Die Lady und der stolze Krieger

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Warrick de Laurent war Lady Rosamunds große Liebe, bevor sie eine arrangierte Ehe mit einem anderen eingehen musste. Trotzdem ist sie jetzt vom letzten Wunsch ihres sterbenden Gemahls schockiert: Um ihm einen Erben zu schenken, soll sie mit Warrick das Bett teilen! Auf keinen Fall will Rosamund Ehebruch begehen - aber nach dem Tod ihres Gemahls wird sie einen starken Krieger wie Warrick an ihrer Seite brauchen. Was soll sie nur tun? Auch wenn Warrick insgeheim sinnliche Sehnsucht in ihr weckt und sie allein beim Gedanken an ihn erregt erschauert, steht Rosamund vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens …


  • Erscheinungstag 09.02.2021
  • Bandnummer 366
  • ISBN / Artikelnummer 9783751500463
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

England – 1174

Das kannst du nicht von mir verlangen!“ Rosamund de Courcy starrte ihren Gemahl entsetzt an. „Das wäre eine Sünde!“

Alan de Courcy, Baron of Pevensham, lehnte sich in seinem Bett in die Kissen zurück. Eine glanzlose Haarsträhne fiel ihm in das bleiche Gesicht, und in den grauen Augen spiegelte sich ein nicht enden wollender Schmerz. In der letzten Zeit war er immer schwächer geworden, und obwohl Rosamund jeden Abend für seine Genesung betete, schwebte der Schatten des Todes drohend über ihm. Die Vorstellung, dass er sterben könnte, erschreckte sie, denn er war ihr in den letzten drei Jahren ein treuer Freund gewesen.

Jetzt wollte er, dass sie mit einem anderen Mann das Bett teilte, um das Kind zu zeugen, das sie so dringend brauchten. Allein die Vorstellung war undenkbar.

„Wir brauchen einen Erben, ma petite. Und ich bin nicht in der Lage, dir einen zu schenken.“ Ihr Gemahl klang, als würde er über einen geschäftlichen Vertrag sprechen. „Ich werde nicht dulden, dass mein Bruder alles erbt. Owen würde Pevensham binnen eines Jahres ruinieren.“

Rosamund ging vor dem Kamin auf und ab. Ihr Herz raste bei dem Gedanken an das, was Alan von ihr verlangte. Wie kam er nur auf so eine Idee? Sie war eine Dame von Ehre, keine Ehebrecherin.

Ihr schlechtes Gewissen regte sich, und eine leise Stimme erinnerte sie an die Fehler, die sie vor ihrer Ehe gemacht hatte. Doch sie hatte den Preis für ihre Sünden gezahlt, auch wenn ihr gebrochenes Herz sie manchmal immer noch quälte.

„Ich war dir stets treu ergeben“, sagte sie. „Seit drei Jahren habe ich dir immer gehorcht. Warum bittest du mich jetzt um so etwas?“

„Weil auch du nicht willst, dass Owen alles erbt. Du weißt, was er mit dir machen würde, sobald ich tot bin.“ In seiner Stimme schwang ein Hauch von Eiseskälte mit, und er brauchte weiter nichts zu sagen, damit sie verstand. Wenn Pevensham an Owen ging, würde er sie zwingen, ihm zu Willen zu sein. Sie unterdrückte einen Ekelschauder.

„Aber … mit einem anderen Mann verkehren, während ich mit dir verheiratet bin? Du verlangst zu viel von mir. So etwas könnte ich niemals tun.“ Sie schloss die Augen und krallte die Finger in den Stoff ihres Gewands. Die Vereinigung zwischen Mann und Frau tat nicht weh, aber sie hatte diese Momente mit Alan nie genossen. Dabei war er immer vorsichtig gewesen und hatte sie äußerst zuvorkommend behandelt. Sie empfand jedoch keine Leidenschaft für ihn, höchstens ein Gefühl ehelicher Geborgenheit.

Alan hatte versucht, ihr Vergnügen zu bereiten, obwohl er gespürt hatte, wie sie sich versteifte, sobald er ihren Körper in Besitz nahm. Deswegen hatte er sie nicht oft gebeten, das Lager mit ihm zu teilen. Und seit er krank war, hatte er kein einziges Mal bei ihr gelegen.

„Ich habe Warrick de Laurent gebeten, nach Pevensham zu kommen. Er wird im Verlauf der nächsten Woche eintreffen.“

Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken, und für einen Moment wurde ihr schwindelig. Warrick war der Mann, den sie als junges Mädchen geliebt hatte. Er war hoch gewachsen und kräftig, mit dunklen Haaren und funkelnden blauen Augen. Sie hatte ihn mehr gewollt als alles andere. Niemals würde sie den jungen Krieger vergessen, der sie bis in ihre Träume verfolgt hatte. Oder seinen Kuss, der ihr Verlangen geweckt und ihr Blut in Wallung gebracht hatte.

„Ich kann nicht das Bett mit ihm teilen“, beharrte Rosamund. Wenn sie das tat, wäre sie des Ehebruchs schuldig. Ihre Kehle wurde eng, als Erinnerungen sie überschwemmten, die sie stets verdrängte. Sie hatte ihr Herz verschlossen, hatte die Hoffnung auf etwas begraben, das niemals geschehen würde. Sie hatte Alan als ihren Gemahl akzeptiert und war ihm eine gute Frau geworden.

Dass er jetzt so etwas von ihr verlangte, machte sie derart wütend, dass sie kaum sprechen konnte. Alan wusste genau, was es für sie bedeuten würde, sich Warrick hinzugeben. Trotzdem zwang er sie, sich der Vergangenheit zu stellen.

Wenn sie zuließ, dass Warrick sie berührte, würde sie sich selbst nicht länger trauen können. Völlig ausgeschlossen, dass sie ihre Gefühle weiterhin unter Kontrolle behalten und sich verhalten könnte, als würde dieser Akt ihr nichts bedeuten. Bei der Erinnerung an seine Berührung schlug ihr Herz schneller, und allein der Gedanke daran ließ sie am ganzen Körper erzittern.

Alan schwieg schon eine geraume Weile. Rosamund hörte nur seine mühsamen Atemzüge und das Rascheln des Bettzeugs. „Ich weiß, dass du mich nicht heiraten wolltest, ma petite. Ich war niemals der Mann, den du wolltest.“

Nein, das war er nicht. Jeder wusste, dass sie nur dem Befehl ihres Vaters gehorcht und den Mann geheiratet hatte, den er für sie ausgewählt hatte. Es hatte keine andere Möglichkeit gegeben.

Der Schmerz in Alans Stimme bedrückte sie und dämpfte ihren Zorn. Neben der Feuerstelle blieb sie stehen und schloss kurz die Augen, während sie ihre Worte mit Bedacht wählte. „Du warst immer sehr freundlich zu mir. Ich hätte mir keinen besseren Ehemann wünschen können.“

Aber durch die arrangierte Ehe war sie gezwungen gewesen, ihre Träume zu vergessen. Warrick hatte sich den Truppen des Königs angeschlossen und in der Normandie gekämpft, und sie hatte ihn nie wieder gesehen. Sie hatte ihr neues Leben an der Seite eines Mannes akzeptiert, der sie mochte und sich um sie kümmerte, und das hätte genügen sollen.

Er stieß einen Seufzer aus. „Die Worte allein machen es nicht wahr, Rosamund. Ich weiß, dass du Warrick de Laurent heiraten wolltest.“

Es war mehr als das. Doch sie sprach den Gedanken nicht laut aus.

„Das ist lange her“, sagte sie leise. Sie begriff nicht, warum Alan die Geister der Vergangenheit heraufbeschwor. „Als du mich zur Frau genommen hast, habe ich versucht, so zu werden, wie du es wünschst.“

„Und das ist dir auch gelungen, Rosamund. Aber ich war nie das, was du dir gewünscht hast.“ Die Traurigkeit in seiner Stimme schmerzte sie.

Sie wollte das nicht hören. Dieser Mann war nicht nur ihr Ehemann, sondern auch ihr Freund geworden. Alan hatte niemals die Hand gegen sie erhoben, und er hatte sie als Burgherrin schalten und walten lassen. „Du warst immer gut zu mir.“

„Aber wir haben keine Kinder“, sagte er leise. „Und dafür müssen wir jetzt eine Lösung finden. Wir müssen ein Kind bekommen, um zu verhindern, dass Owen alles erbt.“

Rosamund hielt die Tränen nicht länger zurück. Fast drei Jahre war es her, dass sie ein totes Kind zur Welt gebracht hatte. Der Schmerz in ihrem Herzen ließ niemals nach, und auch die Zeit konnte die leere Stelle nicht füllen. Vielleicht wäre ihr Kummer über den Verlust verblasst, wenn sie seitdem ein Kind bekommen hätte, aber nach dem Tod ihrer Tochter hatte sie nie wieder eines empfangen. Es war, als würde Gott sie für ihren Ungehorsam als junges Mädchen bestrafen.

Andererseits war sie dankbar, dass sie nicht erneut schwanger geworden war. Das Kind war zu früh zur Welt gekommen, und die Vorstellung, erneut ein Kind zu verlieren, machte ihr Angst.

„Sieh mich an, Rosamund“, sagte Alan. Als sie sich umdrehte, blickte er sie um Verzeihung bittend an. „Es liegt an mir, nicht an dir. Vor unserer Ehe war ich kein tugendhafter Mann. Ich habe viele Frauen gehabt. Kein einziges Mal hat eine dieser Frau ein Kind von mir geboren. Dabei hätte es reichlich Gelegenheit dazu gegeben.“

Er versuchte, die Schuld auf sich zu nehmen, aber das wollte sie nicht. „Es ist unser beider Versagen.“

„Du hast schon einmal ein Kind empfangen, und du wirst wieder eines empfangen. Ich weiß, dass der einzige Mann, den du in dein Bett lassen würdest, Warrick de Laurent ist.“

Das Blut rauschte in ihren Ohren, und sie wandte sich ab. Bei dem Gedanken, dass Warrick sie erneut berühren könnte, gerieten ihre Gefühle in Aufruhr. „Ich kann nicht. Und er wird sich ebenfalls weigern.“ Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein so stolzer Mann wie Warrick sich auf diese Weise benutzen lassen würde.

„Ich werde ihn fragen“, sagte Alan ruhig. „Bei entsprechender Entschädigung wird er vielleicht einwilligen. Ich möchte, dass er dich heiratet, sobald ich tot bin. Er wird Pevensham gegen unsere Feinde verteidigen, und er kann dich vor Owen beschützen.“

Rosamund verschränkte ihre zitternden Hände. Offensichtlich hatte ihr Gemahl alles genau geplant. Eine Nacht der Sünde, ein Mann, der seinen Platz einnehmen würde, und ein Kind, das offiziell der rechtmäßige Erbe sein würde.

Tränen der Wut und der Ohnmacht brannten in ihren Augen, als ihr das Ausmaß dieser Täuschung klar wurde. „Alan, nein!“

„Ich werde sterben, Rosamund. Das wissen wir beide.“

Sie wollte dieser Tatsache nicht ins Gesicht sehen, obwohl sie selbst das Schlimmste fürchtete. Es war einfacher, sich vorzustellen, dass es nicht dazu kommen würde. Dann konnte sie ihre Pflicht erfüllen und die schreckliche Wirklichkeit ausblenden.

„Ich habe für dich gebetet …“

„Gebete werden daran nichts ändern. Aber bevor ich gehe, kann ich dafür sorgen, dass Owen niemals mein Land erbt. Ich werde dafür sorgen, dass dich jemand beschützt. Jemand, der sein Leben für dich geben würde.“

Sie ging zum Bett und setzte sich neben ihn. Angst erfasste sie, als sie seine Hand nahm. „Bitte mich nicht darum, dir untreu zu sein, Alan. Ich werde es nicht tun. Du hast etwas Besseres verdient.“

„Genau wie du.“ Aus seinem Tonfall hörte sie Mitgefühl und Liebe. „Ich wollte dich heiraten, Rosamund, und so wahr mir Gott helfe, ich habe alles getan, damit du mich liebst.“

„Das tue ich“, flüsterte sie.

„Nicht so, wie du ihn liebst.“

Rosamund biss sich so fest auf die Unterlippe, dass sie Blut schmeckte. Er hatte recht, obwohl sie es abstreiten wollte. Ihre Ehe ruhte auf einem Fundament aus Freundschaft und Zuneigung, aber nicht Liebe. Dabei hatte sie in den letzten drei Jahren versucht, das Beste aus ihrer Ehe zu machen und Warrick zu vergessen.

Alan drückte ihre Hand, und ehe sie protestieren konnte, hob er ihre Finger an seine Lippen. „Ich weiß, dass ich dir nicht gleichgültig bin, Rosamund, und das werde ich dir niemals vergessen. Aber bevor ich sterbe, musst du mir in diesem Punkt gehorchen.“ Sein Blick wurde härter. „Du wirst alles tun, um sicherzugehen, dass wir ein Kind bekommen, das all das hier erbt. Schwöre mir, dass du mit ihm schlafen wirst.“

Sie sagte nichts. Sie wollte nicht Teil dieses sündigen Plans werden. Es war undenkbar, und wenn der Ehebruch jemals herauskäme, könnte sie alles verlieren – sogar ihr Leben.

„Schwöre es!“, verlangte er. „Wenn du mir gegenüber loyal und gehorsam bist, dann musst du das für mich tun.“

Sie biss sich erneut auf die Lippe, um nicht laut zu schreien. Aber trotz seines strengen Tons spürte sie das Bedauern hinter seinen Worten. Hier ging es um mehr als darum, einen Erben zu zeugen. Er versuchte, einen Fehler wiedergutzumachen und ihr den Mann zurückzugeben, den sie damals heiraten wollte. Und diese Vereinbarung würde sie unwiderruflich an Warrick binden.

Von ganzem Herzen wollte sie sich Alan verweigern. Doch als sie ihm in die schmerzerfüllten grauen Augen blickte, begriff sie, dass ihre Worte die Macht hatten, einem sterbenden Mann Frieden zu schenken. Er liebte sie genug, um dieses Opfer für ihre Sicherheit zu bringen.

Wenn sie sich weigerte, seiner Bitte nachzukommen, würden seine Sorgen nur noch größer werden und seine Stimmung noch weiter trüben. Aber wenn sie log und ihre Zustimmung verkündete, könnte sie seine Angst lindern. Was war schon dabei, eine harmlose Lüge auszusprechen? Er musste niemals erfahren, ob sie ihr Versprechen gehalten hatte oder nicht.

Sie schob ihre Befürchtungen beiseite. Sie könnte ihm seine Bitte abschlagen, doch wenn ihre Worte ihn trösteten, dann wollte sie ihm wenigstens das geben.

„Also gut“, sagte sie leise. „Ich werde ihm gestatten, mich zu nehmen.“

„Warum sollte ich für Euch einen Mann töten?“

Warrick de Laurent packte den Griff seines Schwertes fester und starrte Owen de Courcy an. Der Mann hatte ihn zu sich nach Northleigh Hall kommen lassen, ein heruntergekommener Burgturm, in dem es nach verfaulten Binsen und Vernachlässigung roch. Owen war ein junger Mann mit kalten grauen Augen und dunkelbraunem Haar, das über den Ohren kurz geschnitten war. Sein Bart bedeckte das Kinn nur spärlich, und er hatte die Lippen vorgeschoben wie ein trotziges Kind.

„Weil ich Euch dafür Land geben werde“, sagte Owen. „Und weil Ihr Rosamund de Courcy als Beute behalten könnt.“

Warrick achtete darauf, bei der Erwähnung von Rosamunds Namen keine Reaktion zu zeigen. Seit drei Jahren versuchte er, sie zu vergessen, doch die Erinnerung an ihr wunderschönes Gesicht suchte ihn immer noch jede Nacht heim.

Sie hat ihre Wahl getroffen, und sie hat sich nicht für mich entschieden.

„Ich habe keine Verwendung für eine Frau.“ Seine Stimme klang vollkommen ungerührt, als würde Rosamund ihm nichts bedeuten.

Owen wirkte ungehalten. „Wie Ihr meint. Ich bin sicher, einer meiner Männer wird sie haben wollen … und sich ihrer annehmen.“

Der Spott war nicht zu überhören, und Warrick hörte die Alarmglocken schrillen. Gewiss, er wollte Rosamund nicht wiedersehen. Aber er würde auch nicht zulassen, dass ein anderer Mann ihr etwas antat. Bevor er Owen anbrüllen konnte, fuhr der Mann fort. „Tötet meinen Bruder, und Ihr werdet alles bekommen, was Ihr Euch je erträumt habt. In der Schlacht habt Ihr bereits viele Männer vom Leben in den Tod befördert. Was spielt es da für eine Rolle, ob Ihr noch einen tötet?“

Es überraschte Warrick nicht, dass Owen seinen Bruder umbringen lassen wollte. Schließlich würde er Pevensham Castle und die riesigen Ländereien im Südwesten Englands erben. Owen gehörte zwar Northleigh Hall, doch es war offensichtlich, dass der Burgturm ziemlich baufällig war und die Ländereien vernachlässigt waren. Überall um sich herum sah Warrick Anzeichen dafür, dass der Mann nicht besonders wohlhabend war.

„Euer Bruder liegt bereits im Sterben“, sagte er zu Owen. „Jedermann weiß das. Ihr braucht nur zu warten, dann werdet Ihr bekommen, was Ihr Euch wünscht.“

„Ich habe Schulden, die ich zurückzahlen muss.“ Angewidert verzog Owen das Gesicht. „Und ich bin es leid, in diesem Schweinestall zu hausen. Wenn Alans Frau ein Kind bekommt, erbe ich gar nichts.“

Ein plötzlicher Anflug von Besitzgier erfasste Warrick, als Rosamunds Name erneut fiel. Er wollte sich nicht vorstellen, dass sie den Sohn eines anderen Mannes zur Welt brachte. Er ballte die Hände, und das Blut rauschte in seinen Adern, als er sich ausmalte, wie Alan de Courcy sie berührte. Drei Jahre hatten nicht ausgereicht, um seinen Zorn zu dämpfen.

„Was, wenn sie bereits schwanger ist?“, fragte er. Sobald er die Worte ausgesprochen hatte, keimte ein schrecklicher Verdacht in ihm auf. In diesem Fall würde Owen de Courcy dafür sorgen, dass sie das Kind verlor. Dieser Mann war entschlossen, sich zu holen, was er wollte – egal um welchen Preis.

Ein leichtes Lächeln huschte über Owens Gesicht. „Sie wird keinen Erben zur Welt bringen. Dafür werde ich schon sorgen.“ Er hielt ihm ein Blatt Pergament hin. Dann füllte er Bier in einen Krug und reichte ihn ihm. „Meine Leute haben dieses Schreiben vor ein paar Tagen abgefangen. Mein Bruder lädt Euch ein, ihn auf Pevensham Castle zu besuchen. Während Ihr dort seid, werdet Ihr gewiss Gelegenheit haben, ihn zu töten.“

Warrick nahm das Schreiben entgegen und stellte fest, dass das aufgebrochene Siegel Alan de Courcys Wappen trug. In dem Schreiben erwähnte de Courcy, dass er einen besonderen Auftrag für ihn habe, der ihm eine gewaltige Summe einbringen würde.

Er hatte kein Interesse an irgendeinem Auftrag von Alan de Courcy. Seit Rosamund diesen Mann geheiratet hatte, hatte er mit keinem von beiden ein Wort gewechselt.

„Ihr werdet dafür sorgen, dass Alan die nächsten vierzehn Tage nicht überlebt. Und Ihr müsst Rosamund von ihm fernhalten, bis ich sicher sein kann, dass sie nicht schwanger ist. Er darf keinen Erben bekommen“, sagte Owen.

„Warum jetzt?“ Warrick begriff nicht, weshalb Owen seinen Bruder unbedingt so schnell tot sehen wollte. Wurde der Mann womöglich selbst bedroht?

„König Henry wird bald aus der Normandie zurückkehren. Ich muss bereit sein, ihm meine Bündnistreue zu beweisen.“

Allmählich fielen alle Puzzleteilchen an ihren Platz. Als Herr über Pevensham Castle inklusive der dazugehörigen Ländereien und Soldaten wäre Owen ein wertvoller Verbündeter für den König. Oder plante er, sich Henrys rebellischen Söhnen anzuschließen, in der Hoffnung, dass dadurch eine höhere Position für sich selbst herausspringen könnte?

„Aber Ihr wollt Euch nicht die Finger schmutzig machen. Wenn ich erwischt werde, würde man mich wegen Mordes hinrichten, nicht Euch.“

Das schien den Mann kalt zu lassen. „Dann würde ich vorschlagen, dass Ihr Euch nicht erwischen lasst. Lasst alle glauben, dass Alan eines natürlichen Todes gestorben ist.“ Owen musterte ihn einen Moment. „Ihr könntet ihn im Schlaf töten, und niemand würde die Wahrheit erfahren.“

Und mit diesem Mann soll ich mich gemeinmachen? „Ich töte keine unschuldigen Männer im Schlaf“, erwiderte Warrick scharf.

Owen bedachte ihn mit einem verschlagenen Blick. „Ihr habt bereits unzählige Male getötet, als Ihr im Dienst des Königs standet. Wie viele habt Ihr in einer Schlacht niedergemetzelt? Man nennt Euch den Blutlord, ist es nicht so?“

Anspannung erfasste ihn, doch er verbarg seine Gefühle. „Ich bin kein Lord.“

„In der Tat, das seid Ihr nicht. Und deshalb werdet Ihr mir helfen – weil Ihr nicht das Geringste besitzt. Ich werde Euch Land in Irland geben, wo Euch niemand kennt. Ihr könnt dort als der Lord auftreten, der Ihr immer sein wolltet.“

In der Tat wollte er nur zu gern Land besitzen. Die Sehnsucht nach eigenem Grundbesitz brannte in seinen Adern. Als jüngster Sohn besaß er so gut wie nichts, und er hatte keine Lust, bei seinem Vater oder seinem älteren Bruder Rhys zu leben.

Doch das würde er Owen de Courcy gegenüber niemals zugeben. Seine Hand umfasste den Knauf seines Schwerts. „Wenn Land alles wäre, was ich wollte, könnte ich es für mich selbst erobern.“

„Ihr habt nicht genügend Männer, um eine Festung zu belagern“, stellte Owen fest. „Und Ihr wollt nicht nur das Land. Ihr wollt Euch an Rosamund rächen, und an dem Mann, der sie Euch gestohlen hat. Ich biete Euch die Gelegenheit, Euch die Frau zurückzuholen. Bestraft sie, wenn Ihr Euch damit besser fühlt.“

Sein Zorn auf Rosamund war noch längst nicht erloschen. Aber warum hatte Alan de Courcy ausgerechnet ihn eingeladen? Was wollte der Mann von ihm? Zweifelsohne hatte es irgendetwas mit Rosamund zu tun.

Warrick wusste, dass allein ihr Anblick frisches Salz in seine Wunden streuen würde. Er hatte versucht, sich mit anderen Frauen abzulenken, hatte versucht, sich ein Leben ohne Rosamund aufzubauen. Doch er konnte nicht vergessen, wie sie ihn voller Liebe angelächelt und die Hände an seine Brust gelegt hatte. Er hatte ihr langes schwarzes Haar um seine Finger gewunden und sie geküsst, bis sie vor Verlangen leise gestöhnt hatte. Aus ihren grünen Augen hatte sie zu ihm aufgeblickt, als würde es auf der ganzen Welt keinen anderen Mann für sie geben.

Er war immer noch wütend, weil sie sich am Ende doch für einen anderen entschieden hatte. Ihr Vater hatte ihr den Umgang mit ihm verboten, da er ihr nichts zu bieten hatte. Doch Warrick hatte geglaubt, dass Rosamund sich ihrer Familie widersetzen und bei ihm bleiben würde. Ihretwegen hatte er eine brutale Auspeitschung ertragen, nachdem ihr Vater sie auf der Flucht erwischt hatte. Doch anstatt das Versprechen zu halten, das sie einander auf heiligem Boden gegeben hatten, hatte sie alles abgestritten und sich für Alan de Courcy entschieden.

Warrick musste noch einmal in diese trügerischen grünen Augen blicken und aus ihrem Mund hören, warum sie es getan hatte. Rosamund war die Frau eines wohlhabenden Mannes, doch sie hatte keine Kinder. Und jetzt lag ihr Gemahl im Sterben. Bereute sie nach all den Jahren ihre Entscheidung von damals?

„Findet heraus, was mein Bruder von Euch will“, sagte Owen. Er warf Warrick einen kleinen Beutel zu. „Nehmt das als Beweis, dass ich zu meinem Wort stehe.“

Er öffnete ihn und stellte fest, dass er voll mit Silber war – ziemlich passend für einen Judaslohn. Warrick warf die Münzen auf den Tisch und schüttelte den Kopf. „Ich werde nicht für Euch töten.“

„Nicht einmal für sie?“ Was nahm dieser Kerl sich heraus? „Nicht einmal, wenn sie nach dem Tod ihres Mannes Euch gehört?“

Warrick hatte sich bereits entschlossen, herauszufinden, was Alan de Courcy von ihm wollte. Aber er hatte nicht vor, Owen de Courcys Meuchelmörder zu werden.

„Ich werde nach Pevensham Castle reiten“, erklärte er. „Aber nur, um meine eigene Neugier zu befriedigen. Wenn Ihr Euren Bruder töten wollt – nur zu. Aber er wird nicht durch meine Hand sterben.“

Owen musterte ihn nachdenklich. „Wir werden sehen, de Laurent. Wir werden sehen.“

Kaum jemals zuvor hatte Rosamund sich so unbehaglich gefühlt, ausgenommen vielleicht in ihrer Hochzeitsnacht. Sie hatte dafür gebetet, dass Alan seine Meinung ändern und den sündigen Plan aufgeben möge, doch ihr Gemahl blieb dabei. Sie wünschte, sie hätte den Mut, sich offen gegen ihn zu stellen. Ihre Lüge lastete schwer auf ihrem Gewissen, doch Schweigen war immer noch einfacher als ein Streit. Ehebruch war eine schwerere Sünde als ein gebrochenes Versprechen. Ihr Mann hatte sie in eine unmögliche Lage gebracht, und jetzt musste sie zwischen diesen beiden Verfehlungen wählen.

Seit Stunden schon starrte sie aus dem Fenster, seit Tagen wartete sie auf Warricks Ankunft. Es war Abend, als sie ihn durch das Tor reiten sah. Vom Turm aus konnte sie sein Gesicht kaum erkennen, doch seine Haltung zeigte deutlich, dass er immer noch derselbe stolze Mann war, den sie einst geliebt hatte. Sein Blick erfasste den inneren Burghof, ehe er den Kopf hob und zum Turm hinauf starrte. Sie rührte sich nicht, aber sie konnte genau den Moment benennen, in dem er sie erkannte. Ohne jeden Zweifel hatte er sie gesehen.

Ihr kornblumenblaues Kleid leuchtete im Turmfenster wie ein Banner. Sie hatte ihr bestes Gewand mit den langen, eng anliegenden Ärmeln angezogen. Ihre Taille zierte ein silberner Gürtel. Am Hals trug sie eine Silberkette mit einem blauen Stein. Ihre Kammermagd hatte ihr die Haare geflochten und wie eine Krone auf ihrem Kopf festgesteckt.

Wusste Warrick, warum er nach Pevensham Castle gerufen worden war? Sie erschauderte vor Furcht. Sie hatte den Hass in seinem Blick nicht vergessen, mit dem er sie am Tag ihrer Hochzeit angesehen hatte. Auch ohne ein Wort mit ihm zu wechseln, hatte sie genau gewusst, was er wollte. Sie sollte die Feier mit ihm zusammen verlassen und alles aufgeben – ihre Familie, ihre Ehre, das Leben, das sie kannte. Für ihn.

Manchmal wünschte sie, sie hätte es getan. Aber jetzt war es zu spät, um etwas daran zu ändern.

Rosamund umklammerte den hölzernen Fensterrahmen. Verachtete er sie nach all den Jahren immer noch?

Ihr Herz raste, und sie versuchte, sich zu beruhigen. Er würde Alans Vorschlag ablehnen, dessen war sie sich sicher. Sie brauchte lediglich gehorsam abzuwarten, dann würde Warrick wieder verschwinden.

Wenn sie nur die Ängste zum Schweigen bringen könnte, die sich in ihrem Inneren zu Wort meldeten! Warrick war ein stolzer Krieger. Er vergaß niemals ein Unrecht, das ihm angetan worden war. Es spielte keine Rolle, dass sie einzig und allein eingewilligt hatte, Alans Frau zu werden, um sein Leben zu retten. Oder dass sie keine Wahl gehabt hatte. Er erinnerte sich lediglich an das Versprechen, das sie ihm gegeben und dann gebrochen hatte. Das würde Warrick ihr niemals vergeben.

Es klopfte an der Tür, und als ihre Magd öffnete, verbeugte sich der Diener. „Mylady, Lord Pevensham wünscht, dass Ihr den Gast in der Großen Halle begrüßt. Er selbst ist nicht in der Lage, sein Bett zu verlassen.“

„Natürlich“, murmelte Rosamund, während sie Alan im Stillen verwünschte. Das tat er mit Absicht, um sie zu zwingen, dem Mann gegenüberzutreten, den wiederzusehen sie fürchtete.

Mit jedem Schritt, den sie in Richtung Treppe machte, dachte sie an den unseligen Befehl ihres Gemahls. Ihr Ärger und das Gefühl der Hilflosigkeit erwachten zu neuem Leben. Sie wollte sich Alans Wünschen nicht beugen, sosehr er auch einen Erben brauchte. Es war wesentlich besser für sie, eine treue Ehefrau zu bleiben und sich vor dem Liebeskummer zu schützen, der sich unweigerlich einstellen würde.

Ich darf keinen Ehebruch begehen. Auch wenn Alan selbst es von mir verlangt.

Denn sie konnte sich selbst in diesem Punkt nicht trauen. Die kleinste Berührung von Warrick würde ihr jahrelang vergrabenes Verlangen nach ihm wieder zu Tage fördern. Allein seine Anwesenheit auf der Burg erschütterte sie jetzt schon bis ins Mark.

Rosamund betrat die Große Halle, und sofort spürte sie den Blick des Kriegers auf sich. Die Luft knisterte fast vor Spannung, doch sie ging zur Estrade, dem leicht erhöhten Podest, das den Herrschaften vorbehalten war. Ihr Herz raste, und ihre Knie zitterten, aber sie ließ sich nichts anmerken.

Beruhige dich. Er ist nur ein Mann.

Sie konzentrierte sich auf den Anblick der sauberen Binsen auf dem Boden und schaute erst auf, als sie sich dazu in der Lage fühlte. Mit ernster Miene wagte sie es, ihn anzusehen. Die Angst hinter der Fassade würde Warrick verborgen bleiben.

„Mylady“, grüßte er und machte eine tiefe Verbeugung. Obwohl er sie mit der gebotenen Höflichkeit behandelte, spürte sie seinen schwelenden Zorn. Er schimmerte aus den blauen Augen, zeigte sich in der starren Körperhaltung. Sein dunkles Haar war kurz geschnitten, und er trug seinen Helm unter dem Arm, als zöge er bald in die Schlacht.

Er erinnert sich an alles. Noch immer schien er ihr zu verübeln, dass sie ihn nicht geheiratet hatte. Glaubte er allen Ernstes, sie hätte eine Wahl gehabt?

„Es ist lange her, Warrick de Laurent.“ Sie versuchte, ein Lächeln hervorzuzaubern, doch es misslang. Ich wollte nie, dass es damit endet, dass du mich hasst, hätte sie am liebsten gesagt.

Es hätte niemals enden sollen, schien er zu antworten. Seine blauen Augen spiegelten Gefühle, die sie nicht sofort benennen konnte. Er musterte sie, als würde er ebenfalls versuchen, ihre Gefühle zu erraten. Sie sah Zorn in seinem Blick, aber da war noch mehr.

„Ich habe eine Nachricht Eures Gemahls erhalten, in der er mich um einen Besuch bittet. Aber er hat mir keinen Grund genannt.“ Warrick beobachtete sie mit unverhohlenem Unmut und wartete auf eine Erklärung.

„Ich bringe Euch zu meinem Ehemann, dann wird er es Euch mitteilen.“ Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen. Seine beiden Waffenknechte machten Anstalten, sich ihnen anzuschließen.

„Eure Männer sollten besser hierbleiben“, sagte sie. „Was mein Gemahl Euch mitzuteilen hat, ist nur für Eure Ohren bestimmt.“

Warrick hob eine Braue, doch er befahl seinen Männern, zurückzubleiben. Rosamund drehte sich um und führte ihn zur Treppe. Hinter sich hörte sie seine Schritte. Sie raffte ihre Röcke und begann, die Wendeltreppe emporzusteigen. Als sie den Absatz auf halber Höhe erreichte, packte er ihre Hand und zwang sie, stehen zu bleiben.

„Warum bin ich hier, Rosamund?“ In seiner Stimme schwang unterdrückter Ärger mit, und sein Griff wurde stärker.

„Wie ich bereits sagte, mein Gemahl …“

„de Courcy ist mir vollkommen egal. Ich bin deinetwegen gekommen.“

Sie erschauerte. Seine Worte erinnerten sie an die Sinnlichkeit, die sie einst miteinander geteilt hatten. Vor Jahren hatte er sie berührt, als würde er sich nach ihr verzehren, als wäre sie der einzige Grund, warum er überhaupt am Leben war. In diesem Moment war sie sich seiner Nähe vollkommen bewusst. Er lockerte seinen Griff, und sein Daumen zeichnete die Adern auf ihrem Handrücken nach. Die plötzliche Zärtlichkeit raubte ihr fast die Sinne. Unwillkürlich stellte sie sich vor, er würde auch andere Stellen ihrer Haut liebkosen. Sie wurde sie von ihren Erinnerungen überwältigt – an ihren ersten Kuss, an seine Berührungen, an sein leises Stöhnen, wenn sein Verlangen übermächtig wurde. Rosamund lehnte sich an die Mauer, und die kalten Steine bildeten einen fast schmerzhaften Kontrast zu seinem warmen Daumen.

Sie hatte das schreckliche Gefühl, dass der Plan ihres Gemahls für sie beide böse enden würde. Die Zeit hatte die Gefühle, die sie einst für Warrick empfunden hatte, nicht getilgt.

„Warum hast du dich von mir abgewendet?“ Er stützte sich mit beiden Händen neben ihr an der Wand ab, sodass sie in der Falle saß. „Diese Frage hat mich all die Jahre beschäftigt.“

Sie versteifte sich und sah ihn an. „Mein Vater hat mich gezwungen, alles zu widerrufen. Dafür hat er dich am Leben gelassen.“ Sie hatte keinen Zweifel daran gehabt, dass Harold de Beaufort Warrick töten würde, weil er sie entehrt hatte.

Ihr blutete das Herz, als sie an jenen Tag dachte, an dem sie ihn verlassen hatte. Es gab sogar noch mehr Geheimnisse, die sie vor ihm verbarg, und so Gott wollte, würde er nie davon erfahren.

Doch er drängte weiter: „Er hätte mich nicht getötet, und das weißt du auch. Aber dann kam Alan, und er konnte dir alles bieten, während ich gar nichts hatte.“ Er löste die Hände von der Wand und machte eine Geste, welche die Festung mit einschloss. „Eine stattliche Burg für dich und Ländereien, die es mit denen des Königs aufnehmen können.“ Der Blick seiner blauen Augen wurde eisig. „Für dich hat es sich gelohnt, was?“

Bei ihm klang es, als hätte sie Alan aus Habgier geheiratet. Wie wenig er wusste! Aber sie konnte ihm niemals erzählen, was damals passiert war.

„Was vorbei ist, ist vorbei“, murmelte sie.

„Ist das so?“ Er hob die Hand und umfasste ihre Wange. Rosamund meinte fast zu spüren, wie seine Lippen ihren Hals berührten und seine Hände ihre Haut liebkosten. Schuldgefühle überkamen sie, weil sie auch nur daran dachte.

„Bitte lass mich los.“ Sie drückte den Rücken durch und wich zur Seite. Doch es war nicht zu leugnen, dass sie immer noch durch ein unsichtbares Band zu ihm hingezogen wurde. Es fiel ihr unendlich schwer, sich von ihm zu entfernen.

Warrick ließ sie los und folgte ihr die Treppe hinauf. Als Rosamund ihn zur Schlafkammer ihres Mannes führte, fühlte es sich an, als würde sie zu ihrer eigenen Hinrichtung gehen. Bevor sie die Tür öffnete, blieb sie stehen und sah Warrick an.

„Mein Gemahl liegt im Sterben“, sagte sie leise. „Aber er ist ein guter Mann. Was immer er auch von dir verlangt, bitte vergiss nicht, dass ich damit nichts zu tun habe. Lehne sein Ansinnen ab, mir zuliebe.“

Er sah sie an, ohne seine Neugier zu verbergen. „Meinst du das ernst?“

Sie nickte. „Es tut mir leid, dass du deine Zeit damit verschwendet hast, die weite Reise hierher zu unternehmen. Aber ich werde dich und deine Männer für deine Mühe entschädigen.“ Ohne ihm die Möglichkeit einer Antwort zu geben, öffnete sie die Tür und bedeutete ihm, zurückzubleiben.

Alan saß im Bett, von mehreren Kissen gestützt. Er wirkte müde. Neben ihm stand sein Essen, das er so gut wie nicht angerührt hatte, und ein Becher Wein, von dem er nicht einmal gekostet hatte. Es schmerzte Rosamund, ihn so sehr leiden zu sehen, dass er kaum essen konnte.

Sie ging zu ihm und begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange. „Warrick de Laurent ist hier.“ Sie drehte sich um und winkte ihrem Gast, näherzukommen. Warrick wirkte verstimmt, als bereue er es, hergekommen zu sein. Rosamund beschloss, die Männer allein zu lassen. Sie wollte gar nicht wissen, wie Warrick auf diesen ruchlosen Vorschlag reagierte. Sie hatte die Tür fast erreicht, als Alan sie aufhielt.

„Du bleibst hier, Rosamund.“ Mit einer Handbewegung entließ er seinen Diener, und gleich darauf waren sie allein.

„Schenk unserem Gast etwas Wein ein“, wies Alan sie an. „Warrick, bitte setzt Euch zu mir. Ich fürchte, ich habe nicht mehr die nötige Kraft, um Euch angemessen zu empfangen.“ Er winkte den Besucher zu sich, damit er auf dem Stuhl neben dem Bett Platz nahm.

Rosamund goss Wein in zwei Kelche. Einen reichte sie Warrick, den anderen ihrem Gemahl. Dann zog sie sich in den hintersten Winkel der Kammer zurück und hoffte, dass sich bald die Gelegenheit bieten würde, sich davonzustehlen. Sie nahm ihre Stickarbeit, doch ihre Hände zitterten so heftig, dass sie kaum die Nadel halten konnte.

Ihr Mann begann, Höflichkeiten auszutauschen, und fragte Warrick nach der Reise. Schließlich sagte er: „Ich nehme an, Ihr wüsstet gerne, warum ich Euch gebeten habe, nach Pevensham Castle zu kommen.“ Warrick erwiderte lediglich seinen Blick und wartete ab. „Es geht um meine Frau.“ Er winkte ihr zu, damit sie vortrat. „Setz dich zu mir, Rosamund.“

Ihr war schlecht, und ihre Haut war eiskalt. Ihr Mann nahm ihre Hand in seine, als wollte er sie trösten, doch seine Berührung linderte ihre Angst nicht. Am liebsten würde sie aus der Kammer stürmen und die Männer allein lassen.

„Ich weiß, dass ich sterben werde, de Laurent. Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt, aber ich möchte, dass sich jemand meiner Frau annimmt, wenn ich nicht mehr da bin.“

Warricks Schweigen legte sich schwer über den Raum, und Rosamund wagte es nicht, ihn anzusehen. Alan schien es nicht zu bekümmern, dass sein Gast nicht antwortete. „Wie es aussieht, wird mein Bruder Pevensham erben, wenn ich tot bin. Owen wartet ungeduldig auf mein Ende, und ich habe keinen Zweifel daran, dass er das Kind töten wird, das Rosamund zur Welt bringen wird.“

Endlich gab Warrick eine Antwort. „Sie ist also guter Hoffnung?“ Seine Stimme war tonlos, als würde Rosamund ihm nichts bedeuten.

Alan vermied eine direkte Antwort. „Ich hoffe, dass sie in naher Zukunft einen Sohn gebären wird. Doch ich fürchte, dass Rosamund hier nicht sicher sein wird. Obwohl meine Männer geschworen haben, sie zu beschützen. Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann. Jemand, der dafür sorgen kann, dass ihr und ihrem Kind nichts zustößt.“ Er sah Warrick direkt an. „Ich möchte, dass Ihr sie aus Pevensham Castle fortbringt, bevor Owen hier eintrifft.“

Alan nahm Warricks Hand und legte sie auf Rosamunds. „Und ich möchte, dass Ihr sie nach meinem Tod zur Frau nehmt.“

Ihre Hände zitterten, und Warricks Finger ruhten schwer auf ihren. Heftige Gefühle wallten in ihr auf, und es war nicht nur die Trauer über Alans bevorstehenden Tod. Sie begriff, was er vorhatte, und diese Vorstellung war fast zu viel für sie.

Für einen Moment sah es aus, als würde Warrick über den Vorschlag nachdenken. Sie spürte den Nachhall der sanften Liebkosung seines Daumens an ihrer Hand, und schon die Erinnerung an diese leichte Berührung erweckte eine fast unerträgliche Sehnsucht in ihr. Vergeblich versuchte sie, diese Empfindung zurückzudrängen.

Aus seinen blauen Augen starrte er sie an, und ganz kurz erhaschte sie einen Blick auf den jungen Mann, den sie einmal gekannt hatte. Ihr Herz geriet ins Straucheln, als sie versuchte, die Fassung zu wahren. Das Gewicht seiner Hand auf ihrer brachte eine Woge sinnlicher Erinnerungen zurück. Ein grimmiger Ausdruck legte sich über sein Gesicht, und er zog seine Hand zurück. „Zwischen Rosamund und mir ist nichts. Sie hat ihre Wahl schon vor Jahren getroffen.“

Alan versuchte, sich aufzusetzen, und sie schob die Kissen zurecht, um es ihm zu erleichtern. „Ich hatte befürchtet, dass Ihr das sagen würdet. Aber Ihr wisst auch, dass ich niemals der Mann war, den sie wollte.“

Rosamund schloss die Augen. Schuldgefühle überkamen sie, weil sie Alan nicht auf dieselbe Weise lieben konnte, wie er sie liebte. Sie hatte versucht, ihre Gefühle für Warrick zu vergessen, aber es war ihr nicht gelungen.

„Wir werden einen anderen Weg finden“, sagte sie zu ihrem Mann. „Warrick hat sein eigenes Leben. Ich hatte damit gerechnet, dass er ablehnt.“

Doch Alan ignorierte sie. „Damals wolltet Ihr sie so sehr, dass Ihr mit ihr davongelaufen seid, de Laurent. Bei meinem Bruder wird sie nicht sicher sein, und das wisst Ihr auch.“

„Ich bin nicht für sie verantwortlich.“ Warricks Worte waren kalt, doch sie spürte seine Verbitterung.

„Nein, das seid Ihr nicht. Aber wenn Ihr sie beschützt, werde ich dafür sorgen, dass Ihr die Ländereien bekommt, die Ihr immer gewollt habt.“

Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht. „In Irland, nehme ich an?“

Was erheiterte ihn so sehr an dieser Vorstellung? Alans Augen wurden schmal. „Woher wisst Ihr von meinen Ländereien in Irland?“

Warrick verschränkte die Arme und betrachtete ihren Mann. „Weil Owen de Courcy sie mir ebenfalls angeboten hat, zusammen mit Eurer Frau. Als Bezahlung, wenn ich Euch töte.“

2. KAPITEL

Er war nicht überrascht, als Rosamund aufsprang und ihn entrüstet ansah. „Raus hier, Warrick!“ Ihre Wangen waren zorngerötet. „Ich lasse nicht zu, dass Ihr meinem Mann etwas antut!“

Sie sah aus wie eine Kriegerin auf Rachefeldzug, bereit, ihm die Kehle durchzuschneiden, falls er es wagen sollte, Hand an Alan de Courcy zu legen. Ihre Entschlossenheit weckte jedoch nur sein Interesse, denn ihre grünen Augen funkelten wutentbrannt, und ihre Lippen waren fest zusammengepresst. In der Hand hielt sie ein kleines Messer, und er zweifelte nicht daran, dass sie es, falls nötig, auch benutzen würde.

„Beruhige dich, meine Liebe“, mischte Alan sich ein. „Wenn de Laurent vorhätte, mich zu töten, würde er mir das nicht vorher erzählen. Er hätte es längst tun können, und keiner von uns hätte die Kraft gehabt, ihn aufzuhalten.“

„In der Tat.“ Warrick blickte amüsiert auf das kleine Messer. „Habt Ihr vor, mich damit zu erdolchen?“

„Ich würde es tun.“

Ihr Zorn war noch lange nicht besänftigt. Rosamund mochte wie eine sanfte, sittsame Dame wirken, aber sie hatte einen eisernen Willen.

„Ich nehme an, Ihr habt nicht vor, mich in meinem Bett zu ermorden, de Laurent?“, fragte Alan amüsiert.

„Nein. Aber ich war der Ansicht, ich sollte Euch persönlich vor Eurem Bruder warnen. Er möchte Euch tot sehen, je eher, desto besser.“

„Das ist mir klar.“ Alans Miene wurde grimmig. „Owen hat seine eigenen Ländereien in Northleigh, aber er hat sie heruntergewirtschaftet und ist hoch verschuldet. Ich nehme an, die Geier kreisen bereits über ihm. Seit unser Vater vor vier Jahren starb, neidet er mir mein Land und meine Burg. Ich werde alles tun, um zu verhindern, dass Pevensham Castle an ihn geht.“

Seine Stimme hatte Entschlossenheit verraten, und Rosamund trat einen Schritt vom Bett ihres Gatten zurück. Sie wirkte gequält, als wüsste sie genau, was er gleich sagen würde – und als würde sie am liebsten im Boden versinken.

„Ihr habt mich also aus einem weiteren Grund hergerufen“, stellte Warrick fest. Er ließ Rosamund nicht aus den Augen. Sie kannte die Antwort.

Alan nickte. „Es ist eine höchst … ungewöhnliche Bitte. Aber es ist notwendig, um meine Gemahlin und meinen Besitz zu beschützen.“ Er machte eine ausholende Geste. „Wenn Ihr wollt, wird all das Euch gehören.“

Das Angebot ergibt keinen Sinn, dachte Warrick. Er war kein Blutsverwandter, und es gab keine Möglichkeit für ihn, Pevensham Castle zu erben.

„Das ist nicht möglich“, sagte er. Sein Blick wanderte zu Alan und dann zu Rosamund. Was für einen Plan hatten die beiden ausgeheckt?

„Ihr wisst, warum ich nicht will, dass mein Bruder alles erbt“, fuhr Alan fort. „Er ist ein grausamer Mann, der meine Diener und Landarbeiter schlecht behandeln, meine Ländereien vernachlässigen und meiner Frau wehtun wird. Mein Vater und ich haben alles dafür getan, dass Pevensham aufblüht.“ Die Aufrichtigkeit im Blick des Mannes verriet, dass de Courcy in der Tat einer jener Herren war, die sich um das Wohl ihrer Leute sorgten. „Ich kann es so einrichten, dass Pevensham nach meinem Tod an Euch geht, mit Rosamund an Eurer Seite.“

Dieses Angebot machte ihn sprachlos. Warum sollte Alan de Courcy so etwas tun? Sie kannten einander kaum. Das alles ergab überhaupt keinen Sinn.

„Selbst wenn ich Rosamund heiraten würde, würde Pevensham noch lange nicht mir gehören“, widersprach er. „Sie bekommt vielleicht ihren Witwenteil, aber …“

„Ihr würdet Pevensham verwalten, bis ihr Sohn erwachsen ist“, sagte Alan leise. „Und Ihr würdet sein Vormund werden.“

„Aber sie könnte genauso gut eine Tochter zur Welt bringen“, stellte er fest. „Was geschieht dann?“

Alans Miene wurde kühl. „Ich lege es in Gottes Hände. Im Moment ist Rosamund nicht einmal guter Hoffnung. Das ist unsere vorrangige Aufgabe.“

Die Aussage verwirrte ihn. „Aber Ihr sagtet, Ihr hofft, dass sie einen Sohn zur Welt bringt. Ist sie denn nicht …?“

„Noch nicht“, sagte Alan. Aus dem prüfenden Blick des Kranken wurde Warrick nicht klug. Worauf lief diese Unterhaltung hinaus? Sollte er die Truppen von Pevensham befehligen, bis Rosamund ein Kind zur Welt brachte?

Alan zögerte, und Warrick stellte fest, dass Rosamund blass geworden war und den Blick gesenkt hatte. „Ich möchte, dass Ihr ein Kind mit ihr zeugt.“

Er glaubte, sich verhört zu haben. Wie konnte ein Mann so etwas auch nur in Erwägung ziehen?

„Sofern Ihr einwilligt, wird Rosamund Euer Lager teilen, bis sie ein Kind empfangen hat. Euer Sohn wird Pevensham erben, wenn auch unter meinem Namen.“

Rosamund rechnete damit, dass Warrick den Vorschlag rundheraus ablehnen und Alans Schlafkammer verlassen würde. Doch stattdessen schwieg er, und dieses Schweigen machte ihr Angst. Lieber Gott, dachte er etwa ernsthaft darüber nach? Das konnte doch nicht wahr sein! Nicht nach dem, was zwischen ihnen vorgefallen war.

Sie starrte auf ihre Hände und betete darum, dass er das Ansinnen ablehnen würde. Doch sie spürte seinen eindringlichen Blick und die unausgesprochene Frage.

Als sie endlich aufblickte, sah sie das tiefe Verlangen in seinen blauen Augen. Er betrachtete sie, und sein Blick wanderte über ihren Körper. „Du wusstest von diesem Vorschlag, nicht wahr, Rosamund?“

Was für einen Zweck hätte es, das abzustreiten? Sie konnte den Wunsch ihres Gemahls nach einem Kind verstehen, und sie wusste, dass er jedes Opfer bringen würde, um Pevensham zu retten. Doch sie brachte kein Wort heraus und nickte nur. Alles in ihr wollte protestieren, denn alles in ihr sträubte sich gegen diesen Handel.

Rosamund hatte ihrem Gatten ihre Zustimmung gegeben, weil sie gedacht hatte, dass es niemals dazu kommen würde. Alan war erleichtert gewesen, als sie endlich nachgegeben hatte, und sie hatte die sichtbare Veränderung bei ihm gesehen. Er hatte zuversichtlicher gewirkt, weil er glaubte, dass jetzt alles gut werden würde. Aber vielleicht genügte es ihm, zu wissen, dass sich nach seinem Tod jemand um sie kümmern würde?

Warrick beobachtete sie mit undurchdringlicher Miene. „Ich würde gerne allein mit Rosamund sprechen.“

Oh nein. Lieber würde sie barfuß über glühende Kohlen laufen, als seine Fragen zu beantworten.

Doch Alan hatte keinerlei Bedenken. „Natürlich.“ Er wirkte geradezu eifrig bemüht, alles zu tun, damit Warrick sein Ansinnen nicht ablehnte.

Sie warf ihrem Mann einen flehenden Blick zu, den er jedoch ignorierte. Er bedeutete ihr, Warrick aus seiner Schlafkammer zu begleiten.

Widerwillig gehorchte sie. Möglicherweise konnte sie ganz aufrichtig zu Warrick sein und ihm begreiflich machen, warum sie Alans Plan scheinbar zugestimmt hatte. Dann würde er wenigstens wissen, dass er von ihr nichts erwarten durfte.

Sie führte ihn in ihr Privatgemach. Seine kräftigen Schritte verrieten seine Ungeduld, und sie spürte, dass er ihr eine ganze Menge zu sagen hatte.

Rosamund schickte ihre Kammermagd fort, dann schloss Warrick die Tür hinter sich. Er musterte sie einen Moment, bevor er sagte: „War das deine Idee, Rosamund? Wünschst du dir so dringend ein Kind?“

Ihr Gefühl der Ohnmacht kehrte mit aller Macht zurück. Wie konnte er so etwas nur glauben? „Nein, ganz und gar nicht.“ Sie holte tief Luft, um ihren Ärger zu besänftigen und sich zu beruhigen. „Ich verstehe, was Alan vorhat. Pevensham bedeutet alles für ihn. Sogar noch mehr als ich.“ Sie konnte ihre Bitterkeit nicht verbergen. „Er glaubt, ein Kind würde seinen Besitz vor Owen retten. Aber er irrt sich.“

Warrick betrachtete sie prüfend und ließ den Blick über ihren Körper wandern. „Hast du schon einmal ein Kind empfangen?“

Seine Frage traf sie unvorbereitet, und sie verschränkte die Hände, damit sie nicht zitterten. Sie wollte nicht daran denken und schon gar nicht mit ihm darüber reden. Der Schatten der Trauer war nie von ihrem Herzen gewichen, und sie wollte diesen Teil begraben lassen, genau wie ihr Kind.

Sie wollte Warrick überhaupt nichts erzählen. Wenn sie auch nur ein einziges Wort sagte, würde ihre schwankende Selbstkontrolle endgültig zusammenbrechen. Aber sie fürchtete, dass er keine Ruhe geben würde, bis er seine Antwort hatte, und das könnte sie nicht ertragen. Also sammelte sie ihre Kraft und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. „Ich hatte eine Fehlgeburt.“

Autor

Michelle Willingham

Michelle schrieb ihren ersten historischen Liebesroman im Alter von zwölf Jahren und war stolz, acht Seiten füllen zu können. Und je mehr sie schrieb, desto mehr wuchs ihre Überzeugung, dass eines Tages ihr Traum von einer Autorenkarriere in Erfüllung gehen würde.
Sie besuchte die Universität von Notre Dame im Bundesstaat...

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