In den armen meines Feindes

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Alles hat Massimo Androletti ihr genommen: Ihr Haus, ihr Erbe, ihren Job - und nun hat er es auch noch auf ihren guten Ruf abgesehen. Wenn Nikki Ferliani nicht einwilligt, die Geliebte des arroganten Unternehmers zu werden, droht ihr der völlige Ruin und das Ende ihrer Modelkarriere. Wütend unterschreibt Nikki den Vertrag, der sie verpflichtet, mit Massimo Tisch und Bett in seiner Luxusvilla zu teilen. Doch heimlich sinnt sie auf Rache. Bis die zärtlichen Küsse ihres schlimmsten Feindes diesen Entschluss immer mehr ins Wanken bringen …


  • Erscheinungstag 19.03.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716172
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Niemand auf dieser Beerdigung weinte.

Nikki Ferliani nahm die Beileidsbekundungen mit gefasster Miene entgegen. Dennoch fühlte sie tiefe Trauer, als der Sarg in die dunkle Erde hinabgelassen wurde.

„Es ist ein enormer Verlust“, sagte einer der Verkaufsmanager, als er Nikki die Hand reichte. „Aber für Joseph ist es besser so. Jetzt ist er von seinen Leiden erlöst.“

„Danke.“ Nikki brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Sie haben natürlich recht: So hätte Joseph ganz bestimmt nicht hätte weiterleben wollen. Trotzdem kann ich es einfach nicht fassen.“

„Mrs. Ferliani?“ Ein Reporter drängte sich durch die kleine Gruppe der Trauernden. „Wollen Sie einen Kommentar zur Übernahme von ‚Ferliani Fashions‘ durch den Stiefsohn Ihres verstorbenen Mannes abgeben? Wird Massimo Androletti von nun an allein das Unternehmen führen?“

Allein bei dem Namen überlief Nikki ein Schauder. Sie hatte die kleine Trauergemeinde schon nach seinem Gesicht abgesucht, falls er tatsächlich so unverschämt sein sollte, hier aufzutauchen. Doch bisher gab es keine Spur von ihm. „Nein, möchte ich nicht“, erwiderte sie kühl. „Und jetzt gehen Sie bitte. Das ist eine private Trauerfeier.“

„Stimmt es, dass von dem Vermögen Ihres Mannes nichts mehr übrig ist?“ Der Journalist ließ nicht locker. „Dass Massimo Androletti nun das Geschäft und sogar das Haus, in dem Sie leben, gehören?“

Nikki presste die Lippen zusammen. „Kein Kommentar.“

Jetzt trat noch ein zweiter Reporter hinzu. „Laut unseren Informationen hat Ihr verstorbener Mann ein Vermögen am Aktienmarkt verloren. Diesen Verlust wollte er beim Glücksspiel auffangen. Und dabei hat er alles verloren, was Sie und er besaßen.“

„Mrs. Ferliani sagte doch bereits, dass sie keinen Kommentar abgibt“, ertönte eine tiefe Stimme hinter Nikki.

Sie fuhr herum und sah sich dem funkelnden schwarzen Blick von Massimo Androletti ausgesetzt. Mit einiger Mühe versuchte sie, sich ihre Reaktion nicht anmerken zu lassen. Dennoch war sie fast sicher, dass er ihr unwillkürliches Schlucken bemerkt hatte. Sein Gesicht zeigte keine Regung, aber da lag eine Entschlossenheit in seinen Augen, die Nikki den Atem raubte.

„Komm, hier entlang.“ Er legte seine Hand an ihren Ellbogen und jagte mit der Berührung einen Stromstoß durch den dicken Stoff ihres Wintermantels.

Nikki dachte kurz daran, sich zu wehren. Doch sie entschied sich schnell anders, als sie spürte, wie sein Griff fester wurde, so als hätte er ihr Vorhaben vorausgesehen. Bei dem Gedanken, mit ihm allein zu sein, schlug ihr Herz allerdings wie verrückt.

Er führte sie zu der Limousine, die vor dem Friedhof wartete. „Steig ein“, ordnete er knapp an. „Wir haben ein paar Dinge zu bereden.“

Nikki nahm auf dem luxuriösen Ledersitz Platz und rutschte weit zur Seite, als Massimo zu ihr stieg. Selbst dieser riesige Wagen schien zu klein; Massimos zwei Meter große Gestalt nahm fast den gesamten Platz ein. Nikki fiel es schwer zu atmen; ihre Lungen schmerzten, als sie tief Luft holte, um sich zu beruhigen.

„Zum Haus, Ricardo“, wies Massimo den Chauffeur an.

Der Duft seines Rasierwassers stieg Nikki in die Nase, als er sich zurücklehnte, und in ihrem Magen begann es zu flattern, als ihr Blick auf seine langen muskulösen Oberschenkel fiel, nur Zentimeter von ihren entfernt. Früher einmal waren diese Beine mit ihren verschlungen gewesen. Früher hatte dieser muskulöse männliche Körper sie unbeschreibliche Freuden erfahren lassen, und sein fordernder Mund hatte all ihre Sinne in Flammen gesetzt.

„So“, hob er an und richtete harte, kalte Augen auf sie. „Dein Plan, dir ein Vermögen zu ergattern, ist zum Schluss also doch noch fehlgeschlagen.“

Nikki erwiderte nichts auf seine hasserfüllte Unterstellung. Er hatte alles Recht der Welt, verbittert zu sein. Wäre sie an seiner Stelle, würde sie ebenso fühlen. Doch es war sinnlos, eine Erklärung für ihr Handeln vor fünf Jahren abzugeben. Würde sie heute noch einmal vor der gleichen Wahl stehen, sie träfe dieselbe Entscheidung – trotz des Preises, den sie dafür hatte zahlen müssen.

„Der Reporter hat recht gehabt“, fuhr er fort. „Mir gehört jetzt alles. Aber ich gehe davon aus, dass dein Anwalt dir das bereits mitgeteilt hat.“

„Nein.“ Sie achtete darauf, möglichst emotionslos zu klingen. „Ich habe mich noch nicht mit ihm getroffen. Das hatte ich morgen vor.“

Er hob eine dunkle Augenbraue. „Ich dachte, das wäre dein erster Weg.“ Ein zynisches Funkeln trat in seine Augen. „Eine billige kleine Goldgräberin wie dich muss es doch interessieren, wie viel nach dem Tode ihres Mannes für sie übrig geblieben ist.“

Nikki würde ihn nicht sehen lassen, wie sehr seine Worte sie verletzten. Stattdessen bedachte sie ihn mit einem eisigen Blick. „Joseph war mir wichtiger als sein Geld. Und wenn er mir nichts hinterlassen hat, ist es mir auch gleich.“

Massimo lächelte dünn. „Ganz die hingebungsvolle Ehefrau. Aber du warst ja schon immer eine gute Schauspielerin, nicht wahr?“

Wortlos wandte Nikki das Gesicht zum Fenster.

„Er hat dir nichts hinterlassen“, sagte Massimo in das drückende Schweigen hinein. „Nichts außer Schulden. Selbst das Haus gehört jetzt mir.“

Dieses Mal war es schwerer, sich nicht anmerken zu lassen, welche Wirkung seine Bemerkung auf sie ausübte. Nikki kämpfte um Haltung, dennoch fühlte sie, wie der Nerv unter ihrem Auge zuckte, als sie ihm wieder das Gesicht zudrehte. „Das glaube ich nicht. Joseph hat mir versprochen, dass er für mich sorgen wird.“

„So wie ich das sehe, befindest du dich in einer äußerst misslichen Lage.“ Seine Stimme klang nüchtern, doch in seinen Augen funkelte der Hass. „Du hast kein Einkommen, kein Auto, kein Haus. Und seit einer Woche hast du auch keinen Sugar Daddy mehr.“

Nikki verabscheute diesen Ausdruck. Er beschmutzte alles, was sie an Massimos Stiefvater zu bewundern und respektieren gelernt hatte.

Joseph Ferliani hatte sicher seine Fehler gehabt. Sein ganzes Leben lang war er ein hart arbeitender Geschäftsmann gewesen. Aber sie hatte eine Seite an ihm kennengelernt, von der wahrscheinlich nur wenige Menschen wussten. Joseph hatte diese Seite gut versteckt gehalten, vor allem vor seinem Stiefsohn und Erzfeind Massimo Androletti.

„Dein Stiefvater war keineswegs mein Sugar Daddy.“ Sie sah Massimo direkt in die Augen und ergänzte würdevoll: „Sondern mein Ehemann und mein Freund.“

Bei dem Wort „Ehemann“ blitzte etwas in Massimos Blick auf. Nikki konnte es ihm nicht übel nehmen. Die meisten Männer reagierten beleidigt, wenn sie von einem älteren und reicheren Mann ausgestochen wurden. Massimo bildete da keine Ausnahme. Sie konnte seine Wut spüren, und die feinen Härchen an ihrem Nacken richteten sich auf.

„Du hast vergessen zu erwähnen, dass er auch dein Liebhaber war“, meinte er verächtlich. „Oder hat er im Schlafzimmer nicht deinen Ansprüchen genügt?“

Das Blut schoss ihr in die Wangen, und hastig wandte sie den Kopf wieder ab. „Ich habe nicht vor, Details aus meinem Privatleben mit dir zu besprechen. Es ist respektlos, angesichts der Tatsache, dass er gerade erst begraben wurde. Und außerdem geht es dich nicht das Geringste an.“

„Vor fünf Jahren ging es mich etwas an, oder?“, erinnerte er sie. „Aber da konnte ich ja nicht ahnen, dass ein Drink zu einem One-Night-Stand mit der Kindbraut meines Stiefvaters führen würde.“

„Ich war neunzehn“, stieß sie hervor. „Alt genug, um zu wissen, was ich tue.“

„Du bist von meinem Bett direkt in seines gestiegen.“ Sein Blick schien vor Wut zu sprühen.

Ihr Magen verkrampfte sich. „Ich wusste nicht, wer du warst. Mit keinem Wort hat Joseph dich vor unserer Heirat erwähnt.“

„Was willst du damit sagen?“ Er verzog abfällig den Mund. „Dass du ihm nicht in die Arme gefallen wärst, wenn du gewusst hättest, wer ich bin?“

Wie konnte sie sich verteidigen? Gab es überhaupt einen Weg, das, was sie getan hatte, zu rechtfertigen? Mit neunzehn war sie so jung gewesen. Und tief traumatisiert. Sie hatte nach einem anderen Leben gesucht, weit weg von den dunklen Schatten ihrer Kindheit, die sich immer mehr auszubreiten schienen. Joseph Ferlianis Heiratsantrag hatte sie gerührt. Und der Ehevertrag versprach ihr ein Leben in Sicherheit. Deshalb hatte sie sich gar nicht weiter um die Einzelheiten gekümmert, so wie sie es hätte tun sollen. Als ihr dann langsam bewusst geworden war, auf was sie sich da einließ, hatte sie darauf bestanden, eine gewisse Zeit für sich allein zu haben, bevor sie mit ihrer Unterschrift ihre Zukunft in Josephs Hände legte.

Eine letzte Woche Freiheit.

Und gleich am ersten Tag war Massimo Androletti aufgetaucht. Der richtige Mann zur falschen Zeit …

2. KAPITEL

„Darf ich Ihnen einen Drink spendieren?“ Noch heute erinnerte sich Nikki ganz genau an jenen ersten Satz, den Massimo bei ihrem Treffen in der Bar des Stadthotels zu ihr gesagt hatte.

Sie hatte den Kopf gedreht und den gut aussehenden dunkelhaarigen Mann gemustert, der neben ihr auf dem Barhocker saß. Er trug einen Anzug, keinen von der Stange, sondern maßgeschneidert, das sah man sofort. Auch war er größer als die meisten Männer, was sich sofort bestätigte, als er aufstand und sie den Kopf in den Nacken legen musste, um in seine fast schwarzen Augen blicken zu können. Da sie selbst einsfünfundsiebzig groß war, war es eine angenehme Abwechslung, einmal zu einem Mann aufschauen zu können.

Er hatte kurze schwarze Locken und markante Gesichtszüge, vielleicht sogar ein wenig zu hart. Und doch war sein Lächeln entspannt und lässig.

„Warum nicht“, hörte sie sich antworten. Was hatte sie schon zu verlieren? Nach dem Besuch bei ihrem Bruder war ein Drink mit einem Fremden, der nichts über ihre Vergangenheit wusste, genau das Richtige.

„Was möchten Sie trinken?“, fragte er, während er sie in eine ruhige Nische führte.

Nikki fiel die Andeutung eines italienischen Akzents auf. Ironie des Schicksals, dachte sie. „Champagner“, sagte sie und fügte kühn hinzu: „Aber nur den besten. Von dem billigen bekomme ich immer Kopfschmerzen.“

„Dann soll es der beste für Sie sein“, erwiderte er galant und winkte nach dem Barkeeper.

Zwei Gläser später stimmte Nikki zu, mit ihm zum Dinner zu gehen. Sie genoss seine Gesellschaft mehr, als sie erwartet hätte. Bisher hatte sie nur wenige Verabredungen gehabt; in der Gegenwart von Männern fühlte sie sich nicht wohl, außer in der ihres Bruders. Doch Massimo war ein aufmerksamer, charmanter und geistreicher Unterhalter.

Sobald das Gespräch aber auf ihren familiären Hintergrund kam, griff sie auf das Bündel Lügen zurück, das sie sich säuberlich zurechtgelegt hatte. Sie würde alles tun, um nicht über den Tod ihrer Mutter sprechen zu müssen. Und darüber, wie sich das Leben ihres Bruders für immer verändert hatte.

„Ich arbeitete als Assistentin.“ Zumindest das stimmte. „Momentan habe ich eine Woche Urlaub, also dachte ich, ich verwöhne mich ein bisschen. Mache Einkaufsbummel, lasse mich bei der Kosmetikerin verschönern, so was eben.“

„Sie brauchen keine Kosmetikerin. Sie sind eine natürliche Schönheit, die schönste Frau, die mir je begegnet ist.“

Unsicherheit huschte über ihr Gesicht. „Meinen Sie das ernst?“

Er lehnte sich vor und nahm ihre Hand. Nikki fühlte es wie einen elektrischen Schlag. „Natürlich meine ich das ernst. Haben Sie sich denn noch nie im Spiegel betrachtet? Lange blonde Haare, Augen von einem erstaunlichen Graublau, eine perfekte Figur. Kommen Sie, Sie müssen doch wissen, dass Sie für die meisten Männer die Verkörperung einer Traumfrau sind.“

Fragend schaute sie ihn an. „Sie halten mich nicht für zu groß?“

Sein Blick schien sie zu verbrennen. „Sie wollen sich doch hoffentlich nicht entschuldigen, weil Sie groß sind? Glauben Sie mir, Sie sind eine Erholung für meinen Hals. Sonst muss ich mich immer hinunterbeugen, wenn ich verstehen will, was gesagt wird.“

Sie lachte auf. Und war erstaunt. Wann hatte sie das letzte Mal etwas amüsant gefunden? „Sie sind der erste Mann seit Langem, zu dem ich aufschauen muss. Es ist angenehm.“

„Gibt es denn einen Mann in Ihrem Leben?“

Sie zögerte. Wie sollte sie erklären, dass sie mit einem vierundzwanzig Jahre älteren Mann verlobt war? Ein Mann, der ihr einen Ausweg aus der Schande bot, die sie schon so lange verfolgte.

„Nein.“ Für diese eine Woche gibt es keinen Mann, beruhigte sie sich in Gedanken. Sie war frei und ungebunden, bis nächsten Samstag. Danach konnte niemand sagen, wie lange es dauern würde, bevor sie wieder frei war.

„Das ist schwer zu glauben. Stimmt etwas mit den jungen Männern in Melbourne nicht?“

Sie nippte an ihrem Glas. „Was ist mit Ihnen? Sind Sie ungebunden?“

„Ja.“ Es klang fast wie ein Seufzer. „Vor ein paar Monaten war ich mit einer Frau in Sizilien zusammen, aber es hat nicht funktioniert.“

„Sind Sie gerade erst aus Italien angekommen?“

„Ich habe die doppelte Staatsbürgerschaft, ich reise geschäftlich oft hin und her.“

„Was machen Sie beruflich?“

„Ich suche Investoren, um schlecht gehende Firmen aufzukaufen. Mit dem richtigen Team kann man eine Firma in ein, zwei Jahren sanieren. Und dann mit Profit weiterverkaufen.“

„Das hört sich interessant an, aber auch sehr kostspielig und zudem riskant“, bemerkte sie.

„Stimmt. In dieser Woche steht mir ein Meeting zu einer Firmenübernahme bevor, die ich schon seit Jahren plane.“

„Sie klingen so entschlossen.“ Sie griff nach ihrem Glas.

„Das bin ich auch. Der Besitzer dieser Firma hat Geld von meinem Vater erschwindelt. Mein Vater wurde betrogen von jemandem, den er für einen Freund hielt. Also bin ich hier, um jeden Cent zurückzuholen.“

Ein leichter Schauer rann Nikki über den Rücken. Massimos Miene hatte sich verfinstert; das Leuchten aus seinen Augen war verschwunden und hatte einem bösen Glitzern Platz gemacht. „Sie wollen sich rächen?“

Er nickte grimmig. „Ich werde den Mann, der meinen Vater betrogen hat, in die Knie zwingen. Selbst wenn es den Rest meines Lebens dauern sollte.“ Als sie ihn alarmiert anschaute, lächelte er. „Natürlich werde ich nichts Illegales tun. Ich werde ihn einfach auf geschäftlicher Ebene übertrumpfen. Das sollte nicht allzu schwer werden …“ Er nahm einen Schluck Champagner. „Aber genug von mir und meinen Problemen. Erzählen Sie mir von Ihrer Familie.“

„Meine Familie?“, stammelte sie. Die altbekannte Panik machte sich in ihr breit.

„Ja. Haben Sie Geschwister?“

Sie starrte auf die Bläschen in ihrem Glas, um seinen Blick zu vermeiden. „Einen Bruder.“

„Und was ist mit Ihren Eltern?“

„Mit meinen Eltern? Wie meinen Sie das?“

„Sind sie noch verheiratet, oder leben sie getrennt?“

„Verheiratet.“ Das war keine echte Lüge. Schließlich hatten ihre Eltern noch immer zusammengelebt, als die schreckliche Katastrophe geschah, die ihre Mutter das Leben kostete und Jaydens Welt für immer veränderte.

„Sie können sich glücklich schätzen, aus stabilen Verhältnissen zu stammen.“ Massimo schenkte Champagner nach. „Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich sechzehn war.“

Glücklich schätzen? Nikki musste an sich halten, um nicht bitter aufzulachen. Niemand käme auf den Gedanken, ihren familiären Hintergrund als stabil oder gar glücklich zu bezeichnen. Jeder Tag war ein Kampf ums Überleben gewesen, jeder Abend ein quälendes Warten auf die bevorstehende Explosion, sobald ihr Vater zur Tür hereinkam.

„Das Geschäft zu verlieren war schlimm genug für meinen Vater, aber als er auch meine Mutter verlor, brach er zusammen.“ Massimo hielt inne, als suche er nach Worten. „Er nahm sich das Leben.“

„Wie schrecklich“, entfuhr es Nikki leise.

„Ich habe ihn gefunden, in der Garage. Er hat Abgase ins Auto geleitet. Der Notarzt konnte ihn nicht mehr retten.“

„Das tut mir so leid.“ Sie griff nach seiner Hand und drückte seine Finger. „Kein Wunder, dass Sie auf Rache aus sind. Dieser schreckliche Mann, dieser Betrüger, hat Ihnen alles genommen.“

Mit grimmig verzogenem Mund sah Massimo sie an. „Aber ich werde mir alles zurückholen. Im Moment habe ich noch nicht die finanziellen Mittel dazu, doch eines Tages … Ich weiß, dass ich sie irgendwann haben werde.“

„Wissen Sie, Massimo“, sie lächelte ermutigend, „ich bin sicher, dass es so sein wird.“

Er drückte ihre Hand. „Ich habe noch nie jemanden wie Sie getroffen.“ Sein dunkler Blick hielt ihren gefangen. „Ich fühle diese enorm starke Verbindung zu Ihnen. Obwohl wir uns gerade erst begegnet sind, meine ich, Sie schon sehr lange zu kennen.“

In ihrem Magen flatterten tausend Schmetterlinge auf, als er mit dem Daumen ihr Handgelenk streichelte. Ein Strudel von Empfindungen riss Nikki mit sich, als sie in seinen Augen versank. „Ja, ich fühle es auch“, sagte sie heiser.

Bedauern zeigte sich auf seinen Zügen. „Ich bin nur eine Woche hier. Am Sonntag muss ich nach Italien. Aber wenn ich zurückkomme, darf ich Sie dann wiedersehen?“

Nikki konnte nur hoffen, dass ihr Gesicht sie nicht verriet. „Sicher werden Sie mich bei Ihrer Rückkehr längst vergessen haben“, meinte sie mit einem gezwungenen Lächeln.

„Nein, Nikki.“ Seine Finger umfassten fest die ihren. „Ich werde Sie nie vergessen.“

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Ich hätte es Ihnen eher sagen sollen – ich komme gar nicht aus Melbourne. Ich bin nur für den Urlaub hier. Ich werde also nicht mehr hier sein, wenn Sie zurückkehren.“

„Wo dann?“

„Ähm … in Cairns.“ Sie nannte die erste Stadt, die ihr einfiel.

„Dann komme ich eben nach Cairns. Wir können zusammen zum Great Barrier Reef fahren.“

„Massimo …“ Sie zwang sich, ihm in die Augen zu blicken. „Ich bin nicht sicher, ob ich die Frau bin, die …“

„Glauben Sie an Liebe auf den ersten Blick?“, wollte er wissen, bevor sie ihren Satz beendet hatte.

Vor ein paar Stunden hätte Nikki noch voller Überzeugung mit Nein geantwortet. Doch jetzt, nachdem sie den Abend mit Massimo verbracht hatte, war sie sich nicht mehr sicher. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, und das nicht nur wegen seines Aussehens. Er war ein Mann, der einstand für das, woran er glaubte. Seine Liebe zu seinen Vater beeindruckte sie sehr, weil ihre eigene Kindheit ganz anders verlaufen war.

Unwillkürlich schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass er bestimmt ein wunderbarer Ehemann und Vater sein würde. Sein Familiensinn war so stark, er würde nie zulassen, dass die, die unter seinem Schutz standen, verletzt wurden. Er war einfach der faszinierendste Mann, den sie je getroffen hatte.

„Sie lassen sich lange Zeit mit Ihrer Antwort“, sagte er spöttisch. „Ich habe mich wohl gerade zum Narren gemacht.“

„Nein, ganz und gar nicht.“ Sie erschauerte, als er ihre Hand zu seinem Mund führte und mit den Lippen sanft über ihren Handrücken strich. „Ich kann nicht sicher sagen, ob man nach einem einzigen Blick lieben kann. Aber ich weiß, dass ich etwas für Sie fühle, das ich noch nie zuvor gefühlt habe.“

Er erhob sich und zog sie mit sich hoch, sodass sie vor ihm stand. „Uns bleiben sechs Tage, um einander kennenzulernen“, sagte er. „Ich will nicht drängen, aber ich kann auch den Gedanken nicht ertragen, dass ich einen so besonderen Menschen gefunden habe und dann Zeit verschwenden soll. Vielleicht bekommen wir nie wieder eine solche Chance.“

Nikki holte tief Luft und lächelte zittrig. „Wenn das Schicksal es so vorgesehen hat, dann werden wir unsere Chance auch erhalten.“

Dann konnte sie nichts mehr sagen, denn Massimo beugte den Kopf und küsste sie.

3. KAPITEL

Nikki verbrachte die glücklichsten sechs Tage ihres Lebens mit Massimo. Sie weigerte sich strikt, an die bevorstehende Hochzeit am Samstag zu denken. Nur so konnte sie die Person sein, für die Massimo sie hielt – eine unbeschwerte junge Frau, die zum ersten Mal verliebt war und es in vollen Zügen auskostete, wie eine Prinzessin behandelt zu werden.

Natürlich wusste sie, dass es zu Ende gehen musste. Aber sie versuchte, nicht zu sehr darüber zu grübeln, und beruhigte sich mit dem Gedanken, dass Massimo ein Mann von Welt war. Schon im Flugzeug nach Italien würde er sie vergessen haben. Der kurze Flirt mit dem großen blonden Mädchen aus Australien wäre nur noch eine vage Erinnerung, kaum dass der erste Drink in der Maschine serviert wurde.

Zusammen bummelten sie über die Bourke Street an den Schaufenstern vorbei, besichtigten Sehenswürdigkeiten und aßen in den Restaurants am Southbank Complex. Einen Abend gingen sie sogar in das berühmte Crown Casino. Nikki konnte mit Erstaunen beobachten, wie Massimo ein kleines Vermögen am Blackjack-Tisch gewann.

Sie mieteten einen Wagen und fuhren zum Yarra Valley, bekannt für seine pittoresken Weinberge. Der Anblick der grün bewachsenen Hügel veranlasste Massimo zu sagen, dass ihn das Tal an Sizilien erinnere.

„Ich würde dir gern meine Heimat zeigen“, bemerkte er auf der Rückfahrt nach einem wunderbaren Nachmittag im Healesville Naturpark. „Wir haben zwar keine Koalas, Kängurus oder Wombats, aber dafür beeindruckende historische Sehenswürdigkeiten und Kunstwerke.“

„Eines Tages möchte ich gern reisen und mir die Welt ansehen.“ Gedankenverloren schaute Nikki aus dem Fenster auf die vorbeifliegende Landschaft. „Ich war nur …“ Sie unterbrach sich, als sie merkte, wie kurz davor sie gewesen war, zu viel von sich preiszugeben.

„Ja?“

„Ich meine, ich habe immer nur in Australien gelebt. Sicher ist der Kontinent groß und unglaublich abwechslungsreich, aber von der Welt habe ich nichts gesehen.“

Er lächelte ihr zu. „Dafür brauchst du dich doch nicht zu schämen, cara. Du bist noch jung. Du hast viel Zeit, Erfahrungen zu sammeln.“

An ihrem letzten Tag trafen Massimo und Nikki sich in der Stadt, nach seinem Meeting. Sobald sie ihn auf sich zukommen sah, wusste sie, dass das Treffen nicht so gelaufen war, wie er sich erhofft hatte. Seine Züge wirkten hart, seine Lippen waren nur eine dünne Linie.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“ Sie legte die Hand auf seinen Arm.

Er fasste ihre Finger und drückte sie leicht. „Ich will unseren letzten gemeinsamen Tag nicht mit Gerede über meine Geschäfte verderben. Es reicht, wenn ich sage, dass es nicht nach Plan ging.“

„Das tut mir so leid für dich.“

Er lächelte gezwungen. „Ich werde einfach nur ein bisschen länger warten müssen, bis ich mein Ziel erreiche. Aber auf die besten Dinge lohnt es sich zu warten.“

Sie spazierten durch den Botanischen Garten und setzten sich in das Café am See. Enten watschelten zwischen den Tischen umher, auf der Suche nach Krümeln, und Spatzen hüpften vorwitzig an die besetzten Stühle heran, um zu sehen, ob nicht etwas von den Gästen für sie abfiel.

Massimo lächelte, als Nikki Krumen von ihrem Kuchenstück auf den Boden fallen ließ. „Du solltest sie nicht noch ermutigen.“ Er deutete auf das Schild, auf dem stand: „Vögel bitte nicht füttern.“

„Sie tun mir leid.“ Ein trauriger Ausdruck huschte über ihr Gesicht. „Wahrscheinlich haben sie irgendwo ein Nest und müssen die Jungen versorgen.“

Er griff nach ihrer Hand und küsste jede einzelne Fingerspitze, sein Blick hielt ihren gefangen. „Du hast ein so weiches und mitfühlendes Herz“, meinte er leise, mit tiefer Stimme. „Ich habe lange warten müssen, um jemanden zu treffen, der sich solche Sorgen um andere macht.“

Nikki zog ihre Hand zurück; ein angenehmes Prickeln lief durch ihren ganzen Körper. Mit jedem Tag fiel es ihr schwerer, Massimo zu widerstehen. Zu ihrer Verwunderung hatte er sie nicht gedrängt, mit ihm zu schlafen. Bei einem Mann wie ihm hätte sie eigentlich erwartet, dass er das meiste aus einem einwöchigen Flirt mit einer Frau herausholen würde. Seine Küsse waren leidenschaftlich und verlockend, und doch schien er sich jedes Mal eisern unter Kontrolle zu halten.

„Bist du nervös, cara?“

„Was … was meinst du?“

Zart strich er über die empfindsame Haut an ihrem Handgelenk und jagte ihr damit von Kopf bis Fuß einen prickelnden Schauer über die Haut. „Ich will dich“, sagte er offen. „Ich will dich, seit ich dich zum ersten Mal erblickt habe. Aber du hast mir klargemacht, dass du kein Mädchen für eine Nacht bist. Und deshalb fühle ich tiefen Respekt für dich.“

Irgendwie schaffte sie es, ein „Danke“ auszustoßen.

„Man sagt mir allgemein nach, dass ich hart arbeitete und noch härter spiele“, gestand er. „Ich kann dir versichern, es ist höchst untypisch für mich, dass ich mich öfter als dreimal mit einer Frau verabrede, bevor ich sie in mein Bett hole.“

Nikki schluckte, und Massimo lächelte über ihre roten Wangen. „Du bist noch Jungfrau, oder?“

Sie senkte den Blick. „Nein“, gab sie leise zu. „Aber ich wünschte, es wäre so. Mein erstes Mal war eine schreckliche Erfahrung …“

Mit gerunzelter Stirn sah er auf ihr Handgelenk hinab, wo sein Daumen noch immer träge Kreise zeichnete. „Wurdest du … wurde dir Gewalt angetan?“

Sie sah auf. „Nein. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass es so … so einseitig sein würde, wenn du weißt, was ich damit sagen will.“

„Du hast also kein Vergnügen empfunden, cara?“

Autor

Melanie Milburne

Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der...

Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Unerwartete Babys - unerwartetes Glück