Wird unsere Liebe stärker sein?

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Die junge Ärztin Philippa Murdoch hat in den Armen ihres italienischen Kollegen Antonio Costa die große Liebe gefunden, da stellt eine schlimme Nachricht ihr ganzes Leben auf den Kopf - und bedroht ihre gemeinsame Zukunft mit Antonio …


  • Erscheinungstag 20.03.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506021
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der sanfte Stoß in die Seite erinnerte sie daran, dass sie nicht allein war.

„Pip?“

Philippa Murdoch wandte den Kopf. „Tut mir leid, Kleines, ich war mit meinen Gedanken woanders.“

Nämlich in der Notaufnahme, wo sie einen Patienten hatte zurücklassen müssen.

„Ich glaube, man hat mich aufgerufen.“

„Alice Murdoch?“

„Hier!“

Pip sprang hastig auf und wünschte, sie hätte ihren weißen Kittel auf der Station ausgezogen. Die Frau, die gerade versuchte, einen Streit ihrer drei kleinen Kinder zu schlichten, warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, als hätte sie sich aufgrund ihrer Position vorgedrängt.

Was natürlich nicht stimmte. Sie hatten ebenso wie die anderen gewartet, um einen Termin bei dem bekanntesten Kinderarzt der Stadt zu bekommen.

Alice und sie wurden in einen kleinen Raum gebeten, in dem ein Schreibtisch und eine Untersuchungsliege standen. Die Schwester legte eine dünne Krankenakte mit Alices Namen auf den Schreibtisch.

„Setzen Sie sich bitte“, sagte sie freundlich. „Dr. Costa kommt gleich.“

Alice hob die Augenbrauen. „Komischer Name …“

„Er ist Italiener.“

„Warum kann ich nicht wieder zu Dr. Gillies gehen?“

„Dr. Gillies ist unser Hausarzt. Wenn er bei einem Patienten nicht herausfinden kann, was mit ihm los ist, überweist er ihn an einen Facharzt.“

Alice überlegte einen Moment, dann hellte sich ihr Gesicht auf. „Klopf, klopf“, sagte sie.

„Wer ist da?“ Pip spielte das Spiel mit.

„Dr. Costa.“

„Welcher Dr. Costa?“

„Der teure Dr. Costa.“

Pips Lächeln verschwand schlagartig. Auch der hochgewachsene, dunkelhaarige Mann an der Tür hatte Alices Spaß mitbekommen. Aber er lächelte.

„Ich koste überhaupt nichts“, sagte er zu Alice, als er sich setzte und leicht vorbeugte. „Ich bin umsonst … und ganz allein für dich da.“

Alice starrte ihn mit offenem Mund an, und Pip begriff, warum Alice verlegen errötete. Hätte er seinen Charme an sie verschwendet, wäre sie sicher genauso verwirrt gewesen wie ihre Tochter. Der armen Alice hatte es die Sprache verschlagen.

Kein Wunder, denn der Mann sah aus wie eine gelungene Mischung aus sämtlichen Filmstars und Popidolen, die Alice und ihre Freundinnen anhimmelten. Glänzendes schwarzes Haar, olivfarbene Haut, ein umwerfendes Lächeln, faszinierender südländischer Akzent … Jetzt verstand Pip, warum eine der älteren Notfallschwestern neidisch geseufzt hatte, als Pip ihr von diesem Termin berichtet hatte.

„Die Gelegenheit würde ich mir auch nicht entgehen lassen.“ Suzie lachte. „Vielleicht sollte ich mir irgendwo ein Kind ausleihen …“

„Ich begleite Alice doch nur, weil meine Mutter sich einen Virus eingefangen hat und sich ständig übergeben muss.“

„Gehen Sie nur.“ Suzie scheuchte sie mit einer Handbewegung fort. „Und genießen Sie es!“

Und Pip konnte gar nicht anders, als Dr. Costa nun sie anlächelte. In ihrem Bauch tanzten Schmetterlinge. Sie lächelte zurück.

„Und Sie sind Alices … Schwester?“

Pip öffnete den Mund, um ihn zu berichtigen, wurde jedoch von Alice unterbrochen.

„Mum ist schrecklich übel“, informierte sie ihn. „Stimmt doch, Pip? Sie konnte heute nicht mit mir herkommen, weil sie krank ist.“

„Das tut mir aber leid.“

Er hörte sich aufrichtig an. Pip holte tief Luft.

„Wir wollten den Termin nicht verfallen lassen.“ Alices flehender Blick war nicht nötig. Warum sollte es nicht ihr Geheimnis bleiben? Dr. Costa war nicht der Erste, der sie beide für Schwestern hielt, und Alice fand es viel cooler als die Wirklichkeit.

Zudem war es ein harmloses Geheimnis.

„Sie haben eine ziemlich lange Warteliste, Dr. Costa“, fügte Pip ruhig hinzu und zwinkerte Alice dabei verschwörerisch zu.

„Toni, bitte.“ Er warf einen Blick auf ihren Kittel. „Sie arbeiten hier, Pippa?“

„Pip. Die Abkürzung für Philippa.“ Obwohl ihr Pippa sogar besser gefiel, besonders mit seinem Akzent. „Und ja, ich habe vor vier Wochen als Oberärztin in der Notaufnahme angefangen.“

Alice verfolgte das Gespräch mit sichtlichem Interesse. „Ich dachte, Sie wären Italiener“, sagte sie zu dem Arzt.

„Das bin ich auch. Ich stamme von Sardinien, einer großen Insel.“

Tony hört sich nicht sehr italienisch an.“

„Mein Name schreibt sich mit einem i am Ende“, erläuterte er. „Eine Abkürzung für Antonio. Alles klar?“

Da lächelte Alice. „Ich glaube schon.“

Sein Lächeln galt Pip. „Na, wunderbar. Aber nun …“, er nahm die Akte zur Hand und blickte Alice freundlich an, „erzähl mir mal, was dich heute zu mir geführt hat, Alice.“

Verunsichert sah ihre Tochter von ihm zu ihr.

„Alices Hausarzt hat sie überwiesen“, half Pip. „Schon seit Monaten versucht er den Grund für ihre Bauchschmerzen und die Übelkeit herauszufinden, unter denen sie seit einiger Zeit leidet.“

Toni Costa nickte, während er den Arztbrief überflog. „Kein Hinweis auf eine Infektion der Harnwege“, sagte er, „aber der Hausarzt ist sich nicht sicher, ob die Beschwerden auf Kindermigräne oder das Reizdarmsyndrom zurückzuführen sind.“

„Hm.“ Pip war mit diesen Vermutungen nicht glücklich, wollte aber auch nicht den Eindruck erwecken, sie würde sich einmischen, nur weil sie auch Medizinerin war.

Toni warf ihr jedoch einen auffordernden Blick zu, und sie nutzte die Chance.

„Vor ein paar Jahren hatte meine Mutter Gallensteine, und man hat ihr die Gallenblase entfernt“, erzählte sie. „Und im letzten Jahr erkrankte sie an Pankreatitis. Alice zeigt sehr ähnliche Symptome.“ Der Hausarzt hatte angedeutet, dass sie nach Shonas Erkrankung unter dem Münchhausen-Syndrom leiden könnte. Als könnte man Herzrasen und plötzliche Blässe, Erbrechen und starke Schmerzen vortäuschen!

„Und Sie machen sich Sorgen, es könnte sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handeln?“

„Ja.“ Ihre innere Anspannung ließ etwas nach. Toni Costa nahm ihre Ängste ernst.

„Genetische Krankheit?“, fragte Alice misstrauisch nach. „Davon hast du nie etwas gesagt.“

Toni lächelte … wieder. Er schien es oft zu tun, und seine dunklen Augen funkelten dabei, sodass ihr ganz warm wurde. Ein solcher Arzt musste ja bei seinen Patienten beliebt sein – vor allem bei den Frauen!

„‘Genetisch‘ bedeutet nur, dass man damit zur Welt gekommen ist“, erklärte er. „Jedem Mensch werden eine Menge Gene von seinen Eltern und Großeltern mitgegeben.“

„Ist das schlimm?“

Toni schüttelte den Kopf. „Grundsätzlich nicht, Alice. Vergleiche es einfach mit Schulbusfahren. Wenn es genetisch bedingt, also vererbt ist, hast du bereits einen Fahrschein. Wenn nicht, musst du einen lösen, sobald du diesen Bus nimmst. Uns interessiert der Bus, nicht dein Fahrschein.“

„Und was ist mit meinem Bus?“, fragte sie. „Wohin bringt er mich?“

„Genau das wollen wir versuchen herauszufinden.“ Toni Costa beugte sich wieder vor. „Erzähl mir mal von deinen Bauchschmerzen.“

Erleichtert machte sich Toni an die Untersuchung. Die Routine half ihm, die seltsame Stimmung im Behandlungszimmer zu ignorieren.

„Wie oft hast du diese Schmerzen, Alice?“

Das Mädchen rümpfte nachdenklich die Nase. „Das letzte Mal, als Charlene ihre Party gab und ich nicht hingehen konnte.“

„Und wie lange ist das her?“

„Also … Jade gibt dieses Wochenende eine Party, und sie ist genau einen Monat älter als Charlene.“

„Älter?“

„Ich meinte jünger.“

Toni nickte. „Also vor vier Wochen. Und davor?“

„Das war, als wir mit der Schule zur Kunstausstellung fahren wollten.“

Toni sah Alices Schwester an. Er bemerkte das Lächeln in ihren Augen. Vermutlich wusste sie, wie schwierig und frustrierend es manchmal war, einem Kind genaue Informationen zu entlocken.

„Ihre Schmerzen treten in Abständen von vier bis sechs Wochen auf“, erklärte sie, „seit einem halben Jahr etwa.“

Er bedankte sich mit einem kurzen Lächeln und wandte sich wieder an seine Patientin. „Bestimmt ist es blöd, wenn man nicht zu den Partys kann“, meinte er mitfühlend.

„Ja.“ Alice nickte traurig.

„Dann hast du also starke Schmerzen?“

„Ja. Manchmal muss ich sogar spucken.“

„Und ist der Schmerz immer gleich?“

„Ich glaube schon.“

„Wie würdest du ihn beschreiben?“

Toni sah ihren Augen an, dass sie überlegte. Hübsche Augen. Ein warmes Hellbraun mit ungewöhnlichen goldenen Flecken darin.

Ihre Schwester hatte die gleichen Augen. Aber dennoch ganz anders.

Verwirrend.

Toni räusperte sich. „Ist es ein scharfer Schmerz? So, als wenn man dich mit einer Nadel sticht? Oder eher dumpf?“

Alice seufzte. „Beides.“

Toni verzichtete vorerst auf eine genaue Beschreibung. „Ist der Schmerz ständig da, oder kommt und geht er – so wie Wellen am Strand?“

„Beides“, sagte Alice auch jetzt. Sie biss sich auf die Lippe und setzte hinzu: „Er geht nicht richtig weg. Mal tut es mehr weh und mal weniger.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht mehr genau.“

„Es ist wichtig, dass du mir alles erzählst, woran du dich erinnern kannst. Beschränkt sich der Schmerz auf eine Stelle?“

„Ja. Auf meinen Bauch.“ Sie warf ihm einen verständnislosen Blick zu, als wollte sie sagen: Kann man Bauchschmerzen auch im Kopf haben?

Toni lächelte. „Ich meinte damit, ist er immer genau an derselben Stelle oder auch am Rücken?“

Alices Gesicht hellte sich auf. „Manchmal hilft eine Wärmflasche am Rücken. Meinen Sie das?“

„Ja. Solche Einzelheiten sind sehr wichtig.“

Vom Bauchraum ausstrahlende Schmerzen konnten auf eine Pankreatitis hinweisen, und unwillkürlich glitt sein Blick zu Alices Schwester.

Sie musste um einiges älter sein. Schätzungsweise Ende zwanzig. Deswegen hatte er vorhin gezögert, als es um ihr Verwandtschaftsverhältnis ging. Manche Frauen reagierten pikiert, wenn man ihre Schwester für ihre Tochter hielt.

Aber die Ähnlichkeit deutete darauf hin, dass sie Schwestern waren. Pip hatte die gleichen ausdrucksvollen Augen, und ihr Haar war zwar dunkler, ein warmes Kastanienbraun statt Rotgold wie bei Alice, aber genauso leicht gewellt.

Und all das hat nichts mit deiner Untersuchung zu tun, ermahnte er sich.

„Sind mit dem Erbrechen noch andere Symptome verbunden?“, fuhr er fort. „Durchfall, Kopfschmerzen, Fieber?“

Pip schüttelte den Kopf.

„Auch keine Migräne in der Familie?“

„Nein.“

„Magengeschwüre? Reflux?“

„Nein. Mit säurebindenden Medikamenten ist sie schon behandelt worden.“

„Irgendwelche Stressfaktoren oder familiäre Probleme?“

Überrascht, fast bestürzt sah sie ihn an.

Merkwürdig.

„Ich habe doch kein Magengeschwür“, mischte Alice sich ein. „So was kriegen nur alte Leute. Dr. Gillies hat gedacht, dass Nona eins hat.“

„Nona?“

„Meine Mutter heißt Shona“, mischte Pip sich ein. „Als Alice ganz klein war, konnte sie den Namen nicht aussprechen und machte Nona daraus. Dabei ist es geblieben.“

„Das ist wirklich komisch!“ Jetzt war er an der Reihe, verblüfft zu sein.

„Wieso?“ Pip runzelte die Stirn.

„Wahrscheinlich nur für mich.“ Toni lächelte beruhigend. „Ich bin mehr oder weniger von meiner Großmutter Nonna großgezogen worden.“

„Sie hieß auch Nona?“ Alice war sichtlich fasziniert. „Wie witzig.“

„Nein.“ Toni schüttelte den Kopf. „Nonna ist Italienisch und heißt Großmutter.“

Er wunderte sich selbst, dass er so viel von sich erzählte. Und über den langen Blick, den die beiden Schwestern miteinander tauschten. Er stand auf. „So, cara, nun wollen wir uns deinen Bauch ansehen. Legst du dich bitte hier auf die Liege?“

Alice starrte ihn an. „Cara? Ich heiße Alice.“

„Entschuldige, das ist auch italienisch. Es bedeutet so viel wie: mein Schatz, meine Liebe.“

„Oh.“ Alice senkte scheu den Blick und kletterte gehorsam auf die Liege. „Okay.“

Es gab nicht viele Menschen, denen es mit Leichtigkeit gelang, Alices volle Unterstützung zu gewinnen. Pip blieb absichtlich im Hintergrund, um das Gespräch zwischen dem Arzt und ihrer Tochter nicht zu stören, aber nahe genug, falls Hilfe nötig war.

Toni untersuchte Alice gründlich von Kopf bis Fuß, bevor er sich dann mit ihrem Bauch befasste.

„Wissen Sie, ob es während der Schwangerschaft oder bei der Geburt irgendwelche Schwierigkeiten gegeben hat?“, wandte er sich schließlich an Pip.

Beinahe hätte Pip aufgelacht. Das Wort Schwierigkeiten beschrieb nicht einmal ansatzweise, was sie seelisch und körperlich durchgemacht hatte, nachdem sie mit sechzehn entdeckte, dass sie schwanger war.

Der Vater des Kindes wollte von dem Kind nichts wissen. Ihrer Mutter, die damals noch immer unter dem tragischen Verlust ihres Mannes, Pips Vater, litt, bürdete sie eine weitere Last auf. Und um allem die Krone aufzusetzen, erlebte Pip eine denkbar schlecht betreute, endlos lange und schreckliche Geburt, nach der sie sich schwor, nie wieder ein Kind zu bekommen.

Anscheinend interpretierte er ihr Zögern als Nein und nickte. „Sicherlich wüssten Sie davon.“

„Ja, das wüsste ich.“

Dr. Costa begann, Alice die Brust abzuhorchen. „Können Sie sich erinnern, wann Alice angefangen hat zu laufen?“

„Sie war damals gut zwölf Monate alt.“

Für Pip waren es die härtesten zwölf Monate ihres Lebens gewesen. Ohne Shonas Hilfe hätte sie es gar nicht geschafft. Andererseits waren es auch zwölf wunderschöne Monate gewesen, in denen die Bindung zu Shona enger geworden war und ihre Mutter durch die Enkelin ihre Lebensfreude wiedergewonnen hatte. Und dass sie für Alice nach und nach immer mehr Mutterstelle vertrat, war unausweichlich gewesen, denn sie hatte Pip ermutigt, die Schule zu Ende zu bringen und anschließend Medizin zu studieren, Pips sehnlichster Wunsch.

„Und wann fing sie an zu sprechen?“ Seine Frage riss sie aus ihren Erinnerungen.

„Als sie ungefähr zwei, zweieinhalb war, genau kann ich es nicht sagen“, gestand sie ein. Als sie von zu Hause fortgegangen war, um ihr Studium aufzunehmen, hatte Alice gerade ein paar Worte gesprochen, und als sie dann während der ersten Semesterferien zurückkam, hatte ihre Tochter bereits munter drauflosgeplappert.

„Kinderkrankheiten? Masern, Mumps, Windpocken und so weiter?“

„Sie hat alle Impfungen bekommen. Windpocken hatte sie ungefähr mit vier Jahren. Damals war der ganze Kindergarten krank, wenn ich mich richtig erinnere.“

Die Briefe und Telefonanrufe ihrer Mutter hatten ihr damals Schuldgefühle verursacht, weil sie ihrer Tochter nicht helfen konnte, als diese sie brauchte. Aber Shona hatte ihr immer wieder deutlich gemacht, dass es das Beste für sie und ihre Tochter war, dass es nicht anders ging, wenn sie sich eine solide Basis für die Zukunft schaffen wollte.

„Zeig mir, wo genau die Schmerzen sind“, forderte er Alice auf.

Alice deutete vage auf die Taille.

„Tut es weh, wenn ich hier drücke?“ Er legte die Hand auf den oberen Bauchbereich.

„Etwas.“

Pip fiel es schwer, den Blick von seiner Hand loszureißen. Dunkle Härchen auf gebräunter Haut, lange, schlanke Finger, gepflegte Nägel. Sichere, aber behutsame Bewegungen.

„Und hier?“

„Ja, das tut weh!“

„Sehr oder nicht so sehr?“

„Nicht so schlimm. Aber wenn ich richtig krank bin, tut es sehr weh.“

Der Pager in ihrer Kitteltasche schrillte.

„Tut mir leid, das ist wohl die Notaufnahme“, sagte Pip.

„Sie können gern mein Telefon benutzen“, bot er an.

„Danke.“

Es war ihr unangenehm, seine Untersuchung zu stören, aber sie musste sich melden.

„Sicherlich ist es nichts Ernstes“, entschuldigte sich Suzie gleich darauf, „aber Mr. Symes hat starke Schmerzen in der Brust, die in den linken Arm ausstrahlen.“

Klassische Symptome. Fast zu klassisch. „Gibt es noch weitere Anzeichen?“

„Seit er eingeliefert wurde, klagt er über Übelkeit und Schmerzen, aber er schwitzt weder, noch erbricht er sich.“

„Machen Sie bitte ein 12-Kanal-EKG, und lassen Sie ihn telemetrisch überwachen.“

„In Ordnung.“

„Wie ist sein Blutdruck?“

„Hundertfünfzig zu neunzig.“

Pip verordnete Nitroglyzerin und Sauerstoff. „Wir sollten weitere Bluttests machen und auf Herzenzyme untersuchen. Das kann ich übernehmen, wenn ich wieder unten bin. Lange sollte es nicht mehr dauern.“

Als sie auflegte, sah Toni sie an. „Ein Herzpatient?“

„Wahrscheinlich nicht, aber wir müssen es sicher ausschließen.“

„Ich werde Sie nicht mehr lange aufhalten. Auf den ersten Blick scheint Alice ein normal entwickeltes, gesundes Mädchen zu sein. Mehr als eine leichte, unspezifische Empfindlichkeit des Bauchraums habe ich nicht feststellen können.“

Die Diagnose machte sie ratlos. Hatte ihr Gefühl sie getäuscht?

„Was aber nicht heißen soll, dass ich von weiteren Untersuchungen absehen möchte. Ich denke an Blut- und Urintests sowie eine Ultraschalluntersuchung des gesamten Bauchraums. Vielleicht auch Kernspin.“ Toni füllte einen Überweisungsschein aus. „Zusätzlich sollten wir eine Endoskopie vornehmen, um Gastritis und ein Zwölffingerdarmgeschwür, verursacht durch Helicobacter pylori, auszuschließen.“

Pip nickte. Das war mehr als erwartet.

„Alice ist wegen der Beschwerden noch nicht im Krankenhaus gewesen, oder?“

„Nein. Beim ersten Anfall war ich kurz davor, sie hinzubringen, weil es ihr so schlecht ging, aber dann war es nach knapp einer halben Stunde vorbei.“

„Es wäre ideal, wenn wir sie während einer Schmerzattacke hier hätten und ihr Blut abnehmen könnten, um die Amylase-Werte zu überprüfen.“

„Halten Sie eine Pankreatitis für möglich?“ Erhöhte Amylase-Werte konnten auf eine Bauchspeicheldrüsenentzündung – oder auf einen Tumor hindeuten. Pip blickte Toni an und las in seinen Augen, dass er ihre schlimmsten Befürchtungen ahnte.

„Zu diesem Zeitpunkt schließe ich nichts aus. Wir werden das Problem ergründen und dann damit fertig werden, ja?“

„Ja.“ Pip senkte den Blick. „Danke.“

„Und Sie bringen sie wieder her, wenn sie akut Schmerzen hat? Lassen Sie mich rufen, ja? Ich möchte sie mir möglichst selbst ansehen.“

Sein warmes Lächeln ließ sie glauben, dass er notfalls sogar mitten in der Nacht ins Krankenhaus kommen würde.

Und dass er alles täte, um eine korrekte Diagnose zu stellen und Alice wieder gesund zu machen.

Ob alle Patientenangehörigen sich in seiner Gegenwart so fühlten wie sie? So sicher und … umsorgt?

Pip erwiderte sein Lächeln, während Alice sich fertig anzog und auf den Stuhl neben ihr sinken ließ. Ihre Tochter blickte von Toni zu Pip und wieder zurück.

„Okay“, sagte sie, „also, wohin fährt mein Bus?“

Alice war nicht sonderlich begeistert, die vielen Untersuchungen über sich ergehen zu lassen.

„Warum können wir nicht einfach röntgen oder so? Du weißt doch, ich hasse Spritzen.“

„Eine Ultraschalluntersuchung ist absolut schmerzfrei und besser als Röntgen. Und beim Kernspin erzielt man noch bessere Ergebnisse. Eigentlich ist es eine Fotografie von deinem Bauchinnern mit unglaublich vielen Einzelheiten.“

„Krass! Kann man sehen, was ich zum Frühstück gegessen habe?“

Pip lachte. „Fast, aber mach dir keinen Gedanken. Vielleicht bekommst du erst in sechs Wochen einen Termin. Wir werden tun, was Dr. Costa vorschlägt, und dich das nächste Mal herbringen, wenn du Bauchschmerzen hast.“

„Kommst du dann wieder mit?“

„Natürlich.“

„Und wenn du gerade Dienst hast?“

„Dann lasse ich alles stehen und liegen. So wie heute.“

„Bekommst du keinen Ärger?“

„Nein, natürlich nicht.“ Pip schaffte es sogar, überzeugend zu klingen. „Ich muss die Zeit nur nacharbeiten. Kannst du im Personalraum bleiben, bis ich mich um die Patienten gekümmert habe, die noch auf mich warten?“

„Klar.“

„Wenn du willst, hol dir einen Becher Kakao aus dem Automaten. Du weißt doch, wie es geht, oder?“

„Klar.“

Sie gingen an der Notaufnahme vorbei Richtung Personalzimmer.

„Pip?“

„Ja?“

„Dr. Costa ist nett, oder?“

„Sehr nett.“ Welche Untertreibung!

„Ist er verheiratet?“

„Keine Ahnung.“ Lügnerin. Unter dem weiblichen Personal im Christchurch General hatte sich längst herumgesprochen, dass er noch zu haben war.

„Vielleicht sollten wir es herausfinden.“

„Warum?“

„Weil du endlich einen Freund haben solltest, und ich finde Dr. Costa echt heiß!“

Pip wollte sich nicht mit einer Zwölfjährigen auf dieses Thema einlassen, und ganz besonders nicht mit ihrer Tochter. „Für einen Freund habe ich gar keine Zeit.“

„Wenn du zu lange wartest, wirst du alt und faltig, und dann will dich kein Mann mehr.“

„Na, vielen Dank!“ Aber Pip grinste. „Nur zu deiner Information, mein Kind – achtundzwanzig ist nicht alt.“

Sie erreichten den Personalraum, und wie immer hatte Alice auch jetzt das letzte Wort.

Autor

Alison Roberts
Alison wurde in Dunedin, Neuseeland, geboren. Doch die Schule besuchte sie in London, weil ihr Vater, ein Arzt, aus beruflichen Gründen nach England ging. Später zogen sie nach Washington. Nach längerer Zeit im Ausland kehrte die Familie zurück nach Dunedin, wo Alison dann zur Grundschullehrerin ausgebildet wurde.
Sie fand eine Stelle...
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Alison Roberts
Alison wurde in Dunedin, Neuseeland, geboren. Doch die Schule besuchte sie in London, weil ihr Vater, ein Arzt, aus beruflichen Gründen nach England ging. Später zogen sie nach Washington. Nach längerer Zeit im Ausland kehrte die Familie zurück nach Dunedin, wo Alison dann zur Grundschullehrerin ausgebildet wurde.
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