Tiffany Lieben & Lachen Band 48

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PERFEKT WIE TYLER von RAYE, KIMBERLY
2.000 Dollar für ein paar Tage als Kindermädchen? Der perfekte Job, findet Lucky. Und dass sie dabei dem unglaublich attraktiven Tyler so nah sein darf, macht die Sache noch ein bisschen perfekter. Aber kann Lucky sich auf Nanny-Job und Mann gleichzeitig konzentrieren?

LOVER - NUR GELIEHEN! von DREW, JENNIFER
Na, super! Ihr Vater hat seinen Besuch angekündigt - und glaubt, Mindy habe endlich einen Mann gefunden. Spontan fragt sie den charmanten Eric, ob er für ein Wochenende ihren Freund spielen kann. Und so beginnt das aufregendste Abenteuer ihres Lebens …


  • Erscheinungstag 12.11.2008
  • Bandnummer 48
  • ISBN / Artikelnummer 9783863495114
  • Seitenanzahl 280
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

JENNIFER DREW

Lover – nur geliehen!

Diese Frau ist nicht ganz dicht! Davon ist Eric sofort überzeugt, als er sieht, wie konsequent Mindy das Leben durchorganisiert. Vom Papierkram bis zu seiner Krawatte – nichts ist vor ihr sicher. Komisch nur, dass er trotzdem in ein heilloses Gefühlschaos stürzt, wenn sie ihn nur ansieht. Hat sie sein Herz etwa schon genauso fest im Griff wie alles andere?

KIMBERLY RAYE

Perfekt wie Tyler

Sie soll die Nanny für Tylers Tochter spielen, damit seine arrogante Exschwiegermutter ihm nicht das Sorgerecht streitig macht. Leider tappt Lucky von einem Fettnäpfchen ins nächste – ladylike ist sie nun wirklich nicht, aber dafür absolut hinreißend. Tyler erteilt ihr gern Lektionen – in Sachen Etikette, doch viel lieber in Sachen Liebe und Leidenschaft …

1. KAPITEL

„Toll, meine Kleine, du machst das wirklich ganz toll. Du hast’s schon fast geschafft. Ganz ruhig, ein braves Mädchen bist du. So … so, das war’s auch schon.“

Mindy Ryder schüttelte sich ein bisschen, um sich dem hypnotischen Zauber der melodischen Stimme zu entziehen. Einen Augenblick lang hatte sie wirklich geglaubt, dass Dr. Eric Kincaid nicht Peaches, ihren frechen Corgi, sondern sie selbst bezirzte. Wen wunderte es da noch, dass sein Wartezimmer immer voll war? Mit seiner beruhigenden Stimme verhexte er nicht nur seine vierbeinigen Patienten, sondern ihre Besitzer gleich dazu. Vor nicht einmal zwei Jahren hatte er seine Tierklinik eröffnet und galt schon als einer der besten Tierärzte in und um Phoenix.

„Ich weiß ja nicht, Mindy“, sagte er etwas zweifelnd. „Auf mich wirkt Peaches ganz gesund.“

„Sie hat geniest …“, versuchte Mindy sich zu rechtfertigen. Sie schämte sich auch so schon genug dafür, dass sie ihren Hund als Ausrede nutzte, um Dr. Kincaid zu sehen, und jetzt fühlte sie sich auch noch ertappt. „Tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe.“

„Ich freue mich immer, Peaches zu sehen. Sie ist das einzige Corgi-Weibchen unter meinen Patienten, also etwas ganz Besonderes.“

Er lächelte strahlend und rieb dem kurzbeinigen Hund den dicken weißen Hals. Peaches sonnte sich in seiner Aufmerksamkeit und hatte den unangenehmen Teil der Untersuchung schon wieder vollkommen vergessen.

Der Tierarzt trug einen Labormantel in demselben Himmelblau wie seine Augen. Sein strohblondes Haar war auf eine hinreißende Art und Weise verstrubbelt.

Er befestigte die Leine am Halsband und hob das 15 Kilo schwere Tier auf den makellos sauberen weißen Boden, als wäre es federleicht. Mindy wusste, dass ihr Termin hiermit beendet war, aber eigentlich war sie ja auch nicht gekommen, um die kerngesunde Peaches untersuchen zu lassen – und jetzt durfte sie auf gar keinen Fall kneifen!

Sie straffte die Schultern und dachte an ihr Problem: Sie brauchte einen Mann, und zwar nicht irgendeinen, sondern einen Arzt. Dr. Kincaid war der einzige ihr bekannte Junggeselle, der alle notwendigen Eigenschaften aufwies. Zum Glück war seine Sprechstundenhilfe Della Rodriguez freundlich und verschwatzt. Sie hatte genug Informationshäppchen über ihren Chef preisgegeben, um Mindy zu verraten, dass er Single war. Della hatte sogar durchblicken lassen, dass ihn eine Frau hatte sitzen lassen und er jetzt sein gebrochenes Herz gesund pflegte.

Wenn das stimmte, dann war er mehr als gut darin, den Schein der Fröhlichkeit zu wahren. Sein Lächeln war strahlender als die Wüstensonne, und seine blendend weißen Zähne funkelten wie die gute Laune selbst. Aber auch wenn er Zähne wie Walrosshauer und einen Zinken wie Pinocchio gehabt hätte, hätte Mindy ihn gebraucht. Sie steckte in der Klemme, seit sie mehr oder weniger aus Versehen ihren Vater angeflunkert hatte, und Eric Kincaid war ihre einzige Chance, ungeschoren davonzukommen.

Nicht, dass sie ihren Vater direkt angelogen hätte, aber diesmal hatte er sie mit seinen bohrenden Fragen so sehr aus dem Konzept gebracht, dass sie die Wahrheit, nun ja, ein wenig angepasst hatte. Denn nichts war ihm wichtiger, als seine einzige Tochter so schnell wie möglich so glücklich verheiratet zu sehen wie ihren älteren Bruder.

Mindy freute sich für Dwight, seine Frau und ihre beiden entzückenden Kinder, aber die Liebe lag nun einmal nicht auf der Straße. In den wenigen Fällen, in denen Mindy doch einmal aufgelesen hatte, was auf der Straße eben so herumlag, hatten sich ihre Funde als Spinner, Freaks oder Egoisten entpuppt. So wie ihr Exfreund. Mike Manning war auf der Suche nach einem Groupie gewesen, nicht nach einem gleichberechtigten Gegenüber, weswegen Mindy ihm schließlich den Laufpass gegeben hatte. Ihr Vater hatte ihn nicht einmal kennengelernt, was auch besser so war. Mike war wohl der einzige Mensch auf der Welt, der so gerne über sich selber redete, dass er die Kreuzverhöre ihres Vaters auch noch genossen hätte.

Ihr Vater war mittlerweile kaum mehr zu bremsen. Für ihn tickte Mindys biologische Uhr inzwischen so laut wie eine Zeitbombe, und das, obwohl sie erst 28 Jahre alt war. Seit ihre Mutter Abby gestorben war, fühlte er sich einsam und machte sich Sorgen, dass auch Mindy einsam werden könnte. Leider war er so besessen von seinem Vorhaben, dass er ihre Proteste schlichtweg ignorierte. Er wollte einfach nicht glauben, dass sie auch alleine prima zurechtkam.

Als er ihr vor ein paar Monaten vorgeschlagen hatte, sie dem Sohn eines Freundes vorzustellen, hatte sie sich herausgeredet und behauptet, dass sie schon jemanden datete. Natürlich hatte ihr Vater alles ganz genau wissen wollen. Am Vormittag war Mindy mit Peaches bei Dr. Kincaid gewesen, und so fiel ihr nichts Besseres ein, als zu sagen, dass sie sich ab und zu mit einem Arzt traf, was genau genommen ja auch stimmte.

Solange ihr verwitweter Workaholic von Vater in Pittsburgh blieb, konnte sie ihn mit ihren spontanen Flunkereien in Schach halten. Aber jetzt war das Undenkbare wahr geworden: Er hatte beschlossen, in Frührente zu gehen und seine Steuerberatungskanzlei zu verkaufen. Und an diesem Wochenende wollte er nach Arizona kommen, um sie zu besuchen und ihren Arzt-Freund kennenzulernen – den sie so schnell wie möglich irgendwo auftreiben musste.

„Gibt es sonst noch etwas?“, fragte Dr. Kincaid, als sie die Leine nicht ergriff, die er ihr hinhielt.

„Ach, es ist lächerlich“, sagte sie und nahm ihm die Leine ab. „Ich habe da so ein kleines Problem.“

„Ich befürchte, dass ich keine Lizenz für die Behandlung von Menschen habe“, antwortete er und versprühte dabei weiter seine gute Laune.

„Oh, das meinte ich nicht, wissen Sie …“

„Also kein gesundheitliches Problem?“

Seine Neugierde ermutigte sie. „Nein, überhaupt nicht. Das Problem ist mein Vater.“

„Aha.“

„Er kommt mich besuchen. Aus Pittsburgh. Vor fünf Jahren hat er meine Mutter bei einem Verkehrsunfall verloren. Jetzt hat er seine Firma verkauft. Wie es aussieht, bin ich sein neues Projekt.“

„Oh, das kenne ich. Ich bin wesentlicher Bestandteil bei den Komplotten meiner Mutter.“

„Wenn es um mein Privatleben geht, ist er ein richtiger Fanatiker.“ Das Mitgefühl des Tierarztes gab Mindy das nötige Selbstvertrauen, um weiterzusprechen. „Mein Bruder ist verheiratet und hat zwei Kinder, aber meinem Vater sind das noch lange nicht genug Enkel. Er wird nicht aufgeben, ehe er mich am Altar abgeliefert hat.“

„Meine Mutter ist ganz genauso. Einmal stand ich kurz vor der Heirat, und am Ende war es meine Mutter, der das Herz brach, als daraus doch nichts wurde. Kuppeln ist ihr Hobby, und ich bin ihr liebstes Opfer.“

„Dann verstehen Sie mich ja. Leider mochte mein Vater noch keinen von den Typen, mit denen ich zusammen war. Deswegen plant er jetzt eine Art Ehelotterie, bei der er den ersten Preis gewinnt: einen Haufen Enkelkinder.“

„So sind Eltern nun mal …“ Dr. Kincaid zögerte einen Moment lang und musterte dabei gedankenverloren die Tapete. „Meine Mutter war ganz verrückt nach meiner Verlobten. Leider liebte Cassandra Pferde mehr als Menschen. Wahrscheinlich hielt sie es einfach für praktisch, einen Tierarzt zu heiraten, der sich um ihre Araber kümmern konnte.“

Er lehnte sich gegen die metallene Oberfläche des Untersuchungstischs und bemühte sich, Mindy nicht anzusehen. Vermutlich bereute er es gerade, einer Kundin so viel von sich preisgegeben zu haben. Doch schließlich sah er ihr mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen in die Augen. „Ich arbeite lieber mit kleineren Tieren.“

Eigentlich interessierten seine Probleme sie viel mehr als ihre eigenen, aber ihr Dad würde in drei Tagen aus dem Flugzeug steigen und ihren Freund kennenlernen wollen.

„Ich habe etwas Furchtbares getan“, gab sie zu und spielte nervös mit der Leine herum.

„Das kann ich mir kaum vorstellen.“

Schon wieder dieses 1000-Watt-Lächeln. Ob ihm bewusst war, wie verheerend die Wirkung war?

„Und zwar an dem Tag, als ich mit Peaches wegen der Herzwurm-Spritze hier war.“

„Ach, ich erinnere mich. Das war vor etwa drei Monaten, Anfang August, oder?“

„Genau. Sie haben aber ein gutes Gedächtnis!“

„Kommt drauf an“, murmelte Dr. Kincaid mehrdeutig.

„An diesem Tag hat mein Vater angerufen und eines dieser endlosen Gespräche über meine Heiratsaussichten vom Zaun gebrochen. Er fragte, ob ich endlich jemand Geeigneten gefunden hätte. Geeignet in seinen Augen natürlich, und die sind absolut erbarmungslos. Ich glaube, er hat bisher jeden meiner Freunde für den fleischgewordenen Antichristen gehalten.“

„Väter können eben auch zu besorgt sein.“

„Und wie! Während er redete, fiel mir ein, dass ich mit Peaches hier war. Da habe ich ihm spontan erzählt, dass ich einen Arzt treffen würde. Immerhin war ich ja auch tatsächlich hier. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht, ich war mir sicher, dass ich nicht auffliegen würde. Mein Dad ist ein Arbeitstier, und ich hätte nie geglaubt, dass er sich in der nächsten Zeit hier blicken lassen würde. Aber er hat ganz plötzlich entschieden, in Rente zu gehen, und jetzt kommt er her, um nach mir zu sehen.“

„Aha.“

Schon wieder dieses „Aha“! Sollte es Mitgefühl ausdrücken, oder war es eher als Aufforderung zum Gehen gemeint? Mindy wurde wieder unsicher.

„Nun ja, ich habe genug Ihrer Zeit verschwendet“, sagte sie und wollte schon zur Tür gehen, als Dr. Kincaid sie unterbrach.

„Sie sind nicht die Erste.“

„Die erste was?“

„Die erste Frau, die überflüssige Tierarzttermine ausmacht.“

Sie öffnete den Mund, um sich zur Wehr zu setzen, aber sein Blick war einfach zu durchdringend, zu wissend.

„Kein Wunder“, sagte er, „meine Mutter, meine Tanten, sogar meine Sprechstundenhilfe rekrutieren Junggesellinnen für mich, seit ich vor über sechs Monaten von meiner Verlobten sitzen gelassen wurde. Eine der Kandidatinnen meiner Mutter hat sogar einen ausgeliehenen Kakadu mitgebracht, um mich kennenzulernen.“

„Woher wissen Sie das?“

„Ich erkenne meine Patienten, auch wenn sie jemand anderes als der Eigentümer vorbeibringt.“

„Tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe“, sagte Mindy, die mittlerweile rot wie eine Tomate war, und führte Peaches zur Tür. Es war ihr peinlich, dass sie ertappt worden war, und sie wollte auf keinen Fall in einer Schublade mit Dr. Kincaids Verehrerinnen landen.

Der Corgi ließ sich auf seinen Hintern fallen, eine Angewohnheit, gegen die selbst sechs Wochen Hundeschule nichts hatten ausrichten können.

„Na, jetzt fragen Sie schon!“, sagte der Tierarzt.

„Sie fragen?“ Zu Mindys Entsetzen kippte vor Aufregung jetzt auch noch ihre Stimme um.

„Ja. Deswegen sind Sie ja wohl hierhergekommen.“

„Ach, das ist doch nicht so wichtig.“

„Das nehme ich Ihnen nicht ab, immerhin war es Ihnen wichtig genug, um eine Sitzung zu bezahlen. Wenn es also irgendetwas gibt, das ich für Sie tun kann …“

Mindy war die ganze Situation mittlerweile so peinlich, dass sie am liebsten schreiend davongelaufen wäre. Ihr Anliegen war lächerlich, und dieser Mann war so umwerfend, dass ihm wahrscheinlich ein ganzes Rudel Frauen an den Fersen klebte. Er würde sich nie im Leben darauf einlassen.

„Ich habe Ihnen schon viel zu viel Zeit gestohlen. Außerdem habe ich selbst einiges zu tun, also mache ich mich besser auf die Socken“, versuchte sie sich herauszureden.

Würde er sie für herzlos halten, wenn sie diesen dickköpfigen Hund durch die Tür schleifte? Peaches reagierte so betört wie eine Frau: Hingerissen schnupperte sie an Dr. Kincaids dicken Gummi-Schuhsohlen.

„Sind Sie ein Weihnachtself? Müssen Sie noch Geschenke basteln?“, scherzte er.

„Nahe dran“, antwortete Mindy und entspannte sich ein wenig, als sie merkte, dass er sich nicht über sie lustig machte. „Ich bin professionelle Organisatorin. Im Augenblick muss ich so viel für meine Kunden tun wie irgend möglich, weil ich im Dezember immer komplett ausgebucht bin.“

„Was tut eine professionelle Organisatorin?“, fragte er. Er schien wirklich ernsthaft interessiert zu sein.

„Dachboden entrümpeln, ungenutzte Zimmer auf Vordermann bringen, kurz gesagt: die Unordnung an ihrer Wurzel bekämpfen. Ich plane Partys, dekoriere Weihnachtsbäume, kaufe Geschenke … alles eben, wofür schwer beschäftigte Leute keine Zeit haben. Ich bete, dass der Besuch meines Vaters so kurz und knapp wie immer ausfällt, damit mein Terminkalender nicht vollkommen durcheinandergerät.“

„Aber er wird nicht wieder abreisen, ehe er Ihren Arzt kennengelernt hat“, mutmaßte Eric.

„Richtig“, antwortete Mindy verdrießlich.

„Und Sie hatten gehofft, dass ich …“

„Es war eine Schnapsidee.“

„Jetzt spucken Sie’s schon aus, oder ich muss Ihnen zwei Sitzungen in Rechnung stellen.“

„Das ist Erpressung!“

„Stimmt, aber Sie haben mich nun mal neugierig gemacht.“

„Ich brauche einen Arzt, der mit meinem Vater und mir essen geht.“

„Okay, ich mach es.“

„Okay? Einfach so?“ Mindy konnte nicht glauben, wie einfach das gegangen war.

„Ja, einfach so. Wann soll es denn so weit sein?“

„Am Samstagabend. Ich hole meinen Dad gegen drei Uhr nachmittags am Flughafen ab. Er hasst Fliegen, er wird fix und fertig sein – wir können also hoffen, dass der Abend kurz wird.“

„Soll ich Sie um sieben bei Ihnen zu Hause abholen?“, fragte Eric und sah sie lächelnd an.

„Das würden Sie wirklich für mich tun?“ Noch immer konnte sie ihr Glück kaum fassen.

Sie war so dankbar, dass sie Dr. Kincaid am liebsten umarmt hätte. Aber um ehrlich zu sein, hätte sie auch dann nichts gegen ein paar Umarmungen von ihrem Tierarzt in glänzender Ritterrüstung einzuwenden gehabt, wenn er sie ausgelacht und aus seiner Praxis geworfen hätte.

„Erklären Sie Della den Weg. Sie wird ausflippen vor Freude und platzen vor Neugierde.“

Aufgeregt ging Mindy durch den Empfangsbereich an den Regalen mit Vitaminpillen und Tiernahrung vorbei an den Rezeptionstisch von Della Rodriguez.

Dellas grell gemusterte rot-grün-gelbe Bluse war der einzige Farbklecks in dem dezent in Braun, Mauve und Weiß eingerichteten Raum. Ihr Charakter war nicht weniger farbenfroh als ihre Kleidung. Meistens genoss Mindy Dellas humorvolle Lebenseinstellung, besonders die Geschichten über ihren Mann Larry. Aber heute war sie zu durcheinander für einen kleinen Plausch. Eilig stellte sie einen Scheck aus und kritzelte dann eine Wegbeschreibung zu ihrem Haus auf die Rückseite einer ihrer Visitenkarten. Sie drückte Della die beiden Zettel in die Hand und eilte davon, ehe diese Nachfragen stellen konnte.

So erleichtert Mindy über Dr. Kincaids Zusage war, so schuldig fühlte sie sich, weil sie ihren Vater belog. Eigentlich wollte sie ihn nicht hintergehen, aber in letzter Zeit hatte er es wirklich übertrieben mit seiner Fürsorge. Er wollte einen konservativen, zuverlässigen Mann für seine Tochter, dessen Wertvorstellungen mit seinen übereinstimmten. Mit anderen Worten: jemanden, der Sicherheit bot. Und selbst in Arizona konnte Mindy seinen kupplerischen Machenschaften nicht entkommen. Immer tauchte wie aus dem Nichts einer seiner alten Schul- oder Studienfreunde auf, der dann natürlich zufällig einen alleinstehenden Sohn hatte. Aber wenn er seine Tochter in guten Händen wähnte, würde er sie sicher für eine Weile in Frieden lassen. Und an Dr. Kincaids Händen war nun wirklich nichts auszusetzen – vorausgesetzt, er war zu Menschen genauso nett wie zu Tieren.

Eric warf seinen Laborkittel in den Wäschekorb und machte das Licht im Untersuchungszimmer aus. Della war vor einer Stunde nach Hause gegangen, um Abendessen für ihren Mann und all die Kinder und Enkelkinder zu machen, die regelmäßig bei ihr vorbeischauten. Er war froh, den Laden heute selber dichtmachen zu können. Sie war die beste Arzthelferin und Buchhalterin, die er sich vorstellen konnte, aber sie starb fast vor Neugierde wegen der Karte von Mindy Ryder.

Er seufzte und beschloss, noch ein paar Meilen zu laufen, ehe er zu Abend aß. Im Krankenhausflügel seiner Praxis befanden sich heute keine Patienten, er konnte sich also auf eine ruhige Nacht freuen. Seine Wohnung lag im ersten Stock des Hauses, sodass er immer für seine vierbeinigen Pflegefälle da sein konnte.

Ehe er nach oben ging, um sich umzuziehen, setzte er sich in einen der Vinylstühle im Empfangsbereich der Praxis und ließ für einen Augenblick seine Gedanken schweifen.

Er hatte es weit gebracht, seit er aus Iowa hierhergezogen war, auch wenn das erste Jahr mit den Raten für die Praxis und der Rückzahlung der Studiengebühren hart gewesen war. Er war seinen Eltern zu tiefstem Dank verpflichtet, weil sie als Bürgen für einige hohe Kredite fungiert und sogar ihr Möbelgeschäft als Sicherheit angeboten hatten, damit er seine Praxis eröffnen konnte. Es war eine gute Investition gewesen, und seine Eltern waren schließlich von Des Moines nach Mesa gezogen und hatten ein neues, schickeres Geschäft eröffnet, um näher bei ihrem einzigen Kind zu sein.

Wenn seine Mutter nur über Cassandra hinwegkommen und aufhören würde, ihm eine neue Frau zu suchen!

Sicher, das Ende ihrer Verlobung hatte wehgetan, aber technisch gesehen hatte Eric sich nicht verlassen gefühlt. Er hatte es kommen sehen und war sicher, dass es so das Beste war. Cass hatte einfach zu viel Geld. Außerdem interessierte sie sich eigentlich nur für eines wirklich: wie sie die pferdenärrischen Mitglieder ihres Country Clubs beeindrucken konnte.

Betört von ihrem dunklen rotbraunen Haar, ihrer samtigen Haut und ihrem kurvenreichen Körper hatte Eric viel zu spät begriffen, wo der Hase langlief.

Über seine bescheidene kleine Praxis hatte sie nur die Nase gerümpft. Stattdessen machte sie großartige Pläne, ihm die Pflege ihrer Zuchtpferde zu überlassen. Für die Behandlung von Hunden und Katzen wäre da keine Zeit mehr geblieben.

Eric stand auf, streckte sich und ging durch einen Privatdurchgang nach oben in seine Wohnung. Er war erst 30, und sein Junggesellendasein gefiel ihm. Er wollte nicht, dass seine Karriere durch persönliche Beziehungen verkompliziert wurde. Er hatte zu hart dafür gearbeitet, da anzukommen, wo er war. Er würde nicht zulassen, dass Cass oder irgendeine andere Frau alles über den Haufen warf – und schon gar nicht eine Kundin!

Er verabredete sich nie mit Kundinnen, nie! Das war sein oberster Grundsatz. Und trotzdem hatte er Mindy heute seine Hilfe angeboten. Aber eigentlich war das ja auch etwas anderes, eher ein Akt der Nächstenliebe, schließlich kannte er ihre schwierige Situation aus eigener Erfahrung.

Außerdem war Mindy nett und süß. Er freute sich jedes Mal, wenn sie mit Peaches vorbeikam. Zum ersten Mal seit der Trennung von Cass gefiel ihm eine Frau wirklich. Berufs- und Privatleben zu vermischen war und blieb eine schlechte Idee, aber er konnte nicht verhindern, sich vorzustellen, wie es wohl war, mit der umwerfenden brünetten Mindy wirklich persönlich zu werden. Der Preis war allerdings hoch, immerhin musste er ein Abendessen mit ihrem überbesorgten Vater ertragen.

Am oberen Treppenabsatz schlüpfte er aus seinem T-Shirt und rieb sich die verschwitzte Brust. Obwohl es der Jahreszeit entsprechend schon recht kühl war, erschien ihm seine Wohnung warm und stickig. Er öffnete die Balkontür und betrachtete die Landschaft, die zwar nicht ganz menschenleer, aber doch dünn besiedelt genug war, um nach Wüste und Wildnis auszusehen – ganz wie er es mochte.

Noch drückte er sich, aber Abendessen würde es erst nach dem Laufen geben, und er verhungerte fast. Er hatte so viel Zeit mit Mindy und der kerngesunden Peaches verbracht, dass er das Mittagessen hatte ausfallen lassen müssen, was nicht sehr oft vorkam.

Er ging wieder hinein, zog sich bis auf die Shorts aus und schlüpfte in eine kurze gelbe Jogginghose, ein weißes Tanktop, dicke Tennissocken und ein Paar Turnschuhe, das er gerade einlief. Dann legte er sich eine Bauchtasche um, in die er seinen Piepser und seine Schlüssel steckte.

Er war überhaupt nicht in Laufstimmung. Sein geräumiges Wohnzimmer mit der hohen Decke war einfach zu einladend. Besonders die beiden riesigen sandfarbenen Sofas mit den rötlichen Streifen riefen nach einem gemütlichen Abend, an dem er ausnahmsweise einmal nichts tat, außer fernsehen.

Vielleicht hatte er es bei der Einrichtung mit den farbenreichen Motiven des amerikanischen Südwestens ein wenig übertrieben, aber Eric liebte den Raum mit seinem lehmroten Kachelboden, dem strahlend weißen Putz und dem rot-schwarz-gelben Navaho-Wandteppich. Er hatte sich beim Umbau für einen einzigen offenen Raum entschieden, von dem nur das Bad und sein Schlafzimmer abgingen. Ein großes Oberlicht, das im Sommer verdeckt werden konnte, verbreitete ein warmes Licht im Raum.

Er hatte sich ein Nest gebaut, und er wusste genau, dass er heute Abend nur deswegen nicht laufen wollte, weil er dazu neigte, abends über den vergangenen Tag zu grübeln. Und heute gab es besonders viel zu grübeln. Er wusste nur zu gut, dass Mitgefühl nicht der einzige Grund für seine Zusage gewesen war. Mindy gefiel ihm, aber er hätte sie niemals von selbst gefragt, ob sie mit ihm ausgehen würde.

Mindy will einfach nur ihren Vater loswerden, dachte er, während er die Praxistür abschloss und den Schlüssel zurück in seine Bauchtasche steckte. Es gab keinen Anlass zu glauben, dass sie sich für ihn interessierte. Sie war so verdammt süß, dass sie sicher keine Probleme hatte, Männer kennenzulernen.

Er trat in den kühlen Abend hinaus und beschloss, am Rand der Hauptstraße zu laufen, weil es dunkel werden würde, ehe er zurückkam.

„Gib es zu“, murmelte er sich selbst zu. „Du könntest dich auf der Stelle in sie verlieben.“

Sie war zart, nicht größer als einen Meter sechzig, und hatte kurzes schwarzes Haar, das seidenweich aussah. Mit ihrer Augenfarbe war er sich nicht ganz sicher. Als er sie das erste Mal gesehen hatte, hätte er auf Braun getippt, aber heute war ihm aufgefallen, dass ihre Augen einen deutlichen Grünstich hatten. Mindy war nicht ganz so kurvig wie Cassandra, aber seine Ex war auch nicht der Frauentyp, auf den er normalerweise stand. Er mochte herzförmige Gesichter und schmale Hüften. Was er während des anstehenden Dates mit seiner Kundin unbedingt vergessen musste.

Das Hämmern seiner Schuhsohlen auf dem Asphalt vermischte sich mit dem Rhythmus seiner Gedanken: blöde Idee, blöde Idee, blöde Idee …

Und was, wenn die Geschichte mit ihrem Vater nur ein Vorwand war, um ihn kennenzulernen? Es missfiel ihm, wenn nicht mit offenen Karten gespielt wurde. Aber andererseits war er auch kein Mönch. Und seit Cassandra hatte es keine Frau mehr gegeben …

In Erics Kopf herrschte Chaos, und seine Gedanken überschlugen sich.

„Blöde Idee!“, sagte er schließlich laut. „Es ist einfach eine blöde Idee!“ Verhältnisse mit Kundinnen brachten immer Ärger. Mindy war zum Anbeißen, aber sie schien die Art Frau zu sein, die sich verloben und so schnell wie möglich heiraten wollte. Er war sicher noch nicht bereit für eine ernste Beziehung, nicht nach dem Desaster mit Cassandra. Vielleicht würde er nie mehr bereit sein.

Aber einen Vorteil hatte das Ganze: Er konnte seiner Mutter erzählen, dass er ein Date hatte. Sie hatte viel von einer neuen Verkäuferin in ihrem Laden erzählt, geschieden, aber kinderlos. Seine Mutter schien einen ganzen Stall williger Junggesellinnen zu kennen, und sie litt schwer unter Enkelitis.

„Tut mir leid, Mom, aber ich bin schon verabredet, und zwar diesen Samstag“, murmelte Eric leise.

2. KAPITEL

„Schau mich nicht so an! Ich weiß, dass es eine Schnapsidee ist, aber jetzt ist es zu spät, die Sache abzublasen!“

Mindy wechselte ihre Ohrringe zum mittlerweile dritten Mal und starrte auf die kleinen Esel aus Silber und Türkis, die ihr jetzt von den Ohrläppchen hingen.

„Ich hab dir gleich gesagt, dass die hier besser sind. Es ist alles andere als leicht, das richtige Outfit für ein Date zu finden, das gar keines ist.“

Peaches antwortete mit einem ausgiebigen Hundegähnen und streckte ihre kurzen weißen Beine genussvoll auf ihrem Hunde-Quilt am Fußende des Bettes aus. Der Quilt bestand aus alten Jeansfetzen und war ein Geschenk von Mindys Schwägerin Carly gewesen.

Mindys Vater machte gerade ein kleines Nickerchen in ihrem Gästezimmer, das sie extra für diesen Anlass aufgeräumt hatte. All der Krimskrams, den sie für die Arbeit brauchte, stapelte sich jetzt in ihrem eigenen Schlafzimmer. Um an den Schrank zu kommen, musste sie einen Hindernislauf über Stapel von Katalogen, Zeitschriften und Büchern bewältigen. Ein Glück, dass ihre Kunden dieses Chaos nicht sehen konnten. Das Zimmer sah aus wie eine Müllhalde.

Sie bahnte sich ihren Weg durch Kisten voller Gerümpel, um einen Blick in den großen Spiegel an der Tür zum Badezimmer werfen zu können. Ihr Vater erwartete, dass sie für ihr Date mit ihrem neuen Freund wie aus dem Ei gepellt aussah, aber was für einen Eindruck würde das auf ihren falschen Freund machen? Eric sollte schließlich nicht denken, dass dieses Scheindate ein Komplott war, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.

Mindy hatte sich für die goldene Mitte entschieden, ein seidenes türkisfarbenes Kleid mit U-Boot-Ausschnitt und winzigen Flügelärmeln, das kurz unterhalb der Knie endete. Sie legte einen zarten Silbergürtel um und schlüpfte in ein Paar silbergrauer Stilettos. Vielleicht war sie für den Anlass ein wenig overdressed, aber die Eselohrringe machten das hoffentlich wieder wett.

„Verdammt, ich brauche einen neuen Haarschnitt“, beschwerte sie sich bei Peaches, die versuchte, ein Nickerchen zu machen. „Ja, ja, tu nur so, als ob du schläfst, du faule Fellkugel. Ich weiß, dass deine großen Ohren jedes Wort verstehen, das ich sage. Du bist einfach beleidigt, weil du kein Date mit Dr. Eric hast!“

Mindy mochte ihre kurzen schwarzen Haare, aber trotz des teuren Haarwachses sahen die modischen Stacheln heute irgendwie schlaff aus.

Biss sich das Türkis mit dem Grünton ihrer Augen? War sie verrückt, weil sie so ein Drama um ihre Kleidung für ein Date machte, das nur dazu diente, ihren Vater von ihrem Liebesleben fernzuhalten?

Als es klingelte, erschrak sie, was in Anbetracht der Tatsache, dass sie die letzte Stunde auf Erics Ankunft gewartet hatte, irgendwie lächerlich war. Peaches sprang überraschend lebhaft vom Bett herunter und scharrte ungeduldig an der Schlafzimmertür.

„Wehe, du sabberst, haarst oder springst auf Dr. Eric“, sagte Mindy streng. „Ich will mir keinen neuen Tierarzt suchen müssen, nur weil du dich nicht benehmen kannst.“

Sie öffnete die Schlafzimmertür, und Peaches schoss wie ein weiß-brauner Blitz zur Haustür. Ihre Krallen klackerten freudig über den rot gefliesten Boden.

„Benimm dich!“, flüsterte Mindy streng, bevor sie die Haustür öffnete. Genauso gut hätte sie einen Sandsturm auffordern können, sich zu legen.

Wo war Dad? Wenn er verschlief, würde sie Smalltalk machen müssen! Gott, wäre das peinlich. Was sollte sie schon zu einem Mann sagen, den sie dazu genötigt hatte, die Liebe ihres Lebens zu spielen?

Mit der einen Hand nahm sie Peaches am Halsband, mit der anderen öffnete sie die Tür.

„Hi! Ich wusste sofort, dass ich richtig bin, als ich Peaches bellen hörte“, sagte ihr Date.

„Dr. Kincaid! Wie schön, dass Sie das Haus gleich gefunden haben!“

Es war ein Wunder, dass er sich nicht verfahren hatte, immerhin stand ihr Haus in einem Bauprojekt voller gleichartiger kleiner weißer Bungalows, und die Straßen wanden sich durch ein riesiges Gebiet ohne nennenswerte Orientierungspunkte. Hätten sich an den orangeroten Haustüren keine schwarzen, schmiedeeisernen Hausnummern befunden, hätte Mindy sich wohl selbst verirrt.

„Kein Problem.“ Er sprach in einem verschwörerischen Flüsterton weiter. „Sollten wir uns von jetzt an nicht duzen?“

„Oh, na klar, sicher!“ Auch Mindy sprach mit leiser Stimme und warf einen Blick über ihre Schulter. Kein Lebenszeichen von ihrem Vater. „Komm doch bitte rein.“

Eric trat ein und ging in ihr Wohnzimmer an der Nordseite des Hauses. Das große Panoramafenster ging nach Westen und offenbarte die schönsten Sonnenuntergänge, die Mindy sich vorstellen konnte. Gleichzeitig bedeutete das aber, dass ihr Schlafzimmer die frühe Morgensonne abbekam, die sie zu Zeiten aufweckte, zu denen kein normaler zivilisierter Mensch freiwillig aufstand.

Sie hatte sich für eine einfache Einrichtung entschieden, sowohl aus Geldmangel als auch aus geschmacklichen Gründen. Die Fenster hatten hellgrüne Jalousien anstelle von Vorhängen. Der rot geflieste Boden war nur im Wohnzimmer mit einem runden Knüpfteppich bedeckt, eine ihrer wenigen Neuanschaffungen, seit sie das Haus vor einigen Jahren gekauft hatte. Durch das leuchtende Grün und Gelb wirkten ihre graue Couch und der dazugehörige Lehnstuhl weniger eintönig. Die gebrauchten Tische, die sie senfgelb und smaragdgrün gestrichen hatte, waren kitschig, aber fröhlich. Sie suchte immer noch nach Bildern für die Wände, aber ihre Suche scheiterte ständig an Zeit- und Geldmangel. Im Moment zierten einige Blumendrucke, die eine Freundin ausgemustert hatte, die Wand über der Couch. Der Rest der roh verputzten weißen Wände war ungeschmückt.

„Schöne Wohnung“, sagte Eric. Er stand neben der Couch, die mit Hundehaaren übersät war. Zum Glück würden sie auf seinem hellgelben kurzärmeligen Oberhemd und den dunklen Khakihosen nicht allzu sehr auffallen.

Er trug eine leuchtend grüne Krawatte, auf die kleine schwarze Terrier gedruckt waren. Offenbar hatte er sich in Eile angezogen, denn die Krawatte war falsch gebunden: Das hintere Ende war länger als das vordere.

„Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?“, fragte Mindy, während sie überlegte, wo zur Hölle ihr Vater war. Er war doch so scharf darauf gewesen, ihren neuen Freund kennenzulernen. Warum war er also noch nicht hier? „Ich habe Cola light, Bier, Mineralwasser und eine Flasche Champagner, die mein Vater mitgebracht hat, um zu …“

Fast hätte sie „feiern“ gesagt. Genauer gesagt hatte ihr Vater gehofft, damit auf ihre Verlobung anstoßen zu können, selbst wenn sie ihm keinen Anlass gegeben hatte, zu glauben, dass ihre neue Beziehung schon so weit gediehen war.

„Wo ist dein Vater denn?“, fragte Eric.

„Er wollte ein Nickerchen machen.“ Das war’s mit ihrer Hoffnung, dass der Abend kurz werden würde. „Vielleicht sollte ich mal an seine Tür klopfen, falls er noch schläft.“

„Ich bin wach und freue mich, deinen neuen Freund begrüßen zu dürfen“, sagte Wayne Ryder, der gerade aus dem Gästezimmer kam.

Wie konnte er nur so etwas Abgedroschenes sagen? Mindy versuchte, Nachsicht walten zu lassen. Manchmal redete ihr Vater, als ob er nicht mitbekommen hätte, dass das Mittelalter vorbei war.

„Eric Kincaid, Sir.“ Eric streckte seine Hand mit einer Ehrerbietung aus, für die Mindy ihn am liebsten umarmt hätte.

„Eric, es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Nennen Sie mich Wayne.“

„Es ist mir eine Ehre, Wayne, Sir.“

Mindy ließ sich nicht täuschen. Ihr Vater war ein Platzhirsch, der einen Kampf mit einem Jungtier austrug. In der Theorie gefiel ihm ihr neuer Freund vielleicht, aber das würde ihn nicht davon abhalten, ihn in bester – also schlechtester – Geheimdiensttradition auszufragen. Wenn sie jemals den Mann ihres Lebens finden würde, würde sie mit ihm durchbrennen, ehe ihr Vater Wind davon bekam.

Sah er sich nicht mit ihren männlichen Freunden konfrontiert, war ihr Vater eher zu lieb als zu streng. Er wollte nur das Beste für sie, aber ihr zukünftiger Gatte musste lachhaft hohen Anforderungen genügen.

„Also, Mindy, lassen wir die Korken knallen, ehe wir gehen“, sagte er.

Ihr Vater hatte seine zahlreichen grauen, schwarzen und dunkelblauen Geschäftsanzüge zu Hause gelassen und sich dem Südwestthema angepasst, indem er in Jeans und ein dunkelblaues Strickhemd mit Kragen geschlüpft war. Er trug sogar eine Cowboykrawatte, aber sein Versuch, lässig auszusehen, wurde durch seine schwarzen Lackschuhe zerstört. Ihr Vater sah selbst im Bademantel aus wie das, was er war: ein Steuerberater. Er war mittelgroß, hager und hatte abfallende Schultern. Insgesamt wirkte er so farblos, dass man ihn leicht übersah. Sein Gesicht war lang, schmal geschnitten und immer glatt rasiert. Nur die Linien um seinen Mund verrieten, wie alt er war, abgesehen von seinem graubraunen Haar, das langsam schütter wurde.

„Ich verzichte lieber, Sir … Wayne“, sagte Eric. „Mindy und ich habe beschlossen, heute Abend mit getrennten Autos zu fahren, falls ich angepiept werde.“

Seine Ausrede wirkte lahm auf Mindy, aber ihrem Vater schien sie zu gefallen. Ein guter Arzt musste nüchtern und stets in Alarmbereitschaft sein.

„Na, dann machen wir uns mal auf die Socken“, erteilte ihr Vater den Marschbefehl.

Im Gänsemarsch verließen sie das Haus. Peaches, die hoffte, mitkommen zu dürfen, tollte zwischen ihren Füßen herum.

Mindy wartete, bis die beiden Männer außer Hörweite waren, dann befahl sie dem enttäuschten Hund knapp: „Du hast Glück! Du darfst zu Hause bleiben!“

Ihr Vater steuerte schnurstracks auf Mindys gebrauchten Kleintransporter zu und rief: „Ich fahre mit deinem Wagen, damit ihr einen Moment miteinander alleine sein könnt! Den Schlüssel hab ich schon!“

Aber ehe sie in Erics Wagen einstieg, musste Mindy noch eines erledigen.

„Ähm, Eric, würdest du mir einen riesigen Gefallen tun?“, fragte sie und ging zur Fahrerseite seines Wagens hinüber.

Er zuckte mit den Schultern.

„Deine Krawatte.“

„Meine Krawatte?“ Er sah auf die schwarzen Terrier auf der grünen Seide hinunter. „Ist sie zu aufgetakelt für das Restaurant?“

„Nein, nein, sie ist perfekt. Ich habe da nur diesen Tick, na ja, vielleicht ist ‚Tick‘ ein bisschen zu viel gesagt, aber würde es dir etwas ausmachen, wenn ich sie zurechtrücke?“

„Zurechtrücken?“ Er tastete nach dem Knoten.

„Nicht wirklich zurechtrücken, ich würde einfach nur den ganzen Abend auf dieses lange Ende starren müssen. Mein Vater ist so scharfsichtig, dass ich auf jedes Detail achten muss.“

„Das lange Ende? Jetzt komme ich nicht mehr mit“, sagte Eric.

„Das hintere Ende ist länger als das vordere. Ich will nicht kleinkariert sein, aber es würde so gut aussehen, wenn …“

Er hob die beiden Enden seiner Krawatte an und runzelte die Stirn.

„Lass mich das machen“, sagte sie. Gleichzeitig ärgerte sie sich, dass sie das Thema angeschnitten hatte.

Mit flinken Fingern löste sie den Knoten und rückte die beiden Enden zurecht. Dann zog sie den Knoten wieder eng und legte letzte Hand an den Kragen an.

„Das ist eine wirklich tolle Krawatte. So eine hab ich noch nie gesehen!“

„Ein Geschenk von meiner Ex. Sie stand auf süßes Zeug“, kommentierte Eric kurz angebunden. „Ich trage das Ding heute zum ersten Mal.“

„Oh.“

Mindy verfluchte in Gedanken ihre Begabung, kein Fettnäpfchen auszulassen. Vermutlich würde Eric einen Kellner damit beauftragen, ihn zehn Minuten nach dem Servieren des Hauptgangs anzupiepsen. Zum Glück reiste ihr Vater am Montag wieder ab. Sie musste also nur zwei Tage lang seine Fragen ertragen, und es gab mehr als genug gute Gründe, warum ein beschäftigter Arzt nicht das ganze Wochenende mit seiner „Freundin“ verbringen konnte.

„Na ja, es ist jedenfalls eine niedliche Krawatte“, sagte sie und lief zur Beifahrerseite hinüber.

Die Fahrt zum Restaurant dauerte die längsten 23 Minuten ihres Lebens.

Warum hatte sie unbedingt an Eric herummäkeln müssen? Es war viel zu intim und aufdringlich gewesen, an seiner Krawatte herumzufuhrwerken! Aber es hatte ihr gefallen, ihm so nahe zu sein. Er roch nach Vanille, vermischt mit einem würzigen Aroma. Außerdem war ihr vorher noch nie aufgefallen, wie sexy seine Lippen waren. Auch wenn sie sicher noch besser aussahen, wenn sie nicht gerade Missmut widerspiegelten.

„Das mit der Krawatte tut mir leid“, sagte sie, als sie zu dem angesagten Steakhouse abbogen, das eine großartige Aussicht auf die Camelback Mountains bot. „Ich bin immer so zappelig, wenn ich nervös bin.“

„Kein Problem“, antwortete Eric, stieg aus dem Wagen und ging um das Fahrzeug herum.

Er half ihr aus dem Auto und überreichte dem Pagen die Schlüssel.

Als Mindy nicht reagierte, sah er sie lächelnd an. „Mach dir keine Gedanken. Dein Vater scheint übrigens ein netter Kerl zu sein, ein Menschenfresser ist er jedenfalls nicht.“

„Nein, ein Menschenfresser ist er nicht“, antwortete Mindy hoffnungsvoll und kreuzte heimlich die Finger.

Mindy war noch nie bei „Mountain Monty’s“ gewesen, aber der Laden fand sich in allen Reiseführern. Vielleicht hätte sie einen davon lesen sollen, ehe sie den Tisch reservierte, denn das Restaurant entsprach ganz und gar nicht ihren Vorstellungen. Die Hausordnung verbot Krawatten. Schon am Eingang mussten Eric und ihr Vater ihre Krawatten bei einer knapp bekleideten Kellnerin abgeben. Sie trug eine gekürzte Western-Saloon-Tracht, deren Rock kurz unterhalb des Pos endete und deren Weste so gut wie nichts verhüllte.

„Mountain Monty mag keine Schlingen, auch dann nicht, wenn niedliche kleine Hunde darauf sind“, sagte sie, während sie die Krawatten in einer Plastiktüte verstaute. Dabei lächelte sie Eric so strahlend an, dass ihre Mundwinkel sich fast am Hinterkopf getroffen hätten. „Wenn Sie bitte in der Lounge warten würden, es wird etwa 30 Minuten dauern.“

So viel zum Thema Reservierung, dachte Mindy missmutig, während ihr Vater in die Gastgeberrolle schlüpfte und das vermeintliche Paar in einen Teil des Raums scheuchte, der zum Glück so dunkel war, dass man von der scheußlichen Wildwest-Dekoration nicht allzu viel erkannte.

„Heute Abend zahle ich!“, verkündete Wayne überschwänglich. „Ich habe so lange darauf gewartet, Sie kennenzulernen, Eric. Mindy hat mir so viel von Ihnen erzählt, und nur das Beste.“

Nichts hatte sie ihrem Vater erzählt, außer der Tatsache, dass Eric Arzt war. Aber wie konnte sie ihn für diese kleine Übertreibung verurteilen, nachdem sie ihn angelogen hatte?

„Schön zu hören.“ Eric schenkte ihr ein warmes Lächeln. Sie setzten sich auf eine niedrige halbkreisförmige Couch in der Ecke. Ein Kellner erschien und nahm ihre Bestellung an: Bier für ihren Vater, ein Weißwein für sie selbst und Zitronenlimonade für Eric.

„Na, dann erzählen Sie mal, Eric …“, fing ihr Vater an.

Einen Augenblick lang befürchtete Mindy, dass Eric aufspringen und schreiend davonlaufen würde, aber zu ihrem Erstaunen ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Sind Sie in Phoenix geboren?“, fragte Wayne.

„Nein, ich stamme aus Iowa.“ In Erics Stimme schwang Stolz mit. „Ich bin vor einigen Jahren hierhergekommen, um meine Praxis aufzubauen.“

„Sicher ein guter Ort für einen Arzt, mit der alternden Gesellschaft und so weiter. Ich wollte nicht, dass Mindy nach Arizona geht. In Pennsylvania gibt es viele gute Universitäten. Aber sie hat sich durchgesetzt, und es hat ihr hier so gut gefallen, dass sie bleiben wollte. Jetzt, wo ich pensioniert bin, habe ich endlich die Zeit, die Gegend selbst besser kennenzulernen.“

„Wenn man nichts gegen heiße Sommer hat, ist es hier wundervoll“, sagte Eric.

Tolle Unterhaltung, dachte Mindy. Das Wetter, langweiligstes und fettnäpfchensicherstes Thema aller Zeiten. Sie mischte sich in das Gespräch ein und erzählte ein paar Anekdoten über schmelzendes Make-up und Sonnenbrand. Die Pointen gingen ausnahmslos in die Hose, aber immerhin schlug sie auf diese Weise Zeit tot, bis es endlich Essen gab. Die gefühlten zwei Stunden waren letztlich nur eine knappe Viertelstunde. Mindy hatte das Gefühl, dieser schreckliche Abend würde niemals enden.

Der riesige Speisesaal sah aus wie die Rache des Wilden Westens: lange Holztische für zehn Personen, bedeckt mit blau-weiß karierten Tischtüchern. Die Gäste saßen auf Bänken ohne Rückenlehnen, deren Beine aus dicken Holzscheiten bestanden. Wenigstens waren die sechs Senioren am anderen Ende ihres Tisches so laut, dass sich ihre Konversation auf kurzen Informationsaustausch über die Speisekarte beschränkte.

„Wie sieht es aus, mein Schatz?“, sagte Eric und legte Mindy eine Hand auf die Schulter. „Ich habe gehört, dass die Grillsteaks nach Art des Hauses phänomenal sein sollen. Es gibt ein Porterhousesteak für zwei, falls du gerne teilen möchtest.“

Er massierte ihren Nacken mit seinen Fingern, eine kleine, intime Geste, woraufhin ihr Vater sich hinter der rindsledernen Speisekarte verkroch und finster dreinblickte. Man konnte es ihm einfach nicht recht machen: Wenn Eric sie nicht berührte, würde Wayne ihm nachher vorwerfen, dass er sich nicht wirklich für Mindy interessierte.

Eric ließ seine Hand sinken, als er merkte, wie Mindy sich wand, ließ sie aber unter dem Tischtuch verschwinden, sodass ihr Vater vermuten musste, dass er ihr Bein streichelte. Doch Eric legte seine Hand brav auf seinen eigenen Oberschenkel.

Eine Countryband trat auf die kleine Bühne an der Wand am anderen Ende des Raumes, und eine tiefe Bassstimme begann, herzerweichend über untreue Frauen zu klagen.

Sie gaben ihre Bestellung bei einem in Jeans und Flanellhemd gekleideten Kellner auf, der in dem Raum vor Hitze verglühen musste. Nachdem sie sich eine Ewigkeit lang über den Tisch hinweg angeschrien hatten, kamen ihre Vorspeisen, und die Band machte eine Pause.

Sie hatten Salate mit Hausdressing bestellt, die in rührschüsselgroßen Gefäßen serviert wurden. Dazu kam ein Rotwein, der so schwer war, dass Mindy die Haare zu Berge standen. Ihr Vater schnitt einen Laib hausgemachtes Sauerteigbrot in Scheiben, und als Mindy das Gefühl hatte, keinen Bissen mehr hinunterzubekommen, kam endlich der Hauptgang.

Das Porterhousesteak für zwei war unter einem Berg aus Pilzen, Zwiebeln und Pfeffersoße begraben, genau Medium durchgebraten und mit einer monströsen Ofenkartoffel serviert. Die Schweinerippchen mit Bohnen, die ihr Vater bestellt hatte, kamen in einem braunen Keramiktopf, in den man einen Baum hätte pflanzen können. Vermutlich konnten sie am Ende des Abends genug Reste für drei oder vier Mahlzeiten mit nach Hause nehmen. Wenigstens würde Mindy am Wochenende also nicht kochen müssen.

Die Senioren an ihrem Tisch ließen sich genug Reste einpacken, um eine ganze Football-Mannschaft zu verpflegen, und Mindy merkte, wie ihr Vater sich entspannte, als sie gingen. Jetzt konnte er endlich mit seinem Kreuzverhör beginnen.

„Sie wissen ja gar nicht, wie sehr ich mich freue, Sie kennenzulernen, Eric“, sagte er in einem so bedeutungsschwangeren Ton, als würde er gerade ein Todesurteil verlesen. „Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Männerwahl meiner Tochter mir in der Vergangenheit einige unruhige Nächte beschert hat.“

„Dad, bitte, lass Eric sein Essen in Ruhe genießen!“

„Oh, ich genieße es“, sagte Eric höflich.

„Stellen Sie sich mal vor, als Mindy 16 war, fuhr sie so ein Kerl vor unserem Haus vor – auf dem Rücksitz eines Motorrads!“

„Ich habe einen Helm getragen“, konterte Mindy bockig und resignierte vor dem riesigen Fleischstück auf ihrem Teller.

„Sie wollten sich zueinander passende Tätowierungen stechen lassen, und ich sollte eine Einverständniserklärung unterschreiben, weil Mindy noch nicht 18 war. Ich sagte dem jungen Mann, dass er sich eine Knasttätowierung würde machen lassen können, wenn er nicht auf der Stelle das Weite suchte.“

Mindy hasste es, wenn ihr Vater versuchte, so zu reden, wie junge Leute seiner Meinung nach redeten. Sie hätte sich vor Peinlichkeit am liebsten unter dem Tisch verkrochen.

„Und es kam noch schlimmer“, fuhr Wayne fort. „In den ersten Weihnachtsferien hat sie einen Idioten von ihrem College angeschleppt. So einen Verschwörungstheoretiker, der dachte, dass Kennedy von einem Baseballspieler erschossen worden wäre.“

„Er hatte Philosophie als Hauptfach und mochte theoretische Probleme eben. Außerdem war ich sicher, dass ich einige seiner radikalen Ansichten ändern könnte. Er war wirklich nett, und das hättest du auch gemerkt, wenn du ihm nur eine Chance gegeben hättest. Es war echt gemein von dir, dass du seine Ideen lächerlich gemacht hast.“

„Er war ein Spinner.“

„Daddy! Er hatte großes Potenzial! Außerdem weiß Eric alles über mich. Er will deine vorurteilsgeladenen Meinungen über einen Jungen, den du vergrault hast, sicher nicht hören!“

„Was macht dieser Irre denn jetzt?“, beharrte ihr Vater wie gewöhnlich auf dem Thema.

„Keine Ahnung.“

Schon wieder eine Lüge, aber sie würde ihrem Vater auf keinen Fall erzählen, dass ihr Exfreund sein ganzes Geld verloren hatte, als seine IT-Firma pleitegegangen war. Durch Zufall hatte sie herausgefunden, dass er jetzt Miteigentümer einer Imbissbude in einem Einkaufszentrum war.

„Wie steht es mit Ihnen, Eric?“, fragte Wayne. „Waren Sie schon einmal verheiratet?“

Was er eigentlich fragen wollte, war: Sind Sie in Wahrheit verheiratet, wollen jetzt meine Tochter verführen und damit ihr Leben ruinieren?

„Nein, einmal war ich kurz davor, aber dann wurde doch nichts daraus.“

„So etwas kommt vor.“

Er meinte damit, dass eine gute Partie wie ein Arzt mit seiner Tochter sicher besser dran war als mit irgendeiner anderen Frau. Mindy verdrehte unmerklich die Augen.

Eric sah auf seine Uhr. Großer Fehler. Ihr Vater hatte seine Karriere damit verbracht, sich mit Details wie Kommata auseinanderzusetzen. Erics kurzer Blick war ihm nicht entgangen.

„Halten wir Sie etwa von irgendwas ab?“, fragte er lauernd. Er aß immer nur zwei oder drei Bohnen auf einmal, um sein Kreuzverhör so lange wie irgend möglich ausdehnen zu können, auch wenn die Kellner schon seit einer Weile um den Tisch herumschlichen, weil sie endlich abräumen wollten.

„Nein, überhaupt nicht, Wayne, aber ich muss heute Nacht vielleicht noch einer Sau bei der Entbindung helfen. Die Sau hatte in der Vergangenheit schon Probleme beim Gebären.“

Oh, verdammt! Mindy kniff ihm unter dem Tischtuch in den Schenkel, aber es war zu spät.

„Sie nennen eine Patientin eine …“ Vor Empörung kam Wayne ins Stottern.

„Dad, du hast da etwas falsch verstanden. Eric ist kein Allgemeinmediziner“, versuchte sie mit hochrotem Kopf zu erklären. „Er ist Tierarzt.“ Sie sagte es mit so viel Nachdruck, dass die Leute an den umliegenden Tischen zu essen aufhörten, um zu lauschen.

„Hey, da ist ein Freund von mir“, sagte Eric, stand auf und wies auf einen Mann und eine Frau, die gerade den Raum betraten.

Während das Paar auf sie zukam, versuchte Mindy, dem Gesicht ihres Vaters abzulesen, wie er die Tierarzt-Neuigkeit aufgenommen hatte. Aber seine Mimik war komplett ausdruckslos, und er kratzte konzentriert Bohnen vom Rand des Topfes.

Ein großer, schlaksiger Mann mit einer Adlernase und einem breiten Lächeln auf den Lippen trat an ihren Tisch, eine strohblonde junge Frau mit Kurzhaarschnitt im Arm.

„Wayne, das hier sind Guy Dillard und Tammy Jamison. Wayne ist Mindys Vater“, sagte Eric. „Guy zählt zu den Ersten, die ich nach meinem Umzug hier kennengelernt habe. Er ist Pharmavertreter.“

Die drei Männer schüttelten sich eifrig die Hände.

„Warum hast du diese umwerfende Frau vor uns versteckt?“, fragte Guy, der seine schmollende Freundin geflissentlich ignorierte.

„Wir hatten beide viel zu tun“, sagte Eric und versuchte verzweifelt, den Schein zu wahren, dass die beiden Mindy bereits kannten. „Wir vier sollten uns so bald wie möglich mal wieder treffen.“

„Ich habe Hunger“, quengelte Tammy und versuchte, Guy zu der Kellnerin hinüberzuziehen. Sie verabschiedeten sich höflich. Mindy hatte keine Ahnung, was ihr Vater dachte.

„Wie lange kennen Sie meine Tochter denn schon?“, fragte Wayne.

„Eine ganze Weile“, sagte Eric.

„Über ein Jahr“, antwortete Mindy, was ja auch der Wahrheit entsprach.

„Du hast nie erwähnt, dass Eric Tierarzt ist.“ Manchmal war ihr Vater wirklich trotzig wie ein kleiner Junge.

„Ich habe eine eigene Praxis und bin auf Kleintiere spezialisiert, besonders auf Hunde.“

„Ein guter Beruf“, gab Wayne widerwillig zu. „Na ja, was morgen betrifft, ich dachte, wir drei könnten etwas Sightseeing machen. Ich würde gerne einige alte Ruinen besichtigen.“

„Ich glaube kaum, dass Eric Zeit hat, aber ich fahre gerne mit dir zum Walnut Canyon oder zu Montezuma’s Well“, sagte Mindy.

„Ich muss langsam los“, verkündete Eric, der die Situation sichtlich nicht mehr ertrug. „Meine Klinikinsassen brauchen mich. Ich rufe dich an, mein Schatz.“

Er stand auf, schüttelte Wayne die Hand, dankte ihm für die Einladung und küsste Mindy warm und unerwartet auf den Mundwinkel.

„Deine Essensreste …“, stotterte sie atemlos.

„Nimm sie mit zu dir“, antwortete er und schoss davon wie der Blitz.

Bevor er durch die Tür verschwand, drehte er sich allerdings noch einmal um und winkte ihr zu. Er hätte seine Rolle nicht besser spielen können.

3. KAPITEL

Eric reihte sich in die Schlange am Parkplatzservice ein. Er musste endlos warten, weil eine falsche Blondine, die aufgrund zu vieler Schönheitsoperationen keine Gesichtsmimik mehr hatte, dem Pagen detailliert erklärte, wie er ihren Mercedes zu fahren hatte. Der rundliche Mann neben ihr sah gelangweilt aus und seufzte lang und tief.

Zwischen Eric und dem ungleichen Paar standen noch vier oder fünf andere Wartende. Wenn sich die beiden Pagen nicht beeilten, würde er Wayne ein zweites Mal auf Wiedersehen sagen müssen.

Jedenfalls verstand er jetzt bestens, warum Mindy einen falschen Freund brauchte. Wayne hatte sich von einem ganz normalen, netten Kerl in eine unerträgliche Spürnase verwandelt, sobald das Thema um die Beziehungen seiner Tochter kreiste. Kein Wunder, dass sie auf ein College in Arizona geflüchtet und dort geblieben war. Sie schien eindeutig eine Frau zu sein, die ihr Leben selbst im Griff hatte.

Ein Page mit Bleifuß fuhr einen himmelblauen Cadillac vor, und Eric kam ein paar Schritte näher ans ersehnte Ende der Schlange. Er hielt seinen Abholschein und fünf Dollar Trinkgeld schon in der Hand bereit, als ihm seine Krawatte wieder einfiel.

Er hätte zurückgehen und sie abholen können, aber dann hätte er sich wieder hinten anstellen müssen. Außerdem wollte er das hässliche Ding nie wieder anziehen. Er war über Cassandra hinweg und wusste jetzt, dass er sich niemals auf sie hätte einlassen sollen. Sie hatten sich kennengelernt, als sie aus Versehen einen Hund angefahren hatte. Er war hinter ihr gefahren und hatte ihr geholfen. Er rettete dem Hund das Leben, verlobte sich mit der Pferdefanatikerin und verbrachte frustrierende sechs Monate damit, zu versuchen, sie davon zu überzeugen, dass er seine Praxis nicht aufgeben wollte, nur weil sie es wollte.

Er würde lieber als Junggeselle sterben, ehe er wieder einer Frau erlaubte, sich in sein Leben einzumischen.

„Eric, wie gut, dass ich dich noch erwische!“

Er drehte sich um und sah Mindy, die mit der ungeliebten Krawatte in der Hand auf ihn zukam.

„Danke“, sagte er wenig begeistert und nahm das hässliche Ding entgegen.

„Ich muss dir danken. Mein Vater mag dich!“

„Sehr gut. Wo ist er?“

„Er ist auf die Aussichtsplattform gegangen, während ich den Wagen hole. Ich kann dir gar nicht genug danken. Er hat widerwillig zugegeben, dass du wohl in Ordnung bist, auch wenn du ‚nur‘ Tierarzt bist. Aus seinem Munde ist das eine größere Ehrung als der Nobelpreis, der Oscar und ein Ritterschlag auf einmal. Ich wollte nur, dass du weißt, wie sehr ich deine Bemühungen zu schätzen weiß.“

„Es war mir ein Vergnügen.“

„Oh, und noch mal Entschuldigung wegen der Krawatte.“

„Ich werde sie wohl nie wieder anziehen“, gab er zu. „Sie ist einfach ein bisschen zu niedlich für mich.“

„Ich meinte das mit dem Zurechtrücken. Wenn ich nervös bin …“

„Ich weiß schon. Dann wirst du zappelig.“

„Also, wir sehen uns wieder, wenn Peaches zum Tierarzt muss“, sagte sie.

Eric lächelte schief, weil er nicht wusste, was er von der Situation halten sollte.

Autor

Jennifer Drew
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Kimberly Raye
Die preisgekrönte Autorin Kimberly Raye war schon immer eine unheilbare Romantikerin. Sie liest gern Romane aller Art, doch ihre Seele wird besonders von Liebesromanen berührt. Von sexy bis spannend, dramatisch bis witzig – sie liebt sie alle. Am meisten gefällt es ihr jedoch, selbst welche zu schreiben, je heißer desto...
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