseballspiele ansehen wollen, in einer Ecke der Bar einige Computer aufstellen? Und du könntest für deine Galerie in der Nähe ein Gebäude finden.“

Kendras Miene verfinsterte sich noch mehr. Sie machte den Mund auf, sparte sich dann aber jegliche Bemerkung.

„Was wolltest du sagen?“

„Nichts.“

„Willst du nicht einmal einen Kompromiss in Erwägung ziehen?“

Sie holte tief Luft. „Ich habe schon zu viele Zugeständnisse gemacht, was dich angeht.“

„Was soll das denn bitte heißen?“

Sie hob abwehrend beide Hände. „Schon gut.“ Sie betrat den kleinen Flur. „Entschuldige mich eine Minute.“

Aber Bruce hielt sie geistesgegenwärtig am Ellbogen fest.

...

Autor

Kristin Hardy
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