Für Happy Ends gibt`s kein Rezept

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Alle schwärmen vom Seduction, dem Restaurant, das Addie gemeinsam mit ihren Freundinnen führt. Als Tüpfelchen auf dem i fehlt nur noch Live-Musik. Doch kaum dass ein Typ mit Gitarre hereinschneit und sich bewirbt, kippt Addie fast aus ihren High Heels. Jake Knox, der berühmte Rockstar! Seit jeher üben Musiker einen gefährlichen Reiz auf sie aus, stärker als Schuhe und Schokolade zusammen. Und Jake mit seinen grünen Augen und der rauchigen Stimme könnte ihr zum Verhängnis werden …

"Niemand sonst schreibt mit so viel Feuer und Gefühl wie Kristen Proby. Ich bewundere sie!”

Nummer-1-Bestsellerautorin Sylvia Day


  • Erscheinungstag 09.01.2017
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783956499616
  • Seitenanzahl 336
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kristen Proby

Für Happy Ends gibt’s kein Rezept

Roman

Aus dem Amerikanischen von
Ralph Sander

MIRA® TASCHENBUCH

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MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2017 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

Listen to Me

Copyright © 2016 by Kristen Proby

erschienen bei: William Morrow, New York

Published by arrangement with William Morrow,
an imprint of HarperCollins Publishers LLC

„If I Had Never Met You“ written by

Dan Keseloff and Brad Yunek

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: büropecher, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: I love Photo/Shutterstock

ISBN 978-3-95649-961-6

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

 

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

1. Kapitel

Addison

„‚Zusammenfassend lässt sich also sagen‘“, liest Cami, eine meiner besten Freundinnen und außerdem meine Geschäftspartnerin, aus der Portland Tribune vor, „‚das ‚Seduction‘ ist anders als jedes Restaurant, das ich je besucht habe. Das Essen schmeckt köstlich, die Weinauswahl ist beeindruckend, und das ganze Ambiente wirkt so sexy, dass es einem den Atem raubt. Ich kann Ihnen das Restaurant für Ihr nächstes Date nur empfehlen.‘“

„Ich möchte dem Kritiker am liebsten Blumen schicken“, sagt Mia und lächelt breit. „Wer hätte gedacht, dass wir ein halbes Jahr nach der Eröffnung schon eine solche Besprechung bekommen?“

„Na ja, dass die Leute vom Essen begeistert sein würden, war zu erwarten.“ Ich nehme die Zeitung, um die Kritik zum x-ten Mal durchzulesen. „Du bist eben ein Genie in der Küche, Mia. Das wissen wir alle schon seit der Highschool.“

„Trotzdem werde ich immer noch nervös. Jetzt erst recht! Man kann nie wissen, mit welchen Gästen man es gerade zu tun hat. Wir waren ja auch nicht vorgewarnt, dass dieser Typ vorbeikommt.“ Mia knabbert mit besorgtem Blick an der Nagelhaut ihres Daumens. „Vielleicht sollte ich die Speisekarte erweitern.“

„Die Speisekarte ist perfekt.“ Cami schüttelt den Kopf, dass ihre blonden Haare fliegen. „Er fand uns doch super.“

Wir lächeln uns gegenseitig an, bis ich schließlich im Sitzen einen kleinen Freudentanz aufführe. Noch ist das Lokal nicht geöffnet. Kat und Riley, die unser Business-Quintett vervollständigen, sind noch nicht da. Aber Mia, Cami und ich haben den Artikel wieder und wieder gelesen, jubelnd und tanzend.

Wir sind so froh!

Schließlich haben wir uns in den sechs Monaten seit der Eröffnung krummgelegt. Wir haben alles auf diese eine Karte gesetzt. Wir dürfen nicht scheitern.

Und das werden wir auch nicht.

Wir hören, wie die Eingangstür aufgeht und wieder zufällt, und ich rechne damit, jeden Moment Riley oder Kat zu sehen. Doch stattdessen kommt Jeremy ins Lokal, noch ganz zerknittert vom Schlaf. Die Augen bekommt er noch gar nicht richtig auf, er ist unrasiert und seine blonden Haare stehen in alle Richtungen ab, so wie meine Finger sie ihm letzte Nacht zerzaust haben.

Himmel, dieser Mann lässt meine Hormone doch glatt Überstunden machen. Er lächelt und küsst mich auf die Stirn, greift sich meinen Kaffeebecher und setzt sich zu mir.

„Was hast du hier zu suchen?“, fragt Cami irritiert. „Ich bin zu gut gelaunt, um so zu tun, als würde ich dich mögen.“

Ich werfe meiner Freundin einen verärgerten Blick zu, aber sie reagiert nur mit einem Schulterzucken.

„Meine Freundin ist hier“, antwortet Jeremy und nippt an meinem Kaffee. „Sie hat mir gefehlt.“

„Blödsinn“, flüstert Mia und verdreht die Augen. Anfangs konnten meine Freundinnen Jeremy ganz gut leiden, aber inzwischen zeigen sie offen, was sie von ihm halten. Ich denke, sie sind bloß übervorsichtig. Sie wollen nicht, dass er mir wehtut. Zugegeben, er ist Musiker. Kein besonders talentierter, aber hat regelmäßig Gigs für seine Band Hells Roses.

Und … oh Gott … das, was der Mann im Schlafzimmer alles drauf hat, sollte polizeilich verboten sein. Außerdem bringt er mich zum Lachen, und obwohl er allen anderen gegenüber so arrogant auftritt, erlebe ich ihn immer wieder sehr verwundbar und lieb, wenn wir allein sind.

Ist er der Richtige? Vermutlich nicht, allerdings bin ich mir auch ziemlich sicher, dass dieser Richtige sowieso nur eine Erfindung von Liebesroman-Autoren und Disney ist.

„Seid nett“, fauche ich und widme mich wieder der Zeitung. „In der Tribune haben wir eine irrsinnig gute Besprechung bekommen“, lasse ich Jeremy begeistert wissen.

„Logo“, gibt er zurück und küsst mich auf die Wange. „Sind da auch Konzertkritiken drin?“ Schon hat er mir die Zeitung aus der Hand genommen und fängt an zu blättern, bis er die Seite über die Musik- und Clubszene in Portland gefunden hat. „Nicht eine verdammte Zeile über uns?“, beklagt er sich, nachdem er alle Artikel überflogen hat.

Cami sucht meinen Blick und runzelt die Stirn. Ich reagiere mit einem knappen Achselzucken. Er hat mit Gastronomie nichts am Hut, er kann nicht nachvollziehen, warum diese gute Kritik für uns so wichtig ist.

„Ich habe mir etwas überlegt“, wechsele ich schließlich das Thema und stütze die Ellbogen auf den Tisch. „Jetzt, wo der Laden gut läuft, könnten wir es an den Wochenenden mit Livemusik versuchen.“

„Sorry, Cupcake“, wirft Jeremy seufzend ein. „Aber wir sind ausgebucht.“

Gott sei Dank. Jeremys Band spielt nicht die Art von Musik, die mir für mein Restaurant vorschwebt. Aber statt seinem Ego einen Stich zu versetzen, lächle ich ihn nur an und gebe ihm einen Kuss auf die Schulter.

„Ich weiß, Babe. Aber ich möchte trotzdem jemanden engagieren. Vielleicht jemanden, der solo auftritt, nur mit Mikro und Hocker auf der Bühne, wisst ihr, was ich meine?“

„Leisten können wir uns das“, sagt Cami nachdenklich. Sie ist bei uns für die Finanzen zuständig und kümmert sich um alles, was mit Geld zu tun hat. Kopfrechnen beherrscht sie wie keine andere. „An wen hast du gedacht?“

„Ich weiß noch nicht.“ Ich greife nach meinem Kaffeebecher und stutze, als ich feststelle, dass Jeremy ihn bis zum letzten Tropfen ausgetrunken hat. „Babe, gehst du bitte rüber zu ‚Starbucks‘ und holst uns noch mehr Kaffee?“

„Hab mein Portemonnaie vergessen“, murmelt er mürrisch. Ich nehme einen Zwanziger aus meiner Handtasche und gebe ihm den Schein. „Bitte schön.“

„Danke.“

„Ach ja und wegen deiner Musiker-Suche“, fügt er hinzu, als er bereits in Richtung Tür geht. „Am Samstag ist im ‚Crush‘ Talentabend. Da stehen normalerweise immer ganz gute Bands auf der Bühne. Möchte wetten, du findest da genau das, wonach du suchst.“

Ich lächele meinen sexy Freund an und hauche ihm einen Kuss zu. „Super, danke.

Er zwinkert mir zu und schlendert nach draußen. Als die Tür hinter ihm zugefallen ist, sieht Mia mich kopfschüttelnd an. „Ist das wirklich dein Ernst?“

„Wieso? Der Talentabend ist doch eine geniale Idee“, erwidere ich.

„Davon redet sie doch gar nicht“, wirft Cami ein. „Jeremy ist eine Pfeife.“

„Ist er nicht.“ Ich lehne mich zurück. Okay, vielleicht hat er ja seine pfeifenhaften Momente. „Er ist süß. Und sexy.“

„Und er lässt sich von dir aushalten. Sein Portemonnaie steckt in seiner Hosentasche“, beharrt Mia. „Und ich verwette mein monatliches Schokoladenbudget, dass er sich bei dir eingenistet hat.“

„Sein Mitbewohner ist ausgezogen, und allein kann er die Miete nicht bezahlen.“

„Addie“, sagt Cami und fasst nach meiner Hand. „Du bist nicht sein Fußabstreifer.“

„So behandelt er mich doch gar nicht.“

„Oh doch, er macht genau das“, seufzt Mia und greift nach meiner anderen Hand. „Du hast was Besseres verdient.“

„Ich mag euch beide wirklich sehr“, beginne ich und merke, wie sich mein Magen verkrampft. „Und ich weiß, ihr wollt mich nur beschützen. Aber Jeremy ist einer von den Guten. Und ich mag ihn nun mal.“

„Okay.“ Cami nippt einen Schluck Kaffee. „Und wenn er dir das Herz bricht, werden wir für dich da sein.“

„Reden wir lieber über diesen Talentabend. Wer geht mit mir hin?“

Mia und Cami sehen sich kurz an.

„Ich muss arbeiten“, antwortet Mia. „Ich habe da ein paar neue Gerichte für Samstagabend, die ich ausprobieren will.“

„Und ich habe keine Lust“, erklärt Cami ohne Umschweife. „Aber ich bin mir sicher, du findest genau das, was wir brauchen.“

„Dann nehme ich Kat mit.“ Ich kaue auf meiner Unterlippe rum und sortiere die Ideen, die mir durch den Kopf gehen. „Sie hat eine gute Nase für so was.“

„Gute Idee.“

Wieder geht die Tür auf.

„Ah gut. Mr. Wonderful ist zurück“, murmelt Cami.

„Wie kriegst du deine Haare so hin?“, fragt Riley, die auf meinem Hocker sitzt und Eis aus einer Packung Chunky Monkey löffelt. Ich drehe meine Haare währenddessen zu dicken Ringellocken auf. Heute Abend hab ich sie mit lila Strähnchen versehen.

„Das ist nicht so schwer, man braucht nur etwas Übung. Wenn man den Dreh erst mal raus hat, geht es ganz schnell.“

„Das Lila gefällt mir“, sagt sie grinsend. „Und die enge Jeans steht dir auch gut. Du hast einen tollen Hintern.“

Lachend drehe ich mich zur Seite und begutachte, wie mein Hintern in der Jeans wirkt. Sie hat recht, er ist gar nicht so übel. Ich könnte zwar etwas weniger Hüfte vertragen, aber was will man da machen?

„Soll ich über das Top noch eine Jacke anziehen?“ Es ist ein fließendes schwarzes Top, das mein Dekolleté hervorhebt und sich dabei nicht an meinen Problemzonen festklammert.

„Nein, das sieht scharf aus. Damit findest du entweder einen coolen Sänger fürs Restaurant oder angelst dir einen Mann.“

„Ich habe bereits einen.“ Ich sehe hinauf zum Himmel. „Herr, gib mir Kraft.“

„Jeremy ist kein Mann in diesem Sinne“, widerspricht Riley, die inzwischen den Boden des Eisbechers erreicht hat, wie das Kratzen deutlich erkennen lässt. „Er ist jemand, den man vögelt.“

„Riley!“

„Stimmt doch“, sagt sie gelassen. „Daran ist auch nichts verkehrt, solange dir die Sache klar ist.“

„Na, der Sex ist nicht gerade einschläfernd.“ Es wird energisch gegen die Schlafzimmertür geklopft und Kat kommt herein. Sie ist groß und hinreißend und strahlt pures Selbstbewusstsein aus. Die Haare hat sie hochgesteckt, sie trägt ein ärmelloses Top, damit man ihr irres Tattoo sehen kann, und die Absätze ihrer pinkfarbenen Stilettos sind einfach mörderisch.

„Es sollte verboten sein, so scharf auszusehen“, seufzt Riley. „Ihr seht beide scharf aus.“

„Warum kommst du nicht mit?“, will Kat wissen.

„Weil ich mir für diese Musikacts einen neuen Marketingplan überlegen muss.“

„Lahme Ausrede“, sagt Kat und sieht mir beim Schminken zu. „Und wo wir gerade von heißen Frauen reden … Hallo, Sexbombe.“

Ich grinse sie im Spiegel an. „Du bist seit Langem mein heißestes Date.“

„Danke, gleichfalls.“ Sie zwinkert mir zu. „Okay, wonach halten wir heute Abend Ausschau? Addie, diese Gigs sind dein Ding, ich unterstütz dich nur ein bisschen.“

„Es sind unsere Gigs“, erwidere ich.

„Das Foyer gehört dir, und wie du das managst, ist einfach hammer.“ Riley trägt ein wenig von meinem Lippenstift auf ihre vollen Lippen auf, betrachtet sich im Spiegel und wischt alles gleich wieder weg. „Mir steht Lippenstift einfach nicht.“

„Ich will einen Solokünstler, maximal ein Duo.“ Ich zupfe an meinen Haaren, bis sie genau so liegen, wie ich es die ganze Zeit über wollte. „Jemanden mit einer sexy Stimme. So im Stil von Gavin DeGraw.“

„Der ist definitiv heiß.“ Kat nickt zustimmend. „Wie viel können wir ausgeben?“

„Möglichst nicht mehr als fünfhundert pro Abend“, sagt Riley. „Cami meint, dass wir diese Summe ohne Probleme erübrigen können.“

„Nicht schlecht. Jetzt will ich nur hoffen, dass wir auch jemanden finden. Ins Fenster habe ich auch noch einen Zettel gehängt. Schaden kann es nicht.“

„Okay, dann wollen wir mal.“ Wir folgen Kat aus dem Apartment.

„Viel Spaß“, ruft Riley und winkt uns zu, während sie zu ihrem Wagen geht.

„Den werden wir haben“, meint Kat, schlägt mit mir zum High five ein und führt mich zu ihrem Auto.

„Kann ich euch noch einen Chardonnay bringen?“, fragt die Kellnerin Kat, die den Kopf schüttelt.

„Eine Diät-Cola reicht mir.“

„Die nehme ich auch.“

Die Kellnerin nickt und geht weg.

„Kein guter Wein?“, frage ich Kat grinsend.

„Schmeckt wie Pisse“, antwortet sie. „Ich kann ja verstehen, wenn man günstige Flaschen servieren will, aber hier gibt es auch wirklich gute Tropfen. Die sollten uns keinen minderwertigen Fusel vorsetzen.“

Mein Lächeln wird noch breiter. „Das macht mich richtig an, wenn du die Weinkennerin raushängen lässt.“

„Ist nun mal mein Job.“

„Und den beherrschst du verdammt gut.“ Das stimmt auch. Kat ist die beste Sommelière im ganzen pazifischen Nordwesten. Sie kennt sich mit Wein wirklich aus.

„Und was hältst du von dem, was du bislang gehört hast?“

Wir sitzen an einem Tisch ziemlich in der Mitte des Raums und dabei nahe an der Bühne, womit wir einen guten Blick auf die Künstler haben. Im Augenblick singt eine junge Frau einen Song von Trisha Yearwood, trifft aber nicht die richtigen Töne.

„Bis jetzt hat mich noch nichts so richtig begeistert.“

Kat nickt, bevor sie einem Mann einen giftigen Blick zuwirft, der ihr im Vorbeigehen an den Po gefasst hat. „Behalt die Finger bei dir, Freundchen.“

Er zuckt nur mit den Schultern und grinst frech, während er weitergeht.

„Männer sind widerwärtig“, grummelt Kat.

Die Sängerin mit den falschen Tönen ist fertig, wir applaudieren. Dann geht es zurück ins Jahr 1967, nur dass der Kerl auf der Bühne höchstens zweiundzwanzig sein dürfte. Seine Dreadlocks reichen ihm bis weit den Rücken hinunter. Er hat einen Vollbart, seine Kleidung ist schmutzig – vermutlich ein Obdachloser, der sonst an irgendeiner Straßenecke steht und singt.

Dann aber fängt er an zu singen, und ich bin hin und weg. Seine Stimme ist die eines Engels, und sein „Halleluja“ klingt, als würde er irgendwo da oben im Himmel sitzen. Völlig fasziniert sehen wir uns seinen Auftritt an.

Er ist einfach unglaublich.

Als er fertig ist, bekommt er ohrenbetäubenden Applaus.

„Wow.“ Kat starrt mich mit ihren blauen Augen an. „Hast du das gehört?“

Ich nicke. „Wir besorgen uns auf jeden Fall seine Nummer. Wenn wir ihn dann noch dazu bringen, sich zu waschen und etwas Sauberes anzuziehen, könnte er genau der Richtige für uns sein.“

„Vorausgesetzt, er will was Sauberes anziehen“, wendet Kat ein. „Das da ist vielleicht genau das, was er mag.“

Nach einer ganzen Reihe von wenig mitreißenden Künstlern kommt schließlich ein Paar auf die Bühne, ein Mann und eine Frau, die eine Ballade vortragen und sich dabei verliebt in die Augen sehen. Ihre Harmonie wirkt sanft wie Seide.

„Die zwei gefallen mir“, sagt Kat und beugt sich zu mir herüber. „Die haben den richtigen Look, sie sind verliebt und sie sind sexy. Genau das Richtige für unseren Laden.“

„Finde ich auch.“

Ich will die beiden. Unbedingt. Sie sind einfach perfekt. „Ich red mit ihnen.“

Kat nickt nur und konzentriert sich auf das nächste Duo. Das ist aber nicht annähernd so gut wie die zwei, auf die ich es abgesehen habe.

„Entschuldigt.“ Die beiden drehen sich zu mir um, und ich setze mein strahlendstes Lächeln auf. „Ich bin Addison, eine der Inhaberinnen vom „Seduction“. Das ist ein neues Restaurant hier in der Stadt. Ich wollte euch fragen, ob ihr an den Wochenenden bei uns auftreten möchtet.“

Die beiden sehen sich an und lächeln. „Vielen Dank! Ich bin Rebecca.“ Die zierliche Blonde gibt mir die Hand. „Und das ist mein Mann Paul.“

„Ihr seid wirklich ziemlich gut.“

„Das ist alles ihr Verdienst“, meint Paul und sieht seine Frau liebevoll an.

„Ich suche jemanden, der freitags und samstags abends bei uns auftritt. Ich bezahle fünfhundert Dollar für jeden Abend.“

„Pro Person?“, fragt Rebecca, die mich auf einmal listig anschaut.

„Nein“, sage ich. „Pro Auftritt.“

Wieder sehen sie sich an, Paul schüttelt den Kopf. „Tut mir leid, aber wir sind mehr wert als das.“

„Wie viel bekommt ihr denn sonst?“

„Oh, wir haben noch gar keine Engagements. Wir sind neu in der Gegend.“

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. „Ihr seid das wert, was ihr bezahlt bekommt. Danke, nett euch kennengelernt zu haben.“

Ohne ein weiteres Wort drehe ich mich um und kehre zu unserem Tisch zurück. „So was Eingebildetes“, sage ich und setze mich wieder.

„Schade.“

„Kommt vor.“

Ein Mann betritt die Bühne, setzt sich auf den Hocker und schlägt seine Gitarre an. Der Moderator hat den Namen nicht genannt. Der Sänger trägt ein schwarzes T-Shirt und Jeans. Keine Schuhe. Einen Hut hat er tief in die Stirn gezogen, sein Gesicht liegt im Schatten und ist nicht genauer auszumachen. Aber diese Tattoos würde ich überall wiedererkennen.

„Oh mein Gott, ich glaube, das ist Jake Knox“, flüstere ich Kat ungläubig zu.

„Ja, die Tattoos“, haucht sie. „Oh Gott, ich war früher total in ihn verliebt. Auf der Highschool hatte ich seine Poster an der Wand hängen.“

„Hatte wohl fast jeder“, erwidere ich und beobachte, wie seine Finger die Saiten der Gitarre bearbeiten. Es sieht aus, als würde er eine Frau liebkosen.

„Mein Gott, kann der Mann spielen.“

„Was macht er bei einem Talentabend?“ Kat sieht mich verwundert an. „Lebt er hier in der Nähe?“

Ich nicke. „Ja, ich hab mal gehört, dass er hier in der Gegend wohnt. Vielleicht braucht ja sein Ego eine Stärkung.“

Als er zu einem vertrauten Lifehouse-Song ansetzt, verkrampft sich mein Herz einen Moment lang. Ich liebe den Song, und ich liebe seine Stimme. Sie ist so ursprünglich und voll und auch ein bisschen rau. Diese Stimme ist purer Sex.

„Er wäre absolut perfekt“, flüstert Kat. Ich glaube, sie wollte es gar nicht wirklich laut aussprechen. „Ich weiß, wir können ihn nicht bezahlen. Bestimmt tritt er nur bei Promi-Hochzeiten und so auf.“

Jake hebt den Kopf und lässt zum ersten Mal sein Gesicht und seine faszinierenden grünen Augen sehen, die er genau auf mich ausrichtet. Mindestens fünf Zeilen lang wendet er den Blick nicht von mir ab, dann zwinkert er mir zu und senkt den Kopf wieder.

„Verdammt sexy“, haucht Kat. „Himmel, sieh dir nur an, wie sich seine Muskeln bewegen, wenn er spielt.“

Glaub mir, das habe ich längst gesehen. Man muss schon blind und mit einem IQ. von minus zwanzig gestraft sein, um nicht mitzubekommen, wie sich Jake Knox bewegt. Er lässt alles in mir erwachen. Kein Wunder, schließlich dürfte er darauf trainiert sein, genau das auszulösen. Immerhin will er seine Musik verkaufen.

Als er mit seinem Song fertig ist, verlässt er die Bühne. Im Publikum wird gemurmelt, offenbar waren wir nicht die Einzigen, die ihn erkannt haben. Immerhin ist Jake Knox einer der größten Rockstars überhaupt.

Zumindest war er das mal. Ich glaube, er hat seit Jahren nichts Neues mehr veröffentlicht.

Wieso eigentlich nicht?

„Ich glaube, hier werden wir nicht fündig“, meint Kat seufzend. „In den letzten zwei Stunden haben wir uns mindestens zwanzig Leute angehört, und gefallen haben uns nur ein Obdachloser, ein eingebildetes Pärchen und ein Rockstar.“

„Du hast recht. Lass uns gehen.“ Wir nehmen unsere Handtaschen und gehen nach draußen in den kühlen Frühlingsabend. Vor uns läuft ein Mann mit Gitarrenkoffer. Die Statur, die Gangart … ich würde ihn unter Tausenden wiedererkennen.

Jake Knox.

Warum finde ich Musiker mit diesem Bad-Boy-Image bloß so verdammt attraktiv? Es ist immer das Gleiche. Kaum hält sich einer von denen in einem Radius von dreißig Meilen auf, schalten meine Weichteile auf Alarmstufe Rot. Absolut jedes Mal. Schon seit ich in der elften Klasse meine Unschuld an Todd Perkins verlor. Todd war Leadsänger einer Garagenband, und genau in dieser Garage verführte er mich damals auch. Gleich hinter dem Schlagzeug.

Und am nächsten Tag machte er mit mir Schluss.

„Er ist sogar sexy, wenn er nur geht“, flüstert Kat mir ins Ohr.

„Mhm“, erwidere ich.

„Tu bloß nicht so desinteressiert“, sagt sie und schubst mich leicht. „Er macht mich ja schon an, und dabei bist du diejenige mit der Vorliebe für Bad Boys. Das war schon so, als wir uns im ersten Jahr am College kennengelernt haben.“

Ich zucke nur mit den Schultern. Sie hat völlig recht.

„Lass uns zum Restaurant gehen. Ich will sehen, wie sich Jamie hinter der Theke schlägt“, sagt Kat schließlich, als klar wird, dass ich nicht über meinen Hang zu Musikern reden werde.

„Ich check ab, wie es im Service läuft, und dann können wir Mia gemeinsam nach Hause schicken.

„Mia arbeitet heute Abend?“, wundert sich Kat.

„Natürlich arbeitet Mia. Sie schläft nie.“

„Wir müssen unbedingt einschreiten.“

„Ich nehme ein Glas davon“, sagt Mia, als sie sich nach Ladenschluss zu uns an die Theke setzt.

Kat und ich haben uns für den Rest des Abends um unser jeweiliges Personal gekümmert, ein paar Missgeschicke ausgebügelt und dann alle nach Hause geschickt. Jetzt entspannen wir uns noch bei einem Glas Wein, bevor auch wir verschwinden.

„Ich fasse es nicht, dass du immer noch hier bist“, sage ich zu Mia. „Du bist doch schon seit heute Morgen auf den Beinen.“

„Du doch auch“, gibt sie zurück, setzt sich seufzend auf einen Hocker und lässt Kopf und Schultern kreisen. „Es war ein guter Tag.“

„Morgen nimmst du dir frei“, sage ich, ohne sie anzusehen.

„Du bist nicht mein Boss.“

„Doch sind wir. Wir alle zusammen“, betont Kat und gibt zwei Gläser Wein an Mia weiter. „Du arbeitest mit Abstand am meisten von uns allen. Die Küche wird auch mal einen Tag ohne dich auskommen.“

„Was macht man an einem freien Tag?“, will Mia wissen.

„Putz dein Badezimmer. Fahr ans Meer und halt die Füße ins Wasser. Lass dich flachlegen. Hauptsache, du kommst nicht her.“

„Mal sehen“, meint Mia achselzuckend. „Habt ihr einen Musiker für uns gefunden?“

„Nein.“ Ich schüttele den Kopf und trinke einen Schluck von meinem trockenen Wein.

„Aber ihr seid beide so scharf angezogen. Hat sich euch denn keiner an den Hals geworfen?“

„Jemand hat Kat an den Hintern gefasst.“

„Ich will Kat auch an den Hintern fassen“, gibt Mia zurück. „Wollen wir alle, seit wir sie auf dem College kennengelernt haben.“

„Hast du doch schon“, sagt Kat, prostet ihr mit einem Glas Tequila zu und trinkt es auf ex.

„Und dir hat es gefallen“, kontert Mia. „Wie ist denn der Abend gelaufen?“

„Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Wir hatten uns für ein Pärchen entschieden, aber die beiden wollten viel zu viel Kohle.“

„Und wir haben Jake Knox gesehen“, fügt Kat zufrieden grinsend an.

„Was?“, kreischt Mia. „Das ist nicht wahr!“

„Doch, ist es. Er hat einen Song performt.“

„Aber wieso das denn? Er ist doch berühmt! Er muss doch bei so was nicht auftreten.“

„Glaub mir, ich habe keinen Gedanken an seine Motive verschwendet.“ Kat schenkt nach. „Ich war einfach dankbar, keine drei Meter von ihm entfernt sitzen zu dürfen.“

„Ich bin ja so eifersüchtig auf euch! Mein Zimmer hing früher voll mit Postern von Hard Knox!“

Kat streckt die Faust für einen Fist Bump aus. „Meins auch.“

„Hard Knox war eine gute Band.“ Ich nippe an meinem Wein. „Aber sie haben sich aufgelöst.“

„Das ist so traurig.“ Mia schüttelt den Kopf. „Mann, ihr habt Jake Knox gesehen!“

„Aber wir haben keinen Act für uns entdeckt.“ Es fühlt sich an wie eine Niederlage. Ich hätte das Ganze so gerne heute Abend in trockenen Tüchern gehabt.

„Wir finden schon jemanden“, sagt Kat. „Jeremy kann sich doch mal umhören.“

„Er spielt nicht die Art von Musik, die mir vorschwebt.“

„Du meinst gute Musik?“, fragt Mia sarkastisch.

„Ach komm, er ist vielleicht kein Bandmitglied von Daughtry, aber soo schlecht spielt er nun auch wieder nicht.“

Kat und Mia ziehen gleichzeitig jede eine Augenbraue hoch und lächeln mich an.

„Ja, okay. Er ist nicht gut.“

Wir müssen alle kichern, dann verfallen wir in einvernehmliches Schweigen. Schließlich lässt Mia wimmernd den Kopf auf die Hände sinken, die gefaltet auf der Theke liegen. „Bin sooo müde.“

„Du nimmst dir morgen frei, Mia. Ich meine das ernst.“ Ich reibe über ihren Rücken. „Du brauchst deinen Schlaf.“

„Okay, aber wenn irgendwas vorfällt, ruft ihr mich sofort an.“

„Werden wir machen“, verspricht Kat und wirft mir einen Blick zu, während ich weiter über Mias Rücken reibe. Keiner von uns muss ein Wort sagen, wir wissen auch so ganz genau, was der andere denkt.

Bevor wir Mia anrufen, müsste schon das ganze Lokal in Flammen stehen.

2. Kapitel

Jake

„Du bist so schweigsam.“

Beim Klang ihrer Stimme zucke ich zusammen und reiße den Kopf hoch, werde aus irgendeinem verdammten Tagtraum gerissen. Unwillkürlich lege ich die Stirn in Falten. „Sorry, keine Absicht.“

„Was geht dir durch Kopf?“

Ich kaue auf meinem Schinkenbrot herum und betrachte Christina über den Tisch des schäbigen Diners hinweg, in dem man das beste Frühstück von ganz Portland serviert bekommt. Sie ist seit fünfzehn Jahren meine beste Freundin, hat mit mir Zeiten von Ruhm und Geld durchgemacht, aber auch einige der beschissensten Stationen in meinem Leben. Sie hat miterlebt, wie ich ganz unten war, und wie ich mich aus der Finsternis wieder nach oben gekämpft habe.

Sie ist der einzige Mensch auf der Welt, dem ich ohne mit der Wimper zu zucken bedingungslos vertrauen kann.

„Musik natürlich, was sonst“, erwidere ich und trinke einen Schluck Kaffee. Sie verdreht ihre hübschen braunen Augen und streicht sich die braunen Haare von den Schultern, so wie sie es immer macht, wenn sie genervt ist.

„Du hast diese Einladung für …“

„Kein Interesse“, schneide ich ihr das Wort ab. „Ich bin damit durch, ich brauche das nicht mehr.“

„Es fehlt dir. Du bist letztes Wochenende zu diesem Talentabend gegangen, und es war absolut perfekt.“

Ich zucke mit den Schultern und streite nicht ab, dass sie recht hat. Es fehlt mir. Nicht vor Publikum zu stehen und Musik zu machen tut mir genauso weh, als würde mir ein Bein fehlen. Aber dieser Talentabend letzte Woche war ein schwerer Fehler. Denn jetzt ist die Sehnsucht wieder erwacht.

Nur verdiene ich es nicht.

Denn im Gegensatz zu mir fehlt Christina tatsächlich ein Bein.

Und mich trifft die Schuld daran.

„Ich liebe den Song, den du für Nash geschrieben hast. Den, der letzte Woche veröffentlicht wurde.“

Ich bringe ein Grinsen zustande. „Danke.“

„Warum hast du das gemacht?“, fragt sie unerwartet.

„Was?“

„Den Talentabend.“

Ich reibe mir über die Lippen und seufze. „Ich … Gott, es fehlt mir einfach, C.“

Sie blickt mich mit sanftem Blick an. „Ich weiß.“

„Also hab ich gesungen. Und jetzt ist auch wieder gut. Thema erledigt.“ Eine glatte Lüge, aber das werde ich ihr gegenüber nicht zugeben.

„Arbeitest du heute Nachmittag?“, will sie wissen.

„Ja, Max und ich sind im Studio und machen ein paar Songs für Daughtry fertig.“

Sie nickt nachdenklich. „Du hast es echt schwer: Deine eigene Produktionsgesellschaft, ein angesagtes Studio bei dir im Haus, und von überall kommen berühmte Leute her, die mit dir arbeiten wollen.“

„Genau, ich hab es richtig schwer“, gebe ich ironisch zurück.

„Du schreibst und produzierst, du bewegst immer noch was in der Musikwelt, nur trittst du selbst nicht mehr auf.“ Sie legt den Kopf schräg und streicht sich mit einem Finger über die Unterlippe, während sie intensiv überlegt.

„Das weißt du doch alles.“

„Entschuldigung?“

Beide drehen wir uns um und sehen eine hübsche Blondine bei uns am Tisch stehen, die nervös die Hände ringt.

„Hi“, sage ich lächelnd.

„Sie sind doch Jake Knox, oder?“, fragt sie, und prompt schalte ich in einen anderen Gang. Mein Lächeln wird frecher, ich lehne mich auf meinem Platz nach hinten und wechsele in meine Rolle.

„Aber sicher bin ich der. Wie heißt du, Sweetheart?“

„M-Michelle“, antwortet sie leicht stotternd, während ihre Wangen rot werden. Jetzt stehe ich schon seit mehr als fünf Jahren nicht mehr im Rampenlicht, und trotzdem kommt mir so etwas mindestens einmal in der Woche unter. „Ich habe das Gerücht gehört, dass Sie jetzt in Portland leben.“

Ich ziehe eine Augenbraue hoch und sehe zu Christina, die ihren Kaffeebecher so hält, dass ihr Lächeln dahinter verborgen bleibt.

„Stimmt, ich wohne hier in der Gegend“, bestätige ich. „Was kann ich für dich tun?“

„Oh! Ich … ähm … tut mir leid. Meinen Sie, ich dürfte mit Ihnen ein Selfie machen?“ Sie zieht ihr Smartphone aus der Tasche und lächelt mich verlegen an.

„Klar.“ Ich stehe auf, lege ihr den Arm um die Schultern und nehme ihr das Telefon aus der Hand. Ich richte es aus einem hohen Winkel auf uns, setze mein typisches Grinsen auf, das mein Markenzeichen ist, und drücke auf den Auslöser.

„Wow, danke. Ich liebe Ihre Musik. Werden Sie bald ein neues Album rausbringen?“

Christina senkt stirnrunzelnd den Blick auf ihren leeren Teller.

„Danke. Nein, die Band hat sich aufgelöst. Und ich arbeite jetzt mehr hinter den Kulissen.“

„Oh, wie schade“, sagt Michelle betrübt. „Danke für das Foto.“

„Gern geschehen.“

Michelle geht weg und betrachtet überglücklich das Foto auf ihrem Display. Ich setze mich wieder hin.

„War ja gar nicht so schlimm“, sage ich und beiße wieder in mein Schinkensandwich.

„Es ist wirklich schade“, meint Chris.

„Fang gar nicht erst damit an, C.“ Ich werfe das Sandwich auf den Teller zurück und schiebe ihn weg.

„Ich meine ja nur …“

„Du meinst das Gleiche, was du schon seit Jahren meinst. Ich will nicht mehr so in der Öffentlichkeit stehen. Es macht nur alles schlimmer.“

„Du musst ja nicht in der Öffentlichkeit stehen, nur weil du Musik machst.“ Sie schüttelt den Kopf und lässt nicht zu, dass ich ihr ins Wort falle. „Hör mir einfach zu. Kevin und ich waren neulich in einem neuen Restaurant. Der Laden ist Wahnsinn.“ Sie beugt sich vor, ihre braunen Augen strahlen vor Begeisterung. „Der Laden ist sexy.“

„Ein Restaurant, das sexy ist?“

„Ja, und es ist fantastisch. Es liegt in der Innenstadt und wird von ein paar Frauen geführt. ‚Seduction‘ heißt es, also Verführung. Auf der Speisekarte stehen diverse Aphrodisiaka, und dazu gibt es sexy Musik, die für sexy Stimmung sorgt. Und die Weinkarte musst du einfach gesehen haben. Wusstest du, dass Spargel ein Aphrodisiakum ist?“

„Ist mir neu.“

„Ich wusste das auch nicht. Bis wir hingegangen sind. Das Lokal ist perfekt für Paare. Und so wie es aussieht, macht sich das Lokal ganz von selbst einen Namen.“

„Und was zum Teufel hat das alles mit mir zu tun?“, frage ich in sanftem Tonfall und nehme einen Schluck Kaffee.

„Im Fenster hängt ein Zettel, dass sie für die Wochenenden Musiker suchen.“

Ich sehe sie verständnislos an. „Und?“

„Geh hin und stell dich vor!“ Sie schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch und lehnt sich zufrieden lächelnd zurück.

„Ganz bestimmt nicht!“

„Warum nicht?“

„Jake Knox tritt nicht mehr auf.“

„Jake Keller könnte aber auftreten.“

Ich lege den Kopf schräg, mit einem Mal werde ich hellhörig.

„Du musst da nicht als Rockstar hingehen. Schnapp dir einfach deine Gitarre und mach Musik. Du brauchst ja nicht die alten Songs von Hard Knox zu spielen, außer, du willst mal ausprobieren, wie sie sich anhören, wenn du sie akustisch arrangierst. Du kannst andere Stücke covern, wenn dir das lieber ist. Oder du spielst die neuen Sachen, die du geschrieben hast.“

Mit einem Mal ist das Verlangen nach einem Auftritt so groß, dass ich kaum noch atmen kann. Ich liebe es, Songs zu schreiben und zu produzieren. Letzten Herbst war ich einen ganzen Monat in Seattle, um am neuen Album für die Band von Leo Nash mitzuarbeiten. So was gibt mir ein befriedigendes Gefühl. Außerdem ist Leo ein alter Freund von mir.

Aber verdammt noch mal, mir fehlen die Auftritte. Das hat nichts mit den kreischenden Frauen zu tun oder mit den Scheinwerfern oder mit der idiotischen Lautstärke, mit der die Musik aus der Anlage dröhnt.

Es geht nur um die Musik an sich. Nur darum, Songs zu spielen und mitzuerleben, wie die Menge mitsingt. Das lässt sich mit nichts vergleichen. Als ich vor Kurzem da auf der Bühne gesessen und gesungen habe, war es, als würde ich einen alten Freund besuchen.

Trotzdem. Ich habe in jener regnerischen Nacht vor fünf Jahren damit aufgehört, als Christine meinetwegen beinahe getötet wurde und ihr Bein verlor.

Ich schüttele den Kopf und presse die Lippen zusammen. „Nein.“

„Gott, wie kann man nur so verdammt stur sein?“, faucht sie und ballt ihre zierliche Faust. „Nur weil vor ewiger Zeit mal was Idiotisches passiert ist, erwarte ich doch nicht von dir, dass du nie wieder auftrittst.“

„Das ist nicht der Punkt.“

„Ach, hör doch auf mit dem Scheiß.“ Sie beugt sich vor und sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. „Der Unfall war nicht deine Schuld, J. Ich weiß nicht, wie oft ich dir das sagen muss, bis du es endlich glaubst.“

„Wenn wir uns nicht gestritten hätten …“

„Ich schlag dich grün und blau, aber wie!“

„Mit nur einem Bein? Das will ich sehen.“ Zwar grinse ich sie an, aber bei meinen Worten geht mir ein Stich durch die Brust. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde, C.“

„Dann tu mir den Gefallen, geh hin und bewirb dich für den Job. Ich will dich wieder singen hören. Das fehlt mir. Der eine Song neulich abends war nicht genug für dich. Das weiß ich ganz genau.“

„Ich bringe heute Abend meine Gitarre mit.“

Sie schüttelt lächelnd den Kopf. „Geh dich einfach vorstellen. Vielleicht nehmen sie dich ja gar nicht. Könnte doch sein, dass du’s gar nicht mehr drauf hast.“

„Baby, wenn es um Musik geht, hab ich’s immer drauf.“

„Dann beweis es mir.“

„Himmel, du kannst einem wirklich auf die Nerven gehen.“

Sie lacht. „Ich weiß. So, ich muss jetzt zum Arzt.“ Sie zieht seufzend die Nase kraus. „Ich schwöre dir, ganz Portland hat meine Mumu zu sehen bekommen.“

„Deine was?“, frage ich verdutzt. „Wie alt bist du? Acht?“

Sie wirft mit einem Stück Orange nach mir. „Dieser ganze Schwangerschaftskram muss jetzt langsam mal werden. Ständig mit den Füßen in diesen Steigbügeln dazuliegen ist weder sexy noch witzig.“

„Erfährst du heute, ob es geklappt hat?“ Christina und ihr Mann Kevin versuchen seit drei Jahren ein Kind zu kriegen. Sie wünschen es sich mehr als alles andere, und es ist eine weitere Sache, die ihr durch den Unfall genommen wurde. Eine weitere Sache, die ich ihr genommen habe.

„Ja“, sagt sie hoffnungsvoll. „Also, drück mir die Daumen.“

„Mach ich. Und die Zehen dazu.“

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte mich eine junge Frau, als ich das ‚Seduction‘ betrete, mitten im Herzen des Pearl Districts, einem der angesagtesten Viertel von Portland. Von außen sieht es aus wie eine alte Lagerhalle.

Drinnen ist es Sex pur. Aber nicht diese schummrige Art von Sex, die einem in Sexclubs und Striplokalen entgegenströmt. Das hier ist edler Sex.

„Ich würde gern die Managerin sprechen.“

„Das ist Addison“, erwidert sie freundlich. „Ich glaube, sie ist an der Bar.“ Sie zeigt nach hinten.

Ich nicke und durchquere ein Meer aus schwarzen Tischen mit blaugrünen Tischdecken und grauen Plüschsesseln mit breiten Rückenlehnen. An der rückwärtigen Wand reihen sich Separees aneinander, die mit ihren geschmackvollen grauen Vorhängen einen einladenden, intimen Eindruck vermitteln. Alles in diesem Lokal ist zu einer kleinen Bühne hin ausgerichtet, die aber im Moment leer ist. Es ist erst Mittagszeit, und anstelle von Livemusik ertönt aus den Lautsprechern eine ältere Nummer von Adele. Ich summe die Melodie mit, während ich mich dem Barbereich nähere. Er ist in den gleichen Farben gehalten, wirkt aber etwas nüchterner.

Die Wand hinter der Theke ist von übereinander gelagerten Weinfässern gesäumt, in jedem der offenen Fässer liegen Weinflaschen. Insgesamt müssen das um die tausend Flaschen sein. Und der Bereich unter der Theke ist der größte Weinkühlschrank, den ich jemals gesehen habe – ebenfalls randvoll mit Flaschen.

Wein scheint hier offensichtlich gut zu gehen.

„Du solltest mittags auch was essen, nicht nur Wein trinken“, sagt eine Frau mit tiefroten, fast schon burgunderroten Haaren und großen blauen Augen. Sie trägt eine Jeans, die aussieht, als wäre sie auf ihren Hintern maßgeschneidert, dazu ein weißes Tanktop, das genug Haut freilässt, um einige erstaunliche Tattoos zu präsentieren. Ihr Gesicht ist wie das eines Pin-ups geschminkt, und die roten Lippen sind zu einem breiten Lächeln verzogen, das der Blonden gilt, die mit dem Rücken zu mir sitzt und ein Glas Wein in der Hand hält.

„Wein gewinnt man aus Trauben, Trauben sind Obst, also ist mein Mittagessen ein Obstsalat“, erwidert sie und trinkt einen Schluck. „Gott, ist der gut.“

„Natürlich ist er gut“, sagt die Rothaarige ironisch. Im selben Moment bemerkt sie mich. Ich lehne am Durchgang zur Bar. „Können wir Ihnen behilflich sein?“

„Ich suche die Managerin. Mir wurde gesagt, dass ich sie hier finde.“

„Und das haben Sie auch geschafft“, gibt Blondie zurück und dreht sich auf dem Hocker zu mir um.

Plötzlich stockt mir der Atem. Das ist die Frau, die ich an dem Abend im Club gesehen habe. Die eine, an der ich mich einfach nicht sattsehen konnte. Die eine, die jeden anderen im Raum unbedeutend machte.

Das einzige Wort, was mir zu ihr einfallen will, ist Sexbombe – und dabei habe ich dieses Wort in meinem ganzen Leben noch nicht verwendet.

Sie lässt sich vom Hocker gleiten und steht absolut sicher auf ihren irrsinnig hohen schwarzen High Heels. Genauso sicher kommt sie mit schnellen Schritten zu mir. Sie trägt einen schwarzen Bleistiftrock mit hoher Taille, dazu eine weiße Bluse mit hochgekrempelten Ärmeln, deren oberste Knöpfe weit genug geöffnet sind, um mir einen Blick auf das beeindruckendste Dekolleté zu erlauben, das ich je gesehen habe. Ihre blonden Haare hat sie hochgesteckt, hier und da sind ihr ein paar lässige herunterhängende Locken entkommen.

Ihr Make-up ist schlicht und makellos.

Und dazu trägt sie eine Brille mit schwarzem Gestell.

Leck mich.

Ich muss angestrengt schlucken, während ich ihr die Hand hinhalte. Sie aber bleibt einen halben Meter zu früh stehen, sodass sie mir nicht die Hand schütteln kann. „Sie sind …“

„Jake Keller“, unterbreche ich sie und gehe meinerseits auf sie zu, um ihre zierliche Hand zu nehmen, die sich warm anfühlt und einen festen Griff hat. Sie kneift die Augen leicht zusammen.

„Jake Knox“, korrigiert sie mich. „Alle meine Freundinnen hatten Ihre Poster an der Wand hängen.“

„Und Sie nicht?“, frage ich und grinse frech. Sie macht mir jetzt schon Spaß.

„Nein, ich war nicht sonderlich verknallt in Sie.“ Zu meiner Enttäuschung setzt sie die Brille ab und schiebt sie sich über der Stirn ins Haar.

Gott, schöne Frauen mit Brille bringen mich einfach um den Verstand.

„Zu schade.“ Ich grinse sie weiter an.

„Was kann ich für Sie tun?“

„Ich bin wegen des Jobs hier.“

Sie stutzt. „Sie wollen als Kellner arbeiten? Sind die Zeiten tatsächlich so schlecht, Mr. Knox?“

„Keller“, berichtige ich sie. „Aber sagen Sie doch einfach Jake. Ich bin eigentlich wegen der Auftritte am Wochenende hier, aber falls nötig, kann ich auch Tische abräumen.“

Sie legt den Kopf ein wenig schräg, streicht sich eine Strähne hinters Ohr und lächelt mich so an, dass mein Herz aussetzt. Verdammt noch mal, wo kommt denn bloß plötzlich diese Frau her?

Und wo kommen verdammt noch mal solche Gedanken her?

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Budget nicht für Sie reicht, Mr. Keller.“ Sie will sich wegdrehen, aber ich bekomme ihren Ellbogen zu fassen und drehe sie zu mir um.

„Es geht mir nicht ums Geld“, erkläre ich hastig. „Ich möchte einfach nur Musik machen.“

„Ihre ganze Band?“, hakt sie skeptisch nach.

„Nein, nur ich. Ich bringe meine Gitarre mit, und Sie müssen nur für einen Hocker und ein Mikrofon sorgen. Und falls Sie kein Mikrofon haben, werde ich bestimmt eines auftreiben.“

Sie sieht mich an, als wolle ich mich auf Chinesisch mit ihr unterhalten, schließlich fragt sie: „Okay, wo sind die Kameras?“ Sie sieht sich um, zeigt auf die Rothaarige. „Habt ihr euch das ausgedacht? Ihr seid wirklich unmöglich, mir so einen Streich zu spielen.“

Die Rothaarige lacht und schüttelt den Kopf. „Hier spielt dir überhaupt keiner einen Streich, Addie. Aber wenn du mit ihm fertig bist, kannst du ihn zu mir schicken.“

Addie wirft mir einen skeptischen Blick zu. „Sie ist eine der Freundinnen, die Ihr Poster an der Wand hängen hatten.“

„Und ich habe auch kein Problem damit, das zuzugeben“, verkündet die Rothaarige mit volltönender Stimme, während sie weitere Flaschen in die Fässerwand sortiert.

„Also, der Job“, sage ich und verschränke die Arme vor der Brust. Ich sehe, wie Blondies Augen größer werden, als sie das Tattoo an meinem rechten Arm entdeckt. Sie ist also nicht immun gegen mich.

„Sie wollen wirklich für Peanuts hier singen?“

„Popcorn wäre mir zwar lieber, aber ich nehme auch Peanuts.“

Amüsiert beobachte ich, wie sie sich kurz auf die Unterlippe beißt. Dann verschränkt sie ebenfalls die Arme, als wollte sie meine Pose nachahmen, bewirkt damit aber nur, dass sie ihre Titten zusammendrückt und mir einen noch grandioseren Blick auf den wundervollsten Körper gestattet, den ich … jemals zu Gesicht bekommen habe.

Ihre Kurven verschlagen einem glatt den Atem, und dazu hat sie das alles in ein Outfit gepackt, das von Stil und Klasse zeugt. In diesem Moment möchte ich sie einfach an mich ziehen und mich mit ihr vergnügen.

Aber alles zu seiner Zeit.

„Der Job erfordert, dass Sie freitags- und samstagsabends von zehn bis Ladenschluss auf der Bühne stehen.“

„Wann machen Sie zu?“

„Um Mitternacht.“

„Das ist kein Problem.“

Sie nickt, dann fängt sie an zu lachen und legt den Kopf in den Nacken. Ihre Stimme klingt rau und ist genauso sexy wie der ganze Rest.

„Habe ich gerade eben wirklich Jake Knox engagiert?“

„Nein, Ma’am, Sie haben Jake Keller engagiert“, stelle ich klar und reibe mir mit dem Handrücken über den Mund. Dabei merke ich, dass ich mich seit gut einer Woche nicht mehr rasiert habe. Ich muss wirklich sehr professionell rüberkommen: eine alles andere als blitzsaubere Jeans und dazu ein schwarzes T-Shirt. Unrasiert, ungekämmt und wohl völlig zerzaust, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass ich mir heute Morgen nur einmal flüchtig mit den Fingerspitzen durch die Haare gefahren bin, bevor ich das Haus verlasse habe.

Aber Addie kaut nur wieder auf ihrer Unterlippe rum und nickt. „Okay, Sie können Freitag anfangen, dann werden wir sehen, wie es läuft.“

„Sie meinen, ich muss probevorspielen?“, frage ich überrascht.

„Nein, es geht mir eher ums Kennenlernen, Mr. Keller“, antwortet sie und legt die Hände an die Hüften. „Ich werde mir ansehen, ob Sie zu uns passen, und Sie machen sich ein Bild davon, ob wir zu Ihnen passen.“

Oh, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir beide ganz hervorragend zusammenpassen werden, Sweetheart.

„Klingt gut. Ich werde am Freitag um halb zehn hier sein, um alles einzurichten.“

„Großartig. Kommen Sie dann direkt an die Bar. Wir treffen uns hier, und dann kann ich Ihnen alles zeigen.“

Ich nicke und schiebe die Hände in meine Hosentaschen, da ich zum ersten Mal seit meiner Kindheit wieder nervös bin, was mich einerseits ärgert, andererseits aber amüsiert. „Nachdem wir das geklärt hätten“, sage ich und halte dem eindringlichen Blick ihrer hübschen blauen Augen stand, „wie wäre es, wenn ich Sie am Freitag nach Feierabend noch irgendwo auf einen Drink einlade?“

Sie hält einen Moment lang inne, dann schüttelt sie den Kopf und lacht, sieht auf ihre Schuhe und schaut mich wieder an.

„Lassen Sie mich das von vornherein klarstellen“, entgegnet sie in unmissverständlichem Tonfall. „Ich bin nicht Teil des Jobangebots, und daran wird sich auch nichts ändern. Ich bin Ihr Boss, und damit hat es sich. Außerdem bin ich ohnehin vergeben.“

„Dummes Weib“, höre ich die Rothaarige hinter der Theke murmeln, aber Addie reagiert nicht darauf.

„Verstehe“, erwidere ich respektvoll und bin enttäuscht. Addison ist eine wunderschöne Frau, und mein Gefühl sagt mir, dass sie mehr ist als nur das. Aber sie gehört einem anderen, also spielt das überhaupt keine Rolle.

Und warum zum Teufel sollte es überhaupt eine Rolle spielen? Himmel, ist es wirklich schon so lange her, dass ich das letzte Mal flachgelegt wurde?

„Dann sehen wir uns Freitagabend.“

„Genau“, entgegnet sie und dreht mir abrupt den Rücken zu, bevor sie auf ihren unglaublich hohen Absätzen zurück zur Theke schlendert. Bei jedem Schritt wackelt ihr Po hin und her.

Ich kann den Freitag kaum erwarten.

Ich winke der Rothaarigen zu und gehe zur Tür. Das Restaurant füllt sich mit Gästen, die zum Mittagessen herkommen. Draußen vor dem Lokal rufe ich Christina an.

„Fehle ich dir etwa schon?“, fragt sie mit einem Lächeln in der Stimme.

„Wie verrückt. Ach ja, ich glaube, ich bin soeben engagiert worden.“

„Du bist hingegangen?“, kreischt sie vor Freude, gibt ihrem Mann Kevin schnell die Neuigkeit weiter und wendet sich dann wieder mir zu. „Und sie haben dich genommen?“

„Natürlich haben sie mich genommen.“

„Hat die Managerin dich erkannt?“

„Ja. Allerdings habe ich so ein Gefühl, dass sie mich trotz, nicht wegen meiner Vorgeschichte engagiert hat.“

„Interessant. Ich kann die Frau jetzt schon gut leiden.“

„Ich auch.“

Die Fahrt nach Hause ins westliche Portland dauert von der Innenstadt aus über den Sunset Highway gerade mal eine halbe Stunde. Das gehört mit zu den Dingen, die ich an dieser Stadt so liebe: Schon nach wenigen Minuten hat man das geschäftige Zentrum hinter sich gelassen und kann die Ruhe der Vorstadt genießen.

Vor gut vier Jahren habe ich auf den Hügeln am Rand von Hillsboro ein Haus auf einem eineinhalb Hektar großen Grundstück gekauft, das von einem hohen Zaun umgeben ist und von einem Sicherheitsdienst im Auge behalten wird. Es ist eigentlich viel zu groß für mich, aber der Pool oder genauer gesagt, das Poolhaus hatte es mir angetan.

Ich schwimme wahnsinnig gern, und wenn ich zu Hause bin, bin ich jeden Tag im Wasser. Zusammen mit meinem besten Freund Max Bishop, dem Mitbegründer von Hard Knox, habe ich das Poolhaus in ein vollwertiges Studio umgebaut und Hard Knox Productions ins Leben gerufen. Seit wir vor zwei Jahren ins Geschäft eingestiegen sind, war von U2 bis Usher bereits fast jeder in meinem Studio, um Songs zu schreiben und aufzunehmen – eben um Musik zu machen.

Musik ist Nahrung für meine Seele. Das ist schon so, seit ich neun war und zu Weihnachten meine erste Gitarre geschenkt bekam. Musik hat etwas Magisches an sich, das sich einfach durch nichts ersetzen lässt. Eine Zeit lang habe ich gedacht, ich könne die Musik völlig aufgeben, aber es hat sich angefühlt, als sei ich ins Fegefeuer verbannt worden.

Dieses Fegefeuer war notwendig gewesen, aber die Qualen hatte es nicht erträglicher gemacht.

Ich stelle den Wagen ab und laufe um das Haupthaus herum. Dass Max bereits arbeitet, als ich ins Studio komme, wundert mich nicht.

„Du bist spät dran“, sagt er beiläufig, nimmt den Bleistift zwischen die Zähne und spielt auf dem Klavier, von dem aus man den ganzen Pool im Blick hat.

„Ich habe einen Job“, verkünde ich und stütze mich auf das Klavier, damit ich einen Blick auf das Notenblatt werfen kann, das Max vor sich hat.

„Wen denn? Ich dachte, Maroon 5 hat den Termin verschoben, weil Adam für seine Show proben muss.“

„Kein Job fürs Studio, sondern reguläre Gigs.“

Er hebt abrupt den Kopf, und als ich die Hoffnung in seinen Augen aufblitzen sehe, versetzt es mir einen Stich. „Gigs für die Band?“

„Nein“, sage ich leise und starre auf das Klavier. „In der Stadt gibt es ein neues Restaurant, das fürs Wochenende jemanden gesucht hat, der Musik macht. Das ist der Job, von dem ich rede.“

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