Julia Exklusiv Band 333

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AUCH DU SOLLST GLÜCKLICH SEIN von KATHRYN ROSS

Eine einsame Insel - wie geschaffen für die Liebe. Alicia schmiegt sich in Dexters Arm und genießt ihren Hochzeitstag mit dem Mann, dessen Baby sie erwartet. Doch dann findet sie einen Brief, der alles auf den Kopf stellt. Sie muss ihn verlassen, obwohl sie niemals einen Mann so sehr geliebt hat wie ihn!

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  • Erscheinungstag 29.01.2021
  • Bandnummer 333
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501231
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kathryn Ross, Betty Neels, Catherine Spencer

JULIA EXKLUSIV BAND 333

1. KAPITEL

Wie sagte sie es ihm am besten? Diese Frage raubte Alicia seit Nächten den Schlaf und ging ihr selbst jetzt nicht aus dem Sinn, als das Telefon klingelte und sie den Hörer abnahm.

„Rowland Computer Software, guten Tag“, meldete sie sich mechanisch. „Was kann ich für Sie tun?“

„Hi, Alicia, hier ist Maddie McDowell. Geben Sie mir Dex.“

Alicia musste über den Befehlston lächeln. Man könnte meinen, die Firma gehört ihr, dachte sie ironisch, bewunderte aber die kühle Selbstsicherheit der Anruferin. „Ich sehe nach, ob er frei ist“, erwiderte sie ebenso kühl und drückte auf die interne Verbindungstaste zum anderen Büro. „Dex, Maddie ist am Apparat. Hast du Zeit, mit ihr zu sprechen?“

„Natürlich. Stell sie durch.“

Beim Klang von Dexter Rowlands tiefer, sinnlicher Stimme überlief Alicia ein wohliger Schauer. Verflixt! dachte sie. Ich schmelze ja schon dahin, wenn ich ihn nur höre!

Nachdem sie die Verbindung hergestellt hatte, blickte sie finster auf das Telefon, als würde es die Schuld an ihrem Gefühlsaufruhr tragen.

Der Anruf schien eine Ewigkeit zu dauern. Möglicherweise kam es ihr aber auch nur so vor, weil sie unter psychischem Druck stand. Sie blickte auf die Uhr. Es war schon fast Mittag. Sobald Dex das Telefonat beendet hatte, würde sie zu ihm hineingehen und mit ihm reden. Sie durfte dieses Gespräch nicht mehr länger hinausschieben.

Das rote Lämpchen des Telefons erlosch, doch Alicia rührte sich nicht. Sie hatte plötzlich Zweifel, ob es klug war, hier im Büro mit der Nachricht herauszuplatzen. Sollte sie nicht besser auf eine günstigere Gelegenheit warten?

Erschrocken fuhr sie zusammen, als plötzlich die Stimme ihres Chefs über die Gegensprechanlage zu vernehmen war: „Alicia, könntest du bitte mal kurz kommen?“

Sie stand auf, strich ihr blaues Sommerkleid glatt und ging zur Tür.

„Ich habe großartige Neuigkeiten!“, empfing Dex sie lächelnd. Er hatte sich in seinem Lederstuhl entspannt zurückgelehnt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und war offenbar bester Laune.

Wie attraktiv er ist! dachte Alicia unwillkürlich. Ihr Herz begann jedes Mal schneller zu schlagen, wenn sie in die dunklen Augen ihres Chefs blickte. Ohne sich dagegen wehren zu können, hatte sie sich in den vergangenen Monaten unsterblich in ihn verliebt.

Er war siebenundzwanzig und hätte seinem blendenden Aussehen nach ein Filmstar sein können. Das dunkle Haar trug er modisch kurz geschnitten, und sein Gesicht war nicht einfach nur männlich-schön, sondern verriet Intelligenz und einen starken Charakter. Zudem war er groß und hatte eine athletische Statur, sodass viele Frauen sich auf der Straße nach ihm umdrehten. Er schien sich jedoch seiner Wirkung auf das andere Geschlecht nicht bewusst zu sein. Wahrscheinlich weil er ganz in seiner Arbeit aufging.

Ob er wohl ahnte, wie sehr sie ihn liebte?

„Maddie war von meinen Entwürfen begeistert.“

„Dessen bin ich sicher“, meinte Alicia lächelnd. „Du bist ja auch ein Genie. Eines Tages wirst du mit einem deiner Computerspiele den großen Coup landen und Millionär werden.“

Dex lächelte jungenhaft. „Ich mag es, wenn du so von mir schwärmst, Alicia Scott“, neckte er sie. „Hast du noch mehr Schmeicheleien auf Lager?“

„Nun …“ Sie stützte sich mit den Händen auf seinen Schreibtisch und beugte sich leicht vor, da sie zu diesem Thema noch einiges zu sagen hatte.

Einen Moment lang musterte Dex sie nachdenklich. Sie hatte das lange blonde Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und obwohl sie ungeschminkt war, sah ihre Haut makellos klar und frisch aus, ihre Lippen schimmerten rosig, und ihre langen, dichten Wimpern waren von Natur aus dunkel.

Trotzdem war sie nicht im herkömmlichen Sinne schön, sondern eher apart. In Dex’ Heimat Amerika hätte man sie als „preppy“ bezeichnet, denn sie hatte Klasse und erregte mit ihrer Erscheinung überall Aufmerksamkeit. Vielleicht lag es an ihren strahlend blauen Augen und den hohen Wangenknochen, möglicherweise aber auch an ihrer überdurchschnittlichen Größe und der Anmut, mit der sie sich bewegte.

„Henry Banks und George Mitton sind ganz wild darauf, mit dir ins Geschäft zu kommen. Ihre Briefe liegen in der Postmappe. Außerdem hat jeder der beiden heute schon zweimal angerufen und wollte dich sprechen.“

Dex lächelte ironisch. „Die Zeiten haben sich geändert, stimmt’s?“

„Allerdings.“ Noch vor wenigen Monaten war Dex’ Name angesehenen Unternehmern wie Mitton oder Banks kein Begriff gewesen. Mittlerweile fand er jedoch in Geschäftskreisen respektvolle Beachtung. Das alles war recht vielversprechend.

Alicia beugte sich noch weiter zu ihm hinüber. „Und für welchen von ihnen hast du dich entschieden?“

„Für keinen.“ Er ließ den Blick zu ihrem Ausschnitt schweifen, der den cremefarbenen Spitzenbesatz ihres BHs nicht ganz verbarg. „Maddie McDowell hat mir ein wesentlich interessanteres Angebot gemacht.“

„Tatsächlich?“ Alicia richtete sich auf. Sie wusste selbst nicht, weshalb ihr die Neuigkeit missfiel. Schließlich ging es um geschäftliche Verhandlungen, und davon verstand Dex sehr viel. Sie hingegen war als seine Sekretärin nur für die Organisation des Büros zuständig. Mehr nicht.

„Möchtest du, dass ich Mitton und Banks höfliche Absagen schicke, die dir für später noch eine Option offen halten?“

„Nein.“ Sein Blick ruhte auf dem obersten Knopf ihres Kleides. Er streckte die Hand aus und umfasste ihr schmales Handgelenk. „Ich möchte von dir etwas anderes.“ Sanft streichelte er mit dem Daumen die Stelle, an der ihr Pulsschlag zu spüren war.

Die zarte Liebkosung erregte Alicia. „Was dann?“, fragte sie zögernd und ein wenig verlegen.

Er zog sie um den Schreibtisch herum näher zu sich heran. „Ich glaube, das weißt du.“

„Mein Herr, Sie scheinen zu vergessen, dass wir uns im Büro befinden“, tadelte sie ihn scherzhaft, wehrte sich jedoch nicht, als er sie auf seine Knie zog.

„Das ist allein deine Schuld.“ Seine Stimme klang heiser. „Hatte ich dich nicht gebeten, dich zur Arbeit nicht so verdammt sexy anzuziehen? Du lenkst mich zu sehr ab.“

Alicia blickte an sich hinunter. Ihr knielanges und keineswegs figurbetontes Kleid war alles andere als aufreizend. „Damit lenke ich niemanden ab.“

„Nicht?“ Sanft strich er ihr mit einem Finger über die Wange. Allein von dieser Berührung fühlte Alicia sich wie elektrisiert und spürte, wie ihr ganzer Körper darauf reagierte.

„Dann waren es deine Lobeshymnen auf meinen beruflichen Erfolg.“ Dex ließ den Finger über ihren Hals und am Ausschnitt des Kleides entlang gleiten. „So etwas steigt mir schnell zu Kopf.“

Seine Liebkosungen ließen Alicia erschauern. „Ich werde künftig daran denken“, versprach sie atemlos und küsste ihn.

Ihre Lippen waren weich und verrieten Unsicherheit, doch als Dex die Führung übernahm, wurde der Kuss leidenschaftlich und fordernd. Sie schob die Finger in sein dichtes schwarzes Haar und drängte sich an ihn. Ohne den Kuss zu unterbrechen, begann er ihr Kleid aufzuknöpfen, und sie spürte, wie er ihre Brust umschloss und mit sinnlichem Streicheln die Spitze reizte. Heißes Verlangen durchflutete Alicia.

Das schrille Läuten des Telefons ließ beide jedoch plötzlich auseinanderfahren. „Verdammt!“, fluchte Dex leise.

Am liebsten hätte Alicia ihn gebeten, weiterzumachen und das Klingeln zu ignorieren. Ihre Blicke trafen sich. „Ich … ich kann jetzt … nicht abnehmen“, sagte sie stockend.

Dex griff nach dem Hörer. „Dex Rowland“, meldete er sich in geschäftsmäßigem Ton. Er hatte sich bewundernswert schnell wieder gefangen. Kein Mensch hätte vermutet, dass er Sekunden zuvor ebenso wie sie die Kontrolle über sich verloren hatte. Oder hatte sie das nur irrtümlich angenommen?

„Heute Nachmittag?“ Er nahm seine Hand von ihrer Brust und blätterte in seinem Schreibtischkalender. „Nun, ich habe eine Verabredung zum Mittagessen, die ich jedoch absagen kann“, sagte er. „Geht in Ordnung. Bis später.“

Als er auflegte, hatte Alicia bereits ihr Kleid zugeknöpft.

„Tut mir leid, Alli.“

„Schon gut.“

„Das war Maddie. Sie hat ein Treffen mit einem befreundeten Bankier arrangiert. Wir essen zusammen zu Mittag.“

Alicia zog die Brauen hoch. „Das ging ja schnell!“

„Ja, sie ist eine erstaunliche Frau.“

Unwillkürlich verspürte Alicia einen Anflug von Eifersucht, den sie jedoch sofort als kindisch abtat. „Ich hoffe, deine Bewunderung bezieht sich nur auf ihre beruflichen Qualitäten“, meinte sie scherzhaft.

„In dieser Hinsicht kannst du ganz beruhigt sein!“ Er ließ die Hand zu ihrer Brust gleiten. „Wieso hast du dich so schnell wieder angezogen?“ Rhythmisch strich er über den dünnen Seidenstoff und lächelte zufrieden, als sich darunter die harte Brustspitze abzeichnete. „Ich schlage vor, wir machen heute Abend dort weiter, wo wir unterbrochen wurden.“

Sofort fühlte Alicia sich wieder besser. „Eine gute Idee! Weißt du eigentlich, dass heute unser Jahrestag ist?“

Er machte ein betroffenes Gesicht.

„Vor genau zwölf Monaten hast du mich bei MacDales abgeworben“, meinte sie mit schalkhaftem Lächeln. „Hast du das etwa schon vergessen?“

Nun lächelte auch er. „Offen gestanden, ja. Dafür erinnere ich mich umso genauer, dass es noch sechs Monate dauerte, bis ich dich erobert hatte.“

Sein Lächeln vertiefte sich, als er bemerkte, wie sie errötete. In ihren Augen spiegelte sich Unsicherheit wider. Unversehens wurde ihm bewusst, wie jung sie noch war. Gerade mal erst zwanzig.

„Daran erinnerst du dich natürlich!“ Liebevoll richtete sie ihm die Krawatte. „Wir sollten jetzt besser wieder arbeiten“, sagte sie und stand auf.

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ich komme dann heute Abend gegen acht zu dir. Ist dir das recht?“

Sie nickte.

„Würdest du mir bitte die Bilanz vom vorigen Jahr heraussuchen und kopieren?“, bat er, als sie zur Tür ging. „Vermutlich brauche ich die Zahlen für die Unterredung mit dem Bankier.“

„Mach ich.“ Sie schloss die Tür hinter sich und atmete tief durch. Vorhin, als er sie geküsst hatte, wäre die ideale Gelegenheit gewesen, ihm von ihrer Schwangerschaft zu erzählen. Weshalb hatte sie es nur nicht getan?

Wie von Dex gebeten, suchte sie die Vorjahresbilanz heraus, kopierte sie und legte die Blätter in einen Schnellhefter. Dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch und versuchte, sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren.

Eine halbe Stunde später kam Dex aus seinem Büro. Alicia entging nicht, dass er sein Jackett angezogen und sich gekämmt hatte. „Kann ich so gehen?“, fragte er lächelnd, als er bemerkte, wie sie ihn musterte.

„Du siehst sehr beeindruckend aus“, versicherte sie mit mildem Spott. „Jedes Haar an seinem Platz. Ganz im Gegensatz zu vorhin.“

„Gut.“ Er ging zum Fenster und blickte auf die Straße hinunter. „Maddie ist schon da. Ich mach mich besser auf den Weg.“

„Viel Glück!“ Alicia beobachtete, wie er zur Tür ging. „Dex?“

Ein wenig ungeduldig drehte er sich zu ihr um. „Was ist?“

„Du hast die Bilanz vergessen.“

„Danke, Alli. Was würde ich nur ohne dich anfangen?“ Er lächelte charmant, als sie ihm den Schnellhefter reichte. „Gut möglich, dass es etwas länger dauert. Du kannst heute früher Feierabend machen, aber vergiss nicht, den Anrufbeantworter einzuschalten.“ Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Obwohl Alicia normalerweise nicht neugierig war, konnte sie es sich nicht verkneifen, aus dem Fenster zu sehen.

Unten auf dem Parkplatz wartete Maddie in ihrem silberfarbenen Mercedes-Coupé, dessen Dach sie trotz der im tropischen Cairns unerträglichen Mittagshitze nach unten geklappt hatte. Ihr kurzes dunkles Haar glänzte seidig, und sie trug ein bonbonfarbenes Minikleid. Lächelnd blickte sie Dex entgegen, der soeben das Gebäude verließ.

Er stieg in den Wagen und wurde von Maddie mit einem Kuss auf die Wange begrüßt. Sie unterhielten sich noch kurz, ehe Maddie losfuhr. Dex zog sein Jackett aus und warf es auf den Rücksitz.

Nachdem das elegante Sportcoupé im Straßenverkehr verschwunden war, ließ Alicia unwillkürlich den Blick zu Dex’ altem Kombi unten auf dem Parkplatz schweifen. Kein Wunder, dass er lieber in Maddies Auto zu dem Treffen fuhr.

Er hatte seine gesamten Ersparnisse in die Firma gesteckt und arbeitete hart, um Erfolg zu haben, denn er war sehr ehrgeizig. Abgesehen davon war er in seinem Beruf tatsächlich ein Genie. Mit seinem neuen Computerspiel würde er bald ein Vermögen verdienen, davon war Alicia fest überzeugt. Und wenn Maddie ihm dabei half, mit den richtigen Leuten ins Geschäft zu kommen, umso besser. Niemand würde sich mehr über seinen Erfolg freuen als sie, Alicia.

Ob Dex allerdings ebenfalls in Jubel ausbrechen würde, wenn er erfuhr, dass er in knapp sieben Monaten Vater wurde, wagte sie zu bezweifeln.

2. KAPITEL

In der Wohnung war die Klimaanlage ausgefallen. Seit einer Stunde versuchte Alicia, sie wieder in Gang zu setzen, leider vergeblich. Ihr war von der Hitze schon leicht übel, doch sie ließ sich nichts anmerken.

„Bald kommt Dex“, tröstete sie ihre Schwester. „Er bringt sie bestimmt wieder in Ordnung.“

„Das hoffe ich“, sagte Victoria und seufzte. „Wie soll jemand in dieser brütenden Hitze Schularbeiten machen?“

Alicia sah auf die Uhr. Es war kurz nach sieben. Vielleicht sollte sie Dex anrufen und ihn bitten, etwas früher zu kommen? Sie griff nach dem Telefon und wählte Dex’ Nummer. Er meldete sich weder in seiner Wohnung noch im Büro. War er immer noch mit Maddie zusammen?

„Ich hole uns Eiswasser“, bot sie an, als sie den Hörer auflegte.

Victoria verzog das Gesicht. „Noch lieber wäre es mir, wenn du mir bei dieser blöden Matheaufgabe helfen könntest.“

„Ansehen kann ich sie mir ja, aber in Mathe war ich auch kein Ass.“ Alicia ging zum Kühlschrank. Als sie ihn öffnete, strömte ihr herrlich kalte Luft entgegen, und sie hätte ihn am liebsten offen gelassen und sich davor gesetzt.

Das Apartment war viel zu klein für sie beide. Es hatte zwei winzige Schlafzimmer, dazwischen lag das Bad, und sonst gab es nur noch das Wohnzimmer, in dem sich zugleich auch die Küche befand. Eine größere Wohnung konnten sie sich nicht leisten, da Victoria noch zur Schule ging und sie beide von Alicias Gehalt lebten.

Alicia wandte sich zu ihrer Schwester um, als diese den Kugelschreiber auf den Küchentisch warf und sich seufzend das lange blonde Haar aus dem Gesicht strich. „Ich kapier es einfach nicht!“

„So schwierig kann es doch nicht sein.“ Alicia schenkte Eiswasser ein, stellte die Gläser auf den Tisch und setzte sich neben ihre Schwester. Obwohl sie nur drei Jahre älter als Vicky war, empfand sie für diese eher mütterliche als schwesterliche Gefühle. Das war so, seit ihre Eltern vor elf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren.

Schon ab der ersten gemeinsamen Nacht im Waisenhaus hatte Alicia sich für ihre Schwester verantwortlich gefühlt und sich um sie gekümmert. Sie hatte Vicky getröstet und gelernt, sich nicht anmerken zu lassen, wie ihr selbst zu Mute war. Schon bald erkannte sie, dass es den eigenen Schmerz lindern half, wenn man sich auf andere konzentrierte, und so war sie recht schnell erwachsen geworden.

Als Alicia mit achtzehn das Waisenhaus verlassen durfte, hatte sie Vicky mitgenommen und war mit ihr in dieses Apartment gezogen. Eigentlich fühlten sie sich hier beide ganz wohl. Zumindest solange die Klimaanlage funktionierte und Alicia nicht wie jetzt aus einem speziellen Grund übel war.

Sie versuchten nun gemeinsam, Vickys Mathematikaufgabe zu lösen, und waren noch immer damit beschäftigt, als Dex kam.

„Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe“, entschuldigte er sich und küsste Alicia auf die Wange.

Sie sah auf die Uhr und bemerkte erst jetzt, dass es schon kurz vor neun war, fragte jedoch nicht, was ihn aufgehalten hatte.

„Du meine Güte, hier drinnen ist es ja kaum auszuhalten! Was habt ihr mit eurer Klimaanlage angestellt?“

„Nichts. Anscheinend ist sie kaputt.“ Alicia sah zu, wie Dex den Schaltkasten an der Wand öffnete, kurz hineinblickte, auf einige Knöpfe drückte und den Deckel wieder zuklappte. Gleich darauf war ein erster kalter Lufthauch zu spüren.

„Deine Schwester ist zwar eine großartige Sekretärin, aber in technischen Dingen hoffnungslos unbegabt“, erklärte er Vicky und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

Sie lächelte. „Danke, Dex. Du bist doch so gut in Mathe. Könntest du mir erklären, was ich hier falsch gemacht habe?“

„Mal sehen.“ Er setzte sich neben sie und las sich die Aufgabe durch.

„Diese blöde Klimaanlage ist unberechenbar“, meinte Alicia sich verteidigen zu müssen. Wieso gab Dex ihr stets das Gefühl, dass sie ohne ihn nur schwer zurechtkam? Sie war immer unabhängig von anderen gewesen – bis sie ihn kennengelernt hatte.

„Der Fehler liegt hier“, sagte Dex zu Vicky und kreuzte mit dem Kugelschreiber eine Zahlenreihe an. „Im Grunde genommen ist alles ganz einfach“, fuhr er fort und erklärte Vicky mit wenigen Worten, wo der Fehler lag.

Verärgert rümpfte Alicia die Nase. „Kaffee, Dex?“

„Danke, gern.“

„Für mich nicht, Alli“, sagte Vicky. „Sobald ich hier fertig bin, gehe ich unter die Dusche und dann ins Bett. Ich bin völlig geschafft.“

Wenn wir allein sind, werde ich ihm als Erstes von dem Baby erzählen, nahm Alicia sich vor, während sie den Kaffee zubereitete. Sie schenkte zwei Tassen voll, reichte eine Dex und setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.

„Danke, Alli.“ Dex musterte sie kurz. Sie sieht müde aus, dachte er und schalt sich einen Egoisten, weil er ihr in der letzten Zeit die ganze Büroarbeit aufgebürdet hatte. Wenn er sie nicht entlastete, würde sie womöglich kündigen, und er wollte sie auf keinen Fall verlieren.

Er ließ den Blick zwischen den beiden Schwestern hin- und herschweifen. Sie sahen sich sehr ähnlich, waren beide blond und hatten dieselben feinen Gesichtszüge. In Shorts und T-Shirt wirkte Alicia keinen Tag älter als Vicky, und Vicky war mit ihren bald siebzehn Jahren fast noch ein Kind.

„Geschafft!“ Vicky klappte das Buch zu. „Du bist wirklich ein Schatz, Dex! Ich weiß nicht, was Alli und ich ohne dich anfangen würden.“

„Ihr würdet auch ohne mich bestens zurechtkommen“, sagte er ruhig.

Vielleicht müssen wir das, wenn er erfährt, dass ich schwanger bin, schoss es Alicia durch den Kopf, und es gab ihr einen Stich ins Herz. Dex liebte sie nicht. So aufregend und leidenschaftlich ihre Beziehung auch sein mochte, für ihn war sie nur eine weitere Geliebte, nichts Ernsthaftes. Er hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass für ihn eine feste Bindung erst infrage kam, wenn er sich auf seinen beruflichen Lorbeeren ausruhen könnte.

„Heißt das, du heiratest erst, wenn du es dir leisten kannst, faul im Lehnstuhl zu sitzen und deine Pfeife zu rauchen?“, hatte Alicia ihn aufgezogen, als sie zufällig einmal über dieses Thema gesprochen hatten.

Er hatte gelacht. „So ähnlich.“

„War es dir mit keiner deiner Freundinnen jemals ernst?“

Jäh hatte sich sein Gesichtsausdruck verändert. „Ich war einmal verlobt … vor Jahren.“

„Sie muss eine ganz besondere Frau gewesen sein.“

„O ja, das war sie.“ Dex schwieg einen Moment und schien auf einmal weit weg zu sein. „Clare und ich kannten uns von klein auf“, erklärte er schließlich. „Wir waren gleich alt, besuchten dieselbe Schule und gingen später zusammen zur Universität. Für mich stand schon früh fest, dass ich sie und keine andere zur Frau haben wollte.“

Alicia erinnerte sich noch gut, wie sehr seine Worte sie damals getroffen hatten. Als sie Dex kennengelernt hatte, hatte es sie nicht weiter gestört, dass er sich nicht binden wollte, denn sie selbst musste ja ebenfalls auf Vicky Rücksicht nehmen. Doch als sie erfuhr, dass es eine Frau gab, die er über alles geliebt hatte und hatte heiraten wollen, war sie sehr niedergeschlagen, weil sie, Alicia, keine so starken Gefühle in ihm zu wecken vermochte.

„Warum hast du sie dann doch nicht geheiratet? Was ist aus ihr geworden?“

„Sie starb an ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag bei einem Autounfall. Am Morgen unseres Hochzeitstages.“

Seine Stimme klang ausdruckslos, doch in seinen Augen war ein so tiefer Schmerz zu lesen, dass sich Alicias Eifersucht sofort in Mitgefühl verwandelte. Sie wusste nur zu gut, wie schlimm es war, jemanden zu verlieren, den man liebte.

„Jetzt ist mir nur noch meine Karriere wichtig“, redete Dex rasch weiter, als würde ein Gespräch über seine Arbeit ihm helfen, die Schatten der Vergangenheit zu vertreiben. „Ich möchte einmal ganz oben sein und bin bereit, dafür alles einzusetzen. Als verheirateter Mann könnte ich ein solches Risiko niemals eingehen.“

„Ich kann das gut verstehen“, pflichtete Alicia ihm bei. „Mich drängt es ebenfalls nicht, bald zu heiraten. Ich bin gerade mal zwanzig, Dex, und möchte erst einmal beruflich weiterkommen, mir die Welt ansehen und das Leben genießen.“

Damals hatte sie das durchaus ernst gemeint, doch jetzt klangen ihr die eigenen Worte wie Hohn in den Ohren.

„Gute Nacht, ihr beiden“, sagte Vicky und riss damit Alicia aus ihren Grübeleien.

„Gute Nacht, Vicky.“

Nachdem ihre Schwester das Zimmer verlassen hatte, blickte Alicia zu Dex, der ihr gegenübersaß. Er trug noch denselben Anzug wie im Büro. War er etwa direkt von der Besprechung mit Maddie hierher gekommen?

Ihre Blicke trafen sich.

„Ist dir eigentlich klar, dass du ein richtiger Schlauberger bist?“, zog sie ihn auf.

Er verdrehte die Augen. „Mir ist es lieber, wenn du mich als Genie bezeichnest.“

Sie lachte. „Dann berichte mir mal, du Genie, wie das Treffen mit Maddie und ihrem Bankier gelaufen ist.“

„Es hätte nicht besser sein können.“

„Willst du statt des Kaffees lieber ein Glas Wein, um auf deinen Erfolg anzustoßen?“

„Nein, vielen Dank. Ich hatte bereits ein Glas Champagner und muss noch fahren.“

Alicia hätte ihm gern angeboten, bei ihr zu übernachten, ließ es dann aber sein. Er hatte nicht so geklungen, als wäre er gern geblieben. „Wenn ihr mit Champagner angestoßen habt, müsst ihr ja gut vorangekommen sein.“

„Noch ist nichts unterschrieben“, entgegnete er bedächtig. „Ich bin jedoch recht zuversichtlich. In zwei Wochen fliege ich nach Perth und treffe mich dort mit Maddies Geschäftspartnern. Ich hoffe, dass dort ein Vertrag zustande kommt.“

„Tatsächlich?“ Alicia versuchte, halbwegs erfreut zu klingen.

Dex nickte. „Während ich weg bin, musst du hier für mich die Stellung halten.“

Da sie darauf nicht antwortete, runzelte er die Stirn. „Du siehst blass aus. Fühlst du dich nicht wohl?“

„Ich bin nur ein wenig müde, weiter nichts.“ Sie stand auf, nahm ihre Tasse und schüttete den restlichen Kaffee in den Ausguss. Während sie Dex den Rücken zudrehte, überlegte sie, wie sie ihm beibringen sollte, dass sie schwanger war.

Entschlossen drehte sie sich zu ihm um. „Dex, ich muss dir etwas sagen.“ Es hörte sich seltsam atemlos an.

„Etwa, dass du vorhast, als Fotomodell zu arbeiten?“

Sie sah ihn verblüfft an.

„Peter war heute Morgen bei mir im Büro, bevor du kamst.“

Alicia runzelte die Stirn. Peter Blake war einer ihrer engsten Freunde und so etwas wie ein Bruder für sie. Er war zwei Jahre älter und im selben Waisenhaus wie sie aufgewachsen. Inzwischen hatte er sich als Fotograf einen Namen gemacht, der über Australiens Grenzen hinausreichte.

„Er hat mir die Fotos gezeigt, die er von dir gemacht hat“, fuhr Dex fort. „Sie sind wunderschön. Ich war sehr beeindruckt.“

„Wirklich?“, fragte sie lächelnd, von seinem bewundernden Blick sowohl verwirrt als geschmeichelt.

„Außerdem hat er mir erzählt, dass er die Fotos an eine große Agentur in Sydney geschickt hat und man dort an dir interessiert sei. Er meinte, du hättest eine große Karriere vor dir und ich würde dir dabei im Weg stehen.“ Dex’ Miene verfinsterte sich. „Ich habe ihm gesagt, dass ich von alldem nichts gewusst hätte, aber irgendwie scheint er mir nicht geglaubt zu haben.“

„Das ist doch völliger Unsinn!“, rief Alicia verärgert und ging zum Tisch zurück. „Peter hatte kein Recht, so mit dir zu reden!“

„Nimmst du das Angebot an und gehst nach Sydney?“

„Nein!“ Sie war wütend auf Peter, weil er hinter ihrem Rücken mit Dex darüber gesprochen hatte. Dabei hatte sie ihm vorige Woche klipp und klar erklärt, dass sie lieber hier in Cairns bleiben wolle und es ihr zu unsicher sei, als Fotomodell zu arbeiten. Nur wenigen Mädchen gelang der Durchbruch. Abgesehen davon gehörte sie mit zwanzig in diesem Beruf sowieso schon fast zum alten Eisen.

„Warum nicht?“

Sie zögerte. „Zum einen möchte ich Vicky nicht gerade jetzt, da die letzten Klassenarbeiten für das diesjährige Zeugnis geschrieben werden, aus ihrer gewohnten Umgebung reißen.“

„Andererseits gibt es in Sydney sehr gute Schulen und eine weltberühmte Universität“, gab Dex zu bedenken.

„Möchtest du mich etwa loswerden?“

Stumm blickten sie sich an. Unwillkürlich fragte Alicia sich, ob Dex etwa der Ansicht war, sie solle das Angebot annehmen.

„Ich möchte einfach nur, dass du glücklich bist“, sagte er sanft. „Wie du weißt, bin ich sehr ehrgeizig und konzentriere all meine Kräfte auf meine Karriere. Ich wäre ein Heuchler, wenn ich dir dasselbe verwehren würde. Jedenfalls werde ich dir nicht im Weg stehen, wenn du … dein Glück in Sydney …“ Er ließ alles Weitere offen und zuckte nur die Schultern.

Für Alicia lag das Glück nicht in Sydney. Sie liebte Dex über alles und wünschte sich nichts sehnlicher, als bei ihm bleiben zu können.

„Wie es aussieht, eröffnen sich für uns beide jetzt neue berufliche Perspektiven“, fuhr Dex fort, als sie nicht antwortete.

Alicia wurde ganz weh ums Herz. Er war kein bisschen in sie verliebt. Es fiel ihr schwer, auf seinen lockeren Ton einzugehen. „Das Problem ist nur, dass diese neuen Wege uns in verschiedene Richtungen führen.“

Unvermittelt streckte er den Arm aus und zog sie auf seinen Schoß. „So ist es schon viel besser“, sagte er rau. „Was gedenkst du also zu tun? Soweit ich Peter verstanden habe, bietet dir diese Agentur in Sydney eine einmalige Chance.“

„Scheint so.“ Alicia hätte mit ihm viel lieber über das Baby gesprochen. Doch zu wissen, dass er sie ohne Weiteres ziehen lassen würde, erleichterte es ihr nicht gerade, dieses Thema anzuschneiden.

„Um ehrlich zu sein, ich möchte nicht, dass du gehst“, murmelte er.

Vor Freude setzte ihr Herz einen Schlag aus, ihre Augen strahlten. „Warum nicht?“

„Du würdest mir schrecklich fehlen.“ Er lächelte. „Eine so gute Sekretärin wie du ist schwer zu ersetzen.“

Natürlich war das nicht ganz ernst gemeint, und vor einigen Wochen hätte Alicia darüber sogar gelacht. Jetzt aber hatte sie das Gefühl, überhaupt niemals wieder lachen zu können. „Keine Angst, ich kann jetzt sowieso nicht weg.“

Dex bemerkte in ihren Augen Tränen und fragte betroffen: „Alicia, was hast du?“

„Ich bin schwanger“, flüsterte sie. „In der siebten Woche, um genau zu sein.“

Es war nicht zu übersehen, wie geschockt er war. Kein Wunder. Alicia hatte regelmäßig die Pille genommen, da sie sich von Anfang an einig gewesen waren, kein Risiko einzugehen.

„Schon gut“, sagte sie schnell. „Du musst mich deshalb nicht heiraten oder dich irgendwie verpflichtet fühlen.“

Offensichtlich hatte es ihm die Sprache verschlagen, denn er schüttelte nur stumm den Kopf. Statt Entsetzen drückte seine Miene nun Schuldbewusstsein aus.

„Natürlich werde ich das Baby bekommen“, erklärte sie. „Ich meine, irgendeine … andere Lösung kommt für mich nicht infrage.“

Er sagte noch immer nichts. Spannungsgeladenes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Alicia, die noch immer auf seinem Schoß saß, zerzauste Dex liebevoll das Haar. „Tut mir leid.“ Ihre Stimme zitterte leicht.

Dex schloss die Augen. „Sag doch nicht so etwas.“

„Wieso nicht? Ich fühle mich …“

„Ich bin dafür ebenso verantwortlich wie du“, unterbrach er sie. „Du hättest es mir schon früher sagen sollen.“

„Warum?“

„Weil es nun einiges zu klären gibt.“ Seine Stimme klang ruhig. „Was wäre dir am liebsten?“

„Das weiß ich nicht.“ Sie sah ihn offen an. „Was schlägst du vor?“

Er runzelte die Stirn und schien zu überlegen. Das Schweigen zerrte an Alicias Nerven. Alltägliche Geräusche, die sie sonst gar nicht wahrnahm, wie das Ticken der Uhr und der tropfende Wasserhahn in der Küche, störten sie plötzlich.

Hilflos fuhr Dex sich durch das dichte Haar. Was sollte er ihr sagen? Wahrscheinlich war es am besten, ihr gegenüber völlig ehrlich zu sein. „Du weißt, wie viel du mir bedeutest.“ Sanft streichelte er ihre Wange, doch Alicia wich vor ihm zurück, als hätten seine Worte sie gekränkt. Er ließ die Hand sinken. „Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich dich heiraten …“

„Das erwarte ich auch gar nicht von dir“, fiel sie ihm schroff ins Wort. „Die Zeiten sind längst vorbei, in denen Leute geheiratet haben, weil ein Kind unterwegs war.“ Alicia stand auf. Sie konnte nicht klar denken, wenn sie ihm so nah war, denn während ihr Verstand sie zur Vernunft rief, sehnte sich ihr Körper nach Dex’ Liebkosungen. „Schließlich leben wir nicht mehr im Mittelalter.“

„Nun … ja.“

Drückte seine Stimme Erleichterung aus oder eher Erstaunen? Was er wirklich dachte, wusste Alicia nicht, da seine Miene völlig ausdruckslos war.

Sie ging zur Spüle und drehte den Wasserhahn fester zu. Das bot ihr Gelegenheit, sich wieder ein wenig zu sammeln. Während der vergangenen Woche hatte sie sich in verschiedenen Variationen ausgemalt, wie Dex auf die Nachricht von ihrer Schwangerschaft reagieren würde.

In ihrer Lieblingsversion hatte er ihr seine Liebe gestanden und sie gebeten, ihn zu heiraten. Aber so etwas kam wohl nur in Seifenopern vor. Im Grunde genommen hatte sie gewusst, dass dieses Gespräch keineswegs so romantisch verlaufen würde. Auf keinen Fall aber wollte sie Dex’ Mitleid.

Langsam drehte sie sich zu ihm um. „Vielleicht sollte ich einfach meine Sachen packen und für eine Weile nach Sydney ziehen“, sagte sie. „In den ersten Monaten könnte ich mir als Fotomodell noch allerhand Geld verdienen und später überlegen, was ich gern machen würde. In einer so großen Stadt findet man immer Arbeit …“

„Red keinen Unsinn“, unterbrach er sie barsch.

„Wieso?“ Wütend sah sie ihn an. „Ich kann mich sehr gut allein durchschlagen!“

Dex kannte Alicia gut genug, um zu wissen, dass es ihr nicht an Mut oder Entschlossenheit fehlte. Aber allein die Vorstellung, wie sie in der Großstadt ums Überleben kämpfte, machte ihn ganz krank. Sein Kind würde ohne Vater aufwachsen oder, noch schlimmer, sie würde einen anderen Mann heiraten. Dex sprang auf. „Du bist nicht allein“, sagte er entschlossen. „Du hast mich.“

Sie zog kaum wahrnehmbar die Brauen hoch.

„Wir könnten zusammenziehen.“

Sein Vorschlag schien sie ebenso zu überraschen wie Dex selbst, der sich nicht erklären konnte, wie er plötzlich darauf gekommen war.

„Ich würde in der Geburtsurkunde als Vater stehen, und wir könnten dem Kind meinen Namen geben.“ Dex erwärmte sich zusehends für diesen Gedanken.

Alicia schüttelte den Kopf. „Nein!“ Es klang schärfer als beabsichtigt.

„Du solltest es dir zumindest überlegen.“

„Nein. Ich möchte nicht, dass mein Kind anders heißt als ich.“

„Weshalb denn nicht?“ Er klang aufrichtig überrascht. „Heutzutage ist das doch nicht ungewöhnlich.“

„Vor einigen Minuten hast du mich noch gedrängt, mein Glück in Sydney zu suchen. Jetzt möchtest du auf einmal dem Baby deinen Namen geben. Was folgt als Nächstes? Gibst du mir nach der Geburt den Laufpass und behältst nur das Baby?“

„So etwas würde ich nie tun, Alli, und das weißt du auch. Abgesehen davon wusste ich vor wenigen Minuten noch nichts von deiner Schwangerschaft.“

„Gefällt es dir, Vater zu werden?“, fragte sie unvermittelt.

„Ja“, antwortete er zu seiner Überraschung ganz spontan. „Ja, ich freue mich wirklich“, bestätigte er und schien über sich selbst erstaunt zu sein.

Alicia war über seine Reaktion gerührt, gleichzeitig aber auch traurig, denn seine Gefühle galten allein dem Baby.

„Aber deshalb kannst du mir nicht unterstellen, ich würde dich austricksen wollen und das Sorgerecht für mein Kind …“

„Mein Kind“, verbesserte sie ihn ruhig. „Das Sorgerecht werde ich allein haben.“

„Zum Teufel, Alli, du klingst, als würdest du die Scheidung einreichen! Dabei wir sind noch nicht einmal verheiratet.“

Sie zuckte die Schultern. „Ich möchte nur nicht, dass wir uns etwas vormachen.“

„Und weshalb machen wir uns etwas vor, wenn wir zusammenziehen und dem Kind meinen Namen geben?“, fragte er sichtlich verärgert.

„Ich habe nicht generell etwas dagegen, mit jemandem zusammenzuziehen. Aber in unserem Fall würden wir Gefühle vortäuschen, die wir füreinander nicht empfinden.“

Insgeheim hatte sie gehofft, er würde ihr widersprechen, doch er sah sie nur mit finsterer Miene an. Um sich wenigstens etwas Stolz zu bewahren, flüchtete Alicia sich in einen betont schnoddrigen Ton: „Da wir uns offenbar einig sind, dass wir nicht genügend füreinander empfinden, sollten wir unsere Beziehung am besten ganz beenden.“

Dex schien nun immerhin einigermaßen fassungslos zu sein. „Das schlägst du vor, obwohl wir bald Eltern werden?“

„So würde ich mir zumindest nicht ausgenutzt vorkommen“, sagte sie mit schiefem Lächeln. „Es ist vernünftiger, unsere intime Beziehung zu beenden, solange wir uns noch respektieren.“

„Wir waren doch immer gute Freunde, oder?“

„Die besten.“ Sie schluckte trocken. „Schade, dass wir uns nicht ineinander verlieben konnten.“

Er sah sie an, als hätte sie ihm aus der Seele gesprochen.

Nun reichte es ihr endgültig. „Du solltest jetzt besser gehen“, sagte sie würdevoll. Sie wollte endlich allein sein, um in aller Stille ihre Wunden zu lecken. „Ich bin müde und …“

„Ich möchte unsere Beziehung nicht beenden, Alicia!“

„Dex, du bist zwar der Vater meines Babys, aber sonst …“

„Heirate mich“, sagte er unvermittelt.

Sie war wie vom Donner gerührt und fragte sich, ob sie sich vielleicht verhört hatte.

Blitzschnell war Dex bei ihr und legte die Arme um sie. Seine dunklen Augen blickten ernst. „Ich befürchte, wenn ich dich und das Baby jetzt gehen lasse, werde ich es mein Leben lang bereuen.“

„Dex, eine Ehe ist das Letzte, was du im Moment willst! Wir waren uns doch einig, dass wir nicht wegen eines Babys heiraten …“

„Ich habe meine Meinung eben geändert.“ Er lächelte grimmig. „Nicht nur Frauen haben dieses Vorrecht.“

„Das ist doch Unsinn, Dex.“

Er schüttelte eigensinnig den Kopf. „Mir ist nur plötzlich klar geworden, wie sehr ich mir dieses Kind wünsche. Ich möchte ihm ein Zuhause geben, Geborgenheit, Liebe.“

„Sehr lobenswert, aber ich lehne dankend ab.“ Ihre Stimme zitterte vor Wut. Wie konnte er es wagen, ihr einen derart berechnenden Antrag zu machen, bei dem es ihm ganz offensichtlich nur um das Baby ging? „Ich kann meinem Kind auch allein die nötige Liebe und Geborgenheit geben.“ Es war immer noch besser als eine Ehe ohne Liebe.

„Du gibst mir einen Korb?“

Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Alicia über sein verblüfftes Gesicht laut gelacht. Dex war von sich selbst so überzeugt, dass es ihm wahrscheinlich gar nicht in den Sinn gekommen war, dass eine Frau seinen Heiratsantrag ablehnen könnte.

„Ja, ganz recht.“ Sie löste sich von ihm und trat mit hoch erhobenem Kopf zurück. Ihre Augen funkelten zornig. „Ich habe dir ja gesagt, dass ich nicht heiraten will.“

„Aber du willst doch nicht im Ernst unsere Beziehung beenden? Du brauchst mich.“

„Nein, das tue ich nicht“, widersprach sie hitzig. Sosehr sie ihn auch liebte und begehrte, niemals würde sie sich so weit erniedrigen, seinen lieblosen Antrag anzunehmen.

„Sei nicht kindisch. Du schaffst es nicht allein.“

„Hier geht es um unser restliches Leben, Dex. Darüber kann man nicht aus einer Laune heraus kurzfristig entscheiden. Und jetzt geh bitte.“ Sie wollte ihn loswerden, solange ihre Wut noch anhielt, damit sie nicht vor ihm in Tränen ausbrach.

Er folgte ihr zur Tür. „Du hast recht“, stimmte er ihr ernst zu, „eine solche Entscheidung muss wohl überlegt sein.“

„Eben. Ohne Liebe zu heiraten würde uns beide nur unglücklich machen.“ Während sie das sagte, war sie sich nur allzu bewusst, dass er dicht hinter ihr stand, und als sie nun die Tür öffnete, drückte er sie wieder zu.

Dann zog er Alicia sanft in seine Arme. „Nicht jeder verliebt sich mit Fanfaren und Trompeten“, sagte er leise. „Vielleicht würde die Liebe zwischen uns allmählich wachsen.“

Jäh verflog Alicias Zorn. Dex war ein Realist und nüchtern denkender Geschäftsmann. Wahrscheinlich würde er sie für verrückt halten, wenn sie ihm gestand, dass sie sich schon bei ihrer ersten Begegnung Hals über Kopf in ihn verliebt hatte.

„Ich bin sogar der festen Überzeugung, dass man sich nicht frisch verliebt blindlings in eine Ehe stürzen sollte“, fuhr er fort. „Solche Ehen scheitern meistens kläglich, sobald der erste Zauber verflogen ist und der Alltag beginnt. Wir beide hingegen kennen uns schon länger und haben vieles gemeinsam.“

„Findest du?“, fragte Alicia mit ironischem Lächeln.

„Aber ja. Wir sind gute Freunde, und das ist doch die beste Basis für eine Ehe.“

„Als Nächstes wirst du noch ein entsprechendes Computerprogramm entwerfen“, spottete sie. „Etwa ‚welcher Ehepartner passt zu mir?‘ oder ‚Leitfaden für eine erfolgreiche Partnerwahl‘.“

Dex lachte. „Vielleicht sollte ich deinen Vorschlag aufgreifen.“

„Allerdings können Computer keine Gefühle analysieren …“

„Oder sexuelle Übereinstimmung feststellen.“ Er blickte ihr tief in die Augen. „Ich denke, hier sollte ich mit meinen Studien beginnen.“

Ihre Lippen zitterten leicht, als er sie nun küsste. Doch dann schmiegte sie sich an ihn und erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich. Vielleicht hatte Dex recht, und eine Heirat war die beste Lösung.

„An Letzterem hapert es bei uns jedenfalls nicht“, sagte er heiser, als er sich schließlich von ihr löste.

„Letzterem?“ Sie hatte Mühe, wieder klar zu denken.

„Sexueller Übereinstimmung.“ Er lächelte amüsiert, als sie leicht errötete.

Sie befreite sich aus seinen Armen. „Zu einer Ehe gehört mehr als Sex, und das weißt du.“ Ihre Stimme klang unsicher.

„Immerhin ist es eine gute Basis“, beharrte Dex.

„Du kannst eine Heirat nicht wie eine Geschäftskampagne planen. Ohne Liebe funktioniert keine Beziehung, egal, ob man zusammenlebt oder heiratet.“

Dex entdeckte einen feuchten Schimmer in ihren Augen. „Liebling, sieh mich nicht so an“, sagte er zärtlich. „Du bedeutest mir sehr viel. Mehr als jede andere Frau seit langer Zeit.“

„Ich mag dich auch.“ Sie senkte den Blick, damit Dex nicht in ihren Augen las, was sie wirklich für ihn empfand. „Aber das reicht nicht.“

„Sieh mal, wir sind jetzt beide müde. Lass uns darüber schlafen und das Gespräch morgen Abend bei einem Essen fortsetzen.“ Seine Stimme klang sehr sanft. „Ich werde im Romanio’s einen Tisch bestellen.“

Seine Nähe verwirrte sie, aber sie wollte hart bleiben. „Es ist doch schon alles gesagt.“

Zart ließ er den Finger über ihre Lippen gleiten. „Ich bitte dich doch nur, mit mir zu essen, Alli. Gib deinem Herzen einen Stoß.“ Der dunkle, einschmeichelnde Klang seiner Stimme raubte ihr die Kraft, noch weiter mit ihm herumzustreiten.

„Na schön, ich bin einverstanden.“

„Danke.“ Er neigte den Kopf und küsste sie flüchtig auf die Lippen.

„Du erzählst doch niemandem, dass ich ein Baby bekomme, Dex?“, fragte sie unvermittelt. „Ich möchte damit noch etwas warten.“

„Mir recht. Wir sehen uns dann morgen.“

3. KAPITEL

Alicia war wieder einmal ganz in ihrem Element. Während hinter ihr der Drucker lief, füllte sie mit dem Kugelschreiber ein Formular aus und versuchte gleichzeitig, am Telefon einen hartnäckigen Interessenten abzuwimmeln. Freundlich, aber bestimmt teilte sie ihm mit, dass ihr Chef sein neuestes Computerspiel diesmal selbst zu vermarkten gedachte.

„Sehr diplomatisch“, lobte Dex sie, der soeben mit Maddie McDowell aus seinem Büro gekommen war und noch gehört hatte, wie Alicia den Anrufer geschickt beschwichtigte und darauf vertröstete, beim nächsten Mal an ihn zu denken.

Alicia legte auf und lächelte. „Solche Leute hält man besser bei Laune.“

Bewundernd sah Dex sie an. „Du bist wirklich Gold wert, Alli.“

Da er nicht allein war, enthielt Alicia sich einer Antwort und schob ihm stattdessen den soeben ausgedruckten Brief hin. „Würdest du den bitte unterschreiben.“

„Mach ich.“ Er setzte seine schwungvolle Unterschrift unter das Schreiben, ohne es durchzulesen.

„Solltest du den Brief nicht erst lesen?“, mischte sich Maddie mit sanfter Stimme ein.

Ehe Alicia etwas sagen konnte, entgegnete Dex: „Nicht bei einer so perfekten Sekretärin wie Alli. Ihr vertraue ich blind.“

„Ach ja?“ Maddie behielt ihr Lächeln bei, doch in ihrer Stimme schwang ein Hauch von Schärfe mit. „Dann ist diese Liste bei Ihnen sicher in besten Händen.“ Sie legte ein DIN-A4-Blatt auf Alicias Schreibtisch.

„Was ist das?“ Alicia blickte flüchtig darauf und dann zu Maddie, die wieder einmal wie aus dem Ei gepellt aussah. Sie trug ein elegantes zartlila Kostüm, das geschäftsmäßig kühl und trotzdem auch sehr weiblich wirkte. Ihr rosafarbener Lippenstift passte zu dem schweren, nach Flieder duftenden Parfüm, das sie umwehte, und ihr kurzes dunkles Haar glänzte seidig wie immer. Anscheinend gibt es bei dieser Frau keine Stumpfe-Haare-Tage wie bei uns gewöhnlich Sterblichen, dachte Alicia boshaft.

„Es ist eine Liste potenzieller Großkunden“, erklärte Dex. „Könntest du die entsprechenden Adressen für mich in den Computer eingeben?“

Alicia nickte. „Erledige ich sofort.“

„Danke, du bist ein Schatz.“ Er drehte sich zu Maddie um. „Zwischen uns beiden ist alles klar, stimmt’s? Wir treffen uns dann bei der Besprechung in Perth.“

„Ja.“ Maddie lächelte strahlend. „Ich freue mich schon darauf.“

Erneut läutete das Telefon. Alicia nahm ab. „Oh, hallo. Einen Moment bitte, ich sehe nach, ob er frei ist.“ Sie hielt die Sprechmuschel des Hörers zu. „Dein Steuerberater“, sagte sie leise zu Dex.

Er nickte. „Stell mir das Gespräch bitte in mein Büro durch. Wiedersehen, Maddie.“

Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lehnte Maddie sich an Alicias Schreibtisch. „Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser haben?“, bat sie. „Ich habe schreckliche Kopfschmerzen. Sicher von der Hitze.“

„Selbstverständlich.“ Alicia ging in die kleine Teeküche nebenan, schenkte ein Glas Mineralwasser ein und brachte es Maddie.

Diese bedankte sich mit einem Lächeln. Sie nahm aus ihrer Handtasche eine Packung Kopfschmerztabletten, entnahm eine Tablette, steckte sie sich in den Mund und trank etwas Wasser.

„Hoffen wir, dass es wirkt.“ Maddie stellte das Glas auf den Schreibtisch und streifte dabei mit der Hand einen Stapel Belege, der umfiel. Die Blätter verstreuten sich quer über den Boden. „O nein!“ Sie bückte sich.

„Lassen Sie alles liegen“, sagte Alicia. „Ich kümmere mich schon darum.“

„Nun, wenn Sie meinen. Es tut mir wirklich sehr leid.“

„Alles nur halb so schlimm“, versicherte Alicia. „Ich habe alles bereits durchnummeriert.“

„Gut.“ Maddie richtete sich auf und verließ mit zuckersüßem Lächeln das Büro.

Alicia benötigte dann doch länger als angenommen, um alles wieder einzusammeln. Sie war immer noch damit beschäftigt, als eine Weile später Dex aus seinem Büro kam.

„Heute ist hier wieder der Teufel los“, sagte er und seufzte. „Dabei hatte ich gehofft, wir könnten ein wenig früher Schluss machen.“

Alicia lächelte belustigt. „Wann bist du schon mal früher gegangen? Na ja, zumindest hast du heute eine Mittagspause eingelegt.“ Sie hob die letzten Blätter vom Boden auf und kehrte zum Schreibtisch zurück. „Hast du im Romanio’s einen Tisch bestellt?“

„Es war das Erste, was ich heute Morgen getan habe. Ich hole dich um acht zu Hause ab.“

Alicia sah auf und begegnete seinem Blick. Sie waren den ganzen Tag zu beschäftigt gewesen, um ein privates Wort zu wechseln. „Gut.“ Irgendwie fühlte sie sich plötzlich verlegen. „Ich tippe nur noch schnell die Kundenliste in den Computer“, wechselte sie rasch das Thema und wollte nach dem Blatt Papier greifen, das Maddie McDowell auf den Schreibtisch gelegt hatte, konnte es aber nicht finden.

Suchend sah sie auf den Boden und unter ihren Schreibtisch, aber es war wie vom Erdboden verschluckt.

„Was ist los?“, fragte Dex.

„Ich finde Maddies Kundenliste nicht mehr.“

„Sie muss hier sein.“

Alicia biss sich auf die Lippe. „Vielleicht ist sie unter den Stapel Belege gerutscht, den Maddie umgeworfen hat“, überlegte sie laut.

Dex ging darauf nicht ein. „Verdammt, Alicia, die Liste ist wichtig“, schimpfte er. „Du musst doch wissen, wo du sie hingetan hast.“

„Sie lag hier auf meinem Schreibtisch. Ich habe sie nicht angerührt.“

„Vielleicht ist sie ja aus dem Fenster geflogen“, sagte er sarkastisch und ging zurück in sein Büro.

Eine Stunde später hatte Alicia die Liste noch immer nicht gefunden, obwohl sie die Belege Blatt für Blatt nochmals durchgegangen war.

„Du solltest jetzt lieber Schluss machen“, meinte Dex, als er aus seinem Büro kam und sah, dass sie noch immer am Suchen war.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Du meine Güte, es war bereits halb sieben! „Vielleicht ist es besser, wenn du den Tisch abbestellst. Ich finde ja doch keine Ruhe, solange ich diese verflixte Liste nicht gefunden habe.“

„Vergiss die Liste.“ Energisch machte er den Aktenschrank zu. „Ich möchte den Tisch nicht abbestellen.“

Als sie ihn ansah, entdeckte sie in seinen dunklen Augen einen sonderbaren Ausdruck, den sie nicht zu enträtseln vermochte. „Geh nach Hause, und versuch dich zu entspannen“, sagte Dex sanft. „Ich hole dich um acht Uhr ab.“

Sie zögerte, nickte dann aber. Es war ein anstrengender Tag gewesen, und sie sehnte sich nach einer erfrischenden Dusche und einigen Augenblicken der Entspannung. „Na schön, bis später.“

Die verflixte Liste ging Alicia nicht mehr aus dem Sinn. Der Gedanke daran verfolgte sie sogar noch unter der Dusche und auch später, als sie ihr Haar föhnte und sich schminkte. Ein Blatt Papier konnte sich doch nicht einfach in Luft auflösen!

Pünktlich um acht kam Dex. Statt des Anzugs trug er jetzt eine beige Baumwollhose und ein kakifarbenes Hemd und sah entspannt aus.

„Ich dachte, wir wären uns einig, diese idiotische Liste zu vergessen“, sagte er, als Alicia im Auto nochmals darauf zu sprechen kam.

„Das kann ich nicht, weil mir so etwas noch nie zuvor passiert ist.“

Dex zuckte die Schultern. „Du stehst momentan stark unter Druck. Da kann so etwas schon mal vorkommen. Mach dir darüber keine Gedanken mehr. Ich habe Maddie angerufen, und sie schickt uns eine Kopie.“

Alicia runzelte die Stirn. „Ich arbeite doch nicht schlechter, nur weil ich schwanger bin. Es ist mir einfach unerklärlich, wie etwas spurlos von meinem Schreibtisch verschwinden kann.“

„Vielleicht waren Außerirdische am Werk“, neckte Dex sie. „Ein erster Fall von Industriespionage durch Marsmenschen.“

„Etwa ein Marsmensch namens Maddie?“, erwiderte Alicia im selben scherzhaften Ton.

Dex warf ihr einen kurzen Seitenblick zu und sah dann wieder auf die Fahrbahn. „Warum sollte Maddie eine Liste klauen, die sie dir kurz zuvor gegeben hat?“

„Was weiß ich.“ Mittlerweile war sie überzeugt, dass Maddie die Liste an sich genommen hatte, während sie ihr das Glas Wasser geholt hatte. Allerdings fiel ihr dafür kein plausibler Grund ein.

„Maddie fand das alles eher amüsant“, erklärte Dex lachend. „Sie erinnerte mich, dass ich dich heute Nachmittag als perfekte Sekretärin bezeichnet habe, und meinte, man solle den Tag nicht vor dem Abend loben.“

„Ich bin durchaus eine gute Sekretärin!“, widersprach Alicia hitzig.

„Natürlich bist du das“, sagte er besänftigend. „Lass uns nicht mehr davon reden. Wir haben jetzt wirklich an Wichtigeres zu denken.“

„Ja … du hast recht“, stimmte Alicia ihm zögernd zu, und sie legten den Rest der Fahrt schweigend zurück.

Das Romanio’s lag direkt am Meer. Es war ein gemütliches, nach drei Seiten hin der warmen tropischen Nachtluft geöffnetes Restaurant mit romantischem Kerzenlicht an jedem Tisch.

Der Ober führte sie zu einem ruhigen Tisch in der Ecke und überließ sie dem Studium der Speisekarte. Von ihrem Platz aus konnte Alicia das Rauschen des Meeres hören. Die Nacht war windstill, nur von den Ventilatoren über ihnen wehte ein leises Lüftchen zu ihr.

„Habe ich dir schon gesagt, wie schön du heute Abend aussiehst?“, fragte Dex unvermittelt.

„Danke.“ Sie trug ein zartrosa Sommerkleid mit einem runden Ausschnitt und einem langen Rock. Wahrscheinlich sah sie darin sehr weiblich aus, aber bestimmt nicht schön.

„Wie fühlst du dich?“

„Erstaunlich gut“, versicherte sie lächelnd.

„Gestern Abend im Bett habe ich noch lange an dich denken müssen.“

„So?“ Ihre Augen funkelten belustigt. „Das klingt nicht ganz jugendfrei. Vielleicht solltest du es mir lieber nicht erzählen.“

„Meinst du?“ Er lachte. „Aber im Ernst, Alicia. Gestern habe ich mir vorgenommen, dich künftig im Büro ein wenig zu entlasten. Was aber habe ich stattdessen heute getan? Dich noch mehr als sonst mit Arbeit eingedeckt.“

„Ich bin nicht krank, Dex.“

„Keine morgendliche Übelkeit?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Keine abartigen Gelüste?“

Sie zögerte einen Moment und lächelte dann schalkhaft. „Nichts, was ich hier in aller Öffentlichkeit bekennen möchte.“

Damit brachte sie ihn erneut zum Lachen. „Da wir gerade von Geständnissen sprechen“, sagte er und beugte sich zu ihr über den Tisch. „Ich mag es, wenn du wie soeben die Lippen verziehst. Du hast einen sehr verführerischen Mund, weißt du das?“

„Mit solch lockeren Reden hast du uns in den Schlamassel gebracht, in dem wir uns jetzt befinden“, zog sie ihn auf, doch gleichzeitig fühlte sie sich von dem begehrlichen Funkeln in seinen Augen wie elektrisiert.

Ausgerechnet in diesem Augenblick kam der Ober, um die Bestellung aufzunehmen.

„Wenn ich mich recht erinnere, hast du mich bei unserer ersten wirklichen Verabredung auch hierher gebracht“, sagte Alicia, als sie wieder allein waren.

„Mit ‚wirklicher Verabredung‘ meinst du offenbar meinen ersten schüchternen Annäherungsversuch.“ Seine dunklen Augen blitzten.

„Du und schüchtern?“, fragte sie ungläubig. „Du warst der größte Casanova, der mir je unter die Augen gekommen ist, Dexter Rowland! Als deine Sekretärin habe ich doch in den ersten Monaten fast nichts anderes getan, als dir deine zahlreichen Freundinnen vom Leib zu halten. ‚Tut mir leid, er befindet sich gerade in einer Konferenz‘ oder ‚er hat leider eine Besprechung‘ und ähnliche Redewendungen waren damals mein täglich Brot.“

„Ich bin zutiefst beschämt!“ Dex lachte. „Aber ich hatte wirklich Hemmungen, dich zu bitten, mit mir auszugehen, Alli. Wir haben uns immer so gut verstanden, und ich hatte Angst, eventuell unsere Freundschaft zu zerstören.“

„Ich weiß, was du meinst“, erwiderte sie nachdenklich. „Erinnerst du dich noch, wie du mir, als wir beide noch bei MacDales gearbeitet haben, während der Mittagspause immer von deinen Zukunftsträumen vorschwärmtest, die alle darin gipfelten, dass du spätestens mit vierzig mehrfacher Millionär sein würdest?“

Dex verzog das Gesicht. „Ich muss ja ein entsetzlicher Langweiler gewesen sein.“

„Du warst der begabteste und ehrgeizigste Mann, denn ich je kennengelernt hatte.“

„Und du die hübscheste und tüchtigste Sekretärin, die ich je getroffen hatte. Ich habe den alten Jim MacDales stets glühend um dich beneidet.“

„Und mich ihm abgeworben, als du dich selbstständig machtest.“

Dex’ Miene wurde jäh ernst. „Bereust du es, bei mir angefangen zu haben?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Ich finde, wir arbeiten gut zusammen.“

„Das finde ich auch“, bestätigte er und fragte ruhig: „Sollten wir da unser Verhältnis nicht längerfristig gestalten? Was ich gestern gesagt habe, war ernst gemeint. Heirate mich, Alli.“

Ihr Herzschlag beschleunigte sich. „Ich bin zwar eine gute Sekretärin, aber deshalb brauchst du mich nicht gleich zu heiraten, Dex“, versuchte sie zu scherzen, um zu verbergen, wie verletzlich sie war.

„Ich denke, doch“, entgegnete er ernst.

Zum Glück brachte der Ober jetzt das Essen und bewahrte Alicia davor, sofort antworten zu müssen.

Doch Dex blieb hartnäckig. „Also?“, fragte er, sobald sie wieder allein waren.

Alicia kämpfte mit sich. Nur zu gern hätte sie Ja gesagt, aber nicht immer war der Mann, den man am meisten wollte, der Richtige. „Du hast mir nie verheimlicht, dass du nicht ans Heiraten denkst, und wenn doch, vielleicht in zehn Jahren.“

„Ich habe meine Meinung eben geändert.“

„Aus den falschen Gründen.“ Lustlos stocherte sie in ihrem Essen herum. „Im Gegensatz zu dir hatte ich einige Wochen Zeit, die neue Situation zu überdenken, Dex. Zugegeben, wir beide kommen gut miteinander aus …“

„Sogar fantastisch“, unterbrach er sie, und in seinen Augen blitzte es auf.

Wenn er sie so ansah, war es schwer, vernünftig zu bleiben. „Aber mir genügt eine Ehe ohne Liebe nicht, Dex. Ich möchte mehr, einschließlich der Fanfaren und Trompeten, von denen du gestern gesprochen hast.“

„Reicht es, wenn ich vor dir auf die Knie falle?“

Gegen ihren Willen musste sie lachen. „Das könnte bei meinem Zustand gefährlich sein.“

Er zog fragend eine Braue hoch.

„Womöglich falle ich vor Schreck vom Stuhl.“

„Du hast wirklich einen eigenartigen Sinn für Humor, Alli“, sagte er lächelnd, nahm aus seiner Hemdtasche ein blaues Samtkästchen und legte es vor sie auf den Tisch. „Vielleicht kann ich dich damit überreden.“

Da sie sich nicht rührte, fügte er hinzu: „Willst du es nicht aufmachen?“

Sie legte das Besteck nieder und öffnete das Kästchen. Ihr stockte der Atem. Auf dem blauen Samt lag ein herrlich funkelnder Diamantring.

„Der Juwelier sagte, wenn er dir nicht passt, kann er ihn ändern.“

„Er ist wunderschön, Dex. Wann hast du ihn gekauft?“

„Was glaubst du wohl, was ich heute in meiner Mittagspause gemacht habe?“, fragte er scherzhaft. „Dachtest du etwa, ich hätte gegessen?“

Lächelnd schloss sie das Kästchen. „Danke für diese nette Geste, Dex.“ Irgendwie gelang es ihr, einigermaßen gelassen zu klingen.

Er runzelte die Stirn. „Es ist keine Geste, sondern ein Antrag. Ein aufrichtiger, ernst gemeinter Heiratsantrag.“

„Aber nicht so aufrichtig wie bei deiner Verlobung mit … Wie hieß sie doch gleich? Clare?“ Diesmal zitterte ihre Stimme leicht.

Dex’ Miene verfinsterte sich. „Das ist lange her. Ich war damals ein anderer Mensch.“

„Du hast sie geliebt. Dieses einzigartige Gefühl hast du sicher nicht vergessen, oder?“

„Mir ist vor allem in Erinnerung geblieben, wie entsetzlich ich gelitten habe, als ich Clare verlor“, gab er unverblümt zu. „Ihr Tod hat mich damals völlig aus der Bahn geworfen. Wenn Liebe derart zerstörerisch ist …“ Er schüttelte den Kopf. „Ich möchte solche Qualen nie mehr durchmachen.“

So offen hatte er über diesen Abschnitt seines Lebens noch nie gesprochen. Alicia war bestürzt über den Ausdruck tiefsten Schmerzes in seinen Augen. Sie hatte geglaubt, ihn gut zu kennen, bisher jedoch nur den hart gesottenen und pragmatischen Geschäftsmann in ihm gesehen, der sich stets unter Kontrolle hatte. War er vielleicht nur deshalb so zurückhaltend, wenn es um Gefühle ging, weil er erfahren hatte, wie verwundbar Liebe einen Menschen machte?

Ein schwacher Hoffnungsschimmer keimte in ihr auf. Wenn sie ihn heiratete, mit ihm zusammenlebte und geduldig abwartete, würde er sie dann eines Tages vielleicht doch lieben? Eine innere Stimme drängte sie, sich über ihren Stolz hinwegzusetzen und Dex zu sagen, dass sie genug Liebe für sie beide habe. Sie räusperte sich, doch Dex kam ihr zuvor.

„Ich habe dich sehr gern, Alli, und werde mich um dich kümmern“, sagte er und fügte mit bedauernder Miene hinzu. „Mehr kann ich dir nicht versprechen. Tut mir leid.“

Der nüchterne Klang seiner Stimme versetzte Alicias romantischen Tagträumen jäh einen Dämpfer. „Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert“, sagte sie leise. Man hatte sich im Waisenhaus auch um sie gekümmert, und doch war sie dort todunglücklich gewesen.

„Nun, da wir ein Kind bekommen, können wir uns nicht länger den Luxus leisten, nur an uns selbst zu denken.“

Alicia war versucht, ihm zuzustimmen, sagte dann aber: „Das ändert nichts daran, dass wir nie ans Heiraten gedacht hätten, wenn ich nicht schwanger geworden wäre. Zwischen uns hat es zwar heftig geknistert, aber keinem von uns beiden war es jemals ernst.“

Sein Gesicht verfinsterte sich. „Im Klartext heißt das wohl, du hättest unsere Affäre – so aufregend sie auch sein mochte – einfach beendet und wärst nach Sydney abgedampft?“

Er hätte sich nicht mehr irren können, doch war Alicia zu stolz, das zuzugeben. Sie sah ihm direkt in die Augen und sagte mit vorgetäuschter Ruhe: „Wahrscheinlich hast du recht.“

Immerhin hatte sie die Genugtuung, einen Anflug von Unsicherheit bei ihm wahrzunehmen, fand es dann aber dem Ernst der Lage nicht angemessen, solche kindischen Spielchen zu spielen.

„Machen wir uns doch nichts vor, Dex. Bis gestern hast du nicht im Traum an Heirat gedacht.“ Alicia bemühte sich, sachlich zu argumentieren. Woher sie dazu die Kraft nahm, wusste sie selbst nicht. „Weshalb, um alles in der Welt, willst du dich ausgerechnet jetzt in eine Ehe stürzen, da deine Firma sich in einer schwierigen Aufbauphase befindet und deine finanzielle Lage angespannt ist?“

„Ich hatte keine Ahnung, dass Geld dir so viel bedeutet“, sagte er frostig.

„Das tut es auch nicht!“

Finster betrachtete er ihre geröteten Wangen. „Mir scheint eher, dass Peter dir völlig den Kopf verdreht hat und du nun von einer Karriere als Fotomodell träumst, das ein Vermögen verdient.“

„Wie viele schaffen es in diesem Beruf schon bis an die Spitze?“ Alicia zuckte gleichmütig die Schultern. „Abgesehen davon hat das nichts mit uns beiden zu tun.“

„Und ob! Du überlegst doch bereits, ob du das Baby überhaupt bekommen willst, stimmt’s?“

„Du könntest dich nicht mehr irren.“ Was für eine Unterstellung!

„Warum weigerst du dich dann, mich zu heiraten?“

„Das habe ich dir doch schon gesagt. Weil wir aus den falschen Gründen heiraten würden.“

„Meine finanzielle Lage wird sich schnell wieder bessern, Alicia“, sagte er. „Meine beruflichen Chancen stehen sehr gut, und ich werde bald viel Geld verdienen.“

„Das weiß ich!“ Sie blickte ihn ernst an. „Es geht hier nicht um Geld oder Erfolg, sondern um die Beziehung zwischen dir und mir.“

Dex schien davon keineswegs überzeugt zu sein, schwieg jedoch. Alicia legte das Besteck auf den Teller und schob ihn beiseite. Ihr war nun endgültig der Appetit vergangen.

„Möchtest du lieber etwas anderes bestellen?“, fragte Dex.

Sie schüttelte den Kopf.

„In deinem Zustand solltest du aber mehr essen.“

Alicia lächelte ironisch. „Du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen, Dex. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“

Er gab dem Ober ein Zeichen. „Dann bezahle ich jetzt wohl am besten.“

Alicia hatte das Gefühl, als hätte er sich plötzlich hinter eine unsichtbare Mauer zurückgezogen. Sein Blick war abweisend, seine Miene ausdruckslos. Sie beobachtete, wie er die Rechnung bezahlte und dann das Samtkästchen mit dem Ring einsteckte. „Gehen wir?“

Benommen folgte sie ihm nach draußen.

Es war eine klare, mondhelle Nacht. Das Meer schimmerte silbrig, und die den Strand säumenden Palmen hoben sich dunkel gegen den Horizont ab.

Auf dem Weg zum Auto kamen Dex und Alicia an einem Spielplatz vorbei. Ein junges Paar schaukelte ein kleines Mädchen hin und her, und das fröhliche Lachen der drei war weithin zu hören.

„So könnte es auch bei uns einmal sein“, sagte Dex zu Alicia, nachdem sie ins Auto gestiegen waren. „Aber du willst ja nicht.“

Was hätte sie ihm darauf noch antworten können? Ihr Herz zog sich zusammen.

„Zugegeben, wir lieben uns nicht“, fuhr Dex fort. „Aber wir sind Freunde … verstehen uns gut im Bett …“

„Zu gut“, versuchte sie zu scherzen, obwohl ihr absolut nicht danach zu Mute war.

„Ich möchte unser Baby, Alicia.“

„Das verstehe ich ja“, erwiderte sie leise. Das Problem war, er wollte das Baby mehr als sie. „Was aber ist, wenn dich das Familienleben zu langweilen beginnt? Du hattest doch immer nur sehr kurzfristige Beziehungen zu Frauen, von Clare einmal abgesehen.“

„Es stimmt, dass ich nach Clares Tod eine feste Bindung scheute. Ich wusste ja nicht, wie aufregend es sein würde, Vater zu werden.“

Die Zärtlichkeit, mit der er es sagte, brachte Alicias Entschluss ins Wanken, und als er sie nun in die Arme zog, wehrte sie sich nicht. Seine Lippen fanden ihre in einem langen, leidenschaftlichen Kuss, der Alicia so sehr erregte, dass sie nicht mehr klar denken konnte.

Sie spürte, wie Dex’ Hände streichelnd und liebkosend über ihren Körper glitten. „Heirate mich, Alli“, flüsterte er. „Ich verspreche dir, dich glücklich zu machen. Wir werden fantastischen Sex haben, Geld wie Heu und Kinder, so viel du willst!“

Sie lachte unter Tränen. „Was für ein Antrag! Du bist total verrückt, Dexter!“

„Ist das ein Ja?“ Er löste sich von ihr und sah ihr forschend ins Gesicht. Im Wagen war es jedoch zu dunkel, sodass er nicht erkennen konnte, was sie dachte.

„Ich glaube schon“, gab sie nach.

Wem wolltest du eigentlich etwas vormachen? fragte Alicia sich später daheim mit bitterer Selbstironie. Hatte sie mit ihrem Jawort nicht einfach nur gezögert, weil sie auf das Unmögliche gehofft hatte, nämlich dass Dex ihr letztendlich doch noch seine Liebe gestand?

4. KAPITEL

„Ist er da?“ Maddie McDowell hielt sich nicht lange mit Begrüßungsfloskeln auf, als sie Alicias Büro betrat. Sie sah sehr schick aus in ihrem eleganten zartgelben Kostüm, das einen wirkungsvollen Kontrast zu ihrem dunklen Haar bildete.

„Ja …“

„Gut.“ Ohne sich anmelden zu lassen, steuerte Maddie schnurstracks auf Dex’ Tür zu, drehte sich dann aber nochmals zu Alicia um. „Ach ja, ich wollte Ihnen noch gratulieren.“ Ihr Blick fiel auf den Verlobungsring an Alicias Finger.

„Danke.“

„Natürlich werden Sie es nicht leicht haben.“

Alicia zog die Brauen hoch. „Inwiefern?“

„Nun ja, eine Ehe ist kein Honiglecken. Ich war selbst schon einmal verheiratet und habe höchst schlechte Erfahrungen gemacht.“ Maddie verzog spöttisch die Lippen. „Doch Sie sollten sich von mir alter Zynikerin nicht abschrecken lassen, denn Sie bekommen ja Dex. Ist Ihnen klar, dass jede unverheiratete Frau in der Stadt Sie um ihn beneidet?“

„So?“ Alicia rang sich ein Lächeln ab.

„O ja. Dex sieht nicht nur blendend aus, er hat auch fantastische Zukunftsaussichten. Ich gehe jede Wette ein, dass er mit spätestens fünfunddreißig Millionär sein wird.“

„Vielleicht, vielleicht auch nicht.“ Alicia zuckte gleichmütig die Schultern. „Geld ist nicht alles. Ich heirate Dex, weil ich ihn liebe.“ Wie kam sie dazu, einer Fremden die Wahrheit zu sagen, während sie bei Dex die Worte nicht über die Lippen brachte? Mein Stolz treibt manchmal wirklich seltsame Blüten, dachte sie verwundert.

Maddie lachte. „Was für ein entzückend altmodischer Standpunkt in einer allein vom Geld regierten Welt!“

„Mag sein, dass Sie die Welt so sehen, ich aber nicht“, widersprach Alicia. „Und Dex ebenfalls nicht.“

„Auf die meisten Männer wirken Erfolg und Macht wie ein Aphrodisiakum. Dex ist da keine Ausnahme.“

Alicia runzelte die Stirn.

„Er ist sehr ehrgeizig“, erklärte Maddie. Dann schüttelte sie unvermittelt den Kopf und lächelte schuldbewusst. „Aber ich möchte Ihre Freude nicht mit meiner zynischen Weltsicht trüben. Bitte verzeihen Sie mir. Bestimmt werden Sie mit Dex sehr glücklich werden, und ich bin überzeugt, dass er ein pflichtbewusster Ehemann und guter Vater sein wird.“

Alicia spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Hatte Dex Maddie etwa von ihrer Schwangerschaft erzählt, obwohl sie ihn gebeten hatte, es nicht zu tun?

Maddies Lächeln wurde zuckersüß. „Oh, beinah hätte ich es vergessen.“ Sie öffnete ihre Aktentasche und entnahm ihr ein Blatt Papier. „Hier ist eine Kopie der Liste, die Sie verschusselt haben. Ein wenig achtsamer hätten Sie damit schon umgehen können, zumal Dex Sie kurz zuvor noch in den höchsten Tönen gelobt hatte.“

Woher nimmt diese Frau das Recht, sich hier derart aufzuspielen? dachte Alicia empört, erwiderte jedoch gelassen: „Ich finde es eher merkwürdig, dass die Liste spurlos verschwunden ist. Fast so, als hätte sie jemand an sich genommen.“

„Tatsächlich?“ Maddie zuckte die Schultern. „Dann sollten Sie künftig mehr auf der Hut sein. Man hört neuerdings so viel von Industriespionage.“ Sie verschwand in Dex’ Büro und schloss die Tür hinter sich.

„Oder du wolltest mir eins auswischen“, murmelte Alicia und fragte sich, ob sie allmählich paranoid zu werden begann. Hatte sie vorhin nicht sogar Dex verdächtigt, sein Versprechen gebrochen und Maddie erzählt zu haben, dass sie, Alicia, schwanger sei?

Seufzend blickte sie auf den Bildschirm und versuchte, sich wieder auf ihre Arbeit zu konzentrieren.

Eine Stunde später kam Maddie mit Dex aus seinem Büro.

„Dann sind wir uns also über die Zahlen einig?“, fragte er.

„Ja“, bestätigte Maddie und blickte lächelnd zu ihm auf. „Alles Weitere besprechen wir morgen beim Lunch.“

„Gut.“

Maddie legte einen Stoß Papiere auf Alicias Schreibtisch. „Seien Sie so nett, meine Liebe, und machen Sie mir von allem eine Kopie“, sagte sie und ging zur Tür, wo sie sich nochmals umdrehte. „Und gehen Sie bitte sorgsam damit um, damit nicht wieder etwas verschwindet.“

„Ich werde mich bemühen“, erwiderte Alicia mit zusammengebissenen Zähnen.

„Wunderbar. Ich hole mir die Sachen morgen ab.“

„Für wen hält sie sich eigentlich?“, schimpfte Alicia, sobald sich die Tür hinter Maddie geschlossen hatte.

„Es sind doch nur ein paar Kopien“, versuchte Dex sie zu beschwichtigen.

„Es passt mir nicht, dass sie tut, als wäre sie meine Chefin!“

„Okay, ich habe verstanden.“ Einen Moment lang drückte Dex’ Miene Unbehagen aus. Dann beugte er sich vor und blickte auf den Bildschirm. „Tippst du die Liste, die sie dir gegeben hat, in den Computer ein?“

„Schon erledigt“, erwiderte Alicia schroff. „Da wir gerade davon sprechen. Ich finde das Verschwinden dieser Liste höchst merkwürdig.“

„Ja, aber lass uns nicht wieder davon anfangen.“ Er klopfte auf den Stoß Papiere, den Maddie auf den Schreibtisch gelegt hatte. „Könntest du mir diese Angaben alle auf einer Diskette speichern?“

„Mach ich.“

„Prima.“ Er bedankte sich mit einem Lächeln und ging zurück in sein Büro. Als er das nächste Mal herauskam, hatte Alicia inzwischen alle Aufträge erledigt.

„Habe ich dir schon jemals gesagt, wie unentbehrlich du für mich geworden bist?“, fragte er, während er beobachtete, wie sie die Diskette beschriftete und dann aufstand, um sie abzulegen.

Näher werde ich einer Liebeserklärung wohl nicht kommen, dachte Alicia trocken. „Kann ich das schriftlich haben?“

Er lachte. „Lieber nicht, sonst verlangst du gleich eine Gehaltserhöhung.“

„Du hast mich durchschaut.“

Bewundernd ließ er den Blick über sie schweifen, als sie sich über den Ablagekasten beugte. Sie trug ein türkisfarbenes Kleid, das ihre schlanke Figur umschmeichelte, und über die Schulter baumelte ihr der dicke blonde Zopf, zu dem sie ihr Haar heute geflochten hatte.

„Klar, aber ich lasse mit mir handeln“, sagte Dex sanft.

„Dann schlage ich vor, die Verhandlung auf heute Abend zu verschieben“, sagte sie und drehte sich zu ihm um. „Ich lade dich zu mir zum Essen ein.“

Er zögerte. „Ich würde gern kommen, aber ich … muss leider zu einem Geschäftsessen.“

„Und hinterher?“

Er runzelte die Stirn. „Da würde ich lieber gleich ins Bett gehen, da ich morgen früh bereits wieder eine Verabredung habe.“

Sie nickte und tat, als würde es ihr nichts ausmachen, was jedoch nicht stimmte. Seit sie ihm gesagt hatte, dass sie schwanger sei, hatten sie nicht mehr miteinander geschlafen. Zwei Wochen war das nun schon her, und sie sehnte sich danach, wieder einmal eine Nacht in seinen Armen zu verbringen.

Sie ging zu ihrem Schreibtisch zurück. „Dex, hast du Maddie etwa erzählt, dass ich ein Kind bekomme?“, fragte sie in beiläufigem Ton.

„Nein! Wie kommst du darauf?“

„Ach, ich hatte nur plötzlich das Gefühl, als würde sie es wissen.“

„Ganz sicher nicht von mir!“

Alicia runzelte die Stirn und blickte an sich hinunter. „Oder sieht man es mir schon an?“

„Aber nein.“ Lächelnd zog er sie in die Arme und küsste sie zärtlich. „Du siehst zum Anbeißen aus.“

„Findest du?“ Alicia schmiegte sich an ihn. Ihr Ärger war verflogen.

„Ja, und ich kann es kaum mehr erwarten, bis du endlich meine Frau wirst.“

„O Dex!“ Sie begann plötzlich zu weinen.

„Was hast du?“ Betroffen sah er sie an, suchte nach einem Taschentuch und tupfte ihr sanft die Tränen ab. „Warum weinst du?“

„Wenn ich das wüsste.“ Sie blickte zu ihm auf und lächelte unter Tränen. „Neuerdings spielen meine Hormone völlig verrückt“, jammerte sie. „Ich habe mich noch nie so … so verwundbar gefühlt wie jetzt.“

Er drückte sie fest an sich. „Alles wird gut werden.“

Zwar fühlte sie sich schon wieder besser, aber ein Hauch von Unsicherheit blieb. Wie sollte alles gut werden, da er sie doch nicht liebte?

„Weißt du was? Schalt deinen Computer aus und den Anrufbeantworter ein. Wir machen heute früher Feierabend. Ich möchte dir nämlich etwas zeigen.“

„Was denn?“

„Es ist eine Überraschung.“

Zwanzig Minuten später fuhren sie auf dem Cook Highway in Richtung Norden. Der Himmel über ihnen war tiefblau, und die saftig grünen Halme der Zuckerrohrfelder entlang der Straße wiegten sich im Wind, der vom Meer her blies.

Dex bog vom Highway auf eine sich kurvenreich zum Meer hinunter windende Landstraße ab und hielt an einer stillen kleinen Bucht.

„Was machen wir hier?“, fragte Alicia beim Aussteigen.

„Rate mal.“

„Jedenfalls ist es ein herrliches Fleckchen Erde.“ Sie blickte auf die weiße Linie der schaumgekrönten Wellen, die den feinen Sandstrand umspülten. Sie schmeckte Salz auf den Lippen und roch den würzigen Duft der das Ufer säumenden Eukalyptusbäume.

„Du schaust in die falsche Richtung“, sagte Dex. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie sanft vom Meer weg.

Hinter ihnen führte ein schmaler Pfad zu einem wunderschönen Haus auf Pfählen. Es hatte eine durchgehende Veranda, weiß gestrichene Wände und leuchtend grüne Fensterläden.

„Was sagst du dazu?“ Dex sah ihr forschend ins Gesicht.

„Ich? Wieso?“

„Weil es uns gehört. Ich habe gestern den Kaufvertrag unterschrieben.“

Alicias Augen weiteten sich.

„Ich musste sofort zugreifen, da es noch einen anderen Interessenten gab. Gefällt es dir nicht?“ Aus seiner Stimme war ein Anflug von Unsicherheit herauszuhören.

„O doch.“ Alicia atmete tief ein. „Aber mir wäre es lieber gewesen, wenn wir es gemeinsam ausgesucht hätten.“

„Es sollte eine Überraschung sein.“ Seine Miene drückte Enttäuschung aus. „Ich dachte, du würdest dich darüber freuen.“

Autor

Betty Neels
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