Ein Traum für eine Nacht

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Werfen Sie einen Blick hinter die Türen vom Chatsfield, London … 1921, London Das neue Luxushotel der Extraklasse, das Chatsfield London, öffnet seine Türen und zelebriert dies mit Glamour, Glanz und Prunk. Justin Yorke, Soldat im Ersten Weltkrieg, desillusioniert und traumatisiert, erwartet einen oberflächlichen, dekadenten Abend, an dem die Reichen und Schönen sich selbst feiern. Doch dann begegnet er Miss Vera Milton-Kerr. Sie ist seit dem Krieg wie erstarrt. Doch unter Justins Berührungen beginnt das Eis, das sich schützend um ihr Herz gelegt hatte, zu schmelzen …


  • Erscheinungstag 21.07.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743680
  • Seitenanzahl 48
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

CHATSFIELD – GEPLAUDER

Über diesen Ort redet im Augenblick die ganze Welt, und jeder – der Rang und Namen hat – wird dort sein!

Mr David Chatsfields brandneues Hotel in Mayfair feiert heute Abend Eröffnung, und dieser Anlass verspricht das Großereignis der Saison zu werden. Die gesamte Schickeria, die ich nicht weiter vorstellen muss, wird dort sein: Lady Eleanor Smith, Miss Elizabeth Ponsonby und selbstverständlich die Misses Zita und Baby Jungman mitsamt ihren berühmten Eskorten … um nur einige Namen zu nennen. Die Welt der Filmindustrie wird durch den Liebling der Nation vertreten, Mr Charlie Chaplin, und natürlich vom Traumpaar Miss Mary Pickford und Mr Douglas Fairbanks.

Was erwartet uns, einmal abgesehen davon, dass der Champagner in Strömen fließen wird? Im weiß-goldenen Speisesaal des Chatsfield – dessen Interieur einer Hochzeitstorte nachempfunden wurde – wird eine edle Auswahl schmackhafter Häppchen gereicht, kreiert, um selbst den verwöhntesten Gaumen zu beglücken. Das Foyer des Hotels glänzt mit prachtvollen romanischen Bögen und Säulen und dient heute als Unterhaltungsbühne für die Gäste. Dort werden sogar einige Lieder dargeboten, die Mr Noel Coward exklusiv für diesen Anlass geschrieben hat.

In der Gerüchteküche heißt es, die wunderschöne Vera Milton-Kerr plane zur Feier des Tages einen einzigartigen und einmaligen Bühnenauftritt. Wie der geneigte Leser dieser Kolumne weiß, ist Miss Milton-Kerr die Langzeitgefährtin eines der begehrtesten Junggesellen von London: Mr Dexter Maxwell. Ob dieser eine so verheißungsvolle Gelegenheit beim Schopfe packen und die Beziehung endlich offiziell machen wird? Sollte dies der Fall sein, werden Sie, liebe Leser, es garantiert zuerst von mir hören!

Zum Tanz wird anschließend im verspiegelten Ballsaal des Chatsfield – Hotels aufgespielt, zweifelsohne bis in die frühen Morgenstunden. Hoffentlich haben die ehrenwerten Gäste passendes Schuhwerk dabei. Und wie verbringen die geladenen Damen und Herren den kaum nennenswerten Rest der Nacht? Nun, Tratsch liegt mir fern, aber das Hotel verfügt über zahlreiche extravagante Räumlichkeiten, jeweils in einem ganz eigenen Stil ausgestattet. Und wer von ihnen wird wohl im dekadentesten Zimmer von allen, der Traumsuite, nächtigen? Meine Lieben, behaltet einfach diese Kolumne im Auge!

Cordelia Confidential, Daily Express, 29. April 1921

Man redet nicht mehr über den Krieg, hat man mir gesagt. Eine neue elitäre Generation – einige wenige Privilegierte, die über Reichtum und Macht verfügen – möchte, dass wir diese traurigen Jahre einfach hinter uns lassen. Mag man dem Klatsch der populären Presse glauben, interessiert sich diese besagte Generation nur dafür, die ganze Nacht zu feiern und den ganzen Tag zu verschlafen.

Ist das wahr? Ich hoffe nicht.

Im Februar hat die Arbeitslosenzahl die Millionenmarke überschritten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zahl bis zum Sommer auf zwei Millionen ansteigen wird. Der aktuelle Streik der Minenarbeiter ist nur ein Beispiel für die massiven Probleme im Bereich der Lohnzahlung, die ganz England beherrschen. Unsere Insel ist nicht länger ein grünes, schönes Paradies, sondern ein Ort der Massenarbeitslosigkeit und allgemeinen Verzweiflung. Zu viele Familien, die ihre Väter, Ehemänner und Söhne im Krieg geopfert haben, sind nun auf den demütigenden Gang zum Sozialamt angewiesen.

Wir sind verwundet worden, als Menschen und als Nation, bei diesem schlimmsten aller Kriege. Bis wir diejenigen, die in den Schützengräben für eine bessere Welt gekämpft haben, nicht mit der einfachsten Grundversorgung – einem angemessenen Lohn für verrichtete Arbeit – entschädigen können, dürfen wir nicht vergessen. Wir dürfen niemals vergessen.

,Red‘ Lancaster, The People’s Tribune, 29. April 1921

WIE JUSTIN VERA BEGEGNET

Das Foyer des Chatsfield-Hotels wirkte genauso, wie sich Justin Yorke den Eingangsbereich einer riesigen römischen Villa vorstellte. Säulen und Torbögen unterteilten es in drei verschiedene Bereiche, allesamt eingefasst von einer prachtvollen Galerie. Die Fußböden wiesen kein klassisches Mosaik auf, stattdessen war jeder einzelne von ihnen kunstvoll aus Marmorplatten gefliest. Schwarz-weißes Schachbrettmuster wechselte sich mit einer Komposition aus blauen und cremefarbenen Rauten ab, gefolgt von modernen, braunroten Kreiseln.

Eine sprudelnde Pyramide aus Champagnergläsern, ganze sechs Etagen hoch, zierte den ersten Bereich, wo sich die Ehrengäste für ihre Luxussuiten anmeldeten. Sie würden mit dem goldenen und von innen mit rotem Samt ausgekleideten Fahrstuhl nach oben fahren. Gott bewahre, dass sie auf dem Weg in ihre privilegierten vier Wände auf exklusiven Komfort verzichten mussten!

In der Zwischenzeit wuchteten ein paar bedauernswerte Pagen in absurden Uniformen Berge von Gepäck über die Hintertreppen hoch in die oberen Stockwerke. Unwillkürlich wurde Justin an seine eigene Uniform erinnert, die er vor einigen Jahren auf einem französischen Schlachtfeld zurückgelassen hatte.

Er verdrehte die Augen. Seit weniger als zehn Minuten hier, und schon saß er auf dem hohen Ross. Heute Abend sollte er lediglich beobachten, nicht verurteilen. Eventuell würde er sogar Dex’ Ratschlag befolgen und versuchen, sich zu amüsieren. Irgendwie …

Die Bühne stand genau zwischen den beiden Säulenreihen. Dort, wo zukünftige Gäste ihren Nachmittagstee einnehmen würden, warteten jetzt zahlreiche Sitzreihen auf die Zuschauer. Die stimmungsvolle, indirekte Wandbeleuchtung lag hinter muschelförmigen Schalen verborgen, und in der Luft mischten sich die Düfte von Blumen, Parfum und zu vielen fremden Menschen.

Ein Schleier von Zigarettenqualm streifte den gigantischen Kronleuchter, der unzählige leuchtende Strahlen in die Mitte des Raums warf. Beinahe jede anwesende Frau hielt eine Zigarettenspitze zwischen ihren Fingern. Das Rauchen war nicht mehr verpönt, höchstens ein wenig schockierend, und schockierend galt heutzutage als absolutes Muss. Überall zeigten sich gepuderte Gesichter und grell bemalte Lippen, die Augen waren dunkel umrandet, und die Rocksäume wurden immer kürzer.

Vor dem großen Krieg wäre Justin noch ein Teil dieser Menge gewesen. Er hätte getanzt, gelacht, getrunken und bis zum Morgengrauen gefeiert. Wenn er sich im Raum umsah, entdeckte er Couture-Kleider, Seide, Satin, Diamanten und Pelze. Und er sah all diese teilweise schlanken, teilweise fettleibigen und teilweise bewusst heruntergehungerten Mitglieder der reichen und berühmten Elite Londons, mit denen er gemeinsam zur Schule gegangen war und anschließend in der Armee gedient hatte. In Momenten wie diesem wurde ihm bewusst, wie viel und gleichzeitig wenig er mit ihnen gemeinsam hatte.

Dieser Punkt machte ihm zu schaffen. Bin ich ein Heuchler? Hätte man die Wahl, würde dann nicht fast jeder tun, was diese Leute taten? Würde es tatsächlich einen Unterschied machen, wenn sie alle zu Hause blieben und an ihrer Wut erstickten … so wie ich?

Justin bezweifelte das. Theoretisch war es leicht, diese Menschen zu verurteilen. In der Praxis sah die Angelegenheit ganz anders aus. Nicht allein die Feierfreudigen waren auf dem falschen Weg, sondern die ganze Welt!

Das Piano, an dem Noel Coward gesessen hatte, wurde von einer Seite zur anderen geschoben. Dieser Mann hatte tatsächlich den messerscharfen Humor, den man ihm nachsagte, und obendrein noch die Fähigkeit zu spotten, ohne dabei das Publikum gegen sich aufzubringen. Während Justin selbst …

Er seufzte resigniert und hatte keine Ahnung, was er eigentlich hier tat. Hoffnungslosigkeit breitete sich in ihm aus, und er bereute es schon, hergekommen zu sein. Hier gehörte er nicht mehr hin – was ihn daran erinnerte, dass er im Grunde nirgendwohin gehörte. Bin ich etwa vereinsamt? Darüber hatte er bisher nie nachgedacht. Aber heute Abend fühlte er sich wirklich unendlich allein.

„Da, alter Junge! Stürz lieber das hier runter!“ Dex nahm ihm das unberührte Glas Champagner ab und ersetzte es durch eines mit brauner Flüssigkeit. „Scotch“, fügte er hinzu. „Trink aus und versuch endlich mal, ein wenig zu entspannen!“

Justin verzog das Gesicht. „Entschuldige, gehe ich dir vielleicht auf die Nerven? Nein, antworte lieber nicht darauf“, bat er grinsend und schwenkte sein Glas. „Auf das Chatsfield! Möge es ein riesiger Erfolg werden.“

Dex hob sein Glas in die Luft. „Oh, das steht wohl bereits fest, solange David Chatsfield das Sagen hat. Allerdings kannst du mir nichts vormachen. Insgeheim wünschst du dir doch, dieses Gebäude würde in Flammen aufgehen, oder?“

„Nein.“ Justin trank einen Schluck Whisky. „Ich wünschte nur, die Welt wäre eine andere, das ist alles.“

„In dem Fall kann ich dir nicht widersprechen“, antwortete Dex und starrte in seinen funkelnden Champagner. „Höchste Zeit für eine Veränderung. Darum habe ich dich auch hergebeten.“

„Mich gezwungen, meinst du wohl?“

„Ich hätte dich an den Haaren hierhergeschleift, wenn es nicht anders gegangen wäre.“

„Warum? Was ist denn los?“

Sein Freund lächelte. „Ich verschwinde. Also, ich werde auswandern und mein Glück in der Filmindustrie versuchen.“

„Lieber Gott!“ Justin gönnte sich noch einen großen Schluck. „Damit hätte ich als Letztes gerechnet. Wann ist es so weit?“

„Schon morgen. Daher die Einladung. Dies ist meine letzte Nacht in London.“

„Verdammt, Dex, warum so plötzlich? Kennst du dich im Filmgeschäft überhaupt aus?“

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