Bianca Exklusiv Band 358

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DIE KRAFT DER LIEBE von SUSAN MALLERY
Nicht blond, nicht kurvig – Computerexpertin Nicki weiß, sie ist nicht der Typ Frau, den Zane Rankin mag. Und sie kennt ihren Boss und alten Freund genau. Deshalb will sie erst ablehnen, als er sie nach einer Party zu sich einlädt …

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MEIN FEIND, DAS BABY UND ICH von VICTORIA PADE
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  • Erscheinungstag 03.02.2023
  • Bandnummer 358
  • ISBN / Artikelnummer 9783751516679
  • Seitenanzahl 512
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Susan Mallery, Allison Leigh, Victoria Pade

BIANCA EXKLUSIV BAND 358

1. KAPITEL

„Nicki, ich bin verzweifelt. Du musst mir unbedingt helfen.“

Nicole Beauman hörte die leidenschaftliche Bitte über ihren Kopfhörer und fühlte sich ein wenig geschmeichelt. „Ich feile mir gerade die Nägel, Zane, und gähne dabei. So beeindruckt bin ich.“

Ein Fluch drang an ihr Ohr. Trotz der über siebenhundert Meilen Entfernung zwischen ihr und Zane war der Klang dank moderner Technologie kristallklar.

„Ich hänge in der Luft. Verdammt, Nicki, tu was“, flehte er.

Sie seufzte, legte die Nagelfeile nieder und blickte auf die Konsole mit den sechs Monitoren. Sie hatte das eindrucksvolle Sicherheitssystem der Computerfirma in Silicon Valley angezapft, in die Zane gerade einzubrechen versuchte. Fast sechzig Kameras zeigten das Gelände von den sechs Eingängen bis hin zu den heiklen Zonen. Sie musste nur ein paar Tasten betätigen, um den Blickwinkel ihrer Wahl zu bekommen.

Auf dem körnigen Bild der Kamera sah sie Zane hektisch auf einer tragbaren Tastatur tippen, um die Seitentür zu öffnen. Er kannte den Zugangscode, aber manchmal erforderten diese Dinge das Fingerspitzengefühl einer Frau.

„Geh auf Entfernen“, wies sie ihn an.

„Okay, erledigt.“

Sie gab den Code auf ihrer Tastatur neu ein. Als nichts geschah, entriegelte sie einen Hintereingang von innen.

Zane blickte zu der Kamera hinauf, die seinen Standort überwachte. „Du bist die Beste.“

„Das sagst du jetzt“, entgegnete sie. „Aber gestern hast du mir erklärt, dass du meine Hilfe bei diesem Job nicht brauchst und sehr gut fähig bist, es ganz allein zu schaffen.“

„Bin ich ja auch.“

„Aha.“ Sie schaltete auf eine andere Kamera und sah Nachtwächter nahen. „Dann brauche ich dir also nicht zu sagen, dass dir eine Begegnung mit deinen Gastgebern bevorsteht, oder?“

Er blickte den langen Korridor auf und ab, tauchte dann in einem Raum unter. Fünf Sekunden später bogen die Wächter um die Ecke und gingen an der geschlossenen Tür vorbei.

„Die Luft ist wieder rein“, sagte sie. „Ich gehe jetzt nach Hause.“

Ein schwerer Seufzer machte sich von dem Lagerraum im nördlichen Kalifornien auf die Reise zu ihrem Kopfhörer in Seattle.

„Was muss ich dir bieten, damit du mir weiter hilfst?“ fragte Zane resigniert.

„Geld, aber da du nicht hier bist, um es zu übergeben, nehme ich ein Lob an.“

Er trat auf den Korridor, stellte sich der Kamera und sagte in langmütigem Ton: „Du bist die Beste. Ich würde es ohne dich nicht schaffen.“

Nicki grinste. „Du hast noch was vergessen.“

„Ich habe mich geirrt, und ich danke dir, okay? Würdest du mich jetzt bitte ins Forschungslabor bringen?“

„Natürlich. Nimm die Hintertreppe.“

Fünf Minuten später öffnete Nicki die schwere Doppeltür und bugsierte Zane durch die Lasersensoren. Der Safe, versteckt im Vorratsschrank, war nicht mit dem Hauptcomputer verbunden, so dass sie ihm dabei nicht helfen konnte. Aber sie schaltete die Sprinkleranlage ab, damit sie nicht vom Rauch der Explosion ausgelöst wurde.

Zane verließ den Vorratsschrank und schloss die Tür. Zwei Sekunden später ertönte ein Knall. Er eilte wieder hinein und kehrte mit einem kleinen schwarzen Kasten zurück. „Alles klar. Jetzt bring mich hier raus.“

„Ich sollte dich wirklich schmoren lassen, nur um dir eine Lektion zu erteilen.“

Er grinste in die Kamera. „Aber du tust es nicht.“

Er hat Recht, dachte sie. „Nimm die nördliche Treppe ins Erdgeschoss. Ich öffne dir die Vordertür.“

Als er das Gebäude sicher verlassen hatte, schaltete sie das Sicherheitssystem wieder ein, aktivierte die Rauchmelder und klinkte sich aus dem Computersystem aus. Sie konnte den Einbruch nicht vertuschen, aber sie hatte alle Spuren so weit verwischt, dass man ihr nicht auf die Schliche kommen konnte.

Natürlich würde Jeff Ritter, Zanes Partner, am nächsten Morgen um kurz nach neun Uhr die Computeraufzeichnungen der letzten vierundzwanzig Stunden prüfen und zahlreiche unerlaubte Aktivitäten feststellen. Dass er nicht gerade amüsiert reagieren würde, war milde ausgedrückt.

„Ich bin dir reichlich was schuldig.“

„Allerdings.“

„Soll ich morgen Doughnuts mitbringen?“

„Das macht es kaum wett, aber okay. Iss diesmal aber bitte nicht alle mit Zuckerguss auf.“

„Versprochen.“

„Haha.“ Sie wusste genau, dass sie von Glück sagen konnte, wenn er ihr einen Krümel Zuckerguss übrig ließ. „Ich mache jetzt Feierabend.“

„Fahr vorsichtig. Und Nicki?“

„Ja?“

„Du bist die Beste.“

„Ich weiß. Nacht, Zane.“ Sie lächelte vor sich hin, während sie die Verbindung abbrach und den Kopfhörer abnahm.

„Ich habe dir einen aufgehoben“, sagte Zane am folgenden Morgen, als er in Nickis Büro spazierte und einen Doughnut mit Zuckerguss auf ihren Schreibtisch legte.

Sie blickte zu ihm auf und fragte sich, warum sie sich die Mühe gemacht hatte, Kaffee zu kochen. Sie brauchte kein Koffein, wenn sie seinen lässigen Gang und sein charmantes Lächeln sah. Die Kombination brachte ihren Puls stets zum Rasen, ihr Blut in Wallung und ihr Herz zum Hämmern. Peinlich, aber wahr.

In seiner Nähe zu sein, wirkte beinahe wie eine Aerobic-Stunde auf sie. Eines Tages wollte sie den Kalorienverbrauch berechnen. Wenn das Verheimlichen ihrer Vernarrtheit einem Krafttraining gleichzusetzen wäre, hätte ihre Fitness für ein Umpaddeln der ganzen Welt in einem Kajak gereicht.

„Wann bist du gestern nach Hause gekommen?“ erkundigte sie sich.

„Ich bin um kurz vor eins ins Bett gefallen.“ Er sank auf den Stuhl neben ihrem Schreibtisch und grinste. „Ich habe geschlafen wie ein Baby.“

„Wie? Hat dir diesmal keine Mieze das Bett angewärmt?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich muss meinen Schönheitsschlaf nachholen.“

Nicki hatte ihn häufig nach Schlafmangel erlebt und wusste, dass er trotzdem zu gut für ihr Seelenheil aussah. Groß und schlank, mit dunklen Haaren und tief liegenden, geheimnisvollen Augen hätte er als Filmstar ein Vermögen verdienen können.

Er gehörte zu den Männern, die Frauen unwiderstehlich fanden. Obwohl sie sich rühmte, einzigartig zu sein, war sie in diesem Punkt eine von vielen. Der einzige Unterschied zwischen ihr und den anderen Frauen, die sich nach seinen breiten Schultern und seinem knackigen Po verzehrten, lag darin, dass sie ihre törichten Träume für sich behielt. Er ging nicht mit Frauen, deren IQ größer als ihr Brustumfang war, und sie war mit reichlich Intelligenz gesegnet. Leider wirkte all der Verstand der Welt nicht als Gegengift gegen seine besondere Sorte von Charme.

Er griff nach ihrem Kaffeebecher und nahm einen Schluck. „Und du? Hat Brad auf dich gewartet?“

Sie nahm ihm den Becher weg. „Er heißt Boyd, und ich habe ihn gestern Abend nicht gesehen.“ Sie sah Boyd in letzter Zeit sehr wenig, aber das wollte sie Zane nicht verraten.

Er zog die Augenbrauen hoch. „Warum nicht? Langweilt dich sein Computerjargon allmählich? Im Ernst, Nicki, bist du es nicht leid, dass der Junge in binärem Code redet?“

„Boyd ist kein Programmierer. Er ist Elektroingenieur. Und …“ Kopfschüttelnd unterbrach sie sich. „Wozu mache ich mir die Mühe? Du machst dich lustig über die Männer in meinem Leben, weil dir die Frauen in deinem Leben peinlich sind. Nimm doch nur mal Julie.“

Zane schmunzelte. „Warum sollte es mir peinlich sein? Julie ist ehemalige Miss Apple und studiert sehr hart, um Dentalhygienikerin zu werden.“

„Richtig. Sie ist im vierten Jahr eines neunmonatigen Kurses.“

„Mathe ist nun mal nicht ihr Ding.“

„Wie viel Mathe braucht sie denn schon, um Zähne zu reinigen? Oh, ich weiß, sie kann nicht bis dahin zählen, wie viele Zähne jemand im Mund hat, oder?“

„Sie ist umwerfend.“

„Sie ist ein Dummkopf. Willst du nie ein Gespräch mit deinen Frauen führen? Was ist, wenn der Sex vorbei ist?“

Er zwinkerte ihr zu. „Dann gehe ich nach Hause und schlafe. Und wenn ich mit einer Frau reden will, komme ich zu dir.“

„Wie schmeichelhaft.“ Die gute alte beste Freundin, dachte sie in einer Mischung aus Bedauern und Belustigung, das bin ich.

„Ich rate dir, Nicki, lass die smarten Typen sausen. Such dir lieber einen Sexprotz.“

„Nein danke.“

„Warum nicht? Du bist hübsch genug.“

„Wie schmeichelhaft. Hübsch genug für einen hirnlosen Narren, der mit seinem Bizeps denkt? Warum sollte ich das tun?“

„Aus Spaß.“

„Ich bin mehr für Substanz.“ Sie würde Zanes oberflächliche Einstellung zum anderen Geschlecht nie begreifen. In den zwei Jahren, seit sie für ihn arbeitete, war er nie länger als ein paar Wochen mit jemandem liiert gewesen. Ständig hatte er einen neuen Hohlkopf an seiner Seite, und es schien ihn nicht zu kümmern, dass sie austauschbar waren.

Sie hingegen neigte zu ernsthaften Männern, die ihren Verstand benutzten. Leider hatte ihr bisher keiner genug gefallen, um sie von ihrer Schwärmerei für Zane abzubringen. „Ich muss den Typ zuerst mögen, bevor ich mit ihm Sex habe“, erklärte sie. „Nenn mich altmodisch, aber so ist es nun mal.“

„Eine faszinierende Information“, bemerkte Jeff Ritter, während er in ihr Büro trat. „Vielen Dank, aber wir haben dringendere Angelegenheiten zu klären.“

Nicki stöhnte im Stillen. Ausgerechnet diese Information hatte sie ihrem zweiten Boss eigentlich nicht zukommen lassen wollen. Als er die Tür hinter sich zuknallte, wappnete sie sich für die bevorstehende Explosion.

Zane hingegen wirkte bemerkenswert unbeeindruckt. „Was liegt an?“

Jeff warf ihm eine Mappe zu. „Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht? Verdammt, du hättest es mir sagen müssen.“

Zane blätterte in dem Bericht über die Computeraktivitäten. „Du hättest es mir verboten. Technisch gesehen sind wir Partner und du kannst mich nicht herumkommandieren, aber du hättest mir einzureden versucht, dass es eine schlechte Idee wäre.“

„Es war eine schlechte Idee. Weißt du überhaupt, gegen wie viele Gesetze du gestern Nacht verstoßen hast?“

Nicki befand, dass sie sich an dem Streitgespräch beteiligen sollte. „Ich kann dir die genaue Zahl sagen.“

Jeff richtete seinen laserartigen Blick auf sie. „Du hast schon genug auf dem Kerbholz.“

Sie seufzte. „Ich weiß. Aber nur das Einloggen in den Computer und das Ausschalten des Sicherheitssystems. Ach ja, und die Rauchmelder. Okay, es sind einige Gesetze.“

Zane grinste sie an. Sie unterdrückte ein Lächeln. Jeff war nicht amüsiert.

„Es freut mich, dass ihr beide es so verdammt lustig findet, aber ich tue es wahrlich nicht. Unsere Firma hat einen Ruf zu wahren. Wir brechen nicht einfach Gesetze zu eigennützigen Zwecken.“

Zane zog die Augenbrauen hoch.

Jeff schob die Hände in die Taschen. „Nur unter extremen Umständen.“

„Ich habe einem Freund ausgeholfen“, erklärte Zane.

„Du hättest mir sagen müssen, was du vorhattest.“

„Das konnte ich nicht. Ich wollte niemanden aus der Firma reinziehen für den Fall, dass etwas schief läuft.“

„Nicki wusste davon.“

„Sicher, aber sie würde nie etwas verraten.“

Sein Glaube an ihre Loyalität war erfreulich und ärgerlich zugleich. Sie fühlte sich wie das treue Faktotum – oder der Lieblingshund.

„Du hättest sie in große Schwierigkeiten bringen können“, beharrte Jeff.

Zum ersten Mal, seit Zane ihr Büro betreten hatte, wirkte er betroffen. „Ich wäre nicht ohne sie ausgekommen.“

„Das stimmt“, bestätigte sie. „Er ist ziemlich nutzlos.“

Nun starrten beide Männer sie finster an. Sie zuckte die Achseln.

Zane erklärte: „Mein Freund hat zwei Jahre an dem Prototyp gearbeitet. Diese Kerle haben ihn gestohlen. Ich habe versprochen, ihm zu helfen. Ich musste es tun, Jeff. Ich war ihm was schuldig.“

Nicki wusste einige Details über Zanes Background. Er hatte der Marine angehört und dort viele Dinge getan, über die er nicht redete. Ebenso wie Jeff. Vor einigen Jahren waren die beiden sich wieder begegnet und hatten die Firma gegründet.

Keiner von beiden sprach über die Vergangenheit oder erzählte Kriegsgeschichten. Doch hin und wieder kam eine vage Andeutung ans Tageslicht. So auch nun.

Ich war ihm was schuldig.

Sie wusste nicht, was Zanes bedeutungsvoller Tonfall zu bedeuten hatte, aber Jeff wusste es offensichtlich. Er nickte nur und bat: „Nächstes Mal weihst du mich ein, okay?“

„Versprochen.“ Zane stand auf und verließ das Büro.

Nicki blickte ihm nach. Was mochte er seinem Freund geschuldet haben? Womöglich sein Leben? Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte zu fragen. Er war ein Meister darin, Themen zu umgehen, über die er nicht reden wollte.

„Du könntest zumindest so tun, als hättest du Angst, dass ich dich entlasse“, sagte Jeff in ihre Gedanken.

„Das kannst du nicht. Jedenfalls nicht deswegen. Ich arbeite für Zane, und er hat meine Hilfe gebraucht. Mein Job besteht darin, ihn zu unterstützen und nicht, sein Tun zu beurteilen.“

Jeff seufzte. „Du bist schlauer, als gut für dich ist.“

„Dir gefällt, dass ich schlau bin.“

„Tja, nun, du bist okay. Wenn du mir nicht gerade Kummer machst.“

Sie grinste. „Hat Zane Probleme? Wirst du ihn bestrafen? Darf ich zusehen?“

Es zuckte um seine Mundwinkel. „Ihr beide verdient einander.“ Er schlenderte zur Tür. „Ich habe jetzt ein Meeting mit einem Kunden, der uns für unsere Dienste bezahlen wird.“

„Viel Glück.“

„Danke.“

Sie wandte sich ihrem Computer zu. Zane ging an ihrem Büro vorbei und steckte den Kopf herein. „Wie steht’s mit Lunch? Mexikanisch. Du darfst zahlen.“

„Ich will Chinesisch, und diesmal bist du dran.“

„Na gut. Aber nur, weil du frustriert bist. Brad scheint sich diese Woche nicht sonderlich um dich zu kümmern.“

„Er heißt Boyd!“ rief sie ihm nach.

„Wie auch immer“, entgegnete er, während er weiterging.

Nicki drehte ihren Rollstuhl um und rollte zum Aktenschrank unter dem Fenster. Sie sagte sich, dass sie ihre Schwärmerei endlich überwinden musste, und zwar bald. Boyd war ein sehr netter Typ, und wäre ihre Schwäche für Zane nicht gewesen, hätte sie sich in ihn verlieben können. Sie ersehnte sich, einen anständigen Mann zu lieben und mit ihm eine Familie zu gründen.

Doch solange sie nicht von Zane loskam, hing sie in der Luft. Sie begehrte, was sie nicht haben konnte, und sie hatte, was sie nicht begehrte.

„Drei Punkte auf die Seahawks“, entschied Zane während des Essens im Chinarestaurant.

Nicki grinste. „Damit wirst du eine böse Pleite erleben. Du solltest es besser wissen. Diese drei Punkte gehen mit Sicherheit an mich. Ich höre jetzt schon, wie du am Montag jammern wirst.“ Sie notierte die Wette auf einem Blatt Papier, auf dem sämtliche Footballspiele der Profiliga am kommenden Wochenende aufgelistet waren.

Zane wusste, dass es nicht klug war, die Seahawks zu nehmen, aber er musste einfach auf das Heimteam setzen. Nicki hingegen besaß diese Loyalität nicht. Sie studierte Statistiken, las Sportberichte und basierte ihre Wahl auf Fähigkeiten, Verletzungen und Glückssträhnen der Spieler. Hin und wieder wählte sie ein Team, weil ihr die Trikots gefielen, aber nicht oft. Was ihn ärgerte war, dass sie häufig gewann, selbst wenn ihre Entscheidung auf so unsinnigen Kriterien wie Vereinsfarben basierte. Die Saison war erst zwei Wochen alt, und schon lag sie mit drei Spielen in Führung.

Sie wetteten nicht um Geld. Wer am Ende der Saison die meisten Punkte hatte, schuldete dem anderen einen Tag Arbeit. In der vergangenen Saison hatte er geplant, sie seinen Gefrierschrank mit selbst gekochten Gerichten füllen zu lassen. Stattdessen hatte er fast acht Stunden damit zugebracht, ihren Van zu waschen und zu polieren, und danach drei Tage lang an Muskelkater gelitten.

„Diesmal werde ich dich mein Wohnzimmer streichen lassen“, frohlockte sie, während sie ihre restlichen Wetten notierte. „Ich denke da an eine besondere Technik, die mindestens drei Schichten erfordert.“

Er schüttelte den Kopf. „Diesmal wirst du nach Herzenslust für mich kochen.“

„Das hast du letztes Jahr auch gesagt. Erinnerst du dich, was dann passiert ist?“

„Lieber nicht.“

Sie grinste. „Du solltest auf die Experten hören. Die wissen meistens, wer gewinnen wird.“

„Das ist Betrug.“

„Nein, das erhöht deine Chancen.“

Er erwiderte ihr Lächeln. „Du bist ganz schön schlau für ein Mädchen.“

Sie griff zu ihrer Gabel und beugte sich zu ihm vor. „Du hast ‚hübsch‘ ausgelassen. Gestern Nacht hast du gesagt, dass ich hübsch genug wäre, um mir einen hirnlosen Macho mit Muskelpaketen zu angeln.“

Er musterte ihr herzförmiges Gesicht. Mit ihren großen Augen und vollen, sinnlichen Lippen war sie mehr als hübsch. Lange kastanienbraune Locken luden förmlich dazu ein, die Finger darin zu vergraben. Dazu kam ein Körper, der zwar nicht so üppig war wie die Frauen, mit denen er verkehrte, aber die richtigen Kurven an den richtigen Stellen aufwies. „Du bist schon ganz okay.“

Sie lachte. „Warte bitte. Ich will diesen Moment so lange wie möglich auskosten. Dieses wahnsinnig überschwängliche Kompliment ist mir zu Kopf gestiegen.“

Er zeigte mit der Gabel auf sie. „Komm schon, Nicki, du weißt doch, dass du attraktiv bist. Die Hälfte der Männer hier im Restaurant lässt dich nicht aus den Augen.“

„Nur die Hälfte?“ Sie guckte sich um. „Na ja, das ist schon was.“

Er folgte ihrem Blick und sah, dass zwei Geschäftsmänner in maßgeschneiderten Anzügen sie musterten. In einer Ecke saßen drei Studenten und starrten sie mit offenen Mündern an. „Ich gebe mich geschlagen.“

„Ihre Aufmerksamkeit wird nur so lange anhalten, bis wir uns zum Ausgang begeben.“

Er runzelte die Stirn. „Wegen des Stuhls?“

„Was glaubst du denn?“

„Das wird niemanden kümmern. Brad stört es auch nicht.“

„Er heißt Boyd, und es stört ihn wirklich nicht. Aber er hat ja auch Substanz.“

„Ich nicht, und mich stört es auch nicht.“

Sie verdrehte die Augen. „Weil wir Freunde sind. Du würdest nicht mit einer Frau im Rollstuhl gehen.“

Er dachte kurz darüber nach. „Doch. Wenn sie große Brüste hätte.“

Nicki schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob ich dir danken oder dich abstechen soll.“

„Technisch gesehen, arbeitest du für mich. Wenn du mich abstichst, wirkt es sich negativ auf deine nächste Bewerbung aus.“

„Du machst mich wahnsinnig.“

Er grinste. „Ich weiß. Ist das nicht toll?“

Als das Mahl beendet war und sie ihn überredet hatte, die Kosten zu übernehmen, schob sie sich vom Tisch zurück. Er stand auf und wartete, um die Reaktion der Männer zu beobachten.

Bisher hatte keiner den schnittigen Rollstuhl bemerkt. Nicki hatte ihn extra in Kalifornien anfertigen lassen. Er war extrem leicht, speziell für ihren schlanken Körper zugeschnitten und unauffälliger als andere Modelle.

Die Studenten tauschten überraschte Blicke, zuckten die Achseln und starrten ihr unverhohlen nach. Einer der Geschäftsmänner wandte sich ab, aber dem anderen fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Zane hatte richtig vermutet. Die meisten störten sich nicht daran.

Er folgte ihr hinaus auf den Parkplatz. Sie drückte eine Taste ihrer Fernbedienung. Die Hecktür des Vans öffnete sich, und eine Rampe wurde herabgesenkt. Nicki rollte darauf und ließ sich auf die Höhe der Ladefläche heben. Während Zane auf den Beifahrersitz glitt, schloss sie die Hecktür und rollte ans Lenkrad. Spezialklammern sicherten den Rollstuhl, und ein nach Maß gearbeitetes Geschirr diente ihr als Sicherheitsgurt. Sie startete den Motor.

„Sie waren trotzdem interessiert“, bemerkte er nebenhin.

„Ich nicht.“

„So toll ist Brad auch wieder nicht.“

Sie seufzte. „Er heißt Boyd. Du wirst ihn in ein paar Tagen auf der Party bei den Morgans treffen. Versuch bitte, dir bis dahin seinen Namen zu merken.“

„Ich tue mein Bestes.“

„Wen bringst du mit? Miss Apple?“

Er zuckte die Achseln. Momentan war er gerade solo. Seltsamerweise hatte er es nicht eilig, eine Neue zu suchen. Er blickte zu Nicki. Bisher waren sie nie beide gleichzeitig unliiert gewesen. Nicht, dass er andernfalls mit ihr angebändelt hätte. Sie war …

Nachdenklich blickte er aus dem Fenster. Nicki war etwas Besonderes. Sie war ihm wichtig, und er hatte es sich zur Regel gemacht, sich nicht mit einer Frau einzulassen, die in diese Kategorie fiel. Nicht noch einmal.

2. KAPITEL

„Also sagt er: ‚Es ist doch nur ein Papagei.‘“ Rob, einer der Bodyguards der Firma, lachte herzhaft, nachdem er seinen Witz zu Ende erzählt hatte.

Nicki verdrehte die Augen und lächelte. Rob liebte Witze beinahe ebenso wie Wortspiele. Manchmal war es unmöglich, ein normales Gespräch mit ihm zu führen.

„He, du schwitzt ja gar nicht, Nicki!“ rief Ted. „Ich will dich triefen sehen.“

„Mal sehen, wer von uns beiden schneller ist!“ Sie steigerte das Tempo auf dem liegenden Fahrrad. Ihre Beinmuskeln schmerzten, aber auf angenehme Weise, und Schweiß rann in Bächen über ihren Rücken.

Sie hasste Sport. Sicher, er war gut für ihr Herz und verlängerte ihr Leben vermutlich um Jahre, aber sie musste sich dazu zwingen – im Gegensatz zu Zane, der jede Art von körperlicher Betätigung als Vergnügen auffasste.

Ausgerechnet in diesem Augenblick schlenderte er in den Fitnessraum der Firma. Die Bodyguards riefen ihm einen Gruß zu. Nicki ignorierte ihn, denn ihn anzusehen, erhöhte ihren Blutdruck.

Doch als er sich näherte, konnte sie nicht widerstehen, einen raschen Blick auf seine langen, nackten Beine, die locker sitzenden Shorts und das abgeschnittene T-Shirt zu werfen, das viel zu viel von seinem flachen, muskulösen Bauch enthüllte.

Sie hätte die Tatsache, dass er einen reizvollen Körper besaß, bereitwillig akzeptiert, wäre sie in der Lage gewesen, es unpersönlich zu sehen, so als wäre er nichts weiter als ein Kunstwerk. Aber sein Anblick löste ein Verlangen aus, das ihr Bedürfnis nach Süßigkeiten vor der Menstruation nichtig erscheinen ließ.

„He, du schwitzt ja gar nicht“, bemerkte er, während er sich in ihren Rollstuhl fallen ließ.

„Das habe ich auch schon gesagt“, warf Ted ein. „Das Mädchen faulenzt.“

„Die Frau trainiert bis zur Erschöpfung“, konterte Nicki.

Zane ignorierte ihre Bemerkung. „Ich wollte dich gestern Abend anrufen, aber du warst aus. Wie geht es Brad?“

Seine Hüften waren schmal genug, um in dem maßgefertigten Rollstuhl bequem Platz zu finden, aber seine Beine waren viel zu lang. Er streckte sie aus und ließ die Fersen auf dem Boden ruhen.

Boyd geht es großartig. Danke der Nachfrage. Aber ich habe ihn gestern Abend nicht gesehen.“

„Wo warst du dann?“

„Warum sollte ich es dir sagen?“

Er grinste. „Weil ich nur so vor Charme sprühe und du mich anbetest.“

Damit traf er den Nagel auf den Kopf. „Ich war im Buchladen.“

„Warum nicht bei deinem Computerfreak?“

„Er steckt gerade mitten in einem Projekt.“

Zane wirkte alles andere als überzeugt. „Sicher. Er langweilt dich, gib’s zu. Du findest ihn öde.“

„Ich glaube, du überkompensierst wegen persönlicher Unzulänglichkeiten.“

Rob und Ted beendeten ihr Training und gingen.

„Deine Mom hat mir Kekse geschickt.“

„Sie hat erwähnt, dass sie es tun wollte.“

Nicki hielt es für Ironie des Schicksals, dass ihre Eltern beinahe so angetan von ihm waren wie sie selbst. Vielleicht war es eine genetische Veranlagung. Eine Schwäche im Familienzweig der Beaumans.

„Wann kommen sie denn nun endlich zu Besuch?“ erkundigte er sich.

„Wahrscheinlich nicht vor den Feiertagen. Ende des Monats gehen sie erst einmal auf Kreuzfahrt nach Australien und Neuseeland.“

„Du musst mich zum Dinner einladen, während sie hier sind. Ich mag deine Alten.“

„Ich auch.“

Er grinste und fragte dann: „Ist ihr Umbau fertig?“

„So gut wie. Mom hat versprochen, dass das Gästezimmer bis zu meinem nächsten Besuch fertig wird.“

Nicki war als Leben verändernde Überraschung zur Welt gekommen, nachdem ihre Eltern längst die Hoffnung auf ein eigenes Kind aufgegeben hatten. Als solche war sie von Geburt an verwöhnt worden. Als sie das College beendet hatte, waren ihre Eltern alt genug gewesen, um den Ruhestand anzutreten, und hatten Seattle gegen das sonnige Tucson vertauscht. Das gab ihr einen Vorwand, jeden Winter dem unaufhörlichen Regen zu entfliehen.

„Vielleicht besuche ich sie auch irgendwann mal“, bemerkte Zane.

„Das würde sie freuen.“

Besonders ihre Mutter. Muriel Beauman hatte einen besonderen Platz in ihrem Herzen für ihn reserviert, weil er Nicki so anständig behandelte und sich nicht darum scherte, dass sie im Rollstuhl saß.

Der Timer am Trimmrad piepste. Nicki hörte auf zu treten und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Ihre Beine waren angenehm müde, doch ihr Training hatte gerade erst begonnen.

Zane rollte neben sie und schlang einen Arm um ihre Taille. „Hüpf rüber.“

Es war Routine, dass er sie auf dem Schoß zu den Geräten am anderen Ende des Raumes fuhr, und sie bemühte sich, es gelassen zu sehen. Ja, sein Arm lag um sie. Ja, es fühlte sich herrlich an. Ja und?

Sie glitt von seinem Schoß auf die Bank und bediente den ausgeklügelten Flaschenzug mit Gewichten, der ihr gestattete, die Beinmuskeln zu stärken, ohne sie zu sehr zu belasten. Zane begab sich zu einem Laufband und gab sein Lieblingsprogramm ein. Die Maschine begann mit einer Aufwärmphase, die den meisten einen Herzinfarkt beschert hätte. Doch sein Atem beschleunigte sich erst nach einem Pensum von drei Meilen.

Während Nicki die von einer Physiotherapeutin entworfenen Übungen absolvierte, dachte sie daran, dass Sport ihr zwar verhasst war, aber gewisse Vorteile mit sich brachte. Sie konnte Zane beobachten, der bereitwillig die Spezialgeräte angeschafft hatte, damit auch sie trainieren konnte.

Alle vier Wände waren mit Spiegeln verkleidet, so dass sie ihn von allen Seiten sehen konnte. Die Maschine erhöhte das Tempo, und er verfiel in einen vollen Laufschritt. Geschmeidige Muskeln spielten mit geradezu ballettartiger Grazie.

„Jeff und ich haben nachher eine Besprechung“, rief Zane ihr zu. „Hast du irgendwelche Wünsche?“

Den Angestellten wurde meistens ein Mitsprachrecht eingeräumt, welche Aufträge sie übernehmen wollten, damit sie je nach Belieben zu Hause bleiben oder ihrer Wanderlust frönen konnten.

„Ich würde gern auf Hawaii überwintern.“

„Soweit ich weiß, haben wir keine Kunden dort.“

„Dann sollten wir uns welche zulegen. Vielleicht einen Profifußballer oder Windsurfer.“

„Oder vielleicht ein Model für Sonnenlotion.“

Nicki schnaubte. „Das ist ganz und gar nicht mein Stil.“ Sie drehte sich um, so dass ihre Beine von der Bank hingen, und begann, ihren Oberkörper zu trainieren.

Gestärkte Muskeln waren aus verschiedenen Gründen wichtig für sie. Zum einen halfen sie ihr, fest im Rollstuhl zu sitzen und ihn zu manövrieren. Zum anderen verbrannte ihr Körper dadurch mehr Kalorien, was verhinderte, dass sie durch ihre eingeschränkte Bewegungsfreiheit unmäßig zunahm, was bei ihrer zarten Gestalt gewiss nicht attraktiv ausgesehen hätte.

Zane beendete seinen Fünfmeilenlauf und verließ das Band. Als sie von der Bank in den Rollstuhl glitt, deutete er zu den Hanteln. „Soll ich sie für dich einstellen?“

Nicki zögerte. Wollte sie auf dem Boden liegen und Gewichte stemmen, während Zane vorsichtshalber dicht hinter ihrem Kopf stand, um sie zu retten, falls ihr die Gewichte zu schwer wurden? Der Ausblick war spektakulär – sie konnte alles an ihm von den Knien bis zum Kinn sehen –, hatte aber seinen Preis, nämlich unerfüllte Fantasien. „Danke, ich passe lieber“, sagte sie und rollte zu den Waschräumen. Sie wünschte sich, wie er zu sein, sich mit ihrer Freundschaft zufrieden geben zu können und niemals andere Möglichkeiten zu erwägen.

Sie brauchte einen Plan. Ein Programm. Oder ein Anti-Zane-Pflaster. Sie musste ihn sich aus dem Kopf schlagen. Boyd mochte nicht die Liebe ihres Lebens sein, aber vielleicht war es ein anderer. Verpasste sie nicht ihre Chancen, weil sie an Zane hing?

Sie musste einen Weg finden, dieses Problem ein für alle Mal zu lösen, selbst wenn es einer so drastischen Maßnahme wie eines Stellungswechsels bedurfte.

„Dieser Kunde ist interessant“, verkündete Jeff und warf eine Akte auf den Schreibtisch.

Zane nahm sie zur Hand und blätterte darin. „Aha, ein italienischer Banker. Okay, den übernehme ich.“

„Du hoffst auf einen Trip nach Italien.“

„Sicher.“

Jeff schüttelte den Kopf und überreichte zwei weitere Akten. „Ölscheichs aus dem Nahen Osten.“

„Wesentlich weniger Spaß, eindeutig mehr Arbeit“, murrte Zane, obwohl er gegen eine gründliche Zerstreuung nichts einzuwenden hatte. Vielleicht ein Kidnapping oder eine Geiselnahme. Er fühlte sich rastlos und gereizt und wusste nicht warum.

„Westron hat böse Briefe erhalten“, erklärte Jeff. „Er hat es sich mit den falschen Leuten verdorben.“

„Morddrohungen?“

„Täglich. Er arbeitet mit der Ortspolizei zusammen, aber er möchte von uns einen Plan, um seine Familie hier in den Staaten zu schützen.“

Zane machte sich einige Randnotizen. Als die Firma gegründet worden war, hatten sie den Außendienst zu gleichen Teilen bestritten. Doch in den vergangenen Jahren hatte Jeff sich mehr der Verwaltung zugewandt, wegen seiner Heirat mit einer ledigen Mutter und der nachfolgenden Geburt seines Sohnes Michael, der nun fast achtzehn Monate alt war.

„Wie geht’s Ashley?“ erkundigte sich Zane.

Jeffs Miene wurde sanft. „Großartig. Sie leidet immer noch an morgendlicher Übelkeit, aber wenn diese Schwangerschaft wie die vorherige verläuft, müsste sich das bald legen.“

Er sprach weiter, und Zane freute sich für ihn, doch er war unfähig zu lauschen. Er bekämpfte vielmehr die Geister und den Kummer seiner Vergangenheit. Er konnte nichts daran ändern. Früher einmal hatte er geglaubt, ein normales Leben führen zu können. Dann hatte es sich als Irrtum herausgestellt. Ende der Geschichte.

Er richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf Jeffs Ausführungen und schrieb Anmerkungen in die entsprechenden Akten. Als die Besprechung endete, eilte er zu Nickis Büro und traf sie am Telefon an. Er lehnte sich gegen den Türrahmen und wartete, während sie jemandem, der sie offenbar verärgert hatte, die Leviten las. Es war ein Vergnügen, sie erbost zu erleben.

„Das kann nicht Ihr Ernst sein!“ empörte sie sich und warf beide Hände in die Luft, so als könnte die Person am anderen Ende der Leitung es sehen. „Hätte ich billigen Ramsch gewollt, hätte ich ihn bestellt. Aber ich habe einen teuren Transmitter mit einer Reichweite von zwei Meilen bestellt. Das Ding, das ich erhalten habe, hat einen Radius von dreihundert Yards. Ich bin zwar kein Mathegenie, aber sogar ich kann ausrechnen, dass das nicht annähert eine Meile ist, geschweige denn zwei. Also, was gedenken Sie zu unternehmen?“

Sie lauschte, seufzte ungeduldig, verdrehte die Augen. Zane grinste. Sie hatte eine Menge großartiger Eigenschaften, aber Nachsicht gegenüber Dummköpfen gehörte zum Glück nicht dazu.

Er beobachtete, wie ihre Augen blitzten und sich ihre Lippen bewegten, während sie sprach. Wie immer akzeptierte er ihre Schönheit mit derselben Distanz, die er dem Wetter entgegenbrachte: Er lebte damit, wappnete sich so weit wie möglich dagegen, hatte keinerlei Kontrolle darüber und ignorierte es daher zumeist.

„Ich rate Ihnen, die Versandkosten gutzuschreiben“, murrte sie. „Es ist Ihre letzte Chance. Wenn Sie es noch mal vermasseln, trage ich mein beträchtliches Budget zu jemand anderem.“ Sie lauschte erneut, verabschiedete sich und legte den Hörer auf. „Er hat tatsächlich den Nerv, mir einen schönen Tag zu wünschen! Mein Tag war großartig, bis ich diese Falschlieferung entdeckt habe. Die Leute können so verdammt lästig sein.“

„Vielleicht sind es nicht die Leute. Vielleicht bist du es.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Du hast gut reden. Du schiebst all den lästigen Kram an mich ab.“

„Eines der Vorrechte meines Jobs.“ Er wedelte mit einer Akte. „Ich habe aufregende Neuigkeiten.“

„Ja, ja.“

„Im Ernst, Nicki. Aber ich erzähle es dir erst, wenn du etwas mehr Enthusiasmus zeigst.“

Sie schlug sich beide Hände vor die Brust. „Oh, Zane! Aufregende Neuigkeiten? Ich kann es nicht erwarten.“ Sie hatte die Stimme so hochgeschraubt, dass sie Hunde in drei Staaten Entfernung aufgescheucht hätte. „Moment. Ich bin ganz aufgeregt. Ich muss mich hinsetzen und eine Sekunde erholen.“ Sie wedelte mit den Händen und rutschte in ihrem Stuhl umher.

Schmunzelnd sank er auf den Stuhl neben ihrem Schreibtisch.

„Also, was gibt’s?“

Er reichte ihr eine Akte. „Ein neuer Klient. Ein italienischer Banker. Er will von uns einen Plan haben, um seine Familie zu schützen.“

„Wirst du ihn persönlich aufsuchen?“

„Möglicherweise. Wenn ja, brauche ich einen Assistenten.“

Sie blätterte durch die Akte und lächelte. „Ich liebe Italien. Dort verstehen sie es, Wein zu machen. Ich war seit Jahren nicht mehr dort.“

„Warst du mit deinen Eltern da?“

Sie nickte. „Als ich noch zur Schule ging. Später war ich mit Freunden aus dem College da.“

„Mit einem Jungen?“

„Mag sein, dass ein paar Jungs dabei waren. Ich kann mich echt nicht erinnern.“

„Lügnerin.“

„Erkundigst du dich nach meinem Sexleben?“

„Na klar.“

Sie täuschte Empörung vor. „Eine Lady genießt und schweigt.“

„Ich will keine technischen Details wissen. Hast du es an interessanten Orten getrieben?“

„Ich halte nichts von öffentlicher Zurschaustellung von Intimitäten.“ Sie schloss die Akte. „Aber es hat mich enttäuscht, dass mich entgegen zahlreicher Versprechungen kein einziger Mann in Italien in den Po gekniffen hat.“

Er schüttelte den Kopf. „Hast du je bedacht, dass es nicht gerade einfach ist, in den fraglichen Po zu kneifen, wenn er in einem Rollstuhl sitzt? Du hättest ein paar Tage auf Krücken gehen und den Jungs eine Chance geben sollen.“

„Guter Einwand. Aber ehrlich gesagt habe ich es nicht der Mühe wert gehalten.“

„Das liegt daran, dass dir noch nie ein Profi in den Po gekniffen hat.“

„Bietest du dich an?“

„Nicht unbedingt, aber ich kann mich ja mal umhören, wenn du möchtest.“

„Du bist unfassbar ulkig.“ Nicki schob ihm die Akte zu. „Falls du mich fragst, begleite ich dich nach Italien. Und jetzt verschwinde. Im Gegensatz zu allen anderen in dieser Firma habe ich zu arbeiten.“

Die Einsatzbesprechung am Freitagvormittag dauerte über zwei Stunden. Wie üblich wurden zunächst die weniger wichtigen Kunden abgehakt und anschließend die dringenderen Probleme in aller Ausführlichkeit behandelt.

Vorstandsvorsitzende von Ölkonzernen im Nahen Osten sollten keine politischen Statements abgeben, dachte Nicki, während sie Jeffs Vortrag lauschte. Täglich erfolgten Drohungen, seit George Westron gegenüber einem Fernsehreporter geäußert hatte, dass die meisten lokalen Probleme beseitigt werden könnten, wenn die Leute das Christentum praktizieren würden.

Aber dass der Mann ein Idiot war, bedeutete nicht, dass er oder seine Familie von einer Autobombe getötet werden sollte.

Jeff reichte ihr Kopien der anonymen Drohbriefe. Sie musterte die Blockbuchstaben, die aus verschiedenen Zeitungen ausgeschnitten worden waren.

„Offensichtlich arbeitet eine internationale Task Force an dem Fall. Aber sieh zu, was du tun kannst.“

Sie nickte. Sie hatte gute Kontakte außerhalb der Polizeibehörden, die Experten waren.

„Er hat zwei Kinder“, verkündete Zane. „Zwölf und zehn.“

Nicki stöhnte. „Sag mir, dass sie nicht mehr zur Schule gehen.“

„Doch. In eine Privatschule. Unsere Leute bewachen sie rund um die Uhr.“

Nicki schüttelte den Kopf. Sie verstand zwar das Bedürfnis, das Leben der Kinder so normal wie möglich zu halten, aber ihr Magen drehte sich um bei der Vorstellung, dass sie so großen Gefahren ausgesetzt waren.

Zane wirkte nicht glücklicher als sie. „Ich habe Mathews und Gordon geschickt.“

Ihre Spannung verflog ein wenig. Die beiden waren großartig im Umgang mit Kindern und hatten einen sechsten Sinn für Gefahr. Aus diesem Grund hatte Zane sie auserwählt. Auch er litt, wenn Kinder bedroht waren. Von Jeff war nichts anderes zu erwarten, da er Vater war, aber diese ausgeprägte Besorgnis bei Zane zu beobachten, machte sie stets schwach.

Sie rief sich in Erinnerung, dass sie lieber nach Gründen suchen sollte, ihn nicht zu mögen. Doch es war schwer, etwas an ihm auszusetzen. Er war zu perfekt für ihr Wohl.

„Noch irgendwelche Fragen?“ erkundigte sich Jeff.

Brenda, seine über fünfzigjährige Assistentin, erhob sich und starrte ihn an. „Ich kann es nicht fassen, dass du meine Bewerbung nicht berücksichtigt hast. Wieder nicht.“

Zane blickte Nicki an und murmelte grinsend: „Jetzt geht’s wieder los.“

Brendas Wunsch, als echte Spionin zu arbeiten, war eine ewige Quelle der Belustigung in der Firma.

Jeff stand auf und tätschelte ihren Arm. „Brenda, ich kann nicht riskieren, dich zu verlieren. Nicht nur würde mich dein Mann umbringen, sondern das Büro würde Kopf stehen. Du bist zu wertvoll, um im Außendienst zu arbeiten.“

„Das ist Blödsinn, und du weißt es genau.“ Sie folgte ihm auf den Fersen zur Tür. „Komm schon, Jeff, gib mir einmal eine Chance.“

Nicki blickte ihnen nach. „Ich bin immer hin und her gerissen“, gestand sie ein, währen die restlichen Mitarbeiter den Konferenzraum verließen. „Einerseits hat Jeff Recht. Sie ist die Seele des Büros. Andererseits sollte es ihr gestattet sein, ihr Potenzial zu beweisen.“

„Sie würde den körperlichen Eignungstest nie bestehen.“

„Gut. Dann lass es sie versuchen und durchfallen. Zumindest hätte sie die Chance gehabt.“ Zanes Miene erweckte ihren Argwohn. „Du und Jeff habt Angst, dass sie den Test doch besteht und ihr sie in das Programm aufnehmen müsst. Ihr wisst, dass sie Furore machen würde.“

„Du bist eine Unruhestifterin.“

„Ich ziehe es vor, mich als Rebellin zu bezeichnen. Eine Art Freiheitskämpferin für Leute, die von den Machthabern unterdrückt werden, die nie …“

Das Telefon klingelte.

„Gott sei Dank“, murmelte Zane. „Ich hätte eine weitere Rede für die Unterdrückten nicht ertragen.“

„Ich bin noch nicht fertig mit dir“, drohte sie, während sie zum Hörer griff. „Hallo? Hier ist Nicki.“ Ihre Stimmung sank, als sie Boyds Stimme hörte. Er war nicht der Typ, der ohne Grund tagsüber anrief.

„Es tut mir wirklich Leid, aber ich schaffe es heute Abend nicht“, teilte er ihr mit. „Das Projekt steht auf dem Spiel. Ich darf nicht in Verzug kommen.“

Er fuhr fort mit der Erläuterung eines besonders komplexen Problems, der sie nach den ersten drei Worten nicht mehr folgen konnte. Als er innehielt, um Luft zu holen, warf sie ein: „Schon gut, Boyd. Es ist doch nur eine Party. Mach dir deswegen keine Sorgen.“

„Ich rufe dich Anfang der Woche an“, versprach er. Dann schien ihm bewusst zu werden, dass die meisten Paare das Wochenende miteinander verbrachten. „Ich muss leider arbeiten.“

„Das dachte ich mir. Schon gut.“

Mehr als gut, schoss es ihr durch den Kopf, während sie den Hörer auflegte. Es kümmerte sie nicht. In den letzten Wochen hatte sie häufig daran gedacht, dass es an der Zeit wäre, mit Boyd zu brechen. Dieses Telefonat hatte ihr gezeigt, dass es allerhöchste Zeit für einen sauberen Schlussstrich war.

„Leute wie Brad wissen Frauen einfach nicht zu schätzen“, verkündete Zane. „Computerchips und binäre Codes sind einfach interessanter für sie. Traurig, aber wahr.“

Sie schloss die Augen und zählte im Geist bis zehn. Als es nichts half, starrte sie ihn finster an. „Boyd ist kein Programmierer, und er ist sehr an Frauen interessiert.“ Sie lachte. „Warum versuche ich bloß, dich zu überzeugen?“

„Ich habe keine Ahnung. Ich habe auch kein Date. Wir können zusammen zur Party gehen.“

Nicki redete sich ein, dass die plötzliche Hitzewallung nichts weiter als ein beginnender Ausschlag war. Oder eine Lebensmittelallergie. Es war keine Aufregung wegen seiner lässigen Einladung. Er war also zurzeit nicht liiert. Das passierte häufiger. Im Nu würde er wieder mit einer großbrüstigen, begriffsstutzigen Schönheit verkehren, deren intellektuellstes Gesprächsthema die Farbe des Lidschattens darstellte, der zu ihren Augen passte.

„Na ja, unter Umständen könnte ich auf der Party mit dir rumlungern“, entgegnete sie mit einer Gelassenheit, die sie nicht annähernd verspürte.

„He, ich hole dich sogar ab.“

Sie dachte an seinen spritzigen Zweisitzer und lachte. „Ich glaube, es wäre eine echt schlechte Idee, meinen Rollstuhl an die Stoßstrange deines Flitzers zu binden und hinterher zu schleifen.“

„Ich kümmere mich schon um alles.“ Er stand auf und eilte zur Tür. „Ich hole dich um sieben ab. Zieh dich sexy an.“

„Du holst mich nicht ab!“ rief sie ihm nach. „Sei nicht albern. Ich fahre selbst.“

Er blieb an der Tür stehen. „Ich lasse mein Date nie selbst fahren.“

Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. „D…date?“

„Ja.“ Er schenkte ihr ein Lächeln, das sie schwach werden ließ. „Ich werde dir meine Verführungskünste zeigen. Du wirst beeindruckt sein.“

Nicki beobachtete, wie er aus dem Raum schlenderte, und hegte das böse Gefühl, dass er Recht hatte.

3. KAPITEL

Nicki blickte in den bodenlangen Spiegel und fragte sich, ob sie einen Fehler beging. Sie wollte Zane beeindrucken, aber vielleicht stellte sie es völlig falsch an. Sie mochte attraktiv sein, doch mit ihrer Körbchengröße B war sie nicht konkurrenzfähig. Er bevorzugte Frauen, deren Brüste so groß waren, dass sie kaum aufrecht gehen konnten.

In ihrem Schrank hing ein schwarzes Kleid mit einem Ausschnitt, der beinahe bis zum Nabel reichte. Mit doppelseitigem Klebeband und sehr geradem Rücken sah sie blendend darin aus. Aber wer gab sich schon mit Pfirsichen zufrieden in einer Welt von Wassermelonen? Vielleicht war es besser, dieses Kleid von schlichter, klassischer Eleganz anzubehalten, anstatt zu übertreiben.

Sie wünschte sich eine zweite Meinung, aber ihre Mutter hielt sich in einem anderen Staat auf, und Ashley, ihre Freundin und Jeffs Frau, war damit beschäftigt, sich selbst für die Party hübsch zu machen. Außerdem konnte sie am Telefon kein Urteil abgeben.

„Du siehst toll aus“, sagte Nicki sich aufmunternd.

Sie wusste, dass sie nicht schlecht aussah. Das glänzende bronzefarbene Kleid ließ ihre wohlgeformten Arme frei. Der fließende Stoff umspielte in losen Falten ihre Brüste, ließ die Kurven erahnen, ohne sie zu enthüllen. Ihre Haut war hell, und sie hatte beschlossen, die Beine nackt zu lassen. Statt einer Strumpfhose hatte sie eine schimmernde Lotion aufgetragen.

Ein Vorteil ihres Rollstuhls bestand darin, dass sie sich um schmerzende Füße nicht zu sorgen brauchte und unpraktische Schuhe mit hohen Absätzen tragen konnte. Fast zwanzig Minuten hatte sie ihre Haare gestylt, die ihr nun in üppigen Locken über den Rücken fielen.

Hätte es sich bei diesem Date um jemand anderen als Zane gehandelt, wäre sie mit ihrem Äußeren zufrieden gewesen. Aber so …

Sie presste sich eine Hand auf den nervösen Magen und redete sich laut ein: „Es ist kein Date. Wir sind nur Freunde.“

Dennoch stellte sie sich im Geiste vor, wie er zur Tür hereinkam, sie überwältigt in die Arme zog und leidenschaftlich küsste. Wie ihre Kleider entschwanden und sie sich auf dem Fell vor dem Kaminfeuer liebten.

Natürlich gab es mehrere Probleme mit ihrer Fantasie. Vor allem saß sie im Rollstuhl, und es konnte sich als kompliziert erweisen, sie in die Arme zu ziehen. Zweitens brannte kein Feuer im Kamin, und es lag kein Fell davor. Der kalte, harte Holzboden wirkte irgendwie nicht besonders einladend.

Die Türglocke ertönte und riss sie aus ihren Gedanken. Natürlich war sie darauf vorbereitet, dass Zane sie abholte und dass er gut aussah. Dennoch hatte sie die Situation unterschätzt.

Er sah nicht nur gut, sondern erstaunlich aus. Er trug für gewöhnlich einen Anzug zur Arbeit, doch dieser war eleganter oder besser geschnitten. Der weiche, graue Stoff betonte die Tiefe seiner Augen und ließ seine Schultern extrem breit wirken. Er war frisch rasiert und trug die silber-rote Krawatte, die sie ihm im vergangenen Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte.

Ihr Verstand registrierte all das, bevor sie die Blumen in seiner Hand bemerkte. Es waren keine schlichten Rosen oder Nelken, sondern Orchideen mit alabasterfarbenen, zartgrün umrandeten Blütenblättern.

„He, Nicki“, sagte er, während er eintrat. „Du siehst wundervoll aus, aber das hatte ich erwartet.“ Er reichte ihr die Blumen. „Ich habe die hier ausgesucht, weil sie mich an dich erinnert haben.“

Als er sich vorbeugte und ihre Wange küsste, schoss ein Prickeln durch ihren Körper. Sie konnte nicht denken, konnte sich nicht rühren. „Danke“, murmelte sie.

„Wollen wir die Blumen ins Wasser stellen, bevor wir gehen?“

Sie nickte und begab sich in die Küche, die für ihre Bedürfnisse mit niedrigeren Schränken ausgestattet worden war. Über der Arbeitsplatte befand sich nichts Wesentliches. Da sie selten Blumen bekam, waren die Vasen in einem Hängeschrank verstaut. Sie deutete auf die entsprechende Tür, und Zane holte ein Gefäß heraus, füllte es mit Wasser und stellte die Blumen hinein.

„Sie sind wundervoll“, sagte sie.

Er zwinkerte ihr zu. „Also, bin ich ein galanter Verführer oder nicht?“

„Du bist ein Profi“, erwiderte sie und meinte es ernst. Er kannte sich mit Frauen aus. Sie lächelte ihn an. „Du trägst meine Krawatte.“

Er befingerte die Seide und wackelte mit den Augenbrauen. „Vielleicht darf ich dich später damit fesseln.“

Sie lachte und klopfte auf den Rollstuhl. „Ich bin schon genug im Nachteil.“

„Willst du mich lieber fesseln?“

Mehr, als er ahnen konnte. „Ich werde es mir überlegen.“

Er folgte ihr zur Haustür. Als sie hinausrollte, sah sie zu ihrer Überraschung einen SUV am Bordstein stehen. „Ist das ein Leihwagen?“

„Nein. Ich habe ihn von Ashley geborgt. Schick, oder?“

Vor allem war es ein gewöhnliches Auto, und das bedeutete, dass sie nicht allein einsteigen konnte. Bevor sie sich länger über die Peinlichkeit der Situation Gedanken machen konnte, öffnete Zane die Beifahrertür und hob sie auf den Sitz.

Einen Moment lang befanden sie sich auf derselben Augenhöhe. Im Schein der Innenbeleuchtung konnte sie die goldenen Pünktchen in seinen dunkelbraunen Iris sehen und die winzige Narbe an seinem Mundwinkel.

Sie wünschte, er würde sie küssen. Es war verrückt, und daher sagte sie: „Du hättest ihr Auto nicht ausborgen müssen. Ich hätte fahren können.“

Zane schnallte sie an. „Auf keinen Fall. Bei einem richtigen Date fährt der Mann.“

„Das ist extrem sexistisch.“

„Ich weiß.“ Er schloss die Beifahrertür, klappte ihren Rollstuhl zusammen und verstaute ihn im Kofferraum. Als er sich neben sie setzte, fragte er grinsend: „Ist das für dich der größte Spaß seit Wochen oder so?“

Sie wusste, dass sie Langweile vorschützen oder Boyd erwähnen sollte, aber sie gestand ein: „Es macht ziemlich Spaß.“

„Es kommt noch besser“, versprach er.

Nicki trank nie viel Alkohol, aber gegen ein Gläschen Champagner in einem echten Kristallkelch hatte sie nichts einzuwenden. Also nippte sie an dem prickelnden Getränk und amüsierte sich nicht minder als die rund vierzig übrigen Partygäste, die sich aus der Belegschaft des Sicherheitsdienstes Ritter & Rankin und den Angestellten des Gastgebers zusammensetzten.

Al Morgan hatte sich vor einigen Monaten, als eine ausländische Organisation seiner Firma gesetzlich geschützte Technologie stehlen wollte, an Zane und Jeff gewandt. Die Übeltäter waren in eine klug ausgetüftelte Falle gegangen und überführt worden. Nun veranstaltete er die Party als Dankeschön.

„Noch eins?“ Zane deutete auf ihr halb leeres Glas.

Nicki schüttelte den Kopf. „Ich will keinen Schwips kriegen.“ Sie klopfte auf die Armlehne des Rollstuhls. „Du weißt doch, dass man nicht betrunken fahren soll.“

Er lächelte. „Du kannst mich ja zu deinem Fahrer abstellen. Du würdest betrunken bestimmt sehr niedlich aussehen.“ Er beugte sich zu ihr. „Ein paar verführerische Bewegungen in diesem Kleid würden einen Tumult auslösen.“

Seine leise, samtige Stimme ließ ihr Herz höher schlagen. Schon den ganzen Abend lang hielt er sich in ihrer Nähe auf, neckte sie auf höchst aufreizende Weise und blickte sie an, als wäre sie die einzige Frau im Raum. Während ihr die Aufmerksamkeit zusagte – obwohl sie wusste, dass es gefährlich war, ihr Bedeutung beizumessen – fragte sie sich nach dem Grund.

Ashley näherte sich dem Sofa und bat Zane: „Rutsch rüber.“

Er stand auf. „Ich hole uns was zu essen.“ Er beugte sich zu ihr und küsste ihre Wange. „Du siehst blendend aus wie immer.“

„Wenn du glaubst, dass du durch deine schamlosen Schmeicheleien beeinflussen kannst, wie ich deinem Partner gegenüber über dich rede, dann hast du Recht.“ Sie setzte sich. „Bring mir irgendwas Salziges mit.“

Er nickte und ging zum Büfett.

Stirnrunzelnd fragte Nicki: „Solltest du den Natriumverzehr nicht einschränken? Du bist doch wie ein Ballon angeschwollen, als du mit Michael schwanger warst.“

„Vielen Dank, dass du mich daran erinnerst.“

„Ich bin deine Freundin. Ich mache mir Sorgen.“

Ashley seufzte. „Ich weiß, dass ich Diät halten muss, aber seit ein paar Tagen fühle ich mich wie eine Kuh ohne Salzleckstein.“ Sie strich sich das dunkle Haar zurück. Ihre braunen Augen funkelten. „Aber genug über die Absonderlichkeiten meines schwangeren Selbst. Was ist mit dir? Seit wann eskortiert Zane dich zu Partys und hängt förmlich an deinen Lippen? Und warum hast du mich nicht angerufen und mir gesagt, dass ihm endlich ein Licht aufgegangen ist?“

Nicki vergewisserte sich instinktiv, dass er nicht in Hörweite war. „So ist es nicht. Boyd hat heute Abend keine Zeit, und Zane hat angeboten, mich mitzunehmen.“

„So sieht es in meinen Augen nicht aus, junge Dame.“

„Er hat wohl zurzeit kein Date, aber das bedeutet gar nichts.“

Ashley beugte sich mit mitfühlender Miene näher. „Auch wenn du überzeugt bist, dass er sich nicht für dich interessieren kann, weil er nur mit Hohlköpfen verkehrt, solltest du ihm die Wahrheit über deine Gefühle sagen und der Sache ein Chance geben. Zane ist Jeff sehr ähnlich. Sie verbergen beide ihr wahres Wesen.“

„Und wer ist der wahre Zane? Woher soll ich wissen, dass der innere Zane mehr an mir interessiert ist als der äußere?“

„Du könntest versuchen, es herauszufinden.“

Gute Idee, dachte Nicki. Aber sie war nicht sicher, ob sie es wirklich wissen wollte. Nicht, wenn die Antwort negativ war.

Ashley erriet den Gedankengang. „Dann probier es anders. Versuch, seine Geheimnisse zu lüften. Warum umgibt er sich mit jungen Dingern mit minimalen IQs?“

„Weil sie leicht zu haben sind.“

„Sag ihm, dass du es auch bist. Und wenn du ihn nackt gesehen hast, will ich einen umfangreichen Bericht.“

Nicki grinste. „Das sagst du immer. Aber wenn ich ins Detail gehen will, kannst du es nicht ertragen zuzuhören.“

„Stimmt. Weil ich Hemmungen habe.“

Nicki dachte an die liebevollen Blicke, die Ashley und Jeff tauschten, und an die leidenschaftlichen Liebkosungen, die sie eines Tages zufällig im Büro unterbrochen hatte. „Aber nicht bei Jeff.“

„Nein, nicht bei Jeff“, bestätigte Ashley sanft.

Zane kehrte zurück und reichte Nicki ein Glas Champagner. Sie nahm es und murmelte. „Wieso habe ich den Eindruck, dass du mich betrunken machen willst?“

„Ich gebe zu, dass es mir in den Sinn gekommen ist.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass du bei deinen Dates auf billige Tricks zurückgreifen musst.“

„Muss ich auch nicht. Die Frauen, mit denen ich ausgehe, liegen mir zu Füßen.“

„Das ist für mich leichter als für die meisten, aber rechne lieber nicht damit.“ Grinsend nippte sie an ihrem Glas.

Zane strich ihr eine Locke aus dem Gesicht. Ihre Augen strahlten belustigt. Er fand sie immer attraktiv, aber nun, todschick gekleidet, war sie geradezu umwerfend.

Er hatte ihre Beine unzählige Male gesehen, im Fitnessraum im Sommer, wenn sie Shorts trug. Er war an die langen, schlanken Schenkel gewöhnt, und er sah kaum noch die feinen Narben, die ihr rechtes Bein übersäten. Sie hielt sich in Form, und er war Manns genug, um ihre Rundungen zu bewundern.

Aber an diesem Abend war irgendetwas anders. Vielleicht lag es an der Rocklänge. Der weiche Stoff bedeckte kaum ihre Oberschenkel. Vielleicht war es der schwache Glanz ihrer Haut oder die Tatsache, dass er warmes, nacktes Fleisch berührt hatte, als er sie in das Auto gehoben hatte. Wie auch immer, er konnte nicht umhin, ihre Beine zu betrachten und berühren zu wollen.

Er wusste, dass sie nicht gelähmt war und Gefühl in den Beinen hatte. Wenn er also ihre Schenkel streichelte, würde sie es spüren. Würde sie sich zu ihm beugen und einladend die Lippen öffnen? Würde sich ihr Atem beschleunigen und …

„Zane?“

Er blinzelte und zwang sich, die Gedanken von ihrem Körper zu lösen. „Was?“

„Du hattest einen seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht. Woran in aller Welt hast du gedacht?“

Das Eintreffen ihres Gastgebers ersparte es ihm, ihr eine Lüge aufzutischen. Al Morgan zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Nicki. „Wie geht es Ihnen?“ erkundigte er sich und nahm ihre Hand.

Sie lächelte. „Großartig.“

„Wir arbeiten seit einiger Zeit an verschiedenen Metalllegierungen. Es ist geheime Regierungssache, weil es für Industriezwecke verwendet werden soll, aber ich frage mich …“

Sie unterbrach ihn mit einem heftigen Kopfschütteln. „Es ist lieb von Ihnen, dass Sie an mich denken, Al, aber nein danke.“

„Hören Sie mich zuerst an. Es geht um ein sehr starkes, aber sehr leichtes Metall. Sie würden es kaum spüren.“

„Stützklammern bleiben trotzdem Stützklammern.“

„Aber Sie könnten laufen.“

Sie lächelte nachsichtig. „Auf zwei Beinen zu stehen, ist nicht alles. Glauben Sie mir, ich habe es ausprobiert.“ Sie ließ seine Hand los. „Laufen ist das, was Sie kennen, und ich danke Ihnen, dass Sie mir diese Freiheit zukommen lassen wollen. Aber mit Stützklammern zu schlurfen, ist mühsam und peinlich.“

Al wirkte nicht überzeugt. „Die Medizin macht ständig Fortschritte.“

„Das stimmt, und meine Ärztin hält mich auf dem Laufenden über neue Errungenschaften. Aber manches lässt sich eben nicht heilen. Die offenen Brüche im linken Bein waren so schlimm, dass sogar ein Typ von der Rettungsmannschaft ohnmächtig wurde. Ein korrektes Zusammenwachsen war unmöglich. Trotzdem hätte ich wieder laufen können, weil es um mein rechtes Bein besser bestellt war.“ Sie hielt inne.

Zane kannte die Geschichte. Sie war vierzehn gewesen, als ihre Welt eingestürzt war.

„Aber dann bekam ich eine Knochenentzündung“, fuhr sie fort. „Die Heilung dauerte Monate, und mein rechtes Bein wurde so geschwächt, dass es mein Gewicht nicht mehr tragen kann.“

„Durch Physiotherapie …“

„Durch Physiotherapie kann ich mit Stützklammern stehen, ja und? Es ist harte Arbeit und sehr schmerzhaft. In meinem Stuhl bin ich total beweglich.“

„Sie ist verdammt gut auf Rädern“, warf Zane ein. „Ich kann ein Lied davon singen. Sie überfährt mich ständig.“

Sie lächelte ihn an. „Nur wenn du mir auf die Nerven gehst.“ Zu Al sagte sie: „Ich könnte mit Stützen und Krücken gehen. Aber ich will nicht. Ich ziehe den Rollstuhl vor.“

Er nickte widerstrebend. „Wenn ich Sie nicht überzeugen kann …“

„Das können Sie nicht.“ Nicki wechselte das Thema, indem sie sich erkundigte, wie seine älteste Tochter im College vorankam.

Als Al zu anderen Gästen gerufen wurde, berührte Zane sie sachte am Arm. „Stört es dich nicht, dass er sich derart in dein Leben einmischt?“

„Überhaupt nicht. Er tut es, weil ihm etwas an mir liegt. Das gefällt mir bei einem Mann.“

Er hatte immer ihren Mut und ihr Temperament bewundert und hätte ihr gern gesagt, wie viel auch ihm an ihr gelegen war.

„Wenn er das Thema wieder anspricht, gehe ich mehr ins Detail. Er kennt mich nur jetzt, Jahre nach dem Unfall. Wäre er damals dabei gewesen, würde er verstehen, wie weit ich es gebracht habe.“

Sie nippte an ihrem Champagner. „Damals hätte ich ihm Recht gegeben. Ich war fest entschlossen, wieder zu laufen, so schwer es auch war und so weh es auch tat. Als meine Eltern mir meinen ersten Rollstuhl kauften, sah ich es als Niederlage an. Ich wollte nicht aufgeben und ihn nicht benutzen. Aber dann habe ich gemerkt, wie beweglich ich damit bin. Seit ich weiß, dass ich schneller als alle anderen bin und Sport treiben kann, bin ich zufrieden damit.“

„Hast du immer noch Stützen?“

„Sicher, aber ich benutze sie kaum noch. Ich habe sie das letzte Mal bei der Hochzeit einer Freundin getragen, damit ich mit den anderen Brautjungfern am Altar stehen konnte. Damals in der High School habe ich sie zu Tanzveranstaltungen angelegt, damit ich mit meinen Dates über das Parkett schlurfen konnte.“ Sie grinste. „Manchmal habe ich sie mir von den Jungs abnehmen lassen. Das hat sie richtig angetörnt.“

Er täuschte Entsetzen vor. „Du hast dich befummeln lassen?“

„Natürlich.“

„Weiß deine Mutter davon?“

Sie verdrehte die Augen. „Du mit deinem Frauenverschleiß bist kaum berechtigt zu Kritik. Außerdem hat nicht mal mein Date beim Abschlussball viel mehr gekriegt als ein bisschen Gefummel. Ich schätze, deins hat dich voll zum Ziel kommen lassen.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich war gar nicht beim Abschlussball. Ich war in einem Jugendstraflager und habe meine Schuld gegenüber der Gesellschaft beglichen.“

„Was hattest du denn angestellt?“

„Ich wurde in einem gestohlenen Lieferwagen mit mehreren Dutzend neuer Fernseher geschnappt, die nicht mir gehörten.“

„Du machst Witze.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich war wild als Kid.“

„Okay, fang ganz vorn an und sprich langsam. Ich will Details.“

„Auf keinen Fall.“ Er hielt sein Glas hoch. „Ich müsste wesentlich mehr getrunken haben, um diese Story zu verraten.“

Sie hob einen Arm, um einem Kellner zu winken. Zane nahm ihre Hand und zog sie hinunter. „Ich muss noch fahren, Nicki. Ein Glas ist das Äußerste.“

„Wie ärgerlich. Dann muss ich dich wohl in mein Haus locken und betrunken machen, damit ich dir die Wahrheit entlocken kann.“

4. KAPITEL

„Du musst mich hereinbitten“, verkündete Zane, als er vor Nickis Haus vorfuhr.

„Und aus welchem Grund?“ hakte sie mit vorgetäuschter Gelassenheit nach, obwohl ihr Herz zu pochen begann.

Er grinste. Im schummrigen Innenraum des Autos, der nur von einer Straßenlaterne erhellt wurde, sah sie die Umrisse seines Profils und das Blitzen seiner Zähne.

„Du hast versprochen, mich betrunken zu machen. Außerdem ist es noch nicht mal halb elf. Ich muss an meinen Ruf denken. Was würden meine Nachbarn sagen, wenn ich am Freitagabend so früh nach Hause käme?“

„Ja, natürlich, dein Ruf“, murmelte sie und dachte humorvoll, dass es keinen Grund gab, seine Bitte abzulehnen. Er wusste schließlich nichts von ihren außer Kontrolle geratenen Hormonen und würde es nicht ernst nehmen, wenn sie einen Annäherungsversuch unternähme. Es konnte nichts Schlimmeres passieren, als dass ihre Hoffnungen unerfüllt blieben, und damit lebte sie schon ewig.

„Nichts liegt mir ferner, als deinen weltweiten Ruf zu ruinieren. Komm mit rein.“

Er stellte den Motor ab, holte den Rollstuhl aus dem Auto und hob Nicki auf die Arme. „Tolles Parfüm“, bemerkte er, als er sie in den Stuhl setzte.

Sie hätte dasselbe sagen können, doch sie wusste, dass er keine Duftstoffe benutzte. Der köstliche Geruch, der ihr in die Nase stieg, wenn er in ihrer Nähe war, stammte nur von ihm selbst.

„Möchtest du was trinken?“ fragte sie, als sie das einstöckige Haus betreten hatten.

„Nichts Alkoholisches.“

Sie warf ihre Handtasche auf das Tischchen neben der Haustür und rollte ins Wohnzimmer. „Im Kühlschrank stehen verschiedene Säfte und Soda. Bedien dich.“

„Möchtest du was?“

„Nein danke.“

Während Zane in die Küche ging, rutschte sie unruhig in ihrem Stuhl herum. Sie wusste nicht recht, was sie mit sich selbst anfangen sollte – oder mit ihm.

Sie blickte sich in dem aufgeräumten Wohnzimmer um. Sie war nicht von Natur aus ordentlich, aber sie hatte vor langer Zeit gelernt, dass herumliegende Gegenstände Hindernisse bedeuteten, die es wegzuräumen galt.

Die blassgrünen Wände passten zu dem grün gestreiften Sofa, das sie wegen der festen Armlehnen ausgewählt hatte, auf die sie sich stützte, wenn sie sich vom Rollstuhl auf das Sofa setzte. Sie hatte einen hohen Tisch dahinter statt davor platziert und benutzte Stehlampen zur Beleuchtung. Keine Teppiche waren vorhanden, die ihre Beweglichkeit eingeschränkt hätten, aber sie hatte durch Bilder und Kissen Farbe und Behaglich in das Zimmer geholt.

Zane kehrte mit einer Dose Soda zurück. Anstatt sich zu setzen, ging er zu ihrer DVD-Sammlung und stöberte darin. „Du hast ja gar keine harten Filme hier. Das ist alles Frauenkino.“

„Vielleicht weil ich eine Frau bin.“

„Im Ernst, Nicki, da ist nicht eine einzige anständige Verfolgungsjagd dabei.“

„Es ist zwar erstaunlich, aber ich habe diese Filme nicht für dich gekauft.“

„Du kannst mir nicht einreden, dass sie Brad gefallen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass du weißt, dass er Boyd heißt. Warum tust du also so, als ob du es dir nicht merken könntest?“

Er blickte sie mit Unschuldsmiene an. „Was kann ich mir nicht merken?“

Sie seufzte. „Gut, sei nur schwierig. Aber lass dir gesagt sein, dass Boyd romantische Komödien genauso gefallen wie mir.“

Zane schnaubte. „Er lügt.“

„Nein. Ihm gefallen die Sexszenen.“

Zane trat zum Sofa und stellte sein Glas auf dem Tisch ab. „Na ja, der Sex ist okay, aber der Rest ist langweilig.“ Er beugte sich über sie und zog sie auf die Couch. Dann setzte er sich neben sie und griff nach der Fernbedienung. „Du hast doch Kabel, oder?“

„Natürlich.“

„Vielleicht läuft irgendwo ein Spiel.“

„Das wäre aber toll“, murmelte sie.

„Was ist denn? Du interessierst dich doch für Football.“

„Ja, ja.“ Sie sah ebenso gern Sport wie er, aber wollte er an diesem speziellen Abend seine Aufmerksamkeit nicht lieber ihr als einer Horde schwitzender Männer schenken?

Anscheinend nicht, dachte sie, als er innerhalb von zwei Minuten durch über hundert Kanäle zappte. Sie rief sich in Erinnerung, dass es eben kein echtes Date war.

Beim zweiten Durchlauf stoppte er bei einem Film mit Tom Cruise. Sie brauchte zwei Sekunden, um Top Gun zu erkennen. Sie lachte. „Das ist also der perfekte Film, ja? Flugzeuge, Tote und Sex.“

„Stimmt. Für jeden was dabei.“ Er drehte sich zu ihr um und nahm seine Soda vom Tisch. Er trank einen Schluck, stellte die Dose zurück und ließ den Arm auf der Rücklehne liegen.

Seine Hand war wenige Zentimeter von ihrer Schulter entfernt. Sie wurde sich seiner Nähe überdeutlich bewusst, spürte ihn sogar atmen. Knisternde Spannung herrschte. Leider nur auf ihrer Seite. Dennoch gelang es ihr nicht, den Blick von seinem markanten Profil, dem trotzigen Kinn und den langen, dunklen Wimpern abzuwenden.

„Du achtest ja gar nicht auf den Film.“ Sanft zupfte er an ihren Haaren. „Du verpasst noch die Sexszene.“

Unwillkürlich fragte sie sich, was passieren würde, wenn sie einen Annäherungsversuch unternähme. Wäre er schockiert? Würde er sie sanft abweisen? Oder würde in seinen Augen Verlangen aufblitzen? Hatte er je etwas anderes in ihr gesehen als eine gute Freundin?

Es gab nur einen Weg, es herauszufinden, aber Nicki hatte nicht den Mut. Auch wenn Frauen gleichberechtigt waren, hatte sie schlichtweg Angst. Wenn er sie abwies, änderte es ihre Beziehung. War sie bereit, ihre Freundschaft zu riskieren?

Die letzte Frage war leicht zu beantworten. Sie war es nicht. Also heftete sie den Blick auf den Bildschirm und bemühte sich, Zane zu ignorieren.

Die Musik schwoll, und die beiden Liebenden füllten den Bildschirm in Großaufnahme. Nicki verlor sich in der Szene und vergaß ihre eigenen Bedürfnisse. „Filmküsse sind manchmal besser als die Wirklichkeit“, murmelte sie selbstvergessen.

Zane hatte gerade getrunken und verschluckte sich beinahe. „Dann hat Brad alles falsch gemacht.“

Sie blickte ihn an. „Boyd macht alles genau richtig. Darum geht es nicht. Filmküsse sind meistens höchst romantisch. Aber was verstehst du schon von Romantik!“

„Ich verstehe sehr viel von körperlichen Dingen, und dazu gehört Küssen.“

„Es ist nicht nur eine körperliche Funktion, wie zum Beispiel Niesen. Es kann spirituell sein. Es umfasst den Geist und das Herz genauso wie den Körper.“

„Du denkst zu viel.“

„Du denkst nicht genug.“

„Vielleicht nicht, aber ich kann verdammt gut küssen.“

Nicki öffnete den Mund zu einer schnippischen Entgegnung, als er plötzlich die Arme um sie schlang und den Kopf senkte.

Ihr blieb gerade noch Zeit, die Lippen zusammenzukneifen, bevor er sie küsste. Es war himmlisch. Er presste den Mund auf ihren mit einer Entschlossenheit, die von Zuversicht und Autorität kündete, aber auch mit einer Sanftheit, die verriet, dass er geben, nicht nur nehmen wollte.

Sie wunderte sich noch immer über das Geschehen, als er ihre Lippen mit der Zungenspitze berührte. Hitze explodierte in ihr. Seltsam, wie dieser winzige Berührungspunkt ihren ganzen Körper entflammen konnte. Sie spürte deutlich ihre Brüste, ihre Beine und jene feuchte, geschwollene Stelle zwischen ihren Schenkeln. Ihr Verlangen nach Zane raubte ihr den Atem. Vermutlich lag es daran, dass sie so lange von ihm geträumt hatte – ganz zu schweigen davon, dass er eine Frau zu erregen wusste.

Langsam strich er über ihre Unterlippe, bis sie unwillkürlich den Mund öffnete. Als er eindrang und ihre Zunge mit seiner berührte, spannte sich ihr ganzer Körper. Dann neigte er den Kopf, vertiefte den Kuss und streichelte ihren Rücken.

Ihr Körper schmerzte beinahe vor Verlangen, das wie ein Tornado anschwoll und keinen Raum für Gedanken ließ.

Er brach den Kuss ab. Bevor sie protestieren konnte, presste er den Mund auf ihren Hals, während er eine Hand von ihrer Taille hinauf gleiten ließ. Ein wohliges Prickeln durchlief sie, und sie klammerte sich erwartungsvoll an seine muskulösen Schultern.

Sie brauchte mehr.

Er ließ die geöffneten Lippen zu der empfindsamen Haut ihres Dekolletés gleiten und schmiegte gleichzeitig eine Hand um ihre Brust. Ihr stockte der Atem. Er strich mit dem Daumen über die Brustspitze und erweckte eine feurige Leidenschaft.

Obwohl Nicki sich in dem Augenblick verlieren wollte, fragte eine beharrliche Stimme der Vernunft, was in aller Welt sie da tat.

Wollte sie vernünftig sein und aufhören? Wollte sie Zane fragen, ob er wusste, was er tat? In ihrer zweijährigen Freundschaft hatte er nicht ein einziges Mal angedeutet, dass er in ihr etwas anderes als einen Kumpel sah. Warum benahm er sich also plötzlich, als wüsste er, dass sie eine Frau war? Und wollte sie es wirklich wissen?

So als spürte er ihren inneren Konflikt, richtete er sich auf und schaute sie an. Leidenschaft verdunkelte seine Augen. Seine Lippen waren feucht, seine Haare zerzaust. Er sah so gut aus wie ein Dressman auf einem digital retuschierten Foto.

Das Dröhnen eines startenden Flugzeugs durchschnitt die Stille. Zane wandte sich ab, griff zur Fernbedienung und schaltete den Ton ab. Dann nahm er die Hand von ihrer Brust und strich mit dem Daumen über ihre Unterlippe.

„Meinst du immer noch, dass Liebeszenen im Film schöner sind als die Realität?“

Sie lächelte trotz ihrer Bedenken und Unsicherheit. „Nein.“

„Ich hab’s dir ja gesagt.“ Er legte eine Hand auf ihr Bein und stöhnte sanft. „Du trägst keine Strumpfhose. Ich habe es schon gemerkt, als ich dich ins Auto gesetzt habe. Es hat mich verrückt gemacht.“

Wirklich? War das sein Ernst? „Versuch mal, im Sitzen eine anzuziehen.“

Er streichelte ihren Oberschenkel. „Ich bin kein Fan von Strumpfhosen.“

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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