Extra stark und extra süß: Im Café der Liebe

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SO SÜß DUFTET NUR DAS GLÜCK von MICHELLE DOUGLAS
Rico D’Angelo stockt der Atem, als er Janeens betörenden Erdbeerduft einatmet. Woran erinnert ihn diese Frau nur? Am liebsten würde er sie auf der Stelle verführen. Aber das ist keine gute Idee, wenn sie künftig als Managerin für sein neues Café arbeiten soll, oder?

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  • Erscheinungstag 04.04.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529341
  • Seitenanzahl 473
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

So süß duftet nur das Glück erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de
Geschäftsführung: Katja Berger, Jürgen Welte
Leitung: Miran Bilic (v. i. S. d. P.)
Produktion: Christina Seeger
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Michelle Douglas
Originaltitel: „The Redemption of Rico D’Angelo“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA
Band 387 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Übersetzung: Elke Schuller

Umschlagsmotive: Prostock-Studio / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 04/2024

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783751529228

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

Rico blickte auf das Bewerbungsschreiben und seufzte. Er hatte gehofft, für sein Projekt wenigstens einen Menschen zu finden, der sich ebenso dafür begeisterte wie er selbst – und der noch dazu ausgezeichnete Qualifikationen und Erfahrung mitbrachte.

Nachdem er eineinhalb Tage lang Kandidaten interviewt hatte, war ihm klar, dass er diese Hoffnung aufgeben konnte.

Er drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage und fragte die Sekretärin schroff: „Ist Janeen Cuthbert schon da?“

„Nein, ihr Termin ist erst in zehn Minuten“, antwortete Lisle sachlich.

„Danke, Lisle.“

Gab es nicht ein ungeschriebenes Gesetz, demzufolge man zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit zu einem Vorstellungsgespräch auftauchte? Aber Restaurantmanager schienen nach ihren eigenen Regeln zu handeln. Nicht, dass mir Hobarts Restaurantmanager die Tür einrennen, weil sie unbedingt ein Wohltätigkeitscafé führen möchten, dachte Rico und schloss den Ordner mit Janeen Cuthberts Unterlagen.

Er wollte doch nur einen einzigen Manager, der sich im Geschäft und im Leben auskannte. War das zu viel verlangt?

Bisher hatte er überwiegend Vorstellungsgespräche mit Leuten geführt, die durchaus Gemeinsinn besaßen. Fröhliche, intelligente und ernsthafte Anwärter – aber leider ohne eine Spur von Erfahrung. Nette Menschen, das ja, aber sie würden Schiffbruch erleiden. Die Jungen würden ihnen auf der Nase herumtanzen, sie enttäuschen und entmutigen. Es würde Tränen und Szenen geben. Dann würden sie kündigen und ihn im Regen stehen lassen.

Das durfte er nicht riskieren. Das Projekt war einfach zu wichtig.

Mit einem Blick auf die Uhr stellte Rico fest, dass es fünf vor zwei war. Falls Janeen Cuthbert nicht spätestens um Punkt zwei auf der Schwelle stand, konnte sie gleich wieder gehen! In den nächsten Minuten trommelte er mit den Fingern auf die Schreibtischplatte und hatte für die belebte Straßenszene unter seinem Fenster keinen Blick übrig. Andere Büros boten Aussicht auf den Hafen, aber da er als Projektmanager selten im Haus zu tun hatte, war es ihm egal, wohin er schaute.

Nun war es Punkt zwei!

Er wollte die Gegensprechanlage betätigen, da klang Lisles Stimme aus dem Gerät: „Janeen Cuthbert ist hier.“

„Soll reinkommen“, sagte er brüsk.

Es klopfte. Das Klopfen klang viel zu zaghaft, fand er und fluchte im Stillen. Er hatte so viele nette, nachgiebige, unfähige Bewerber erlebt, dass es ihm reichte! Für immer.

„Herein“, rief er.

Als die junge Frau die Tür öffnete, stellte er sofort fest, dass sie keineswegs zaghaft wirkte, sondern so, als wäre sie äußerst wütend. Das verbarg sie zwar hinter einem höflichen Lächeln, aber er hatte viel mit problematischen Jugendlichen zu tun und kannte die Anzeichen: das Glitzern in den Augen, die roten Flecke auf den Wangen, die schnellen Atemzüge.

Diese junge Frau war bestimmt nicht sanft und nachgiebig.

„Ich bin Neen Cuthbert“, stellte sie sich vor. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr D’Angelo.“

Mit ausgestreckter Hand kam sie auf ihn zu. Die Hand war rot, als wäre sie erst vor Kurzem heftig geschrubbt worden. Auf dem taubengrauen Kostüm zeichneten sich unübersehbar vier enorme Pfotenabdrücke ab. Beinah hätte Rico gelächelt. Zum ersten Mal seit zwei Tagen.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Neen“, erwiderte er. „Ich vermute, Ihr Tag war bisher ebenso stressig wie meiner.“

„Sieht man mir das so deutlich an?“, fragte sie lachend. „Ja, es gab nichts als Schwierigkeiten. Bisher.“

„Bitte, setzen Sie sich“, forderte er sie auf, ließ sich selbst auf seinem Schreibtischstuhl nieder und aktivierte die Gegensprechanlage. „Lisle ich weiß, dass ich das eigentlich nicht von Ihnen verlangen darf, aber könnten Sie uns Kaffee bringen?“

„Klar! Kommt sofort“, antwortete die Sekretärin freundlich.

„Das ist sehr nett von Ihnen, Mr D’Angelo“, bedankte Neen Cuthbert sich. „Aber meinetwegen müssen Sie sich keine Umstände machen.“

„Ich brauche selber etwas Koffein“, wehrte er ab. „Dringend.“

„Es läuft mit den Bewerbungsgesprächen also nicht so toll?“, vermutete sie.

Wie unprofessionell, dass ich mir meine Frustration anmerken lasse, tadelte er sich. Er brauchte dringend Urlaub! Aber dafür hatte er keine Zeit. Unwillkürlich seufzte er.

Neen deutete das offensichtlich falsch. „Kein Wunder, wenn niemand zusagt, Mr D’Angelo. Sie suchen eine hoch qualifizierte und erfahrene Person als Manager Ihres Cafés, aber der Lohn, den Sie bieten, ist absolut nicht verlockend.“

„Sie haben sich trotzdem beworben“, konterte Rico.

„Wie Sie meinen Unterlagen entnehmen können, bin ich keineswegs hoch qualifiziert“, erwiderte sie geradeheraus.

„Trotzdem haben Sie sich beworben“, wiederholte er.

„Und Sie haben mich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen.“

Sie hat auf jeden Fall Mumm, stellte er fest, und das war eine Grundbedingung für den Job – neben Engagement und unerschütterlicher Gelassenheit.

Lisle brachte Kaffee, und als sie wieder draußen war, fragte Rico neugierig: „Was ist da eigentlich passiert?“ Er wies auf die Abdrücke auf dem Rock.

„Heute läuft einfach nichts wie geplant“, gestand Neen kläglich. „Ich hatte eine hübsche Rede vorbereitet, um Sie zu überzeugen, dass ich die Beste aller möglichen Bewerber bin. Stattdessen mache ich dumme Bemerkungen über den Lohn und …“ Sie ließ kurz die Schultern hängen. „Und jetzt ist es ohnehin egal, was ich noch sage. Wenn ich mir selber alles verderbe, nehme ich mir das nicht mal übel.“

Falls sie glaubt, dass sie aus dem Rennen ist, irrt sie sich, dachte Rico. Das würde er ihr aber nicht sagen. Noch nicht.

„Was ist denn nun passiert?“, hakte er nach.

Sie trank einen Schluck Kaffee und schlug die Beine übereinander. „Meine völlig durchgeknallte Nachbarin hat mir ihren Hund aufgehalst“, begann sie. „Ob Sie es glauben oder nicht, Sie hat ihn mir geschenkt und sich auf unbestimmte Zeit nach Italien abgesetzt, wo sie Aufträge als Fotomodell hat.“

„Aha. Und dieser Hund …“

„Er heißt Montgomery“, warf sie ein.

„Hat Ihnen die Abdrücke verpasst.“

„Mehr als das! Sie sollten mal den Zustand meines blauen Kostüms sehen! Von meiner Strumpfhose ganz zu schweigen.“ Wieder trank sie einen Schluck, sichtlich angetan vom Kaffee.

Rico probierte nun ebenfalls und war überrascht, wie gut das Gebräu schmeckte.

„Monty kann aber eigentlich nichts dafür“, verteidigte Neen nun ihren Schützling. „Audra hat ihn nicht erzogen, und mit vierzehn Monaten ist er fast noch ein Welpe.“

Erstaunt blickte er auf die Abdrücke, die seiner Meinung nach auch von einem ausgewachsenen Löwen hätten stammen können.

„Zu welcher Rasse gehört dieser Beinahe-Welpe?“, erkundigte er sich.

„Er ist eine dänische Dogge.“ Neen schüttelte den Kopf. „Kein süßer kleiner Chihuahua oder Zwergpudel für unsere Audra, oh nein! Das wäre ja ein Klischee. Sie wollte als das Model mit der Dogge bekannt werden.“

„Und? Hat es geklappt?“

Sie lächelte schelmisch. Also hatte sie nicht nur Mumm, sondern auch Humor. Wer immer den Job schließlich bekam, würde beide Eigenschaften im Überflüss brauchen.

„Bekannt wurden sie und Monty schon, aber nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatte.“

„Also waren die beiden eher berüchtigt, ja?“ Rico lachte unwillkürlich, als er sich ausmalte, was der Hund wohl alles angestellt haben mochte. „Warum haben Sie ihn trotzdem genommen?“

„Weil Audra ihn in mein Haus geschmuggelt hat, während ich unter der Dusche stand“, erklärte sie. „Immerhin hat sie eine Notiz auf dem Küchentisch hinterlassen, bevor sie zum Flughafen entschwunden ist.“

Offensichtlich wusste diese Audra, dass man Neen nicht leicht überrumpeln konnte. Auch das sprach für Neen als Managerin.

„Was machen Sie jetzt mit Monty?“, erkundigte er sich.

„Ich muss ein gutes Zuhause für ihn finden. Sie sehen übrigens aus wie ein Mann, der unbedingt einen Hund braucht, Mr D’Angelo.“ Neen lächelte ihn so strahlend an, dass ihm kurz der Atem stockte.

Starr blickte er sie an und war kurz versucht, einfach zuzustimmen. Dann meldete sich glücklicherweise seine Vernunft zurück.

„Ich bin viel zu selten zu Hause“, wehrte er ab. „Es wäre also dem Hund gegenüber nicht fair.“

Während er das sagte, musste er sich ein Lächeln verkneifen. Neen ist ganz schön raffiniert, dachte er anerkennend.

„Wenn nur jeder, der sich einen Hund anschafft, so viel Voraussicht hätte!“, erwiderte sie ernsthaft. „Man müsste einen Befähigungstest bestehen, finde ich, bevor man sich einen Hund zulegen darf.“

„Dasselbe könnte man vom Kinderkriegen sagen.“

„Denken Sie an Ihre Problemteenager?“, fragte sie einfühlsam.

„Benachteiligte Jugendliche“, korrigierte Rico.

„Wortklauberei!“, kommentierte sie.

„Ich bestreite nicht, dass die Jungen Probleme haben“, gab er zu. „Aber alles, was sie brauchen, ist eine Chance. Und da komme ich ins Spiel. Der Zweck des Cafés ist es, unterprivilegierte junge Menschen in den Grundlagen von Küche und Service auszubilden und ihnen so einen Job in der Gastronomie zu ermöglichen.“

Neen trank aus und stellte den Becher auf den Schreibtisch. „Mr D’Angelo, ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem Projekt. Danke für den Kaffee. Und jetzt verabschiede …“

„Neen, Sie sind noch nicht aus dem Rennen!“

„Warum nicht?“ Sie musterte ihn mit schmalen Augen.

Ihr Argwohn kam für ihn überraschend. Aber eine vernünftige Dosis an Skepsis war bei dem Job, den er anbot, nicht verkehrt. Auch in diesem Punkt entsprach Neen also den Anforderungen!

„Nicht alle Bewerbungsgespräche waren Zeitverschwendung“, erklärte Rico. „Es gibt mindestens zwei Bewerber, die Potential haben.“

„Aber?“, hakte sie scharfsinnig nach.

„Ich bezweifle, ob sie engagiert genug sind.“

„Und warum halten Sie mich für geeignet, Mr D’Angelo?“

Da musste er keinen Moment lang nachdenken. „Sie sind ehrlich, Sie zeigen Rückgrat und Sie besitzen Humor. All das wird in diesem Job bitter nötig sein. Und es spricht für Sie, dass Sie Hunde mögen“, fügte Rico hinzu.

„Oh nein, das tue ich nicht“, widersprach Neen nachdrücklich. „Ich verabscheue Hunde. Sie sind lärmende, übelriechende, dumme Geschöpfe. Ich hätte lieber eine Katze.“

Verblüfft sah er sie an. „Aber Sie wollen doch einen guten Platz für Monty finden, statt ihn einfach ins Tierheim abzuschieben.“

„Das blöde Vieh kann ja nichts dafür, dass die Besitzerin es im Stich gelassen hat.“

„Ihre Worte beweisen mir endgültig, dass Sie eine integre Person sind. Und darauf lege ich großen Wert bei meinen Bewerbern.“

„Was ist mit meinem Mangel an Erfahrung?“, wollte sie wissen.

„Wieso Mangel?“ Er zog ihr Bewerbungsschreiben zu sich. „Sie arbeiten im gastronomischen Bereich, seit Sie vor acht Jahren die Highschool abgeschlossen haben.“

„Ja, ich war Kellnerin, Köchin und ich habe für zwei angesehene Cateringfirmen gearbeitet.“

Restaurantmanagerin war sie allerdings nicht gewesen, das stimmte. „Ich sehe hier, dass Sie vor Kurzem einen Kurs zur Leitung von Kleinbetrieben abgeschlossen haben, Miss Cuthbert.“

„Richtig. Mein langfristiges Ziel ist es, ein eigenes Café zu eröffnen.“

„Wie ehrgeizig!“

„Ich finde, man sollte große Ziele haben. Sie nicht?“

„Doch. Und was können Sie, Ihrer Meinung nach, in den angebotenen Job einbringen?“, fragte Rico.

„Sie meinen, abgesehen von Ehrlichkeit, Integrität, Mumm und Humor?“ Ihre Augen funkelten.

Er öffnete den Mund und zwang sich dann mit beinah übermenschlicher Anstrengung, Neen nicht gleich einzustellen. Immerhin kam nach ihr noch jemand zum Bewerbungsgespräch. Und er neigte sonst nicht zu spontanen Entschlüssen.

Sie wurde wieder ernst. „Was ich Ihnen bieten kann, ist Folgendes, Mr D’Angelo: gute Arbeit. Ich habe mich in meinen bisherigen Jobs bei verschiedensten Gelegenheiten als Managerin betätigen können, auch wenn es nie zur Jobbeschreibung gezählt hat. Ich möchte die Erfahrung sammeln, die Ihr Job mir bietet. Im Gegenzug werde ich hart arbeiten. Ich werde Sie nicht enttäuschen oder irgendwie hängen lassen.“

Das glaubte er ihr sofort. Er hatte nur noch eine Frage. Nein, zwei. „Warum sind Sie zurzeit ohne Anstellung?“

Sie zögerte kurz. „Aus persönlichen Gründen.“

Er lehnte sich abwartend zurück. Würde sie auf die Gründe näher eingehen?

Sie schien zu überlegen, ob es für ihn wirklich notwendig war, ihre Motive zu kennen – und ob sie ihm trauen konnte. Schließlich sagte sie: „Ich habe dieses Jahr eine Erbschaft gemacht, die mir die Erfüllung meines Traums ermöglichen würde. Dann wurde das Testament allerdings angefochten, und es ist noch keine Entscheidung gefallen.“

„Das tut mir leid.“

„So was passiert nun mal. Bis alles geklärt ist, wollte ich nicht untätig herumsitzen und fand es besser, mir einen Job zu suchen.“

„Eine abschließende Frage noch, Neen: Wären Sie bereit, einen Zweijahresvertrag zu unterschreiben?“

„Nein“, antwortete sie prompt.

Plötzlich kam ihm der Tag grau und trüb vor, und eine Last schien sich auf seine Schultern zu senken.

„Ich wäre allerdings bereit, mich für ein Jahr zu verpflichten“, fügte Neen hinzu.

Immerhin etwas, fand er. Aber es war nicht genug. Das war schade, denn in jeder anderen Hinsicht war Neen Cuthbert einfach perfekt für den Job.

Am nächsten Morgen ging Rico erneut die Unterlagen der drei Bewerber durch, die er in Betracht zog, dann rief er die Leute an, die als Referenz angegeben waren.

Der frühere Arbeitgeber des Bewerbers mit der größten Berufserfahrung stellte diesem leider ein schlechtes Charakterzeugnis aus. Aufbrausende und launische Menschen waren das Letzte, was das Projekt brauchte. Es war jemand nötig, der die Jungen verstand und förderte.

Sofort kam Rico die Person in den Sinn, die das schaffen würde: Neen Cuthbert.

Er prüfte die Referenzen seiner anderen Kandidatin. Die waren makellos. Danach rief er die Personen an, die Neen als Referenz angeben hatte. Alle empfahlen sie wärmstens und fügten hinzu, sie würden Neen sofort wieder einstellen.

Rico überlegte. Der Job des Managers war ungeheuer wichtig, deshalb durfte er keine Fehlentscheidung treffen. Neens Konkurrentin Helen Clarkson besaß mehr Erfahrung und war bereit, einen Zweijahresvertrag zu unterschreiben. Was gab es da noch zu überlegen?

Er ging ins Vorzimmer. „Lisle, würden Sie bitte Helen Clarkson anrufen und ihr den Job anbieten? Wenn sie Ja sagt, soll sie …“

„Ich habe gerade eben mit ihr telefoniert und von ihr erfahren, dass sie eine Anstellung in Launceston angenommen hat“, berichtete die Sekretärin.

Hatte Helen nicht behauptet, sich für sein Projekt mit aller Kraft einzusetzen, wenn sie den Job bekam? Das war also eine Lüge gewesen.

Neen war keine Lügnerin …

„Na schön, dann bieten sie Neen Cuthbert die Stelle an“, sagte Rico schroff. „Sie soll irgendwann diese Woche herkommen und den Vertrag unterschreiben.“

„Alles klar.“

Er ging in sein Büro zurück und widmete sich den Bergen von Unterlagen und Ansuchen, die sich auf seinem Schreibtisch türmten.

Eine Stunde später warf er den Kugelschreiber hin. Der ganze Papierkram machte ihn jedes Mal wütend. Er eilte zur Tür und riss sie auf.

„Haben Sie Neen Cuthbert schon erreicht?“, blaffte er Lisle an.

„Sie hat mit Freuden zugestimmt“, erwiderte diese ungerührt.

„Ausgezeichnet!“ Er blickte auf seine Uhr. „Sie lebt in Bellerive, richtig?“

„Stimmt.“

„Ich habe ein Geschäftsessen mit dem Manager des Eastland Shopping Center. Wenn ich schon auf der anderen Seite des Hafens bin, kann ich Miss Cuthbert gleich den Vertrag vorbeibringen.“

Lisle reichte ihm die entsprechenden Papiere. „Sie wissen doch, dass Harleys Stelle nächste Woche ausgeschrieben wird, Rico? Sie sollten sich bewerben.“

„Ich bin hier von größerem Nutzen“, wehrte er ab.

„Da vergeuden Sie aber Ihre Talente“, meinte sie ehrlich.

„Trotzdem. Ich bin glücklich in meiner Position.“

Glücklich? dachte er dann. Nein! Aber immerhin bewegte er hier etwas. Um Glück ging es ihm nicht.

„He, Monty, mach mal Pause“, rief Neen entnervt und drehte das Radio lauter.

Aber das ausdauernde Bellen des großen Hundes ließ sich nicht übertönen. Wenn das nicht bald aufhörte, würden die Nachbarn sich beschweren.

Ich brauche doch nur eine halbe Stunde, um das Wichtigste fürs Abendessen vorzubereiten, dachte sie verzweifelt und schnitt weiter Zwiebeln. Dann konnte sie ihn wieder hereinlassen. Aber ohne ihre ständige Aufsicht würde er das kleine Haus verwüsten. Da er wusste, dass sie drinnen war, bellte er und bellte und bellte …

Neen öffnete das Küchenfenster, das auf den kleinen Hof hinausging, und Monty kam sofort angelaufen, hörte aber nicht zu bellen auf. Dabei schaute er nicht sie an, sondern eher an ihr vorbei. Plötzlich prickelte es in ihrem Nacken, als sie in der Fensterscheibe eine Bewegung hinter sich wahrnahm.

Das Messer fest umklammernd wandte Neen sich um, jeder Muskel ihres Körpers war angespannt. In der offenen Tür stand ein Mann, nur als dunkler, breiter Umriss zu erkennen. Adrenalin schoss ihr durch die Adern, und ihr Herz pochte wie wild.

Der Eindringling hob beschwichtigend die Hände und ging rückwärts durch den Flur, bis er draußen vor der Tür mit dem Fliegengitter stand. Jetzt erst erkannte Neen den unangekündigten Besucher: Es war Rico D’Angelo. Ihr neuer Boss.

Rasch schaltete sie die Musik aus, dann befahl sie dem Hund, still zu sein. Zu ihrer Überraschung gehorchte er.

„Neen, es tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe“, entschuldigte Rico sich.

Ihr wurde bewusst, dass sie noch immer das Messer umklammerte. Peinlich berührt ließ sie es in die Spüle fallen. Dann verschränkte sie die zitternden Finger.

„Mr D’Angelo, kommen Sie doch bitte rein!“, forderte sie ihn auf.

Er hielt einige Papiere hoch. „Ich wollte Ihnen nur den Vertrag vorbeibringen.“

Monty fing wieder an zu bellen, und sie presste die Hände an die Schläfen.

„Wie wäre es mit einem Spaziergang?“, schlug Rico D’Angelo unerwartet vor. „Monty scheint Bewegung zu brauchen, so wie er klingt.“

„Sie haben doch sicher viel zu tun“, wehrte sie ab.

„Nein. Ich bin hier, weil ich einige Punkte mit Ihnen besprechen wollte. Ich hätte Sie vorher anrufen sollen, ich weiß, aber ich hatte hier in der Nähe zu tun und dachte, ich komme auf gut Glück vorbei.“

Ein Spaziergang ist eine gute Idee, dachte Neen. Er würde ihr helfen, das innere Gleichgewicht wiederzufinden.

„Wenn Sie wirklich so viel Zeit haben?“

„Die habe ich.“

„Dann hole ich nur schnell Montys Leine.“

Sie leinte den Hund an und führte ihn vors Haus, wo Rico D’Angelo auf sie wartete. Dann schloss sie die Haustür sorgfältig ab. Beim Weitergehen vermied sie es, zum Carport zu blicken und vor allem auf ihr Auto, das dort mit vier aufgeschlitzten Reifen stand. Hoffentlich hatte ihr neuer Boss das nicht bemerkt!

„Wie schön, dass Sie das Angebot angenommen haben“, begann Rico freundlich. „Ich setze große Hoffnungen in das Caféprojekt, und ich weiß, dass Sie den Job als Managerin perfekt erledigen werden.“

Sein Lächeln war zu freundlich. Zu mitleidig. Zu … wissend.

„Ihnen sind die kaputten Reifen aufgefallen, oder?“, fragte Neen und seufzte leise.

In dem Moment versuchte Monty, vorwärtszustürmen. Rico nahm ihr die Leine ab.

„Ist das letzte Nacht passiert?“

Sie nickte. „Und nun stellt sich erst recht die Frage, wie ich so fahrlässig sein konnte, meine Haustür nicht abzuschließen.“

„Ist Monty vielleicht schuld?“

„Na ja, er begrüßt mich immer sehr begeistert“, gab sie zu. „Da bin ich genug damit beschäftigt, auf den Füßen zu bleiben.“

Sie hätte geschworen, dass sie abgeschlossen hatte, aber offensichtlich hatte sie es vergessen. Seit sie erfahren hatte, dass der letzte Wille ihres Großvaters angefochten wurde, waren ihre Gefühle ein einziges Chaos und ihre Konzentrationsfähigkeit war gleich Null.

„Haben Sie den Vorfall der Polizei gemeldet?“, wollte Rico wissen.

„Ja. Mr D’Angelo, es tut mir sehr leid, dass …“ Ihr wurde elend beim Gedanken, dass sie ihn in ihrer Panik mit dem Messer hätte verletzen können. „Ich bin im Moment ein bisschen mit den Nerven herunter.“

Am Ende der Straße blieb sie stehen. „Sitz, Monty“, befahl sie.

Der Hund sah sie treuherzig an.

Sie gab ihm ein Handzeichen, und er gehorchte. „Braver Hund“, lobte sie ihn und kraulte seine Ohren.

Dann überquerten sie die Straße und wandten sich nach rechts zum Strand.

„Monty gehorcht mir mittlerweile besser“, meinte sie, um überhaupt etwas zu sagen.

„Hören Sie, Neen, ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Ich hätte nicht einfach in Ihr Haus kommen dürfen. Es tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe“, sagte Rico und sah sie mit seinen ungewöhnlich dunklen Augen reuig an. „Allerdings hatte ich mehrmals geklopft und gerufen.“

„Bei dem Getöse, das Monty und das Radio veranstaltet haben, konnte ich natürlich nichts hören. Es war nicht Ihre Schuld“, beruhigte sie ihn. „Also brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen, Mr D’Angelo.“

„Nennen Sie mich doch bitte Rico“, forderte er sie auf und blieb stehen. „Hören Sie, Neen, mir musste vorhin einfach auffallen, dass nur bei Ihrem Auto die Reifen aufgeschlitzt wurden. Gibt es da etwas, was ich unbedingt wissen sollte?“

Ich muss es ihm sagen, dachte sie und ihr wurde schwer ums Herz. Aber es ging um die Sicherheit seiner Angestellten, also konnte sie sich nicht vor ihrer Verantwortung drücken. Womöglich würde er das Angebot zurückziehen, wenn er alles wusste!

„Lassen Sie uns ans Wasser gehen“, bat sie. „Da kann Monty frei herumlaufen und wird schön müde.“

Am Strand angekommen ließ sie den Hund von der Leine. Begeistert stürzte Monty sich in die Wellen, dass das Wasser hoch aufspritzte.

„Können wir jetzt auf ihre kaputten Reifen zurückkommen“, sagte Rico. Es klang nicht wie eine Frage.

„Die sind leider kein einzelner Zwischenfall. Die Polizei ist informiert, aber sie können nicht viel unternehmen.“ Neen atmete tief durch. „Vor vier Monaten habe ich mit einem Mann Schluss gemacht, der mein Nein anscheinend nicht akzeptiert.“

„Er verfolgt Sie? Bedroht Sie?“

Sie zuckte die Schultern. „Ich habe keine Beweise, dass die Reifen auf sein Konto gehen. Immerhin habe ich eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirken können.“

Wie konnte ich unter diesen Umständen vergessen, meine Tür zuzuschließen? fragte sie sich verstört. Das war einfach nicht zu glauben.

2. KAPITEL

„Neen? Was ist denn?“

Als Rico sie am Arm berührte, zuckte sie zusammen. Er wich sofort zurück, seine Augen verdunkelten sich. Sie wollte ihm sagen, dass sie momentan einfach schreckhaft war und sie sich nicht vor ihm fürchtete, aber …

Aber was? Würde sie es zulassen, dass Chris aus ihr einen Angsthasen machte? Dass sein gestörtes Verhalten ihr ganzes Leben bestimmte?

Es gibt mehr im Leben als Sorgen und Kümmernisse, redete sie sich Mut zu. Wenn sie sich zu sehr auf das Negative konzentrierte, würde sie all das Schöne verpassen, das auch noch existierte. Irgendwann würde es Chris langweilig werden, sie zu verfolgen. Mit ein bisschen Glück schon bald.

„Tut mir leid.“ Sie legte Rico die Hand auf den Arm. „Ich war in Gedanken weit weg.“

Rico betrachtete sie forschend, und sie hatte das Gefühl, er würde viel mehr sehen, als ihr lieb war.

„Der vorletzte Zwischenfall ist schon eine Weile her“, erklärte Neen und versuchte zu lächeln. „Ich bin deshalb wohl ein bisschen nachlässig geworden. Oder … Ach, lassen Sie uns doch noch ein bisschen spazieren gehen“, schlug sie vor.

„Einverstanden.“

Sie gingen über den festen Sand am Wellensaum.

„Was hatten Sie gerade eben sagen wollen?“, erkundigte Rico sich.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich die Tür von innen abgeschlossen habe, weil mir das in Fleisch und Blut übergegangen ist“, antwortete sie zögernd.

„Sie glauben also, jemand hat das Schloss manipuliert?“

Ihr Mund wurde trocken. „Ich leide wahrscheinlich an Verfolgungswahn, aber … etwa eine Woche, nachdem Chris und ich uns getrennt hatten, kam ich abends nach Hause und alle Türen und Fenster standen offen. Er muss noch einen Schlüssel gehabt haben. Da bin ich zum ersten Mal umgezogen. Und das zweite Mal, als das Haus, dass ich daraufhin gemietet hatte, eines wenig schönen Morgens völlig mit roter Farbe bespritzt war. Da bin ich erneut geflohen. Aber das will ich nicht mehr!“

Rico ballte unwillkürlich die Rechte zur Faust.

„Ich habe einbruchsichere Riegel an allen Fenstern und Türen, außer an der Fliegengittertür. Weil es heute so schön und sonnig ist, habe ich die äußere Tür offen gelassen… Es ist doch noch helllichter Tag!“

„Sie sollten Ihre Haustür offen lassen können, ohne Übergriffe befürchten zu müssen“, sagte er heftig.

„Schon, aber ich war auch wirklich geistesabwesend“, gestand Neen. „Zum einen, weil ich die Stelle angeboten bekommen habe, und zum anderen, weil ich heute Abend Gäste zum Essen habe, und alles einfach perfekt laufen muss.“

Und wenn es nicht klappte … Bei dem Gedanken krampfte sich ihr Magen zusammen.

„Da gibt es noch etwas“, sagte sie zögernd. „Die Zwischenfälle sind seltener geworden, also hatte ich gehofft, Chris hätte aufgegeben. Er darf sich mir auf höchstens zwanzig Meter nähern, andernfalls kann ich ihm die Polizei auf den Hals hetzen. Das riskiert er bestimmt nicht.“

Sie atmete tief durch, um sich Mut zu machen.

„Jetzt sieht es allerdings so aus, als würde er sich weiterhin rächen wollen, also wäre es Ihnen ja vielleicht lieber, wenn ich Ihr Jobangebot ausschlage.“

Rico blieb stehen. „Weshalb sollte es das?“

Sie antwortete nicht, sondern ließ ihn seine eigenen Schlüsse ziehen.

„Ach so, Sie meinen, er könnte Ihren Arbeitsplatz als Zielscheibe für seine Anschläge aussuchen?“

„Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung, was genau in ihm vorgeht“, gab sie zu. „Aber die Möglichkeit, dass er sich das Café vornimmt, müssen wir in Betracht ziehen.“

„Ich werde doch keinen durchgeknallten Blödmann bestimmen lassen, wen ich einstelle!“, erklärte Rico wütend. „Ich weiß, dass Sie die ideale Person für den Job sind!“

Ob er da nicht zu viel von mir erwartet? fragte sie sich bedrückt.

„Was hat Sie eigentlich veranlasst, sich mit einem solchen Schuft einzulassen?“, fügte er hinzu.

Sie schlang sich die Arme um die Taille und ging nachdenklich weiter. Ganz einfach: Sie hatte sich nach Liebe gesehnt. So sehr, dass es wehgetan hatte. Deshalb war sie Chris verfallen, der sich so auf sie konzentriert hatte wie noch kein Mensch vorher, abgesehen von ihrem Großvater. Wie eine Verdurstende hatte sie Chris’ Zuneigung angenommen.

Erst später hatte sie sein Besitzdenken und seine Eifersucht als solche erkannt. Wenn sie nicht so liebeshungrig gewesen wäre, hätte sie die Beziehung vielleicht früher beendet. Aber das hatte sie nicht, und nun zahlte sie die Rechnung dafür.

„Ich habe einen Fehler gemacht“, erklärte Neen schließlich mit beherrschter Stimme. „Ist Ihnen das etwa noch nie passiert?“

„Doch“, antwortete Rico schroff. Sein Gesicht war starr und finster geworden. Er drehte sich um und machte sich auf den Rückweg. Rasch holte sie ihn ein.

„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich. „Ich hatte das nicht persönlich gemeint.“

Er blinzelte, und sein finsterer Ausdruck verschwand. „Ich muss mich entschuldigen. Mir ist gerade schlagartig klar geworden, welchen Preis manche für ganz unverschuldete Fehler zahlen müssen. Das ist nicht fair.“

Neen fragte sich im Stillen, welche Fehler dieser Mann wohl gemacht hatte.

„Nehmen Sie nur die Jungen, mit denen ich arbeite“, erklärte Rico. „Die meisten von ihnen zahlen für die Fehler anderer Menschen. Was können sie denn dafür, dass ihre Mütter zu jung waren, oder ihre Väter dem Alkohol oder Drogen verfallen sind?“

„Und Sie wollen das ändern?“

Seine Augen blitzten. „Ich werde das ändern!“

Die Worte ließen sie unerklärlicherweise frösteln. Oder lag es eher an seinem Ton?

„Haben Sie mal Selbstverteidigung gelernt?“, erkundigte Rico sich unvermittelt.

„Nein.“

„Warum nicht? Es wäre eine vernünftige Maßnahme angesichts Ihres Problems.“

Sie blickte übers Wasser zum Mount Wellington, der hinter der Stadt aufragte.

„Neen?“ Rico ließ nicht locker.

„Ich hatte gehofft, dass es nicht nötig wäre“, antwortete sie. „Dass die Drohungen nicht in Gewalttätigkeit ausufern würden. Außerdem fürchte ich, dass Chris mich beobachtet. Mich verfolgt. Ich wollte ihn nicht auf dumme Gedanken bringen.“

Rico blickte auf Neen hinunter und ihm wurde schwer ums Herz. Sie sah plötzlich so klein und zerbrechlich aus. Unwillkürlich ballte er die Hände bei der Vorstellung, jemand wolle ihr wehtun – bei der Vorstellung, dass Männer überhaupt gewalttätig gegenüber Frauen waren.

Es war extrem wichtig für Neen zu lernen, wie sie sich gegen einen tätlichen Angriff wehren konnte. Das würde auch ihr Selbstvertrauen stärken, was immer ein Vorteil war.

„Selbstverteidigungskurse sind seit Neuestem unabdingbare Voraussetzung für den Job als Manager“, erklärte er und wappnete sich gegen ihren Widerspruch. „Das wollte ich, unter anderem, heute mit Ihnen besprechen.“

„Ja, ja, wers glaubt, wird selig“, konterte sie.

Einen Moment lang glaubte er, sie würde zu lachen anfangen. Es wäre schön, sie lachen zu hören … Aber darum ging es hier nicht!

„Ich hatte diese Info beim Bewerbungsgespräch vergessen. Sie werden mit jungen Männern arbeiten, die unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen sind. Handgreifliche Erziehungsmethoden sind bei deren Eltern keine Seltenheit.“

„Gewalt ist also die Sprache, die sie verstehen?“, hakte Neen nach.

„Ja, von klein auf und in allen Nuancen“, bestätigte er. „Natürlich nehme ich keine Jungen auf, die selber zu Gewalt neigen. Allerdings sind hormongesteuerte Teenager unberechenbar, oft auch die Angehörigen und Freunde der Jungen. Es ist nun mal die Welt, in der sie aufgewachsen sind.“

„Und diese Welt wollen Sie ändern?“

Er sah die Zweifel in ihren Augen, und das schmerzte ihn, obwohl er solche skeptischen Blicke inzwischen gewohnt sein sollte.

„Die Kosten für Ihren Selbstverteidigungskurs werden selbstverständlich übernommen“, teilte er ihr mit, ohne auf die Frage einzugehen. „Ich bestehe darauf! Außerdem werde ich den Trainer aussuchen und mich über Ihre Fortschritte auf dem Laufenden halten lassen.“

„Okay. Wenn Sie genauere Infos haben, informieren Sie mich ja vermutlich sofort.“ Sie schaute zu Monty. „Ich staune immer wieder, wie viel Energie dieser Hund hat.“

Er tobte durch die Brandung, ein Bild purer Lebensfreude.

Beneidenswert …, dachte Rico und ermahnte sich im gleichen Augenblick streng. Er war zu beschäftigt, um am Strand zu liegen und ab und zu ins kühle Nass zu springen. Das bedauerte er nicht. Nicht die Spur!

Zurück zu den wichtigen Dingen, ermahnte er sich. Er würde dafür sorgen, dass Neen so bald wie nur möglich mit dem Kurs anfing. Bis dahin würde es nicht schaden, ihr einige Tricks beizubringen.

Sie hatte nichts dagegen. Er erklärte ihr, dass der wichtigste Grundsatz war, den Angreifer lang genug außer Gefecht zu setzten, um flüchten zu können. Bei einem Mann, der sie von vorn attackierte, war der Stoß mit dem Knie in die Weichteile noch immer das effektivste Mittel, vor allem, wenn sie dabei laut schrie.

„In neun von zehn Fällen schlägt die Angst, erwischt zu werden, den Angreifer in die Flucht“, erklärte Rico. „Und jetzt drehen Sie mir den Rücken zu.“

Sie tat es.

„Wenn ein Angreifer Sie so von hinten packt …“, er umfasste ihre Oberarme und zog Neen dicht an sich, „… dann müssen Sie …“

Weiter kam er nicht, denn er entdeckte Monty, der knurrend und geifernd auf ihn zustürmte. Eben noch ein tollpatschiges Vieh, hatte er sich in Sekundenschnelle in eine furchterregende Kampfmaschine verwandelt.

Rico stand da wie erstarrt.

Neen hingegen wurde aktiv. Sie löste sich aus dem Griff, rief Monty ein lautes „Nein“ zu und hielt die Hand hoch wie eine Verkehrspolizistin.

Der Hund stoppte abrupt.

„Platz!“, kommandierte sie streng und machte eine Geste, als würde sie den Hund nach unten drücken.

Der winselte und scharrte im Sand, dann legte er sich hin, die Schnauze auf die Pfoten gepresst, und ließ Neen nicht aus den Augen.

„Hunde brauchen eine strenge Rangordnung“, erklärte sie sachlich.

„Aha.“ Mehr brachte Rico nicht heraus. Allmählich beruhigte sich sein Herzschlag.

„Monty muss wissen, dass Sie in dieser Ordnung über ihm stehen, dann erweist er Ihnen den nötigen Respekt.“

„Okay. Und wie bringen wir ihm das bei?“

„Schütteln Sie mir die Hand“, forderte sie ihn auf. Er tat es. „Und jetzt beugen Sie sich so nahe zu mir, dass ich Sie auf die Wange küssen kann.“

„Aber gern!“

Neen duftete betörend nach Erdbeeren, Eichenholz und … Hund. Ihre Lippen fühlten sich kühl an, und sein Herz schien einen Sprung zu machen. Gefühle und Impulse seiner Jugendzeit, die er zehn Jahre lang unterdrückt hatte, meldeten sich urplötzlich und überwältigend zurück.

Sie trat einen Schritt zurück, ließ seine Hand aber nicht los. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Es lag bestimmt an der Sonne und der frischen Luft hier am Strand, dass ihn diese Empfindungen überfallen hatten. Er fühlte sich, als wäre er im Urlaub.

„Monty!“, sagte Neen sanft und schnippte mit den Fingern. Sofort stand er auf und stupste ihre Hand an. „Halten Sie ihm jetzt Ihre Hand hin, Rico. Dann kann er Ihren Geruch aufnehmen und ihn sich merken.“

Er tat, was sie wollte, ganz ohne Angst, vom Hund gebissen zu werden. Neens Sicherheit hatte auf ihn abgefärbt, und er war überzeugt, dass diese Frau niemanden einem Risiko aussetzen würde. Monty war tatsächlich brav und leckte ihm die Hand.

„Guter Hund“, lobte Neen. Sie ließ Ricos Hand los und kraulte Monty den Rücken.

Der Hund drängte sich an Neen. Rico verstand ihn vollkommen.

„Woher wissen Sie so viel über Hunde?“, erkundigte er sich und versuchte, sich vom Anblick ihrer Hüften abzulenken, die in der engen Jeans bestens zur Geltung kamen.

„Ich bin mit Hunden aufgewachsen.“

„Aber Sie mögen keine Hunde“, erinnerte er sich.

„Richtig.“ Sie zog einen Tennisball aus der Jackentasche und warf ihn. „So, Monty, such. Damit du so richtig müde wirst.“

„Meine Jungs werden von Ihnen begeistert sein, Neen“, meinte Rico bewundernd.

Als Neen am nächsten Morgen mit Monty vom Strand zurückkam, warteten einige Handwerker vor ihrem Haus. Ihr wurde mulmig zumute, und sie fasste die Hundeleine fester, während sie auf die Männer zuging.

„Sind Sie Miss Cuthbert?“, fragte der eine, und sie nickte. „Wir sind beauftragt, bei allen fünf Häusern in diesem Komplex Alarmanlagen einzubauen.“

„Wer hat sie beauftragt?“, fragte sie skeptisch.

Er schaute auf sein Klemmbrett. „Die Immobiliengesellschaft, die für diesen Besitz verantwortlich ist, Miss.“

„Darf ich mal sehen?“

Er hielt ihr das Auftragsformular hin, auf dem tatsächlich der Name der Agentur stand. Trotzdem war sie sich völlig sicher, dass Rico hinter dem Auftrag steckte. Er war einer dieser Männer, die Dinge ins Rollen brachten.

Neen schloss die Tür auf. „Bitte, kommen Sie herein“, forderte sie die Männer auf und ging ihnen voraus.

Sie machte sich eine Kanne Tee und setzte sich damit in den Patio. Monty döste zu ihren Füßen im Frühlingssonnenschein. Plötzlich kam ihr eine Idee: Sie wählte die Nummer, die Rico ihr gestern gegeben hatte.

„D’Angelo“, klang es schroff aus dem Lautsprecher ihres Handys.

„Hallo, Rico, hier ist Neen“, sagte sie und lächelte vor sich hin.

„Oh! Hallo. Alles in Ordnung bei Ihnen?“

„Ja, danke.“ Es war lange her, dass sie sich so umsorgt gefühlt hatte.

Aber der Wunsch, dass sich jemand um sie kümmerte und sie liebte, war die Ursache ihrer Probleme mit Chris. Also blieb sie besser auf der Hut.

„Ich wollte mich bedanken, dass Sie mir die Handwerker geschickt haben“, sagte sie bemüht sachlich. „Wie haben Sie das bloß so schnell geschafft?“

Als er nicht antwortete, war sie plötzlich befangen. Dann kam ihr ein unheimlicher Gedanke: Waren die Männer etwa von Chris angeheuert worden, und es steckte ein fauler Trick dahinter?

„Rico? Wenn Sie nicht den Auftrag für ein Alarmsystem gegeben haben, sagen Sie es mir um Himmels willen sofort!“

Warum hatte sie nicht gleich die Immobiliengesellschaft angerufen und sich erkundigt, ob alles seine Richtigkeit hatte?

„Keine Sorge, Neen, ich habe das in die Wege geleitet. Der Makler, der für Ihre Wohnanlage zuständig ist, schuldete mir noch einen Gefallen“, erklärte er.

„Ja, dann.“ Sie atmete auf. „Das war sehr nett von Ihnen, Rico. Vielen Dank.“

„Ich schütze nur meine neueste Investition“, erwiderte er scherzend. „Haben Sie den Vertrag schon ganz durchgelesen?“

Sie spürte, dass er auf Distanz ging, und runzelte die Stirn. Natürlich glaubte sie nicht, dass sie nach ihren gestrigen Geständnissen schon beste Freunde waren, aber sie hatte bisher immer freundschaftliche Beziehungen zu ihren Chefs gehabt und sah nicht ein, warum es bei Rico anders sein sollte.

Außer vielleicht deshalb, weil er ganz anders war als alle ihre bisherigen Vorgesetzten? So viel … leidenschaftlicher. In seinem Engagement für eine gute Sache, meinte sie natürlich.

„Ja, ich habe den Vertrag gelesen“, bestätigte sie. „Und eine Änderung gemacht.“

„Welche?

„Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass ich mich nicht für zwei Jahre verpflichte“, erinnerte sie ihn. „Sondern nur für eines.“

Er sagte nichts.

„Ich nehme an, es war ein Versehen Ihrerseits“, meinte Neen versöhnlich.

Rico lachte leise. „Das war es tatsächlich, ob Sie’s glauben oder nicht. Natürlich wäre es mir viel lieber, wenn Sie es sich anders überlegen und doch zwei Jahre bleiben.“

Das glaubte sie ihm, und auch, dass er sie nicht hatte austricksen wollen. Er war ein aufrichtiger Mensch, dessen war sie sich sicher.

„Warum liegt Ihnen so viel an dem Projekt?“, wollte sie wissen.

„Sobald es erste Erfolge zeigt, kann ich Gelder für weitere derartige Cafés beantragen“, antwortete er.

„Sie wollen eine ganze Kette von karitativen Cafés auf die Beine stellen?“

„Warum nicht?“, konterte er.

Es gab wirklich kein stichhaltiges Argument dagegen, außer einem: „Denken Sie denn niemals an Ihr Vergnügen? Wollen Sie nicht ab und zu einfach ein bisschen Spaß haben?“

Himmel, das klang fast wie ein eindeutiges Angebot. Zumindest klang es nach persönlichem Interesse, und sie war nicht an ihm interessiert. Momentan waren ihr alle Männer egal. Basta!

„Sind Sie heute sehr beschäftigt?“, erkundigte sich Rico unerwartet. „Ich weiß, Sie fangen offiziell erst am Montag mit der Arbeit an, aber ich würde Ihnen gern die Räumlichkeiten zeigen und Ihre Meinung dazu hören.“

Der Vorschlag versetzte sie in eine angenehme Aufregung. Endlich tat sich etwas. Sie brauchte nicht länger nur herumzusitzen und über ihr Pech zu grübeln.

„Das würde ich gern machen, Rico, aber die Handwerker haben hier noch ungefähr eine Stunde lang mit der Alarmanlage zu tun. Unter den jetzigen Umständen möchte ich auf jeden Fall selber abschließen.“

„Verständlich, Aber heute Nachmittag hätten Sie Zeit?“

„Ja.“

„Ausgezeichnet. Ich zeige Ihnen also das Café, und vielleicht könnten Sie schon ein paar unserer Lehrlinge kennenlernen.“

„Das klingt super “, sagte sie begeistert. „Wo soll ich Sie treffen?“

„Am besten in meinem Büro. Sagen wir, halb zwei?“

„Einverstanden.“

„Übrigens, Neen … Wie ist denn das Abendessen gestern verlaufen? Das Ihnen so viel Stress gemacht hat?“

Sie fand es nett, dass Rico sich daran erinnerte, trotzdem krampfte sich ihr Magen zusammen. Der Abend war eine ausgewachsene Katastrophe gewesen.

„Neen? Sind Sie noch dran?“

„Ja. Es ist genau so verlaufen, wie ich es nach dieser Woche erwarten durfte.“ Sie versuchte, humorvoll zu klingen.

„Tut mir leid, das zu hören.“ Rico ließ sich nicht täuschen. „Aber die Woche war kein totaler Reinfall. Immerhin haben Sie einen interessanten Job an Land gezogen.“

Nun lächelte sie schwach. „Richtig“, stimmte sie zu und verabschiedete sich.

„Wir können die Räumlichkeiten zwei Jahre lang mieten. Für das sprichwörtliche Butterbrot“, berichtete Rico, während er die Tür des Cafés aufschloss.

„Wie haben Sie das geschafft?“, fragte Neen beeindruckt. „In dieser Gegend, wo die Mieten wegen der Nähe zum Wasser exorbitant hoch sind.“

Er zuckte nur die Schultern.

„Ach, verstehe: Der Vermieter schuldete Ihnen noch einen Gefallen“, vermutete sie.

„Nein. Er ist Teilhaber einer großen Milchfarm. Ich habe ihm Gratisreklame versprochen, auf den Speisekarten und so.“

„Guter Schachzug“, lobte sie.

„Das fand er auch“, bestätigte Rico und schaltete das Licht ein.

Neen sah sich um. Der Raum war groß und hatte zwei Erkerfenster mit Blick auf die Straße. Aussicht aufs Wasser wäre natürlich schöner gewesen, aber unbezahlbar.

„Ich habe auch zugesagt, alle Renovierungs- und Reinigungsarbeiten selber durchzuführen“, informierte Rico sie.

Da kam einiges an Arbeit auf sie zu!

„Und, was meinen Sie, Neen?“

„Dass wir dem ganzen Charme verleihen können“, antwortete sie optimistisch. „Wir brauchen nur etliche Eimer Farbe und genügend Muskelschmalz.“

„Prima. Kommen Sie, sehen wir uns die Küche an.“

Im Vorbeigehen strich sie über den hölzernen Tresen und die Vitrine, die die gesamte Längswand einnahmen. Sie würden wunderbar aussehen, wenn sie erst einmal richtig poliert waren – und die Vitrine gefüllt mit köstlichen, verlockenden Kuchen und Torten. So eine Vitrine hätte sie sich auch für ihr eigenes Café ausgesucht, und …

Nein, daran dachte sie jetzt lieber nicht.

Neen folgte Rico in die Küche, die kleiner war, als sie gehofft hatte.

„Haben Sie schon einen Hygiene- und Sicherheitscheck durchführen lassen?“, erkundigte sie sich.

„Noch nicht. Warum?“

„Die blank liegenden Kabel hier, da und dort“, sie wies auf die entsprechenden Stellen, „sind gefährlich, und diese Steckdose könnte sogar ein Feuer verursachen.“

Rico fluchte.

„Wegen der Sicherheit des Deckenventilators habe ich auch Bedenken“, fügte sie schonungslos hinzu. „Die Herde dürften okay sein, wenn sie erst mal richtig sauber sind.“ Sie öffnete einen Wandschrank und scheuchte eine Küchenschabe auf. „Igitt! Es ist hier drin viel zu dunkel, Rico, das ist ein echtes Problem. Wir brauchen Leuchtröhren an den Wänden und der Decke. Mit heißen Platten und scharfen Messern gibt es viel zu viele Gefahrenquellen. Das würde ich nicht mal voll ausgebildeten Kräften zumuten, geschweige denn Auszubildenden.“

„Die Jungs werden es schon lernen.“

„Natürlich.“ Sie strich mit dem Finger über eine Bank und rümpfte die Nase. „Aber sie werden viel schneller und sicherer lernen, wenn sie dabei genügend Licht haben.“

Er seufzte. „Das kostet ein Vermögen!“

„Haben Sie mich mitgenommen, damit ich Ihnen auf die Schulter klopfe und alles über den grünen Klee lobe, oder damit ich Ihnen ehrlich meine Meinung sage?“, wollte Neen wissen.

Er funkelte sie an. „Jetzt weiß ich, warum die Miete so gering ist.“

„Wir sind hier inmitten der Touristenmeile von Hobart, also ist das Lokal trotz allem ein Schnäppchen. Was ist da hinten?“

„Lagerraum, Spinde und sanitäre Anlagen für das Personal, außerdem die Hintertür.“

Er ging voraus und machte im Vorbeigehen die Tür zum Lagerraum auf. Etwas Pelziges kam herausgeschossen und streifte ihren Knöchel.

Neen stieß einen spitzen Schrei aus.

„Was ist denn?“, fragte Rico verwundert.

Sie schob ihn nach draußen in den Hinterhof und stampfte mit dem Fuß auf. „Pfui Teufel! Ich kann mich mit Mäusen abfinden, und ich bin durchaus bereit, die eine oder andere Küchenschabe zu vernichten, aber bei Ratten hört es für mich auf.“

„Hier gibt es keine Ratten“, erwiderte er finster.

„Ach nein? Und was läuft da gerade die Treppe runter?“

3. KAPITEL

Rico fluchte lauthals. Ratten! Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Das Gesundheitsamt würde seinen großen Tag haben, wenn es davon erfuhr. Dann war es mit der Kette gutgehender Cafés mit wohltätigem Zweck womöglich vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte.

Außer er konnte Neen dazu bewegen, ihren hübschen Mund zu halten und …

Was überlege ich da? dachte er plötzlich, von sich entsetzt. Er konnte seine Gäste doch nicht einem Gesundheitsrisiko aussetzen! Und wenn das bekannt würde, wäre der Skandal perfekt, und das wäre garantiert das Ende all seiner Pläne.

Neen musterte ihn mit schmalen Augen. „Sind Sie gegen Tetanus geimpft, Rico?“

„Ja, sicher.“

„Dann gehen Sie da rein, schalten das Licht aus und schließen alles ab“, forderte sie ihn auf und ging zum Hoftor. „Wir treffen uns vor dem Haus. Und bringen Sie mir bitte meine Handtasche mit. Die steht in der Küche auf dem Tresen.“

Ohne ein weiteres Wort verschwand sie.

Mürrisch tat er, was sie von ihm verlangt hatte, und traf sie dann vorn auf dem Bürgersteig. Gern hätte er etwas Ermutigendes gesagt, aber ihm fiel nichts ein. Witzige Bemerkungen über Ratten und Küchenschaben wären fehl am Platz gewesen. Neen hatte scharfsinnig durchschaut, wie verzweifelt ihn diese Rückschläge machten.

Als er zu seinem Auto gehen wollte, hielt sie ihn auf.

„Kommen Sie mit, Rico!“

„Wohin?“

„Ins nächste Pub, zu einer Krisensitzung.“ Sie ging los.

Kurz zögerte er, dann folgte er ihr widerstrebend. „Ich habe viel zu tun.“

„Ich muss Sie korrigieren“, konterte sie energisch. „Wir beide haben viel zu tun. Gemeinsam.“

Im Pub setzte Neen sich an einen ruhigen Tisch, während Rico alkoholfreies Bier und eine Tüte Chips für sie holte. Er selbst trank Zitronenlimonade.

„Danke, Rico.“ Sie riss die Tüte auf und bediente sich. „Als Erstes müssen wir eine Prioritätenliste machen.“

Ich hätte nicht verzweifeln dürfen, sondern mich um die Lösung der Probleme kümmern sollen, tadelte er sich. Er war doch sonst immer so aktiv.

Aber heute war Louis’ Geburtstag. Besser gesagt, es wäre Louis’ Geburtstag, wenn er noch leben würde. Der Gedanke lastete schon den ganzen Tag auf ihm und verursachte lähmenden Selbstekel.

„Wann haben Sie das letzte Mal richtig gut geschlafen, Rico?“, erkundigte Neen sich unvermittelt.

Vor zehn Jahren, antwortete er im Stillen. Bevor das mit Louis passiert war …

„Ich könnte Sie dasselbe fragen“, erwiderte er ausweichend. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen. „Was ist denn gestern beim Abendessen passiert?“

Wieso erinnerte er sie an ihre Schwierigkeiten? Neen zog die Augenbrauen hoch.

„Tut mir leid, dass ich gefragt habe“, entschuldigte er sich. „Es geht mich nichts an.“

„Es endete mit Vorwürfen und bösen Worten.“ Sie zuckte die Schultern. „Das war zu erwarten gewesen.“

Unwillkürlich fasste er das Glas fester. „Sie haben doch nicht etwa diesen Exfreund eingeladen, der …“

„Für wie blöd halten Sie mich eigentlich?“, fiel sie ihm ins Wort und funkelte ihn an.

„Entschuldigen Sie“, bat Rico zerknirscht. „Aber ich habe zu viel Erfahrung mit dem Teufelskreis häuslicher Gewalt.“

„Keine persönlichen, hoffe ich.“

„Nein, nein“, beruhigte er sie. „Nur beruflich. Das ist schlimm genug.“

„Kann ich mir vorstellen“, stimmte sie zu. „Was meinen Besuch betrifft: Ich hatte Ihnen doch erzählt, dass das Testament meines Großvaters angefochten wird?“

„Ja.“

„Gestern hatte ich die … gegnerische Partei bei mir.“

„Schade, dass es schlecht gelaufen ist.“

„Danke für das Mitgefühl, Rico. Aber jetzt zurück zu den eigentlichen Problemen. Wir müssen einen Schlachtplan ausarbeiten.“ Sie zog Notizblock und Stift aus der Handtasche.

Er war so daran gewöhnt, selber um Unterstützung gebeten zu werden, dass ihn Neens Unternehmungsgeist und Initiative förmlich überwältigten. Auf angenehme Art.

„Punkt Nummer eins“, begann sie. „Die Räumlichkeiten müssen von einem Kammerjäger schädlingsfrei gemacht werden. Punkt Nummer zwei: Ein Elektriker muss sämtliche Leitungen überprüfen. Ratten nagen gern Kabel an.“

„Ich kenne einen Elektriker, der für ein bisschen Reklame gern die Arbeit übernimmt“, meinte Rico.

„Wie groß sollen denn unsere Speisekarten werden?“, fragte sie und zog die Nase kraus.

Er lachte. „Zu Kammerjägern habe ich leider keine Kontakte.“

„Sie machen sich Sorgen wegen des Budgets, richtig?“ Neen trank einen Schluck.

Plötzlich wurde Rico bewusst, wie attraktiv sie war. Nicht auf umwerfende, auffallende Art – aber mit den dichten kastanienbraunen Haaren, der kecken Nase und dem großzügigen Mund war sie eindeutig hübsch. Sehr hübsch.

„Sorgen wegen des Budgets gehören zu meiner Jobbeschreibung“, behauptete er schroff.

In ihren blauen Augen spiegelte sich Mitgefühl. Sie hatte sehr schöne Augen: glänzend, ausdrucksvoll, groß und … Mühsam wandte er seinen Blick ab. Sie sollte nicht glauben, dass er sie anstarrte.

„Es geht doch um ein wohltätiges Projekt“, meinte Neen. „Da müsste man von der Öffentlichkeit eigentlich viel Unterstützung bekommen.“

„Es gibt zu viele solche Projekte. Die Öffentlichkeit fühlt sich schon überfordert. Menschen können ja nur eine bestimmte Summe erübrigen.“

Neen klopfte mit ihrem Stift auf den Tisch. „Neulich gab es eine Hilfsaktion von einer Radiostation für eine Familie, deren Haus – das nicht versichert war – ...

Autor

Michelle Douglas

Das Erfinden von Geschichten war schon immer eine Leidenschaft von Michelle Douglas. Obwohl sie in ihrer Heimat Australien bereits mit acht Jahren das erste Mal die Enttäuschung eines abgelehnten Manuskripts verkraften musste, hörte sie nie auf, daran zu arbeiten, Schriftstellerin zu werden.

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