Die Bräute von Penhally Bay - Teil 5-8 der Miniserie

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DIE PRINZESSIN AUS CORNWALL von KATE HARDY

Melinda könnte die Welt umarmen: Sie hat ihr Herz verschenkt. An Dr. Dragan Lovak – ihre große Liebe. Doch sie hat ein Geheimnis. Schon tausendmal hat sie sich vorgenommen, ihm alles über ihre Herkunft zu sagen. Und tausendmal hat sie der Mut verlassen. Jetzt ist es zu spät. Die Paparazzi haben sie gefunden und Dragan hat die Wahrheit schockiert aus den Schlagzeilen erfahren – Melindas Traum vom Glück scheint vorbei!

CORNWALL - IM HAFEN DER LIEBE von GILL SANDERSON

Ein rätselhaftes Virus auf dem Traumschiff! Der Notruf, den Dr. Ed Roberts von Schiffsschwester Maddy erhält, klingt sehr ernst. Vor der Küste Cornwalls, nahe Penhally Bay, geht Ed an Bord. Tag und Nacht arbeitet er mit Maddy Seite an Seite, um die Menschen auf dem Schiff zu retten, und er spürt, wie sehr er sich zu ihr hingezogen fühlt. Doch nur, wenn er es schafft, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen, kann er an eine Zukunft mit Maddy denken ...

WIE SPUREN IM SAND von MELANIE MILBURN

Ist Lachlan der Richtige für sie? Eloise hat das wilde Rauschen der Brandung in den Ohren, als er sie am Strand in seine Arme zieht und zärtlich küsst. Hier, an der Küste Cornwalls ist sie sich plötzlich ganz sicher: Lachlan ist der Mann ihres Lebens. Doch eigentlich soll die junge Gerichtsmedizinerin mit ihm gemeinsam einen mysteriösen Mordfall aufklären. Als dann die Ermittlungen auf einmal eine unerwartet persönliche Wende nehmen, bekommt Eloise dennoch Zweifel …

VERLIEBT IN DR. PLAYBOY von MARGARET MCDONAGH

Chloe liebt ihren Beruf und kümmert sich als Hebamme hingebungsvoll um ihre kleinen Patienten und deren Mütter. Doch sie ist sich sicher: Nie wird es ein Mann schaffen ihr Herz zu erobern. Schon gar nicht einer wie der attraktive Arzt Dr. Oliver Fawkner. Aber er scheint sich nur für sie zu interessieren und versichert ihr, dass er es ehrlich mit ihr meint. Kann sie ihm wirklich vertrauen? Schließlich ist er als herzensbrechender Playboy bekannt …


  • Erscheinungstag 18.04.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529389
  • Seitenanzahl 459
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

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IMPRESSUM

JULIA PRÄSENTIERT DR. ROBERTS erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Marina Grothues (Foto)

© 2008 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „The Doctor’s Royal Love-Child“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MEDICAL ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,
in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN, Band 28

Neuauflage by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,
in der Reihe: JULIA PRÄSENTIERT DR. ROBERTS, Band 5 – 2016
Übersetzung: Michaela Rabe

Abbildungen: dolgachov, acceleratorhams / Thinkstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733705282

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

„Sie auch hier, Dr. Lovak?“ Melinda schenkte ihm ein hinreißendes Lächeln, als er die Scheibe herunterließ. „Na, so ein Zufall!“

Nur dass es keiner war. Gleich nach der Vormittagssprechstunde hatte sie ihn angerufen, um ihre Hausbesuche mit seinen abzustimmen. Leider hatte sein erster Termin länger gedauert, sodass er erst beim Tierheim auftauchte, als sie schon wieder los musste.

Dragan zwinkerte ihr verwegen zu. „Vorsicht, Dr. Fortesque. Die Leute könnten anfangen zu reden.“

„Dann sage ich eben, ich wollte nur nach meiner Lieblingspatientin sehen. Was macht dein Bein, Bramble?“ Sie blickte über Dragans Schulter zu dem schwarzen Retriever, der im Fond des Wagens auf einer Decke lag.

Die Hündin wedelte mit dem Schwanz und bellte kurz.

„Hast du das gehört? Bramble sagt, sie gibt mir gern ein Alibi.“ Melinda beugte sich ins Wageninnere und küsste Dragan zärtlich auf die Lippen. „Aber wahrscheinlich ahnen die Leute längst etwas, amore mio . Weißt du, wie viele mir im letzten Monat erzählt haben, was für ein wundervoller Arzt du bist?“

„Komisch. Bei mir haben sie dich in den höchsten Tönen gelobt.“ Obwohl sie sich bemüht hatten, ihre Romanze vor der Öffentlichkeit zu verbergen, schien jeder zu ahnen, dass der Doktor und die Tierärztin ein Paar waren. Er stahl sich einen zweiten Kuss. „In kleinen Orten wie Penhally Bay bleibt nichts lange geheim.“

Dragan hätte schwören können, dass Furcht in ihren wunderschönen blauen Augen aufblitzte. Sicher bildete er sich das ein. Wovor sollte Melinda Angst haben? Sie hatte doch nichts zu verbergen. Vor Jahren war sie als Touristin nach England gekommen, hatte sich in das Land verliebt und beschlossen, hierzubleiben und Tiermedizin zu studieren.

Ähnlich wie er. Urlaub war allerdings das Letzte gewesen, woran er gedacht hatte, als er vor siebzehn Jahren das Schiff verließ. Doch das Land gefiel auch ihm auf Anhieb. Vor allem Cornwall mit seinen zerklüfteten Steilküsten, den feinen Sandstränden und dem milden Klima hatte es ihm angetan. Der raue Atlantik ließ sich zwar nicht mit der Adria vergleichen, aber das Rauschen der Wellen war tröstlich vertraut.

„Wollen wir zusammen Mittag essen?“

„Tut mir leid, ich bin spät dran. Ich kann meine Patienten nicht warten lassen.“

„Natürlich nicht.“ Liebevoll strich sie ihm über die Wange. „Dann koche ich uns heute Abend etwas Schönes. Bei dir.“

Dragan wandte den Kopf und küsste ihre Handfläche. „Ich kann es kaum erwarten. Aber du brauchst nicht für mich zu kochen, Melinda. Das schaffe ich auch allein.“

Melinda stemmte die Hände in die schmalen Hüften. „Dragan Lovak, du weißt genau, dass du nie kochst“, meinte sie tadelnd. „Du würdest dich von Brot, Käse, Aufschnitt und Salat ernähren – sogar mitten im Winter!“

„Na und? Essen muss nicht warm sein. Kalt erfüllt es auch seinen Zweck. Wie jeder Treibstoff.“

„Oh, es ist viel mehr als das. Du schluckst nicht einfach nur Kalorien wie ein Ferrari seine nächste Tankfüllung. Essen muss man genießen.“

Zugegeben, seit er Melinda kannte, wusste er köstliche Mahlzeiten wieder zu schätzen. Nicht nur, weil sie eine fantastische Köchin war, nein, mit ihrer Lust am Essen hatte sie ihm beigebracht, Geschmack wahrzunehmen und feine Aromen zu unterscheiden. Dinge, die er in den dunklen Tagen verdrängt und später einfach ignoriert hatte.

„Hast du heute Abend Rufbereitschaft?“, fragte er.

„Nein. Die andere Praxis ist dran. Und du?“

„Auch nicht.“

„Dann haben wir den ganzen Abend für uns. Bene .“ Ihre Augen leuchteten. „Ich fahre gleich nach der Sprechstunde zum Hofladen der Trevellyans und kaufe frisches Gemüse, ja?“

In letzter Zeit hatte sie mehr Nächte in seinem Cottage in der Fisherman’s Row verbracht als in ihrer eigenen Wohnung. Vielleicht sollte ich ihr einen Zweitschlüssel geben, dachte Dragan, und sie fragen, ob sie bei mir einziehen möchte …

Noch scheute er jedoch davor zurück. Seit seine Familie im Kroatienkrieg getötet worden war, hatte er niemanden an sich herangelassen. Er war höflich und freundlich, ein zuverlässiger Kollege, aber sein Privatleben teilte er mit niemandem.

Bis Melinda Fortesque in sein Leben trat. Mit ihrem strahlenden Lächeln hatte sie die Schutzmauer durchbrochen und war direkt in die Festung marschiert, die er um sein Herz herum errichtet hatte.

Einerseits sehnte er sich danach, sie zu fragen, ob sie mit ihm zusammenleben und eine Familie gründen wolle, doch die Angst war stärker. Was, wenn etwas schiefging? Wenn er Melinda verlor? Noch einmal könnte er den Verlust eines geliebten Menschen nicht ertragen.

Schaudernd vertrieb er die Gedanken.

„Dragan, ist dir kalt?“

An einem sonnigen Frühlingstag? Wohl kaum. „Nein. Ich …“ Er unterbrach sich. Falscher Ort, falscher Zeitpunkt. Über das Thema konnte er jetzt nicht sprechen. „Ich komme zu spät zum nächsten Termin“, sagte er stattdessen. „Bis nachher.“

„Okay. Ciao .“ Sie spitzte die Lippen und blies ihm einen Kuss zu. „Zlato.“

Er musste ein seltsames Gesicht gemacht haben, denn Melinda fing hell an zu lachen. „Du bist nicht der Einzige, der mehrere Sprachen spricht.“

Italienisch war ihre Muttersprache, und sie sprach fließend Französisch, Spanisch und Englisch, mit einem charmanten italienischen Akzent. Aber gerade eben hatte sie ihn in seiner Sprache Liebling genannt.

Auf Kroatisch.

Wie lange hatte er dieses Wort nicht mehr gehört?

„Dragan?“ Besorgt blickte sie ihn an. „Was ist? Habe ich es falsch ausgesprochen? Bedeutet es nicht das, was ich dachte? Habe ich dich beleidigt?“

„Nein.“ Das Lächeln fiel ihm unglaublich schwer. „Du hast es genau richtig ausgesprochen. Ich hatte es nur nicht erwartet, das ist alles.“ Und es hatte Erinnerungen geweckt, die er lieber unter Verschluss hielt.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe dir wehgetan. Ich sehe es deinen Augen an. Dragan, das wollte ich nicht …“

„Hey, das weiß ich doch.“ Er stieg aus dem Wagen und zog sie in die Arme. Als er die Wange an ihr seidiges goldblondes Haar schmiegte, stieg ihm Melindas lieblicher Duft in die Nase. „Es ist alles in Ordnung, piccola mia .“

„Ich habe im Internet nachgesehen, was amore mio auf Kroatisch heißt. Ich wollte … dir nur eine Freude machen.“

„Das hast du auch. Du bereitest mir immer Freude, jeden Tag.“ Dragan war kurz davor, ihr zu sagen, wie viel sie ihm bedeutete. Wie sehr er sie liebte. Aber wenn er diese Worte das erste Mal aussprach, dann sollte alles vollkommen sein. Er stellte sich vor, wie sie an der Steilküste standen, vor ihnen der unendliche Ozean, glitzernd im silbrigen Mondlicht. Oder vielleicht bei Sonnenaufgang, wenn die ersten Sonnenstrahlen die Landschaft in ein mildes, verheißungsvolles Licht tauchten. Das hätte noch mehr Symbolkraft – ein neuer Morgen, ein Neuanfang.

Über die Einzelheiten hatte Dragan sich noch keine Gedanken gemacht. Ein Parkplatz, umgeben von Hundezwingern war jedoch bestimmt nicht die richtige Kulisse, um Melinda seine Liebe zu gestehen.

Erst recht nicht, wenn er arbeiten musste. Und sie auch. Dragan ließ sie los. „Wir sehen uns später. Ich wünsche dir einen schönen Nachmittag.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn liebevoll. „Ich dir auch.“

Die Berührung ihrer warmen Lippen ließ ihn seine Vorsätze vergessen. Er schlang wieder die Arme um sie und vertiefte den Kuss. Ihr Duft hüllte ihn ein, und bald nahm er nichts anderes mehr wahr als ihren weichen, anschmiegsamen Körper.

Bis ein kurzes Räuspern den sinnlichen Zauber zerriss.

Dragan hob den Kopf und entdeckte Lizzie Chamberlain, die Besitzerin des Tierheims. „Entschuldige. Ich …“

Was sollte er sagen? Er hatte sich zu einem Hausbesuch bei Lizzies Mutter angekündigt, um mit ihr über den Bericht des Krankenhauses zu sprechen. Stattdessen stand er mitten auf dem Parkplatz und küsste die Tierärztin!

Lizzie schien nichts dagegen zu haben. „Ich freue mich, dass ihr beide so glücklich ausseht“, meinte sie lächelnd.

Melinda war knallrot geworden, und Dragan hatte das dumme Gefühl, dass er nicht viel besser aussah. Und ihm fiel immer noch keine Antwort ein.

Glücklicherweise schienen ihre Gehirnzellen etwas schneller zu funktionieren als seine.

„Grazie.“

„Wir haben es uns ja schon gedacht, dass ihr mehr seid als gute Freunde. Doch bisher habt ihr uns ganz schön im Dunkeln tappen lassen.“

Melinda verschränkte ihre Finger mit seinen. „Es ist noch ziemlich frisch“, sagte sie sanft. „Dragan und ich … wollten es ruhig angehen lassen.“

„Ohne dass die Gerüchteküche überkocht und euch die Leute fragen, wann für euch die Kirchenglocken von St. Marks läuten werden“, vermutete Lizzie trocken. „Kann ich verstehen.“

„Esattamente.“ Melinda lächelte erleichtert. „Danke, dass du es für dich behältst.“ Sie drückte kurz Dragans Hand. „Ich muss weiter. Ciao .“

„Was für ein nettes Mädchen.“ Lizzie sah dem Wagen nach. „Und eine brillante Tierärztin ist sie auch, deine Melinda. Ein richtiges Goldstück.“

Deine Melinda.

Die beiden Worte erfüllten ihn mit Wärme und einem zärtlichen Gefühl, das er für immer verschüttet geglaubt hatte. „Du würdest mir also nicht glauben, wenn ich dir sage, dass wir nur gute Freunde sind?“

„So wie du sie geküsst hast? Auf keinen Fall!“, neckte Lizzie ihn. „Außerdem hast du dich verändert. Seit sie in Penhally Bay ist, sieht man dich viel öfter lächeln.“

Er hob die Brauen. „Ich heiße Dragan, nicht Drache.“

Lizzie lachte. „Natürlich nicht, aber meine Mutter sagt immer, du seist viel zu ernst.“

„Wenn ich mir eine Harley zulegen oder einen Maserati fahren würde wie Marco, mir die Ohrläppchen piercen ließe und die neueste Markenkleidung trüge, würden alle sagen, ich hätte eine Midlife-Crisis.“

„Oh, ich schätze, wenn du auf einer schweren Maschine durch Penhally Bay braust, werden dich sämtliche Teenies anhimmeln.“

Was für eine Vorstellung! Dragan musste lachen. „Spar dir die Schmeicheleien. Ich bin fünfunddreißig, viel zu alt!“ Er wurde wieder ernst. „Bevor ich mir Stella ansehe – wie geht es ihr, Lizzie?“

„Unterschiedlich. An manchen Tagen ist sie hellwach und an allem interessiert, was um sie herum vorgeht. An anderen braucht sie eine Stunde, bis sie angezogen ist, schafft nicht einmal den Weg vom Wohnzimmer in die Küche, und wenn sie etwas sagt, verstehen wir sie kaum.“

Dragan nickte. „Ich habe gestern den Untersuchungsbericht bekommen. Stella wird in ihrer Beweglichkeit bald noch mehr eingeschränkt sein, und ihre Pflegebedürftigkeit wird zunehmen.“

Lizzie wirkte besorgt. „Ich will sie nicht in ein Heim geben. Sie ist meine Mutter; ich kümmere mich um sie.“

„Niemand sagt, dass sie in ein Heim muss“, antwortete er behutsam. „Aber der Psychologe schrieb etwas von Stimmungsschwankungen. Du weißt, dass Depressionen bei Parkinson normal sind?“

„Aber sie wird doch nicht verrückt, oder?“

„Nein. Allerdings müssen wir bei ihr mit zunehmenden Wahrnehmungsstörungen rechnen. Für dich wäre das eine zusätzliche Belastung.“

„Das schaffe ich schon.“

Ihr Lächeln wirkte ein bisschen zu tapfer, wie er fand. „Und wenn sie einen Vormittag die Woche in die Tagespflege geht? Stella würde neue Freunde finden, ein bisschen Spaß haben, und du könntest einmal Luft holen. Ein paar Stunden, in denen du dich nicht um deine Mutter sorgen musst.“

„Mach dir um mich keine Gedanken.“

„Lizzie, du führst das Tierheim allein, du ziehst Tina allein groß, deine Mutter braucht dich von morgens bis abends. Es lastet ziemlich viel auf deinen Schultern.“

„Ich komme klar.“

„Ich weiß, dass du hart arbeiten kannst, und ich will dich zu nichts drängen, aber es gibt Möglichkeiten, dich zu entlasten.“ Er drückte ihr die Schulter. „Sei nicht zu stolz.“

„Bringst du Bramble mit rein? Meine Mutter würde sich freuen.“

Themawechsel. Dragan verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und nickte nur, bevor er zu seinem Wagen ging.

„Komm.“ Er öffnete die Heckklappe und hob die Hündin heraus. Vielleicht war er übervorsichtig, aber das Bein heilte nur langsam, und er wollte kein Risiko eingehen. Kurz vor Weihnachten hatten Melinda und er das verängstigte Tier mit einem gebrochenen Bein am Straßenrand gefunden. Sie hatte Melinda sogar gebissen, was diese jedoch nicht davon abgehalten hatte, sich ihrer liebevoll anzunehmen.

Bramble wurde von Stella überschwänglich begrüßt. Dragan erkannte jedoch auf den ersten Blick, dass heute einer ihrer schlechten Tage war. Sie kam kaum aus dem Sessel hoch und sprach stellenweise sehr undeutlich. Dennoch hörte sie aufmerksam zu, was er ihr über den Untersuchungsbericht und die neuen Medikamente erzählte. Die Tagespflege wies sie allerdings, genau wie ihre Tochter, vehement von sich.

„Was soll ich in einem Heim mit lauter tauben alten Kröten herumhocken?“ Sie schob das Kinn vor.

„Wer sagt etwas von herumhocken? Es ist …“ Er suchte nach einem verlockenden Vergleich. „… mehr wie ein Kaffeekränzchen. Man sitzt zusammen, redet, lässt sich den Kuchen schmecken und hat viel Spaß.“

„Ich habe keine Lust, mich mit Fremden zu unterhalten.“

Es hatte keinen Zweck. „Nur ein Vorschlag, Stella. Niemand zwingt Sie zu etwas, was Sie nicht wollen.“

„Gut. Weil ich nämlich nicht hingehen werde.“

Vielleicht sollte ich mit Melinda reden, dachte Dragan. Nicht über Stellas Krankheit, das verbot ihm die Schweigepflicht. Aber sie konnte gut mit Menschen umgehen und hatte bestimmt eine Idee, wie er Stella und Lizzie vom Nutzen der Tagespflege überzeugen könnte. Lizzie war schon jetzt überlastet.

„Ruf mich an, wenn du mich brauchst. Jederzeit“, sagte er zu ihr, als er Bramble wieder in den Kombi hob. „Dafür bin ich da.“

„Okay, danke.“

Er wusste genau, dass sie es nicht tun würde. Sie würde die Zähne zusammenbeißen und einfach weitermachen.

Dragan hob grüßend die Hand und fuhr zu seinem nächsten Patienten.

2. KAPITEL

Dragan war seit einer halben Stunde zu Hause, als es an der Tür klingelte. Bramble bellte kurz, nur für den Fall, dass er das Klingeln überhört hatte, und tappte dann hinter ihm her.

„Abendessen in ungefähr dreißig Minuten!“ Melinda hielt zwei braune Papiertüten hoch.

Sie enthielten mit Sicherheit keine Fertiggerichte. Melinda kochte leidenschaftlich gern.

„So, das muss gekühlt werden.“ Schwungvoll förderte sie eine Packung Eis zutage und verstaute sie im Gefrierfach. „Und dies hier ist für dich, weil du so eine Hübsche bist.“ Sie bückte sich und kraulte die Hündin, ehe sie ein paar Hundekekse aus der Tasche zauberte.

Bramble geriet völlig aus dem Häuschen. Sie hat Melinda genauso gern um sich wie ich, dachte Dragan und schaute lächelnd zu. „Du verwöhnst den Hund.“

„Du nicht?“

„Niemals“, erklärte er todernst. „Und was hast du mir mitgebracht?“

Sofort schlang sie ihm die Arme um den Nacken und küsste ihn sinnlich. „Gefällt es dir?“, fragte sie mit einem verführerischen Lächeln.

„Und wie.“ Er hätte gern mehr davon, aber das würde ihren Zeitplan durcheinanderbringen. „Brauchst du Hilfe beim Essen machen?“

„Auf keinen Fall. Ich liebe es, in deiner Küche zu kochen. In meiner kann man sich kaum drehen.“

Sie machte sich gut in seiner Küche. Als ob sie hier zu Hause wäre. Melinda schaltete seinen iPod an und wählte die Stücke einer Interpretin aus, deren Songs sie letzte Woche für ihn heruntergeladen hatte. Opernarien in der Popversion. Dragan hatte keinen einzigen Titel gekannt, aber sie gefielen ihm, vor allem, wenn Melinda mitsang. Der spanische Text bereitete ihr ebenso wenig Mühe wie der italienische, und Dragan liebte ihre helle, melodische Stimme.

Nicht nur das. Er liebte es, wenn Melinda bei ihm war. Sie verwandelte sein Cottage in ein gemütliches Zuhause. Schon bei ihrem zweiten Besuch, als sie ihm den iPod mitgebracht hatte, komplett mit zwei Lautsprechern für die Küche. „Ohne Musik kannst du nicht richtig kochen, Dragan. Man kann nicht ohne Musik leben!“

Melinda sang ständig. Und wenn sie in seinem Wagen saßen, stellte sie immer gleich den CD-Player an. Ja, seit er sie kannte, gab es viel mehr Musik in seinem Leben.

Neben allem anderen.

Vielleicht sollte er sie heute Abend fragen. Mit ihr am Strand spazieren gehen, sie unter dem Sternenhimmel küssen und sie bitten, bei ihm zu bleiben. Für immer.

Dragan genoss es, ihr zuzusehen. Was sie auch tat, geschah graziös und mit bewundernswerter Leichtigkeit. Sie schnitt, schmorte, rührte, probierte, rührte wieder und summte dabei vor sich hin. Schließlich wandte sie sich ihm zu und schenkte ihm das sonnige Lächeln, das er an ihr so sehr liebte. „Wenn du möchtest, kannst du den Tisch decken.“

Der kleine Bistrotisch stand vor den Verandatüren, mit Blick auf den Garten. Unter dem Apfelbaum blühte ein dichter Teppich Blausternchen, hier und da leuchteten Tulpen, Narzissen und andere Frühlingsblumen in den Beeten.

Dragan legte Besteck und Servietten hin, holte eine Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank, entkorkte sie und füllte zwei Gläser. Melinda brachte zwei große Teller, von denen es verlockend duftete.

Bramble legte sich zwischen die beiden Stühle und hob erwartungsvoll den Kopf. Melinda lachte. „Oh nein, das ist nichts für dich, bellissima . Die scharfe Soße würde dir den Magen verbrennen.“

„Außerdem hat sie schon ein halbes Dutzend Scampi verschlungen, während du dies hier zubereitet hast“, betonte Dragan.

„Sicher. Sie ist mein offizieller Vorkoster.“ Melinda wartete, bis er den ersten Bissen im Mund hatte. „Schmeckt es dir?“

„Hervorragend.“ Er wäre nie auf die Idee gekommen, Avocado mit Scampi und Chili zu kombinieren.

Das Zitronenhuhn mit Brokkoli, Karotten und neuen Kartoffeln war genauso köstlich. Den Nachtisch lehnte Dragan jedoch dankend ab, denn er machte sich nichts aus Süßem. Melinda dafür umso mehr, und er sah ihr gern dabei zu, wie sie mit sichtlichem Genuss das cremige Haselnusseis, eine Spezialität aus dem Hofladen der Trevellyans, löffelte.

„Und, gibst du zu, dass Essen nicht nur Treibstoff ist?“, fragte sie, als sie zusammen den Tisch abräumten.

„Ja. Du hattest recht und ich nicht, carissima .“

Ein schelmisches Lächeln erhellte ihr Gesicht. „Bekomme ich eine Belohnung?“

Dragan lachte. „Na schön. Sieh mal im Küchenschrank nach, neben dem Kühlschrank.“ Er aß nie Schokolade. Aber Melinda liebte sie. Deshalb hatte er welche gekauft. Dunkle Schokolade mit exotischen Gewürzen und einer feinen Orangennote.

Im Handumdrehen hatte sie die Tafel gefunden. „Für jemanden, der so etwas nie anrührt, haben Sie einen bemerkenswert guten Geschmack, Dr. Lovak.“ Sie brach ein Stück ab und schob es sich in den Mund.

Ihr leiser Seufzer, als sie die schmelzende Schokolade genüsslich auf der Zunge zergehen ließ, hatte etwas ungemein Sinnliches. Dragan durchzuckte heftiges Verlangen. Ihre Blicke trafen sich, und er sah, wie auch in ihren Augen Lust aufflackerte.

Er kochte einen starken schwarzen Kaffee, stellte die beiden Tassen auf den Couchtisch, setzte sich und zog Melinda auf seinen Schoß. Spontan nahm sie sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn innig. Ihm wurde heiß, als sie anfing, an seiner Unterlippe zu knabbern. Ihr süßer Blumenduft berauschte ihn, und er wollte ihren warmen, biegsamen Körper noch intensiver spüren.

Dragan drückte sie aufs Sofa und begann, ihr die Bluse aufzuknöpfen. Doch schon nach drei Knöpfen stöhnte sie auf. „Dragan. Bist du sicher, dass du nicht aus Sparta stammst?“

„Wie bitte?“

„Dein Sofa. Ein Fakirbett ist weniger spartanisch.“

Zugegeben, es war kein besonders bequemes Möbelstück, aber ihm hatte es bisher genügt. Eigentlich nutzte er es eher selten, weil er entweder mit dem Hund unterwegs war, etwas mit Melinda unternahm oder am kleinen Tisch vor seinem Laptop saß. Lächelnd strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Spiel nicht die Prinzessin.“

Sie erstarrte, schob ihn von sich und setzte sich auf, um sich die Bluse zuzuknöpfen.

„Melinda?“ Dragan verstand gar nichts. „Was ist los?“

„Nichts.“ Ihr Gesicht blieb ausdruckslos. „Ich muss nach Hause.“

Er fiel aus allen Wolken. Vor ein paar Minuten hatten sie sich noch leidenschaftlich geküsst und angefangen, sich gegenseitig auszuziehen. Und jetzt zeigte sie ihm die kalte Schulter. Dragan hatte nicht die blasseste Ahnung, was er verbrochen haben könnte.

„Was? Wieso das denn? Wir haben beide frei, und ich dachte, wir wollten den Abend zusammen verbringen?“ Plötzlich fiel der Groschen. „Das mit der Prinzessin war nur Spaß, tesoro . Du kennst doch das Märchen von der Prinzessin, die so empfindlich war, dass sie eine Erbse selbst durch fünfzig Matratzen hindurch spürte? Daran musste ich denken, als du dich über mein Sofa beschwert hast.“

„Aha.“

Diese Reaktion passte überhaupt nicht zu ihr. Melinda hatte Humor, und er hatte sie noch nie launisch erlebt. Aber falls er sie gekränkt haben sollte, musste er es wiedergutmachen. Er legte den Arm um sie und drückte sie an sich. „Ich wollte damit nicht sagen, dass du verwöhnt bist. Du hast keine Allüren, und dein Jeep sieht nicht so aus wie der von dieser schrecklichen Frau nebenan.“

„Welche Frau?“

„Ich habe nicht richtig zugehört, als sie mir ihren Namen sagte. Natalie, Natasha oder so ähnlich. Ist nicht wichtig.“ Seine Handbewegung verriet genug. „Sie wohnt in einem der Feriencottages. Hoffentlich nicht lange. Die führt sich auf wie eine verwöhnte Prinzessin. Modischer Haarschnitt, Designerkleidung, teure Schuhe, schicker Jeep, der in seinem Leben noch keinen Schotterweg gesehen hat. Deiner dagegen ist außen schlammverkrustet und innen voller Hundehaare.“

Melinda presste die Lippen zusammen. „Mit anderen Worten, ich bin ungepflegt.“

„Nein! Ich will damit sagen, dass du die bezauberndste Frau bist, die ich je getroffen habe. Du brauchst kein Make-up, um schön auszusehen, und wärst selbst in einem Kartoffelsack hinreißend.“ Er seufzte. „Warum streiten wir uns, Melinda? Eigentlich wollte ich dich heute Abend etwas fragen.“

„Und was?“

„Das kann ich nicht sagen, wenn du mich ansiehst, als würdest du mich gleich ohrfeigen.“

„Ich will dich nicht ohrfeigen. Aber was du gesagt hast, hat mich geärgert.“

„Dann entschuldige ich mich. Aufrichtig.“ Anscheinend hatte er einen wunden Punkt getroffen. Dragan wusste immer noch nicht, wieso. Vielleicht hatte er unwissentlich etwas wiederholt, was ein Exfreund ihr vorgeworfen hatte? „Ich würde dir nie wehtun wollen, Melinda. Dafür bist du mir zu wichtig.“

Melinda schwieg eine Weile und nickte dann, anscheinend beruhigt. Sie schlang Dragan den Arm um die Taille und lehnte sich an seine Schulter. „Entschuldigung angenommen. Worüber wolltest du mit mir reden?“

„Ich möchte gern mit dir spazieren gehen. Oben an der Steilküste oder barfuß am Strand. Im Mondlicht. Vielleicht auch bei Sonnenaufgang.“

Melinda verzog das Gesicht. „Ich soll im Dunkeln aufstehen?“

„Ja … Nein.“ Abwesend fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. „Melinda … als du mich heute zlato genannt hast, meintest du das ernst?“

„Warum?“

„Ich habe zuerst gefragt.“

„Ja. Aber du hast komisch reagiert.“

„Nur weil ich dieses Kosewort lange nicht gehört habe. Vergiss nicht, ich habe die Hälfte meines Lebens in England verbracht.“

„Wolltest du nie nach Kroatien zurück?“

„Für mich gibt es dort nichts mehr.“

Seinem Gesicht und seiner Stimme war keine Regung zu entnehmen. Und auf einmal wusste Melinda, dass es das war, was diesen großen, ernsten Mann verfolgte. Deshalb die Schatten in seinen dunklen Augen. Sie erinnerte sich an eine Nacht im letzten Monat, als sie in den frühen Morgenstunden aufgewacht war. Dragan hatte nicht mehr neben ihr gelegen, sondern am Fenster gestanden und so verloren aufs Meer hinausgeblickt, dass es ihr fast das Herz zerriss. Als sie ihn fragte, was los sei, wich er aus. Jetzt hatte sie das Gefühl, dass es um dieselbe Sache ging.

Leise, wie eine sanfte Berührung, schlich sich der Gedanke ein, dass dieses Geheimnis das letzte Hindernis auf dem Weg zu seinem Herzen war.

Ha! Als hätte sie das Recht, Offenheit zu fordern. Sie hatte nie darüber gesprochen, was sie nach England geführt hatte. Warum auch? Schließlich war es ihr oft genug passiert, dass die Leute sich schlagartig anders verhielten, wenn sie erfuhren, wer Melindas Familie war. Entweder gingen sie auf Distanz, weil sie glaubten, sie wolle sich nur unters gemeine Volk mischen und wäre an ihrer Freundschaft gar nicht interessiert. Oder sie betrachteten sie als Eintrittskarte in die High Society.

Dabei hatte sie für die High Society überhaupt nichts übrig – zum großen Kummer ihrer Eltern, die sie zwar noch nicht enterbt hatten, aber keinen Hehl daraus machten, wie sehr sie ihren Lebensstil missbilligten. Während ihrer seltenen Besuche in Contarini wurde niemals über ihren Beruf gesprochen. Wenn man ihre Eltern reden hörte, könnte man glauben, Melinda lebe vorübergehend im Ausland, um ihren Horizont zu erweitern und im Übrigen ihre Zeit mit Shopping und Sightseeing zu verbringen.

Meistens gelang es ihr, die Gedanken an zu Hause zu verdrängen, und trotz allem glücklich zu sein. Zu ihren Eltern hatte sie nie ein besonders inniges Verhältnis gehabt, die Playboy-Freunde ihres Bruders Raffi verachtete sie, und mit den gestylten reichen Sprösslingen, mit denen ihre Schwester Serena sich umgab, war sie nie warm geworden. Es machte ihr nichts aus, allein in England zu sein, während der Rest der Familie im Süden lebte.

Dragan hingegen schien sein altes Zuhause so sehr zu vermissen, dass er darunter litt. Melinda wollte ihm helfen, die Wunden zu heilen. Sie nahm seine Hand und küsste sie liebevoll. „Warum nicht?“

„Ich möchte nicht darüber sprechen.“

„Das ist nicht gut.“ Heuchlerin, flüsterte eine feine Stimme. Je länger sie ihr eigenes Geheimnis verbarg, desto schwieriger würde es werden, Dragan die Wahrheit zu gestehen – dass die Tierärztin von Penhally Bay in Wirklichkeit Prinzessin Melinda von Contarini war, Zweite in der Thronfolge eines kleinen Mittelmeerfürstentums.

Doch jetzt ging es nicht um sie. Sie unterdrückte die nagenden Gewissensbisse. „Du solltest aber darüber reden.“

„Egal.“

„Dragan, ich meine es ernst. Sprich mit mir.“

„Da ist nicht viel zu sagen.“

„Tu es trotzdem.“ Sie verstärkte den Griff. „Du vertraust mir doch, oder?“ Der Satz war kaum heraus, da zuckte sie insgeheim zusammen. Was war mit ihrem Vertrauen? Andererseits konnte sie mit ihrem Geheimnis gut leben. Bei Dragan wurde sie das Gefühl nicht los, dass es ihn immer wieder in Abgründe riss.

„Ja.“

„Also?“, beschwor sie ihn leise.

Er schwieg. Lange. Gleich würde er abrupt das Thema wechseln, da war sie sich sicher. Doch als er endlich etwas sagte, klang es monoton und sehr beherrscht. „Wir lebten in einem kleinen Dorf an der Adriaküste. Meine Familie besaß eine Bootswerft.“

Dragan verstummte. Sie las den Schmerz in seinen dunklen Augen und wusste, dass sie nur mit gezielten Fragen mehr aus ihm herausbekommen würde.

„Dann wolltest du nicht schon immer Arzt werden?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich hatte vor, nach dem Studium im Familienunternehmen zu arbeiten.“

„Boote bauen?“

„Mein älterer Bruder war Schiffsmaschineningenieur und ein geschickter Handwerker. Er entwarf und baute die Boote, wie mein Vater auch. Ich war der Sprachbegabte mit einem Sinn für Zahlen.“

Sie wusste, dass er mehrere Sprachen fließend beherrschte. Dass er gut in Mathematik war, hätte sie sich denken können. Dragan war ein kluger Kopf. „Du hättest dich um die Finanzen gekümmert?“

„Ich sollte die Geschäftsführung übernehmen. Mein Vater wollte sich zur Ruhe setzen, um mit meiner Mutter den Lebensabend zu genießen.“

Auch ihre Eltern erwarteten von ihren Kindern, dass sie in ihre Fußstapfen traten. Aber Melinda war heilfroh, dass sie nicht die Nachfolge ihres Vaters antreten musste. Als Mädchen und zweitgeborenes Kind konnte sie sich glücklicherweise ihren Beruf selbst aussuchen. Was ihre Familie betraf, hatte sie jedoch Zweifel, ob sie auf dem richtigen Weg war. Ihre jüngere Schwester Serena bewies schon jetzt mehr Verantwortungsbewusstsein als ihr Bruder und würde sich auf dem Thron sehr viel besser machen. Raphael war einfach zu wild.

„Also hattest du vor, Wirtschaftswissenschaften zu studieren?“

„Internationales Recht. In Zagreb. Die Semesterferien wollte ich zu Hause auf der Werft verbringen.“

Im Gegensatz zu ihr war Dragan anscheinend bereit gewesen, ins Familiengeschäft einzusteigen. Mehr noch, er schien glücklich damit gewesen zu sein. Was war passiert?

Wieder schwieg Dragan lange. „Und dann kam der Krieg.“

Fünf kurze Worte. So leise ausgesprochen, dass Melinda in der folgenden Stille zu hören glaubte, wie sein Herz brach. Sie nahm ihn in die Arme. „Ich bin bei dir, amore mio “, flüsterte sie.

„Nicht nur in unser Dorf. Er erfasste das gesamte Land. Kämpfe, Bombardierungen, hinter jeder Straßenecke lauerten Tod und Verderben. So sinnlos. Dad und ich waren geschäftlich nach Split gefahren. Als wir abreisten, war zu Hause noch alles in Ordnung. Als wir wiederkamen …“ Er presste die Lippen zusammen.

Sie streichelte sein Gesicht, wünschte, er würde weiterreden. Dragan musste den Schmerz herauslassen, der ihn von innen auffraß.

„Es war alles zerstört“, fuhr er schließlich tonlos fort. „Die Werft in Trümmern, mein Bruder tot, meine Mutter, unsere Arbeiter. Alle. Auch die Dorfbewohner. Überall lagen Scherben, Schutt und Asche. In den Häusern, die noch standen, waren rußgeschwärzte Löcher von den Bombenangriffen. Mein Vater …“ Seine Stimme verlor sich.

Melinda küsste ihn liebevoll. „Was ist passiert?“

Dragan holte bebend Luft. „Der Schock war zu groß. Dad brach zusammen. Heute weiß ich, dass es ein Schlaganfall gewesen sein könnte, aber damals hatte ich keine Ahnung. Meine Kenntnisse in Erster Hilfe waren beschränkt, die Telefonleitungen zerstört, sodass ich keinen Krankenwagen rufen konnte. Schließlich fand ich jemanden, dessen Wagen unbeschädigt war, lieh ihn mir aus und fuhr meinen Vater ins Krankenhaus.“

Die Leere in seinem Blick verriet ihr, dass sein Vater es nicht geschafft hatte.

„Dad starb, noch während wir in der Schlange vor der Notaufnahme warteten. Damals schwor ich mir, Arzt zu werden. Meiner Familie konnte ich nicht mehr helfen, aber ich würde andere Menschen vor solchem Verlust bewahren, wie ich ihn erlitten hatte.“

„Dragan, wenn es ein Schlaganfall war, hättest du nicht mehr für ihn tun können, als du ohnehin getan hast.“

„Doch.“

Er irrte sich, aber Melinda beschloss, nicht darauf zu beharren. Es würde ihn noch mehr verletzen. „Also bist du zur Universität gegangen und hast statt Jura Medizin studiert?“

„Bevor er starb, nahm mein Vater mir das Versprechen ab, nach England zu gehen. Dort wäre ich sicher.“

„Und das hast du getan?“

„Nicht sofort. Zuerst musste ich das Geschäftliche regeln.“ Er seufzte. „Unsere Versicherung deckte Kriegsschäden nicht ab. Von der Werft war nichts mehr übrig. Aber ich wollte, dass unser Name sauber bleibt. Niemand sollte sagen, Lovak Marine sei bankrott und würde seine Schulden nicht bezahlen.“

Sie verstand, was er meinte. Ehre und Pflichtgefühl waren für Dragan nicht bloß leere Worte.

Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Sie hatte sich bisher nicht gerade als pflichtbewusste Tochter hervorgetan, oder? Manche Menschen würden sagen, Melinda Fortesque, Tierärztin, drücke sich vor ihrer Verantwortung. Als Tochter des Fürstenhauses von Contarini sollte sie tun, was ihr von Geburt an vorherbestimmt war. Sie konzentrierte sich wieder auf Dragan. „Was hast du gemacht?“

„Das Land verkauft. Von dem Erlös konnte ich den Rest der Hypothek abzahlen und ausstehende Rechnungen begleichen.“

„Und ein Ticket nach England kaufen?“

„Nein, dafür reichte das Geld nicht. Was wir noch an Außenständen hatten, musste ich abschreiben. Unsere Auftraggeber hätten ihre Schulden bei uns nicht bezahlen können.“

Das ist einfach nicht fair, dachte sie. Er selbst hatte die Schulden der Familie bezahlt. „Wie bist du dann hierhergekommen?“

„Ich habe auf einem Schiff angeheuert und mir damit die Passage nach England verdient. Dieses Land hat mich mit offenen Armen aufgenommen, Melinda. Die Behörden gaben mir eine Aufenthaltsgenehmigung, und ich habe ein Jahr lang tagsüber als Kellner gearbeitet und abends gelernt, bis ich alle Prüfungen bestanden hatte, um Medizin studieren zu können.“

Alles, was er heute war, hatte er praktisch aus dem Nichts heraus geschafft. Melinda war unbeschreiblich stolz auf ihn. „Du bist einmalig“, sagte sie sanft und strich ihm über die Wange. „Ich kenne niemanden, der so viel Kraft hat.“

Er zuckte mit den Schultern. „Es war nichts Besonderes.“

War es doch. „Andere Menschen in deiner Situation wären heute hart und verbittert. Aber du … du verstehst die Menschen. Du sorgst dich um sie. Deine Familie wäre sehr stolz auf dich. Ich bin es auch.“

Seine dunklen Augen schimmerten, aber er sagte nichts.

Stark und ernst, so war ihr Dragan. „Und was kam nach dem Studium?“

„Anfangs habe ich in London gearbeitet, aber mir fehlte das Meer. Als mich ein paar Freunde übers Wochenende nach Cornwall einluden, habe ich mich auf Anhieb in diese Gegend verliebt.“

„Ich auch.“

„Und ich bin sehr glücklich, dass ich geblieben bin. Dass ich dich kennengelernt habe.“ Dragan lehnte seine Stirn an ihre. „Verzeih mir, piccola . Ich wollte dich mit all dem nicht belasten. Normalerweise rede ich nicht darüber.“

Das glaubte sie ihm aufs Wort. Wie aufgewühlt er war, merkte sie allein daran, dass sein fast akzentfreies Englisch im Laufe des Gesprächs einen harten kroatischen Klang angenommen hatte. „Ich hoffe, es hat dir ein bisschen geholfen, mit mir zu darüber zu sprechen.“

Zärtlich strich er mit dem Mund über ihre Lippen. „Nun, zlato . Du hast also im Internet Kroatisch gelernt?“

„Wie sonst?“

„Du hättest mich fragen können.“

„Hättest du es mir denn beigebracht?“

„Ich werde dir jetzt etwas beibringen“, antwortete er lächelnd. „Volim te.“

„Was heißt das?“

„Das Gleiche wie ti amo .“ Dragan sah sie an. „Ich liebe dich, Melinda.“

Auf einmal war das Zimmer voller Schmetterlinge, auf deren zarten Flügeln das Sonnenlicht tanzte. Dragan liebte sie! Er liebte sie so, wie sie war und was sie im Grunde ihres Herzens war: Melinda Fortesque, die Tierärztin.

Der Schmetterlingsschwarm huschte in ihren Magen und flatterte dort weiter. Ihr Herz klopfte. Sag es ihm. Er hat dir alles erzählt, jetzt bist du dran.

Melinda traute sich nicht. Würde er sie auch lieben, wenn er wüsste, dass sie eine Prinzessin war? Hätte er dann nicht das Gefühl, dass sie auf ihn herabblickte – obwohl sie das nie tun würde?

„Ich wollte dir noch etwas sagen“, fuhr er fort. „Etwas, was ich noch nie zu jemandem gesagt habe.“

„Muss ich mir Sorgen machen?“ Das war leicht dahergesagt, aber insgeheim beschlich sie ein mulmiges Gefühl. Hatte er das mit ihrer Familie herausgefunden?

Natürlich nicht! Woher denn?

Aber er blickte sie so ernst, so intensiv an, dass sie es mit der Angst zu tun bekam.

„Melinda …“, begann er, schien zu überlegen. „Nein, das klingt falsch.“

„Versuch es einfach.“

Er holte tief Luft. „Zieh bei mir ein.“

„Ich soll bei dir einziehen?“

Seine Augen waren fast schwarz. „Siehst du, es hört sich merkwürdig an. Deshalb wollte ich mit dir irgendwohin, wo es romantischer ist. Um dir zu sagen: Lass uns zusammenleben, Liebe meines Lebens … oder so ähnlich.“

„Du willst mit mir zusammenleben?“

„Nicht nur zusammenleben. Ich dachte, wir könnten mit Reverend Kenner reden.“

Langsam begriff sie. „Ist das ein Heiratsantrag, Dragan?“

„Ich hätte dich lieber bei Sonnenaufgang gefragt“, betonte er. „Nicht auf meinem Fakir-Sofa.“

„Bei Sonnenaufgang wäre ich noch so müde gewesen, dass ich auf deine Frage gar nicht hätte antworten können.“

„Also ist das ein Nein.“

„Du willst mich wirklich heiraten?“ Ein Mann, der sie nur um ihrer selbst willen zur Frau wollte. Ein Mann, den sie aus tiefstem Herzen liebte.

„Warum so überrascht? Melinda, du bist wie der Sonnenschein. Du bringst die Welt zum Strahlen. Und du machst aus mir einen besseren Mann.“

Wie das? Sie könnte sich keinen besseren Mann wünschen. „Ich … Dragan, ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

„Entschuldige. Vergiss es. Ich bringe dich nach Hause.“

„Nach Hause?“ Verständnislos blickte sie ihn an. „Warum?“

„Weil ich dich in Verlegenheit gebracht habe.“

„Wie kommst du darauf? Ich habe Ja gesagt.“

„Nein, das hast du nicht.“

„Nicht?“ Melinda konnte nicht ganz folgen. „Aber ich …“ Da fiel der Groschen, und sie lächelte liebevoll. „Frag mich noch einmal. Richtig.“

Er stand auf und zog sie vom Sofa hoch. Dann nahm er ihre Hände in seine und blickte ihr zärtlich in die Augen. „Stell dir vor, die Sonne geht auf. Wir stehen an der Steilküste und blicken auf das Meer. Ein herrlicher neuer Tag zieht herauf.“ Dragan lächelte. „Melinda Fortesque, ich liebe dich. Willst du meine Frau werden?“

„Ja. Ja, bitte!“

Dragan stieß einen Freudenschrei aus und wirbelte sie herum. Als sie wieder Boden unter den Füßen spürte, küsste er sie süß, verzehrend und voller Leidenschaft. Zeigte ihr mit seinem warmen Mund, mit seinem ganzen Körper, wie sehr er sie liebte.

„Ich habe es ganz falsch angefangen“, sagte er rau, als er sich schließlich von ihr löste. „Ich hätte dir einen Ring schenken sollen.“ Er küsste ihren Ringfinger.

„Wir suchen ihn zusammen aus.“ Melinda blinzelte die Tränen weg. „Oh, Dragan. Du willst mich wirklich heiraten?“

Er nickte. „Obwohl ich vielleicht erst bei deinem Vater um deine Hand hätte anhalten sollen.“

Ihr Vater. Ach, du lieber Himmel. Wie sollte sie es Dragan beibringen, dass er dann den Fürsten von Contarini höchstpersönlich hätte fragen müssen?

Würde er sie überhaupt noch heiraten wollen, wenn er über ihre Familie Bescheid wüsste? Melinda bekam Beklemmungen. Dies wurde immer schwieriger. Sie wollte Dragan nicht verlieren. Sie liebte ihn, würde nie einen anderen Mann so lieben wie ihn. Sie hasste es, ihn zu belügen, aber die Wahrheit konnte sie ihm auch nicht sagen.

„Nicht nötig“, sagte sie deshalb rasch.

Er runzelte leicht die Stirn, und Melinda hätte sich ohrfeigen können. Gerade noch hatte er ihr erzählt, dass er seine Familie verloren hätte, und sie tat so, als wäre ihre eigene nicht wichtig. Was nicht stimmte … Aber er konnte ja nicht ahnen, wie problematisch ihre Familie war. Sehr problematisch.

„Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert“, sagte sie sanft. „Ich bin eine moderne Frau und kann selbst Entscheidungen treffen. Und ich nehme deinen Antrag an.“ Zärtlich streichelte sie seine Wange. „Ich fühle mich geehrt, dass du mich zur Frau willst, Dragan.“

„Dann machen wir einen Termin mit Reverend Kenner“, sagte er. „Es sei denn, du möchtest keine traditionelle Hochzeit.“

„Doch, natürlich. Ich möchte in St. Marks heiraten.“ Sie liebte die hübsche kleine Pfarrkirche mit dem trutzigen Dach über dem Tor zum Kirchgrund. In Contarini konnten sich Touristen an der mit glanzvollen Goldverzierungen und filigranen Schnitzereien überladenen Schlosskapelle ihrer Familie nicht sattsehen, aber Melinda hatte sie immer als erdrückend empfunden. „Inmitten blühender Bäume. Die Blütenblätter werden wie Konfetti auf uns herabrieseln. Dabei fällt mir ein – Konfetti dürfen wir nicht nehmen.“

„Warum nicht?“

„Das aus Folie ist nicht biologisch abbaubar, und die Vögel können daran ersticken. Und das aus Papier enthält giftige Farbstoffe oder Bleichmittel.“

Dragan lächelte. „Was du alles weißt.“

„Ich bin Tierärztin, natürlich kenne ich mich aus.“ Sie überlegte. „Getrocknete Blütenblätter wären eine gute Alternative. Es gibt auch Mischungen, die Vogelfutter enthalten.“

„Was immer du möchtest, carissima . Wann wollen wir heiraten? Im Sommer?“

„Im Frühling.“ Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn. „Diesen Frühling, weil ich es kaum erwarten kann, deine Frau zu werden, Dragan. Ich liebe dich so sehr. Ich hoffe, du weißt das.“

„Ich weiß es. Ich liebe dich auch.“ Er drückte sie fest an sich. „Und ich will dir einen anständigen Verlobungsring kaufen. Am liebsten gleich am Samstagmorgen, aber leider habe ich Sprechstunde.“

„Morgens kann ich auch nicht. Aber nachmittags habe ich keine Rufbereitschaft mehr. Du?“

„Nein. Dann gehen wir am Nachmittag zum Juwelier. Und bring deine Sachen hierher. Falls du möchtest“, fügte er hinzu.

„Nichts lieber als das!“

Er lächelte. „Ich hätte nie geglaubt, dass das Leben so schön sein kann.“

„Ich auch nicht.“ Die düstere Wolke am Horizont – in Gestalt ihrer Familie – ignorierte sie einfach. Irgendwann werden sie schon akzeptieren, dass ich meinen Beruf liebe und mir meinen Partner selbst aussuche, dachte sie. Sie hatte sich für den Mann entschieden, den sie liebte und der sie liebte. Damit würde sich das Herrscherpaar von Contarini abfinden müssen.

Und solange Dragan wusste, wie viel er ihr bedeutete, konnte nichts passieren. Wer sie im Grunde war, spielte keine Rolle, und bei nächster Gelegenheit würde sie es ihm erzählen.

Sie musste nur die richtigen Worte finden.

Bald.

3. KAPITEL

Dragans Kombi stand nicht vor dem Haus. Nick klingelte trotzdem. Vielleicht hatte Dragan keinen Parkplatz gefunden und den Wagen in einer Nebenstraße abgestellt.

Im Cottage blieb es still.

Also war er noch unterwegs. Entweder zu Hausbesuchen oder mit Melinda, wenn man dem Tratsch Glauben schenken konnte. Über sein Privatleben redete der kroatische Doktor nicht. Obwohl er seit zwei Jahren in der Praxis arbeitete, hätte Nick kaum etwas über ihn erzählen können. Nur dass er ein ausgezeichneter Mediziner war, und dass das Praxispersonal ihn sehr schätzte. Er war immer ausgeglichen und freundlich und vergaß keinen Geburtstag. Aber er war nicht der Typ, der während der Pausen bei Kaffee und Ingwerkeksen mit anderen zusammensaß und plauderte.

Nick zuckte mit den Schultern. Egal. Morgen vor der Sprechstunde konnte er auch noch kurz mit ihm sprechen.

Nebenan ging die Haustür auf.

„Na, hal-lo!“, ertönte eine rauchige Stimme.

Er drehte sich um. Die Frau, die am Türrahmen lehnte, hatte atemberaubende Kurven. Eng anliegende Jeans betonten endlos lange Beine. Der Blick der grünen Katzenaugen war eine einzige erotische Aufforderung. Und das lange, leicht zerzauste blonde Haar erweckte den Eindruck, als sei sie gerade aus dem Bett gestiegen – und das am späten Nachmittag.

Sein Körper spannte sich.

„Ich bin Natasha Wakefield.“

„Nick Roberts.“ Er verzog den Mund zu einem Lächeln. „Sind Sie neu in der Stadt?“

Schulterzucken. „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Mal sehen, was sich ergibt. Ich brauchte einen Tapetenwechsel.“

Eine Frau mit Vergangenheit. Nick unterdrückte den Impuls, sie zum Essen einzuladen. Sein Leben war kompliziert genug. „Wissen Sie, ob Dragan zu Hause ist?“

„Dragan?“, fragte sie neugierig.

Offensichtlich hatte er sich bei ihr noch nicht vorgestellt, obwohl sie Tür an Tür wohnten. „Der Mann, der hier wohnt.“

„Ach, der.“ Die lässige Handbewegung wirkte fast ein bisschen abfällig. „Der ist mit Blondie und Humpelfuß unterwegs.“

Es dauerte einen Moment, bis Nick begriff, dass sie Melinda und Bramble meinte. Dass sie sich über den ruhigen, ernsten Arzt lustig machte, gefiel ihm zwar nicht, aber die Bemerkung passte. Das Erste, was einem bei Melinda ins Auge stach, war ihr herrliches goldblondes Haar, und die Hündin humpelte noch immer leicht, trotz der Stahlplatte, die ihr gebrochenes Bein zusammenhielt.

„Macht nichts“, sagte er. „Ich erwische ihn sicher morgen vor der Sprechstunde.“

„Sie sind Arzt? So sehen Sie aber gar nicht aus.“

„Wie sehe ich denn aus?“

„Wie ein Mann, der schnelle Boote steuert.“

Er lachte. „Das habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr getan.“

„Vielleicht sollten Sie wieder damit anfangen. Ich kenne jemanden, der ein Motorboot hat. Kommen Sie morgen mit mir.“

Ihr üppiger Mund lockte, ihr lasziver Blick sandte eine verführerische Botschaft aus. Wären sie in der Praxis nicht so knapp mit Personal gewesen, er hätte der Versuchung nachgegeben. „Tut mir leid, ich habe Dienst.“

„Aha. Sie gehören zu den pflichtbewussten Ärzten, die nie blaumachen.“

„Ist das so verwerflich?“

„Wahrscheinlich nicht.“ Der Augenaufschlag war gekonnt, und sie hatte wirklich faszinierend grüne Augen. „Sie wollen eben erst die Arbeit und dann das Vergnügen, oder?“

Ein eindeutiges Angebot. Nick überlegte nicht lange. „Gehen Sie heute Abend mit mir essen.“

„Das könnte … interessant werden.“

Erregung durchpulste ihn, während er überlegte, wohin er sie ausführen sollte. Ins Penhally Arms ? Gemütlich, aber zu rustikal für eine Frau wie Natasha. „In Rock gibt es ein nettes kleines Restaurant.“

Sie rümpfte die Nase. „Ich komme aus Rock. Die Restaurants kenne ich in- und auswendig. Haben Sie nicht etwas Besonderes?“

Also gut, das Anchor Hotel , das Eleganteste, was Penhally Bay zu bieten hatte. „Sicher. Ich hole Sie um …“ Nick blickte zur Armbanduhr. „… sieben ab.“

Ein sinnliches Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. „Ich kann es kaum erwarten.“

Melindas Handy klingelte. „Ich habe Rufbereitschaft“, sagte sie entschuldigend zu Dragan, bevor sie auf den Knopf drückte.

„Schon gut, ich weiß, wie das ist“, antwortete er leise und fuhr an den Straßenrand.

„Melinda? Oh, Gott sei Dank. Hier ist Violet Kennedy. Es tut mir schrecklich leid, dass ich Sie stören muss, aber meinem Cassidy geht es gar nicht gut.“

Die ältere Dame neigte sonst nicht zu Panik, also musste der Papagei ernsthaft krank sein. Melinda ließ sich die Symptome beschreiben.

„Ich komme gleich zu Ihnen, Violet.“ Sie beendete das Gespräch und wandte sich an Dragan. „Wie es aussieht, wird aus dem Essen gehen nichts. Kannst du mich bei der Praxis absetzen?“

„Wenn du willst, komme ich mit.“

Lächelnd sah sie ihn an. „Als mein Assistent?“

„Von mir aus. Außerdem kenne ich den kürzesten Weg zu Violets Haus. Sie ist zufällig meine Patientin.“

„Bene .“ Sie beugte sich zu ihm herüber und gab ihm einen Kuss. „Du wirst der perfekte Ehemann für Penhally Bay’s Tierärztin sein.“

„Und du die perfekte Arztfrau.“

Dragan wendete und fuhr zu Melindas Praxis. Sie holte schnell ihren Koffer, und dann ging es weiter.

Violet öffnete die Haustür, noch ehe sie klingeln konnten. „Vielen Dank, dass Sie so schnell gekommen sind.“

„Das ist doch selbstverständlich. Ich habe einen Assistenten mitgebracht“, fügte sie lächelnd hinzu. „Sie kennen ihn, glaube ich.“

Trotz ihrer offensichtlichen Besorgnis begrüßte sie Dragan freundlich. „Wie schön, Sie zu sehen, Dr. Lovak.“

„Gleichfalls, Mrs Kennedy.“

Der Graupapagei hockte teilnahmslos in der Käfigecke. Sonst sträubte er seine prächtigen roten Schwanzfedern und begrüßte den Besucher mit einem schnarrenden Wie steht’s, Liebes? , um ihm anschließend sein beachtliches Repertoire an Kraftausdrücken entgegenzuschleudern.

Dragan warf Melinda einen Blick zu. Wenn der Vogel sterben würde, wäre Violet Kennedy am Boden zerstört. Seit dem Tod ihres Mannes überschüttete sie den Papagei mit all ihrer Liebe. Ihre Kinder und Enkel lebten in London, und sie sah sie viel zu selten.

„Oh, Cassidy, tesoro . Was hast du gemacht?“ Vorsichtig hob Melinda ihn aus dem Käfig und befühlte seine Füße. „Violet, können Sie mir bitte eine Wärmflasche bringen? Wir müssen ihn warm halten. Außerdem brauche ich heißes Wasser, zwei kleine Tassen, eine Schüssel und einen Löffel, wenn es geht.“

Violet blickte ängstlich drein. „Ich setze gleich Wasser auf. Glauben Sie, er hat Vogelgrippe?“

„Nein, bestimmt nicht. In unserer Gegend wurden keine toten Wildvögel gemeldet, und bei den Geflügelfarmen ist alles in Ordnung. Außerdem steht sein Käfig im Haus und nicht draußen. Selbst wenn es hier Anzeichen von Vogelgrippe gäbe, wäre es äußerst unwahrscheinlich, dass er sich angesteckt haben könnte.“

„Was hat er dann?“, fragte Dragan leise.

„Seine Füße sind eiskalt, das ist nicht gut. Der Durchfall hat ihn stark geschwächt, und ich muss ihm Elektrolyte gegen Austrocknung geben. Es wäre besser, wenn ich ihn in der Praxis unter Beobachtung habe. In einem beheizten Käfig.“

Violet kam mit der Wärmflasche unter dem Arm zurück. „Wo soll ich Ihnen die anderen Sachen hinstellen?“

„In die Küche, bitte. Ich werde ihm aus verschiedenen Pulvern einen Drink mixen, der den Salz- und Zuckerverlust ausgleicht. Wenn er den getrunken hat, wird er sich besser fühlen.“ Sie überlegte. „Hat Cassidy irgendetwas anderes gefressen als sonst? Könnte er sich unbeobachtet etwas von Ihrem Teller stibitzt haben, während Sie ans Telefon gehen mussten, zum Beispiel?“

„Das glaube ich nicht.“ Violet dachte nach. „Bis gestern waren meine Enkel zu Besuch, und ich hatte ihnen ein Osterei gegeben.“

„Haben sie Cassidy mit Schokolade gefüttert?“

„Das würden sie nicht tun. Sie wissen auch, dass ich Schokolade und andere Süßigkeiten in einer der Schubladen aufbewahre, aber … nein, das machen sie nicht, ohne vorher zu fragen.“

„Kann Cassidy mit seinem Schnabel Schubladen aufziehen?“

Die alte Dame runzelte die Stirn. „Er ist ein schlauer alter Vogel. Vielleicht.“ Sie zog die Kommodenschublade auf. „Oh! Die Kinder hätten die Packung nie so aufgerissen und alles verstreut. Eine lebhafte Rasselbande, aber so ungezogen sind sie nicht.“ Kopfschüttelnd deutete sie auf die Bescherung. „Darauf wäre ich nie gekommen. Er muss die Tüte zerrissen, ein paar Schokokugeln aufgepickt und die Schublade wieder zugeschoben haben.“

„Wie Sie schon sagten, ein schlauer Vogel. Aber er hat sich einen schlechten Dienst erwiesen. Avocados und Schokolade sind für Papageien giftig.“

„Giftig?“, wiederholte Violet entsetzt.

„Ja, schon fünfzig Gramm Schokolade würden genügen. Vielleicht bewahren Sie die Süßigkeiten lieber in einer Plastikbox auf, die er nicht öffnen kann.“

Mrs Kennedy wurde blass. „Wird er sterben?“

„Nicht, wenn ich es verhindern kann. Ich habe doch versprochen, ihm Italienisch beizubringen, nicht wahr, tesoro ?“ Sie rieb ihm liebevoll das Köpfchen. „Jetzt verabreichen wir dir etwas Medizin, und dann wirst du dich bald besser fühlen.“

Ruhig traf sie ihre Vorbereitungen. Dragan bewunderte, wie geschickt sie Violet in die Behandlung einbezog, um sie abzulenken. Melinda erklärte jeden Handgriff, ohne dabei belehrend zu wirken, und ging sehr behutsam mit dem kranken Vogel um.

„Ich möchte ihn in die Praxis bringen, Violet“, sagte sie schließlich. „In einem unserer beheizten Käfige ist er vor Auskühlung geschützt, und außerdem müssen wir ihn zweimal täglich mit dieser Lösung füttern, bis er wieder normal fressen kann. Sobald er sich erholt hat, bringe ich Cassidy wohlbehalten zu Ihnen zurück.“

„Cassidy ist schon so lange bei mir. Fast vierzig Jahre.“ Violet hatte Tränen in den Augen. „Mein Mann hatte ihn mir mitgebracht, damals, als er noch bei der Marine war.“

„Sie bekommen ihn so bald wie möglich zurück“, versiche...

Autor

Kate Hardy
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