Dein Herz und meine Krone

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Im Weglaufen war Prinzessin Caroline von Afland immer schon gut: vor ihren Pflichten am Königshof, vor ihren strengen Eltern, vor ihrem adligen Verlobten. Aber als die rebellische Prinzessin nach einer durchfeierten Nacht in Las Vegas neben dem sexy Rockstar Joe Kavanagh erwacht, ist es mit dem Entkommen vorbei. Denn an ihrem Finger glänzt ein goldener Ring! Nur ein PR-Gag, versucht sie sich zu beruhigen. Aber warum knistert es zwischen ihr und Joe, als sei das alles andere als ein leichtfertiges Spiel?


  • Erscheinungstag 16.01.2018
  • Bandnummer 0002
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708849
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Noch nicht!“, keuchte Charlie, nicht bereit, aus den Tiefen des Schlafs aufzutauchen.

In ihrem Traum war ihre Haut heiß und feucht, ließen seine Zärtlichkeiten sie in Flammen aufgehen.

War sie wach, fühlte ihre Zunge sich pelzig an.

In ihrem Traum vibrierte ihr Körper und verlangte verzweifelt danach, ihn zu spüren.

War sie wach, brannten ihre Augen, wenn sie sie mühsam öffnete.

In ihrem Traum bettelte sie um mehr und bekam alles, wovon sie nicht einmal wusste, dass sie es wollte.

War sie wach, spürte sie den Drang, auf Toilette zu gehen.

Sie gab sich geschlagen, reckte sich, bis sie einigermaßen wach war, und verzog das Gesicht, als die grelle Sonne Nevadas sie in ihrem Hotelzimmer überfiel. Mit den Zehen stieß sie gegen etwas und zuckte zurück, während ihr bewusst wurde, dass diese eine kleine Erinnerung an ihren Traum geblieben war. Der Mann, der darin die Hauptrolle gespielt hatte, lag neben ihr, das Gesicht abgewandt, Arme und Beine von sich gestreckt und in den Laken verfangen. Charlie drehte sich weg. Sie konnte nicht an ihn denken. Jetzt noch nicht.

Sie schlüpfte aus dem Bett und beschwor ihn stumm, bloß noch nicht aufzuwachen. Das T-Shirt, in dem sie geschlafen hatte, war aus der Form geraten und zerknittert, und sie schaute sich im Zimmer um und fragte sich, ob ihr Gepäck überstellt worden war, als die Hotelleitung sie beide in eine Luxussuite hochgestuft hatte. Charlie schauderte, als sie einen Blick auf ihr Bild im Spiegel erhaschte, und versuchte, ihr Haar irgendwie annähernd in Ordnung zu bringen.

Zu Anfang war es zurückgekämmt und wirr gewesen, und sie hatte noch nie im Leben den Eyeliner dezent eingesetzt, aber nach ein paar Stunden Schlaf war dieser Look nicht mehr als Grunge, sondern eher als tragisch zu bezeichnen. Sie benötigte dringend eine Dusche.

Das Aufblitzen von Gold fiel ihr ins Auge, und wie vom Donner gerührt blieb sie stehen.

Nein. Das war doch ein Traum gewesen. Es konnte nicht anders sein.

Wie festgewachsen stand sie da und durchforschte ihre Erinnerungen, starrte auf den Ring und versuchte, Traum und Wirklichkeit auseinanderzuhalten. Nach achtzehn Stunden Anreise und vielen weiteren ohne Schlaf kamen ihr die vergangenen vierundzwanzig Stunden nahezu unwirklich vor. Bilder und Erinnerungen schossen ihr durch den Kopf und fühlten sich an, als gehörten sie zu einer anderen Person.

Die vibrierende, wogende Energie des Auftritts am Vorabend. Die war Wirklichkeit. Die Musik, die ihre Sinne gefangen nahm, ihre Gefühle entführte und sie mit Adrenalin vollpumpte. Wirklichkeit.

Heiße, verschwitzte Zärtlichkeiten kurz vorm Morgengrauen. Traum.

Sie hatte im Club mit Joe getanzt, versucht, Geschäftliches zu besprechen, ihm ins Ohr gebrüllt. Sich so eng an seinem Körper bewegt, dass es sich anfühlte, als wären sie eins. Die Musik spielte zwischen ihnen wie eine Sprache, die nur sie beide verstanden. Vielleicht war das Wirklichkeit.

Wie seine nackte Haut über ihre glitt. So unglaublich traumähnlich.

Wie er leise geredet hatte, als sie auf dem Bett lagen, auf den Handys Playlists austauschten, sich ein Paar Kopfhörer teilten, bis zunächst der eine, dann der andere eingeschlafen war. Gott, wenn sie es doch wüsste.

Doch als sie die linke Hand hob und den schlichten Goldreif an ihrem Ringfinger betrachtete, war sie sich einer Sache sicher.

Kapellenhochzeit in Las Vegas. Wirklichkeit.

Sie ließ den Kopf zurück an die Wand sinken. Warum war sie immer so? Sie konnte kaum noch zählen, wie oft sie ihr zerstörtes Leben im Gefolge einer dummen, impulsiven Aktion nach der anderen schon hatte Revue passieren lassen und gewünscht hatte, sie könnte die Zeit zurückdrehen. Wenn sie den Mut hätte, heimzureisen und ihren Eltern zu erklären, dass sie ihre königliche Lebensweise und alles, was sie mit sich brachte, für sich nicht wollte, dann würde sie vielleicht aufhören, immer wieder die Selbstzerstörungstaste zu drücken. Doch dieses Thema würde Fragen aufwerfen, die zu beantworten sie niemals bereit sein würde.

Daher konzentrierte sie sich wieder auf die vergangene Nacht und versuchte, sich zu erinnern, was ihre Reaktion ausgelöst hatte. Und dann fiel ihr Blick auf die Zeitschrift, achtlos neben das Bett geworfen. Als sie die Fingerspitzen über das glatte Papier gleiten ließ, schauderte sie unter der Erinnerung daran, dass ihr in der vergangenen Nacht backstage im Club eine ähnliche zugesteckt worden war, und sie stöhnte leise auf. Grund war die Schlagzeile auf der Titelseite: Duke Philippe brüstet sich mit seiner bevorstehenden Verlobung mit Prinzessin Caroline Mary Beatrice von Afland – auch unter dem Namen Charlie bekannt. In diese Art von Verbindung wollten ihre Eltern sie seit Jahren mehr oder weniger subtil hineindrängen, etwas, was sich hoffentlich von selbst erledigte, wenn Charlie es nur lange genug ignorierte. Sie wusste zweifelsfrei, dass sie niemals heiraten würde, schon gar nicht einen Mann wie Duke Philippe.

Vor fast zehn Jahren hatte sie die kalte felsige Nordsee-Insel Afland verlassen, um nach London zu fliegen, entschlossen, aus eigener Kraft ihr Glück im Musikgeschäft zu machen. Ihre Eltern hatten ihr zehn Jahre Zeit gewährt, um ihre Rebellion auszuleben, wie sie es nannten. Doch jeder wusste, was danach erwartet wurde: die Rückkehr nach Afland, die Übernahme ihrer offiziellen Verpflichtungen als Mitglied des Königshauses und eine pragmatische, vernünftige Verlobung mit einem pragmatischen, vernünftigen Aristokraten.

Demzufolge hatten ihre Familie – und sie selbst – nichts als Enttäuschungen zu erwarten.

Sie zog sich ins Bad zurück und versteckte die Zeitschrift, als sie hörte, dass sich im Bett etwas rührte. Wenn sie sich lange genug versteckte, wäre vielleicht alles einfach nicht wahr, und Joe Kavanagh und ihre Trauung verflüchtigten sich wie ein Produkt ihrer Einbildung. Etwas anderes durfte es einfach nicht sein.

Heirat. Sie schnaubte verächtlich. Das hier war keine Heirat. Es war ein Irrtum.

Doch es war, als wäre es ihrem Körper völlig gleichgültig, welche Geschehnisse der vergangenen Nacht Wirklichkeit und welche nur Einbildung waren. Die Härchen auf ihren Armen richteten sich auf, ihr Herz raste, und tief im Inneren verspürte sie ein Sehnen, das ihr irgendwie vertraut erschien.

„Morgen“, hörte sie Joe aus dem Schlafzimmer rufen und fragte sich, ob er ahnte, dass sie sich im Bad versteckte. „Ich weiß, dass du da drin bist.“

Der Klang seiner Stimme jagte ihr einen neuerlichen Schauer des Erkennens über den Rücken. Britisch, gebildet. Doch sie enthielt auch ein irgendwie raues Grollen, Restbestände seiner nordenglischen Kinderstube, die im Vergleich zu den marmornen Hallen und der gepflegten Artikulation ihrer Kindheit auf exotische Art „authentisch“ wirkten.

Sie riskierte einen Blick durch den Spalt der Badezimmertür, brummte ein „Guten Morgen“ und überlegte, warum sie nicht gleich, nachdem sie aufgewacht war, das Weite gesucht hatte. Im Weglaufen war sie schon immer gut. Sie war von einer Katastrophe in die nächste gelaufen, solange sie denken konnte. Das hier war ja ihre Suite, rief sie sich in Erinnerung. Der Manager hatte sie in die Luxussuite hochgestuft, als er von der Spontan-Hochzeit gehört und erfahren hatte, dass das Mitglied eines Königshauses und ein König der Musik ihre Hochzeitsnacht in seinem Hotel verbrachten.

Die einzige Konstante in ihrem Leben, seit sie Afland verlassen hatte, war ihre Arbeit. Sie hatte sich von ganz unten die Karriereleiter bis zu ihrer Position als A-&-R-Managerin emporgearbeitet und verpflichtete Bands für ein unabhängiges Musiklabel namens Avalon. Und aus diesem Grund musste sie nun das Bad verlassen und sich ihrem frisch gebackenen Ehemann stellen. Denn er war nicht nur ein regelrechter Rock’n’Roll-Gott, sondern auch der Künstler, dessentwegen sie hierhergeflogen war, um ihn zu bezaubern, zu überreden und ihn in einem letzten verzweifelten Versuch mit ihrer unübertroffenen Professionalität zu beeindrucken, damit er einen Vertrag mit ihrer Firma unterzeichnete.

Hoch erhobenen Hauptes ging sie zurück ins Schlafzimmer, entschlossen, ihm ihre Gefühle nicht zu zeigen. Die Sonne schien kräftig durch die Fenster, und im Gegenlicht konnte sie Joes Gesichtsausdruck nicht recht deuten.

„Wie geht’s dem Kopf?“, fragte er, und jetzt wirkte er besorgt.

Sie überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass sie am Vorabend nur ein paar Bier getrunken hatte. Dass ihre Leichtfertigkeit nicht auf Alkoholkonsum zurückzuführen war, sondern dass Adrenalin die Antriebsfeder war und noch etwas Gefährlicheres, nämlich ihre destruktive Ader, die sich nur allzu oft Bahn brach, wenn Ehe, Familie oder das Thema Zukunft ins Gespräch kamen.

War Joe am Abend betrunken gewesen? Sie glaubte es nicht. Er hatte wie auf Droge gewirkt, als er von der Bühne kam, doch sie hatte genug Musikveranstaltungen erlebt, um den Unterschied zwischen Adrenalin und weniger legalen Rauschmitteln zu kennen. Sie erinnerte sich, gesehen zu haben, wie er ein Bier trank, doch das war alles. Also stand ihm diese Ausrede auch nicht zur Verfügung.

Warum um Gottes willen hatten sie – sie beide – gedacht, es wäre eine gute Idee?

„Ich habe mich schon besser gefühlt“, gab sie zu, durchquerte das Zimmer und hockte sich auf die Bettkante.

Als sie ihn aus der Nähe betrachtete, fand sie es unfair, dass er so aussah. Sein Haar war vom Schlaf kunstvoll zerzaust, sein Hemd zerknittert, sein sehr dezenter Eyeliner verwischt, doch der Gesamteindruck war so unverzeihlich sexy. Es ließ Charlie beinahe vergessen, dass das, was in der Nacht zuvor geschehen war, ein riesiger Fehler war.

Aber dass er sexy aussah, war nicht der Grund dafür, dass sie ihn geheiratet hatte. Oder vielleicht doch? Wer kannte schon den Grund für ihr Handeln, wenn ihre unbesonnene selbstzerstörerische Art sich durchsetzte?

Nicht einmal in dieser Oase mitten in der Wüste hatte sie das Päckchen abschütteln können, das sie als Mitglied der Königsfamilie mit sich schleppte. Die Versessenheit der Medien auf Prinzessinnen, königliche Hochzeiten und Geburten. Irgendwer hatte ihr zugeprostet, als sie ihm über den Weg lief, hatte auf ihre bevorstehende Hochzeit getrunken und ihr eine Flasche Champagner in die Hand gedrückt. Da war sie versucht gewesen, die ganze Flasche auf einen Zug zu leeren, um die Stimmen in ihrem Kopf zum Schweigen zu bringen.

„Tja“, sagte sie. „Ich schätze, wir sitzen in der Patsche.“

In der Patsche? Da hatte sie wohl recht. Diese Frau war Ärger pur. Das hatte er gleich gewusst, als er sie zum ersten Mal sah, ihren Hang zur Selbstdarstellung und den übertriebenen Lidstrich. Und ganz sicher war er gewesen, als sie anfingen zu tanzen und ihr Körper sich im Takt mit seinem bewegte. Wann in der letzten Nacht war der Punkt erreicht gewesen, an dem er glaubte, der Ärger, den sie mit sich brachte, wäre schon okay?

Als sie die Tanzfläche verließen, in diesem zuletzt besuchten Club, mit erhitztem, verschwitztem Körper. Als Charlie versuchte, über Geschäftliches zu reden, er selbst jedoch abgelenkt war vom Prickeln auf seiner Haut, von den Funken, die zwischen ihnen flogen, sobald sie einander nahe kamen. Als Ricky, der Drummer seiner Band, im Scherz gesagt hatte, er solle sich benehmen wie ein echter Rockstar, wenn sie denn ihr neues Album verkaufen wollten. Und da hatte Joe sich auf ein Knie niedergelassen und Charlie einen Antrag gemacht.

Nicht eine Sekunde lang hatte er geglaubt, dass sie darauf eingehen würde.

Doch Charlie hatte nur kurz gezögert, als ihre Blicke sich trafen. Und während alle um sie herum lachten, hatte Joe sehen können, dass Charlie nicht lachte, und auch er lachte nicht. Im Club war es mucksmäuschenstill geworden, vielleicht aber auch nur in seinem Kopf, jedenfalls gab es plötzlich nur noch sie und ihn, verbunden durch etwas, was größer war, als sie beide fassen konnten. Etwas, was er nicht begreifen konnte, was aber, wie er einfach wusste, bedeutete, dass sie einander verstanden.

Und dann hatte sie genickt, den Kopf in den Nacken geworfen und mit allen anderen zusammen gelacht, und auf einer Woge von Adrenalin, Kameraderie und ansteckendem Hochgefühl waren sie in ein Taxi und dann die Stufen zum Gerichtsgebäude hinauf geraten. Immer noch berauscht vom Bühnenauftritt und bezaubert von der Prinzessin hatte Joe sich nicht aus dem Traum befreit, den Bann nicht gebrochen.

Sie waren eingesponnen in diese Begeisterung, die sie durch die Trauung führte. Was für ein Spaß, als sie aus der Kapelle taumelten. Bis zu jenem Kuss. Danach war plötzlich alles sehr real.

Ob sie sich an das Gefühl erinnerte, als sie sich zum ersten Mal küssten? Ihm steckte das Wissen so tief in den Knochen, dass er niemals vergessen würde, wie ihm zumute war, als sie zu Mann und Frau erklärt wurden.

„Willst du dich den ganzen Vormittag über hier verstecken?“, fragte er.

Bei Tageslicht sah sie genauso wenig wie eine Prinzessin aus wie in der vorangegangenen Nacht. Vielleicht war er deswegen hier gelandet. Er hatte damit gerechnet, in ihrer Gegenwart nervös zu sein, doch kaum hatte er sie kennengelernt … Was nicht hieß, dass er entspannt gewesen wäre, nein, zu viel war im Schwange, er war viel zu aufgewühlt und voller Sehnsucht und Verlangen, um entspannt zu sein. Aber er war … Er wusste nicht, wie er es formulieren sollte. Charlies Chef hatte sie mit dem Auftrag her geschickt, ihn zu überzeugen, dass ihr Label gut zu seiner Band passte. Und er hatte recht. Sie … Passen war vielleicht nicht das richtige Wort. Sie verstanden einander ganz einfach. Charlie verstand die Musik. Verstand ihn. Und als sie angefangen hatten zu tanzen, stand für ihn außer Frage, dass es wichtig war. Was, das wusste er nicht, wohl aber wusste er, dass er mehr wollte.

Und sie zu heiraten war ein guter Schachzug für die Band. Derartige Publicity konnte man nicht kaufen. Wahrscheinlich hatte er das im Sinn gehabt, hatte es als geschäftliche Aktion betrachtet. Das war das Einzige, was Sinn ergab.

Aber hatte sie damit gerechnet zu heiraten?

Denn sie brachte eine verteufelt große Menge Ballast mit. Schon, er konnte mit Messer und Gabel essen und in einem Raum voller überprivilegierter Bonzen die Bösewichter ausmachen. So viel hatte er in seiner exklusiven Privatschule gelernt, die sein Musik-Stipendium ihm ermöglicht hatte. Doch der wichtigste Teil seiner Ausbildung bestand in der unbezahlbaren Lektion, die er in seinem letzten Schuljahr gelernt hatte: Alle waren darauf aus, etwas zu bekommen, und deshalb sollte man sich gründlich überlegen, was man im Gegenzug dafür haben wollte.

Heutzutage fühlte er sich nur noch entspannt, wenn er unterwegs war, mit seiner Band. Sie zogen von Stadt zu Stadt, ließen sich manchmal für ein paar Wochen nieder, wenn sie ein Studio anmieten konnten, ansonsten ging es von einem Auftritt zum nächsten, von einer Frau zur nächsten. Jeder wusste genau, was er wollte, und nahm, was geboten wurde, ohne weitere Verpflichtungen.

„Komm“, sagte er und griff nach Charlies Hand. Als seine Finger sie berührten, blitzte wieder dieses Gefühl der vergangenen Nacht in ihm auf. Die elektrische Spannung, die sie beim Tanzen verband, sie mit einem Bann belegt hatte, so stark, dass nicht einmal ein Besuch im Standesamt ihn hatte brechen können.

„Ich kann nicht glauben, dass wir geheiratet haben. Das war deine Schuld. Deine Idee.“

War das ihr Ernst? Joe zuckte die Achseln und erinnerte sie an die Einzelheiten. „Niemand hat dich gezwungen. Gestern Abend sah es so aus, als würdest du die Idee gut finden.“

Warum musterte sie dann jetzt ihren Ring, als würde er sie verbrennen?

„Wa…?“

Er wartete ab, welche Frage ihr am heftigsten zusetzte.

„Warum? Warum um Gottes willen habe ich es für eine gute Idee gehalten?“

„Wie soll ich das wissen, wenn du selbst es nicht weißt? Vielleicht dachtest du, es wäre gute Werbung für das Album.“

Verhalten sah er sie an. Ja, deswegen hatten sie es durchgezogen. Aber auch … Nein. Es steckte mehr dahinter. Joe konnte nicht fassen, dass sie an diesem Morgen so fremd war. Als sie am Vorabend über ihr Tun gelacht hatten, war es nicht nur ein Werbegag, das klang zu kalt. Es war ein Scherz, eine Übereinkunft unter Freunden gewesen. Ein Werbegag war etwas Geschäftliches, aber in der vergangenen Nacht, als sie auf dem Weg zum Standesamt zusammen gelacht hatten, war es mehr gewesen als nur das.

Und vielleicht hatte er sich gerade in diesem Punkt geirrt, denn er wusste, wie so etwas funktionierte. Er wusste, dass alle Beziehungen Geschäfte waren, aus denen die jeweiligen Partner das herausholen wollten, was sie haben wollten. Er hatte keinen Anlass, beleidigt zu sein, weil sie sich an diesem Morgen so verhielt.

„Ich weiß nicht, warum du sauer auf mich bist. Gestern Nacht warst du begeistert von der Idee.“

„Da hatte ich sechsunddreißig Stunden nicht geschlafen, Joe. Ich glaube, wir können sagen, mein Urteilsvermögen war nicht ganz auf der Höhe. Wir müssen es rückgängig machen. Was sollen meine Eltern sagen?“

Ihre Eltern, die Königin von Afland und ihr Gatte. Innerlich stöhnte er auf.

„Gestern Nacht hast du gesagt, und ich zitiere: ‚Sie werden total ausflippen‘. Soweit ich das verstanden habe, sprach das zugunsten des Plans.“

Im kalten Morgenlicht war die Idee nicht so gut. Eher schlecht. Sehr schlecht.

Joe hatte eine Prinzessin geheiratet, eine echte blaublütige Prinzessin, Thronerbin, Tochter einer Königin.

Er saß total in der Patsche.

„Hör mal“, sagte Joe. „Ich habe Hunger, viel zu großen Hunger, um jetzt darüber reden zu können. Lass uns frühstücken gehen und die Sache bei Kaffee und einem gehäuften Teller voll Proteinen besprechen.“

2. KAPITEL

Charlie blickte in ihren schwarzen Kaffee, als hoffte sie, dort Antworten zu finden. Die Erinnerung hatte nach und nach wieder eingesetzt, als sie die erste Tasse trank, mit der zweiten schlich sich Beschämung ein. Sie hoffte, diese Tasse, ihre dritte, würde bewirken, dass sie sich wieder wie ein Mensch fühlte.

„Also, wie machen wir es rückgängig?“, fragte sie unverblümt. „Wir sind in Las Vegas. Hier werden fast genauso viele Ehen annulliert wie geschlossen. Müssen wir noch einmal aufs Standesamt?“

Sie hob den Kopf und sah Joe in die Augen. Er fixierte sie und biss in eine weitere Scheibe Toast. „Könnten wir“, sagte er. „Falls wir die Annullierung wollen, nehmen wir es am besten so in Angriff.“

„Falls?“ Beinahe hätte sie ihren Kaffee herausgeprustet. „Ich glaube, du hast nicht richtig verstanden, Joe. Wir haben geheiratet.“

„Ich weiß. Ich war dabei.“

„Ist mir irgendetwas entgangen? Wie ich die Sache sehe, haben wir herumgealbert. Wir dachten, es wäre urkomisch, in Las Vegas zu heiraten, und heute Morgen beim Aufwachen standen wir vor einer mittelschweren Katastrophe. Bist du denn gar nicht an Schadensbegrenzung interessiert?“

„Doch, natürlich, aber im Gegensatz zu dir bin ich der Meinung, wir hatten triftige Gründe zu heiraten. Vielleicht nicht die besten Gründe, eine gesetzlich bindende persönliche Beziehung einzugehen, aber immerhin vernünftig.“

Sie zog die Brauen hoch. „Klär mich auf.“

„Okay, zuerst die nächstliegenden. Publicity. Die braucht die Band. Das Album ist fast fertig, wir sind auf der Suche nach einem neuen Label, und schlechte Publicity gibt es nicht, oder?“

„Gewinnsüchtig?“

„Hör zu, es ist nicht meine Schuld. Gestern Nacht hattest du nichts gegen Gewinnsucht einzuwenden.“

Sie schnaubte durch die Nase. „Schön. Publicity wäre also ein Grund. Nenn mir einen weiteren.“

„Es beweist, dass du es mit der Band ernst meinst.“

Sie verschränkte die Arme, lehnte sich zurück und nahm Joe böse ins Visier. „Ich habe schon viele Bands unter Vertrag genommen, ohne den Leadsänger zu heiraten. Sie haben sich von mir unter Vertrag nehmen lassen, weil sie darauf vertrauen, dass ich verdammt gut in meinem Job bin. Willst du allen Ernstes behaupten, dass der Vertrag davon abhing, ob ich dich heiratete oder nicht?“

Joe beugte sich vor, ihr starrer Blick schreckte ihn nicht ab. Er sah sie vielmehr sanft an, griff nach ihrer Hand und zog Charlie zu sich heran. Sie ließ es geschehen, wollte nicht kindisch erscheinen, indem sie seine Hand wegschlug.

„Natürlich nicht“, sagte er weich. „Aber die Heirat jetzt rückgängig machen? Ich weiß nicht recht, was dabei herauskommen würde. Ich weiß nicht, wie unser Arbeitsverhältnis aussehen würde, wenn das in allen Zeitungen zu lesen wäre.“

Kopfschüttelnd blickte sie wieder in ihre Kaffeetasse und rang um Antworten.

„Und das alles muss ich gegen den Schmerz meiner Familie aufrechnen, wenn wir die Sache nicht jetzt gleich abblasen.“

Sie vermied jeglichen Blickkontakt, während sie mit dem Tränen kämpfte. Dann holte sie tief Luft, und als sie wieder aufsah, war keine Spur von Tränen zu sehen. „Was meinst du, weiß man es bereits? Die Presse?“

„Wir waren nicht gerade diskret“, sagte Joe mit einem mitfühlenden Lächeln. „Ich halte es für wahrscheinlich.“

„Und das kann nicht rückgängig gemacht werden, Annullierung hin oder her.“

Er lehnte sich zurück und trank einen großen Schluck von seinem Orangensaft. „Also sollten wir Einfluss auf die Berichterstattung nehmen.“

„Wie meinst du das?“

„Welche Story wäre schmerzlicher für deine Familie, eine stürmische Romanze mit überstürzter Heirat in Las Vegas oder ein betrunken konzipierter Werbegag zur Förderung deiner Karriere? Denn so wird die Klatschpresse es darstellen.“

„Was willst du damit sagen, Joe?“ Sie hatte ihm die Hand entzogen und die Arme wieder verschränkt, überzeugt, dass das Gespräch eine Richtung einschlug, die ihr nicht gefallen würde.

„Ich sage nur, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können. Wir können die Heirat nicht ungeschehen machen, ob wir sie nun annullieren oder nicht. Also lösen wir unsere Ehe entweder heute auf und nehmen die Konsequenzen für unseren Ruf in Kauf …“

„Oder …?“

„Oder wir bleiben verheiratet.“

Ihr Atem stockte sekundenlang, während sie überlegte, was es bedeuten könnte, mit diesem Mann verheiratet zu sein.

„Aber wir lieben uns nicht. Das sieht doch jeder.“

Er musterte sie unter gesenkten Wimpern hervor, Wimpern, die entschieden länger und dichter waren, als es einem Mann zusteht. „Dann müssen wir uns eben größte Mühe geben, überzeugend aufzutreten. Du kannst nicht abstreiten, dass diese Story die bessere ist.“

„Und du kannst nicht abstreiten, dass ich meine Familie belügen müsste. Sämtliche Pläne zunichtemache, die sie für mein Leben hatten. Ich weiß nicht, was für ein Verhältnis du zu deiner Familie hast, aber ich glaube nicht, dass ich das durchziehen kann. Ich glaube nicht, dass ich das will. Es ist ohnehin schon schwie…“

Sie unterbrach sich, bevor sie zu viel preisgab. Joe zog eine Braue hoch, sichtlich neugierig, warum sie nicht weiterredete, doch er drängte sie nicht.

„Wäre es dir lieber, wenn sie die Wahrheit wüssten?“

Natürlich nicht. Sie verbarg die Wahrheit vor ihnen, seit sie erfahren hatte, dass sie niemals die Tochter oder die Prinzessin sein konnte, die sie hätte sein müssen.

Autor

Ellie Darkins
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