Irische Hochzeit - 21 Kapitel

21. KAPITEL

Als sie die Farben ihres Vaters sah, wollte Isabel laut schreien, doch Donal O’Phelan presste ihr die Hand auf den Mund.

     „Schrei, und ich breche dir den Kiefer“, drohte er.

     Isabel zweifelte nicht, dass er es tun würde. Sie zwang sich zur Ruhe, während Horden von Eindringlingen sich auf Laochre zubewegten. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Wenn ihr Vater von ihrem Verschwinden erfuhr, würde er Patrick und alle Iren niedermetzeln.

     Nachdem die Armee an ihnen vorbeigezogen war, packte der Stammesführer Isabel um die Taille und zwang sie, aufs Pferd zu steigen. Er hielt sie eisern fest, während sie von Laochre fort landeinwärts ritten. Trotz der warmen Sommerluft fror Isabel innerlich.

     Es spielte schon keine Rolle mehr, wo Donal sie hinbrachte. Weder Patrick noch sonst jemand würde ihr folgen. Mit der normannischen Streitmacht vor ihrer Tür konnten sie nicht um ihretwillen das Kämpfen sein lassen.

     Sie versuchte, über eine Fluchtmöglichkeit nachzudenken, doch im Augenblick drehten sich ihre Gedanken nur um ihren Mann. Während der Schlacht hatte sie ihn kaum zu Gesicht bekommen. Wie einer der alten Götter war er gegen die O’Phelans gestürmt und hat mit seinem Schwert Rache geübt.

     Einmal hatte er zu ihr herüberstarrt. Es war der Blick eines wütenden Mannes gewesen. Er hatte es nicht gutgeheißen, dass sie sich einmischte, auch wenn es ihrem Stamm half.

     Ihrem Stamm. Sie schloss zornig die Augen. Die Leute sahen sie nicht als eine der ihren an und würden es nie tun. Und was Patrick betraf, so sorgte noch nicht einmal er sich um sie. Er würde nicht nach ihr suchen.

     Einsamkeit schien sie immer dichter einzuhüllen und ihr die Luft zum Atmen zu nehmen. Isabel musste kräftig mit den Augen zwinkern, um nicht völlig in Selbstmitleid zu versinken.

     Sie hob das Kinn und sah Donal an. „Was wollt Ihr von mir? Ich bringe Euch keinen Nutzen.“

     „Dein Leben kann freigekauft werden.“

     „Nicht von Patrick.“

     „Von den Normannen. Ich bin sicher, dass einige von ihnen Interesse an so einer Dame haben.“

     „Mein Vater ist unter diesen Männern. Und er wird Euch nicht erlauben, mich gefangen zu halten. Ihr zieht Euch den Zorn seiner Armee zu.“

     Donal lächelte. „Nein. Den Zorn seiner Armee habe ich auf deinen Gatten gelenkt. König Patrick gelang es nicht, dich zu beschützen, nicht wahr?“

     Was hätte sie jetzt für Pfeil und Bogen gegeben! Doch da sie nun einmal nichts an ihrer Lage ändern konnte, prägte sie sich die Umgebung ein und bemühte sich, Haltung zu wahren. Nach einem einstündigen Ritt hatten sie das donnernde Lärmen der Normannen hinter sich gelassen. Beim Gedanken an das, was jetzt wahrscheinlich in dem Ringwall vorging, schloss sie die Augen. Griffen in diesem Moment die Männer ihres Vaters an? Würden sie Sosanna und ihren Sohn ans Schwert liefern? Oder Annle?

     Die Kehle wurde ihr eng, und sie ballte die Fäuste. Donal ließ das Pferd langsamer gehen und führte sie zu einem rath, der fast so groß war wie Ennisleigh.

     Der Stamm der O’Phelans nannte weitläufige Besitztümer sein Eigen, und seine Mitglieder lebten weit genug im Landesinnern, um Strongbows Männern aus dem Weg zu gehen. Felder wiegten sich im Wind. Ihre Halme mit den vollen Ähren raschelten. Innerhalb einer hölzernen Palisadenwand standen zehn strohgedeckte Steinhütten im Kreis. Als sie näher kamen, hörte Isabel Wortfetzen. Dutzende von Menschen drängten sich in dem winzigen Ringwall. Ihr sank der Mut. Es waren so viele, viel zu viele für eine Flucht.

     Nachdem sie den Eingang erreicht hatten, hob Donal Isabel vom Pferd. Sie versuchte loszurennen, doch er ließ ihren Arm nicht los. Mit harter Stimme befahl er seinen Männern, sie zu fesseln.

     Isabel wehrte sich, zerkratzte wütend die Haut ihrer Angreifer und trat ihnen gegen die Schienbeine. Sie hatte keine Angst vor ihnen. Stattdessen richtete sie ihre ganze brennende Wut auf den Feind.

     Obwohl die O’Phelans sie überwältigten, ihr Hände und Füße banden, spürte sie die körperliche Qual kaum. Ihre Wange wurde in den Schmutz gedrückt, während ihr ein Mann den Stiefel auf den Nacken setzte.

     Isabel wünschte, Patrick MacEgan nie getroffen zu haben. Sie schloss die Augen und versuchte sein Bild aus ihren Gedanken zu bannen. Der stählerne Blick, der es ihr unmöglich machte, sich zu verteidigen, die Hände, die sie dazu verführt hatten, sich zu ergeben.

     Erinnerungen stiegen in ihr auf, Erinnerungen daran, wie Patrick sie auf ihrer Reise zur Küste bewacht hatte. Wie er sie geküsst hatte, als könnte er nicht genug von ihr bekommen. Und wie er sie des Nachts in den Armen hielt, als würde er ihren Körper mit dem eigenen beschützen. In diesen gestohlenen Augenblicken hatte sie sich geliebt gefühlt, obwohl sie wusste, dass es nie zu einem guten Ende führen würde.

     Isabel ballte die Fäuste, um sich von den Lederriemen zu befreien. Sie ließen sich nicht lösen. Donal war gegangen und sprach jetzt leise mit seinen Männern: Wahrscheinlich entschied er über ihr Schicksal. Der Stiefel hob sich von ihrem Nacken, und sie holte tief Luft. Vorsichtig richtete sie sich ein wenig auf, sorgsam darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie warf einen Blick zu der am nächsten stehenden Hütte. Männer tauchten aus ihr auf, die Schwerter und Kampfäxte trugen. Durch den offenen Eingang konnte sie noch mehr Waffen im Innern aufgereiht sehen. Aber sie waren zu weit weg, um sie erreichen zu können.

     Ihre Fußknöchel waren nicht so fest zusammengebunden wie ihre Hände. Zähneknirschend bewegte sie erneut die Füße und versuchte, die Riemen zu lockern. Die Luft wurde kühler, und der nachmittägliche Himmel bedeckte sich mit dicken Regenwolken. Der schwere Duft der Erde stieg ihr in die Nase. Sie warf einen Blick auf das Torhaus. Sie wusste nicht, ob sie bis zum Einbruch der Nacht warten oder versuchen sollte, früher zu flüchten.

     Keiner wird nach dir suchen, höhnte eine innere Stimme.

Ein Meer von Normannen ergoss sich über sein Land. Ihre Rüstungen schimmerten wie ein See aus Silber. Patrick ließ den Blick über die Truppen schweifen und bemerkte die Offiziere und Edelmänner, die hinter den anderen zurückblieben. Unter ihnen würde auch Thornwyck sein.

     Patricks Gedanken wandten sich von der drohenden Invasion ab, hin zu dem Mann, der seine Frau gestohlen hatte. Wenn Donal O’Phelan Isabel etwas angetan hatte, würde er ihm bei lebendigem Leib die Haut abziehen.

     Eine Bewegung weckte ihn aus seiner Versunkenheit. Er richtete den Blick erneut auf das feindliche Heer. Würden sie noch einmal angreifen? Oder würden die Normannen sie in Frieden lassen? Ihm war, als läge das Schicksal seines Stammes in der Hand eines anderen Mannes. Ihn ärgerte diese Hilflosigkeit. Er wollte Herr der Situation sein.

     „Wir müssen erfahren, was Strongbow vorhat“, sagte Patrick ruhig zu Trahern. Die Normannen versammelten sich in einiger Entfernung und rückten dann gegen den Ringwall vor.

     Sein Bruder warf ihm einen Seitenblick zu. „Du weißt doch, warum sie hier sind. Um das zu beenden, was sie vor einem Jahr anfingen.“

     „Möglich.“ Er vermutete das auch. Und doch – Thornwyck hatte geschworen, dass die Normannen Laochre nicht anrühren würden, solange er mit Isabel verheiratet wäre. Er blickte über das Land, über seine angriffsbereiten Feinde, und machte sich doch nur Sorgen um seine Frau. Die unsichtbaren Fesseln der Stammestreue würgten ihn, er wünschte sich nichts mehr, als nach ihr zu suchen.

     Er hatte Isabel geschworen, sie vor Schaden zu bewahren. Und je länger er hier verweilte, desto mehr schwand seine Chance, sie zu retten. Wenn Thornwyck das Verschwinden seiner Tochter entdeckte, würde sich sein Zorn über dem Stamm der MacEgans entladen.

     Eine große Anzahl Männer bewachte die Burg Laochre, Normannen wie auch Iren. Eine geisterhafte Stille lag über diesem Nachmittag, wie die Stille vor einem Sturm.

     Ein Jahr zuvor hatte Patrick wie der Teufel gegen diese Normannen gekämpft. Die Klinge seines Schwertes hatte sich durch das Fleisch seiner Feinde gefressen. Und dann hatte er Uilliam gesehen, der mit all seiner Kraft gegen vier Männer focht. Obwohl er seinem Bruder zu Hilfe geeilt war, war er zu spät gekommen.

     War es auch schon zu spät für Isabel? Seine Sorge wuchs. Unruhig ging er auf und ab. Jeder Schritt drückte sein Bedürfnis aus loszustürmen, um sie zu suchen.

     Wenn er ihr folgte, konnte das sehr gut den Tod bedeuten. O’Phelan wollte Laochre um jeden Preis. Patrick blieb einen Moment stehen und betrachtete sein Volk. Seite an Seite stellten sie sich dem Feind entgegen. Selbst die normannischen Frauen und Kinder wechselten besorgte Blicke mit den Frauen seiner Sippe.

     Sie waren zu einer Einheit geworden, die gegen einen gemeinsamen Feind stand. Isabel hatte recht gehabt. Obwohl er es jetzt mit eigenen Augen sah, konnte er es kaum glauben. Sogar wenn Strongbows Streitkräfte einen Angriff versuchten, seine Leute waren bereit. Auch wenn ihm etwas zustoßen sollte, würden sie den Angriff aushalten.

     Er winkte einen der Stalljungen herbei und gab Befehl, sein Pferd zu holen. Dann ging er zu Trahern und Ruarc, die die Armee erwarteten. Sein Cousin hielt einen Speer in der Faust, ein Ausdruck der Entschlossenheit lag auf seinem Gesicht.

     Ohne abzuwarten, was Patrick sagen würde, warf Ruarc einen raschen Blicken durch die Tore und meinte: „Reite ihr nach. Wir werden Laochre bis zum Tod verteidigen.“

     Obwohl Trahern etwas zweifelnd dreinschaute, fuhr Ruarc fort: „Es war mein Fehler, dass sie entführt wurde. Ich würde sie ja zurückholen, doch ich glaube, du möchtest das lieber tun.“ In seiner Stimme schwang Reue mit. „Ich werde deinen Brüdern helfen, den Feind draußen zu halten.“

     „Thornwyck soll nicht erfahren, dass sie entführt wurde“, warnte Patrick. „Er wird uns die Schuld dafür geben.“

     „Dann musst du gehen, bevor sie unsere Verteidigung durchbrechen“, sagte Trahern ernst. „Du bist ihre einzige Chance.“

     Patrick umarmte seinen Bruder und gab Ruarc die Hand. Bevor er auf sein Pferd stieg, sagte er noch Ewan Lebewohl.

     „Ernennt einen Nachfolger, wenn ich in zwei Wochen nicht zurück bin.“ Er warf einen letzten Blick auf sein Volk und dachte daran, dass er seine Sippe vielleicht zum letzten Mal sah. Mit schwerem Herzen ritt er durch die Tore und an der Rückseite der Burg entlang. Vor ihm erstreckte sich offenes Land, als er sich nach Norden wendete.

     Sobald er die Burg hinter sich gelassen hatte, ließ er Bel die Zügel schießen und donnerte über die Ebene. Er fragte sich, ob es klug war, seinen Stamm allein gegen die Normannen kämpfen zu lassen. Doch er wusste auch, dass er keinen Einfluss mehr auf die Schlacht hatte. Er hatte die Männer so gut er konnte vorbereitet – es lag nun an ihnen, zusammen zu kämpfen und zu gewinnen.

     Während er weiterritt, wanderten seine Gedanken unwillkürlich zu seiner Frau zurück. Er erinnerte sich daran, wie es sich angefühlt hatte, Isabel in den Armen zu halten. An die Art, wie sie sich nach dem Liebesspiel an ihn schmiegte, wie ihre Finger kleine Muster auf seine Schultern zeichneten. Ein harter Klumpen bildete sich in seiner Kehle, und er trieb das Pferd zu einem schnelleren Tempo an.

     Er war wütend geworden, als Isabel die Normannen zum Angriff in den Ringwall geführt hatte. Er war zu stur gewesen, bei ihnen um Hilfe zu bitten. Doch Isabel hatte recht gehabt. Sein wahrer Feind war der Stamm der O’Phelan, die Männer, die ihm Isabel gestohlen hatten. Und wenn er sie nicht zurückbrachte, würde Edwin de Godred am Stamm der MacEgan Rache nehmen.

Als das Licht des Nachmittags zu schwinden begann, erreichte Patrick die äußerste Grenze des Stammesgebiets der O’Phelan. Er zügelte Bel und band den Hengst an einen nahen Baum. Ein leiser, zischender Ton erregte seine Aufmerksamkeit, und er entdeckte seinen wartenden Bruder Connor. Patrick war erleichtert, ihn unverletzt zu sehen.

     „Ist sie drinnen?“

     Connor nickte. „Sie wird von zu vielen bewacht. Ich glaube, du solltest über ihr Leben verhandeln, denn O’Phelan erwartet dich. Bevan und ich helfen dir, wieder herauszukommen.“

     „Bevan?“

     Connor deutete auf einen einsamen Reiter, der sich ihnen in einiger Entfernung näherte. „Er ist dir gefolgt.“

     Patrick fluchte. „Dann bewacht also niemand Laochre?“ Er hatte sich darauf verlassen, dass seine Brüder für die Sicherheit ihres Stammes sorgen würden. Die Burg in den Händen von Trahern und den Normannen zu lassen, erschien ihm als das größte Risiko.

     Connor zuckte die Achseln. „Ich war damit beschäftigt, deine Königin zu bewachen. Ich musste mich in einiger Entfernung halten, damit sie mich nicht sahen.“

     Es war zu spät, die beiden fortzuschicken. Innerlich verfluchte er seine Brüder, weil sie sich in Gefahr gebracht hatten.

     „Wir werden uns zuerst unserer Pfeile bedienen“, sagte Patrick. „Ich gehe hinein, und ihr deckt mir den Rücken. Schießt auf jeden, der sich mir oder Isabel nähert.“ Er übergab Connor den Köcher mit Pfeil und Bogen.

     Kurz darauf kam Bevan bei ihnen an, und Patrick erklärte seinen Plan. Er wusste nicht, was O’Phelan mit der Geiselnahme Isabels bezweckte, sie erschien ihm allein durch dessen Rachsucht begründet. Doch wenigstens verfügte er selbst auch über Geiseln.

     „Hat er vor, Isabel gegen Laochre einzutauschen?“, fragte Bevan, während er aus dem Sattel stieg.

     „Da hat er keine Chance. Nicht nach der Ankunft der Normannen.“ Bei den Armeen, die sich über die Küste ergossen, konnten sie nur beten, dass Thornwycks Männer Strongbow von Laochre fernhielten.

     Patrick stieg aufs Pferd und verhielt einen Augenblick, als wollte er sich die Gesichter seiner Brüder einprägen.

     „Ist sie es wert?“, fragte Bevan leise. Seine Wange mit der Narbe zuckte. Bei dem Anblick musste Patrick an den Tod von Bevans Frau im letzten Sommer denken. Sein Bruder hatte geschworen, ihr treu zu bleiben und seitdem keine andere Frau mehr angesehen.

     War Isabel es wert, dass jemand für sie starb? Ein seltsamer Schmerz erwachte in seinem Innern und wurde stärker bei dem Gedanken, ihr könnte etwas zustoßen. War das Schuldbewusstsein? Oder war das mehr?

     Er sah wieder seinen Bruder an. „Sie ist es wert.“ Und sobald die Worte aus seinem Mund kamen, spürte er, dass es die Wahrheit war.

     Ohne zurückzublicken, ritt er auf den Ringwall zu. Die Abendsonne schien warm auf sein Gesicht. Schützend hielt er die Hand über die Augen, um erkennen zu können, wer den rath bewachte.

     „Donal O’Phelan!“, schrie er. „Ich komme, um meine Frau zu holen.“

     Ohne zu wissen, was ihn erwartete, wartete er einige Zeit draußen. Als niemand kam, ritt er näher.

     Ein Pfeil traf den Boden zu seinen Füßen. Zwei Herzschläge später fiel der Bogenschütze zu Boden, ein Pfeil ragte aus seiner Brust. Patrick umklammerte das Heft seines Schwertes. Gott sei Dank deckten seine Brüder ihm den Rücken.

     „Wenn du nicht willst, dass noch einer deiner Sippe stirbt, schlage ich dir vor, du rufst deine Männer zurück und zeigst dich“, rief Patrick.

     Der Stammesführer erschien. Er stand einige Schritte hinter dem Tor, außerhalb der Reichweite eines Bogenschützens, doch nahe genug, um sich verständigen zu können.

     „Meine Männer sind auf ihren Posten“, antwortete Donal. „Deine kleine Eskorte steht gegen meinen ganzen Stamm.“

     „Dann solltest du darauf gefasst sein, einige deiner Männer zu verlieren. Ich frage mich, ob sie bereit sind zu sterben?“

     Donal lachte. Seine Hand ruhte auf einem Speerschaft. „Bist du bereit zu sterben, Patrick MacEgan?“

     „Was willst du?“, fragte Patrick. „Isabel ist dir nicht von Nutzen.“

     Donal zuckte die Achseln. „Vielleicht wenn du tot bist. Ich selbst werde sie heiraten. Wenn dem Baron of Thornwyck eine Allianz mit dir gut genug war, dann sollte es eine mit mir auch sein.“

     Patrick zeigte nicht, welche Wut in ihm kochte. „Ich will sie sehen. Lebt sie, und ist sie unverletzt?“

     „Sie lebt. Ob sie unverletzt ist …“ Er zuckte die Achseln und ein schmieriges Lächeln flog über sein Gesicht.

     Mit einer Selbstbeherrschung, von der Patrick gar nicht gewusst hatte, dass er sie besaß, blieb er ruhig auf seinem Pferd sitzen. Die Vorstellung, dass Männer Isabel schlagen, oder noch schlimmer, ihr Gewalt antun könnten, ließ ihn das Heft seines Schwertes umklammern, bis seine Knöchel weiß hervortraten.

     „Ich fordere dich heraus, mit mir um sie zu kämpfen.“

     Donals Lächeln wich nicht aus seinem Gesicht. „Ich muss nicht mit dir kämpfen. Sobald du die Tore durchschreitest, werden meine Männer dich töten.“

     Als Antwort gab Patrick Bel die Sporen. „Dann wird Krieg sein zwischen unseren Stämmen. Wir werden jeden von euch töten. Das Blut deines Stammes wird unsere Hände beflecken.“

     Donal deutete hinter Patrick. „Ich habe da meine Zweifel.“ Lärm war zu hören. Als Patrick sich umdrehte, sah er eine kleine Gruppe von Männern, die den Eingang zum Wald umstellten, wo seine Brüder warteten.

     Er erstarrte und wusste nicht, ob sie in Gefahr waren oder nicht.

     „Befiehl deine Männer zurück nach Laochre, MacEgan“, forderte Donal, „und ich lasse sie am Leben.“

     Patrick trieb sein Pferd näher an ihn heran. „Ich stelle mir einen anderen Handel vor. Er betrifft deine Söhne.“

Verzweifelt zerrte Isabel an den Lederriemen. Sie wollte die Gelegenheit nutzen, solange die Aufmerksamkeit der Männer auf Patrick draußen vor dem Ringwall gerichtet war.

     Von ihrem Platz aus konnte sie ihn nicht sehen. Warum war er gekommen? Wegen der Invasion durfte er ihr Volk doch nicht verlassen. Sie benötigten seine Führung.

     Ihre Wangen waren schmutzverkrustet, und ihre Augen brannten. Er sollte nicht hier sein. Die O’Phelans hatten vor, ihn zu töten, sobald er den Ringwall betrat. Sie wollten Laochre für sich selbst haben.

     „Steh auf“, befahl einer der Männer. Er streckte die Hand aus, packte Isabel am Arm und riss sie hoch. Sie stolperte. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihren Arm. Der Ire zwang sie, in eine der Hütten zu gehen und dann eine schmale Leiter hinunterzusteigen, die in eine unterirdische Vorratskammer führte. Er zog die Leiter hoch und sperrte sie so in dem kleinen Raum ein. Kurz darauf hörte sie, wie er die Tür zudrückte und damit jedes Licht ausschloss.

     Die schale Luft zusammen mit der erstickenden Dunkelheit jagte ihr Angst ein. Sie konnte die Hand nicht vor Augen sehen, und ihr Herz raste vor Entsetzen.

     Und das Schrecklichste von allem war, nicht zu wissen, was sie mit Patrick gemacht hatten. Tränen netzten ihre Wangen, voller Schuldbewusstsein schluchzte sie auf. Er hätte nie seinen Stamm verlassen dürfen, nicht um ihretwillen.

     Doch er hatte es getan. Er riskierte alles, um sie nach Hause zu holen, selbst wenn es umsonst sein würde. Sie hätte ihn gerne ein letztes Mal gesehen. Sie wollte in seiner Umarmung ruhen, seine Arme um sich fühlen.

     Im Herzen fürchtete sie das Schlimmste, nämlich, dass sie ihn bereits getötet hatten.

Vorheriger Artikel Irische Hochzeit - 22. Kapitel
Nächster Artikel Irische Hochzeit - 20 Kapitel