Bruchlandung auf Love Island

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Italienische Lederslipper, hundert Dollar-Haarschnitt, arrogant: Die Pilotin Sophia Cruz findet ihren Passagier nicht übermäßig sympathisch. Doch ihre Bruchlandung auf einer kleinen Insel ändert alles: Gibb ist barfuß, sein Haar ist zerzaust. Und arrogant? Nicht nach einer heißen Nacht …


  • Erscheinungstag 02.06.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514781
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der verrückte Amerikaner trägt trotz des schwülen Sommerwetters noch immer einen Designeranzug? Sophia Cruz lag in der Hängematte und schaute hinüber zur exklusiven Ferienanlage Bosque de Los Dioses in Costa Rica. Das in der vulkanischen Bergkette Cordillera de Tilarán gelegene und nur durch ein Buschflugzeug erreichbare Resort war vierzig Kilometer vom nächsten Dorf, Monteverde, entfernt. Bosque de Los Dioses war der streng geheime Zufluchtsort, an dem sich die Reichen, Berühmten und Einflussreichen erholten.

Sophia dagegen war in Monteverde geboren und aufgewachsen und fühlte sich in den Bergen zu Hause. Im Lauf der Jahre hatte sie viele Fremde kommen und gehen sehen – aber noch nie jemanden, der so gestresst wirkte wie der blonde Mann im grauen Armani-Anzug aus Seide.

Seit zwei Wochen hielt er sich im Resort auf. Doch sie hatte ihn nicht ein einziges Mal in Jeans oder Shorts, in Sandalen oder auch nur in einem kurzärmeligen Hemd zu Gesicht bekommen. Er befand sich in einem tropischen Paradies und trug immer einen Anzug, eine Krawatte und teure Lederschuhe. Warum? Die Frage faszinierte sie. Der Mann faszinierte sie.

Sie schob den Cowboyhut aus Stroh etwas tiefer ins Gesicht. Das Hutband hatte sie mit einer violetten Orchideenblüte geschmückt, die sie von einer Pflanze in der Nähe gezupft hatte. Dann rückte sie die rosarote herzförmige Sonnenbrille zurecht, um den gut aussehenden Mann durch die getönten Gläser besser mustern zu können.

Mit dem Handy am Ohr ging er auf der Veranda des von Ron-Ron- und Palasabäumen umsäumten, luxuriösen Baumhausbungalows auf und ab. Das massive Platingliederarmband an seinem Handgelenk reflektierte das Sonnenlicht. Das Armband war wie der Rest von ihm: Glatt und edel, aber unter der glänzenden Fassade unbestreitbar maskulin. Zweifellos war er ein wohlhabender Geschäftsmann – unverfroren, anspruchsvoll und ständig in Bewegung. Wer sonst hätte es so eilig, zum selben Ort wie jeder andere auch zu kommen?

„Egal, woher man stammt – letztendlich landet man auf dem Friedhof“, sagte ihr Vater oft. „Da kann man sich genauso gut auf dem Weg dorthin Zeit lassen und die Aussicht genießen.“

Das entsprach der Lebensart der Costa Ricaner: Ruhe zu bewahren und dankbar für das zu sein, was man hatte. Aber vielleicht war es auch einfacher, die Dinge philosophisch zu sehen, wenn man von so viel Schönheit umgeben war wie die Menschen hier.

Und die Aussicht, die sich Sophia im Moment bot, war so lecker wie das traditionelle Mittagsgericht El casado mit Bohnen, Reis, gebratenen Kochbananen, Salat und Fleisch. El casado bedeutete so viel wie „der Verheiratete“. Das Gericht hieß so, weil Ehefrauen es ihren Ehemännern eingepackt in eine braune Papiertüte zur Arbeit mitgaben.

Der Mann auf der Veranda wirkte allerdings absolut nicht wie ein aufmerksamer Ehegatte. Sophia lachte leise bei dem Gedanken, dass er mit einer braunen Papiertüte unterwegs wäre. Im Sonnenschein glänzten seine blonden Haare. Der Kurzhaarschnitt schmeichelte seinem Gesicht, das vielleicht zu hübsch gewesen wäre, wenn er keine gebrochene Nase hätte. Sophia musste zugeben, dass sie eine Schwäche für blonde Männer hatte. Vermutlich, weil sie unter dunkelhaarigen groß geworden war.

Laut der Kreditkarte, mit der er seinen Flug bezahlt hatte, hieß der Blondschopf Gibb Martin. Er war etwa 1,82 m groß, schlank, athletisch und bewegte sich geschmeidig wie ein Jaguar. Er schien seine übermäßig männliche Energie kaum zügeln zu können. Als sie sich vorstellte, über seine Bizeps zu streichen, prickelte ihre Handfläche. Im Moment konnte er sie von dort drüben nicht sehen. Aber sie wusste, dass er graue Augen und einen durchdringenden Blick hatte. Sie hatte das Gefühl gehabt, er könnte ihr bis in die Seele sehen, als er ihr in die Augen geschaut hatte.

Sophia erschauerte, als sie sich an den Tag erinnerte, an dem sie ihn vom Libera Airport hierhergeflogen hatte. Er hatte sich für den Flug bedankt, ihre Hand geschüttelt und sie einen Moment länger festgehalten, als es angemessen gewesen wäre. Ihr Herz hatte einen Schlag ausgesetzt. Sie hatte das Gefühl gehabt, es wäre ein Wendepunkt in ihrem Leben. Aber vielleicht hatte sie sich das alles auch nur eingebildet.

Denn damals war Gibb Martin von einer Frau begleitet worden. Eine groß gewachsene, dünne Blondine mit Schmollmund, raspelkurzen Haaren und sehr großen Brüsten. Sophia dagegen war klein gewachsen, hatte Rundungen und Kurven, schwarze, taillenlange Haare und eine eher bescheidene Oberweite. Als Teenager hatten ihre Brüder sie deswegen geneckt. Zum Glück hatte sie seitdem noch eine Körbchengröße zugelegt.

Die Blondine hatte keinen glücklichen Eindruck vermittelt und sich ständig beschwert. Über das kleine Flugzeug, die Schwüle und darüber, dass die Kekse und Cracker, die Sophia für Gäste an Bord hatte, nicht glutenfrei waren. Aber schließlich hatte ihr die Frau sogar leidgetan. Denn der Amerikaner hatte während des gesamten Fluges kaum von seinem Laptop aufgesehen.

Seitdem waren zwei Wochen vergangen und die Blondine schien immer noch nicht glücklich zu sein. Sie trat auf den Balkon und stützte die Hände in die Hüften. Ihr roter String-Bikini verhüllte nur das Nötigste. Verglichen mit einer Frau wie dieser kam sich Sophia in den abgeschnittenen Jeans und dem weißen bauchfreien Top wie eine plumpe Matrone vor.

„Gibby!“, rief die Blondine.

Er runzelte gereizt die Stirn und zeigte auf das Handy an seinem Ohr. Die unausgesprochene Botschaft lautete: Das ist ein wichtiger Anruf.

Arme Blondie. Er hat keine Zeit für seine großartige Freundin, dachte Sophia.

Die Frau blickte ihn finster an. „Wenn du nicht endlich aufhörst zu telefonieren und mich irgendwohin bringst, wo wir Spaß haben, fliege ich heute Abend nach Miami zurück.“

Der Mann hielt das Handy an seine Brust, ging zu ihr, flüsterte ihr etwas ins Ohr und tätschelte ihren Po. Die Blondine kicherte.

Sophia fühlte einen Stich. Eifersucht? Natürlich nicht. Warum sollte sie eifersüchtig auf ein umwerfend schönes Model mit Beinen bis zum Hals sein, die einen reichen, gut aussehenden Mann am Gängelband hatte? Einen Mann, der seine Freundin meistens ignorierte? Damit gäbe sie sich nie zufrieden. Sie verlangte brennende Leidenschaft.

Besänftigt streckte die Blondine ihre Hand aus. Er zückte seine Brieftasche und gab ihr seine ‚schwarze‘ Kreditkarte ohne Verfügungsrahmen. Die Frau küsste ihn auf die Wange.

Sophia schnaubte. Er kauft sich von ihr frei. Wie könnte sie darauf eifersüchtig sein? Seit seiner Ankunft telefonierte Gibb Martin oder befand sich in Meetings mit anderen Geschäftsmännern, die Sophia hierhergeflogen hatte. Währenddessen hatte die Blondine ihre Zeit im luxuriösen Spa des Resorts verbracht.

Ihre älteste Schwester Josie war als Masseurin im Spa tätig. Wie alle anderen Mitarbeiter des Resorts hatte sie eine Vereinbarung unterschreiben müssen, die Geheimhaltung garantierte. Die Mitarbeiter durften sich nur miteinander über die Gäste unterhalten – und selbst dann mussten sie sicherstellen, dass niemand ihre Gespräche mithörte.

Einige Minuten später kam Josie mit einer braunen Papiertüte zum Mittagessen aus dem Personaleingang. „Hola.“

„Was gibt’s Neues?“ Obwohl sie in einem zweisprachigen Haushalt groß geworden waren, bevorzugte Josie Spanisch. Sophia dagegen fielen zuerst die englischen Begriffe ein. Wahrscheinlich weil sie ein Jahr lang, nachdem ihre Mutter gestorben war, bei ihrer Tante in Kalifornien gewohnt hatte. So jung wie sie damals gewesen war, hatte sie keine Probleme gehabt, sich der fremden Kultur anzupassen.

„Nichts.“ Sie setzte sich auf die Zementbank neben den leeren Hängematten, die für die Gäste an den Bäumen befestigt worden waren. Um diese Tageszeit machten fast alle Touristen Ausflüge in die Umgebung. „Was machst du hier?“

„Ich warte. Um zwei Uhr fliege ich Gäste nach Libera.“

„Wie hält sich El Diablo? Dieses Flugzeug ist so alt wie ich.“ Josie war einundvierzig Jahre alt – vierzehn Jahre älter als Sophia. Mehr als ihr halbes Leben lang war sie mit Jorge verheiratet. Seit der Highschool waren die beiden schon zusammen. Mit ihm hatte sie zwei Kinder im Teenageralter.

„Das Flugzeug ist perfekt in Schuss.“ El Diablo, eine 1971 Piper Cherokee 180F, hatte sie von ihrem Vater geerbt, als er vor zwei Jahren in den Ruhestand gegangen war. Sophia hatte als Einziges von sieben Kindern Interesse am Fliegen gezeigt. Ihre Geschwister hatten sie nicht um das Buschflugzeug beneidet, denn sie betrachteten es als Last und nicht als Segen.

Natürlich war El Diablo eine alte Klapperkiste. Aber sie liebte das Fliegen und verdiente ihren Lebensunterhalt damit, Touristen durch die Luft zu befördern. Gerade hatte sie die Ausbildung als Luftfahrzeugmechanikerin abgeschlossen. Also konnte sie selbst dafür sorgen, dass sich die Maschine in bestmöglichem Zustand befand.

Josie packte die mit Rindfleisch, Käse und Zwiebeln gefüllte Maismehltasche aus. „Du hast Poppy sehr stolz gemacht.“

Sophia warf erneut einen verstohlenen Blick auf den Bungalow, den Gibb Martin gemietet hatte. Blondie kam jetzt auf die Veranda, lehnte sich über das Geländer und winkte lächelnd zu ihnen herüber.

Josie winkte zurück und erwiderte das Lächeln.

„Kennst du sie?“

„Während der letzten zwei Wochen lag sie jeden Tag auf meiner Massageliege. Um zwei Uhr hat sie den nächsten Termin. Mit der Kreditkarte ihres Freundes spendiert sie immer reichlich Trinkgeld. Da winke ich ihr auch gerne zu, wenn ihr das gefällt.“

„Mir scheint sie ein wenig oberflächlich zu sein“, lästerte Sophia und hielt sich einen Moment später zerknirscht die Hand vor den Mund.

„Stacy ziert als Model die Titelblätter der Zeitschriften“, meinte Josie. „Was sonst erwartest du von ihr?“

„Etwas, das ein bisschen weniger dem Klischee entspricht?“

„Haben deine spitzen Bemerkungen irgendetwas mit der Tatsache zu tun, dass sie die Freundin dieses gut aussehenden amerikanischen Geschäftsmannes ist, den du ständig anstarrst?“

„Ich starre ihn nicht an“, antwortete Sophia, bevor sie einräumte: „Vielleicht ein wenig. Aber wie oft sieht man hier blonde Männer? Es geht nicht um ihn, sondern nur um seine Haare.“

„Aha.“

„Es ist so.“

Josie deutete mit dem Kopf auf einen kahlen Mann etwa Mitte Dreißig, der mit seinen Kumpeln auf der Fußgängerbrücke aus Seilen herumblödelte, die das Haupthaus mit den Bungalows verband. „Dann würdest du also diesen Mann anstarren, wenn er blonde Haare hätte?“

„Ja, sicher“, log Sophia.

Ihre Schwester schnaubte. „Übrigens starrt dieser Geschäftsmann auch dich an, wenn du nicht hinsiehst.“

„Ja?“ Sie war überrascht, dass ihre Stimme fast eine Oktave höher klang als sonst.

Josie nickte. „Und wie.“ Als Sophia den Kopf einzog und rot wurde, sah sie sie vielsagend an. „Läuft es nicht gut mit Emilio?“

„Was?“ Sophia war überrascht. „Nein. Emilio ist toll …“

„Aber er ist in San José und der gut aussehende große Blonde ist hier?“

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Das musstest du nicht.“

Josie täuscht sich. Ich bin nicht so flatterhaft. Oder?

„Sophia, mit mir kannst du reden. Was ist los?“

Sie zuckte die Schultern. „Nichts. Wirklich.“ Aber vor Josie hatte sie noch nie etwas verbergen können. „Zwischen Emilio und mit entwickelt sich eher eine solide Freundschaft als eine glühend heiße Liebesgeschichte“, gab sie schließlich zu. „Wir hatten in den letzten zwei Monaten fünf Verabredungen und haben noch nicht einmal miteinander geschlafen. Sollten wir uns nicht eigentlich nacheinander sehnen und verzehren, wenn wir getrennt sind?“

„Du erwartest zu viel. Emilio ist ein netter Mann und gibt bestimmt einen guten Ehemann und Vater ab.“

„Und das genügt?“

Lächelnd stand Josie auf. „Was gibt es sonst noch?“

„Zum Beispiel Leidenschaft.“

„Leidenschaft vergeht. Dann ist es Freundschaft, die zählt.“

„Das hört sich an, als wäre die Ehe furchtbar langweilig.“ Sophia gähnte.

„Überhaupt nicht. Im Laufe der Zeit wirst du begreifen, dass andere Dinge mehr wert sind als Leidenschaft.“

„Das mag für dich funktionieren, Josie. Aber ich will, dass es funkt. Ein Feuerwerk der Gefühle. Immer.“

„Du bist Mutter ähnlicher, als du glaubst. Diesen blauäugigen Idealismus hast du von ihr.“

„Wenn Mutter nicht an dauerhafte leidenschaftliche Liebe geglaubt hätte, wäre sie nicht in Costa Rica geblieben und hätte keine sieben Kinder bekommen“, erwiderte Sophia.

„Das ist wahr. Aber was hat sie nicht alles dafür aufgegeben.“

„Für die Liebe.“

„Das war nicht leicht für sie“, meinte Josie. „Sie musste in einem anderen Land von vorn beginnen, eine neue Sprache lernen, sich in einer fremden Kultur zurechtfinden.“

„Aber sie hat es getan, weil sie Poppy so sehr geliebt hat. Das ist es, was ich will. Jemanden, der mir die Sterne vom Himmel holt.“

„Du wirst nicht jünger, Sophia. Bald wirst du aus dem Alter heraus sein, in dem eine Frau am besten Kinder bekommt.“

„Na, vielen Dank dafür.“ Sie fegte die Orchideenblüte zur Seite, die von der Hutkrempe gerutscht war. „Ich habe noch nicht einmal entfernt daran gedacht, Kinder zu bekommen.“

„Ich weiß. Doch das solltest du“, sagte Josie. „Die biologische Uhr tickt.“

„Ich will noch ein bisschen meinen Spaß haben.“

„Babys machen Spaß – nur auf andere Art und Weise.“

„Wenn du das sagst.“

„Du liebst doch deine Nichten und Neffen.“

„Ja. Aber jetzt hör auf, mich für die Mutterschaft zu begeistern. Wenn ich den richtigen Mann finde – mit dem ich eine sehr leidenschaftliche Beziehung haben werde –, kommt der Rest von ganz allein.“ Sophia betrachtete wieder Gibb Martin, der auf der Veranda des Bungalows unentwegt auf und ab ging.

Josie neigte den Kopf zur Seite. „Der Amerikaner ist nicht der Richtige für dich.“

„Natürlich nicht. Das habe ich auch nie angenommen. Er schwimmt im Geld und spielt in einer anderen Liga. Aber sexuelle Fantasien darf eine Frau doch haben, oder?“

„Gib Emilio eine Chance. Bring ihn am Sonntag zum Abendessen mit.“

„Mal sehen.“

Josie richtete einen strengen Finger auf ihre jüngere Schwester. „Bring ihn einfach mit.“

Sophia verdrehte die Augen. Sie war erst zwölf Jahre alt gewesen, als ihre Mutter an Hirnhautentzündung gestorben war. Und als sie ein Jahr später aus Kalifornien kam, hatte ihre älteste Schwester die Mutterrolle übernommen. Manchmal konnte Josie ein bisschen übergriffig sein. „Geh zurück und massiere dem reichen Model den Rücken“, konterte Sophia.

„Ich liebe dich“, sagte Josie noch zuckersüß über die Schulter, als sie ins Spa zurückging.

Erneut warf Sophia einen Blick hinüber zum Bungalow. Blondie war verschwunden, aber der Amerikaner ging noch immer telefonierend auf und ab. Machte der Mann jemals nur einen Augenblick Pause, um Spaß zu haben?

Sie sah zum Himmel, um die Uhrzeit nach dem Stand der Sonne einzuschätzen. Sie trug nie eine Uhr. Wahrscheinlich war es halb zwei. Dann blieb ihr gerade noch genug Zeit, das Flugzeug aufzutanken und es vor dem Abflug durchzuchecken. Gähnend stieg sie aus der Hängematte und streckte sich. Mit jeder Bewegung rutschte ihr bauchfreies Top weiter nach oben.

Gibb Martin lehnte sich über das Verandageländer.

Er beobachtete sie! Sophia spürte ein Kribbeln im Bauch. Sie hatte das äußerst seltsame Gefühl, dass etwas Kolossales auf sie zukam. Mit seinen faszinierenden grauen Augen starrte er sie an. Zum Glück trug sie ihre Sonnenbrille. Als er den Mund langsam zu einem Lächeln verzog, war sie wie elektrisiert und unterdrückte ein selbstgefälliges Grinsen. Dem Model mochte er nicht viel Aufmerksamkeit schenken. Aber sie stand in seinem Fokus.

Sie tat so, als hätte sie nicht bemerkt, dass er sie beobachtete. Lässig nahm sie den Strohhut ab, legte den Kopf in den Nacken, fuhr mit den Fingern durch ihre langen Haare, zerzauste sie und biss sich auf die Unterlippe. Jetzt sah sie aus, als käme sie mit wundgeküssten Lippen geradewegs aus dem Bett. Als sie dann zum Flugzeug ging, wiegte sie sich bei jedem Schritt in den Hüften. War es sein heißer Blick, den sie auf den Schultern spürte?

Beiläufig drehte sich Sophia um und sah zur Veranda. Dort war niemand. Sie wurde rot, als ihr klar wurde, dass sie völlig umsonst herumstolziert war. Idiotin!

Aber das spielte keine Rolle. Es handelte sich ja nicht einmal um einen Flirt. Bislang hatte es nur einige verstohlene Blicke und ein Händeschütteln gegeben, das ein wenig zu lange gedauert hatte. Mehr nicht.

Aber eines lernte sie daraus: Wenn ein gut aussehender Fremder, der mit einem Model liiert war, erotische Fantasien in ihr auslöste, funktionierte die Beziehung mit Emilio einfach nicht für sie. Mit einer Freundschaft wären sie besser bedient. Es war Zeit, ihm das zu sagen.

Sie hatte vorgehabt, nach der Arbeit nach San José zu fliegen, um mit Emilio zu grillen. Heute Morgen hatte sie den Proviant dafür in die Kühltasche gepackt. Doch sie verzichtete auf das Grillen und machte ihm stattdessen unmissverständlich klar, dass sie nicht mehr als eine Freundschaft wollte.

Vielleicht war es dumm, sich von einem guten Mann zu trennen, der bestimmt einen wunderbaren Ehemann abgab. Aber Sophia wusste instinktiv, dass es da draußen einen guten Mann gab, der ihre Liebe und Leidenschaft weckte. Und sie hörte nicht auf, nach ihm Ausschau zu halten, bis sie ihn gefunden hatte.

Durch die geöffneten Lamellen der Bambusjalousie betrachtete Gibb den aufreizenden Gang und den sexy Po der kleinen Buschpilotin. Er sollte nicht hinsehen. Schließlich war er in Begleitung von Stacy hier. Aber die heißblütige Costa Ricanerin hatte etwas an sich, das ihn vom ersten Moment an gefangen genommen hatte.

Außerdem hatte sich die Sache mit Stacy einfach überlebt. Die Liaison dauerte schon zwei Jahre und damit achtzehn Monate länger als er vorhergesehen hatte. Sie hatten beide gewusst, dass es sich nicht um eine Langzeitbeziehung handelte. Er hatte eine selbstsichere, schöne Frau als Begleiterin bei geschäftlichen Anlässen gebraucht und sie jemanden, der über ein unbegrenztes Spesenkonto verfügte.

Doch inzwischen gingen sie sich gegenseitig auf die Nerven. Stacy beklagte sich ständig darüber, dass er ein Workaholic wäre. Wie glaubte sie eigentlich, dass er ihre Einkaufsorgien finanzierte? Außerdem war er es leid, dass sie unentwegt um seine Aufmerksamkeit buhlte. Stacy nach Bosque de los Dioses mitzunehmen, war ein Fehler gewesen. Nicht nur, weil er mit der Pilotin flirten wollte.

Die überprüfte gerade eingehend das Flugzeug vor dem Abflug. Als sie sich reckte, um die Landeklappen zu checken, rutschte das weiße bauchfreie Top weiter nach oben und entblößte noch mehr von ihrer glatten gebräunten Haut. Der goldene Ring in ihrem Bauchnabel glitzerte im Sonnenlicht. Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr fast bis zum Ansatz ihres Pos.

Gibb schluckte. Sie hatte Rundungen und Kurven an genau den richtigen Stellen. Ihre Brüste, die sich unter dem Baumwollstoff des weißen Tops abzeichneten, hatten die Größe von perfekten reifen Pfirsichen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

Die am Saum ausgefransten Jeansshorts setzten ihre Beine in Szene. Den rosaroten Strohhut hatte sie auf den Hinterkopf geschoben. Die passende rosarote herzförmige Sonnenbrille saß ihr tief auf der kessen Nase. Die Frau schien eine Schwäche für diese Farbe zu haben. Schon auf dem Flug von Libera hatte sie nach köstlichen rosa Grapefruits geduftet – frisch, süß und herb.

Was trug sie unter der Jeansshorts? Rosafarbene Boxershorts? Einen rosaroten String? Oder überhaupt nichts? Ihm wurde heiß. Moment mal. Er mochte nicht der Typ sein, der sich dauerhaft festlegte. Aber wenn er in einer Beziehung war – ganz egal wie unverbindlich –, ließ er sich nicht mit anderen Frauen ein.

„Du bist ein Serienmonogamist“, hatte ihn sein bester Freund Scott Everly, Lieutenant bei der Küstenwache, oft geneckt. Das stimmte. Er verabredete sich immer mit nur jeweils einer Frau.

Als sein Handy klingelte, trat Gibb vom Fenster zurück und sah auf das Display. Wenn man vom Teufel spricht. Scott war seinen Anrufen in letzter Zeit ausgewichen. Gibb hatte sich gefragt, ob sein Kumpel sich sein Vorhaben, die Küstenwache zu verlassen, noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Er und Scott wollten geschäftlich zusammen in dieses geheime Umweltprojekt einsteigen, das die Art zu reisen revolutionieren wollte.

Deswegen war er in Cordillera de Tilarán. Das Planungsstadium war endlich abgeschlossen. Das Patent war angemeldet, aber noch nicht erteilt worden. Gibb vertraute allerdings da­rauf, dass es nur eine Frage der Zeit war. Der Erfinder traf nächste Woche hier ein. Jetzt musste ein Prototyp des bahnbrechenden Monorailsystems für die Strecke von achtundvierzig Kilometern zwischen Bosque de Los Dioses und Monteverde gebaut werden.

Das gerade hier zu tun, diente zwei Zielen. Erstens wäre Bosque de Los Dioses endlich durch ein anderes Transportmittel als nur durch das Buschflugzeug erreichbar. Zweitens schreckten der abgelegene Standort und die üppige Vegetation Industriespione ab, die ihn verfolgt hatten. Zweimal in den letzten zwei Jahren hatten ihm Spione von Fisby Corp Ideen für Projekte gestohlen, in die er investiert hatte, und die Produkte dann früher auf den Markt gebracht. Er würde nicht zulassen, dass so etwas wieder geschah.

An diesem Punkt kam Scott ins Spiel. Er war der Einzige, dem Gibb den dafür nötigen Sicherheitsdienst anvertraute. Seit zwei Jahren, als er erstmals in das Projekt investiert hatte, sprachen sie schon darüber, Geschäftspartner zu werden. Um loszulegen hatten sie nur noch auf das Ende von Scotts Dienstzeit bei der Küstenwache gewartet. Doch das Warten machte Gibb nervös. Je länger die Umsetzung des Projekts dauerte, desto wahrscheinlicher wurde es, dass jemand die Idee stahl, bevor das Patent erteilt war.

Gibb nahm den Anruf an. „Scott! Was hast du getrieben?“

„Ich habe mich verliebt“, antwortete Scott.

Gibb lachte. „Also, wann verabschiedest du dich von der Küstenwache? Und wann kannst du nach Costa Rica kommen? Ich brauche dich hier.“

„Ich meine es so. Ich habe mich in die tollste Frau auf der Welt verliebt. Sie ist klug und sexy und …“

Gibb schnaubte. „Hör auf, mich auf den Arm zu nehmen. Wir sind sofort einsatzfähig. Das nötige Material unter strengster Geheimhaltung hierherliefern zu lassen, war ein logistischer Albtraum, das muss ich dir sagen.“

„Du hörst mir nicht zu.“

„Aber sicher, Scott. Du bist heißverliebt. Gut. Großartig. Ich gratuliere. Wann kann ich dich hier erwarten?“

„Sie ist die Tochter des berühmten Meeresforschers Jack Birchard. Aber Jackie ist selbst eine sehr gute Meeresforscherin“, fuhr er einfach fort.

Gibb kratzte sich das Kinn. „Dir ist es ernst?“

„Ich bin bis über beide Ohren verliebt, Kumpel.“

Er versuchte, sich nicht zu beunruhigen. „Was hält Jackie davon, dass du zwei Jahre lang in Costa Rica leben wirst?“

„Ich bleibe bei der Küstenwache.“

„Komm schon, Scott. Wir reden seit einer Ewigkeit darüber. Ich kann das nicht ohne dich schaffen.“

„Sicher kannst du das.“

„In Ordnung. Aber ich will es nicht ohne dich durchziehen. Das Projekt kann uns zu Milliardären machen.“

„Du bist schon Milliardär, Gibb.“

„Nicht im Moment. Nicht nachdem ich so viel Geld in diese Technologie investiert habe.“

„Ach, dann bist du im Moment also nur ein Multimillionär? Wie überlebst du das?“

„Scott, ich kann nicht glauben, dass du mir das antust. Erinnerst du dich daran, wie wir schon als Kinder darüber geredet haben, eines Tages zusammenzuarbeiten? Aber du musstest ja zur Küstenwache gehen.“

„Und du solltest mit mir an Bord kommen, Gibb.“

„Ist es mein Fehler, dass ich seekrank werde?“ Etwas Besseres, als nicht zur Küstenwache zu gehen, hätte ihm nicht passieren können. Sonst hätte er nicht eine beliebte Spiele-App erfunden, die ihn zum Multimillionär gemacht hatte. Das hatte ihn dann in die Lage versetzt, Risikokapitalgeber zu werden, der in die Ideen anderer Leute investierte.

Er hatte das Talent, zukünftige Trends auszumachen, bevor sie sich in dicken Dividenden auszahlten. Das „Wealth Maker Magazine“ hatte ihn als charismatischen Vordenker bezeichnet. Leider hatte ihn das zur Zielscheibe für skrupellose Unternehmer gemacht, die seine Projekte ausspähen und ihm zuvorkommen wollten. Diese Leute zwangen ihn, anderen gegenüber noch verschlossener und misstrauischer zu werden, als er es ohnehin schon war. Scott war der einzige Mensch auf der Welt, dem er voll und ganz vertraute.

„Nein, Gibb. Genauso wenig ist es mein Fehler, dass ich mich verliebt habe.“

„Du lässt mich hängen?“

„Es tut mir leid. Aber ich habe mehr als das gefunden. Ich will nicht so wie du enden.“

„Was soll das denn heißen?“, fragte Gibb verletzt und wütend.

„Ich will nicht so von der Arbeit aufgefressen werden wie du.“

„Wenn ich nicht so viel gearbeitet hätte, wäre ich nicht da, wo ich heute bin.“

„Und wo bist du, Gibb?“

„An der verdammten Weltspitze.“

„Allein.“

„Ich bin nicht allein, Scott. Ich habe ein gefragtes Model als Freundin, meinen Bentley und mein Strandhaus und …“

„Ich heirate am Samstag, dem vierten Juli, um sechzehn Uhr in Key West an Bord der ‚Sea Anemone‘, Kai sechzehn. Ich hoffe, du bist dabei.“

Erst in diesem Moment begriff Gibb, wie sehr er sich darauf gefreut hatte, mit seinem Freund zusammenzuarbeiten und ihn an diesem Projekt zu beteiligen. Es war seine Art, sich dafür zu revanchieren, dass Scott ihm das Leben gerettet hatte.

Sein Kumpel trug das gleiche Platinarmband wie er. Gemeinsam hatten sie sich den Männerschmuck als Symbol ihrer unvergänglichen Freundschaft nach der verrückten Tauchexkursion am Great Barrier Reef gekauft, bei der Gibb von einem Stachelrochen in die Brust gestochen worden war. Nur Scotts schnelle Reaktion und seine Erste-Hilfe-Ausbildung hatten Gibb davor bewahrt, den Stachel herauszuziehen und zu sterben. Reflexhaft rieb er sich die Brust. „Diesen Samstag?“

„Diesen Samstag.“

„Aber es ist Mittwoch. Warum hast du es mir nicht früher gesagt?“

„Weil Jackie und ich uns gerade erst verlobt haben.“

„Was?“ Gibb war perplex. „Warum so schnell?“

„Wenn es stimmt, stimmt es. Wir können nicht länger warten, zusammen zu sein.“

„Also ist sie schwanger.“

„Nein, das ist sie nicht“, meinte Scott gereizt.

Autor

Lori Wilde

Lori Wilde wollte schon immer Autorin werden. Sie machte eine Ausbildung zur Krankenschwester und konnte in dieser Zeit auch nebenbei ihrer Leidenschaft zu schreiben nachgehen. Ihr erstes Buch hat sie 1994 veröffentlicht.

Sie arbeitete 20 Jahre als Krankenschwester, doch ihre große Liebe ist die Schriftstellerei. Lori Wilde liebt das Abenteuer....

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