Geständnis am Strand - Kapitel 9

"Es gibt bei uns kein festes Programm", erklärte Susan, als sie am nächsten Morgen alle zusammen beim Frühstück saßen. Sie backte Pfannkuchen, ihr Mann röstete Weißbrot, und Taffy, die Mischlingshündin, lag unter dem großen Küchentisch und wartete auf Leckerlis. "Jedes Kind, das zu uns kommt, hat andere Bedürfnisse. Das gilt auch für die Betreuer." Sie sah erst Shanni und dann Pierce an. "Ihr solltet euch noch einmal hinlegen und richtig ausschlafen."

    "Unsinn", antworteten beide wie aus einem Mund.

    Susan lachte. "Es ist wirklich nicht nötig, nachts auf dem Turm Wache zu halten. Die Barbaren sind für immer in die Flucht geschlagen."

    "Die einzige Gefahr droht von den Kürbisdieben", meinte Hamish mit einem liebevollen Blick auf seine Frau. "Wie groß ist unser größter Kürbis jetzt?"

    "Er hat einen Durchmesser von hundertsieben Zentimetern", verkündete Susan stolz. Als sie die verblüfften Gesichter der anderen sah, setzte sie erklärend hinzu: "Wir züchten Kürbisse für den jährlichen Wettbewerb. Soll ich euch mein Beet nach dem Frühstück zeigen?"

    "Ich würde lieber wieder an den Strand gehen", antwortete Abby, die vor dem Frühstück schon kurz geplanscht hatte.

    "Das sollst du auch", versprach Susan. "Gleich nach den Pfannkuchen."

    "Shanni und ich gehen einkaufen", sagte Wendy nun so leise, dass Shanni sie kaum verstehen konnte. Ihr Gewissen meldete sich. In ihrem Kummer hatte sie Wendy zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und ihr die Hoffnung auf Erfüllung des Versprechens genommen.

    Sie drehte sich zu Pierce um und erkannte an seinem Gesicht, dass er dasselbe dachte.

    Sieh nicht hin, ermahnte sie sich. Du weißt doch, dass er nichts mehr mit dir zu tun haben will.

    Sie konzentrierte sich auf die Pfannkuchen, die gerade frisch auf den Tisch kamen, und schaute nicht mehr zu Pierce hin. Doch sie spürte seinen Blick, was sie ungemein irritierte.

    "Ja, wir gehen einkaufen", bestätigte sie wie nebenbei. "Will irgendjemand mitkommen?"

    "Ich", antwortete Pierce. "Zum Bezahlen."

    "He!", rief Susan. "Einkaufen ist Frauensache. Da würden Sie nur stören." Dann wandte sie sich an Shanni. "Jedes Geschäft in Dolphin Bay räumt uns Kredit ein. Lassen Sie alles anschreiben. Pierce kann die Rechnung später begleichen."

    "Einverstanden", meinte Pierce.

            "Wie viel dürfen wir insgesamt ausgeben?"

    "So viel, wie ihr wollt", antwortete er. "Um meine Tochter glücklich zu machen, ist mir nichts zu teuer."

    Alle sahen ihn überrascht an. Diese Großzügigkeit hatte niemand erwartet – Wendy am allerwenigsten.

    "Deine Tochter?", flüsterte sie.

    "Damit bist du gemeint, Schatz", versicherte Pierce. Er stand auf, trat hinter Wendys Stuhl und zauste ihr das Haar. "Du machst dich mit Shanni auf den Weg, und wir anderen ziehen gemeinsam an den Strand. Einverstanden?"

    "Ja!", riefen die Jungen im Chor.

    Abby schloss sich dem Jubel nicht an. "Ich bin auch ein Mädchen", sagte sie schüchtern.

    "Und meine zweite Tochter", bestätigte Pierce. "Du hast die Wahl. Möchtest du mit Shanni und Wendy zum Friseur gehen und anschließend einkaufen, oder willst du mit uns eine Sandburg bauen und lernen, wie man Boogieboard fährt?"

    "Boogieboard?", wiederholte Abby unsicher.

    "Damit üben die Surfer", erklärte Bryce. "Das ist cool."

    "Darf Taffy mit an den Strand?"

    "Natürlich", versicherte Susan.

    "Dann gehe ich mit Bryce und Donald", entschied Abby.

    "Das wäre also geklärt." Susan wandte sich an Pierce. "Würden Sie die beiden in die Stadt fahren und später wieder abholen? Wir kümmern uns inzwischen um Bessy."

    "Gern", sagte Pierce und warf Shanni dann einen fragenden Blick zu.

    "Ich kann meinen Wagen nehmen", erklärte sie.

    Hamish schüttelte den Kopf. "Sie haben gestern Abend das Fenster offen gelassen und den Möwen damit einen willkommenen Schlafplatz geliefert. Die haben jede Menge Vogeldreck zurückgelassen."

    "Machen Sie sich nichts draus, Shanni", tröstete Susan sie. "Ich kümmere mich um den Wagen, aber bis dahin muss Pierce den Chauffeur spielen."

    "Können wir nicht zu Fuß gehen?", fragte Shanni hoffnungsvoll.

    "Nicht, wenn Sie bis zum Mittagessen zurück sein wollen."

    "Dann nehme ich den Kombi."

    "Ich fahre euch", entschied Pierce, worauf Susan zufrieden lächelte.

    "Ich dachte, ihr zwei wärt miteinander befreundet", meinte sie scherzhaft.

    "Pierce ist mein Arbeitgeber", verbesserte Shanni sie.

    "Ach ja?" Susan stellte sich ahnungslos. "Und ich habe angenommen … Aber lassen wir das. Pierce bringt euch in die Stadt und besorgt Dillgurken für mich. Andere Leute haben schließlich auch ihre Wünsche. Okay?"

 

Während der Fahrt in die Stadt fiel kein Wort. Jeder schwieg aus einem anderen Grund: Wendy aus Ängstlichkeit, Pierce aus Verdrossenheit und Shanni aus Verlegenheit.

    "Du hast doch nichts gegen unser Vorhaben einzuwenden?", fragte sie vorsichtshalber, als sie in der Hauptgeschäftsstraße von Dolphin Bay hielten, die direkt am Hafen lag. So früh ließen sich nur wenige Kunden blicken. Dafür herrschte unten bei den Booten reger Betrieb.

    "Ich bin voll und ganz damit einverstanden", antwortete Pierce.

    "Aber du willst nicht selbst mit Wendy einkaufen?"

    Das Mädchen griff nun ängstlich nach Shannis Hand, was Pierce nicht entging. "Das ist Frauensache", flüsterte sie.

    "Aber Pierce bezahlt", wandte Shanni ein. "Wenn er will, darf er zumindest zuschauen."

    "Darauf verzichte ich." Pierce konnte nicht ganz verbergen, dass Wendys Ablehnung ihn kränkte. "Ich besorge jetzt Dillgurken und fahre zum Schloss zurück. Ist es recht, wenn ich euch in drei Stunden abhole?"

    "Zum Essen", hauchte Wendy, ohne ihn anzusehen.

    "Also um zwölf Uhr." Alle Natürlichkeit im Umgang mit Pierce war verschwunden. Shanni litt darunter, aber sie konnte nichts dagegen tun. "Bis dann."

    "Bye", wisperte Wendy, bevor sie ausstieg.

    Shanni folgte ihr widerstrebend. Sie wusste, dass Pierce ihnen nachsah, bis sie verschwunden waren.

    Trotz allem wurde es ein herrlicher Vormittag. Der Friseur gab Wendys kupferrotem Haar einen Fassonschnitt und färbte einige Strähnen blond. Für ein elfjähriges Mädchen mochte das etwas gewagt sein, aber Wendy hatte im Spiegel alles genau beobachtet und mit wachsender Begeisterung verfolgt.

    "Bin ich hübsch", staunte sie, nachdem der Mann die Haare geföhnt und noch einmal durchgekämmt hatte.

    Der Friseur strahlte. "Ich habe zwei andere Termine abgesagt", gestand er Shanni zum Abschied. "Das tue ich immer, wenn sich ein Kind aus dem Schloss zu mir verirrt."

    Anschließend bummelten Shanni und Wendy durch die Geschäfte und fanden überall das gleiche Entgegenkommen. Wendy war ein "Schlosskind" und wurde wie eine Prinzessin behandelt. Auf sämtliche Kleidungsstücke gab es Rabatt, und kleinere Accessoires wurden kostenlos hinzugefügt. Als sie im Schuhgeschäft nicht gleich bedient wurden, stand einer der Kunden – ein alter Fischer – auf und sagte: "Sie sind zuerst dran, junge Dame. Das ist bei uns so üblich."

    Überall half man ihnen. Als sie schließlich jeder mit einem Eis am Stil in der Hand auf der Hafenmole saßen und auf Pierce warteten – Wendy in kurzem, weitem Rock, ärmellosem Top und roten Sandalen –, gab es kaum jemanden, der im Vorbeigehen nicht einen Augenblick stehen blieb, winkte oder etwas herüberrief.

    Als Pierce wenig später in der Nähe parkte und ausstieg, hielt Shanni unwillkürlich den Atem an. Auch Wendy wurde plötzlich ganz still. Sie hielt ihr Eis so, dass es nicht auf ihre neue Kleidung tropfen konnte, und hörte auf, daran zu lecken.

    Sein Urteil ist ihr wichtig, dachte Shanni, und mir auch. Wenn Wendy erst volles Vertrauen zu diesem Mann gefasst hat, wird sie ihn genauso lieben wie ich.

    Pierce kam langsam näher und blieb in einer Entfernung von etwa fünf Metern unvermittelt stehen. Er legte eine Hand über die Augen, als müsste er sie vor der Sonne schützen, und sagte: "Shanni erkenne ich, aber ist das … Wendy?" Langsam ging er weiter.

    Die Kleine begann zu kichern. Es war ein nervöses, verlegenes Kichern, aber Shanni freute sich unendlich darüber.

    "Du siehst sehr hübsch aus", fuhr Pierce fort. Mehr sagte er jedoch nicht.

    Wendy lächelte, klimperte schüchtern mit den Wimpern und strahlte dann über das ganze Gesicht.

    "Ich bin wirklich stolz auf dich." Pierce blieb bewundernd vor Wendy stehen.

    "Soll ich dein Eis halten?", fragte Shanni. Als Wendy nicht antwortete, nahm sie es ihr einfach aus der Hand. Sie ahnte, was kommen würde, und hatte sich nicht geirrt.

    Pierce hob Wendy hoch und wirbelte sie so schnell herum, dass sie vor Entzücken quiekte. Wie ein normales fröhliches Kind. Shanni traten Tränen in die Augen. Die Szene rührte sie, aber sie wusste auch, dass sie an all dem keinen Anteil hatte.

    "Auf zum Essen", sagte Pierce, nachdem er Wendy abgesetzt hatte. "Oder habt ihr zu viel Eis genascht?"

    "Meins ist zur Hälfte geschmolzen", stellte Wendy mit einem Blick auf den Rest fest.

    Shanni hatte Wendys Eis völlig vergessen. Es tropfte ihr jetzt als rote Flüssigkeit vom Handgelenk.

    "Habt ihr einen besonderen Wunsch?", fragte Pierce.

    Wendy überlegte. "Wie wäre es mit Fish and Chips am Strand?"

    Pierce schüttelte den Kopf. "Heute nicht. Unterhalb des Leuchtturms gibt es ein hübsches kleines Restaurant. Wir waren mit Ruby dort, als das Schloss neu eröffnet wurde. Es gibt dort Champagner."

    "Champagner?", wiederholte Wendy unsicher.

    "Wir müssen doch auf den Neuanfang anstoßen", meinte Pierce lächelnd. "Aber vorher will Shanni sich bestimmt die Hände waschen."

 

Wenig später stiegen sie den gewundenen Weg zum Leuchtturm hinauf. Wendy ging in der Mitte, mit Shanni an der rechten und Pierce an der linken Hand. Man hätte denken können … Nein, solche Gedanken waren nicht mehr erlaubt.

    Pierce hatte einen Tisch bestellt, von dem man einen weiten Blick über das Meer hatte. Der Ober brachte eine Flasche Champagner, und als er drei hohe, schlanke Kristallgläser füllte, gingen Wendy fast die Augen über.

    "Du bist noch zu jung für Champagner und wirst ihn wahrscheinlich nicht mögen", sagte Pierce. "Aber er ist das einzig richtige Getränk für einen Toast." Er stand auf und hob sein Glas. "Auf getane Arbeit, Wendy. Du hast treu für deine Geschwister gesorgt. Du hast zu deiner Mutter gehalten und die Schatten der Vergangenheit besiegt. Stoßen wir auf eine sichere Zukunft an und darauf, dass es jetzt leichter für dich wird. Du darfst wieder ein Kind sein, denn jetzt sorge ich für euch alle und werde euch nie verlassen. Das verspreche ich."

    "Darauf trinke ich", sagte Shanni, stand ebenfalls auf und hob ihr Glas. "Auf unsere tapfere Wendy."

    "Auf unsere hübsche Wendy", ergänzte Pierce und stieß erst mit Wendy und dann mit Shanni an. Als Wendy etwas Champagner kostete und enttäuscht die Nase rümpfte, lächelte er vielsagend. "Das habe ich mir gedacht, aber bevor du deine Limonade bekommst, gibt es noch einen zweiten Toast." Er sah Shanni an. "Auf unsere mutige Shanni, die es nicht nur mit einem Bullen, sondern mit einer ganzen Gemeinde aufgenommen hat."

    Das klingt nach Ende, dachte Shanni. Jetzt ist endgültig Schluss. Doch sie lächelte, stieß zum zweiten Mal an und trank auf ihren eigenen Abschied. Anschließend kam der Ober und brachte Wendy eine Limonade.

    "Wie kann man Champagner lieber mögen?", fragte das Mädchen, nachdem es einen großen Schluck getrunken hatte. "Das hier schmeckt viel besser."

    Nach sorgfältigem Studium der Speisekarte gestanden sich dann alle drei etwas verlegen, dass sie nichts gegen Fish and Chips einzuwenden hätten. Also bestellte Pierce das Gewünschte, was sich als Riesenplatte mit erlesenen Meeresspezialitäten wie Krebsschwänzen, Garnelen, Kammmuscheln und Austern, die am Tisch geöffnet wurden, herausstellte. Dazu gab es hauchdünne, knusprige Pommes frites.

    Nach dem köstlichen Essen lehnten sie sich zufrieden zurück und beobachteten das Ein- und Auslaufen der Boote unten im Hafen.

    Schöner kann es auch im Paradies nicht sein, dachte Shanni immer wieder. Warum werde ich bloß daraus vertrieben?

    Sag es, dachte Shanni. Sag es jetzt gleich.

    "Ich fahre heute Nachmittag", erklärte sie.

    Betroffenes Schweigen folgte.

    "Du willst uns verlassen?", fragte Pierce endlich.

    "Das darfst du aber nicht", protestierte Wendy. "Wohin … willst du?"

    "Zu einer Freundin in Sydney."

 

"Du hast doch kein Geld", wandte Pierce ein.

    "Gerade genug."

    "Was heißt … genug?"

    "Das geht dich nichts an." Es fiel Shanni nicht leicht, den schroffen Ton beizubehalten. "Wenn du mich allerdings für die vergangenen vier Tage bezahlen würdest, hätte ich nichts dagegen."

    "Natürlich tue ich das, aber …"

    "Du darfst nicht fahren." Wendy ließ Pierce nicht ausreden. "Wir wollen, dass du bleibst."

    "Ich weiß, Wendy", versicherte Shanni, und es kostete sie ungeheure Überwindung, so zu handeln. Aber wenn sie jetzt nicht hart blieb, würde sie die Kinder nur noch mehr verletzen. Sie vertrauten ihr. Sie entwickelten Zuneigung zu ihr. Jetzt, mit den sonnigen Ferienwochen vor Augen, würden sie den Verlust gerade noch verschmerzen. Später würde der Schaden ungleich größer sein.

    Und noch etwas war zu bedenken: Sie liebte Pierce mit jedem Tag mehr, ohne hoffen zu dürfen, dass sich daraus eine dauerhafte Beziehung ergab. Er wollte sie los sein, deshalb musste sie von hier verschwinden.

    "Du hast heute Nacht das Telefongespräch mit angehört", stellte Pierce in einem Ton fest, der keine Widerrede zuließ.

    "Ja", gab sie freimütig zu.

    "Was ich gesagt habe, war nicht so gemeint."

    "Vielleicht nicht, aber es entspricht der Wahrheit. Ich bin hier überflüssig." Shanni schwieg einen Moment, um neuen Mut zu fassen, und fuhr fort: "Ich möchte Tante Ruby von den Kindern erzählen."

    "Das kannst du nicht tun."

    "Doch, das kann ich. Ich weiß, dass du sie nicht belasten willst, aber je länger du ihr die Wahrheit verschweigst, desto tiefer wird sie verletzt sein. Es genügte schon, dass du ohne ihr Wissen geheiratet hast. Wenn du so weitermachst, wirst du großen Schaden anrichten."

    Shanni nahm Wendys Hand. "Du und deine Geschwister … ihr braucht jemanden, der sich mit Kindern auskennt und sich ihnen voll und ganz widmet. Pierce hat eine wunderbare Pflegemutter. Sie heißt Ruby und würde euch liebend gern kennenlernen. Leider ist sie schon zu alt, um sich eurer anzunehmen. Doch hat sie die besten Verbindungen. Sie wird die ideale Haushälterin für euch finden, und damit seid ihr alle Sorgen los."

    Die Vorstellung, Ruby in alles einzuweihen, versetzte Pierce sofort in Panik. "Das kannst du nicht tun", sagte er noch einmal.

    "Ich werde es tun, und anschließend informiere ich deine Brüder. Es tut mir leid, Pierce, aber ich bin schließlich Rubys Nichte. Gewisse Dinge lassen sich in der Familie nun mal nicht verheimlichen."

    "Du hast kein Recht …"

    "Vielleicht nicht", gab Shanni zu, "aber ich mache es trotzdem." Sie stand auf, äußerlich gefasst, aber innerlich zerrissen. Nur das Bewusstsein, dass Warten alles nur noch schlimmer machen würde, hielt sie aufrecht.

    "Ich bin deine Freundin, Wendy", beteuerte sie noch einmal, denn der Anblick des unglücklichen Mädchens schnitt ihr tief ins Herz. "Wenn ihr aus Dolphin Bay zurück seid, werde ich euch auf der Farm besuchen. Das verspreche ich. Ich werde einkaufen, dafür sorgen, dass alles in Ordnung ist, und auch später immer wiederkommen. Und natürlich werde ich dir schreiben."

    "Das ist nicht dasselbe", sagte Wendy kläglich.

    "Nein, aber ich war nur als Aushilfe bei euch. Das wussten wir alle, und jetzt ist meine Zeit um."

 

Während der Rückfahrt herrschte bedrücktes Schweigen. Shanni saß auf eigenen Wunsch hin allein auf dem Rücksitz und sah starr geradeaus. Sie fühlte sich klein, unbedeutend und elend, und außerdem quälte ihr Gewissen sie.

    Sie hatte Wendy verletzt. Das war schrecklich, aber wenn sie an Pierce dachte und seine starre Haltung beobachtete, wusste sie, dass sie das Richtige tat. Ihr Heil lag jetzt nur noch in der Flucht.

    Als sie im Schlosshof hielten, wollte keiner als Erster aussteigen. "Du wirst bestimmt schon am Strand erwartet", sagte Shanni zu Wendy, als das Schweigen unerträglich wurde. "Nicht wahr, Pierce?"

    "Als ich losfuhr, war davon die Rede, dort ein Picknick zu machen", antwortete er. "Nick und Hamish wollten ein Zelt aufstellen … zum Schutz gegen die Sonne."

    "Dann sollte Wendy schleunigst ihren Badeanzug holen."

    "Komm doch mit", bat Wendy leise.

    "Ich kann nicht, Schatz."

    "Du willst nicht", verbesserte Pierce sie.

    "Und du weißt, warum. Mach es uns also nicht unnötig schwer."

    Pierce umfasste das Lenkrad so fest, als wollte er es zerbrechen. "Komm, Wendy", forderte er sie betont ruhig auf, "lass uns die Badeanzüge holen."

    "Aber …"

    "Kein Aber, Liebes. Wir müssen lernen, auf uns selbst zu vertrauen. Shanni gehört nicht zur Familie."

    Das tat weh, aber Shanni hatte ihn ja gebeten, die Wahrheit zu sagen.

    "Ich liebe dich, Wendy", sagte sie sanft. "Ich komme später an den Strand, um mich zu verabschieden."

    Bevor jemand antworten konnte, stieg sie aus und floh ins Schloss.

    Sie hatte gerade angefangen, ihre Sachen in den Koffer zu legen, als Pierce an ihre Tür klopfte. "Shanni?", rief er, "bist du da?"

    "Ich packe", antwortete sie und öffnete. "Warum bist du nicht am Strand?"

    "Ich habe Wendy hinuntergebracht und bin gleich zurückgekommen."

    "Mochten sie ihre neue Frisur?"

    "Sie waren begeistert. Jetzt bauen sie alle zusammen eine Sandburg."

    "Das wird Wendy ablenken."

    Pierce ging ans Fenster und sah hinaus. "Es tut mir leid, dass du mein Telefongespräch mit angehört hast", meinte er nach einer Pause.

    "Mir auch", antwortete sie mit heiserer Stimme.

    Sofort stand Pierce bei ihr. "Du hast geweint", stellte er fest und legte ihr die Hände auf die Schultern.

    "Die Palme im Bad", redete sie sich heraus. "Ich bin allergisch …"

    "Ich möchte, dass du bleibst, Shanni."

    "Das kann ich nicht. Ich liebe … die Kinder zu sehr."

    Pierce sah sie ernst an. "Du brichst Wendy das Herz."

    "Sie kennt mich erst seit einer knappen Woche und betrachtet mich als eine gute Freundin, und so soll es bleiben."

    "Und du? Was siehst du in den Kindern?"

    "Es sind wunderbare Kinder", gab Shanni unumwunden zu. "Du kannst von Glück sagen, dass du sie hast."

    "Von Glück?", wiederholte er zweifelnd.

    "Dein Fehler ist, dass du dieses Glück nicht begreifst. Du bist zu sehr damit beschäftigt, unabhängig zu bleiben."

    "Sie hängen an dir."

    "Und deshalb soll ich bleiben. Ich verstehe. Du brauchst mich, damit du dich besser heraushalten kannst."

    Pierce wich ihrem Blick aus. "Es sind nicht nur die Kinder, Shanni."

    Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Wenn er jetzt …

    Doch es kam nichts. Pierce schob beide Hände in die Hosentaschen, wandte sich ab und sagte: "Du bäckst miserable Schokoplätzchen."

    "Das weiß ich."

    Trotz der Enttäuschung blieb Shanni ruhig. Zorn hätte sie nicht einen Schritt weitergebracht. Pierce musste blind sein, um nicht zu erkennen, dass sie ihn über alles liebte. Blind und vor allem unfähig, ihre Liebe zu erwidern.

    "Ich bin Galeristin", sagte sie, "und keine Haushälterin. Ich war am Ende und habe bei dir Schutz gesucht, aber jetzt brauche ich das nicht mehr."

    "Wirklich nicht?", fragte er ungläubig.

    "Nein, wirklich nicht. Ich habe mich wieder aufgerappelt und kann in meine alte Welt zurückkehren. Damit bist du frei."

    "Ich möchte aber trotzdem nicht, dass du Ruby etwas sagst."

    "Daran kannst du mich nicht hindern." Der gefährliche Augenblick war vorüber. Shanni wusste nicht, ob sie weinen oder lachen sollte. "Ich werde nicht zulassen, dass du meine Tante Ruby weiter kränkst. Außerdem weiß sie, dass ich bei dir war. Sie wird mir Fragen stellen, und ich werde sie nicht belügen."

    "Dann halte dich von ihr fern.

    "Bist du verrückt?" Diesmal musste Shanni wirklich lachen. "Ich begreife nicht, wie du so einen Vorschlag machen kannst."

    "Bleib, Shanni", bat Pierce noch einmal und rang sich ein Lächeln ab. Es war ein rührendes Lächeln, das ihr zu Herzen ging, aber sie durfte sich dadurch nicht beirren lassen.

    "Nein", antwortete sie bestimmt.

    "Warum nicht?"

    "Weil du nichts verstehst."

    "Ist es der Kuss?", fragte er direkt.

    "Die Küsse? Wenn du so willst …"

    Pierce sah sie an, als würde sie ihm Rätsel aufgeben. "Nein", gestand er. "Ich verstehe wirklich nichts."

    "Da bist du nicht allein", tröstete sie ihn. "Aber eins weiß ich: dass ich keine andere Wahl habe. Wenn ich fertig gepackt habe, gehe ich an den Strand und verabschiede mich. Danach verschwinde ich. Und bitte, Pierce … halte mich nicht zurück. Es muss sein."

 


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