Wenn das Glück lacht, lach zurück

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Maya und ihr kleiner Sohn Chas sind ein starkes Team! Einen neuen Mann braucht die allein erziehende Mutter nicht: Nach schmerzlichen Erfahrungen bleibt sie lieber solo. Bis Riley Bourke in ihr Leben tritt. Der attraktive Millionär will sich um Chas, den Sohn seines verstorbenen Bruders, kümmern. Aber dann beginnt er, zärtlich mit Maya zu flirten, und mit jedem Kuss wachsen ihre Zweifel: Wartet etwa auch auf sie die Liebe?


  • Erscheinungstag 16.12.2007
  • Bandnummer 1607
  • ISBN / Artikelnummer 9783863493646
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Maya Edison hielt sich kerzengerade und ignorierte die versammelte Menge der Schönen und Reichen von Melbourne, die die Beerdigung gerade in eine Show verwandelt hatten. Reglos sah sie zu, wie der Sarg mit ihrem toten Verlobten in die Erde gesenkt wurde. Hätte sie dabei doch bloß weinen können!

Sie würde so gern noch etwas anderes empfinden als die unendliche Müdigkeit, die sich in ihr breitgemacht hatte, seit sie bei Joe Bourke eingezogen war, sein Kind bekommen und ihm dann all seine Lügen über seine Heiratsabsichten geglaubt hatte.

Aber Maya war nur erleichtert, dass der Albtraum mit Joe vorüber war. Und gleichzeitig voller tiefem Schuldgefühl über ihren Anteil an seinem Tod.

Ihre Liebe zu Joe war ein Wirbelwind der Gefühle gewesen, der sie mit sich fortgerissen hatte und sie hier keine zwei Jahre später mit schlimmsten Verwüstungen zurückließ.

„Alles okay?“

Bei der leichten Berührung an ihrem Ellenbogen drehte Maya sich um und nickte mechanisch. Riley neben ihr sah sie fragend an, und die echte Sorge in seinen tiefblauen Augen hatte bei allem etwas Tröstliches.

Riley Bourke, Joes ernster älterer Bruder, war der einzige Mensch auf dieser Beerdigung, der ihr nach Joes Tod Hilfe angeboten hatte und sich über ihre Situation irgendwelche Gedanken zu machen schien.

Joe hatte sich immer über Riley lustig gemacht und ihn einen langweiligen alten Spießer genannt. Dabei war Riley nur sechs Jahre älter als er. Aber Joes achtundzwanzig hatten leider eher zu achtzehn tendiert – noch etwas, das Maya erst zu spät erkannt hatte.

Joes übrige Freunde waren sein Party-Anhang, Leute, die ihn, auch nachdem er Vater geworden war, nie aus ihren Fängen gelassen hatten und einzig und allein an ihren Spaß dachten. Sie waren heute nur aus einem bestimmten Grund hier: weil sie ihre Gesichter in den morgigen Zeitungen sehen wollten.

Joe Bourke, der Sonnyboy von Australiens Pferderennwelt, der umschwärmte Liebling der Melbourner Gesellschaft, war tot.

Er hatte noch ein allerletztes Mal für Aufsehen gesorgt, nachdem die Welt sich jahrelang ein Bild von seinem Leben in den Klatschspalten machen konnte. Joe hatte den Rummel um seine Person geradezu aufgesogen, Maya hatte den ganzen Promi-Zirkus verabscheut. Noch eine Sache, die sie einander entfremdet hatte.

„Du musst nicht mit zum Essen kommen. Vielleicht bringst du lieber Chas nach Hause“, sagte Riley in diesem Moment. Er hielt sie immer noch sanft am Ellenbogen. Anscheinend hatte sie ihn keineswegs davon überzeugen können, dass alles okay war.

Sie musste sich besser zusammennehmen! Die ganze Zeit war ihr nicht nach Weinen zumute gewesen, bis Riley sie jetzt mit diesem aufrichtigen Mitgefühl ansah.

Plötzlich hätte Maya am liebsten einfach losgeheult wie ihr kleiner Sohn Chas, wenn er zahnte, Hunger hatte oder seine Windeln voll waren. Gott sei Dank hatte Chas die ganze Beerdigung in seinem Buggy neben ihr verschlafen – unberührt von der Tatsache, dass er gerade seinen Vater verloren hatte, bevor er ihn richtig kannte.

Nicht dass Joe in den vierzehn Monaten seit der Geburt seines Sohnes auch nur das geringste Interesse an ihm gezeigt hätte.

Musst du sogar an seiner Beerdigung noch mit ihm abrechnen?, dachte Maya und atmete tief durch. Sie zwang sich zu einem schwachen Lächeln. „Ich würde ja gern mit Chas nach Hause fahren, aber sollte ich nicht dableiben?“

Sie verschluckte den Zusatz: Wird es sonst kein Gerede geben?

Es hatte schon Gerede gegeben, seit Joe ihr vor knapp zwei Jahren beim traditionellen Ball am Vorabend des Cup-Rennens begegnet war und sie in einem Rausch mit sich fortgerissen hatte. Direkt in sein luxuriöses Apartment an der South Bank.

Was macht einer der reichsten Männer von Melbourne mit einer Pferdepflegerin? Ein Mädchen, das sein Geld mit Stallausmisten verdient. Und die Arbeit nicht einmal aufgibt, nachdem es in den göttlichen Armen dieses Traummannes gelandet ist.

Oh ja, die Leute hatten über sie geredet. Immer und überall. Und sogar jetzt noch hing ein Raunen und Tuscheln über der Menge, als die formelle Beisetzung vorbei war und die Gesellschaft sich auf den erlesenen Leichenschmaus freute, den Riley in einem Hotel in der Nähe organisiert hatte.

Leider kam etwas von dem bösen Tratsch genau in dem Moment an Mayas Ohr geflogen, als Riley sich noch einmal zu ihr beugte.

Guck sie dir an, Joe ist kaum unter der Erde, da angelt sie sich schon den Nächsten. Und auch noch seinen Bruder! Drunter macht sie es wohl nicht. Ja, es gibt einen Namen für solche Frauen …

Maya erstarrte und warf Riley einen verzweifelten Blick zu. Jetzt musste dieser Mann, den sie kaum kannte, das auch noch mit anhören!

Aber bevor sie einen klaren Gedanken fassen und irgendwie auf die Gemeinheit reagieren konnte, legte Riley ihr einen Arm um die Schultern und griff mit der freien Hand nach dem Kinderwagen.

„Komm, wir gehen“, sagte er nur und schob sie sanft von der gehässigen, bösen Schwätzerin weg.

Die Leute aus Joes Kreisen unterstellten automatisch, dass Mayas Beziehung zu Joe nicht auf Liebe, sondern auf Geld beruht haben musste. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass eine naive, vertrauensvolle junge Frau ihr Herz so schnell an den charmanten Playboy verloren hatte.

Joes Bekannte hatten keine Ahnung davon, wie Maya ihr Leben lang auf einen Ritter in schimmernder Rüstung gewartet hatte, der sie aus allem wegholen und ihr das Happy End aus den zerfledderten Second-Hand-Büchern ihrer Kindheit bescheren würde.

Und nie würden sie verstehen, wie es sich anfühlte, wenn eine Vergangenheit, die Maya für immer vergessen wollte, ihre hässliche Fratze wieder zeigte und die Zukunft ihres Kindes bedrohte.

Am Friedhofsausgang blieb Maya stehen. Sie war Riley dankbar für seine Unterstützung, aber sie brauchte endlich Zeit, um Klarheit in ihr Gefühlschaos zu bekommen. Um mit ihren Schuldgefühlen fertig zu werden und vielleicht in Ruhe trauern zu können.

„Vielen Dank, Riley. Es geht schon. Du musst das nicht tun“, erklärte sie.

Riley trat den Bremshebel an Chas’ Buggy hinunter und wandte sich ihr zu. Er fasste sie aufmunternd an den Oberarmen, und sein Griff tat Maya unerwartet gut. Viel zu gut! Joe hatte sie seit Langem nicht mehr berührt, und ihr ganzes Leben hatte sie sich so nach Zärtlichkeit gesehnt.

„Was muss ich nicht?“, entgegnete Riley. „Die Verlobte meines Bruders und meinen Neffen vor gemeinem, taktlosem Gerede schützen? Jeder Bruder würde das tun.“

„Du bist nicht mein Bruder.“ Die Worte kamen herausgeschossen, ehe Maya richtig überlegen konnte.

Riley schien nun leicht zusammenzuzucken, aber gleichzeitig sah sie etwas in seinen Augen aufblitzen, das sie nicht richtig deuten konnte. Auf den ersten Blick wirkte es fast wie Erleichterung.

Und konnte sie ihm das etwa verübeln? Sicher hatte er nicht die geringste Lust, sich um so einen lästigen Anhang zu kümmern. Genau wie Joe. Immer wieder hatte er ihre Verlobungszeit verlängert und sie mit falschen Versprechen hingehalten. Bis zu dem Abend, an dem er endlich die Wahrheit herausschleuderte.

Sie hatten ein letztes Mal gestritten, und er war zu betrunken gewesen, um noch gerade zu gehen. Geschweige denn, Auto zu fahren.

„Nein, ich bin nicht dein Bruder, aber ich bin für euch beide da“, sagte Riley jetzt und betrachtete Chas mit einem so zärtlichen Blick, dass es Maya kurz den Atem nahm. „Wenn ihr etwas braucht, sag es bitte. Ich will euch helfen.“

„Danke“, brachte sie heraus. Wenn er sie nur nicht die ganze Zeit so mitleidig ansehen würde!

Denn eines hatte Maya im Lauf ihres Lebens gelernt: den Kopf immer möglichst hoch zu tragen. Ihr Stolz war so ziemlich das Einzige, was ihr geblieben war.

„Bist du sicher, dass es geht?“

„Absolut“, entgegnete sie und gab sich alle Mühe, entschieden zu klingen. Bevor sie am Ende doch noch zusammenbrechen und sich an Rileys breiter Schulter ausweinen würde! „Ich bin dir sehr dankbar, dass du dich um das Ganze kümmerst.“

Sie deutete mit einer vagen Geste auf die Menge, die sich langsam in der Ferne verlor. Sie war unendlich erleichtert, dass sie die neugierigen Blicke und hartherzigen Urteile nicht länger ertragen musste. Ihr Leben mit Joe war vorbei, und sie wollte alles tun, damit Chas nicht mit dem Stigma leben musste, das sie zu tragen hatte.

„Kein Problem. Und wenn du irgendetwas brauchst …“ Riley sagte den Satz nicht zu Ende, und sein Blick hing wieder an Chas, als wollte er ihren Sohn nie mehr aus den Augen lassen.

Na, großartig. Noch ein Bourke, der an ihren Fähigkeiten als Mutter zweifelte. Wie oft hatte Joe sie in dem Punkt scherzhaft niedergemacht! Leider hatte Maya schmerzlich erfahren müssen, dass Joes sogenannte „Scherze“ verletzende Attacken waren, die immer genau auf ihre wundesten Punkte zielten.

Sie hatte Joe vertraut und ihm von ihrer Vergangenheit erzählt. Und als es dann mit ihrer Beziehung bergab ging, hatte er das skrupellos ausgenutzt, das Messer gründlich in den Wunden herumgedreht und ihr alles an den Kopf geworfen, was ihre Selbstzweifel und ihre Unsicherheit verstärken konnte.

Nein, Joe fehlte ihr nicht. Sie hatte ihn einmal geliebt und idealisiert, aber das war Vergangenheit. Chas war die Zukunft.

Lächelnd sah Maya zu ihrem Sohn hinunter, der im Schlaf kleine Blasen aus dem Mund blubberte, und sie spürte, wie ein Teil der ganzen Anspannung von ihr abfiel.

„Es wird alles gut“, sagte sie leise und strich Chas zärtlich mit dem Zeigefinger über die weiche Babywange. Dabei durchströmte sie ein warmes Glücksgefühl. Das konnte ihr keiner nehmen!

Und als sie ihren schlafenden Sohn sanft aus seinem Buggy in den Autositz hob, wusste sie, dass sie und Chas es schaffen würden.

Sie hatte ja auch gar keine andere Wahl.

„Dein Bruder muss ein guter Mann gewesen sein“, bemerkte Matt Byrne, der Anwalt, der sich seit ein paar Jahren um Riley Bourkes Vertragsgeschäfte kümmerte. Die beiden Männer standen am Rand des festlichen Saals, den Riley für die Trauergesellschaft seines Bruders gemietet hatte.

Riley verzog das Gesicht und trank noch einen Schluck von seinem dritten Espresso an diesem Nachmittag. „Mein Bruder war alles Mögliche, aber ‚gut‘ ist wohl nicht der richtige Ausdruck.“

Ehrgeizig, ja.

Besessen vom Gewinnen.

Großspurig, draufgängerisch, charmant.

Aber gut – nein.

Matt sah ihn überrascht an. „Nach der beeindruckenden Trauergemeinde zu urteilen, würden manche das wohl anders sehen.“

Riley folgte Matts Blick über die Menge, in der sich einige TV-Stars, Politiker und Models tummelten. Nur Vertreter der Pferderennwelt fehlten auffällig, was Insider angesichts von Joes Wettschulden auch nicht verwunderte.

„Die meisten sind hier, um sich das Gratisessen und den Alkohol abzuholen“, sagte Riley und ärgerte sich sofort über seinen bitteren Tonfall.

Matt wusste nichts von Joes Trinkerei, seiner Schwäche für schöne Frauen und seinem wilden Partyleben. Dabei wollte Riley es gern belassen: Je weniger Leute von Joes privaten Affären wussten, desto besser. Es würde Maya und Chas nur weiteres Gerede ersparen.

Maya … Kurz tauchte vor seinem inneren Auge wieder das Bild der zierlichen blonden Frau auf, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, das Gesicht unter dem riesigen Hut verborgen. Und wie sie ihn mit ihren strahlenden grünen Augen angesehen hatte, als jene grässliche Klatschbase über sie hergezogen war und praktisch ein Flittchen genannt hatte.

Eigentlich war er entschlossen gewesen, Joes Verlobte nicht zu mögen. Auch er hatte mehr oder weniger an die Gerüchte geglaubt, die häufig die Runde machten – dass sie es nur auf Joes Geld abgesehen hatte.

Und dann hatte er dort auf dem Friedhof plötzlich den heftigen Wunsch verspürt, diese Frau, die er kaum kannte, vor dem Getuschel der ganzen Welt zu beschützen. Er wollte sie nur in die Arme nehmen, sie trösten und ihr Mut zuflüstern. Ein Drang, der ihn ganz schön aus der Fassung gebracht hatte.

„Was ist los, Riley? So kenne ich dich gar nicht“, riss der Anwalt ihn aus seinen Grübeleien.

Riley nahm sich zusammen und wandte sich wieder Matt zu. „Hast du Maya gesehen?“

„Ja. Tolle Frau. Sie muss am Boden zerstört sein, dass sie Joe verloren hat. Und der arme kleine Junge …“

„Chas wird es an nichts fehlen. Deshalb habe ich dich hergebeten.“

„Das verstehe ich übrigens immer noch nicht ganz. Ein Kaliber wie Joe hatte doch sicher einen eigenen Anwalt, der sich um sein Testament kümmern kann?“

„Ich hätte gern, dass du das übernimmst“, sagte Riley ruhig. Denn, nein, Joe hatte keinen Anwalt gehabt. Der letzte, der sich an diesen speziellen Job gewagt hatte, war angesichts von Joes Geschäften sehr schnell wieder ausgestiegen und hatte seine Hände in Unschuld gewaschen. „Dann weiß ich, dass alles in Ordnung geht.“

„Danke für die Lorbeeren, mein Lieber. Dabei klingst du, als hättest du in meine Fähigkeiten so viel Vertrauen wie die Frau dort in ihre Aussichten, ohne Bauchlandung zur Tür zu kommen“, sagte Matt belustigt.

Riley lächelte schief, während er dem Supermodel zusah, das gerade auf unglaublich hohen Absätzen schwankend auf die schwere Eichentür zustakste. Die Frau war entweder betrunken oder high oder beides. Ja, sein Bruder hatte sich mit feiner Gesellschaft umgeben.

Kurz entschlossen zog Riley den Anwalt mit sich an das riesige Panoramafenster, außer Hörweite von möglichen Lauschern. „Hör zu, ich habe das Gefühl, Joes Testament könnte eine ziemliche Katastrophe werden.“

Matt verzog keine Miene. Er war ein echter Profi, und gerade deshalb vertraute Riley ihm auch.

„Wie das?“, fragte er nur.

Riley seufzte und zerrte an seinem Krawattenknoten. Er hasste die Dinger, und manchmal träumte er von dem Tag, an dem Börsenmakler zu Jeans und T-Shirts wechseln würden. Der Sankt-Nimmerleins-Tag vermutlich.

„Nur so eine Ahnung, aber ich glaube, Joe ist nicht besonders klug mit seinem Geld umgegangen. Tatsache ist, ich weiß nicht, ob noch viel übrig war.“

Diesmal konnte Matt seine Überraschung nicht verbergen. „Machst du Witze? Er galt als einer der reichsten Männer von Melbourne. Und du bist auch kein armer Schlucker. Der Name Bourke steht doch für Geld.“

„Ich fürchte, Joe hat schon seit einer Weile von seinem Namen gelebt.“

Und dabei, so oft es ging, seinen großen Bruder angepumpt. Ohne zu zögern hatte Riley seinem leichtsinnigen Bruder immer wieder ausgeholfen und gehofft, er würde sich ändern, reifer werden, nachdem er Vater geworden war. Aber da hatte er sich gründlich getäuscht.

„Was ist mit Maya und dem Kind?“

„Sie kommen wohl fürs Erste über die Runden. Sie haben das Apartment, und Maya hat zu Chas’ Geburt ein neues Auto bekommen. Ich nehme an, die Rechnungen sind bezahlt.“

Oder genauer: Riley hatte Joe das Geld dafür gegeben. Natürlich hätte er einschreiten und hart bleiben müssen. Aber was wäre dann aus dem kleinen Chas geworden, der sich seine Eltern ja nicht ausgesucht hatte?

„Du denkst, außer Wohnung und Auto hat Joe den beiden vielleicht nichts hinterlassen?“

„Genau.“

Matt schwieg und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Dann sah er Riley aufmerksam an. „Du machst dir wirklich Sorgen um sie, stimmt’s?“

Riley nickte und versuchte schon wieder, ein Bild vor seinem inneren Auge zu vertreiben, bevor es sich weiter einnisten konnte: Maya mit dem schlafenden Chas in den Armen und einem leisen, stolzen Lächeln um den Mund. Ein Mund, der ihn absolut nichts anging.

„Dann wollen wir hoffen, es wendet sich alles zum Guten. Für alle Beteiligten“, bemerkte Matt.

Unter seinem scharfen Blick, der direkt in ihn hineinzusehen schien, zuckte Riley nervös zusammen. Was für ein Durcheinander!

Er musste mehr wissen.

Er musste helfen.

Das war das Mindeste, angesichts der Rolle, die er selbst bei dem Tod seines Bruders gespielt hatte.

2. KAPITEL

Maya stieg aus der Badewanne und wickelte sich schnell in ein großes Frotteetuch.

Joe hatten die Veränderungen an ihrem Körper nach der Geburt gestört: die Schwangerschaftsstreifen, die neue Gewichtsverteilung, die veränderten Formen ganz allgemein. Und das hatte er ihr immer wieder gesagt.

Sie hatte sich angewöhnt, ihren Körper vor ihm zu verbergen, und Schlabberkleider getragen, um sich besser zu fühlen.

Aber trotzdem zog Joe jedes Mal vom Leder, wenn er in Fahrt war, und leider hatte er sich seit Chas’ Geburt auf einem Dauerfeldzug befunden. Dem „Zahl-es-Maya-heim“-Kreuzzug.

Jetzt schlang Maya sich ein Handtuch turbanartig um das lange blonde Haar und schlüpfte in ihren rosa Lieblingsbademantel und die flauschigen rosa Prinzessinnen-Pantoffeln.

Sie war auf dieser Welt wahrhaftig keine Prinzessin, aber in der Sekunde, als sie die verrückten Pantoffeln in dem Laden erblickte, hatte sie ihr Herz an sie verloren. Wenn man seinen Alltag in Reithosen und schmutzigen T-Shirts zubrachte, konnte man schon einen Komplex entwickeln, und zum Ausgleich überkam sie manchmal der Drang, die ausgefallensten, mädchenhaftesten Sachen zu kaufen.

Vorsichtig ging sie zum Kinderzimmer und warf einen Blick hinein. Sie konnte nie genug bekommen von ihrem Kleinen, selbst wenn er schlief. Er sah so friedlich aus, wie er da auf dem Bauch lag, den Po in die Luft gereckt, und leise vor sich hin schnaufte. Ein kleiner Engel, der frei war von den Sorgen dieser Welt. Und sie wollte alles dafür tun, dass es so blieb. Alles.

Auf Zehenspitzen trat sie näher ans Bett und sog den feinen Duft von Babypuder ein, während ihre Augen sich an das Halbdunkel gewöhnten. Das Bärchen-Nachtlicht leuchtete sanft in der Steckdose, und sie genoss jeden kostbaren Augenblick.

Chas war der Mittelpunkt ihres Lebens. Sie liebte die Pferde, mit denen sie täglich zu tun hatte, aber das war nichts im Vergleich zu der überwältigenden Liebe, die sie zu diesem kleinen Jungen verspürte. Ihr Kind. Manchmal machte dieses Gefühl ihr fast Angst, so stark war es. Aber sie war völlig machtlos dagegen.

„Ma-ma“, brabbelte Chas im Schlaf, drehte sich hin und her und grub sich tiefer in sein Bettchen, bis er es wieder bequem hatte.

Maya hatte den Atem angehalten, um ihn auf keinen Fall zu wecken. Denn jetzt brauchte sie selbst auch endlich Schlaf. Sie wollte nur noch eine heiße Schokolade trinken, ins Bett sinken und dann beten, dass ihr die Augen zufielen. In den letzten Monaten ihres angespannten, unfrohen Zusammenlebens mit Joe hatte sie nicht besonders viel geschlafen.

Sie füllte gerade in der Küche den Wasserkocher, als es leise an der Wohnungstür klopfte.

Wer konnte das nur sein? Um halb neun abends, am Tag von Joes Beerdigung? Niemand kam sie je besuchen. Ihre Mutter lebte in einer speziellen Einrichtung, und die Leute von der Arbeit waren gute Kollegen, nichts weiter. Andere Freunde oder Bekannte hatte sie nicht.

Da sie schon fast im Stehen einschlief, beschloss sie, den ungebetenen Klopfer einfach zu ignorieren. Sie schaltete den Wasserkocher ein, nahm einen Löffel und häufte sich drei großzügige Ladungen Kakao in einen Becher.

Aber da klopfte es wieder, diesmal ein wenig lauter. Maya stieß einen Seufzer aus und ging zur Tür, bevor das Klopfen noch Chas aufwecken konnte.

Sie zog die Tür mit der vorgelegten Kette einen Spalt auf und spähte hinaus. Im Treppenhaus stand Riley.

„Was machst du denn hier?“ Das entfuhr ihr schärfer, als sie beabsichtigt hatte, und Riley straffte sich sichtlich.

„Ich wollte nur sichergehen, dass bei euch alles in Ordnung ist. Nach dem ganzen …“ Er brach ab und wirkte überraschend unsicher für einen der Besten seiner Branche, einen der führenden Börsenmakler Australiens.

Offenbar hatte Maya diesen Effekt auf die Männer der Bourke-Familie. Als die erste Leidenschaft verflogen war, war Joe unsicher in allem gewesen, was sie betraf: unsicher, ob sie die Richtige für ihn war, unsicher, ob er sie heiraten wollte, unsicher, ob er überhaupt noch etwas mit ihr und ihrem Kind, wie er betonte, zu tun haben wollte.

„Mir geht es gut“, entgegnete sie abwehrend. Die Erinnerung an Joes ablehnende Haltung gegenüber Chas tat immer noch zu weh.

Riley erwiderte wortlos ihren Blick.

Was hatte dieser Mann nur an sich, dass sie sich in seiner Gegenwart so klein und hilflos fühlte? Es war ihr von Anfang an so ergangen, als er wenige Stunden nach Joes Tod in ihrem Apartment aufgetaucht war und alles in die Hand genommen hatte. Wie ein König hatte er mit seinem Handy Anweisungen gegeben, organisiert und Aufgaben verteilt. Sie war damals in einem solchen Schockzustand gewesen, dass sie ihn einfach machen ließ.

Wo immer er auftauchte, wirkte er klüger, stärker und größer als alle anderen in seiner Umgebung, und es schien nichts auf der Welt zu geben, das er nicht in den Griff bekommen konnte. Auf gewisse Art schüchterte er sie ein.

Ja, er hatte sie eigentlich schon eingeschüchtert, als sie ihn zum ersten Mal sah. Das war an jenem verhängnisvollen Abend auf dem Cup-Ball gewesen. Bevor Joe auf der Bildfläche erschienen war und sie seinen ernsten, wenn auch genauso süßen großen Bruder dann kaum noch wahrgenommen hatte.

Süß. Was für ein Witz. Nichts an Riley war süß. Mit dem dunklen Haar, den strahlend blauen Augen und seiner athletischen, hochgewachsenen Erscheinung war er vor allem eines: ungeheuer beeindruckend.

„Bist du sicher, dass du zurechtkommst? Du klingst nicht unbedingt so.“ Riley hatte sich nicht von der Stelle gerührt, und an seinem entschlossenen Gesichtsausdruck erkannte Maya, dass er nicht einfach wieder gehen würde.

Mit einem leisen Seufzer löste sie die Vorhängekette und öffnete die Tür ganz. „Du täuschst dich. Aber ich sehe, du hast es nicht eilig, also kannst du auch reinkommen und eine Tasse Kakao mit mir trinken.“

„Nicht die herzlichste Einladung aller Zeiten, aber du hast recht, ich gehe erst, wenn ich sicher bin, dass alles in Ordnung ist.“

„Was willst du dann die nächsten zwanzig Jahre machen?“, murmelte Maya.

Zum Glück ignorierte Riley ihren Sarkasmus und folgte ihr wortlos in die Küche. Seine Anwesenheit ließ den kleinen Raum aus Chrom und Schwarz plötzlich noch winziger erscheinen.

„Was möchtest du?“

„Instantkaffee vielleicht?“, sagte er.

Dabei nahm er sich schon die Dose mit dem Kaffeegranulat von der Anrichte und einen sauberen Becher vom Abtropfbecken und wirkte in ihrer Küche mehr zu Hause, als Joe jemals auch nur annähernd gewirkt hatte.

Hör auf, ihn mit Joe zu vergleichen!

Maya blinzelte krampfhaft. Aber die Gedanken verselbstständigten sich. Das musste die Müdigkeit sein.

Joe … Joe war großspurig, draufgängerisch und immer für einen Spaß zu haben gewesen.

Riley schien ernst, ruhig und ziemlich zugeknöpft.

Joe hatte das Rampenlicht gesucht und es genossen, im Mittelpunkt zu stehen.

Riley verschwand im Hintergrund und zog die Fäden hinter den Kulissen.

Joe war vom Gewinnen besessen gewesen.

Nach allem zu urteilen, war Riley ein Gewinner. Sein Ruf in der Finanzwelt sprach für sich.

Es gab nur ein Gebiet, auf dem man die Brüder nicht vergleichen konnte. Joe hatte gesagt, er liebte sie. Auch wenn sie inzwischen wusste, dass das nicht wahr gewesen war.

Riley nahm sie eindeutig um seines Neffen willen in Kauf. Nach Joes Tod und heute bei der Beerdigung hatte Maya das Misstrauen, die Neugier und das Mitleid in seinem Blick gesehen.

Es war schrecklich! Wahrscheinlich hielt er sie für ein Nervenbündel.

Aber wenigstens war er für sie und Chas da gewesen, als sie ihn am meisten gebraucht hatte, und das war mehr, als sie von irgendjemandem in ihrem Leben sagen konnte. Einschließlich ihrer eigenen Mutter.

„Wie war es bei der Trauerfeier?“, fragte sie jetzt, weniger aus brennendem Interesse, als um die wachsende Stille zu brechen.

Riley winkte ab. „Die Leute sind geblieben, solange es Häppchen und Alkohol gab. Ein paar Kumpel erzählten noch ein paar von Joes Geschichten. Mehr war es nicht.“

„Dann hat mich ja keiner vermisst.“ Maya konnte ihren ironischen Tonfall nicht verhindern. Aber in Rileys Augen flackerte zur Antwort etwas Dunkles, Rätselhaftes, das sie nicht deuten konnte.

„Joe wusste, dass du ihn geliebt hast. Er hätte dich nicht mit seinen falschen Freunden zusammen sehen müssen, um das zu beweisen“, sagte er ernst.

„Stimmt wohl.“ Dabei spürte Maya, wie ein schuldbewusster, scharfer Stich sie durchfuhr. Selbst in ihrem tiefsten Innern fiel es ihr schwer, der erschreckenden Wahrheit ins Gesicht zu sehen: Sie hatte Joe nicht geliebt.

Am Anfang, ja. Zumindest hatte sie das Gefühl für Liebe gehalten. Sie war verliebt gewesen, hingerissen, berauscht. Sie war so naiv und so ahnungslos gewesen, was Männer anging, dass sie dem ersten tollen Mann, der sie eines Blickes würdigte, restlos verfiel. Sie hing an jedem Wort seiner glatten Reden, weil sie an die große Liebe glauben wollte.

„Hör zu, es geht mich nichts an, aber ich weiß, dass ihr beiden Probleme hattet“, fuhr Riley plötzlich fort. „Ich hoffe, du machst dir jetzt deshalb keine Vorwürfe. Joe war spontan, amüsant und leidenschaftlich. Aber er konnte auch ein egoistischer Hund sein.“

Maya fragte nicht, woher Riley von ihren Beziehungsproblemen mit Joe wusste. Es hing unausgesprochen in der angespannten, unbehaglichen Stille zwischen ihnen, und erleichtert sprang sie auf, als der Wasserkocher piepste.

Autor

Nicola Marsh
Als Mädchen hat Nicola Marsh davon geträumt Journalistin zu werden und um die Welt zu reisen, immer auf der Suche nach der nächsten großen Story. Stattdessen hat sie sich für eine Karriere in der Gesundheitsindustrie entschieden und arbeitete dreizehn Jahre als Physiotherapeutin

Doch der Wunsch zu schreiben ließ sie nicht los...
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