Ein Ritter zwischen Betrug und Verlangen

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„Bringt Ellena zu mir!“ Auf Befehl seines Lehnsherrn reitet Sir Braedan Leofric mit seinen Leuten zur fernen Burg Swein, um Lady Ellena Swein zurück zu ihrem Vater zu geleiten. Ein gewaltiger Lohn winkt ihm, wenn er die schöne Witwe unbeschadet abliefert. Doch mit jeder Meile ihrer gefahrenvollen Reise erkennt der tapfere Ritter, dass er nichts zu gewinnen hat. Denn er begehrt Ellena übermächtig, und in einer stürmischen Nacht finden sie voller Leidenschaft zueinander. Dabei weiß Braedan genau, dass Ellenas heiße Gefühle für ihn in Hass umschlagen werden, wenn sie erfährt: Ihr Vater hat ihm die Burg versprochen, die ihr alles bedeutet …


  • Erscheinungstag 28.06.2022
  • Bandnummer 378
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507509
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als ihre Gruppe den Abstieg eines weiteren endlosen Hügels begann, drehte Ellena sich noch einmal im Sattel um und warf einen letzten Blick auf ihr Heim. Die Fahnen, die von den Zinnen des Castle Swein flatterten, konnte sie gerade noch erspähen, doch auch sie waren im nächsten Moment verschwunden. Langsam drehte sie sich wieder nach vorn und verstärkte ihren Griff um den Sattelknauf. Sie ahnte, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben.

Wild aussehende Krieger umzingelten sie von allen Seiten. Die kräftigen Männer mit ihren gefährlichen Waffen gaben ihr das Gefühl, eine Gefangene zu sein. Seit sie im Morgengrauen aufgebrochen waren, hatte sich keiner von ihnen die Mühe gemacht, auch nur einen Blick in ihre Richtung zu werfen geschweige denn das Wort an sie zu richten.

Durch die Wand aus Kettenhemden, die sie umgab, konnte sie gerade so den Anführer der Gruppe ausmachen. Er war der Grund dafür, dass sie sich in dieser misslichen Lage befand. Sir Braedan Leofric – auch bekannt als „Die Bestie“. Er war die rechte Hand ihres Vaters, dem Earl of Ogmore. Sir Braedan hatte sie wider besseres Wissen davon überzeugt, in die Burg ihres Vaters zurückzukehren.

Als ihr Magen laut knurrte, wurde ihr bewusst, dass sie seit dem Nachtmahl am Abend zuvor nichts mehr gegessen hatte.

Resolut trieb sie Awen zu einer schnelleren Gangart an. Zuerst schien ihre Stute nicht gewillt zu sein, die anderen Pferde zu überholen, doch Ellena ließ ihr keine Wahl. Auch wenn die Männer es nicht gern sahen, dass sie ihren Platz verließ – sie stand im Rang über ihnen und hatte zumindest theoretisch das Kommando.

„Ich mag es nicht, wenn ich beim Reiten so eingekesselt werde“, teilte sie Braedan mit, als sie neben ihm ritt.

„Es geschieht zu Eurer eigenen Sicherheit“, erwiderte er, ohne sie anzuschauen. Seine dunklen Augen waren ausschließlich auf die Umgebung vor ihnen geheftet, die er nach möglichen Gefahren absuchte.

Die langen Finger seiner linken Hand ruhten fest auf dem Knauf seines Schwerts, während seine schwere Rüstung in der Sonne schimmerte. Seine Krieger waren bereits furchterregend genug, doch die breite Brust und die muskelbepackten Arme dieses Mannes machten ihn zu jemand, dem man sich besser nicht in den Weg stellte.

Ellena überlief trotz des warmen Wetters ein Schauer. Es wäre dumm, ihm zu vertrauen. Er würde für ihre Sicherheit sorgen, das ja, aber er würde es keinesfalls dulden, dass sie seine Entscheidungen infrage stellte. Dabei war sie nun schon so lange selbst für ihr Schicksal verantwortlich, dass es ihr schwerfallen würde, die Kontrolle abzugeben – selbst wenn es nur für die acht Tage war, die sie zusammen reisen würden.

„Niemand wäre so töricht, mich entführen zu wollen, während ich mit so vielen bewaffneten Männern unterwegs bin. Und tot bin ich niemandem nütze“, gab sie zu bedenken.

„Copsi braucht Euch nicht lebend. Er braucht nur Eure Leiche. Jetzt begebt Euch wieder in die Mitte meiner Männer!“, befahl er. Erst im nächsten Moment schob er ein „Bitte“ hinterher.

„Nein!“ Sie würde diesem Mann zeigen, dass sie keine Angst vor ihm hatte.

Braedan umklammerte seinen Sattelknauf. Schließlich wandte er sich zu ihr um. Als sie der Blick aus seinen dunklen Augen traf, begann ihr Herz wild zu pochen.

„Warum widerstrebt es Euch so sehr, Befehle zu befolgen?“, knurrte er.

„Ich bin nicht einer Eurer Männer. Und Ihr habt keinerlei Recht, mir Befehle zu erteilen. Genau genommen, ist es eher umgekehrt, meint Ihr nicht auch?“

Braedans Lippen verzogen sich verächtlich. Es ließ die Narbe, die an seinem Mund verlief, noch deutlicher hervortreten. „Ich nehme nur von Eurem Vater Befehle entgegen.“

„Nun, und ich nehme von niemandem Befehle entgegen“, entgegnete sie kühl.

Lange blickte er sie an. Ellena fasste die Zügel fester, damit ihre Hände bloß nicht anfingen zu zittern.

„Ist das so?“, meinte er schließlich. Seine Worte klangen beinahe belustigt.

Sie nickte majestätisch.

„Männer – schließt auf!“, befahl er, ohne den Blick von ihr zu wenden.

Wie eine Einheit trabten seine Männer an ihnen vorbei und bildeten erneut einen beschützenden Ring um sie.

Wenn Ellena gestanden hätte, dann hätte sie vor lauter Zorn mit dem Fuß aufgestampft. So begnügte sie sich damit, leise, aber ausgiebig zu fluchen. Diesen Triumph würde sie ihm lassen müssen, doch sie würde dafür sorgen, dass es sein letzter war!

„Ich hätte nicht gedacht, dass eine Lady solche Worte kennt“, bemerkte Braedan amüsiert. Seine Mundwinkel hatten sich zu dem ersten leichten Lächeln verzogen, das sie an ihm sah.

Es überraschte sie, dass er sich nicht sofort wieder an die Spitze der Gruppe setzte. Zumindest hatte sie auf diese Weise einen Gesprächspartner. Mittlerweile war ihr jede Gesellschaft recht, auch wenn es der nervtötendste Mann war, der ihr je begegnet war.

„Ich habe Brüder“, erklärte sie.

„Ja, ich kenne sie. Es erstaunt mich nur, dass sie es wagen, in Eurer Gegenwart zu fluchen.“

Natürlich kannte er ihre Brüder. Braedan war als einer der vielen Knappen ihres Vaters aufgewachsen. Damals war er ihr allerdings nicht aufgefallen. Ihre Tage waren damit angefüllt gewesen, sich auf die Ehe vorzubereiten, die ihrer Familie eine strategisch günstige Allianz einbringen sollte.

Erst später, nachdem seine Familie ihren guten Ruf verloren hatte, war Braedan auf die Burg ihres Vaters gekommen. Damals hatte sie bereits Lord Swein geheiratet und ihr Zuhause verlassen. Vor acht Jahren war das gewesen.

„Sie wären ausgepeitscht worden, wenn mein Vater das gewusst hätte“, gab sie zu. „In den vergangenen Jahren hat es sich aber als nützlich erwiesen, fluchen zu können.“

Nachdenklich nickte er.

Eine Weile ritten sie schweigend. Braedan schien wieder damit beschäftigt zu sein, die Umgebung auszuspähen, während Ellena die Gelegenheit nutzte, ihn zu mustern. Zwei Narben zeichneten sein Gesicht. Eine dünne zog sich von unterhalb seines linken Auges bis zu seinem kurzen dunkelblonden Bart. Seine rechte Seite konnte sie nicht sehen, aber sie wusste, dass eine dickere Narbe von seinem Ohr bis zu seinem Kinn verlief.

Ellenas neue Zofe fürchtete sich vor seinem Gesicht. Sie meinte, die Narben ließen ihn unmenschlich wirken. Ellena konnte das nicht nachvollziehen. In ihren Augen zeugten die Narben von einem ebenso harten wie faszinierenden Leben. Eines, das sich sehr von ihrem eigenen unterschied.

„Interessiert Ihr Euch für meine Narben, Mylady?“, beendete er plötzlich das Schweigen zwischen ihnen.

Hitze strömte in ihre Wangen. Sie hatte geglaubt, dass er so sehr auf ihre Umgebung konzentriert wäre, dass er ihre neugierigen Blicke gar nicht wahrnahm. Rasch wandte sie den Kopf ab und schaute zu der Baumreihe weit vor ihnen. Hoffentlich entging ihm so, wie rot sie wurde.

„Ihr scheint einige Male großes Glück gehabt zu haben“, sagte sie schließlich.

„Das war kein Glück, Mylady. Es sind die vielen Stunden des Trainings, die mir bereits mehrfach das Leben gerettet haben.“

Da wandte sie sich ihm wieder zu. „Wenn Ihr so gut wärt, dann wäre es Euch sicherlich gelungen, mehr als eine Person davon abzuhalten, Euer Gesicht zu erwischen?“

Diesmal lächelte er voll, was Schmetterlinge in ihrem Bauch tanzen ließ. Sie legte sich eine Hand auf die Körpermitte. Kein Mann hatte je eine solche Reaktion in ihr ausgelöst – ganz sicher nicht Lord Swein und auch kein anderer Mann seit dessen Tod. Ellena erschauerte. Sie wollte auf keinen Mann so reagieren, und schon gar nicht auf den Wachhund ihres Vaters.

„Vielleicht könnt Ihr mir ja ein paar Ratschläge geben, da Euer Gesicht völlig makellos ist, Lady Swein?“

Er drehte sich zu ihr um. Sofort verlor sie sich in seinem dunklen Blick.

„Ich bin nicht so dumm, überhaupt zu kämpfen“, entgegnete sie. Ihre Worte waren als Spitze gedacht, kamen aber schwächer heraus als ihr lieb war.

„Dann seid Ihr die Glückliche“, erwiderte er.

Ellena nickte bedächtig. Die Geräusche der anderen um sie herum traten in den Hintergrund, bis nur noch der Mann übrig blieb, der neben ihr ritt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Mühsam riss sie ihren Blick von ihm los.

„Wann halten wir an, um etwas zu essen?“, fragte sie, als sich ihr Magen erneut meldete.

„Bald“, antwortete er. „Hinter dem nächsten Hügel gibt es einen guten Rastplatz.“

Es gelang ihr gerade noch, ein Stöhnen zu unterdrücken. Sie sollte erst einen weiteren steilen Hügel bezwingen, ehe sie etwas zu essen bekam? Zwar war sie fest entschlossen, vor diesen Männern keinerlei Schwäche zu zeigen, dennoch schien ihr ein Seufzen entschlüpft zu sein, denn Braedan fragte: „Seid Ihr müde, Mylady?“

„Nein.“

Er hob eine Augenbraue.

„Ein bisschen“, gestand sie.

Jeder einzelne Muskel in ihrem Körper schmerzte. Sie war es nicht gewohnt, so lange im Sattel zu sitzen, aber sie würde den Teufel tun und ihm das verraten.

Kurz löste sie eine Hand vom Zügel und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Auch wenn sie sich der kühleren Jahreszeit näherten, war die Sonne noch warm. Allmählich bereute sie, den dicken Mantel angezogen zu haben, als sie am frühen Morgen aufgebrochen waren.

„Möchtet Ihr Euren Mantel ablegen?“, fragte Braedan ganz so, als könnte er Gedanken lesen.

Rasch schaute sie zu ihm hinüber. Sie rechnete damit, dass er seinen Unmut über ihre Schwäche nicht würde verbergen können, doch stattdessen hatten seine Augen einen sanften Ausdruck. Aus irgendeinem Grund jagte ihr das mehr Angst ein als das ärgerliche Stirnrunzeln zuvor.

„Haben wir genug Zeit, um dafür anzuhalten?“, fragte sie spöttisch.

„Nein, aber Ihr könnt den Mantel abnehmen, während wir reiten.“

Ehe sie sich erkundigen konnte, wie das gehen solle, trieb er auch schon sein Pferd so dicht an ihres heran, dass sich ihre Knie berührten. Der überraschende Kontakt entlockte ihr ein leises Keuchen, doch sie rührte sich nicht von der Stelle.

Jetzt, da er ihr so nah war, konnte sie erkennen, dass in seinen dunkelbraunen Augen goldene Sprenkel funkelten.

„Öffnet die Spange.“

„Was?“, murmelte sie törichterweise.

Er deutete auf die Mantelschließe an ihrem Hals.

„Öffnet sie, dann ziehe ich den Mantel unter Euch hervor.“

Ellena schluckte. Mein Gott, sie war ganz gebannt von seinen Augen, während er versuchte, ihr behilflich zu sein!

„Ich übernehme die Zügel, während Ihr das tut“, fügte er hinzu.

Im nächsten Moment beugte er sich vor. Seine Fingerspitzen streiften ihren Handrücken. Ellena erschauerte. Als Awen unter ihr leicht strauchelte, verlor sie kurz das Gleichgewicht. Eine starke Hand legte sich um ihren Ellbogen und gab ihr Halt. Hastig rutschte sie auf dem Sattel wieder in die richtige Position und schüttelte seine Hand ab. Die Wärme seiner Finger spürte sie jedoch immer noch, nachdem er sie schon längst losgelassen hatte.

„Danke“, murmelte sie leise, ohne ihn anzuschauen.

Braedan sagte nichts.

Rasch öffnete sie die Mantelschließe, woraufhin er den schweren Stoff unter ihr hervorzog. Ohne langsamer zu werden, faltete er den Mantel sorgfältig zusammen und befestigte ihn auf dem Rücken seines Pferdes.

„Ich kann …“, begann sie.

„Sir“, ließ sich da Merrick, Braedans erster Stellvertreter, vernehmen. „Vor uns befinden sich Reiter.“

„Sind sie bewaffnet?“, rief Braedan, der den Griff um sein Schwert verstärkte.

„Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen.“

Die Intimität der vergangenen Augenblicke war mit einem Schlag dahin, als hätte es sie nie gegeben.

„Hier sind wir in der besten Position. Wenn wir weiter ins Tal hinunterreiten, machen wir uns nur angreifbarer“, erklärte Braedan mit stählerner Ruhe.

Wie aufs Kommando drosselten die Männer das Tempo und kamen schließlich zum Stehen. Aldith, Ellenas Zofe, wurde zu ihnen in die Mitte gedrängt. Das Mädchen war ganz blass. Ellena lächelte ihr aufmunternd zu.

Sie konnte es ihr nicht verdenken, dass sie sich ängstigte. Erst am Tag zuvor war Bronwen, Ellenas bisherige Zofe und engste Vertraute, mit ihrer Herrin verwechselt und angegriffen worden. Dabei hatte sich Bronwen das Bein gebrochen.

Bis zu diesem Augenblick hatte Ellena ihrem Vater nicht geglaubt, dass ihr Leben in Gefahr war. Doch als sie ihre Zofe und Freundin verletzt im Morast liegen sah, war irgendetwas in ihr zerbrochen. Sie hatte schließlich nachgegeben und zugestimmt zur Burg ihres Vaters zurückzukehren – wenn auch nur für einen kurzen Besuch.

Sie würde ihm mitteilen, dass sie nicht die Absicht hatte, sich neu zu vermählen. Stattdessen würde sie ihn bitten, ihr ein paar Ritter mitzugeben. Die konnten sie vor den Männern beschützen, die die Ehe mit ihr suchten, um ihre kleinen aber ertragreichen Ländereien in die Finger zu kriegen. In letzter Zeit waren diese Männer immer aufdringlicher geworden.

Swein war kein großer Besitz, aber verglichen mit vielen anderen hatte er den Vorteil, an einer weiten, flachen Bucht zu liegen, die ideal für den Seehandel geeignet war. Zudem war der Boden sehr fruchtbar. Unter ihrer Leitung war der Besitz aufgeblüht, was ihn umso attraktiver machte für die lokalen Grundherren, die es scheinbar nicht abwarten konnten, sich Swein unter den Nagel zu reißen und ihre Ländereien einzuverleiben.

Die Heiratsanträge abzulehnen, fiel Ellena leicht, aber sie konnte sich nicht selbst beschützen, wenn einer von diesen Männern beschloss, in Swein einzufallen. Ihre Leute waren nicht so gut ausgebildet wie die Ritter von Ogmore. Alles, was sie sich von ihrem Vater wünschte, war mehr Schutz.

Als neben ihr Aldiths Pferd wegrutschte, musste sie sich abwenden, um ihre Irritation zu verbergen. Wegen ihrer Verletzung hatte Bronwen sie nicht begleiten können, sodass sie sich nun mit einer Frau arrangieren musste, die sie kaum kannte.

Ellena vermutete, dass Aldith sich nur deshalb freiwillig erboten hatte, sie zu begleiten, weil sie ein Auge auf Merrick geworfen hatte. Schon den ganzen Morgen verfolgte sie ihn mit begehrlichen Blicken, was Ellena an sich amüsant fand. Es war die einzige Form der Unterhaltung, die Aldith ihr bot, denn ansonsten hatte die Zofe nicht viel zu sagen.

Von ihrer Position in der Mitte der Gruppe konnte Ellena die herannahende Reiterschar schlecht sehen. Sie schien aber mindestens doppelt so groß zu sein wie ihre eigene Gruppe. Plötzlich waren ihre Hände ganz klamm. Verstohlen wischte sie sie an ihrer Tunika ab.

Aldith wimmerte leise.

Die Männer zügelten ihre Pferde schließlich einige Schritte von ihnen entfernt.

„Sir Leofric“, grüßte der Mann, der offensichtlich der Anführer war.

„Lord Copsi“, entgegnete Braedan knapp.

Der Lord wirkte nicht wie eine große Bedrohung. Sein schütterer Bart umrahmte ein rotes Gesicht mit kleinen Augen über einer knolligen Nase. Dass dies der größte Feind ihres Vaters sein sollte, war kaum zu glauben.

Ellena konnte sich nicht erinnern, wie lang die beiden schon um Land stritten. Jedenfalls war es in Lord Copsis Augen eine unentschuldbare Beleidigung, dass der Earl of Ogmore seine Tochter mit Lord Swein vermählt hatte.

Teil der Ehevereinbarung war es gewesen, Copsi zu untersagen, Swein-Land zu betreten. Dies wiederum bedeutete, dass er keinen Zugang zu den Handelsrouten am Meer hatte. Zu Beginn mochte Ellena diese Regelung ein wenig harsch erschienen sein, doch im Laufe ihrer Ehe hatte sie immer mehr über Copsi erfahren und konnte mittlerweile die Position ihres Vaters nur zu gut verstehen.

Früher hatte Copsi das Ohr des Königs besessen und ihn in Angelegenheiten des Reiches beraten. Erst als sich immer mehr rätselhafte Todesfälle ereigneten, von denen stets Copsi profitierte, fiel er in Ungnade. Zu diesem Zeitpunkt heiratete der Earl of Ogmore die jüngste Schwester des Königs und stieg damit in Macht und Ansehen auf. Ein Umstand, den Copsi ihm bis zum heutigen Tag bitter übel nahm.

Ogmores Land grenzte an mehreren Stellen an das von Copsi. Immer wieder kam es zu Scharmützeln zwischen den Rittern beider Seiten. Ogmore behielt stets die Oberhand, doch Copsi war nicht bereit, seine Niederlage anzuerkennen.

Nach Sweins Tod hatte Copsi mehrere Gesandte zu Ellena geschickt. Die hatten zwar nur Andeutungen gemacht, doch es wurde schnell klar, dass er versuchte, eine Ehe zwischen ihnen anzubahnen.

Selbst wenn sie der Versuchung erlegen wäre, wieder zu heiraten, dann bestimmt nicht einen Mann, dessen erste beiden Frauen unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen waren – beide innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung. Ihre eigene Ehe war schlimm genug gewesen, aber zumindest hatte sie sie überlebt. Nie wieder würde sie sich der Gnade eines Mannes ausliefern.

„Was macht Ihr in diesem Teil des Landes?“, fragte Copsi Braedan.

„Ich bin im Auftrag des Earl of Ogmore unterwegs“, antwortete Braedan grimmig. „Ihr haltet euch gefährlich nahe an der Grenze auf“, fügte er hinzu.

Copsi ignorierte Braedans Bemerkung und ließ seinen Blick über ihre Gruppe gleiten. Als er Ellena erspähte, zeichnete sich ein schwaches Lächeln auf seinen Reptilien-Lippen ab.

Sie schauderte. Übelkeit stieg in ihr auf. Allein der Gedanke, dieser hässliche Mund könnte ihrem Leib nahekommen, machte sie krank. Zum ersten Mal, seit sie ihre Burg verlassen hatten, war sie dankbar, eine Mauer aus Kriegern um sich zu haben.

„Nun, es tat gut, Euch wiederzusehen, Sir Braedan, aber ich will Euch nicht aufhalten. Ich weiß, dass Ogmore nicht gern wartet.“

Ellena war entsetzt darüber, wie herablassend Lord Copsi klang. Die Gerüchte besagten, dass niemand so mit „Der Bestie“ sprach und damit davonkam.

Braedan presste die Lippen aufeinander und sagte nichts.

Copsi warf ihm noch einen langen Blick zu, dann drehte er sich zu seinen Männern um und bedeutete ihnen, weiterzureiten.

Braedan und seine Ritter warteten so lange, bis Copsi nicht mehr zu sehen war.

„Ich fürchte, wir werden keine Rast einlegen können, um zu essen, Lady Swein. Bis zum späten Nachmittag will ich Nerdydd erreichen“, sagte Braedan.

„Aber … das war nicht bedrohlich“, widersprach Ellena, der der Gedanke gar nicht behagte, im Sattel sitzen zu müssen, bis sie den ersten Stopp ihrer Reise erreicht hatten. Copsi mochte ja einen schlechten Ruf haben, aber er sah aus, als könnte ihn schon eine etwas stärkere Brise umwehen.

„Wir haben einige Männer an Copsis Hof einschleusen können, die Eurem Vater treu ergeben sind“, sagte Braedan, während er sein Pferd leicht antrieb, damit es sich in Bewegung setzte. „Sie haben uns berichtet, dass er immer besessener von dem Gedanken ist, Euch zu seiner Frau zu machen. Damit könnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – er würde Eurem Vater eins auswischen und Sweins Land in seine Finger kriegen. Wir hatten gehofft, Euch nach Ogmore bringen zu können, ehe er Wind davon bekommt, doch offensichtlich hat auch er seine Spione am Hof Eures Vaters. Bei dem heutigen Treffen ging es nur darum, zu schauen, wie viele Männer Euch begleiten. Es wäre nicht klug, Copsi zu unterschätzen. Kommt – wir müssen uns beeilen.“

Ellenas Muskeln protestierten, als die Pferde in einen leichten Galopp fielen, aber sie widersprach nicht, auch wenn ihr Magen weiter knurrte. Je eher sie nach Ogmore kam, desto schneller konnte sie ihren Vater davon überzeugen, dass es keinen Grund für sie gab, wieder zu heiraten. Sie war auf Castle Swein zufrieden und würde nicht zulassen, dass man sie wieder mit irgendeinem Mann verheiratete.

Trotz des warmen Tages schauderte sie. Ihre Ehe war ein einziger Albtraum gewesen. Nie wieder würde sie eine solche Verbindung eingehen – und schon gar nicht mit Lord Copsi, einem Mann, der sie viel zu sehr an ihren brutalen verstorbenen Ehemann erinnerte.

2. KAPITEL

Braedan hätte lieber draußen im Freien kampiert, wo der saure Geruch vergossenen Ales und das unablässige Gepolter von Fremden ersetzt wurde durch das leise, beruhigende Geräusch des Windes, der durch die Äste der Bäume fuhr. Da seine neueste Mission aber darin bestand, die einzige Tochter seines Lehnsherrn sicher nach Hause zu geleiten, konnte er schlecht verlangen, dass eine hoch wohlgeborene Lady unter dem Sternenhimmel schlief.

Außerdem war es unwahrscheinlich, dass Lord Copsi seinen Angriff bereits hier wagen würde. Zu viele Menschen. Es war viel geschickter zu warten, bis sie im Freien übernachteten, was sie tatsächlich einmal tun mussten, ehe sie die Sicherheit von Ogmore Castle erreichten. Braedan war sicher, dass ihnen genau dann Ärger bevorstand.

Als er einen großen Schluck Ale trank, überraschte ihn die fruchtige Würze des Gebräus. Eine Schankmagd tauchte an seiner Seite auf, um seinen Krug aufzufüllen. Schon den ganzen Abend schenkte sie ihm ein einladendes Lächeln, was seine Männer dazu veranlasste, zu feixen und zotige Witze zu reißen. Dennoch hatte er nicht vor, das Angebot, das sie ihm so offensichtlich machte, anzunehmen.

Rasch legte er eine Hand über den Krug und schüttelte den Kopf. Er musste wachsam bleiben, wobei zu viel Ale nur hinderlich war.

Entschlossen leerte er den Krug, stellte ihn auf dem Tisch ab und erhob sich. Er würde noch einmal eine Runde um das Gasthaus drehen und nach Anzeichen von Copsi und seinen Männern Ausschau halten.

Als er die Taverne verließ, ignorierte er das traurige Gesicht der Schankmagd. Er hatte ihr keinen Grund gegeben, zu glauben, er würde ihr Interesse erwidern. Zumal er ohnehin bezweifelte, dass sie ein echtes Verlangen verspürte, das Bett mit ihm zu teilen. Als er noch jünger gewesen war, mochte er halbwegs attraktiv gewesen sein, aber die Jahre im Dienste Ogmores hatten sein Gesicht gezeichnet, das die meisten Menschen abstoßend fanden, wie er sehr wohl wusste.

Sogar seine eigene Mutter schaffte es kaum noch, ihm in die Augen zu schauen – was allerdings weniger mit seinen Narben zu tun haben mochte als mit der Tatsache, dass es sie enttäuschte, welche Wendung das Leben ihrer Familie genommen hatte. Ja, sie führte ganz sicher nicht das Leben, das sie sich vorgestellt hatte, als sie seinen Vater geheiratet hatte, einen angesehenen und wohlhabenden Landbesitzer.

Wenn Frauen jetzt an ihm Interesse zeigten, dann lag es an seinem Ruf als „Die Bestie“, von dem sie sich angezogen fühlten. Braedan verspürte jedoch schon lange keine Befriedigung mehr darin, sich aufgrund dessen Vergnügen zu verschaffen.

Als die Tür des Gasthauses hinter ihm zufiel, wurden die Geräusche der fröhlichen Zecher sofort verschluckt. Ein feiner Sprühregen legte sich auf sein Haar und seinen Bart, woraufhin er den Blick gen Himmel wandte und erleichtert seufzte. Es fühlte sich gut an, wieder draußen zu sein.

Die Sonne war bereits untergegangen. Die Straßen von Nerdydd lagen ruhig und verlassen da. Lediglich ein einzelner Mann hastete an ihm vorbei, den Kopf gesenkt und den Mantel fest um sich gewickelt. Braedan sah ihm hinterher, wie er die Straße hinunter verschwand. Da er sich kein einziges Mal in Richtung Gasthaus umdrehte, war er vermutlich harmlos.

Dennoch legte er eine Hand um seinen Schwertknauf, während er die Taverne langsam umrundete. An der Giebelseite blickte er zu dem Fenster hinauf, das zu Ellenas Kammer gehörte. Die Läden waren fest verschlossen, doch er glaubte, irgendwo in den Tiefen des Raums ein flackerndes Kerzenlicht ausmachen zu können. Kurz fragte er sich, ob sie endlich den Schleier abgelegt hatte, der ihr Haar bedeckte. Es war verrückt, wie sehr er sich wünschte, zu erfahren, ob es genauso dunkel war wie ihre langen Wimpern.

Rasch schob er den Gedanken beiseite.

Seine Aufgabe bestand darin, sie in einem Stück auf der Burg ihres Vaters abzuliefern. Es war völlig unpassend darüber nachzudenken, wie schön sie war – sogar dann, wenn sie ihm einen betont hochmütigen Blick zuwarf, mit dem sie ihn in seine Schranken weisen wollte.

Dennoch musste er in den unmöglichsten Momenten daran denken, wie es sich wohl anfühlen würde, seine Finger über ihren zarten Nacken gleiten zu lassen. Es war verstörend, denn nicht nur stand sie im Rang weit über ihm, sondern sie war auch die starrköpfigste Frau, der er je begegnet war. Es wäre ihm lieber, überhaupt nicht an sie zu denken.

Wenn er sie zu ihrem Vater zurückbrachte, würde der Earl ihr einen passenden Ehemann suchen und sie von seinem Intimfeind Copsi befreien. Es ging Braedan rein gar nichts an, wen sie heiratete – auch wenn er froh war, dass es nicht Copsi sein würde.

Sein Griff um den Schwertknauf verstärkte sich, wenn er an ihren entsetzten Gesichtsausdruck zurückdachte, als er ihr gesagt hatte, dass Copsi sie heiraten wolle, bevor sie die Burg ihres Vaters erreichte. Copsi war kein Mann, dem eine Frau schutzlos ausgeliefert sein sollte. Braedans Spione an Copsis Hof hatten ihm berichtet, dass der Lord es genoss, Frauen zu quälen. Er war der Ansicht, dass Frauen nur aus einem einzigen Grund da waren: um ihm Lust zu bereiten, weshalb er sich auch nichts dabei dachte, eine Frau gegen ihren Willen zu nehmen.

Braedan würde mit Zähnen und Klauen dagegen kämpfen, dass Ellena in Copsis Hände fiel, während sie sich unter seinem Schutz befand. Sobald sie erst mit jemand anders verheiratet war, würde sie Copsi nicht mehr von Nutzen sein, sodass der Mistkerl seine Aufmerksamkeit auf irgendeine andere bedauernswerte Frau richten würde.

Um Ellenas willen hoffte er, dass der Earl of Ogmore einen Mann für sie wählen würde, der ihr in Geisteskraft und Stärke das Wasser reichen konnte. Zumindest würde praktisch jeder Mann ein besserer Partner als Copsi für die elegante Lady Swein sein, deren hellblaue Augen ihn stets mit einer Mischung aus hochmütiger Verachtung und intelligenter Nachsicht betrachteten.

Eine Emotion, die er tatsächlich nie in ihrem Gesicht gesehen hatte, war Angst. Im Gegensatz zu anderen Menschen fürchtete sie sich nicht vor ihm. Noch nicht.

Braedan lächelte. Ellena hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie Witwe bleiben wollte. Aber der Umstand, dass seine eigensinnige Tochter nicht erneut zu heiraten bereit war, würde einen Mann wie Ogmore, der seine Macht ausbauen wollte und dazu auch bedenkenlos seine Familienmitglieder benutzte, nicht weiter kümmern.

Zu gerne würde er Mäuschen spielen, wenn Vater und Tochter aufeinandertrafen. Im Starrsinn standen sie einander in nichts nach, auch wenn er sicher war, dass Ogmore schlussendlich gewinnen würde. Das tat er in der Regel.

Und es hatte absolut nichts mit ihm, Braedan, zu tun, ob sie wieder heiratete oder nicht.

Natürlich wusste Braedan, dass er ihr mächtig zugesetzt und sie gezwungen hatte, ihr Heim zu verlassen, aber sie musste ohnehin wieder heiraten, und ein neuer Ehemann würde ihr die Chance geben, Kinder zu bekommen. Welche Frau wünschte sich das nicht? Zumal etliche Bewerber um Ellenas Hand buhlten. Viele Männer wollten eine Allianz mit ihrem einflussreichen Vater eingehen. Die Ehe mit seiner Tochter war die beste Art, sich seinen Schutz zu sichern.

Der aussichtsreichste Kandidat war vermutlich der Earl of Borwyn, dessen Land ganz in der Nähe von Ogmore lag. Er stand in dem Ruf, ein anständiger und gut aussehender Mann zu sein.

Aus irgendeinem Grund überkam Braedan der Wunsch, jemanden zu schlagen, und er ballte die Hände zu Fäusten. Langsam atmete er tief ein und aus – was war nur los mit ihm?

Entschlossen machte er sich auf den Weg zu den Ställen hinter dem Gasthaus. Er würde nach Stoirm schauen, würde prüfen, ob sein Pferd für die Nacht gut versorgt war, ehe er sich selbst zur Ruhe begab und sich ein paar Stunden Schlaf gönnte, ehe er in den frühen Morgenstunden die Wache übernahm. Es fiel ihm ohnehin schwer, mehr als fünf Stunden zu schlafen. Er war lieber beschäftigt, als dass er einfach dalag und an all die Menschen dachte, die von ihm abhängig waren und nur darauf warteten, dass er sie enttäuschte – so wie es sein Vater vor ihm getan hatte.

Aus der Tiefe des Stalls hörte er leises Seufzen. Er blieb wie angewurzelt stehen, legte den Kopf leicht schräg und lauschte.

Ein Keuchen, das verdächtig nach Merrick klang, drang an sein Ohr, gefolgt von einem weichen, weiblichen Stöhnen. Ein Lächeln spielte um Braedans Lippen. Vielleicht war es der Schankmagd gelungen, seinen Freund davon zu überzeugen, ihren Reizen zu erliegen.

Von seiner Position am Stalleingang konnte er sehen, dass Stoirm zufrieden auf dem Heu herumkaute, das man ihm gegeben hatte. Das reichte ihm. Er würde sich zurückziehen, ohne zu stören.

Leise wich er zurück, um die Liebenden nicht aufzuschrecken, doch ehe er allzu weit kam, kicherte die Frau.

Diesen Klang kannte er. Es war Ellenas lästige Zofe – diejenige, die seinem ersten Stellvertreter schon den ganzen Tag über schöne Augen gemacht hatte.

Wenn sie nicht bei Lady Swein war, hieß das, dass Ellena ganz allein war.

Dabei sollte sich ständig jemand in ihrer Nähe aufhalten!

Sofort stürmte Braedan ins Gasthaus zurück und rannte dabei einen Stallburschen, der ihm in die Quere kam, beinahe über den Haufen.

Die zwei Wachen, die er vor ihrem Zimmer platziert hatte, standen immer noch an Ort und Stelle.

„Hat jemand das Zimmer betreten oder verlassen?“, bellte er.

„Nein, Sir“, antworteten die beiden wie aus einem Mund.

Ohne anzuklopfen, stieß er die Tür auf und marschierte hinein.

„W … was in aller Welt …?“, stammelte Ellena, während sie die Bettdecke zurückschlug und sich abrupt aufrichtete.

Braedan blieb wie angewurzelt mitten im Raum stehen. Er hatte recht gehabt, was Ellenas Haar anging. Es hatte einen warmen, kastanienbraunen Ton. Die wilden Locken ergossen sich über ihre Schultern bis zu ihrem Bauchnabel.

Wie von selbst folgte sein Blick den üppigen Strähnen. Dabei realisierte er, dass sie nur ihr weißes Unterkleid trug. Die reizvollen Kurven ihres Körpers konnte er darunter nicht nur erahnen, sondern deutlich erkennen.

„Was fällt Euch ein, einfach so in meine Kammer einzudringen?“, herrschte sie ihn empört an.

Hitze strömte in seine Wangen, als ihm bewusst wurde, dass er sie wie ein junger Knappe anstarrte, der neben seiner Mutter seine erste Frau sah.

Er räusperte sich. „Aldith ist nicht bei Euch. Jeder hätte hier einbrechen und Euch entführen können. Warum wart Ihr so dumm, sie gehen zu lassen?“

Als Ellena die Stirn runzelte, musste er gegen den Drang ankämpfen, die Falte mit dem Daumen wegzureiben.

„Eure Männer bewachen meine Kammer, und die Fenster sind von innen verriegelt. Was in aller Welt meint Ihr, könnte da passieren?“

„Ihr sollt zu keinem Zeitpunkt allein sein“, wiederholte er starrköpfig.

Warum musste sie seine Anweisungen immer infrage stellen? Seine Männer gehorchten ihm aus Loyalität und andere aus Furcht. Aber sie gab niemals nach. Ihre Reaktion war ärgerlich und erregend zugleich.

Da warf sie die Bettdecken zur Seite und schlüpfte aus dem Bett. Ganz kurz erhaschte er einen Blick auf schlanke, weiße Fesseln, ehe sie sich in ihren langen Mantel wickelte und ihm jeden weiteren Blick auf ihre nackte Haut verwehrte.

Er musste sich arge Mühe geben, nicht enttäuscht zu sein.

„Ich will aufrichtig sein“, sagte Ellena. „Ich war durchaus erleichtert, dass Aldith ein wenig ausgehen und die Gesellschaft unten in der Taverne genießen wollte. Wir haben nicht sonderlich viel gemeinsam. Nachdem ich mich kurz mit ihr unterhalten hatte, wurde mir klar, dass ich besser jemand anders aus der Burg als Begleitung für diese Reise mitgenommen hätte. Es tat mir gut, ein wenig Zeit für mich zu haben.“

„Es ist nicht die Gesellschaft in der Taverne, die sie genießt“, meinte Braedan.

Er wusste nicht, warum er das gesagt hatte. Es war nicht schicklich, in Anwesenheit feiner Ladys über die sinnlichen Freuden der Fleischeslust zu sprechen. Insofern wäre es besser gewesen, Ellena in dem Glauben zu lassen, Aldith tränke mit den Männern unten im Schankraum einen Krug Ale.

„Was wollt Ihr damit …? Oh, ich verstehe.“

Röte schlich sich auf ihre Wangen, woraufhin Braedan unwillkürlich einen Schritt auf sie zumachte. Sie schien es nicht zu bemerken. Gott sei Dank gelang es ihm gerade noch, sich zu fangen, ehe er noch näher an sie herangetreten wäre und etwas Unschickliches getan hätte.

Als Tochter eines mächtigen Earls und Nichte des Königs selbst stand sie so weit über ihm, dass es in mehr als einer Hinsicht seinen Untergang bedeuten würde, wenn er sie berührte. Außerdem waren schon genug Menschen von ihm abhängig. Er brauchte keine weiteren.

Und selbst wenn diese Hindernisse nicht bestanden hätten, war er ziemlich sicher, dass sie seinen Anblick nicht ertragen würde – was ausnahmsweise nichts mit seinen vielen Narben zu tun hatte. Sie mochte es nicht, Befehle entgegenzunehmen. Ja, sie glaubte sogar, sie könnte ihm Befehle erteilen.

Was er ihr merkwürdigerweise nicht übel nahm – auch wenn es ihn mehr als nur verärgerte, dass sie seine Anweisungen nicht ernst nahm. Immerhin hatte er sie nicht nur gezwungen, ihr behagliches Leben auf Castle Swein aufzugeben, sondern er hatte sie noch dazu in eine äußerst gefährliche Lage mit ungewissem Ausgang gebracht.

„Glaubt Ihr, sie wird noch lange fort sein?“, durchbrach Ellena seine Überlegungen.

Trotz all seiner Ermahnungen konnte er ein Grinsen nicht unterdrücken. „Ich schätze, das hängt von Merricks Stehvermögen ab.“

Ihre Wangen färbten sich noch dunkler, und sie wandte sich leicht von ihm ab.

In diesem Augenblick erkannte er, dass ihre Zehen unter dem Saum ihres Unterkleids hervorlugten. Sofort war es ihm unmöglich, den Blick davon zu lösen. Am liebsten hätte er seine Hand erst seitlich über ihren Fuß und dann die Wade immer höher hinaufwandern lassen …

„Ich verstehe überhaupt nicht, warum sie so ein Aufhebens darum macht“, entgegnete sie völlig unerwartet.

Braedan spürte, wie seine Haut vor Verlegenheit zu prickeln begann – oder vielleicht war es auch die überwältigende Lust, die ihn völlig unvermittelt überkam. Er war nicht sicher.

Schon öffnete er den Mund, um zu antworten, doch dann schloss er ihn wieder, ehe er noch mehr sagte, womit er sie beleidigte. Das Beste wäre, ihr eine Gute Nacht zu wünschen und sich zurückzuziehen. Doch aus irgendeinem Grund weigerten sich seine Füße zu gehorchen, und er blieb exakt dort, wo er stand.

Unabsichtlich hatte sie ihm einen kleinen Einblick in ihre Ehe gegeben, den er vielleicht besser nicht bekommen hätte. Die intime Beziehung zu ihrem Ehemann hatte sie also nicht genossen.

Das war nicht völlig überraschend. Der Mann war vierunddreißig Jahre älter gewesen als sie, die ja mit gerademal sechzehn geheiratet hatte. Kein junges Mädchen würde sich darüber freuen, sich zu einem Mann legen zu müssen, der älter als ihr eigener Vater war. Aber das konnte nicht der einzige Grund gewesen sein. Der Abscheu in ihrem Gesicht sprach von Erfahrungen, die schlimmer waren, als einem Mann beiwohnen zu müssen, den sie nicht attraktiv fand.

Braedan ballte die Hände zu Fäusten, um sich selbst daran zu hindern, die letzten Schritte auf sie zuzumachen und ihr genau zu zeigen, warum Merrick und Aldith sich in den Stall zurückgezogen hatten.

Als wäre ihr gerade erst bewusst geworden, was sie da verraten hatte, sah er, wie sie die Schultern straffte. Ja, sie richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf und bedachte ihn mit dem hochmütigen Blick, den sie immer dann anwandte, wenn sie ihn daran erinnern wollte, welchen Rang sie innehatte.

„Wenn Ihr nach unten zurückkehrt, gebt bitte jemandem Bescheid, dass man mir warmes Wasser bringt. Ich hatte Aldith gebeten, es zu holen, aber es scheint, als hätte sie es vergessen.“

Damit verwies sie ihn auf seinen Platz.

Da stand er nun und träumte davon, seine Finger durch ihr volles Haar gleiten zu lassen und über noch ganz andere Stellen ihres Körpers, während sie ihn wie den Botenjungen behandelte, für den sie ihn anscheinend hielt.

„Ich kümmere mich darum und sorge dafür, dass Aldith zu Euch zurückkehrt“, knurrte er.

Kurz zeichnete sich Unmut auf ihrem Gesicht ab, doch schnell verbarg sie ihn hinter einem kühlen Nicken.

Braedan ging ohne ein weiteres Wort.

Nachdem er die Tür sorgsam hinter sich zugezogen hatte, funkelte er seine beiden Wachleute an. „Lasst nicht zu, dass Aldith sie noch einmal allein lässt. Nicht mal wegen Merrick!“, befahl er den zwei.

Beschämt starrten die beiden zu Boden.

Braedan stürmte die Treppe hinunter und fand jemanden, der Ellena warmes Wasser heraufbringen würde. Dann machte er sich auf die Suche nach seinem Freund.

Doch Merrick die Hölle heiß zu machen, weil er lieber mit seinem Schwanz gedacht hatte, anstatt sich so zu verhalten, wie er es gelernt hatte, verschaffte ihm auch keine Befriedigung, und es dauerte eine ganze Weile, bis er in dieser Nacht einschlief.

3. KAPITEL

Ellena wusste nicht, was schlimmer war: dass all ihre Muskeln schmerzten oder dass ihre Haare triefnass und entsprechend schwer waren und das Wasser von dort unter ihren Mantel sickerte, sodass sie bis auf die Knochen fror.

Nachdem sie drei volle Tage durchgeritten waren, mussten sie in dieser Nacht draußen in Zelten schlafen, und das Wetter hätte nicht schlechter sein können. Der feine Morgennebel hatte sich in strömenden Regen verwandelt, je weiter der Nachmittag fortgeschritten war. Allmählich wünschte sie sich eine Schere herbei, mit der sie ihr regennasses und schweres Haar hätte abschneiden können.

Als Kind hatte sie über viele Sommer ungeduldig darauf gewartet, dass ihr das Haar endlich bis zur Taille wuchs. Wann immer es ihr erlaubt war, hatte sie die Zöpfe gelöst und sich darüber gefreut, mit den Fingern durch die üppigen, dichten Locken zu fahren. Sie liebte es, wie das Sonnenlicht die unterschiedlich gefärbten Strähnen – von Gold über Braun bis Rot – zur Geltung brachte.

Schon seit Jahren hatte sie keine solche Freude mehr an ihrem Haar gehabt.

Nachdem sie Lord Swein geheiratet hatte, waren ihre Locken nur ein weiteres Mittel gewesen, mit dem ihr Ehemann sie verletzt und gedemütigt hatte. Wenn sie sein Missfallen erregte, wickelte er die dicken Strähnen um sein Handgelenk und zerrte sie brutal zu sich herüber. Das war sehr oft vorgekommen. Ehe er von seiner Krankheit zusehends dahingerafft wurde, hatte sie beinahe täglich sein Missfallen erregt. Ihre Unfähigkeit, schwanger zu werden, war in seinen Augen ihre größte Sünde. Dass er auf immer gewalttätigere Weise versuchte, ihr seinen Samen einzupflanzen, hatte dafür gesorgt, dass sie begonnen hatte, sich schrecklich vor dem Ehebett zu fürchten.

Sie an ihren Haaren ins Bett zu zerren, war eine seiner erniedrigendsten Bestrafungen gewesen. Nach seinem Tod hatte sie sich sehr bemüht, wieder Freude an ihrer üppigen Haarpracht zu empfinden, aber der Drang, die langen Locken einfach abzuschneiden, überkam sie dennoch immer wieder.

Die Pferde kämpften sich durch einen unglaublichen Schlamm und Morast, während die Gruppe Braedan durch ein dichtes Waldstück folgte. Stirnrunzelnd starrte Ellena seinen breiten Rücken an. Die schwellenden, harten Muskeln waren von einem Kettenhemd bedeckt. Seit er vor drei Nächten einfach so in ihre Kammer hinein- und wieder herausgestürmt war, hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Sie hatte gehört, wie er Merrick und Aldith angeschrien hatte, ehe ihre Zofe kleinlaut wieder in die Kammer gehuscht war, die sie sich teilten. Doch abgesehen davon, dass Aldith ein bisschen schmollte, war es, als wäre das Ganze nie geschehen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie eine von allen Seiten von Bäumen umgebene Lichtung, die Braedan anscheinend zufriedenstellte, denn er ließ ihre Gruppe anhalten. Ellena erlaubte sich, einfach so von Awens Rücken zu gleiten. Als ihre Füße mit dumpfem Aufprall den Boden berührten, hätte sie vor lauter Freude am liebsten laut gejuchzt. Einen langen Augenblick lehnte sie sich an die Seite ihres Pferdes und erlaubte es dem Tier, sie aufrecht zu halten.

Während sie die Augen schloss, dachte sie an das heiße Bad, das sie in nur fünf Tagen in der Burg ihres Vaters erwartete, doch im Moment rann ihr eiskalter Regen über ihr Gesicht und unter ihre Kleidung. Schnell verflog die Fantasie. Ellena zitterte am ganzen Körper.

Die Geräusche der Männer, die sich auf der Lichtung zu schaffen machten, drangen in ihr Bewusstsein, woraufhin sie die Augen öffnete und sah, dass alle emsig beschäftigt waren. Alle, außer ihr und Aldith, die immer noch auf ihrem Pferd saß und ihre Umgebung mit entsetztem Gesichtsausdruck in Augenschein nahm.

Auch Ellena blickte sich um. Die Bäume um sie herum bildeten einen gewissen Schutz, aber der Boden war eine einzige Schlammgrube. Die Nacht würde keinesfalls angenehm werden.

Aldith hatte seit dem peinlichen Vorkommnis mit Merrick im Stall kaum mit ihr gesprochen – mal abgesehen von dem gelegentlichen „Ja, Mylady“. Deshalb machte sich Ellena gar nicht erst die Mühe, die Zofe anzusprechen. In dieser Situation würde sie ohnehin keine große Hilfe sein – es war eine Erfahrung, die außerhalb ihres sonst so behaglichen Lebens lag – aber Ellena wollte zumindest versuchen, ihre Lage zu verbessern. Aldith würde ganz sicher nur abwarten, bis irgendwer ihr half.

Es war nicht Ellenas Schuld, dass es Braedan so verdammt wütend gemacht hatte, dass sie für kurze Zeit allein gelassen worden war. Die Standpauke, die er dem Liebespaar gehalten hatte, hatte sie sogar durch die geschlossenen Fensterläden gehört – auch wenn sie beim besten Willen nicht verstand, warum er die zwei nicht angebrüllt hatte, bevor er in ihrer Kammer aufgetaucht war. Er hätte doch Aldith zu ihr heraufschicken und ihnen beiden diese peinliche Szene ersparen können? So hatte sie ihm praktisch offenbart, wie ihre intime Beziehung zu Lord Swein ausgesehen hatte, was sie immer noch nicht fassen konnte. Was war in diesem Moment nur in sie gefahren?

Es lag an Braedans dunklen Augen – die hatten irgendetwas an sich, das sie wie magisch anzog und dazu brachte, Dinge zu sagen, die sie sonst keinem anderen Menschen anvertrauen würde. Dennoch verstand sie beim besten Willen nicht, wie sie mit ihm über das Ehebett mit ihrem verstorbenen Mann hatte sprechen können, während sie doch sonst mit allen Mitteln versuchte, jeden Gedanken, jede Erinnerung daran zu vermeiden? Die Demütigung und der Schmerz waren Dinge, an die sie nie wieder denken wollte.

Sie wünschte, sie könnte ihre Bemerkung darüber zurücknehmen, dass es das Aufhebens nicht wert sei, das Aldith um die körperliche Liebe machte. Vermutlich hielt Braedan sie nun für eine dumme Gans.

Ellena schüttelte den Gedanken ab. Das spielte jetzt keine Rolle. Im Moment war nur wichtig, dass sie aus diesem endlosen Regenguss herauskam. Deshalb führte sie Awen zu dem behelfsmäßigen Unterstand, unter dem bereits die anderen Pferde fraßen. Sie sorgte dafür, dass ihre Stute ihren Anteil am Hafer bekam, ehe sie sie Nilson, einem von Braedans Männern, überließ, der ein besonderes Händchen im Umgang mit Pferden zu haben schien.

Überall auf der Lichtung entstanden einfache Zelte in einer Geschwindigkeit, die darauf hindeutete, dass die Männer diese Art Unterschlupf schon oft gebaut hatten. Es wurde wenig gesprochen, während sich jeder auf seine jeweilige Aufgabe konzentrierte.

Aus dem Augenwinkel heraus sah sie, dass Aldith vom Pferd glitt. Unwillkürlich fragte Ellena sich, ob ihre Zofe erwartete, dass ihr nun jemand das Tier abnahm. Sie schnaubte. Manchmal benahm sich Aldith, als wäre sie die Königin höchstpersönlich.

„Euer Zelt wurde errichtet, Mylady“, sagte Braedan in diesem Moment hinter ihr.

Ellena drehte sich zu ihm um. Er deutete auf einen kreisrunden Unterschlupf in der Mitte der Lichtung, aber er schaute ihr dabei direkt in die Augen. Regen lief ihm über das Gesicht und tropfte ihm von der Nasenspitze. Der Anblick entlockte ihr ein Lächeln, das er ganz kurz erwiderte. Ihr Herz machte einen Satz.

„Wo ist das Küchenzelt?“, fragte sie, während sie den Blick von ihm losriss und sich stattdessen auf einen Punkt hinter seinem Kopf konzentrierte.

Schlagartig verschwand sein Lächeln und wurde ersetzt von seinem üblichen finsteren Gesichtsausdruck. „Eluard kümmert sich um das Essen, Mylady, aber ich fürchte, es wird noch eine ganze Weile dauern, bis es fertig ist.“

Damit stapfte er davon und hinterließ tiefe Stiefelabdrücke im Matsch.

„Das heißt wohl, dass ich das Küchenzelt selbst finden muss“, sagte sie leise und seufzte.

Ellena schaute sich so lange auf der Lichtung um, bis sie Eluard entdeckte, der gerade versuchte, unter einer Art Plane, die an mehreren Seiten von Ästen gehalten wurde, ein Feuer zu entfachen. Eluard war der jüngste unter Braedans Männern. Er schien die körperlich weniger anstrengenden Aufgaben zu bekommen, was sie sehr nett fand. Trotz ihres kriegerischen Aussehens und rauen Auftretens schienen die Männer ihn wie den Sohn der Gruppe zu behandeln.

Als er sah, wie sie sich näherte, sprang er sofort auf. Tiefe Röte schoss ihm in die sonst so blassen Wangen. „Es … tut mir furchtbar leid. Das Essen … ist noch nicht fertig, Mylady“, stotterte er.

Ellena blickte auf den großen Beutel zu Eluards Füßen, in dem sich anscheinend ein großes Stück von nicht näher identifizierbarem rotem Fleisch befand.

„Das sehe ich.“ Sie lächelte. „Ich bin hier, um zu helfen.“

Wahrscheinlich hätte er nicht überraschter dreingeschaut, wenn sie ihm gesagt hätte, ihr wäre ein dritter Arm gewachsen.

Nur mit Mühe unterdrückte sie ein amüsiertes Lächeln, aber sie wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen, indem sie über seinen Gesichtsausdruck lachte. Vermutlich hätte das seine Gefühle verletzt.

„Kümmere du dich um das Feuer“, sagte sie, „während ich mir anschaue, welche Vorräte wir haben.“

Sie mochten zwar mitten im Nirgendwo gelandet sein, aber das hieß nicht, dass sie ihr Fleisch ohne alles essen würde. Schließlich hatte sie den ganzen Tag im Sattel gesessen, und jetzt stand sie kurz vor dem Verhungern.

Deshalb durchsuchte sie den Beutel und fand ein paar armselige Karotten und ein wenig Lauch. Kurz entschlossen begann sie, das Gemüse in einen großen Kessel zu schneiden.

„Ich nehme nicht an, dass wir Wein dahaben, oder?“, fragte sie, als sie ihre Arbeit fast beendet hatte.

„Nein, Mylady.“

„Was für ein Jammer. So wird dies ein sehr trockener Eintopf.“

„Wir haben etwas Ale da …“

„Dann hol es bitte. Wir werden es damit versuchen.“

„Ich bin nicht sicher, ob Sir Leofric damit einverstanden …“

„Was hältst du davon, wenn wir es Sir Leofric einfach nicht sagen?“, entgegnete Ellena verschwörerisch und wurde dafür mit einem scheuen Lächeln belohnt.

„Was sollst du mir nicht sagen, Eluard?“, erklang eine tiefe Stimme hinter ihnen.

Der junge Mann wurde erneut puterrot. Sofort richtete er seinen Blick wieder auf das Fleisch, das er in kleine Stücke zu schneiden versuchte.

Braedan wirkte eher neugierig als zornig, deshalb antwortete Ellena: „Wir versuchen, diesen Eintopf genießbar zu machen. Ich dachte, dass ein wenig Ale den Geschmack verbessern würde. Das ist alles.“

Braedan stand da wie vom Donner gerührt. Als er Ellena nicht in ihrem Zelt gefunden hatte, hätte er alles Mögliche erwartet, aber nicht, sie dabei anzutreffen, wie sie Karotten in einen Kessel schnitt.

Als sie sich nach dem Küchenzelt erkundigt hatte, hatte er angenommen, dass sie eine Mahlzeit für sich verlangen würde, aber eigentlich hätte er es besser wissen müssen. In den vergangenen drei Tagen war sie stundenlang geritten ohne sich auch nur ein einziges Mal zu beklagen. Er kannte Männer, die sich nicht so lange im Sattel halten konnten wie sie.

Anstatt sich im Zelt zu verstecken, wie es ihre lästige Zofe tat, machte sie sich nützlich. Wie viele andere hochwohlgeborene Ladys wussten schon, was man mit ungekochtem Gemüse anstellen konnte?

„Ich habe nichts dagegen, dass ein bisschen Ale in den Eintopf wandert“, brummte er.

Alles, was das Essen schmackhafter machte, war in seinen Augen gut, auch wenn er ein wenig zusammenzuckte, als er sah, wie viel Ale sie in den Topf gab. Hoffentlich wusste sie, was sie da tat, und verschwendete nicht einfach das kostbare Gebräu.

Ganz allmählich strömten die Männer zur Feuerstelle und holten sich ihre Portion des köstlich und reichhaltig aussehenden Eintopfs ab. Ellena nahm auf einem umgestürzten Baumstamm Platz und begann zu essen. Ihre Zofe hielt sich auf der anderen Seite auf – die Beziehung zwischen den beiden Frauen schien angespannt zu sein – aber der junge Eluard saß neben Ellena und unterhielt sich hin und wieder schüchtern mit ihr.

Braedan war froh, dass sie jemanden gefunden hatte, der ihr Gesellschaft leistete, denn ihre Zofe war in dieser Hinsicht offensichtlich kaum zu gebrauchen. Gott sei Dank handelte es sich um Eluard. Es war schließlich nicht so, als würde Braedan selbst sich wünschen, ihr Gesellschaft zu leisten …

Nein, er musste einen gewissen Abstand zu ihr halten, denn er war derjenige, der das Kommando innehatte und all seinen Männern ein gutes Vorbild sein musste. Wenn er sich ihr gegenüber zu viele Vertraulichkeiten herausnahm, dann würden die anderen seinem Beispiel folgen – was den Earl of Ogmore ganz sicher nicht erfreuen dürfte.

Dennoch war es ärgerlich, wie oft sein Blick wie von selbst zu ihr glitt, und er dann jedes Mal von Eifersucht erfasst wurde, weil er derjenige sein wollte, der sie zum Lächeln brachte.

Missmutig warf er ein weiteres Scheit Holz ins Feuer. „Rückt näher an die Wärme heran, Lady Swein“, sagte er. „Es wird Euch helfen, Eure Kleider zu trocknen.“

Ellena hob eine Augenbraue.

„Bitte“, fügte er hinzu.

Autor

Ella Matthews
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