Bikinis und Martinis

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… heißt der Frauenklub, der Katies Selbstbewusstsein aufpeppen soll. Schon die erste Aufgabe hat’s in sich: Sex an einem verbotenen Ort. Mit Ledermini, High Heels und viel Herzklopfen trifft sie Liam im Kino – wild entschlossen, ihren Traummann hier zu verführen …


  • Erscheinungstag 20.10.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520386
  • Seitenanzahl 140
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Katie Winfield plante die Verführung so strategisch und genau wie eine militärische Großoffensive.

Ein derart präzises Vorgehen war für sie ungewöhnlich, da sie sonst eher spontan und unbefangen vorging. Aber nun flirteten sie und Richard schon seit Wochen, ohne dabei wirklich voranzukommen. Heute Nacht sollte sich das ändern. Heute würden sie den entscheidenden Schritt tun.

Entzückt über die langen Vorbereitungen, mit denen sie sich normalerweise nicht aufhielt, nahm Katie einen Bleistift in die Hand und ging die Punkte auf ihrer Liste durch.

Kosmetik und Pediküre. Erledigt.

Sexy französisches Stubenmädchenkostüm. Erledigt.

Erregendes neues Parfüm. Erledigt.

„Fang mich, nimm mich“-High Heels. Abgehakt.

Kastanienbraune Perücke. Abgehakt.

Schwarze Seidenstrümpfe. Abgehakt.

Push-up-BH. Abgehakt.

Erotische Maske. Abgehakt.

Viele, viele Kondome. Abgehakt.

Sie brauchte die Liste nur zu lesen, und schon verspürte sie ein aufregendes Kribbeln und gleichzeitig eine wohlige Wärme in sich. Heute Abend, während des superschicken Wohltätigkeits-Maskenballs der Boston Ladys League, der jedes Jahr am Freitag vor dem Labor-Day-Wochenende stattfand, würde sie Richard Montgomery Hancock III verzaubern.

In der Mittagspause war Katie einkaufen gegangen und jetzt mit fünfzehn Minuten Verspätung und außer Puste an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Verstohlen kickte sie die gefüllten Tüten unter den Schreibtisch. Dann blickte sie über die Schulter, um zu sehen, ob ihr Chef die Verspätung bemerkt hatte.

„Was hast du denn Schönes gekauft?“, erkundigte sich ihre Kollegin Tanisha Taylor, die mit einem Latte macchiato in der Hand zur Tür hereinschlenderte.

Katie zuckte die Schultern. „Ach, nichts Besonderes.“

Mit ihren eins fünfundsiebzig überragte Tanisha Katie, die nur einen Meter sechzig groß war. Sie waren beide vierundzwanzig Jahre alt und hatten vor zehn Monaten am selben Tag bei Sharper Designs als Grafikerinnen angefangen. So lange war Katie noch nie an einem Arbeitsplatz geblieben. Diese Tatsache beunruhigte sie inzwischen fast.

Mit ihrem strahlenden karamellfarbenen Teint und den schokoladenbraunen Augen war Tanisha umwerfend schön. Sie trug ihr schulterlanges Haar zu kleinen Zöpfen geflochten, wodurch ihr schmales Gesicht noch zarter wirkte. Sie hatte den schlanken, muskulösen Körperbau einer Tänzerin, ganz anders als Katie, die wohlgerundet und nicht nennenswert sportlich war.

Heute trug Tanisha eine lavendelfarbene Seidenbluse, die sie in eine gerade geschnittene schwarze Hose gesteckt hatte, dazu flache schwarze Schuhe. Dank der wilden Nächte, die sie beide bis zur Sperrstunde in diversen Bars verbracht hatten, wusste Katie, dass sich unter dem zugeknöpften Äußeren eine abenteuerlustige nubische Göttin verbarg.

Tanisha entdeckte die rot-schwarz gestreifte Tüte von Fetching Fantasies, hockte sich hin und griff danach, bevor Katie sie bremsen konnte. Als sie die Einkäufe hervorgezogen hatte, stellte Tanisha lächelnd ihren Kaffeebecher ab, setzte sich auf die Schreibtischkante und untersuchte die Sachen.

„Oh, là, là, was haben wir denn da? Parlez vous français?“, fragte sie neckend.

Katie entriss ihr die Tüte und presste sie an die Brust. „Nur ein Kostüm für den Maskenball der Ladys League. Wie ich schon sagte, nichts Besonderes.“

Tanisha lachte. „In diesem Fummel bist du die verruchteste Lady des Abends.“

„Genau das habe ich vor.“

„Raus mit der Sprache. Auf wen hast du’s abgesehen?“

Katie hielt Tanishas listigem Blick stand und schüttelte langsam den Kopf.

„Tu nicht so unschuldig. Du führst doch etwas im Schilde.“

Katie neigte den Kopf und sah Tanisha unter gesenkten Lidern verschwörerisch an. „Kennst du Richard Hancock?“

„Jeder in der Stadt kennt Richard. Was hast du vor? Willst du es dir etwa mit sämtlichen Damen des Bostoner Adels verscherzen?“

Diese Bemerkung brachte Katie ziemlich aus der Fassung. Warum kam es ihr plötzlich so vor, als hätte Tanisha mit dieser Frage einen Pfeil auf ihr Gewissen abgeschossen?

Volltreffer.

„Wie kommst du darauf?“

„Warum sonst solltest du auf Richard ‚der Schwanz‘ Hancock aus sein? Er ist so was von überhaupt nicht dein Typ.“ Tanisha sprang vom Schreibtisch auf.

„Wie meinst du das? Richard sieht doch sehr gut aus.“

„Ich rede nicht von seinem Aussehen.“

„Was stimmt denn nicht mit Richard?“

„Mit ihm ist alles in Ordnung. Was mich stört, ist die Tatsache, dass du vorhast, ihn auf dem Ball der Ladys League zu verführen.“ Tanisha schnalzte mit der Zunge.

„Was ist daran so schlimm?“

„Mach dir nichts vor, Katie. Du liebst es, Aufsehen zu erregen.“

„Tu ich nicht.“

„Oh doch.“

„Ach ja?“

„Wer wurde denn auf unserer Weihnachtsfeier dabei erwischt, wie sie den Sohn des Generaldirektors unter dem Mistelzweig geküsst hat, hm?“

„Hey“, verteidigte sich Katie. „Ich konnte doch nicht ahnen, dass er frisch verlobt ist.“

„Genau das meine ich. Du nimmst dir keine Zeit, die richtigen Fragen zu stellen, und kommst damit oft in Teufels Küche. Darum glaube ich, dass du es unbewusst genießt, einen Skandal zu verursachen.“

„Das ist nicht wahr.“ Oder etwa doch?

„Entweder ist es das, oder du betreibst Selbstsabotage. Welches davon?“

„Nichts davon.“

„Wenn du meinst.“ Tanisha klang skeptisch.

„Ja, das meine ich.“

„Und der Nil ist nur ein Fluss in Ägypten.“ Tanisha schnaubte.

Sabotierte sie sich selbst? Sie war als jüngste von drei Schwestern in einem Haushalt aufgewachsen, der von einer liebenden Mutter und einem strengen Vater geführt wurde, der Navy-Offizier war. Katie hatte sich gern ein bisschen danebenbenommen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Na und?

In der Highschool hatte sie ein paarmal geschwänzt. Ein- oder zweimal war sie dabei erwischt worden, wie sie aus dem Fenster ihres Schlafzimmers kletterte, um sich mit einem Jungen zu treffen. Sie genoss es, wenn ihre stinkvornehme Großtante Josephine missbilligend die Nase rümpfte, wenn sie Hip-Hop hörte, Straßenslang sprach und zu Familientreffen in Jeans erschien. Aber ganz ehrlich, sie würde bei alldem niemals zu weit gehen. Katie hatte einfach gern ihren Spaß. Ihre Motive waren so einfach gestrickt wie ein Lied von Cyndi Lauper.

Nun gut, manchmal wurde es ihr zu stickig mit ihren beiden älteren, ach so vollkommenen Schwestern. Brooke war die stets hilfsbereite Schönheit, Joey eine gewandte Frau der Tat. Und beide waren stockbrav. Da war für Katie nur noch die Rolle des Wildfangs geblieben. Aber jeder in einer Familie hat seine Rolle zu spielen, nicht wahr? Und sie würde ihrer Rolle voller Stolz gerecht werden.

Um ehrlich zu sein, hatten sie und ihre Schwestern auch nach dem Tod ihres Vaters vor fünf Jahren immer noch ein Leben wie im Märchen. Sie waren vom Glück verwöhnt gewesen, bis ihre heile Welt urplötzlich zusammengebrochen war.

Katie wollte nicht darüber nachdenken, aber die Erinnerungen überwältigten sie sturzflutartig. Sie zwang sich zu lächeln, damit Tanisha nichts von ihrem Kummer mitbekam.

Aber dieses Lächeln konnte ihre tiefe Traurigkeit nicht beenden.

Im Januar hatten Katie und ihre Schwestern die schreckliche Nachricht erhalten, dass ihre geliebte Mutter Daisy an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt war. Katie verdrängte die Wahrheit, solange sie konnte. Sie redete sich ein, dass alles nur ein Irrtum war und dass es ihrer Mutter gut ging. Aber mit jedem Tag wurde Daisy Winfield schwächer und kränker, bis Katie endlich der Realität ins Gesicht sehen musste.

Danach war sie wütend geworden. Als Brooke behauptet hatte, dass sie in der zweiten Phase der Trauer stecken geblieben sei, hatte sie das schrecklich aufgeregt. Die heilige Brooke, die nie etwas falsch machte, hatte anscheinend alle Phasen der Trauer glattweg übersprungen. Mit einem Satz überflog sie Verdrängung, Wut und Depression, um es sich gleich beim Akzeptieren des Unvermeidlichen bequem zu machen.

Wenn man Brooke Glauben schenkte, war Katie noch nicht über die Wut hinausgekommen.

Vielleicht war sie das ja wirklich nicht. Aber wie auch? Ihre Mutter war erst dreiundfünfzig gewesen, als sie im Juli starb, nur sechs Monate nach der Diagnose. Sie hatte ja noch nicht einmal Zeit gehabt, sich richtig zu verabschieden.

Das war einfach nicht fair.

Katie schloss die Augen und atmete hörbar ein, als sie sich voller Pein an die entsetzliche Nacht erinnerte, in der ihre Mutter gestorben war.

Ruhelos und fiebrig hatte sie etwas von einem verlorenen Baby vor sich hin gemurmelt. Daisy hatte die Hände ihrer Töchter umklammert und sie gebeten, ihr kleines Mädchen zu finden. Sie hatten keine Ahnung, von was für einem Baby sie sprach. Die Hospizschwester versicherte ihnen, dass es sich um eine Nebenwirkung der starken Schmerzmittel handelte. Aber es war erschütternd, ihre Mutter während ihrer letzten Minuten auf Erden so verzweifelt zu erleben.

Unwillkürlich legte Katie eine Hand auf ihr Herz, wo sie den tiefen Schmerz über den Tod ihrer Mutter spürte.

„Katie?“ Tanishas Stimme holte sie wieder in die Gegenwart zurück.

Sie öffnete die Augen.

Tanisha sah sie verwundert an und beugte den Kopf nach vorn. Ein dunkler Zopf fiel auf ihren wie gemeißelt aussehenden Wangenknochen. „Geht es dir gut?“

„Mmh.“

„Du siehst nicht so aus.“

„Es geht mir aber gut.“

Tanisha deutete mit einem Nicken auf die Einkaufstüten unter Katies Schreibtisch. „Diese Einkaufsorgie, die Verführung bei der Ladys League und das ganze andere verrückte Benehmen – hat das alles irgendwie mit dem Tod deiner Mutter zu tun?“

„Wie kommst du denn darauf?“ Katie lachte gezwungen. Es klang merkwürdig erstickt.

„Ich dachte, dass du Richard vielleicht verführen willst, um deinen Kummer zu vergessen. Man kann Trauer mit Lust bekämpfen.“

„Nein, nein. Natürlich nicht. Das ist lächerlich. Ich kann gar nicht glauben, dass du so etwas denkst.“

„Am kommenden Wochenende liegt der Tod deiner Mutter genau zwei Monate zurück. Und um dich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, verführst du Richard Hancock.“

„Nein, das tue ich ganz bestimmt nicht“, entgegnete Katie scharf.

Tanisha drehte die Handflächen nach oben. „Na gut. Ich wollte nur ganz sicher sein. Kein Grund, sich aufzuregen.“

„Das verstehe ich nicht. Was hast du dagegen, wenn ich es mit Richard treibe?“

„Er ist einfach nicht das, was du im Moment brauchst.“

„Warum nicht?“, hakte sie nach. „Er ist witzig, flirtet gern und weiß sich zu amüsieren.“

„Eben. Ihr seid euch zu ähnlich.“

„Und was ist daran so schlimm?“

„Na komm, sei ehrlich. Magst du Richard überhaupt?“

Katie zuckte die Schultern. „Sicher.“

„Also, was gefällt dir an ihm?“ Tanisha hob den Zeigefinger. „Es darf aber nichts Körperliches sein.“

„Er ist … er ist …“

Warum fiel ihr nichts ein, was sie an Richard mochte, außer seine dichten blonden Haare, sein strahlendes Lächeln, das eine Reihe blitzeweißer Zähne offenbarte, und die kräftigen gebräunten Hände? Er war nicht übermäßig intelligent oder wahnsinnig zuverlässig. Aber sie hatte ja auch nicht vor, ihn zu heiraten.

„Dir fällt nichts ein, stimmt’s?“

„Er ist witzig.“

„Nein, du bist die Witzige von euch beiden. Er lacht über deine Witze.“

Ups. Tanisha hatte recht, aber Katie wollte es nicht zugeben. „Schön, dann ist es das, was ich an ihm mag. Er gibt mir das Gefühl, komisch zu sein.“

„Komisch im Sinne von lustig oder seltsam?“ Tanisha ließ einfach nicht locker.

„Warum machst du es mir so schwer? Worauf willst du hinaus?“

Tanisha atmete tief ein. „Lassen wir das Thema. Wir haben beide vor dem Wochenende noch eine Menge Arbeit zu erledigen.“

„Nein, ehrlich, ich will es wissen.“

„Bist du sicher?“ Tanisha hob eine Augenbraue. „Versprichst du mir, nicht böse zu sein?“

„Wie kommst du darauf? Ich werde nicht so leicht wütend.“

„Früher jedenfalls nicht“, bemerkte Tanisha.

„Und jetzt ja?“

„Nun, manchmal irgendwie schon, und zwar genau seit dem Tod deiner Mutter.“

Katie war verblüfft. So etwas von Brooke zu hören war eine Sache. Als älteste Schwester betrachtete es Brooke als ihre Pflicht, Katie zu beobachten und ihr Verhalten zu maßregeln, aber es von ihrer Freundin zu hören war etwas komplett anderes.

„Ist schon gut“, sagte Tanisha. „Jeder versteht das. Du hast eine Menge durchgemacht. Aber anstatt dich mit vergnügungssüchtigen Kerlen wie Richard herumzutreiben, könntest du überprüfen, ob du nicht einen Punkt im Leben erreicht hast, wo du auf die andere Seite des Zauns schauen solltest. Vielleicht wird es Zeit für dich, dir einen solideren Partner zu suchen.“

„Das verstehe ich nicht. Wo hast du denn diese Weisheiten her? Du feierst und flirtest doch genauso gern wie ich.“

„Ja, aber seit ich mit Dwayne zusammen bin, sehe ich die Dinge etwas anders.“

„Sag mir nicht, dass das zwischen dir und Dwayne etwas Ernstes ist. Du kennst ihn doch erst seit – wie lange? – einem Monat? Und er lebt in Denver. Es ist leicht, eine gute Beziehung zu haben, wenn man sich kaum sieht.“

„Wir reden hier nicht über mich und Dwayne. Wir reden über dich, und ich glaube, du durchlebst gerade eine Phase der Rebellion, als wärst du der Pubertät noch nicht entwachsen. Tief in deinem Innern bist du viel angepasster, aber du möchtest nicht, dass es jemand merkt.“

„Was?“

„Wenn du feiern, flirten und jede Menge belanglosen Sex haben willst – bitte schön. Entschuldige dich nicht dafür. Aber wenn du dich nur so aufführst, um dir selbst zu beweisen, dass du nicht wie der Rest deiner Familie bist, dann solltest du vielleicht noch mal darüber nachdenken, welcher Lebensstil dich wirklich glücklich macht.“

„Das ist doch lächerlich.“

„Ist es das?“

„Winfield“, dröhnte plötzlich eine barsche Stimme durch den Raum.

Sofort drehte sich Katie mit ihrem Stuhl um und sah ihren Chef Max Kruger in der Tür stehen. Über seinen buschigen Augenbrauen klebte ein immerwährendes Stirnrunzeln. Max war um die fünfzig, hatte einen altmodischen Bürstenschnitt und trug mit Vorliebe Kakihosen und gestärkte weiße Hemden. Er sah aus wie ein Baseballtrainer und benahm sich seinen Angestellten gegenüber auf leutselige Art mürrisch.

„Ja, Mr. Kruger?“

Max schritt mit einem Aktenordner in der Hand in ihr Büro.

„Sie müssen heute Abend länger bleiben.“

„Aber es ist der Freitag vor einem Feiertag“, sagte Katie, deren Verführungspläne sich in Rauch aufzulösen drohten. Sie hatte sich doch so fest vorgenommen, Richards kräftigen Arm um ihre Taille zu spüren, seinen Duft einzuatmen und sich selbstvergessen einem Orgasmus hinzugeben.

„Nun?“

„Ich habe schon etwas vor.“

„Mögen Sie Ihren Job, Winfield?“

„Ja, Sir.“

Max nötigte ihr mitleidslos den Ordner auf. „Dann werden Sie Überstunden machen. Kringle’s Krackers gefällt die Hintergrundfarbe des Logos nicht. Sie erwarten etwas mehr urbanen Schick.“

„Für überteuertes Salzgebäck?“

„Das wollen die Kunden nun mal.“ Er zögerte, bevor er die wirklich schlechte Neuigkeit hinterherschickte. „Außerdem müssen Sie sich bis Dienstag ein neues Verkaufsdisplay ausdenken. Der Kunde braucht es sofort für eine besondere Werbeaktion, die er plant.“ Max drehte sich um und stolzierte aus dem Raum.

Katie stöhnte und drehte ihren Stuhl wieder zurück. Verwünschungen murmelnd griff sie nach dem Kringle’s-Krackers-Ordner.

„Vielleicht solltest du das als ein Zeichen sehen“, sagte Tanisha.

„Wie meinst du das?“

„Es soll einfach nicht passieren. Du sollst nicht zum Ladys-League-Maskenball gehen und Richard Hancock verführen.“

Ein Vorschlag, der es wert war, sich ihn ganz kurz durch den Kopf gehen zu lassen. „Ich könnte es als Zeichen sehen“, stimmte Katie zu. „Oder ich könnte die Herausforderung annehmen und testen, wie schnell ich das Projekt bearbeiten und mich aus dem Staub machen kann.“

Tanisha gab es auf. „Das muss man dir lassen, Katie. Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, dann lässt du dich nicht mehr davon abbringen.“

„Nee.“ Katie grinste. „Ich betreibe nur ganz gezielt Selbstsabotage.“

Der erdige Geruch des nahenden Herbstes hing schwer in der Abendluft. Katie hetzte aus dem Büro, das in einem älteren Teil Bostons nicht weit von der Innenstadt zwischen anderen malerischen Häusern lag. In den Siebzigern war die Gegend zum Gewerbegebiet ernannt worden. Die meisten Familien waren weggezogen und hatten ihre Häuser in Bürogebäude umbauen lassen. In den renovierten Häusern herrschte ein angenehmes, heimeliges Arbeitsklima, aber Parkplätze mussten separat dazugemietet werden, und der nächstgelegene Parkplatz lag drei Häuserblocks entfernt.

Es war fast neun Uhr, und der Maskenball würde bereits in vollem Gange sein. Die Straßenlampen leuchteten diffus in dem verträumten Nebel, der sich vom Hafen her ausbreitete. Katie eilte die Straße hinunter, die Arme mit den Päckchen beladen, die sie in der Mittagspause gekauft hatte.

Ihre hohen Absätze klackerten auf dem Gehweg. Unter dem leichten Herbstmantel trug sie das französische Stubenmädchenkostüm. Sie hatte sich schon im Büro umgezogen, um keine Zeit zu verlieren. Sie fühlte sich in ihrem Outfit entschieden unartig, was sie noch unruhiger und entschlossener machte.

Egal was passierte, sie würde Richard Hancock verführen.

Trotz ihrer Nervosität fühlte sie sich aber auch heldenhaft, als sie allein in ihrer Verkleidung durch die Straßen ging. Sie atmete tief durch, um sich Mut zu machen. Wie würde Richard ihr Aufzug gefallen? Sie hatte ihm nicht verraten, als was sie sich verkleiden würde, denn sie hatte sich ganz spontan für das Stubenmädchenkostüm entschieden. Richard hatte jedoch versprochen, sich als Jack Sparrow aus Fluch der Karibik zu verkleiden, mit allem Drum und Dran, inklusive Johnny Depps Piratenperücke. Gefangene eines Piraten – das war ihre erotische Lieblingsfantasie.

Katie konnte es kaum erwarten. Das Jagdfieber ließ ihren Puls schneller schlagen.

Sie eilte an der Tierhandlung vorbei, die erst letzte Woche eröffnet worden war. Dämmriges Licht fiel aus dem Gebäude, und als sie sich gerade abwenden wollte, um vom Gehweg auf die Straße zu treten, da sah sie ihn.

Ihr Herz hämmerte, und ihr Atem stockte. Ihr Blick traf seinen, und sie war verloren.

Der Welpe, ein honigfarbener Cockerspaniel, saß im Schaufenster in einem Käfig und starrte sie aus großen, treuen braunen Augen an.

„Oh.“ Sie atmete durch, änderte die Richtung und trat ans Schaufenster. „Oh, bist du aber süß.“

Der arme kleine Kerl wedelte wie verrückt mit dem Schwanz, als Katie so vor ihm stand – getrennt durch eine dicke Scheibe.

Augenblicklich verliebte sich Katie in ihn, und im selben Moment ging ihr das Lied How Much Is That Doggy In The Window? durch den Kopf.

Du und ein Hund? Ha!

Was für ein lächerlicher Gedanke. Sie lebte in einer Eigentumswohnung und war fast nie daheim. Außerdem hatte sie noch nie ein Haustier besessen, obwohl sie sich immer eins gewünscht hatte. Sie erinnerte sich, wie sie als Kind um ein Hündchen gebettelt hatte, aber ihre Eltern hatten gemeint, sie wäre nicht verantwortungsbewusst genug. Sie konnte ja nicht mal ihr Zimmer sauber halten, wie sollten sie ihr da ein Tier anvertrauen, das gefüttert und Gassi geführt werden musste?

Katie flehte ihre Mom und ihren Dad an. Doch die sträubten sich. Sie machte die wildesten Versprechungen. Die Eltern blieben fest. Schließlich fand sie einen Streuner und fütterte ihn mit Käsewindbeuteln, damit er ihr nach Hause folgte. Eine schlechte Idee, denn das Kindermädchen rief umgehend im Tierheim an.

Schließlich gab ihr Vater nach, als er merkte, wie entschlossen seine Tochter war. Er sagte ihr, wenn sie beweisen könnte, dass sie verantwortungsbewusst genug war, sich um ein Tier zu kümmern, dann würde sie eins bekommen. Sein Test bestand darin, dass Katie sich um ein Ei kümmern musste, als wäre es ein Welpe.

Sie musste das Ei überallhin mitnehmen und durfte es nirgendwo vergessen. Auf das Ei aufzupassen war für eine Achtjährige sehr schwer, aber nach zwei Wochen, in denen sie alles richtig gemacht hatte, suchte sie sich bereits einen Namen für ihr Hündchen aus.

Dann, am letzten Tag, lief Katie ihrem Vater mit dem Ei in der Hand entgegen, um ihn an der Haustür zu begrüßen. Vor lauter Aufregung stolperte sie und fiel hin. Das Eidotter spritzte quer über den Boden des Eingangsbereichs.

Ein fürchterlicher Moment, die kleine Katie war untröstlich. Ihre Eltern hatten recht. Sie war nicht verantwortungsbewusst genug, um einen Hund zu bekommen.

Glücklicherweise machte ihr strenger, aber liebevoller Vater ihr aus dem Unfall mit dem Ei keinen Vorwurf. Er nahm sie zur nächsten Tierhandlung mit, wo sie sich ein Hündchen aussuchen durfte.

Sie entschied sich für einen Wildfang von einem Cockerspaniel, genau wie dieser hier. Das gleiche honigfarbene Fell, die gleichen schokoladenbraunen Augen. Sie nannte ihn Duke. Es war der glücklichste Tag ihres Lebens.

Doch sobald sie Duke nach Hause brachten, fing Brooke zu niesen an. Ihre Schwester nieste das ganze Wochenende, ihre Augen schwollen an, und ihre Nase lief. Daisy brachte Brooke am nächsten Tag zum Arzt und kam mit der Diagnose zurück, dass Brooke gegen Hunde stark allergisch war.

Katie musste Duke wieder fortgeben. Selbst jetzt, sechzehn Jahre später, fühlte es sich wie ein Schlag in die Magengrube an, wenn sie daran dachte.

„Hey, kleiner Bursche“, lockte sie und ging in die Knie, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. Dann legte sie die Handfläche ans Schaufenster, und das Hündchen versuchte sofort, ihre Finger abzuschlecken. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denn seine rosafarbene Zunge schlabberte dabei nur über das Glas.

Aus Erfahrung wusste sie, dass sein Fell sich so weich wie Puppenhaare anfühlen würde, wenn sie ihn hochnehmen könnte, und dass er ihr Gesicht ablecken würde, bis sie vor Lachen am Boden saß, wo er ihr Ohr beknabbern würde.

Bei dieser Vorstellung verkrampfte sich sofort ihr Magen, und die unterschiedlichsten Gefühle überwältigten sie – Zärtlichkeit, Bedauern und unterschwelliger Ärger über Brookes Allergie, die ihr die Freude daran zunichtegemacht hatte, einen Hund zu besitzen. Es war vielleicht kleinlich, aber so empfand sie nun mal.

Jetzt könntest du ein Hündchen haben.

Nein, es war zu spät, die Kindheit nachzuholen. In ihrem geschäftigen Leben war kein Platz für einen Hund. Eines Tages vielleicht, aber nicht jetzt.

„Ich muss gehen“, flüsterte sie, erhob sich und winkte zum Abschied. „Eine Feier erwartet mich, auf der ich einen hinreißenden Mann verführen muss.“

Der Welpe winselte, und sein Schwanzwedeln wurde langsamer. Der Kleine spürte, dass sie dabei war, ihn zu verlassen.

„Es ist wirklich besser so. Du wärst in meiner Wohnung nicht glücklich. Du wärst den ganzen Tag allein eingesperrt. Es wäre dir gegenüber nicht fair. Ich will nur das Beste für dich.“

Es zerriss ihr fast das Herz, als sie sah, wie der Cockerspaniel sie mit seinen großen Augen anschmachtete.

Das war ja wohl albern. Was war mit ihr los? Wegen eines Hündchens so rührselig zu werden! Er war zweifellos anbetungswürdig, jemand anders würde ihn kaufen. Es gab keinen Grund für sie, sich schuldig zu fühlen.

Aber irgendwie tat sie es trotzdem.

Sie musste dieses Gefühl unbedingt abschütteln, ebenso die Traurigkeit, die auf ihr lastete. Sie musste aufhören, an ihre Mutter zu denken und an Duke, den Welpen, der ihr nur ein Wochenende lang gehört hatte. Sie durfte auch nicht mehr daran denken, wie unheimlich genau Tanisha sie durchschaut hatte.

Spaß.

Das war es, was sie brauchte. Einen starken Drink, laute Musik, einen Raum voller Menschen in farbenfrohen Kostümen.

Und einen Mann, den sie verführen konnte und der sie am nächsten Morgen nicht so ansehen würde, wie dieser Welpe es jetzt tat.

Mit gesenktem Kopf eilte sie davon, flüchtete vor den Dämonen, mit denen sie sich nicht anlegen wollte. Sie würde zu dem Ball gehen, und nichts und niemand würde sie daran hindern, dort den Piraten zu vernaschen.

2. KAPITEL

In Liam James’ Leben drehte sich alles um seine Arbeit. Nichts war ihm so wichtig wie seine Immobilienfirma. Er hatte sie selbst aufgebaut und jetzt, mit nur einunddreißig Jahren, leitete er ein Multimillionen-Dollar-Imperium.

Er liebte die Arbeit und den damit verbundenen Stress, weil es sich anschließend so gut anfühlte, eine Krise bewältigt zu haben. Wenn er keine Probleme hatte, fühlte er sich unwohl, weil er ständig damit rechnete, dass etwas passierte. Das warf ihn regelmäßig aus der Bahn und machte ihn ziemlich nervös.

Autor

Lori Wilde

Lori Wilde wollte schon immer Autorin werden. Sie machte eine Ausbildung zur Krankenschwester und konnte in dieser Zeit auch nebenbei ihrer Leidenschaft zu schreiben nachgehen. Ihr erstes Buch hat sie 1994 veröffentlicht.

Sie arbeitete 20 Jahre als Krankenschwester, doch ihre große Liebe ist die Schriftstellerei. Lori Wilde liebt das Abenteuer....

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