Heiße Affäre im Paradies

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Für ihren Job gibt die hübsche Ellie alles. Beherzt fliegt sie mit dem berüchtigten Playboy-Milliardär Niccolo Rossi auf die Bahamas. Sie soll für sein Luxus-Resort eine Werbekampagane entwickeln, Zielgruppe: wohlhabende Singles, die in dem Inselparadies nach Liebe und Leidenschaft suchen. Undercover recherchiert sie - und muss sich zur Tarnung als Niccolos Geliebte ausgeben! Dabei geschieht es: Sie erliegt seinem männlichen Sex-Appeal. Obwohl sie doch genau weiß, dass er grundsätzlich nur an kurzen Affären interessiert ist …


  • Erscheinungstag 31.07.2018
  • Bandnummer 2347
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710316
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Mr. Rossi ist im Fitnessstudio.“ Die kühle Blondine hinter dem stylischen Schreibtisch im sechsstöckigen Glaspalast des europäischen Hauptquartiers von Niccolo Rossi sah kurz vom PC-Monitor hoch, ohne die Spur eines Lächelns.

„Im Fitnessstudio?“ Hatte sie sich im Datum geirrt? „Aber ich bin mit ihm verabredet.“ Ellie umfasste ihren Aktenkoffer etwas fester.

„Unteres Stockwerk, die Aufzüge sind da links.“ Die Sekretärin tippte entnervt mit einem langen, scharlachroten Fingernagel auf die polierte Tischplatte vor ihr. „Sie werden bereits erwartet. Mr. Rossi ist ein sehr beschäftigter Mann. Er hat zwanzig Minuten für Sie reserviert.“

Ellies Lippen wurden schmal. Wenn man zwischen den Zeilen las, war die Botschaft unmissverständlich: Spute dich, denn Zeit ist Geld für Niccolo Rossi. Und: Du solltest dich glücklich schätzen, überhaupt empfangen zu werden.

Im Stillen fragte sich Ellie, ob es zu den Aufgaben der kalten Schönheit vor ihr gehörte, als einschüchternde und abschreckende Eisbarriere zwischen ihrem Boss und der Außenwelt zu fungieren. Möglich wäre es. Niccolo Rossis Ruf als skrupelloser Playboy mit einer Vorliebe für Topmodels und kurzfristigen Beziehungen war geradezu legendär. Ein Paradebeispiel für die Sorte Mann, die ihre Gespielinnen wie eine heiße Kartoffel fallen ließ, sobald der Spaß für sie endete.

Es war noch keine vier Wochen her, dass sie in einer Klatsch-Illustrierten im Zusammenhang mit dem Namen Niccolo Rossi auf das Bild einer atemberaubenden Sirene gestoßen war, die sich hinter einer übergroßen Sonnenbrille versteckte. Untertitelt war das Foto mit der Mutmaßung, sie wolle der Welt nach einer grausamen Trennung von dem Millionär nicht ihre vom Weinen verquollenen Augen zeigen.

Ellie hatte den Mann noch nie persönlich getroffen, brauchte aber nicht viel Fantasie, um sich ein Bild von ihm zu machen: jung, reich und mächtig. Durchaus attraktiv, wenn man auf diesen klassisch mediterranen Typ stand. Vordergründig charmant, hinter der glamourösen Fassade mit Vorsicht zu genießen.

Ein Ausbund an Ichbezogenheit und Arroganz, dem die Befindlichkeit anderer Menschen offenbar gleichgültig war, weshalb er sie jetzt auch anstatt am Konferenztisch im Gym empfing … mit einem Auge in Richtung Uhr.

Nicht unbedingt ideale Voraussetzungen.

Aber jetzt hatte sie sich bereits so weit nach vorn gewagt, dass Kneifen auch keine Option war. Immerhin hatte sie eine beachtliche Erfolgsbilanz aufzuweisen und bereits zwei beeindruckende Klienten ergattern und von ihrer Kompetenz überzeugen können. Ein Blitzstart, der ihr auf der angestrebten Karriereleiter einen ordentlichen Schub nach oben gegeben hatte.

Hoch motiviert und mit einer gehörigen Portion Ehrgeiz ausgestattet, wollte Ellie heute sich selbst und ihren beiden Partnern im kleinen Start-up Marketingunternehmen ihren Wert beweisen, indem sie diesen Goldjungen als Neukunden gewann.

Jeden Cent ihres kleinen Erbes von den Großeltern hatte sie der Bank als Sicherheit für das notwendige Darlehen angedient, um die Firmeneinlage erbringen zu können, die sie zur gleichberechtigten Partnerin machte. Und das, obwohl sie viel jünger und unerfahrener war als ihre Mitstreiter. Fest stand, dass sie noch eine Menge zu lernen und zu leisten hatte, bevor sie sich mit ihnen auf Augenhöhe befand.

Dieser Deal wäre sozusagen die Feder an ihrem Hut, obwohl Stephen weiterhin den vertrauenserweckenden Part symbolisieren würde. Allerdings konnte er ihre Aktivitäten momentan nur aus dem Hintergrund verfolgen und sich für Fragen oder anstehende Problemlösungen bereithalten. Das geschah nicht freiwillig, sondern lag daran, dass seine Mutter am Abend zuvor überraschend in eine Klinik eingeliefert wurde. Gerade jetzt wachte Stephen Prost an ihrem Krankenbett. Und Adam, ihr anderer Partner, konnte unmöglich die Agentur unbesetzt lassen, nur um ihr Beistand zu leisten.

Ich brauche niemand, der Händchen hält, hatte Ellie vollmundig behauptet. Allerdings war das vor Änderung des Schauplatzes und der avisierten Stoppuhr gewesen …

Sie dachte an die mühevolle Ausarbeitung der Werbekampagne für Niccolo Rossi. Sie hatte weitaus mehr Stunden als gewöhnlich in diesen Job investieren müssen, weil die Anforderungen extrem groß und vielschichtig waren. Zunächst hatte sie ausgiebig recherchiert und jeden Fetzen Information über dieses exklusive Ferienresort in der Karibik zusammengetragen, das dank seiner Lage eigentlich schon für sich selbst sprach. Und sich dann den Kopf über ausgefallene Strategien zermartert, um die exklusive, megareiche Klientel anzusprechen, auf die Mr. Rossi es offensichtlich abgesehen hatte.

Und jetzt wurden ihr gerade mal zwanzig Minuten gewährt!

In dem Moment, als sie die schwere Glastür aufschob, traf sie die Hitze im Gym wie ein Fausthieb. Sie ließ ihren Blick über die stattliche Ansammlung furchterregender Maschinen zu der Reihe von Box-Säcken vor einer verspiegelten Wand schweifen. Dann entdeckte sie einen schweißgebadeten Mann, der nach ihrem Empfinden ungeheuerliche Gewichte stemmte, und sog scharf den Atem ein.

Niccolo Rossi.

Er glich so gar nicht dem Mann auf den grob gepixelten Fotos, die sie während ihrer Recherche gefunden hatte. Zunächst einmal war er auf allen Zeitungsfotos vollständig angezogen gewesen. Hier, im Fitnessstudio, trug er schwarze Shorts zum schlichten T-Shirt und stand mit dem Rücken zu ihr. Und während er konzentriert die Langhantel mit den massiven Stahlscheiben vom Boden bis zur Hüfte anhob, weiter hinauf zu den breiten Schultern brachte und schließlich mit gestreckten Armen über den Kopf hochstemmte, verfolgte sie atemlos das faszinierende Muskelspiel unter der glänzenden Haut.

Ellie stand, immer noch im Mantel, wie angewurzelt in der halb offenen Tür und spürte den Schweiß, der als kleines Rinnsal entlang ihrer Wirbelsäule rann.

Angezogen hatte sie sich passend für einen kalten Wintertag. Blickdichte schwarze Strumpfhosen, edle Pumps zum schwarzen Bleistiftrock und zur klassischen weißen Bluse, die nicht ganz bis zum Hals zugeknöpft war. Das perfekte Outfit für ein Meeting mit Anzugträgern, in einem nüchternen Sitzungssaal mit Flipchart oder einer Projektionswand.

Hier, inmitten dieser testosterongeschwängerten Atmosphäre kam sie sich lächerlich und völlig fehl am Platz vor.

Reiß dich zusammen! rief sie sich zur Ordnung.

Sie war hergekommen, um einen wichtigen Deal für die Agentur abzuschließen, und allein darauf wollte sie sich konzentrieren. Natürlich hätte sie sich mehr Zeit gewünscht, als gerade mal zwanzig … inzwischen vielleicht auch nur noch fünfzehn Minuten. Aber da sie Profi war, sollte es ihr gelingen, alle unnötigen Informationen herauszufiltern und trotzdem ihre Ideen und Strategien im attraktiv engen Rahmen zu präsentieren.

Sie hatte keine Wahl.

Außerdem gab es eine perfekt zusammengestellte Mappe mit dem vollständigen Konzept und reichlich Bildmaterial. Sie verließ sich grundsätzlich nicht darauf, dass sich Kunden an alles erinnerten, was sie ihnen erläuterte. Bisher hatte sich ihre Taktik ausgezahlt, warum sollte es hier anders sein?

Ellie holte tief Luft, schob das Kinn vor und steuerte auf Niccolo zu.

Ihre Absätze klackerten im scharfen Stakkato über den Holzboden. Wenn Mr. Rossi sie bisher noch nicht wahrgenommen hatte, tat er es spätestens jetzt. Als er die Hantelstange mit einem scheppernden Geräusch auf die Matte knallen ließ, fuhr sie instinktiv zusammen.

Dann wandte er sich um, und ihr stockte der Atem. Dafür schien sich ihr Blut in glühende Lava verwandelt zu haben, und die sorgfältig vorbereitete Ansprache verlor sich im Dunst, der plötzlich ihr Gehirn umnebelte.

Verflixt, damit hatte sie nicht gerechnet, hier und heute dem attraktivsten Mann gegenüberzustehen, der ihr je begegnet war. Einem Adonis in Aktion: Die perfekt definierten bronzefarbenen Muskeln glänzten vor Schweiß, das dunkle Haar war feucht und so lang, dass es ihm bis in die Augen fiel. Die waren nachtschwarz und umrahmt von den dichtesten und längsten Wimpern, die sie je bei einem Mann gesehen hatte.

Ellie schluckte mühsam und umklammerte ihren Aktenkoffer jetzt wie einen Rettungsanker. Nur mit äußerster Willensanstrengung konnte sie sich daran hindern, ihren dicken Mantel einfach abzuschütteln, in dem sie zu ersticken drohte …

Beängstigend war vor allem, dass es sich hier nicht einfach um den bekannten mediterranen Prototyp handelte: groß, dunkel, attraktiv. Dieses Exemplar war viel gefährlicher. Ausgestattet mit diesem unverhohlenen, kompromisslosen Sex-Appeal, der Frauen dazu brachte, sämtliche guten Vorsätze zu vergessen …

„Eleanor Wilson …“, stellte sie sich etwas zu laut und mit viel zu hoher Stimme vor. „Miss Wilson.“

Sein indifferenter Gesichtsausdruck wandelte sich zu vager Belustigung. „Miss Eleanor Wilson also …“, murmelte er gedehnt, griff nach einem Handtuch und fuhr sich übers schweißnasse Gesicht, bevor er es um den Nacken legte. Dabei musterte er sie ungeniert von Kopf bis Fuß und hob dann fragend die Brauen. „Und wo ist der Rest Ihrer Firma?“

„Ich fürchte, Sie müssen mit mir Vorlieb nehmen“, informierte sie ihn steif. „Stephen Prost, mein Geschäftspartner, ist durch einen persönlichen Notfall verhindert. Ich will nicht unhöflich sein, muss aber zugeben, dass mich ein Gym als Konferenzraum etwas befremdet“, revanchierte sie sich für seine mehr als offene Art. „Gibt es hier keinen passenderen Ort?“, fragte sie mit einem bezeichnenden Rundumblick.

Mr. Rossi erwartete doch wohl nicht, dass sie ihm ihre sorgfältig zusammengestellten Unterlagen auf dem Laufband oder der Hantelbank präsentierte.

In den dunklen Augen blitzte es kurz auf. „Sie sollten Ihren Mantel ablegen“, riet er sanft. „Ihnen muss doch schrecklich heiß sein.“

„Ich hatte nicht erwartet, in einem Fitnessstudio empfangen zu werden.“

Niccolo Rossi zuckte mit den Schultern. „Jetzt sind Sie hier und sollten sich auf die Gegebenheiten einstellen. Also los …“ Damit wandte er sich um.

Widerstrebend folgte sie ihm in den rückwärtigen Teil des Gyms, wo offenbar die Umkleideräume lagen. Als er zielgerichtet darauf zusteuerte, warf Ellie einen sehnsüchtigen Blick über die Schulter in Richtung Tür, durch die sie eben gekommen war. Das gesamte Ambiente und die unerwartete Situation lagen so weit außerhalb ihrer Komfortzone, dass sie am liebsten geflüchtet wäre.

Ihre Kindheit mit ihren freiheitsliebenden Hippieeltern hatte ihre Spuren hinterlassen und sie sehr früh und nachhaltig geprägt. Ellie hielt viel von Regeln, Ordnung, Normen und Ritualen, die das Leben strukturierten und übersichtlich machten. Ihre Kindheit hatte sie quasi als Globetrotter verbracht, von Indien über Australien und Neuseeland, dann mit einem Sprung Richtung Europa nach Griechenland, Spanien und schließlich Ibiza. Schulen kannte sie hauptsächlich vom Hörensagen, da Routine und Spießigkeit als Feindbild galten.

In Ellie hatte das aufgezwungene Nomadenleben einen tiefen Wunsch nach Stabilität geweckt. Sie war vierzehn, als ihre Eltern spontan entschieden, der ultimativen Freiheit ausreichend gefrönt zu haben. Seither klammerte sie sich geradezu fanatisch an ein festes Zuhause.

Sie war eine leidenschaftliche Verfechterin von Zuverlässigkeit und Beständigkeit, garniert mit aufregenden Ideen und kreativen Impulsen, die Ellie von ihren Künstler-Eltern übernommen hatte. Diese ungewöhnliche Kombination brachte ihr den ersten Job bei einer großen Werbeagentur ein. Nach gar nicht allzu langer Zeit ergab sich die Chance, zusammen mit Stephen und Adam, zwei ehrgeizigen CEOs dieser Firma, eine eigene Agentur zu gründen. Es war das größte Risiko, das sie je eingegangen war. Doch ihr Bauchgefühl, das sie bisher so gut wie nie getrogen hatte, signalisierte Ellie gute Chancen, eine Nische in dieser ebenso lukrativen wie umkämpften Branche erobern zu können.

Und da sie nichts dem Zufall überließ, hatte sie sich auch auf diesen wichtigen Termin mit äußerster Sorgfalt und vollem Einsatz vorbereitet und eine Mappe erstellt, die es wert war, in einem adäquaten Rahmen präsentiert zu werden.

Mit weit weniger Enthusiasmus als zuvor musterte sie ihren potenziellen Auftraggeber erneut von Kopf bis Fuß. Keine Frage, auch auf den zweiten Blick war er ein Bild von Mann … allerdings einer, der offenbar nichts von Regeln und Konventionen hielt. Einen Fitnessraum zum Konferenzzimmer zu erklären war schon schlimm genug. Aber das Meeting dann auch noch in eine Umkleidekabine zu verlegen, zweifellos ein Affront, zumindest in ihren Augen.

Nico wandte sich ihr voll zu, und hielt mit beiden Händen das Handtuch, das um seinen Nacken lag, umschlungen. Unter normalen Umständen wäre er nie auf die Idee verfallen, dieses Meeting hier im Gym abzuhalten, doch heute Morgen war er viel zu spät im Büro angekommen. Erst um acht, anstatt wie üblich um sechs.

Um seine Laune stand es auch nicht zum Besten.

Erst hatte sich seine letzte Ex-Geliebte in der Yellow Press ebenso hemmungslos wie detailliert über ihre Affäre ausgelassen, dann rückten ihm auch noch seine Mutter und drei Schwestern auf die Pelle, um ihn mit Vorwürfen wegen seines angeblich zu bunten und wilden Liebeslebens zu überhäufen.

Und das während des gemeinsamen Abendessens bei seiner Mutter, bei dem er eigentlich nur die Kochkünste ihres talentierten Privatkochs hatte genießen wollen.

Stattdessen sah er sich mit einer Art Familiengericht konfrontiert, bestehend aus den vier starken Frauen seiner Familie. Und jede von ihnen hatte eine ganz eigene Meinung über seinen Geschmack, was seine Dates betraf.

Kein Wunder, dass er verschlafen hatte!

Als er heute Morgen ins Büro kam, beherrschte ihn ein einziger Gedanke: Er musste so schnell wie möglich Sport treiben, um seinen Stress und Frust an Boxsack und Hantelstange abzuarbeiten. Ein hartes Workout war in seinen Augen die beste Methode, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Und jetzt das! Mit einer Frau als erstem Termin hatte er absolut nicht gerechnet. Und schon gar nicht mit einer, die aussah, als würde sie die ganze Zeit auf Zitronenscheiben kauen. Gerade jetzt starrte sie ihn mit einer Mischung aus Missbilligung und Bestürzung an, die ihn fatal an die gestrige Familieninquisition erinnerte.

Ihren Mantel hatte sie trotz der herrschenden Hitze immer noch nicht abgelegt. Das brünette Haar trug sie in einem strengen Knoten zusammengezwirbelt, und mit der passenden Hornbrille auf der zierlichen Nase hätte sie die perfekte Internatsleiterin abgegeben.

Allerdings musste er zugeben, dass die großen Augen in einer interessanten Nuance von Haselnussbraun leuchteten, garniert mit goldgrünen Fünkchen, und ihre Lippen, die sie zu einer unerbittlichen dünnen Linie zusammenpresste, normalerweise eher voll und weichgeschwungen sein müssten.

„Was ist?“, fragte er. „Worauf warten Sie?“

Wenn möglich wurden ihre Lippen noch schmaler. „Ich halte es nicht für angemessen, ein Geschäftsmeeting mit Ihnen in der Umkleidekabine abzuhalten.“

Oh je … und jetzt? Wie Sie sehen, bin ich nun mal nicht im Anzug. Und nach anderthalb Stunden Training muss ich unbedingt aus meiner verschwitzten Kluft raus.“

Auf Ellies Wangen brannten zwei kreisrunde rote Flecken. Ihre Haut kribbelte, als stünde sie zu nah an einer offenen Flamme, und als Reaktion darauf umklammerte sie ihren Aktenkoffer nur noch fester.

Niccolo Rossi lehnte lässig in der halb offenen Tür und beobachtete sie.

„Vielleicht könnte ich in Ihrem Büro auf Sie warten“, schlug Ellie vor und starrte ihm ins Gesicht, weil ihr das unter den herrschenden Umständen als das Sicherste erschien. Noch mehr von diesem kraftvollen Männerkörper, mit den schwellenden Muskeln unter der schweißglänzenden, bronzefarbenen Haut, und sie würde …

„Ich fürchte, so viel Zeit bleibt uns nicht.“ Jede Verbindlichkeit war aus seiner Stimme verschwunden. „Wenn Ihre Agentur immer noch an dem Auftrag interessiert sein sollte, überwinden Sie Ihr Unbehagen bezüglich meiner Aufmachung und nehmen hier und jetzt mit mir vorlieb.“

„Ich … diese Situation erscheint mir ausgesprochen … unkonventionell.“

Niccolo legte den Kopf schief und lächelte zynisch. „Verstehen Sie sich etwa als Verfechterin von Konventionen?“

Damit traf er sie an ihrer empfindlichsten Stelle. „So ist es“, stellte Ellie mit vorgeschobenem Kinn und funkelndem Blick klar. Wenn ihre Hippie-Eltern ihr etwas mitgegeben hatten, dann die Erkenntnis, wie wichtig Sitten und Gebräuche waren.

Ihr Gegenüber schien das zu belustigen.

Niccolo lachte amüsiert. Wie alt mochte sie sein? Vermutlich irgendwo in den Zwanzigern. Allerdings, in diesem Outfit und mit ihrer zimperlichen Art wirkte sie eher wie ihre eigene Großmutter. Ihre Mitbewerber, die er bisher interviewt hatte, waren durchweg modisch und trendy gewesen. Unter Garantie hätte auch keiner von ihnen Anstoß an einem Meeting im Fitnessstudio genommen, sondern es eher cool gefunden … besonders die Frauen.

Was Niccolo allerdings wunderte, war der Umstand, dass er selbst sich immer mehr für die absurde Situation zu erwärmen begann.

„Nun, wenigstens sind Sie aufrichtig“, sagte er gedehnt. „Und nahezu wagemutig, angesichts der Tatsache, dass ich mich in der Nähe von Menschen, die sich an Regeln und Vorschriften halten, selten in Bestform zeige. Ich mag Leute, die über den Tellerrand schauen können.“

„Das eine schließt das andere nicht aus“, erklärte Ellie schmallippig, senkte den Blick und blieb ausgerechnet an der Stelle hängen, wo sein schwarzes T-Shirt endete und einen Streifen dunkler Härchen auf dem flachen Bauch erkennen ließ, bevor der Hosenbund begann. „Wobei ich noch einmal betonen möchte, dass ich selbst ganz fest an Regeln und Vorschriften glaube …“, fügte sie heiser hinzu und fuhr sich unbewusst mit der Zungenspitze über die Unterlippe.

Dann gab sie sich einen Ruck und hob den Kopf.

„Egal, welches Bild Sie sich jetzt von mir gemacht haben, versichere ich Ihnen, dass ich ebenso flexibel wie fähig bin, die Dynamik zu erzeugen, die Sie in Ihrer Werbekampagne sehen wollen. Wir mögen im Vergleich zu unseren Konkurrenten eine kleine Agentur und relative Neulinge in diesem Segment sein, was wir selbst allerdings als echten Vorteil und Gewinn ansehen … und zwar für beide Seiten. Social Media in allen erdenklichen Spielarten ist das wichtigste Instrument, wenn es darum geht, Innovation und Tradition auf einen Nenner zu bringen und …“

„Danke für das eindrucksvolle Entree“, unterbrach Niccolo sie rüde und stieß sich vom Türrahmen ab. „Aber ich muss jetzt endlich raus aus diesen verschwitzten Klamotten.“ Damit marschierte er los, und Ellie folgte ihm auf unsicheren Beinen und mit klopfendem Herzen in einen mit Marmor gefliesten Raum, mit zwei verspiegelten Wänden. „Sie können ja weiterhin versuchen, mich zu überzeugen, während ich mich frisch mache“, warf er über die Schulter zurück.

Ellie schluckte krampfhaft und versuchte ihr aufgelöstes Konterfei, das ihr von allen Seiten entgegenblickte, zu ignorieren. Sie spürte, wie ihr Herz sank, angesichts des klaren Statements ihres potenziellen Auftraggebers. Wenn sie ihn richtig interpretierte, dann hielt er Menschen, die sich an Regeln und Vorschriften orientierten, für Langweiler. Und damit ja auch wohl sie …

Wenn er also die ungezähmte und unberechenbare Raubkatze symbolisierte, dann blieb ihr wohl nur die Rolle als ängstlicher Spatz, oben auf einem sicheren Ast.

Okay, was ihr Outfit anging, konnte sie ihn nicht wegen eventueller Vorurteile tadeln. Ihre Figur mochte auch eher durchschnittlich als aufregend sein, da sie weder über die üppigen Kurven einer Sexbombe verfügte, noch mit androgynem Schick aufwarten konnte. Sie war einfach nur … schlank, und ihr Busen ihrer eigener Meinung nach zu klein.

Aber was ihre Kompetenz betraf, füllte sie eine echte Nische aus. Diverse Klienten zeigten sich beeindruckt von ihrer Gradlinigkeit, Flexibilität und Akribie und waren, nach eigener Aussage, bezaubert von ihren kreativen Geistesblitzen, die ihre Kampagnen auszeichneten und ihnen, quasi als Gütesiegel, ein Alleinstellungsmerkmal verliehen.

Doch wie es im Moment aussah, würde Niccolo Rossi wohl nie zum Kreis der beeindruckten oder verzauberten Kunden gehören. Diesen Auftrag konnte sie wohl vergessen. Ein elegantes Raubtier und ein unscheinbarer brauner Spatz gehörten einfach in verschiedene Universen.

Während Ellie sich innerlich geschlagen gab und bereits überlegte, wie sich ihr Versagen auf die Agentur auswirken könnte, hatte sie gar nicht bemerkt, dass sie den Umkleideraum inzwischen verlassen hatten und in weitaus intimere Bereiche vorgedrungen waren. Bis sie aus den Augenwinkeln die Duschkabinen wahrnahm.

Sie erstarrte und spürte, wie alle Farbe aus ihren Wangen wich.

Immer noch im Mantel, glaubte sie, vor Scham und Hitze vergehen zu müssen, bis ihr Blick mit Niccolos kollidierte. Dieser Kerl stand seelenruhig mit verschränkten Armen da und schien sich über sie lustig zu machen.

Niccolo grinste anzüglich. Nie zuvor hatte er ein ausdrucksvolleres Gesicht gesehen. Diese ungewöhnliche Frau wirkte wie ein erschrockener Hase, geblendet vom grellen Licht eines entgegenkommenden Scheinwerfers. Wüsste er es nicht besser, würde er sie nie dieser kleinen, aber ausgesprochen talentierten und ideenreichen Werbeagentur zuordnen … und schon gar nicht als Partner!

„Normalerweise schließe ich hier keine Geschäfte ab“, fühlte er sich gezwungen zu sagen, obwohl es nicht in seiner Natur lag, sich jemandem zu erklären. „Leider bin ich heute viel später als sonst zur Arbeit gekommen.“ Er schnitt eine Grimasse in Erinnerung an das familiäre Strafgericht des vergangenen Abends. „Ich weiß, nicht Ihre Schuld. Ebenso wenig wie mein spontaner Entschluss, mir zuerst ein Workout zu verpassen. Ich hätte unsere Verabredung absagen müssen und …“

„Nein“, unterbrach Ellie ihn aus einem plötzlichen Impuls heraus. „Geht schon in Ordnung. Ein wenig ungewöhnlich, aber …“

„Aber ich bin ein potenter Kunde, und Ihre Agentur ist wild entschlossen, sich den lukrativen Auftrag an Land zu ziehen, weshalb Sie sich mit meinen Schrullen arrangieren müssen“, vollendete er den Satz für sie, grinste breit und verschwand hinter einer brusthohen Barriere.

Kurz darauf hörte sie Wasser rauschen.

Ihre zwanzig Minuten mussten längst verstrichen sein, und bisher hatte sie ihm noch nichts von dem zeigen können, was sie so sorgfältig vorbereitet hatte. Möglicherweise hatte er sich ja auch schon gegen sie entschieden und war gar nicht daran interessiert, ihre Arbeit zu sehen.

Vielleicht war es ja am besten, jetzt gleich zu gehen?

Allerdings legte Ellie ebenso großen Wert auf Höflichkeit wie auf andere Tugenden, die das Zusammenleben von Menschen erleichterten, weshalb sie beschloss zu warten, bis Niccolo Rossi wieder aus der Dusche kam. Nackt!

Fast wäre ihr ein hysterisches Auflachen entschlüpft. Was war nur mit ihr los? So kannte sie sich gar nicht, ausgerüstet mit einer Vorstellungskraft, die ihr die unglaublichsten Bilder vorgaukelte: Ein dunkler Adonis, der seinen muskulösen Körper unter fließendem Wasser einschäumte, den markanten Kopf mit geschlossenen Augen in den Nacken gelegt …

Auf jeden Fall war er keiner dieser metrosexuellen Typen mit aalglatten Beinen und haarloser Brust, sondern überaus maskulin, aggressiv, streitlustig und mit einem gefährlichen Sex-Appeal ausgestattet, der sie schrecklich nervös machte …

„Wieso sind Sie plötzlich verstummt?“, wollte Niccolo wissen, inzwischen annähernd vollständig bekleidet, wofür Ellie mehr als dankbar war.

Barfuß und mit noch feuchtem Haar, trug er zur eleganten grauen Hose ein schneeweißes Businesshemd, dessen obere Knöpfe er gerade schloss.

Autor

Cathy Williams

Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...

Mehr erfahren