Romana Sommeredition Band 3

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HOCHZEIT MIT DEM PLAYBOY-PRINZEN von MAISEY YATES
Sie soll Prinz Rodriguez heiraten? Einen völlig Fremden, dem der Ruf als Playboy vorauseilt? Um ihrer Heimatinsel Santina willen muss Prinzessin Carlotta dem Befehl ihres Vaters gehorchen. Zum Glück stellt Rodriguez sich als überraschend attraktiv und charmant heraus…

GESTÄNDNIS UNTER SÜDLICHER SONNE von MARION LENNOX
Wie ein Ritter auf seinem weißen Pferd hat Ramón sie aus dem grauen Alltag entführt. Als Köchin auf seiner Luxusjacht segelt Jenny mit ihm in den Sonnenuntergang, und in seinen Armen fühlt sie sich sicher und geborgen. Aber ist Ramón wirklich der, für den er sich ausgibt?

HAPPY END IM TRAUMPALAST? von RAYE MORGAN
„Lass uns zusammen fliehen.“ Nach der zärtlichen Nacht mit dem Kronprinzen wünscht Pellea sich nichts mehr, als an der Seite von Monte DeAngelis den Palast zu verlassen. Doch die Zukunft des Inselreiches hängt davon ab, dass sie Montes verlockendem Vorschlag widersteht …


  • Erscheinungstag 02.08.2022
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510707
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Maisey Yates, Marion Lennox, Raye Morgan

ROMANA SOMMEREDITION BAND 3

1. KAPITEL

„Was soll das heißen, sie ist nicht hier?“ Prinz Rodriguez Anguiano hätte wetten können, Schweißperlen auf der Oberlippe seines zukünftigen Schwiegervaters zu sehen.

Da er König Eduardo von Santina als ebenso Respekt einflößenden wie souveränen Monarchen kannte, überraschte ihn das und machte ihn gleichzeitig neugierig.

König Eduardo räusperte sich umständlich. „Sophia hat Santina verlassen … in Begleitung eines Maharadschas.“

Rodriguez hob die dunklen Brauen und lächelte sardonisch. „Ein Maharadscha? Ist ihr ein Prinz etwa nicht gut genug? Manche Frauen scheinen sich nach mehr Exotik in ihrem Leben zu sehnen.“

Die tiefe Röte auf König Eduardos Wangen zeigte, wie schwer es ihm fiel, dem Prinzen die schlechte Nachricht zu überbringen. „Sie tat es ohne mein Wissen und Einverständnis.“

„Nun, da meine Fast-Verlobte mit einem anderen durchgebrannt ist, wird die geplante Hochzeit wohl kaum stattfinden können.“ Seine Stimme troff vor Sarkasmus, und er hatte wahrlich jedes Recht, brüskiert zu sein. Innerlich fühlte Rodriguez allerdings so etwas wie Erleichterung. Zwar hatte er sich inzwischen mit dem Gedanken abgefunden, in nächster Zukunft heiraten zu müssen, reißen tat er sich jedoch nicht darum. Eine Ehe erschien ihm ungefähr so erstrebenswert wie eine Kette mit Kugel am Bein. Und wer würde sich eine derartige Fessel schon freiwillig anlegen?

Trotzdem hatte er keine Wahl, allein schon wegen der Sache mit dem Thronerben. Aber wie es aussah, wurde ihm noch eine Gnadenfrist gewährt. Dabei war Sophia gar keine schlechte Kandidatin gewesen. Eine zierliche Brünette von klassischer Schönheit, die allerdings irgendwann verblassen würde.

So, wie es momentan aussah, konnte er direkt nach Santa Christobel zurückkehren und seine wiedergewonnene Freiheit in den Armen einer willigen Blondine feiern. Oder mit einer Rothaarigen. Oder mit beiden …

Eigentlich war das nicht sein Stil, aber wegen eines ärztlichen Attests, auf dem seine zukünftige Braut bestehen konnte, hatte der Prinz sich vorsichtshalber ein sechsmonatiges Zölibat auferlegt. Was bisher noch als heroisch hätte gelten können, empfand er nun als unnötige Quälerei.

„Vater?“

Da er als ausgewiesener Frauenkenner und -Liebhaber instinktiv auf alles Weibliche reagierte, drehte Rodriguez sich sofort um, als er die sanfte, melodische Stimme hörte. Doch in diesem Fall deckten sich Stimme und Optik leider gar nicht. Eine von König Eduardos Töchtern stand in der Tür. Das glatte dunkelbraune Haar reichte ihr bis zum Kinn, praktisch, schlicht und unprätentiös wie alles andere an ihr. Eine weiße Bluse zur mokkafarbenen Leinenhose, dazu schwarze Ballerinas. Groß und schlank, hätte sie als Model für einen lässigen Business-Look durchgehen können. Allerdings trug sie keinen Hauch von Make-up.

„Verzeihung“, sagte sie und neigte leicht den Kopf. „Ich wusste nicht, dass du beschäftigt bist.“ Sie wollte sich zurückziehen, und Rodriguez wunderte sich über das flüchtige Bedauern, das er empfand.

„Carlotta …“

Sie zögerte kaum merklich, dann wandte sie sich um. „Ja, Vater?“

„Bitte bleib einen Moment. Ich möchte dir Prinz Rodriguez Anguiano vorstellen, Sophias Verlobten.“

Als sie ihn mit befremdlich kühlem Blick musterte, überraschte Rodriguez das leuchtende Smaragdgrün ihrer ungewöhnlichen Augen. Sie wirkte ernsthaft, ein wenig verschlossen und sehr beherrscht. Dahinter erahnte er noch etwas anderes, schwer Greifbares. Etwas, das sie offensichtlich zu verbergen suchte.

„Entzückend.“ Rodriguez lächelte routiniert. „Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Prinzessin. Obgleich ich nicht länger Sophias Verlobter bin, da sie mit einem Maharadscha davongelaufen ist, wie ich gerade erfahren musste.“

Carlotta blinzelte betroffen, bevor sie sich abrupt ihrem Vater zuwandte. Auf Rodriguez machte sie den Eindruck, als wenn sie sich vor dem alten König fürchtete. Zumindest erschien sie ihm ziemlich nervös und verunsichert. Das wunderte ihn, da er König Eduardo absolut nicht zum Fürchten fand. Eher erinnerte er an einen alten, zahnlosen Löwen, der vielleicht noch brüllen, aber nicht mehr beißen konnte.

Seine Tochter hingegen schien das anders zu sehen.

„Sie ist nicht mit dem Maha… mit Ashok davongelaufen“, erklärte Eduardo.

„Ehrlich gesagt, ist es mir egal, ob sie gelaufen, gerannt oder geflogen ist. Das Ergebnis bleibt dasselbe“, führte Rodriguez kühl an. „Ich habe keine Verlobte mehr, und damit ist unser Brauthandel hinfällig.“

„Darf ich mich zurückziehen?“, fragte Carlotta und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.

„Nein“, kam es brüsk von ihrem Vater.

„Mir ist es egal, was Sie tun“, versicherte Rodriguez, als ihn Carlottas nervöser Seitenblick traf. Langsam fing er an, die absurde Situation zu genießen. Warum musste eine erwachsene Frau ihren Vater das überhaupt fragen?

Ihr Blick flog zwischen den beiden Männern hin und her, dann schluckte sie trocken und wandte sich erneut an ihren Vater. „Ich muss nur noch eben Luca …“

„Das kann warten, also tu mir den Gefallen und bleib“, unterbrach er sie schroff.

Einen Moment schien sie nachzudenken, wie sie darauf reagieren sollte, und Rodriguez spürte einen sauren Geschmack im Mund. Dios! Er verabscheute Männer, die ihre Stärke und Überlegenheit in dieser Weise demonstrierten – und dann auch noch der eigenen Familie gegenüber!

„Ich denke, ich kann mich verabschieden“, sagte er kühl. „Wenn Sie keine Braut für mich haben, gibt es keinen Grund, länger zu bleiben.“

„Noch eine Frage, Rodriguez, hegen Sie eigentlich tiefere Gefühle für Sophia?“ König Eduardo ließ ihn nicht aus den Augen.

„Ich kenne sie doch gar nicht persönlich.“

„Dann ging es Ihnen also nur um den Namen?“

„Sie wissen, dass es so ist.“ Wen Rodriguez zum Altar führte, war ihm herzlich gleichgültig, solange sie nur gesunde Erben produzierte und auf dem Balkon des Palasts eine gute Figur beim Winken machte.

„Dann habe ich eine Braut für Sie …“ Die dunklen Augen des Königs wanderten zu seiner Tochter. „Sie können Carlotta haben.“

Carlotta glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Hat mein Vater mich gerade verschachert wie eine Preisstute? Quasi als Abschiedsgeschenk für den scheidenden Prinzen?

Warum schockiert dich das? fragte sie sich gleich darauf. Du kennst doch seine Meinung über dich. Benommen starrte sie ihren Vater an, bis das lastende Schweigen peinlich zu werden drohte.

Rodriguez lachte hart auf. „Sie schlagen mir einen Tauschhandel vor?“

„Nur einen Weg, das Gesicht zu wahren.“

Instinktiv schüttelte Carlotta wild den Kopf und öffnete den Mund, doch sie brachte keinen Ton heraus. Sie hatte Sophias heimliche Flucht noch nicht verdaut, da folgte schon der nächste Schlag! Die arrangierte Heirat mit Rodriguez wäre für das Zustandekommen der geplanten Allianz zwischen Santina und Santa Christobel enorm wichtig gewesen. Und ausgerechnet sie hatte Sophia vor der wenig schmeichelhaften Schlagzeile gewarnt: Prinzessin steigt in den Mile-High-Club auf.

Trotzdem hätte sie nicht erwartet, selbst in das ganze Debakel hineingezogen zu werden. Und schon gar nicht auf diese schockierende Weise!

Rodriguez musterte sie mit abschätzigem Blick, bevor er sich an ihren Vater wandte. „Was soll ich mit einer Frau anfangen, die bei der Vorstellung, meine Braut zu werden, fast ohnmächtig wird? Ich denke, es sollte nicht schwer sein, jemanden zu finden, der sich durch meine Anwesenheit weniger belästigt fühlt. Kein Deal, Eduardo.“

Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ließ Carlotta mit ihrem Vater allein. Zurück blieb ein lastendes Schweigen. Es war voller stummer Vorwürfe und Anklagen. Und es war keine Premiere für Carlotta. Schon einmal hatte sie an genau der gleichen Stelle gestanden und es gespürt, vor annähernd sechs Jahren.

Die bebenden Knie eng zusammengepresst, mit krampfhaft gefalteten Händen, den Blick starr auf den Teppich zu ihren Füßen geheftet. Am ganzen Körper zitternd hatte sie den kalten Angstschweiß im Nacken gespürt.

Ich bin schwanger.

Nur mit äußerster Anstrengung hatte sie das ebenso schockierende wie beängstigende Geständnis über die Lippen gebracht. Was folgte, war ein minutenlanges Schweigen, das ihr wie eine Ewigkeit vorkam.

Heute schien es noch länger zu dauern.

„Vater, ich …“

„Carlotta, das ist deine Gelegenheit, endlich etwas von dem gutzumachen, was wir deinetwegen ertragen mussten. Und was ich für dich getan habe“, unterbrach König Eduardo seine Tochter mit schwerer Stimme. „Denk doch auch einmal an uns, an deine Familie und dein Land. Du hast Schande über uns alle gebracht.“

„Ich … ich bin eigentlich nur hier, um dir zu sagen, dass ich heute noch zurück nach Italien muss.“ Sie konnte und wollte sich dem, was ihr Vater sagte, nicht öffnen. Es schmerzte einfach zu sehr. Vielleicht weil es zum Teil der Wahrheit entsprach, andererseits …

Entschlossen hob sie das Kinn. „Luca braucht mich. Er hat in meinem Leben oberste Priorität. Und du … du willst mich an einen Prinzen verschachern. Ein Brauthandel! Ich werde auf keinen Fall …“ Ihre Stimme wurde immer dünner und drohte zu versiegen. Carlotta versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. „Was erwartest du eigentlich von mir, Vater?“

Der König sah auf seine Finger, die gefaltet auf dem schweren, antiken Schreibtisch lagen. „Ich hatte gehofft, du verstehst, wie wichtig diese Verbindung für unser Land ist. Und ich hoffte ebenfalls, du würdest selbst erkennen, was jetzt deine Pflicht ist. Durch deinen … Fauxpas und die skandalöse Wahl deines Bruders, was die zukünftige Königin von Santina betrifft, sind unsere Familie und unser Land wahrlich genug belastet.“

Carlotta fühlte, wie ihr Blut mit jedem Wort zu Eis gefror. Sie empfand Luca weder als Fehltritt noch als Schandfleck. Das würde ihr kleiner Sohn niemals für sie sein, auch wenn die Presse versuchte, es so darzustellen: Der einzige Santina-Bastard. So hatte die bevorzugte Schlagzeile nach Lucas Geburt gelautet. Zum Glück kannten sie nicht die ganze Geschichte! Und nicht einmal die Hälfte ihrer Sünden.

Das verdankte sie in erster Linie ihrem Vater. Daher stammte auch das nagende Schuldgefühl, das er mit seinem Appell an ihr Gewissen gerade wirksam wiederbelebt hatte.

„Ich habe immer große Dinge von dir erwartet, Carlotta.“ Seine Stimme klang jetzt sanfter. „Dies ist deine Chance, mir zu beweisen, dass meine Einschätzung richtig war.“ In den dunklen Augen schimmerte es verdächtig, als er zu ihr hochschaute. „Du warst immer mein besonderer Liebling, und ich habe alles in meiner Macht Stehende getan, um dich zu beschützen und sogar verhindert, dass die Presse von den besonderen Umständen um Lucas Geburt erfahren hat. Ist es da wirklich zu viel verlangt, wenn ich dich um diesen einen Gefallen bitte?“

Mit jedem bedachten Wort ihres Vaters wurde ihr Hals enger und enger, bis Carlotta keine Luft mehr bekam. Auch das war ein Grund, warum sie ihre Besuche in Santina auf ein Minimum reduziert hatte: ihre Familie und die Verpflichtungen, die mit ihrem Status als Prinzessin einhergingen. Dazu kam die schwer lastende Schuld.

Nicht zum ersten Mal sagte sie sich, dass es ein Fehler gewesen war, zu Alex’ Verlobung zu kommen. Sie passte nicht mehr in dieses Leben. Weder kam sie mit ihren Eltern zurecht noch mit ihrem Bruder Alessandro, der nach ihrem Vater den Thron besteigen würde. Und erst recht nicht mit der Familie seiner Braut Allegra, den Jacksons und ihrem äußerst freizügigem Lebensstil. Insgeheim jedoch beneidete Carlotta sie sogar ein bisschen. Sie schienen sich um nichts und niemand zu scheren und nicht einmal darunter zu leiden, dass man auf sie herabsah oder sie verachtete.

Aber du bist nicht wie sie! erinnerte sie eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf.

Verzweifelt wünschte sie sich in ihr ruhiges Haus an der wunderschönen Amalfiküste zurück. Dort durfte sie einfach nur Carlotta sein, Lucas Mum.

Doch das war leider nur ein Traum. Einer, in den sie sich geflüchtet hatte, als sie verängstigt, allein und schwanger war. Mit gebrochenem Herzen und verfolgt von gnadenlosen Paparazzi. Damals hatte sie sich unendlich hilflos und schwach gefühlt. Aber wegen Luca durfte sie nicht aufgeben, sondern musste stark sein und nach vorn schauen.

Doch so vor ihrem Vater zu stehen, brachte all die schrecklichen Gefühle schlagartig zurück. Sie war wieder das kleine Mädchen, das seinem Dad unbedingt gefallen wollte. Stets hatte sie versucht, alles richtig zu machen, um ihn nicht zu verärgern. Und jetzt, nachdem Sophia die väterliche Gunst verloren und Alex den Ärger seines Vaters erregt hatte, bekam sie die Gelegenheit dazu.

Jetzt konnte sie ihrem Vater beweisen, dass sie immer noch die Tochter war, die er früher in ihr gesehen hatte, vor ihrem tiefen Fall.

„Wie genau sieht denn diese … Abmachung mit Prinz Rodriguez aus?“, fragte sie rau und befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zungenspitze.

„Anguiano braucht dringend einen Erben. Sein Vater liegt regierungsunfähig in einer Klinik, die er nicht mehr lebend verlassen wird. Es ist an der Zeit, dass Rodriguez offiziell die Thronherrschaft übernimmt.“

„Und was würde für uns dabei herausspringen? Ich meine, abgesehen von einer Allianz der beiden Länder. Denn wenn ich mich entschließen sollte, den Prinzen zu heiraten, will ich wenigstens genau wissen, was für Vorteile …“

„Kannst du dir denn nicht denken, was uns eine Allianz zwischen Santina und Santa Christobel bringen würde?“, unterbrach ihr Vater sie mit der für ihn typischen Ungeduld. „Eine starke Basis gegen mögliche Konflikte von außen, wirtschaftliche Vorteile für beide Seiten, gemeinsame Bildungsprojekte und Austauschprogramme über die Grenzen hinweg – und all das zementiert durch eine Ehe zwischen zwei Königshäusern.“

„Nicht zu vergessen Santa Christobels Bodenschätze“, erinnerte Carlotta mit sanfter Ironie. „Was war das noch genau? Diamantenminen? Ach ja und Rubine, nicht wahr? Ganz abgesehen von anderen natürlichen Ressourcen …“

„Ich will nicht abstreiten, dass auch dieser Umstand eine gewisse Rolle spielt“, gab König Eduardo zu. „Es macht die Verbindung nur noch dringlicher. Sophia kannte ihre Pflicht, hat sich ihr aber entzogen. Jetzt vertraue ich ganz auf dich, Carlotta, und darauf, dass du das Richtige tust.“

Aber was ist das Richtige für mich?

Sekundenlang schloss Carlotta die Augen und dachte an ihr Strandhaus. An die Ruhe und den Frieden dort. An Luca, wie er, die Arme voller Kuscheltiere, in den lichtdurchfluteten Räumen herumtobte. Oder draußen im warmen Sand. Dort war alles viel einfacher. Sie konnte sie selbst sein und musste sich nicht verbiegen. Doch nur weil sie Santina hinter sich gelassen hatte, hieß das nicht, dass ihre Familie, ihr Titel und die damit verbundenen Pflichten keine Rolle mehr spielten.

Ob sie es wollte oder nicht, es lag in ihrem Blut, selbst wenn sie versuchte, es zu leugnen. Und dann war da noch ihr Vater, der sie nie aufgegeben hatte, wie sehr er sich auch von ihr betrogen und enttäuscht fühlte. Alles, was die Presse an negativen Schlagzeilen über die zukünftige Verwandtschaft ihres Bruders schrieb, hätte man genauso gut ihr anlasten können. Und es hatte ja tatsächlich in allen Zeitungen gestanden.

Skandalös, unmoralisch, schandbar …

Weder ihr Vater noch andere Mitglieder ihrer Familie hatten sie mir derartigen Adjektiven belegt, doch was sie dachten, war eine ganz andere Sache. Und wie hätte sie ihnen daraus einen Vorwurf machen können?

Niemand ging so brutal mit ihr ins Gericht wie Carlotta selbst. Sie hatte ihre Familie enttäuscht und sie der öffentlichen Häme und Lächerlichkeit preisgegeben. Damit hatte sie sich das Missfallen der ganzen Nation zugezogen, die ihr Fehlverhalten als klares Zeichen einer drohenden Degeneration des Königshauses ansah.

Die Frage war nur, wie dringend verlangte es sie nach Absolution? Genügend, um einen völlig Fremden zu heiraten? Den zukünftigen Herrscher eines Landes, das sie gar nicht kannte? Den Mann, dem ihre Schwester versprochen gewesen war, bis sie es vorgezogen hatte, mit Ash in seinem Privatjet zu fliehen?

Carlotta betrachtete die immer noch imposante Gestalt ihres Vaters und stellte fest, dass er in den letzten Jahren sichtlich gealtert war. Wie viele der Sorgenfalten und scharfen Linien um Mund und Nase gingen wohl auf ihr Konto?

Allein darüber nachzudenken machte sie krank. Jetzt bot sich ihr die Gelegenheit, etwas gutzumachen. Sie war die Einzige, die ihrem Vater in dieser prekären Situation helfen konnte. Und es bestürzte Carlotta, wie sehr sie sich danach sehnte, seine spürbare Enttäuschung zu lindern.

„Was möchtest du, dass ich tue, Vater?“, fragte sie ruhig und beherrscht.

Nachdem er sich seine Schuhe und die Krawatte ausgezogen hatte, machte Rodriguez es sich auf dem Hotelbett bequem. Sein Privatjet würde bald bereitstehen, dann konnte er Santina endlich den Rücken kehren. Und damit auch dem seltsamen Melodram, in dem die Mitglieder des Königshauses offenbar die Hauptrollen spielten.

Die veränderte Situation belastete ihn absolut nicht. Seine Devise lautete: Nie mehr nachdenken und planen als notwendig, weder Reue noch Bedauern empfinden oder sich sinnlos über etwas den Kopf zerbrechen, was nicht im Hier und Jetzt geschah.

Ein zartes Klopfen an der Tür brachte ihn zum Grinsen. Wenn das eines der Zimmermädchen war, könnte er die verbleibende Zeit vielleicht doch noch sinnvoll nutzen. Er hatte schon viel zu lange auf Sex verzichtet. Und da er hergekommen war, um seine Verlobte abzuholen, hatte er ohnehin nicht erwartet, sein Zölibat über den heutigen Abend ausdehnen zu müssen.

„Sì?“

Die Tür öffnete sich, doch nicht das Zimmermädchen stand auf der Schwelle, sondern Prinzessin Carlotta Santina. Immer noch in dem tristen Outfit, die Lippen fest zusammengepresst. Wie es aussah, war sie nicht gekommen, um die erlittene Kränkung oder sein selbst auferlegtes Zölibat zu lindern.

Nur widerwillig schwang Rodriguez die langen Beine vom Bett, erhob sich und schlüpfte in seine Schuhe.

„Ich denke, wir müssen reden“, erklärte Carlotta ohne Einleitung.

Also hatte er sich nicht getäuscht. „So, denken Sie das?“

Während sie nickte, zauberten die Sonnenstrahlen helle Lichtreflexe auf ihr glänzendes kinnlanges Haar. „Da mein Vater versucht hat, mich quasi als Ersatz für meine Schwester …“

„Nicht nötig, darüber zu reden“, unterbrach Rodriguez sie gelangweilt. „Was mich betrifft, ist das Thema erledigt.“ Ob sie sich nun stellvertretend entschuldigen oder ihm sonst was erzählen wollte, er hatte kein Interesse.

„Für mich aber nicht“, erklärte sie zu seinem Erstaunen sehr bestimmt. Der stählerne Unterton in der sanften Stimme überraschte ihn.

„Tatsächlich?“

„Ja, mein Vater hat mir die Situation noch einmal verdeutlicht. Ich … mir war zwar bewusst, dass Sie und Sophia einander versprochen waren, ich kannte aber nicht die genauen Umstände. Ich lebe nämlich schon länger nicht mehr in Santina, und Sophia … nun, ehrlich gesagt, hat meine Schwester nicht viel von Ihnen gesprochen. Wie ernst das Ganze war, ist mir erst durch die Aufregung bewusst geworden, die es um ihre Flucht in Ashs Privatjet gegeben hat.“

„Vielleicht lag es daran, dass wir einander so gut wie gar nicht kannten. Also gab es auch keinen Grund für Ihre Schwester, über mich zu reden.“

„Wie dem auch sei, Tatsache ist, sie ist weg“, erwiderte Carlotta.

„So ist es, durchgebrannt mit einem Maharadscha.“

Carlotta lächelte flüchtig, hatte sich aber gleich wieder im Griff. „Ja, mit Ash, einem von Alex’ engsten Freunden. Und Sie brauchen immer noch eine Frau.“

„Brauchen ist vielleicht nicht das richtige Wort.“

„Was denn nun? Ja oder nein?“

„Eventuell … irgendwann.“

„Und wann wäre dieses irgendwann?“, ließ Carlotta nicht locker.

Rodriguez seufzte. „Ganz ehrlich? Je eher, desto besser. Dem Volk von Santa Christobel steht eine große Veränderung bevor.“ Er dachte an die Verantwortung, die er zukünftig übernehmen musste. Schon jetzt lastete das Gewicht der Krone schwer auf seinen Schultern. Allein die Tatsache, dass er wieder in den Palast hatte einziehen müssen, empfand er als unzumutbare Tortur. „Alles, was hilft, den Menschen in dieser schweren Zeit die Angst zu nehmen, ist willkommen. Heirat … meine Heirat wäre natürlich ein wichtiger Schritt in dieser Hinsicht.“

Große Trauer würde es um seinen Vater nicht geben, so viel stand fest. Carlos Anguiano war nicht besonders beliebt. Trotzdem war er die Galionsfigur geblieben, während Rodriguez in den letzten Jahren aus dem Hintergrund das Land regiert hatte.

„Es wäre eine Art Neustart für Santa Christobel. Ein frischer Anfang“, schloss er.

„Nun, dann habe ich gute Nachrichten für Sie.“

„Die da wären …“

„Ich bin nicht mit einem Maharadscha auf und davon, also steht einer Heirat mit Ihnen nichts im Wege. Zum nächstmöglichen Termin.“

Dass Rodriguez sprachlos war, kam nicht sehr oft vor.

„Pardon?“

„Ich werde Sie heiraten.“

„Was hat sich seit unserer ersten, etwas … holprigen Begegnung verändert?“, fragte er neugierig.

„Ich gebe zu, dass ich zunächst geschockt war, weil mich niemand auf die prekäre Situation vorbereitet hatte.“

„Geschockt, nur weil Ihr Vater Sie mir im Tauschhandel für Ihre Schwester angeboten hat?“, murmelte er sarkastisch.

Carlotta wich seinem spöttischen Blick aus und schaute zu Boden. „Damit hatte ich kaum rechnen können. Ich dachte, ich fahre zu einer Verlobungsparty, trinke ein Glas Champagner, plaudere ein wenig und gehe wieder. Auf einen Ehemann war ich nicht aus.“

„Und trotzdem haben Sie Ihre Meinung geändert.“

Abrupt begann Rodriguez wie ein gereizter Panther im Raum auf und ab zu laufen. Adrenalin rauschte wie ein heißer Strom durch seine Adern. Bereits im Palast von Santina hatte er diese nervöse Unruhe verspürt … eigentlich schon vorher, an Bord seines Privatjets, während er auf dem Weg war, sich das zu holen, was er auch jetzt noch als unerwünschte Fessel beschreiben würde.

„Wir … wir brauchen sie beide, oder nicht? Die Heirat, meine ich …“ An ihrer zarten Kehle sah er, wie mühsam die Prinzessin schluckte. „Ich habe schon immer gewusst, dass ich irgendwann eine arrangierte Vernunftehe eingehen würde.“

Sie sagte die Wahrheit. Von klein auf war Carlotta und ihren Geschwistern klar gewesen, dass sie von ihren Eltern verheiratet werden würden. Denn vor allem anderen stand die Pflicht: der Familie, dem Volk und dem Land gegenüber. Alex war seit Ewigkeiten Anna versprochen gewesen, einer würdigen zukünftigen Königin von Santina. Doch dann begegnete er Allegra Jackson, und Anna war Geschichte.

Und dann Sophia, die eigentlich Rodriguez hätte heiraten sollen. Natalias Verlobung war in Vorbereitung, soweit Carlotta wusste. Was ihren zweitältesten Bruder Matteo betraf, hatte sie keine Ahnung. Doch nach Alex’ Verlobung war wohl keine Eile mehr geboten, ihn unter die Haube zu bringen.

Wenn es Luca nicht gäbe, hätte ihr Vater auch für sie längst einen Verlobten an Land gezogen. Doch nach der Geburt ihres Sohnes war sie quasi aussortiert worden, was die Erhaltung der Dynastie betraf.

Allerdings nicht ganz, wie sie heute festgestellt hatte. Zum Notnagel oder Lückenbüßer taugte sie offenbar immer noch. Sie war gut genug, um den rebellischen Prinzen von Santa Christobel zu ehelichen. Den Klatschblättern nach einen von Europas umtriebigsten royalen Playboys: schnelle Autos, heiße Dates und wilde Partys. Die Sorte Mann, die man am besten mit egozentrisch und rücksichtslos beschreiben konnte – arrogant und nur den eigenen Leidenschaften verpflichtet.

Carlotta hasste Männer wie ihn und fühlte sich dennoch unwiderstehlich zu ihnen hingezogen.

Abrupt blieb Rodriguez vor ihr stehen. „Leider muss ich Ihnen recht geben“, sagte er, und wieder fiel ihr dieses Zucken um seine Mundwinkel auf, das den Eindruck erweckte, als würde er sich über sie lustig machen.

„Ich weiß, darum bin ich hier.“ Was bleibt mir denn auch für eine Wahl? Nach Italien zurückkehren, um sich dort zu verstecken, weiter in Ruhe meine Wunden lecken und Luca vor dem royalen Leben abschotten? Die einzige Person, der sie damit gerecht wurde, war sie selbst. Aber das wäre nicht fair. Luca war ein Santina, er hatte königliches Blut in den Adern und Anspruch auf eine gewisse Stellung. Egal, ob es für sie einfacher wäre, ihn als ganz normalen Jungen aufwachsen zu lassen. „Ich nehme an, Sie haben noch keine weiteren Schritte geplant?“

„Das tue ich nie. Ich lebe grundsätzlich im Hier und Jetzt.“

„Was für mich so viel heißt, dass sich in Santa Christobel niemand die Augen ausweinen würde, wenn Sie es vorzögen, mich zu heiraten.“

Der Prinz musterte sie abschätzend. „Wenn ich ehrlich sein soll, würde ich es vorziehen, überhaupt nicht zu heiraten. Aber ich brauche nun mal einen Erben königlichen Geblüts, keinen Bastard. Das schränkt meine Möglichkeiten entsetzlich ein.“

Bastard …

Es traf sie wie ein Peitschenhieb. Sie verabscheute das Wort. Ein vernichtendes Etikett für ein unschuldiges Kind, das die Sünden seiner Eltern ausbaden musste, ob es wollte oder nicht. Ob Rodriguez von Luca wusste? Wahrscheinlich. Also hatte er das Wort bewusst gewählt, um sie zu verletzen.

„Haben Sie denn viele?“, fragte sie heiser, „… Kinder, meine ich.“

„Ich? Nein, ich verhüte grundsätzlich“, kam es arrogant zurück.

Carlotta knirschte lautlos mit den Zähnen. „So etwas kann auch mal schiefgehen.“

Er lachte spöttisch. „Das stimmt, aber ich bin reich und habe einen Titel. Sollte ein Tête-à-Tête je mit einer Schwangerschaft geendet haben, hätte die Mutter bestimmt versucht, sich ein Stück vom großen Kuchen zu sichern.“

„Mindestens das wären Sie ihr auch schuldig!“, entgegnete sie scharf.

Mokant hob er die dunklen Brauen. „Das bestreite ich ja gar nicht. Was ich damit ausdrücken wollte, war, dass ich auf jeden Fall heiraten muss, ob ich will oder nicht.“

„Wie gesagt, darum bin ich hier.“ Sein eindringlicher Blick ließ Carlotta erröten. „Allein wegen der Verbindung unserer beider Familien.“

„Etwas anderes vorzugeben, hieße wohl auch, unser beider Intelligenz zu beleidigen. Sie wollen mich also tatsächlich heiraten, nur weil Ihr Vater es Ihnen befiehlt?“

Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich. „Er hat gute Gründe angeführt.“

„Okay, aber Tatsache bleibt, Sie tun es quasi ihm zum Gefallen.“

„Und Ihr Vater hat nichts mit Ihrer Entscheidung zu tun?“, erwiderte Carlotta hitzig.

Auf Rodriguez’ dunkler Wange zuckte ein Muskel. „Er ist so schwach, dass er kaum die Hand heben kann. Was ich tue, geschieht allein für mein Land.“

„Genau wie bei mir. Gleichzeitig ist Santina auch so etwas wie meine Familie.“

„Dem Himmel sei Dank ist Santa Christobel das für mich nicht! Obwohl ich mit dem Land immer noch mehr anfangen kann als mit dem Vermächtnis der Anguianos. Aber ich beabsichtige, es besser als meine Vorfahren zu machen.“

„Und ich … ich möchte daran Anteil haben.“

Was für ein seltsames Gefühl, für etwas Partei zu ergreifen, zu dem sie eigentlich gezwungen wurde. Doch ohne diese Einstellung wäre ihr ein derartiges Bündnis gar nicht möglich. Außerdem hatte ihr Vater nicht ganz unrecht. Sie hatte Fehler gemacht.

„Ist das nicht langweilig?“

„Was?“, fragte sie verwirrt und versuchte, das humorvolle Glitzern in den dunklen Augen zu ignorieren. Es machte ihn so … verdammt anziehend und attraktiv. Aber das war Rodriguez Anguiano ohnehin mit der bronzefarbenen Haut und dem schwarzen Haar, das er zu lang trug für einen Mann seines Stands. Dazu das klassisch geschnittene Gesicht, ein durchtrainierter Körper, stahlharte Muskeln. Anfühlen würde er sich nicht wie kaltes Metall, sondern heiß, dessen war sie sich ziemlich sicher.

Carlotta blinzelte und versuchte, ihren Gedanken eine andere Richtung zu geben. Aus gutem Grund hatte sie mit Männern nichts mehr im Sinn! Doch die Leichtigkeit, mit der dieser egozentrische Prinz es fertigbrachte, sie zu erregen, war beängstigend. Allerdings nicht ganz so sehr wie die Intensität ihrer eigenen verstörenden Gefühle.

Warum war es nur so schwer, ein gutes Mädchen zu sein? Die Frau, die alle in ihr sehen wollten?

„Langweilt es Sie nicht, so nobel und selbstlos zu sein?“, präzisierte er die Frage.

„Doch und wie“, gab sie zurück, ohne eine Miene zu verziehen. „Darum dosiere ich meinen Altruismus auch sehr behutsam.“ Und werfe ihn manchmal sogar komplett über Bord, fügte sie hinzu, allerdings nur in Gedanken.

„Gut zu wissen, dass nicht einmal Sie unfehlbar sind.“

„Nicht annähernd“, bekannte Carlotta. Dabei wäre sie es so gern. Sie kämpfte wirklich hart darum, das Feuer zu ignorieren, das in ihr brannte, und die demütige Prinzessin zu spielen, wie es jeder von ihr erwartete. Es war eine Schlacht, die sie führte, solange sie zurückdenken konnte. Und die sie verloren hatte, als sie Lucas Vater begegnet war. Lebenslange Disziplin und eiserne Zurückhaltung, alles hinfällig innerhalb weniger Wochen.

„Also gut, Prinzessin Carlotta, ich hoffe, Sie brauchen nicht allzu lange, um zu packen. Mein Privatjet wird Santina noch heute Abend verlassen.“

„Ich … ich kann nicht gleich mitkommen. Nicht heute Abend und nicht … nicht von hier aus“, stammelte Carlotta. Luca war bereits wieder mit seiner Nanny in Italien. So wie auch alles andere, was ihr wichtig war.

„Was soll das heißen?“

„Ich lebe nicht hier, sondern in Italien. Dort ist mein Zuhause und mein … einfach alles.“ Sie wusste selbst nicht, was sie daran hinderte, von Luca zu erzählen. Vielleicht die Tatsache, dass Rodriguez ihn bisher nicht erwähnt hatte. Oder der ganze Tauschhandel, der ihr so kalt und seelenlos erschien.

„Kein Problem, dann fliegen wir eben über Italien nach Santa Christobel.“

Na bestens! dachte Carlotta mit Galgenhumor. Und während dieser dunkle Adonis lässig im Türrahmen lehnt, packe ich schnell meinen fünfjährigen Sohn und ein paar Koffer zusammen, um ihm auf sein Schloss zu folgen. Nein danke!

„Ich finde den Weg nach Santa Christobel auch allein“, versicherte sie und zwang sich zu einem Lächeln, das Rodriguez fast den Atem verschlug, weil es ihr ernstes Gesicht auf wundersame Weise veränderte und belebte.

„Wartet in Italien etwa ein Liebhaber auf dich, den du noch unauffällig aus dem Weg räumen willst, bevor wir vor den Altar treten?“, fragte er neckend.

Da sie seit ihrem Liebesdesaster völlig zurückgezogen in Italien lebte, hätte Carlotta fast hysterisch aufgelacht. Doch sein lockerer Ton und der unbefangene Übergang zur vertraulichen Anrede ließ auch sie ihre Scheu und Anspannung vergessen.

„Nicht einer, ein ganzer Stall voll!“, antwortete sie. „Und bei dir?“

„Massen und ich gedenke nicht, auch nur eine von ihnen wegzuschicken.“

„Wie bitte?“ Jetzt musste Carlotta doch schlucken.

„Ich sagte, dass ich auf keine meiner Affären verzichten werde, nur weil ich heirate.“

Carlotta spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Männer! Sie waren doch alle gleich. Sie logen und betrogen einen nach Strich und Faden. „In dem Fall haben wir ein echtes Problem. Ich teile nämlich nicht.“

Sein träges Lächeln ließ ihr Herz höher schlagen. „Ich schon.“

„Was soll das heißen?“

„Dass ich nichts verlange, was ich nicht auch zu geben bereit bin.“

„Du meinst Treue?“

„Exakt.“

„Also ganz im Gegensatz zu mir.“ Es klang wie eine bloße Feststellung, doch der kleine stählerne Unterton in ihrer weichen Stimme fiel ihm nicht zum ersten Mal auf. „Wenn du beabsichtigst, mein Bett zu teilen, wirst du auf andere verzichten müssen.“

Insgeheim konnte Carlotta es nicht fassen, dass sie mit einem völlig Fremden über Betten und Sex diskutierte. Ihr Blut rann heiß und schnell durch die Adern, aber nicht aus Verlegenheit oder mädchenhafter Scham, wie sie befürchtete. Vielleicht lag es ja an den fast sechs Jahren Enthaltsamkeit. Oder an der Vorstellung, noch einmal die Hände eines Mannes auf ihrem Körper zu spüren. Geküsst und gestreichelt zu werden …

Ein Aspekt, der in ihren Augen durchaus für eine Ehe sprach. Wenn mein zukünftiger Ehemann nicht wirklich vorhat, auch zukünftig mit anderen Frauen zu schlafen!

„Darüber werden wir nicht weiter diskutieren. Nicht jetzt.“

Sie hob die Brauen. „Wie bitte?“

„Es ist doch alles nur hypothetisch. Was die Details betrifft, können wir uns später einigen. Im Moment lautet die wichtigste Frage: Willst du mich heiraten?“

Er dachte gar nicht daran, vor ihr niederzuknien oder etwas ähnlich Romantisches zu inszenieren. Stattdessen stand er fast trotzig vor ihr, mit verschränkten Armen und einem wissenden Lächeln, das ihr die Schamesröte ins Gesicht trieb. Alles an ihm kündete von gnadenlosem Selbstvertrauen, verheerendem Charme und einer fast aggressiven Libido, die verriet, dass er genau wusste, wie er einer Frau den Himmel auf Erden bereiten konnte.

Für Carlotta war er nicht der erste Mann mit dieser Ausstrahlung.

Ohne sie aus den Augen zu lassen, machte Rodriguez einen Schritt auf sie zu, und plötzlich war es, als gäbe es nur noch sie beide auf der Welt. Er versuchte nicht einmal, sie zu berühren, und dennoch fühlte sie seine Hände auf ihrer Haut. Sie spürte die Wärme seines kraftvollen Körpers und …

„Einfache Frage, einfache Antwort. Ja oder nein?“

Carlottas Herz schlug ängstlich flatternd wie ein gefangener Vogel in ihrer Brust. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ihr Hals war wie zugeschnürt. Heftig schluckend versuchte sie, ihre innere Balance zurückzugewinnen und wieder die Frau zu werden, die alles über Männer wie ihn wusste.

Zum Beispiel, dass sein Charme nur vordergründig war und Sex für ihn nur ein Zeitvertreib. Und dass sie es sein würde, die am Schluss die Rechnung zahlte. Eine Woche Vergnügen für Männer wie ihn, lebenslanges Leid für die Frauen, die dumm genug waren, sich darauf einzulassen.

So, wie sie es schon einmal erlebt hatte.

Nie wieder würde sie auf süße Versprechungen und Lügen hereinfallen, selbst wenn sie über so faszinierend maskuline, perfekt geschnittene Lippen wie seine kamen. Nicht einmal, wenn sie diesen dreisten Charmeur tatsächlich heiraten sollte.

Heiraten! Bin ich wirklich bereit dazu? Oder könnte ich zu meinem Vater zurückkehren und ihm sagen, dass ich mich doch anders entschieden habe?

„Ja“, sagte sie rau und räusperte sich. Sie wollte nicht schwach und atemlos klingen – und es noch weniger sein. Nie wieder. Sie hatte eine Entscheidung getroffen, und an der würde sie standhaft festhalten. „Ja, ich werde dich heiraten.“

2. KAPITEL

Rodriguez kniff die Augen zusammen und versuchte, seine Atmung zu kontrollieren. Er konnte nicht glauben, was er sah. Der Knirps ging ihr kaum bis zur Hüfte, hatte dunkles Haar und die gleichen ungewöhnlichen smaragdgrünen Augen wie seine Mutter.

Dios!

Er wusste es in der Sekunde, als Carlotta sich hinabbeugte und dem Jungen vom Rücksitz der Limousine half, die sie vom Flughafen zum Palast gebracht hatte. Auch der ernsthafte, fast grimmige Ausdruck auf dem schmalen Gesicht war derselbe, ebenso das feste Kinn und der entschlossene Mund.

Ich habe mir ein Kind eingehandelt, zusätzlich zu meiner Ersatzverlobten!

Eigentlich dürfte ihm das nichts ausmachen. Carlotta und er hatten ohnehin geplant, Kinder zu bekommen, immerhin brauchte er einen Erben. Dass er eines Tages Vater würde, sah Rodriguez als selbstverständlich an.

Trotzdem überfiel ihn unverhofft eine Angst, die er lange vergessen geglaubt hatte. Sie hatte ihn gequält und paralysiert, als er selbst so ein kleiner Kerl gewesen war. Und plötzlich dachte er an den einen Tag in dem trostlosen Leben unter der eisernen Knute seines Vaters, an dem er die Fähigkeit zu fühlen für immer verloren hatte. Oder zumindest verloren zu haben geglaubt hatte. Jetzt war das erstickende Gefühl wieder da.

Die gleiche Angst und Unsicherheit spiegelten sich im Blick des Jungen wider, der aus weit aufgerissenen Augen den Palast ansah. Dabei konnte es nicht das erste imposante Bauwerk sein, das er zu Gesicht bekam, immerhin waren seine Großeltern König und Königin von Santina. Er war ein Santina.

Carlotta schaute ihrem Verlobten wachsam und mit einer stählernen Härte in den ungewöhnlichen grünen Augen entgegen. „Hallo.“

„Hola.“

„Hi …“ Das kam von dem Kind.

Rodriguez senkte den Blick und schluckte heftig, weil sich sein Mund plötzlich ganz trocken anfühlte. Irgendwie erschien es ihm richtig, sich dem Kleinen selbst vorzustellen. Aber tat man so etwas überhaupt? Unsicherheit mischte sich mit Unbehagen. Zum zweiten Mal hatte Carlotta Santina ihn kalt erwischt. Eine Erkenntnis, die ihm gründlich missfiel.

Spontan beschloss er, sich dem Kind gegenüber so zu verhalten, wie er es auch bei einem Erwachsenen tun würde. „Ich bin Prinz Rodriguez Anguiano. Und wie ist dein Name?“ Das brachte ihm allerdings nicht mehr ein, als ein noch ängstlicheres Starren aus aufgerissenen grünen Augen.

„Luca“, sagte Carlotta ruhig. „Sein Name ist Luca.“

Dass sie für ihren Sohn antwortete, ärgerte und erleichterte ihn zugleich. Einerseits kam es ihm vor, als wollte Carlotta nicht, dass er mit dem Kleinen sprach, andererseits hätte er nicht gewusst, worüber er sich mit dem Kind unterhalten sollte.

„Folgt mir“, forderte er fast brüsk und marschierte einfach los. Rodriguez fühlte sich wie betäubt. Als er beschloss, Carlotta statt Sophia zu heiraten, hatte er gedacht, es würde keinen Unterschied machen. Mit Komplikationen war nicht zu rechnen gewesen. Und jetzt diese Überraschung!

Die massiven Türen des Palasts öffneten sich, und hintereinander betraten sie die imposante Eingangshalle. Der Boden war aus glänzendem Marmor, die gewölbte Decke zierten antike Fresken, was so gar nicht dem Geschmack des zukünftigen Königs von Santa Christobel entsprach. Er hatte sich hier nie wirklich zu Hause gefühlt. Darum hatte er in Frankreich und Spanien studiert und besaß heute noch ein luxuriöses Penthouse in Barcelona.

Doch als sein Vater in die Klinik kam, war ihm keine Wahl geblieben, als zurückzukehren. Er war sich seiner Pflicht immer bewusst gewesen und bereit, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen, hatte aber das unbehagliche Gefühl, in die Haut eines anderen geschlüpft zu sein. Die ungewohnte Rolle lag ihm einfach nicht. Sie war unkomfortabel, ja nahezu unerträglich.

Und jetzt warteten noch zwei neue Rollen auf ihn, für die er nicht gemacht war: Ehemann und Vater!

„Es gibt kein … für Luca ist kein Raum vorbereitet.“ Während er Carlotta das sagte, vermied er es peinlichst, dem forschenden Blick des Kleinen zu begegnen.

„Wie bitte?“ Das klang nicht nur ungläubig, sondern fast vorwurfsvoll.

Rodriguez kämpfte gegen seinen aufsteigenden Ärger an. „Hättest du mir gesagt, dass du nicht allein kommst, sondern …“

„Du wusstest es nicht?“, fragte sie schockiert. „Aber wie kann das sein?“

Die offensichtliche Verwirrung des Jungen, der nervös zwischen ihnen hin- und herschaute und auf der Unterlippe nagte, erinnerte Rodriguez erneut an ihn selbst als Kind. Diese ständige Unsicherheit, der Mangel an Kontrolle. Zu wissen, dass dein Schicksal in den Händen der Erwachsenen um dich herum liegt. Und wie wenig Sinn ihre Entscheidungen manchmal gemacht hatten! Sein Magen zog sich zusammen. Spontan ging er in die Hocke, um mit dem Kleinen auf Augenhöhe zu sein. „Luca, vielleicht möchtest du ja zuerst den Garten sehen. Was denkst du?“

Der Junge nickte scheu. „Ich spiele gern draußen. Hast du eine Rutsche?“

„Eine Rutsche?“ Hilfe suchend schaute er zu Carlotta, doch deren Augen ruhten auf ihrem Sohn. Rodriguez spürte seine Brust eng werden. Drohte er etwa die Nerven zu verlieren? „Nein, keine Rutsche, aber wir können ja eine aufstellen.“

So, als würden die beiden wirklich bleiben?

Natürlich blieben sie! Immerhin hatte er einen neuen Ehekontrakt mit König Eduardo aufgesetzt und unterschrieben. Aber von einem Kind war nicht die Rede gewesen. Selbstverständlich wollte er mit Carlotta einen Erben zeugen, das war ja der Sinn der ganzen Aktion. Nur war das Zukunftsmusik, nichts Reales.

Aber Luca war real. Zu real für ihn.

„Du musst keine Schaukel aufstellen“, sagte Carlotta gepresst. „Zumindest nicht gleich heute. Vielleicht könnte es ja … komm Luca, lass uns rausgehen.“ Während der Kleine ihre ausgestreckte Hand ergriff, suchte sie Rodriguez’ Blick. Er nickte zustimmend und führte sie durch die Halle in einen Seitenflügel des Palasts. Von dort aus führte ein langer Arkadengang auf die rückwärtige Terrasse.

Die sengende Tageshitze hatte sich gelegt, die Luft fühlte sich angenehm warm auf der Haut an, und von der Sonne war nur noch ein orangener Streifen hinter den sanften grünen Hügeln zu sehen. Carlotta schaute sich um. „Hier gibt es keinen See in der Nähe oder etwas anderes, das Luca gefährlich werden könnte?“

„Nein, hier ist er völlig sicher, nichts als grünes Gras.“

„Na, dann lauf los …“, ermunterte sie ihren Sohn.

Luca lächelte zu seiner Mutter hoch und machte sich auf, die Gegend zu erkunden. Carlottas Gesichtsausdruck wurde weich. „Der Flug und die Fahrt hierher waren ziemlich anstrengend, darum ist es gut, wenn er sich austobt.“

„Kann ich mir vorstellen“, murmelte Rodriguez unverbindlich und dachte daran, wie er selbst von klein auf darauf dressiert worden war, nicht zu zappeln, sondern sich still und unauffällig zu verhalten.

„Wie kann es sein, dass du nichts von Luca wusstest?“, fragte Carlotta abrupt.

„Warum denkst du, ich hätte es wissen müssen?“

„Es … es stand in allen Zeitungen. Die Presse … er ist der einzige illegitime Spross unserer ehrwürdigen Familie, und die Schlagzeilen waren nicht gerade freundlich.“

„Ich lese keine Boulevard-Magazine.“

„Nie?“

„Nein.“

„Nicht einmal, wenn etwas über dich drinsteht?“

Rodriguez lachte zynisch. „Besonders dann nicht!“

„Aber wie … ich meine, wie kannst du dabei so ruhig bleiben? Ich muss immer wissen, woran ich bin, um vorbereitet zu sein.“ Sie schaute zu Luca hinüber, der mit ausgebreiteten Armen weite Kreise auf der grünen Rasenfläche zog. „Rückwirkend gesehen war es sicher nicht das Gesündeste für die Zeit der Schwangerschaft und die ohnehin angespannte und problematische Situation damals.“

„Mir ist es egal, was über mich geschrieben wird“, behauptete Rodriguez. „Mehr als eine Auflistung meiner Vergnügungen an den Wochenenden ist es ohnehin nicht. Aber dass du einen Sohn hast, war mir bis eben nicht bekannt.“

„Und, ändert es etwas?“

Tut es das? Ich habe keine Ahnung.

Wenn Rodriguez bisher an Frau und Kinder gedacht hatte, kam er selbst dabei gar nicht vor. Er sah sie, und auch das nur theoretisch, als einen separaten kleinen Kosmos. Sie würden in seiner Nähe sein und ihr eigenes Leben führen, bevorzugt ohne jede Einmischung von seiner Seite. Denn von Familienleben verstand er absolut nichts.

„Keine Ahnung“, sagte er hilflos. „Ist sein Vater noch im Spiel?“

„Luca hat keinen Vater!“ Carlottas Wangen verfärbten sich unter seinem harten Blick. „Ich meine natürlich keinen, der irgendeine Rolle spielt.“

„Hässliche Trennung?“

„Könnte man sagen.“ Dabei war das noch die Untertreibung des Jahrhunderts, doch darüber wollte sie nicht mit ihm reden.

„Dann wird es kein Sorgerechtsspektakel oder so etwas geben?“

„Absolut nicht. Ist das dein einziges Problem?“

„Wenn es stimmt, was du sagst, sehe ich keines.“

„So plötzlich einen Sohn zu haben, irritiert dich kein bisschen?“, hakte sie nach.

„Er ist nicht mein Sohn.“

Carlotta spürte einen heftigen Stich im Herzen, obwohl das eine ganz logische und verständliche Feststellung war. Rodriguez kannte Luca kaum fünfzehn Minuten und er war nicht sein Erzeuger. Trotzdem fühlte es sich für sie wie eine Zurückweisung an.

„Aber wenn wir heiraten, wird er dein Stiefsohn, was auch eine gewisse Verantwortung mit sich bringt und …“

„Hat er keine Nanny?“

„Doch, sie kommt allerdings erst in ein paar Tagen nach, da …“

„Na, dann hält sich meine Verantwortlichkeit ja in Grenzen.“

„Gilt das später auch für unsere gemeinsamen Kinder?“, fragte sie wütend. „Denn wenn du nur Luca gegenüber so empfindest, haben wir uns nichts mehr zu sagen. Er bedeutet mir nämlich mehr als …“

„Schon gut. Auch was unsere … den zukünftigen Erben betrifft, wünsche ich so wenig wie möglich involviert zu sein.“

„Und wenn ich ein Mädchen zur Welt bringe?“

In seinen dunklen Augen blitzte es kurz auf. „Dann werden wir wohl mindestens einen weiteren Versuch starten müssen, würde ich sagen.“

„Ich … ich weiß gar nicht, wie wir zu dieser Diskussion bekommen sind“, murmelte Carlotta mit gesenktem Blick. Wie konnte sie mit diesem Fremden nur über gemeinsame Kinder plaudern? Soll ich ihn wirklich heiraten?

Die Antwort lautete Ja.

Sie musste sich nur die Alternative vorstellen: ein weiteres Gespräch mit ihrem Vater in dessen Büro, in dem sie ihm erklärte, dass sie mit ihrer Pflichtvergessenheit erneut Schande über das Königshaus von Santina gebracht hatte.

Unvorstellbar!

Doch einen Punkt musste sie noch klären. Und war Rodriguez nicht bereit dazu, würde sie auf der Stelle gehen, ungeachtet aller schrecklichen Folgen.

„Wirst du Luca adoptieren?“ Da sie ihren Verlobten sehr scharf beobachtete, entging ihr nicht, wie er sich augenblicklich versteifte.

„Pardon?“

„Wirst du Luca deinen Namen geben? Den gleichen, den ich auch zukünftig tragen soll und den seine Halbgeschwister haben werden? Wird er ein vollwertiges Mitglied unserer Familie sein? Denn wenn nicht …“

„Ich kann ihn nicht zu meinem Erben ernennen.“ Auf Rodriguez’ Wange zuckte ein Muskel.

„Das erwarte ich auch gar nicht. Aber ich will nicht, dass er sich als Außenseiter fühlt. Er braucht einen Vater und eine Familie, wie jedes Kind.“

„Einen Vater zu haben, wird ziemlich überbewertet.“

„Gib ihm deinen Namen als Schutzschild, und ich werde dich heiraten.“ Das klang eher nach einer ultimativen Forderung als nach einer Bitte. „Und bist du bereit, meinen Sohn so anzunehmen wie deine anderen Kinder, werde ich …“

„Einverstanden“, sagte Rodriguez gepresst und sah zu Luca hinüber, der jetzt übermütig herumhopste. „Nach der Hochzeit werde ich ihn adoptieren. Das muss alles keine Hürde bedeuten. Wir heiraten, produzieren einen Erben und leben jeder unser eigenes Leben.“

„Warum muss es unbedingt so laufen?“

Inzwischen lag Luca auf dem Rücken im Gras und blickte zum Himmel empor.

Langsam wandte Rodriguez den Kopf. Carlotta schauderte angesichts des kalten, trostlosen Ausdrucks in seinen Augen. „Weil ich nun mal nicht auf eine glückliche, kleine Familie aus bin. Ich will nur das Richtige für mein Land tun, aber eben nicht mehr als das Notwendige.“

„Und ohne dein gewohntes Leben mehr als notwendig einzuschränken?“

„Deines ebenso wenig, Carlotta. Du kannst dich hier einrichten, wie es dir beliebt. Mir gegenüber hast du so gut wie keine Verpflichtungen. Unsere Ehe wird eher wie ein Job sein. Öffentliche Auftritte fallen in die Arbeitszeit, ansonsten bist du frei, zu tun und zu lassen, was du willst.“

„Auch, mir Liebhaber zu nehmen?“

„Wenn du es brauchst.“

„Aber wohl nicht, so lange wir …“

„Mama!“

Carlotta fuhr herum wie ertappt und sah, dass Luca die Terrasse bereits erreicht hatte. Sie lächelte. Es war nur eines seiner vielen Talente, dass er ohne sich groß bemerkbar zu machen auftauchen und verschwinden konnte. Bisher hatte sie damit kein Problem gehabt.

„Ja, mein Schatz?“

„Mir ist langweilig.“

„Und müde bist du sicher auch.“

„Nein, überhaupt nicht.“ Der ernste, konzentrierte Ausdruck auf dem Jungengesicht erinnerte sie an ihren großen Bruder Alessandro. Carlotta war unendlich dankbar, dass Luca so gar nichts von seinem Vater hatte.

„Netter Versuch, figlio mio, aber das nehme ich dir nicht ab.“ Liebevoll raufte sie seine dunklen Locken.

„Neben deinem Zimmer gibt es einen freien Raum.“ Es war nicht zu übersehen, wie irritiert sich Rodriguez immer noch von Lucas Gegenwart fühlte. „Da kann er erst mal unterkommen.“

„Wunderbar. Kannst du veranlassen, dass seine Sachen dort hingebracht werden?“

Rodriguez nickte knapp. „Vielleicht können wir gemeinsam das Dinner einnehmen, wenn er im Bett ist.“

Die Vorstellung, allein mit ihrem Verlobten essen zu müssen, behagte Carlotta gar nicht. Aber doch erst, seit du weißt, dass du ein Baby mit diesem Mann bekommen sollst! verhöhnte sie die kleine Stimme in ihrem Hinterkopf.

Bei dem Gedanken wurde ihr tatsächlich ganz heiß und mulmig. Allerdings nicht aus Furcht vor einer Schwangerschaft, obwohl sie jeden einzelnen Moment der Übelkeit, der monatelangen Angst und des nagenden Kummers gehasst hatte. Erst als man ihr Luca in den Arm gelegt hatte, war alles vergessen gewesen. Physische und psychische Qualen verblassten neben der überströmenden Liebe, die sie für ihren winzigen Sohn empfand.

Dass sie das Ganze schon einmal ohne die Unterstützung eines Mannes geschafft hatte, war zumindest tröstlich.

„Gern, dann können wir weiterreden“, sagte sie lächelnd.

In aller Ruhe machte Carlotta sich und ihren Sohn mit der neuen Umgebung vertraut. Dann gestaltete sie das Zimmer neben ihrem mit Lucas Sachen so kindgerecht wie möglich und wartete, bis er fest eingeschlafen war. Danach ging sie hinüber in ihr eigenes Reich.

Mit skeptischem Blick nahm sie ihre eher spärliche Garderobe unter die Lupe und entschied sich für ein nettes Kleid, das allerdings längst nicht mehr der aktuellen Mode entsprach. Da sie in den letzten Jahren kaum ausgegangen war und schon gar kein Date gehabt hatte, spielte das keine Rolle. Doch als zukünftige Königin …

Madre di Dio! Wenn sie Rodriguez heiratete, würde sie irgendwann Königin dieses Landes werden! Da hatte sie sich damit abgefunden, mit einem Fremden vor den Altar zu treten, mit ihm ins Bett zu gehen, seine Erben zur Welt zu bringen und ihren neuen Status darüber völlig vergessen!

Carlotta nahm das Kleid vom Bügel und setzte sich nur in BH und Slip auf die Bettkante, weil ihre Beine sie plötzlich nicht mehr tragen wollten. Mit bebenden Fingern presste sie das triste rostrote Outfit an ihre Brust, atmete ein paar Mal tief durch und wartete darauf, dass der Raum aufhörte, sich um sie zu drehen.

Nein, dies war nicht ihr Leben! Aber wie sollte es sonst aussehen? Ein lebenslanges freiwilliges Exil in Italien? Hatte sie nicht immer gewusst, dass sie irgendwann den Schutz ihrer geliebten vier Wände aufgeben und in die Öffentlichkeit würde zurückkehren müssen?

In den letzten fünf Jahren schien die Uhr für sie stillgestanden zu haben, allerdings nicht innerhalb ihres eigenen kleinen Kosmos. Dafür hatte schon ihr Sohn gesorgt. Jeder neue Tag war noch spannender und aufregender für ihn gewesen als der vorherige, und sie hatte die traute Zweisamkeit mit Luca geliebt und von ganzem Herzen genossen. Es war, als lebten sie in einem komfortablen Kokon, der sie schützte.

Jetzt wurde sie gezwungen, ihr Nest zu verlassen. Carlotta wusste nicht, ob sie dazu schon bereit war. Und sie hatte niemanden, mit dem sie über ihre Furcht und Unsicherheit reden konnte. Normalerweise würde sie in einer Situation wie dieser Sophia anrufen, doch die hatte sich mit Ash nach Indien abgesetzt, und sie selbst war mit dem Mann verlobt, der ihre Schwester hätte heiraten sollen …

Seufzend griff Carlotta nach ihrem Handy, um Sophia wenigstens eine SMS zu schicken. Verstehen konnte sie ihre jüngere Schwester in jedem Fall. Wer weiß, vielleicht hätte sie ebenfalls die Gunst der Stunde genutzt und wäre mit Ash auf und davon gegangen, wenn sie plötzlich vor dem flugbereiten Privatjet gestanden hätte. Obwohl, vor dem Bett hätte sie definitiv haltgemacht.

Hoffe, du sitzt auf Wolke sieben in Indien … apropos, ich werde den Prinzen heiraten, den du verschmäht hast …

Als sie auf Senden drückte, lächelte sie weich. Hoffentlich ging es Sophia gut, egal, wo sie war und was sie gerade tat. Eine gewisse Vorstellung hatte Carlotta natürlich schon davon, da ihre Schwester an Bord des Jets in Ashs privater Schlafkabine erwischt worden war. Aber wenn eine heiße Affäre mit Alessandros bestem Freund sie glücklich machte, warum nicht?

Ihr Handy piepte, und als Carlotta nachsah, stellte sie fest, dass Sophia ihr prompt geantwortet hatte.

Kann mir vorstellen, wie zufrieden unser Vater sein muss, uns beide an standesgemäße Bewerber mit königlichem Blut verheiratet zu sehen …

Sophia und Ash wollen heiraten?

So weit hatte ihre Fantasie dann doch nicht gereicht, aber sie gönnte den beiden alles Glück der Welt. Immerhin war Sophia die Einzige gewesen, die sich nicht wegen ihr und Luca in Grund und Boden geschämt hatte. Und ihr Vater konnte tatsächlich zufrieden sein. Eine Tochter war er an einen Maharadscha losgeworden und die andere, die vorübergehend in Ungnade gefallen war, an einen Prinzen.

Rasch tippte sie eine zweite SMS. Gratuliere, Soph … liebe dich …

Danach warf sie das Handy hinter sich aufs Bett und seufzte. „Gratuliere auch dir, Vater“, murmelte sie rau. „Für König Eduardo von Santina ist ja nun alles nach Plan gelaufen. Jetzt kann ich nur hoffen, dass die Geschichte für Luca und mich ähnlich positiv ausgehen wird.“

Als an der Tür ein scharfes Klopfen ertönte, sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf die Füße, stieg in ihr Kleid und verrenkte sich beinahe, um den Reißverschluss im Rücken zu erwischen. „Sekunde! Bin sofort fertig.“

Auf dem Weg zu Tür warf sie einen schnellen Blick in den Spiegel und zupfte den Ausschnitt zurecht. Nach der Schwangerschaft war ihre Figur etwas voller geworden, und noch hatte Carlotta nicht entschieden, ob ihr die weiblicheren Kurven überhaupt gefielen. Nicht, dass sie Pin-up-Qualitäten aufweisen konnte, aber das enge Oberteil ihres Kleids füllte sie perfekt aus.

Was Rodriguez wohl dachte, wenn er sie so sah? Allein die Vorstellung, er könne sie im Hinblick auf ihre Eignung als zukünftige Ehefrau einer kritischen Musterung unterziehen, ließ sie erröten. Reiß dich zusammen! rief sie sich selbst zur Ordnung. Du weißt doch, was passiert, wenn du schwach wirst …

Das hatte ihr Vater gebrüllt, als sie ihm gestanden hatte, dass sie schwanger war. Sie war immer noch präsent, die Erinnerung an die Verzweiflung, den Schmerz und die Scham, als sie ihm die Wahrheit über Gabriel gestehen musste. Nie wieder wollte sie sich so schwach und hilflos fühlen.

„Fertig!“, rief Carlotta.

Im gleichen Moment flog die Tür auf und Rodriguez lehnte lässig im Rahmen. Er sah nicht so aus, als stammte sein Outfit aus der vorletzten Kollektion. Sein blütenweißes Hemd stand am Hals offen. Die schwarze Hose hatte einen exzellenten Schnitt, und das dunkle Haar trug er romantisch wild. Auf Carlotta wirkte er wie ein Mann, der geradewegs aus dem Bett seiner Geliebten zu ihr kam.

Unwillkürlich krauste sie die Nase. Mindestens zwei Stunden hatte sie sich hier oben aufgehalten, da wäre es durchaus möglich, dass …

„Und, wie hast du den Abend bis jetzt verbracht?“, fragte sie leichthin und huschte an ihm vorbei aus dem Zimmer.

Rodriguez folgte ihr auf dem Fuß. „Ich hatte noch zu arbeiten. Und du?“

„Ich habe mich hauptsächlich mit Luca beschäftigt. Er scheint sich nicht unwohl zu fühlen, aber ich weiß nicht, ob er wirklich verstanden hat, dass wir ab sofort hier wohnen werden. Wahrscheinlich wäre das auch ein bisschen viel verlangt, denn mir geht es ja nicht anders …“

„Glaubst du etwa mir?“ Rodriguez lachte kurz auf, überholte sie und nahm beim Runtergehen immer zwei Stufen auf einmal.

Carlotta hatte Mühe, ihm zu folgen. „Du fühlst dich hier auch nicht zu Hause?“

Am Fuß der breiten Marmortreppe blieb er stehen und sah zu den Fresken an der gewölbten Decke. „Das habe ich noch nie.“

„Du … du könntest es doch nach deinem Geschmack umgestalten.“

Wieder dieses harte Auflachen, dann schob er fast trotzig die Hände in die Hosentaschen. „Genauso gut könntest du vorschlagen, ich solle die Sixtinische Kapelle übermalen.“

„Das wäre Blasphemie.“

„Eben …“ Rodriguez machte einen Schritt auf Carlotta zu und legte ganz leicht eine Hand auf ihren Rücken.

Für sie war es wie ein Brandzeichen, das durch den dünnen Stoff drang und ihre Haut versengte, bevor es ihr Blut in flüssige Lava verwandelte. War sie so scharf darauf, von einem Mann berührt zu werden, dass diese kleine, harmlose Geste reichte, um sie völlig aus der Fassung zu bringen? Offensichtlich!

Nichts hatte sich verändert in sechs langen Jahren. Sie war immer noch da, die unselige Leidenschaft, die sie besiegt und für immer weggeschlossen geglaubt hatte. Diese brennende Sehnsucht, die sie schon einmal in Schwierigkeiten gebracht hatte.

„Hier entlang“, dirigierte Rodriguez sie in Richtung des Speisesaals, ohne ihren inneren Tumult auch nur zu ahnen.

Carlotta straffte die Schultern und achtete darauf, so schnell zu sein, dass seine Hand zwar mit dem Stoff, aber nicht mit ihrem Rücken in Berührung kam.

Das Esszimmer war genauso pompös und opulent ausgestattet wie der Rest des riesigen Palasts. Auch hier gab es gewölbte Decken mit kunstvollen Fresken, in diesem Fall die Darstellung eines bacchantisch anmutenden Fests, direkt über dem langen Esstisch.

„Gemütlich.“

Dafür erntete sie ein trockenes Auflachen. „Nicht wahr? Perfekt für ein intimes Dinner zu zweit … plus zwanzig bis dreißig weitere Leute.“

„Es erinnert mich an den Palast in Santina, der ist ähnlich einschüchternd. Luca … ist nicht an so etwas gewöhnt.“

Rodriguez zog einen Stuhl vor. „Warum hast du ihn von Santina weggebracht?“

„Die Presse“, erwiderte Carlotta knapp, setzte sich und betrachtete gedankenverloren das goldene Besteck neben dem Teller aus feinstem Porzellan.

„War es sehr schlimm?“, fragte er und nahm ihr gegenüber Platz.

Sie sah ganz anders aus heute Abend, fast hübsch. Für seinen Geschmack war Carlotta immer noch zu schlicht gekleidet und trug das Haar zu ordentlich. Und doch war sie weitaus attraktiver, als er es vom ersten Eindruck in Erinnerung hatte. Als sie aufsah, erschrak er fast vor dem harten Ausdruck in den grünen Nixenaugen.

„Was glaubst du? Mein Sohn ist der einzige illegitime Spross der gesamten Santina-Dynastie. Und das über Jahrhunderte hinweg.“

„Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?“

„Mein Vater sagt …“

„Ich bin sicher, dass sich quer über Europa verteilt Dutzende von Santina-Bastarden tummeln. Es liegt einfach in der Natur der Sache …“

„Mein Sohn ist kein Bastard!“, fuhr Carlotta ihn an.

„Das habe ich damit auch nicht ausdrücken wollen.“

„Dann achte zukünftig besser darauf, was du sagst.“

Wow! Die Prinzessin zeigte Zähne und Klauen! Nicht in Gegenwart ihres Vaters, aber wenn es um ihren Sohn ging, gebärdete sie sich wie eine echte Löwenmutter. Das gefiel ihm. Sie würde auch seinem Erben eine gute Mutter sein. Stark, unerschrocken, mit einem ausgeprägten Beschützerinstinkt ausgestattet. Alles, was er sich selbst gewünscht, aber nie erlebt hatte.

Und sie würde sich auch als Königin gut machen. Erschien sie ihm vielleicht zu steif und konservativ, so war genau das perfekt für ihre zukünftige Position. Ihre Haltung und ihr stolzer Blick waren einer Königin absolut würdig. Als Bettpartner mochte er heiße Feger bevorzugen, doch von einer Ehefrau verlangte er etwas anderes. Und Carlotta von Santina hatte dieses spezielle Etwas, das er nicht beim Namen nennen konnte, im Übermaß.

Allerdings hatte er das bis zu diesem Moment noch nicht erkannt.

„Ist angekommen, Princesa.“

„Wie auch immer …“, murmelte sie und senkte den Blick auf ihren leeren Teller. „Jedenfalls bin ich deshalb nach Italien gezogen. Dort ist alles viel einfacher für Luca und mich. Zurückgekommen bin ich nur zur Verlobungsparty, wenn auch nur, um zu sehen, wie jemand anders aus der Familie sich unglücklich macht.“

„Du glaubst, dein Bruder begeht einen Fehler?“

„In den Augen meines Vaters auf jeden Fall. Ich weiß, dass es nicht nett von mir ist, aber es tut verdammt gut, einmal nicht die Böse zu sein.“

„Also, ich habe absolut nichts gegen böse Mädchen einzuwenden.“ Rodriguez sah, wie sich ihre Augen vor Schock weiteten, und ihm entging auch nicht der interessierte Funke, der plötzlich in der Tiefe der geheimnisvollen grünen Seen aufblitzte. Vielleicht verbarg sich noch etwas unter der prüden, farblosen Schale, das es zu entdecken lohnte.

Das war ein faszinierender Gedanke. Und einer, der seiner schlummernden Libido einen derart heftigen Adrenalinschub verpasste, dass ihm ganz heiß wurde. Sechs lange Monate ohne Sex! Dios! Das war eine lange Zeit. Die längste Durststrecke, seit er mit sechzehn herausgefunden hatte, dass ihm das Leben mehr zu bieten hatte, als trostlos vor sich hinzuvegetieren.

„Offensichtlich nicht, wenn ich an den Ruf denke, den du laut Boulevardpresse genießt“, bestätigte Carlotta trocken. „Was mich an etwas anderes erinnert. Tut mir leid, wenn es kein Thema für eine Konversation bei Tisch ist, aber wie sieht es mit einem aktuellen Gesundheitszeugnis von deiner Seite aus? Ich meine, wenn man der Presse Glauben schenken kann, kommst du ganz schön herum.“

„Kein Grund, nicht darüber zu reden“, kam es nüchtern zurück, wobei Rodriguez sich über den ungewohnten Anflug von Scham bei sich wunderte. „Absicherung in diesem Bereich halte ich für wichtig und absolut notwendig. Und da ich darauf vorbereitet war zu heiraten, als ich nach Santina kam, gibt es tatsächlich ein ärztliches Attest. Ich habe nichts zu verbergen.“

Jetzt war es Carlotta, die errötete. „Ich … das ist allerdings mehr, als ich erwartet hatte.“

„Ich habe nie einen Hehl aus meinem lockeren Lebensstil gemacht, aber in dieser Hinsicht bin ich ausgesprochen vorsichtig und verantwortungsbewusst. Ich achte grundsätzlich darauf, meine Geliebten zu schützen, und dasselbe werde ich natürlich auch in deinem Fall tun.“

Carlotta wurde immer heißer und unbehaglicher. Sie musste sich regelrecht zwingen, daran zu denken, dass sie schließlich nicht zum ersten Mal mit einem nahezu Fremden ins Bett gehen würde, wenn Rodriguez und sie …

Hoffentlich würde es kein so böses Erwachen geben wie mit dem Mann, dem sie ihre Jungfräulichkeit geschenkt hatte.

Während sie Rodriguez nachdenklich und voller Skepsis musterte, spürte Carlotta, wie sich ihr Puls beschleunigte. Fast hätte sie frustriert aufgestöhnt. Ihre Sehnsucht nach Nähe unter Kontrolle zu halten, könnte sich angesichts seiner herausfordernden Männlichkeit schwieriger gestalten als angenommen. Sie schluckte heftig.

„Wenn es dich in andere Betten treibt, will ich es wissen. Du darfst mich nie anlügen, das ertrage ich nicht.“

„Du würdest wirklich von der anderen Frau wissen wollen?“

„Ich … ich will einfach nur nicht für dumm verkauft werden“, murmelte sie rau und wich seinem forschenden Blick aus.

„Einverstanden“, sagte Rodriguez nach einer Pause. „Was du dann mit der Wahrheit anfängst, ist deine Sache, aber anlügen werde ich dich nicht.“

Wahrscheinlich wäre es einfacher, ihren zukünftigen Ehemann in ihr Bett zu lassen, wenn er zu Hause war, und nicht über ihn nachzudenken, sobald er das Haus verließ. Doch so wollte und konnte sie nicht leben.

„Danke.“

„Dasselbe gilt aber auch für dich, Princesa.“

„Natürlich. Und körperliche Treue, solange wir versuchen … einen Erben zu zeugen, ist ebenfalls selbstverständlich. Dass du neben mir einen Harem unterhältst, ist für mich inakzeptabel.“

Rodriguez lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Du bist nicht ganz das, was ich erwartet habe“, sagte er offen. Ungeniert musterte er seine Verlobte und scheute sich auch nicht, seinen Blick wohlgefällig auf ihren vollen Brüsten ruhen zu lassen.

„Natürlich bin ich das nicht“, erwiderte sie betont nüchtern und versuchte, das aufregende Prickeln und die süße Schwere in den Brüsten zu ignorieren. „Du hast immerhin damit gerechnet, meine Schwester zu heiraten. Wir sind uns nicht besonders ähnlich. Sie ist etwas kleiner und zierlicher als ich.“

„Und weniger gesprächig, soweit ich mich erinnere.“

„Aber die Fähigkeit zu einer flüssigen Konversation ist nicht zwingend ausschlaggebend für eine Verehelichung, oder?“

„Und Humor hat sie auch noch …“ Seine Ersatzverlobte verblüffte ihn schon wieder. „Du bist viel fesselnder und unterhaltsamer, als ich es je vernutet hätte. Noch zwei Eigenschaften, die ich ganz oben auf die Liste der perfekten Ehefrau setzen würde.“

Diesmal errötete Carlotta nicht aus Scham oder Verlegenheit. „Umso besser“, sagte sie lächelnd. „Denn wie es aussieht, wirst du mich zukünftig am Hals haben.“

„Und du hast etwas über für … Konversation?“

„Unbedingt, aber leider bin ich etwas aus der Übung, außer es geht um die vielfältigen Krankheiten von Stoffkuscheltieren.“

Rodriguez blieb völlig ernst, und Carlotta hatte plötzlich den Eindruck, dass mehr an diesem Mann war als die sorglose, leicht frivole Art, in der er sich ihr bisher präsentiert hatte. Obwohl sie nicht sicher war, ob ihr der Gedanke gefiel oder nicht.

„So …“ Auffordernd klopfte sie mit ihrer Gabel auf den Tisch. „Wollen wir essen?“

Wie auf ein Zeichen kam in diesem Moment ein Mann mit einem Tablett herein, auf dem zwei Teller standen, die er auf ihre Platzteller stellte.

„Paella del mar“, erklärte er. „Ich hoffe, Sie mögen Meeresfrüchte?“

„Es käme einem Sakrileg gleich, wenn es anders wäre“, gab sie lächelnd zurück. „Santina ist eine Insel, und das Meer so etwas wie seine Lebensader.“

„Genau dasselbe könnte man über Santa Christobel sagen. Vielleicht hilft es, dich hier schneller heimisch zu fühlen.“

„Santina ist schon lange nicht mehr mein Zuhause.“ Carlotta blickte auf ihren Teller und griff nach ihrer Gabel. „Wie werden deine Leute es aufnehmen?“

„Aufnehmen? Was?“

„Dass ich bereits ein Kind habe. Damit entspreche ich kaum den landläufigen Vorstellungen der jungfräulichen Prinzessin.“

Rodriguez lässiges Schulterzucken signalisierte völlige Entspanntheit. Seltsam, wie wohl ihr seine nonverbale Versicherung tat, dass es ihm nichts ausmachte, wenn seine Braut nicht so rein und unberührt war wie frisch gefallener Schnee.

„Ich frage Sie nicht nach Ihrer Meinung“, erklärte er schlicht und nahm einen Happen von der Paella.

„So einfach ist das für dich?“

„Ich bin der König.“

„Aber es gilt doch, gewisse Erwartungen zu berücksichtigen und …“

„Ebenso wenig, wie mich interessiert, was die Presse über mich schreibt, schert es mich, was die Leute über mich sagen. Ich habe immer nur das Beste für alle im Sinn gehabt, und seit mein Vater handlungsunfähig ist, längst seine Pflichten übernommen. Und ich werde auch weiterhin alles tun, um Santa Christobel zu neuer Blüte zu treiben. Ich heirate und zeuge einen Erben, um die Linie weiterzuführen. Mehr kann niemand von mir verlangen.“

Es war ein klares, leidenschaftsloses Statement, das sie dennoch beeindruckte.

„Und so wird es kommen, einfach nur, weil du es sagst?“

„Exakt, weil ich es sage.“

„Und du wirst Luca adoptieren?“

In Rodriguez dunklen Augen blitzte es kurz auf. „Ich werde ihm meinen Namen geben, wie ich es versprochen habe. Ich halte immer mein Wort, Princesa.“

Carlotta schluckte trocken. „Verzeih, aber meine Erfahrung mit Männern und ihrem Ehrenwort war bisher eher negativ.“

„Auf meines kannst du vertrauen, Carlotta.“ Diesmal klang seine Stimme ernst und aufrichtig. Jeder Spott, jede Ironie oder Neckerei war daraus verschwunden. „Ich spiele nicht mit Menschen. Macht kann dazu verleiten, dass man sich für unbesiegbar hält und die leiden lässt, denen man sich überlegen fühlt. Ich gebe offen zu, dass alles wahr ist, was die Skandalpresse über mich schreibt, aber weder verletze ich bewusst andere Menschen noch lüge ich.“

Carlotta schaute in seine dunklen, eindringlichen Augen und spürte, wie ihr Herz schmolz. „Ich glaube dir“, sagte sie leise.

3. KAPITEL

„Mein Juwelier wird später vorbeikommen.“

Als sie die dunkle Stimme hörte, zuckte Carlotta zusammen. Rodriguez stand in der Tür zu Lucas Zimmer und wirkte absurderweise so unsicher, als würde er sich wie ein Eindringling fühlen. Er hatte sein Personal persönlich angewiesen, den steifen Prachtraum für den neuen Bewohner umzugestalten. So war innerhalb eines Nachmittags ein kleines Kinderparadies entstanden.

Es gab ein neues Bett und einen kleinen Tisch, an dem Luca saß und mit Feuereifer neue Malstifte ausprobierte. Sogar seine Lieblingskuscheltiere, zwei ramponierte Plüscheulen, hockten bereits in einem Regal auf einem Stapel Kinderbücher.

„Welcher Juwelier?“, fragte Carlotta irritiert. „Und warum kommt er her?“

„Du brauchst doch einen Ring.“

„Ach ja …“ Verunsichert blickte sie auf die Kinderzeichnung, die Luca ihr in die Hand gedrückt hatte. Jetzt drehte sich der Kleine zu Rodriguez um.

„Hi.“

Dieser musste sich sein Lächeln sichtlich abringen. „Hi, Luca.“

„Und warum muss ich den Juwelier sehen?“, fragte Carlotta unbehaglich.

Ihr Verlobter hob die Brauen. „Damit du dir deinen Ring selbst aussuchen kannst.“

„Also dafür sehe ich eigentlich keinen Anlass …“

„Es ist dein Verlobungs- und dein Ehering.“

„Trotzdem …“

„Hast du eine Krone?“ Das kam von Luca, und Carlotta sah, wie sich Rodriguez versteifte.

„Ja, es gibt eine, aber ich trage sie nicht.“

„Ich würde es tun“, erklärte der Kleine bestimmt.

Rodriguez runzelte die Stirn.

„Hör zu, Luca“, mischte sich Carlotta rasch ein. „Ich muss etwas mit Rodriguez besprechen und bin gleich wieder da.“

„Aber ich wollte dir doch noch ein Bild malen.“

„Tu das, Tesoro. Du kannst es mir geben, wenn ich zurück bin, es dauert nur eine Minute.“ Mit einem energischen Wink bedeutete Carlotta ihrem Verlobten, ihr zu folgen, und kaum standen sie auf dem langen Gang, zog sie die Tür fest hinter sich zu.

„Dich scheint es nicht zu stören, von deinem Sohn unterbrochen zu werden“, stellte Rodriguez fest, und trieb seine Verlobte damit noch mehr in die Defensive.

„Er ist ein Kind, und Kinder tun so etwas nun mal.“

„Ich hätte mir das früher nicht erlauben dürfen.“

Carlotta verschränkte die Arme vor der Brust. „Und offenbar bist du der Meinung, ich sollte es Luca auch verbieten.“

Autor

Maisey Yates
Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin.
Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen.

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