Ein unerwartet süßes Geschenk

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Ich werde - Vater? Milliardär Jeremy Fisher ist fassungslos. Die flüchtige Sommeraffäre mit der hübschen Tori hat süße Folgen. Obwohl er nie eine Familie wollte, steht er zu seiner Pflicht: Das Kind soll nicht ohne ihn aufwachsen. Also lädt er das Kleinstadt-Girl zu sich ins weihnachtliche New York ein. Doch die Magie des nahenden Fests ändert etwas in seinem Herzen. Es geht nicht länger um Pflicht, es geht um Liebe! Vielleicht sogar um Heirat? Da eröffnet Tori ihm, dass sie in ihre Heimat zurückkehren wird … ohne hin!


  • Erscheinungstag 06.10.2020
  • Bandnummer 202020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714451
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es gibt Tage, an denen jedes Mädchen lieber im Bett bleiben würde. Leider sprachen allerdings gerade zwei extrem gute Gründe dafür, trotzdem aufzustehen. Zum einen drückte die Blase empfindlich und zum anderen bezahlte niemand anders die Rechnungen, weshalb kein Weg daran vorbeiführte, zur Arbeit zu gehen.

Ganz kurz schloss Tori noch einmal die Augen, dann konzentrierte sie sich darauf aufzustehen und schob entschlossen die Bettdecke zur Seite. Es war nicht so, dass sie nicht gern arbeitete – im Gegenteil, sie liebte ihren Job. Das Strandläufer-Resort war ihr Leben. Schon als Teenager hatte sie in dem Hotel kleine Aufgaben übernommen. Mittlerweile war sie Assistentin der Geschäftsleitung und verantwortlich für tagesaktuelle Projekte. Wenn sie morgens die Empfangshalle betrat, fühlte sie sich dort ebenso heimisch wie in ihrem eigenen kleinen Haus, das sie im letzten Jahr gekauft hatte.

Deshalb zögerte sie jetzt nicht länger, schaltete das Licht an, stand auf und ging unter die Dusche. Dabei ignorierte sie geflissentlich, wie müde sie eigentlich noch war, obwohl sie die ganze Nacht geschlafen hatte. Zum Glück hatte wenigstens die morgendliche Übelkeit nachgelassen. Tori war jetzt im zweiten Drittel der Schwangerschaft und schneller erschöpft als sonst. Außerdem musste sie über neue Kleidung nachdenken, weil mittlerweile kaum noch etwas passte.

Eine halbe Stunde später machte sie sich auf den Weg zur Arbeit. Für Ende November war es erstaunlich mild. Sie war froh, dass sie heute ihre Windschutzscheibe nicht freikratzen musste.

Als sie die Hotelhalle betrat, atmete sie tief ein und genoss den Duft der Tannenzweige. Die Weihnachtsdekoration verwandelte das Resort in ein Märchenland mit kleinen Lichtern, Kiefernzapfen und üppigen Girlanden aus Tannenzweigen, die mit roten und goldenen Bändern geschmückt waren.

Lächelnd begrüßte Tori die Mitarbeiter an der Rezeption und schaute kurz in der Küche vorbei, wo sie um einen Bagel und etwas Obst bat, ihr übliches Frühstück.

„Wie wär’s mit ein paar Eiern?“, schlug der Küchenchef Neil vor. „Das Kleine braucht Proteine.“ Als er mit einem Kopfnicken auf ihren noch kaum sichtbaren Babybauch deutete, geriet seine Kochmütze gefährlich in Schieflage.

„Wann hörst du endlich auf, mich zu bemuttern?“, gab Tori lachend zurück und nahm einen Schluck von ihrem entkoffeinierten Kaffee. Noch vor ein paar Wochen war ihr von dem Kaffeearoma übel geworden, mittlerweile genoss sie den Duft wieder.

„Vermutlich nie“, erwiderte er mit einem Augenzwinkern, und die Lachfältchen um seine Augen vertieften sich. Neil hatte hier schon in der Küche gearbeitet, als Tori ihren ersten Ferienjob im Resort angetreten hatte. Bald würde seine Enkeltochter ebenfalls ihr Taschengeld hier aufbessern.

Sein Vorschlag klang vielversprechend, das musste sie zugeben. „Du weißt ja, wie ich sie am liebsten mag“, sagte sie. „Danke, Neil. Du bist ein Schatz.“

„Schön, dass du das auch schon merkst.“

Zehn Minuten später brachte Ellen vom Zimmerservice ihr das Frühstück mit einem Glas Milch. „Neil meint, du brauchst auch Kalzium“, erklärte sie. Und obwohl sie jünger war als Tori, klang ihre Stimme fürsorglich.

„Neil hat einen gewaltigen Beschützerinstinkt, und dafür liebe ich ihn“, lachte Tori. „Danke, Ellen. Ist im Speisesaal alles in Ordnung?“

Ihre Kollegin nickte. „Es ist ruhiger geworden, seit die Badesaison zu Ende ist.“

„Ich weiß. Es tut mir leid, dass eure Stunden gekürzt worden sind.“

„Das ist ja saisonal bedingt. Wir verstehen das alle“, versicherte Ellen.

„Im Moment planen wir einige Veranstaltungen. Wenn du Lust hast, sehe ich zu, dass du dafür eingetragen wirst.“

Die zusätzlichen Events bedeuteten für die Servicemitarbeiter meistens ein gutes Trinkgeld. Daher war es kein Wunder, dass sich Ellens Miene aufhellte. „Das wäre großartig. Danke, Tori.“

„Kein Problem.“

Ellen war zwar erst seit Mai im Hotel, doch sie hatte sich als kompetente und zuverlässige Mitarbeiterin erwiesen. Tori fand es selbstverständlich, sich mit zusätzlichen Einsätzen dafür bei ihr erkenntlich zu zeigen.

Nachdem Ellen gegangen war, widmete sich Tori ihrem Frühstück. Neil hatte ein bisschen Käse in ihr Rührei gerieben und frische Petersilie darüber gestreut – köstlich. Auf einem Extrateller lagen zwei Scheiben Honigmelone, ein paar frische Erdbeeren und ein Vollkornbagel mit Frischkäse und Zimtzucker.

Das Team war wie eine Familie. Jeder gab auf den anderen acht. Tori genoss das, denn ihre Familie bestand nur noch aus ihr und ihrer Mutter. Ihre Mom arbeitete als Krankenschwester und war nach dem Tod ihres Mannes nach Lunenburg gezogen. Von dort war es nur ein Katzensprung bis zu dem Krankenhaus, in dem sie arbeitete. Für Tori aber war es ein Weg von fünfzig Kilometern. Nah genug für wöchentliche Besuche, aber zu weit für spontane Treffen.

Gedankenverloren legte Tori sich eine Hand auf den Bauch. Nun würde sie bald ihre eigene kleine Familie haben. Tief in ihrem Innern war sie glücklich. Die Frage, ob sie das Baby bekommen sollte oder nicht, hatte sie sich nie gestellt, obwohl die Umstände nicht ideal waren. Für Tori war es Schicksal gewesen, als sich das Baby angekündigt hatte, und sie freute sich darauf, diesen kleinen Menschen zu lieben und zu umsorgen.

Dennoch fiel ihr das Schlucken etwas schwerer, als sie an ihren Entschluss dachte, dem Vater des Babys nichts von ihrer Schwangerschaft zu erzählen – zumindest noch nicht. Diese Entscheidung nagte an ihr.

Ihre Mutter hatte sie beschworen, mit Jeremy zu sprechen. „Er hat ein Recht, es zu erfahren“, hatte sie immer wieder betont.

Das größte Problem war, dass Tori ihr darin sogar zustimmte. Sie würde das Geheimnis nicht ein Leben lang für sich behalten können. Aber zuerst einmal musste sie für sich selbst herausfinden, wie es weitergehen sollte.

Jeremy Fisher … Was hatte sie sich nur dabei gedacht, sich im Sommer auf ihn einzulassen? Sie hatten zwei Wochen absoluter Glückseligkeit erlebt, und Tori hatte völlig den Kopf verloren. Beide waren sich einig gewesen, dass es eine Urlaubsromanze war, und sie hatten die gemeinsame Zeit in vollen Zügen genossen. Anschließend war er in sein New Yorker Leben zurückgekehrt, und sie war in der Kleinstadt in Neuschottland geblieben, in ihrem winzigen Häuschen am Meer. Genauso hatte Tori es gewollt. Sie war nicht die Art Frau, die an Märchen glaubte und an eine Liebe bis in den Tod.

Gut, irgendwann einmal hatte sie daran geglaubt. Nachdem sie sich Hals über Kopf in einen gut aussehenden Mann verliebt und unzählige Pläne geschmiedet hatte. Riley schien absolut der Richtige für sie zu sein. Doch dem Schweben auf Wolke sieben war ein Sturz ins Bodenlose gefolgt.

Irgendwann hatte sie entdeckt, dass er ein Doppelleben führte. Während er Tori mit Geschenken überhäuft hatte, war er längst hoch verschuldet gewesen und hatte andere Menschen skrupellos betrogen. Lange hatte sie damit gehadert, so naiv gewesen zu sein, dass sie auf ihn hatte hereinfallen können.

Nachdenklich biss Tori in eine Erdbeere und dachte an ihre Sommeraffäre. Für sie beide war von Anfang an klar gewesen, dass es nur ein Flirt war. Niemals würde eine Beziehung daraus werden. Eigentlich ließ sie sich grundsätzlich nicht mit Hotelgästen ein. Aber nach zwei Jahren, in denen sie nur gearbeitet hatte und noch dazu den Tod ihres Vaters verkraften musste, hatte sie sich einfach nach ein bisschen Spaß in ihrem Leben gesehnt.

Allerdings hätte sie nie geahnt, dass die Affäre solche Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Damals hatte es keine Rolle gespielt, dass Jeremy ein äußerst erfolgreicher Geschäftsmann war. Jetzt aber lagen die Dinge anders. Jeremy war vermögend und einflussreich, und sie war … niemand. Zwar mangelte es Tori nicht an Selbstbewusstsein, aber ihr war klar, dass sie es nicht mit jemandem wie Jeremy aufnehmen konnte. Sie würden sich nie auf Augenhöhe begegnen, und diese Vorstellung machte ihr in Bezug auf das Baby Angst.

Kopfschüttelnd schob sie das Tablett beiseite und konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Tom, der Hotelmanager, hatte Urlaub, darum leitete Tori in dieser Woche das Resort. Sie verbrachte den Vormittag am Schreibtisch, anschließend traf sie sich zu Besprechungen mit dem Bankettleiter und dem Chef des Caterings, um mit ihnen die Details für eine Veranstaltung Mitte Dezember und zwei Hochzeiten zu besprechen.

Erst am späten Nachmittag schaffte sie es, ihre tägliche Runde durch das Hotel zu drehen. Es war ihr wichtig, sich mit den Mitarbeitern zu unterhalten, über Neuigkeiten und eventuelle Probleme informiert zu sein und mit geschultem Blick durch die Räume zu gehen. Hier brauchte eine Wand einen neuen Anstrich, dort könnte die Weihnachtsdekoration noch etwas liebevoller gestaltet werden. Ihr fiel auf, dass eines der Bäder besonders sorgfältig geputzt worden war, und sie nahm sich vor, der Mitarbeiterin dafür zu danken.

Sie war gerade auf dem Rückweg zu ihrem Büro, als sich die Eingangstür öffnete und ein Windstoß einige gelbe und braune Blätter hereinwehte. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass auch ein Gast quasi mit hereingeweht worden war. Sobald er im Trockenen war, zog er seinen tropfnassen Mantel aus – und hielt mitten in der Bewegung inne.

„Tori?“

Beim Klang seiner Stimme erstarrte sie.

Nein! Das darf nicht wahr sein.

„Jeremy.“

Er schenkte ihr ein strahlendes Tausend-Watt-Lächeln, das sie bis in ihr Innerstes traf. Warum musste er nur so attraktiv sein?

„Ich hatte gehofft, dich wiederzusehen. Wie lange ist es her – vier Monate?“

Vier Monate, drei Wochen und fünf Tage, hätte sie am liebsten erwidert, doch ihre Stimme versagte. Was macht er hier? Schaffe ich es zu verschwinden, bevor er meinen Zustand bemerkt?

Nein, den Gefallen tat er ihr nicht. Jeremy musterte sie von Kopf bis Fuß, sein Blick ruhte sekundenlang auf ihrem Bauch, ehe er sie fragend und verwirrt ansah.

Ausgerechnet heute hatte sie sich für ein Stück aus ihrer neu erworbenen Schwangerschafts-Garderobe entschieden. Ihr Zustand war unschwer zu erkennen.

„Komm doch mit in mein Büro“, schlug sie hastig vor. „Dann können wir uns gegenseitig auf den neusten Stand bringen. Was verschlägt dich in den Strandläufer?“ Dankbar stellte sie fest, dass sie ihre Stimme unter Kontrolle hatte. Es wäre wenig hilfreich, wenn er sofort bemerken würde, wie aufgeregt sie war.

Mit zitternden Knien wandte sie sich um und ging voraus. Eilig steuerte sie auf den Verwaltungstrakt zu. Unabhängig von ihrer Schwangerschaft, von der sie ihm nichts erzählt hatte, brachte allein sein Anblick sie aus der Fassung.

Ohne sich nach ihm umzudrehen – sie hörte seine Schritte und wusste, dass er ihr folgte –, ging sie in ihr Büro und schloss die Tür, nachdem er eingetreten war. Erst dann wandte sie sich ihm zu und versuchte, eine Mauer zu errichten, die keine Gefühle hinauslassen würde.

Doch das war schwieriger als erwartet. Jeremy strahlte eine beinahe magische Präsenz aus. Er trug einen dunkelgrauen Anzug mit einer perfekt gebundenen Krawatte. Die dicke Jacke darüber schützte ihn vor dem eisigen Wind, der über den Atlantik fegte. Sein Haar allerdings war so zerzaust, dass die Meeresbrise hier definitiv ihre Finger im Spiel gehabt hatte. Und seine Augen … Sie hatten das gleiche kühle Stahlblau wie die Wellen, die sich draußen am Strand brachen.

„Also, was treibt dich hier in die Gegend?“, wiederholte sie und zwang sich zu einem Lächeln, während sie hinter ihrem Schreibtisch Platz nahm. So konnte er ihren Babybauch wenigstens nicht mehr sehen.

„Immobilienangelegenheiten. Und da dachte ich, dass ich mal bei dir vorbeischaue. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass du schwanger bist.“

Die unverblümte Feststellung traf sie wie eine Ohrfeige. Ganz offensichtlich hatte er sofort die richtigen Schlüsse gezogen.

„Ehrlich gesagt, hat es mich auch überrascht“, gab sie unumwunden zu.

„Ist es von mir?“

Wie ertappt zuckte Tori zusammen. Jeremy kam immer direkt auf den Punkt. Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass sie ihm gefiel. Er hatte die größte Suite im Strandläufer gebucht, und sie hatte sich erkundigen wollen, ob alles zu seiner Zufriedenheit sei. Er hatte sie in ein Gespräch verwickelt, und sie hatten sich lange über die Region unterhalten und darüber, dass es hier völlig anders war als sein Leben in New York. Ohne jede Zurückhaltung hatte er sie zu einem Drink eingeladen, und sie hatte ebenso geradeheraus angenommen.

Damals hatte sie seine Ehrlichkeit und Selbstsicherheit bewundert. Im Moment allerdings war sie kein so großer Fan mehr.

Für den Bruchteil einer Sekunde erwog sie, seine Vaterschaft zu leugnen. Das würde die Sache vereinfachen. Aber ihr Gewissen machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Es hatte ihr schon genug Kopfzerbrechen bereitet, dass sie ihm bisher noch nichts von der Schwangerschaft erzählt hatte. Außerdem stand auch ihr guter Ruf auf dem Spiel.

„Natürlich ist es von dir. Ich bin keine Frau, die sich mit ständig wechselnden Männern vergnügt.“

Prüfend musterte er sie. „Woher soll ich das wissen?“ Dann schob er sofort die nächste Frage nach. „Hättest du es mir irgendwann erzählt?“

Sie hielt seinem Blick stand. „Selbstverständlich. Danke, dass du so eine gute Meinung von mir hast.“

Kurz senkte er den Blick, dann sah er sie reuevoll an. „Entschuldige bitte. So habe ich das nicht gemeint. Es ist nur … das ist eine ziemliche Überraschung, Tori.“

„Ich weiß“, erwiderte sie.

„Wann … wie …“

Gedankenverloren griff Tori nach einem Stift und spielte damit herum. „Die Antwort auf deine Fragen kennen wir beide. Anfang Juli. Und ziemlich sicher, während wir miteinander geschlafen haben.“

Ganz bewusst vermied sie den Ausdruck „während wir uns geliebt haben“, auch wenn es für sie so gewesen war. Sobald sie daran dachte, röteten sich ihre Wangen. Auch wenn es seltsam klang – sie hatte das Gefühl, genau zu wissen, wann es passiert war. Jenen Tag hatten sie gemeinsam am Strand verbracht, im Wasser herumgealbert und im weichen Sand gepicknickt. Am späten Nachmittag waren sie zurückgekehrt und für den Rest des Tages im Bett geblieben.

Er war ein großartiger Liebhaber gewesen. Zärtlich, aufmerksam, leidenschaftlich.

Und jetzt stand er hier vor ihr in ihrem Büro, und ihre Erinnerungen verblassten angesichts der Wut, die sie empfand.

Jeremy atmete hörbar aus. „Darf ich mich setzen?“

„Selbstverständlich“, erwiderte sie. Schließlich war sie nicht gerade in der Position, ihm weitere Informationen zu verwehren. Die Angst, wie er auf die Nachricht reagieren mochte, hatte sich in den vergangenen Monaten in ihrem Kopf festgesetzt und ließ sich auch jetzt nicht ignorieren. Aber vielleicht konnte sie das Gespräch zumindest auf einen anderen Zeitpunkt verlegen, sodass sie besser vorbereitet war.

Nachdem Jeremy seinen Mantel ausgezogen und ordentlich über die Rückenlehne des Besuchersessels gelegt hatte, nahm er Platz. Erwartungsvoll beugte er sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie.

Tori biss sich auf die Lippen.

„Ich werde also Vater“, begann er mit rauer Stimme. „Wann wolltest du mir davon erzählen?“

Sie verschränkte die Hände, um zu verbergen, wie sehr ihre Finger zitterten. „Keine Ahnung“, gab sie zu. „Ich habe auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht darüber nachgedacht habe.“ Hier war Ehrlichkeit angebracht, das wusste sie. Mit Ausflüchten würde sie alles nur noch schlimmer machen.

„Ich hatte ein Recht, es zu erfahren“, stellte er unnachgiebig fest.

Solange er es nicht gewusst hatte, hatte sie sich relativ bequem in ihrem Leben eingerichtet und das Unvermeidbare verdrängt, so gut es ging. Das war vielleicht das Schwierigste – mit seinen Fragen holte Jeremy sie aus ihrer Komfortzone.

Dennoch zwang sie sich, ihn direkt anzusehen. „Die Umstände sind durchaus … ungewöhnlich. Das weißt du genauso gut wie ich. Wir hatten eine Affäre, aber wir leben in völlig unterschiedlichen Welten. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie es funktionieren soll, mit dir gemeinsam ein Kind zu erziehen. Du bist … ein Fremder für mich.“

Dann atmete sie tief durch. „Natürlich ist mir klar, dass du ganz andere Möglichkeiten hast als ich. Wenn du um das Sorgerecht kämpfen würdest, hätte ich vermutlich schlechte Karten.“ So, jetzt war es heraus.

Sein gerade noch fragender Blick wich einem Ausdruck von – konnte das sein? – Verletztheit.

„Glaubst du wirklich, das würde ich tun?“

Sie setzte sich aufrecht hin. „Wie ich schon sagte, wir kennen uns eigentlich kaum. Und ich wollte dieses Risiko nicht eingehen. Bevor ich mein Baby weggebe, sterbe ich lieber.“

Jeremy versuchte, gegen die Beklemmung in seiner Brust anzuatmen. Er hatte sich so darauf gefreut, Tori heute zu überraschen. Ein Kunde hatte ihn gebeten, sich mehrere Landhäuser in der Region anzusehen, die zum Verkauf standen. Die ganze Zeit schon hatte er sich ausgemalt, wie er ins Hotel kommen und sich die Leidenschaft, die zwischen ihnen gelodert hatte, wieder entzünden würde. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er sie in all den Monaten nicht hatte vergessen können. Dieser Geschäftstermin war der perfekte Grund gewesen, noch einmal herzukommen.

Ursprünglich hatte er gehofft, sie sich auf diese Weise aus dem Kopf schlagen zu können. Stattdessen wurde er nun damit konfrontiert, dass sie schwanger von ihm war. Das war ein Schock. Doch dass sie ihn für fähig hielt, ihr das Kind wegnehmen zu wollen, war ein echter Schlag in die Magengrube.

Jeremy war ehrlich und geradlinig, und er hielt sich für einen rechtschaffenen Mann. Doch die Worte, die ihm jetzt durch den Kopf schossen, sprachen nicht gerade für eine gute Kinderstube. Deshalb zwang er sich, keines davon auszusprechen. Er war wütend, verletzt und verwirrt, und da war noch ein anderes Gefühl, das er nicht genau erklären konnte.

Er steckte in einem Albtraum. Eine Familie, Kinder, geschweige denn eine Ehefrau standen nicht auf seiner Agenda.

„Aber wir haben doch verhütet“, brachte er schließlich heraus.

„Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht“, erwiderte Tori. „Offensichtlich waren wir nicht vorsichtig genug. Glaub mir, das war so nicht geplant.“ Mit ihren großen haselnussbraunen Augen sah sie ihn an.

Sein maßgeschneidertes Hemd schien plötzlich zu eng, und die Krawatte schnürte ihm die Luft ab. Dennoch schaffte er es, die Hände auf den Armlehnen des Sessels liegen zu lassen. Verstohlen warf er einen weiteren Blick auf ihren Babybauch, doch der war hinter dem Schreibtisch verborgen.

Sein Kind. Und eine Frau, die er kaum kannte. Mit der er nur ein paar schöne Wochen im Sommer verbracht hatte. Er war mit der Vorstellung hergekommen, dieses Vergnügen noch einmal aufleben zu lassen. In einer Geste der Hilflosigkeit fuhr er sich mit der Hand durchs Haar.

Er hätte wissen müssen, dass sein Verhalten ihn irgendwann in Schwierigkeiten bringen würde. Unverbindliche Liebschaften waren es, was er bevorzugte. Normalerweise wärmte er keine seiner Affären wieder auf, doch auf die Entfernung hatte Tori Sharpe auf ihn wie eine perfekte und sichere Ablenkung gewirkt.

Im eigentlichen Sinne war er kein Frauenheld, aber sein Verhältnis zu einer Romanze hier und da war durchaus … ungezwungen. Sein bester Freund Cole nannte ihn einen Fließband-Dater. Und Branson hatte dieser Bezeichnung schweigend zugestimmt. Jeremy hatte tatsächlich seit dem College keine Beziehung mehr gehabt, die länger als einen Monat gedauert hatte.

Während er ausatmete, versuchte er, seine Schultern zu lockern. „Okay. Das Geheimnis ist also gelüftet, ob es mir gefällt oder nicht.“ Prüfend sah er Tori an. „Und ich habe keine Ahnung, was du jetzt von mir erwartest.“

Er bemerkte, wie ihre Miene weicher wurde. „Kein Problem. Ich habe das im Griff. Und ich erwarte nichts von dir, Jeremy. Du musst nicht befürchten, dass ich horrende Unterhaltszahlungen von dir fordern werde oder etwas in der Art. Ich werde das Kind hier großziehen. Es gibt eine Menge Freunde, auf die ich zählen kann. Meine Mutter lebt ebenfalls hier, und auch sie freut sich auf das Baby. Wenn dir das lieber ist, unterschreibe ich auch eine Verzichtserklärung.“

Keine Unterstützung für das Kind? Kein Kontakt? Und es sollte hier in diesem winzigen Ort aufwachsen, der außerhalb der Saison so gut wie ausgestorben war?

„Oh, nein“, erwiderte er.

2. KAPITEL

Die Spannung, die nun folgte, war kaum zu ertragen. Tori betonte, dass nichts auf die Schnelle entschieden werden müsse und sie das Gespräch wiederaufnehmen könnten, wenn sie beide Zeit zum Nachdenken gehabt hatten. Auch wenn Jeremy nicht gerade begeistert ausgesehen hatte, war sie überzeugt, dass dieser Vorschlag richtig war. Ansonsten würden sie sich nur im Kreis drehen.

Sie brauchte Zeit, um herauszufinden, was sie wirklich wollte – und wie sie es Jeremy am besten präsentierte. Sein plötzliches Auftauchen beunruhigte sie.

Kompromisse zu schließen, war für sie kein Problem. Allerdings betraf das nicht die grundsätzlichen Dinge des Lebens. Und das galt auch für ihr Baby. Das Kind würde hier aufwachsen, bei ihr. Wie Jeremys Rolle dabei aussah, war verhandelbar. Nachdem er nun von der Schwangerschaft wusste, konnte sie ihn schlecht komplett ignorieren – außer er selbst wollte es so.

Sie befürchtete, dass er die Muskeln spielen lassen würde, wenn sie ihn komplett aus dem Leben des Kindes ausschloss. Er verfügte sowohl über das Geld als auch über die Beziehungen, ihr das Leben schwer zu machen. Die romantische Blase der Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit zerplatzte. Es war absolut so, wie ihre Mutter immer behauptete: Wenn etwas zu schön schien, um wahr zu sein, dann war es genau das.

Tori hoffte, dass Jeremy nicht länger als ein paar Tage blieb.

Nachdem er gegangen war, um sein Zimmer zu beziehen, meldete sie sich im Reservierungsprogramm an, um Details seines Aufenthalts in Erfahrung zu bringen. Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass er für zwölf Tage gebucht hatte. Mehr als genug Zeit, um die Dinge zu verschlimmern. Nervös trommelte sie mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum. Wie, um Himmels willen, sollte sie das überstehen?

Sie dachte an seine Reaktion, als sie frei heraus gesagt hatte, sie wisse, dass sie einen Machtkampf gegen ihn nur verlieren könne. Er hatte sie völlig entgeistert angesehen. Fassungslos, dass sie so etwas überhaupt denken konnte. Dann war er sich mit den Fingern durchs Haar gefahren und hatte schwer geschluckt.

Offensichtlich hatten ihre Worte ihn alarmiert. Tori wertete es als gutes Zeichen, dass es ihn überhaupt berührt hatte. Jeremy war kein eiskaltes, berechnendes Monster, aber wenn es darauf ankam, kämpfte er mit allen Waffen, das wusste sie. Dafür hatte sie ihn im Sommer oft genug beobachtet, wenn er Verhandlungen zum Abschluss brachte. Damals hatte sie ihn für seine Unnachgiebigkeit und Zielstrebigkeit bewundert.

Der Ausdruck von Verletztheit in seinen sonst so kühlen grauen Augen hatte etwas in ihr angerührt, was sie lieber verleugnet hätte. Er war ihr noch immer wichtig. Die gemeinsamen zwei Wochen im Sommer hatten mehr als ausgereicht, um ernsthafte Gefühle in ihr zu wecken.

Natürlich war es keine Liebe, aber sie fühlte sich von ihm angezogen. Es war mehr als nur Sex gewesen. Jeremy hatte sich von seiner charmanten, witzigen und klugen Seite gezeigt. Um ehrlich zu sein: Dieser Mann war nahezu perfekt. Selbst wenn es für sie im Grunde völlig in Ordnung war, dass sie mit Jeremy nicht mehr verband als ein Urlaubsflirt, war die Vorstellung für sie unerträglich, dass er ein völlig leidenschaftsloser Vater sein könnte. Für sie war er nicht nur der Erzeuger ihres Babys.

Eines Morgens – das Sonnenlicht hatte direkt aufs Bett geschienen – hatte er ihr erklärt, warum ihm Immobilien wichtig waren. Es gehe nicht nur um den Handel und den Gewinn. Während er sanft mit den Fingern über ihren Arm streichelte, räumte er ein, dass es ihm gefiel, ein Zuhause für Menschen zu finden. Orte, denen sie sich zugehörig fühlten und an denen sie glücklich sein konnten. Doch sobald er realisiert hatte, dass er ihr einen Einblick in seine tiefsten Gedanken gewährt hatte, zog er sich wieder hinter seinen Schutzpanzer zurück und fügte lässig hinzu, dabei schade es allerdings nicht, dass seine Kunden alle steinreich seien.

Sie war überzeugt, dass das nur eine Schutzbehauptung war. Und es hatte ihr gefallen, einen Blick in die Seele dieses Mannes erhascht zu haben.

Vielleicht erreichte sie ihn am besten, wenn sie das Gespräch auf eine menschliche Ebene brachte. Ihre Gefühle für ihn sollte sie dabei problemlos heraushalten können.

Als sie die Hand auf ihren Bauch legte, spürte sie, wie das Baby sich bewegte. Das war neu. Und es bestärkte sie in ihrem Ziel, alles zu tun, damit dieses Kind in Sicherheit und Liebe aufwachsen konnte. Was auch immer der Preis dafür sein mochte.

Selbst jetzt, Ende November, war der kilometerlange Strand vor dem Strandläufer wunderschön. Das Meer war nicht mehr blau wie im Sommer, sondern grau. Jeremy liebte es, wie die Wellen wild ans Ufer schlugen. Das Rauschen beruhigte ihn.

Denn er war aufgewühlt.

Der Wind zerzauste sein Haar und zerrte an seiner offenen Jacke. Vor ein paar Monaten noch war er mit Tori hier gewesen. Sie hatte einen roten Bikini getragen, ihr Haar war nass vom Salzwasser. Sie hatten so viel Spaß miteinander gehabt, und er hatte eine Lebensfreude in sich gespürt wie schon viel zu lange nicht mehr.

In diesen zwei Wochen hatte er seine Sorgen beiseitegeschoben und einfach den Moment genossen. Ihr war es genauso gegangen – zumindest hatte er das geglaubt. Gemeinsam hatten sie auf einem Handtuch im Sand gelegen und sich die Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Manchmal hatte sie einen Picknickkorb aus der Hotelküche mitgebracht. Manchmal hatten sie Muscheln gesucht. Und dann, an einem Tag, hatte Tori ihn mit zu sich nach Hause genommen, und sie hatten sich die ganze Nacht geliebt.

Allein die Erinnerung daran weckte sein Verlangen, und ganz kurz zog er in Erwägung, ins Meer zu springen und sich abzukühlen.

Es war alles so einfach gewesen. Sie hatten beide gewusst, dass sie nur eine begrenzte Zeit miteinander verbringen würden. Tori war nicht der Typ Frau, mit dem er sich normalerweise einließ. Wegen seiner Familie und seines Geldes kam er gar nicht in die Verlegenheit, sich mit Frauen zu treffen, die dem Klischee des Kleinstadtmädchens von nebenan entsprachen. Aber er musste zugeben, dass er Tori ausgesprochen erfrischend fand. Und nun war er für immer mit ihr verbunden – denn sie erwartete sein Baby. Und um nichts auf der Welt würde Jeremy sein Kind verleugnen.

Er hatte nie eine Familie geplant, aber nun, da er Vater wurde, musste er sich der Situation stellen. Für ihn stand fest, dass er ein besserer Vater sein wollte, als sein eigener es gewesen war.

Aber er konnte nicht verlangen, dass Tori ihr Leben hier aufgab. Das wäre nicht fair. Auch wenn Jeremy gewohnt war zu bekommen, was er wollte, war er doch gerecht. Zumindest wollte er das gern glauben.

Deshalb brauchte er einen Plan. Es fiel ihm schwer, logisch zu denken, denn die Aussicht, Vater zu werden, hatte ihn aus der Bahn geworfen.

Die Vorstellung war erschreckend.

Autor

Donna Alward

Als zweifache Mutter ist Donna Alward davon überzeugt, den besten Job der Welt zu haben: Eine Kombination einer „Stay-at-home-mom“ (einer Vollzeit – Mutter) und einem Romanautor. Als begeisterte Leserin seit ihrer Kindheit, hat Donna Alward schon immer ihre eigenen Geschichten im Kopf gehabt. Sie machte ihren Abschluss in Englischer Literatur...

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