Königliche Hochzeit in St. Michele (4-teilige Serie)

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KÄMPFE UM DEIN GLÜCK, MARIE-CLAIRE!
Läuten schon bald die Hochzeitsglocken im Königreich St. Michele? Für Prinzessin Marie-Claire geht ein lang gehegter Traum in Erfüllung, als der begehrte Junggeselle und erfolgreiche Unternehmer Sebastian LeMarc um ihre Hand anhält. Doch ihre Freude währt nur kurz: Sebastians Mutter deckt ein dunkles Geheimnis auf, das Schatten auf das Glück des jungen Paares wirft … Sind Sebastians Verbindungen zur königlichen Familie enger, als gedacht? Ist die Liebe zwischen ihm und Marie-Claire gar ein Verbrechen? Verzweifelt kämpft die Prinzessin um ihr Glück...

FOLGE DEINEM HERZEN, ARIANE
Wer will ihrem Land St. Michel die Unabhängigkeit nehmen? Gehört Kronprinz Etienne auch zu den Verschwörern? Heimlich versucht Prinzessin Ariane ihn auszuspionieren - und fühlt sich dabei wider Willen immer mehr zu ihm hingezogen. Doch auch wenn sie schon bald von Etiennes Unschuld überzeugt ist, und er ihr bei einer romantischen Nachtwanderung im Park sein Herz zu Füßen legt: Die Gefahr ist längst noch nicht gebannt. Intrigen und Geheimnisse werfen ihre dunklen Schatten voraus. Ariane muss um ihr junges Glück kämpfen!

EINMAL PRINZESSIN, IMMER PRINZESSIN
Der große Tag ist da! Ganz in Weiß steht Prinzessin Lise von St. Michel vor dem Traualtar und gibt Wilhelm Rodin ihr Jawort. Doch acht Monate später ist der Traum vorbei, denn ein Skandal hat ihre Ehe zerstört … Aber Lise bleibt nicht lange allein. Denn eines Tages bekommt sie in ihrem Rosencottage Besuch: Ausgerechnet Charles, Wilhelms Zwillingsbruder, steht vor ihrer Tür. Behutsam beginnt er Lise zu umwerben. Hat er sie etwa immer schon heimlich geliebt - oder will er nur an ihrer Seite sein, wenn es für das Königreich St. Michel doch noch ein glückliches Ende gibt?

JULIET - KÖNIGIN MEINES HERZENS
Eine schockierende Entdeckung! Luc Dumont, Sicherheitschef von St. Michele, findet heraus, dass er selbst der verschollene Prinz ist, den er seit Monaten gesucht hat! Hilfesuchend wendet er sich an die schüchterne Juliet, die im Palast wohnt: Sie soll ihm die Hofetikette beibringen. Doch während Juliet dem künftigen König die Geheimnisse majestätischen Benimms verrät, bei Tanzstunden in seinen Armen dahinschwebt und ihm ihr Herz öffnet, verlieben sich die beiden Hals über Kopf ineinander! Aber ein Happy End scheint ausgeschlossen: Juliet ist nicht standesgemäß …


  • Erscheinungstag 24.03.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767860
  • Seitenanzahl 640
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Carolyn Zane, Donna Clayton, Carol Grace, Cathie Linz

Königliche Hochzeit in St. Michele (4-teilige Serie)

Carolyn Zane

Kämpfe um dein Glück, Marie-Claire!

IMPRESSUM

JULIA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2002 by Harlequin Books S.A.
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 1833 (20/2) - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Gudrun Bothe

Fotos: RJB Photo Library

Veröffentlicht im ePub Format im 04/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-291-5

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

Prinzessin Marie-Claire de Bergeron versuchte, sich von hinten zwischen ihre beiden Schwestern zu zwängen. Sie war die dritte Tochter von Philippe de Bergeron, König von St. Michele, einem Zwergstaat im Norden Frankreichs. Marie-Claire hielt sich an Lises Schulter fest, um nicht zurückgedrängt zu werden. Sie musste unbedingt eine bessere Sicht auf Sebastian LeMarc haben, den umwerfend attraktiven Playboy und Aristokraten, der zudem noch als Geschäftsmann im Bereich Im- und Export sehr erfolgreich war. In atemloser Faszination starrte sie zu ihm hinüber, als er auf dem Weg zum siebzehnten Loch stehen blieb, um einer kichernden jungen Verehrerin ein Autogramm zu geben.

In St. Michele war Sebastian eine Berühmtheit. Ein ebenso großzügiger Philanthrop wie umschwärmtes Sexsymbol. Eben ein echter Hotty!

„Heiß – hot, hotter, Hotty“, murmelte Marie-Claire, die amerikanische Slangausdrücke ebenso sehr liebte wie amerikanische Filme, Fernsehserien und Cheeseburger.

„Lass los, Marie-Claire!“ Lise, ihre älteste, frisch verheiratete Schwester versuchte, sie abzuschütteln. „Du pustest mir in den Nacken!“

Gutmütig kam Marie-Claire ihrer Aufforderung nach und lehnte sich stattdessen über Arianes Schulter, ohne den attraktiven Golfer aus den Augen zu lassen, der seinem Caddie ein stummes Signal gab.

Überall auf der Welt verfolgten Golfenthusiasten diese Aktion im Sportkanal auf ihren Bildschirmen. Die Sportjournalisten und Kommentatoren in der Pressekabine vor Ort schauten angespannt auf ihre Monitore und schienen plötzlich irritiert zu sein.

„Er nähert sich dem …“ Unterdrücktes Gelächter. „Ups, da scheint es ein kleines Problem auf dem Kurs zu geben. Sebastian LeMarcs Caddie ist offenbar gestürzt.“

„So ist es, Frank. Sieht aus, als dauert es ein Weilchen, ehe es weitergeht.“

„Wie uns eben zu Ohren kommt, soll LeMarcs gewohnter Caddie heute Morgen ziemlich angeschlagen und damit nicht einsatzfähig gewesen sein …“

„Vielleicht hat er den Erfolg des gestrigen Tages etwas zu heftig gefeiert?“, gab sein Kollege zu bedenken. Erneutes Gelächter. Dann hörte man Papier rascheln.

„Rob, du wirst es kaum glauben, wer heute den Ersatzcaddie für LeMarc mimt! Es ist der Sohn des Palastgärtners. Der achtzehnjährige Eduardo Van Groober aus St. Michele. Eduardo gehörte im letzten Jahr zum Golfteam seiner Highschool und hofft, eines Tages ein zweiter Tiger Woods zu werden.“

„Na, dann können wir nur hoffen, dass er gleich wieder fest auf seinen Füßen steht.“

Abermals ertönte Gelächter.

„Ich glaube, er war vorübergehend abgelenkt.“

„Angesichts der drei bezaubernden Königstöchter würde es wohl jedem Caddie so ergehen, befürchte ich.“

Auf dem Bildschirm erschienen plötzlich die Gesichter von Marie-Claire und ihren Schwestern. Marie-Claire beobachtete den armen Eduardo, der mit puterrotem Gesicht versuchte, die Schläger wieder in die Golftasche hineinzubugsieren. Gleichzeitig fahndete er hektisch nach einem passenden Eisen, das er Sebastian anbieten konnte.

Doch der beachtete ihn gar nicht. Er hob einen Schläger vom Boden auf, prüfte ihn kurz und schlenderte gelassen zur Abschlagstelle hinüber.

„Frank, Sebastian LeMarc scheint sich für das siebte Eisen entschieden zu haben. Eine exzellente Wahl, würde ich sagen. Mit seinem kraftvollen Abschlag und seiner Treffsicherheit könnte er mit dem nächsten Schlag das königliche Team in Führung bringen.“

Marie-Claire zappelte vor Aufregung. Als ein gedankenloser Reporter ihr plötzlich die Sicht versperrte, beugte sie sich rasch herab und schob ihren Kopf unter Lises Ellenbogen hindurch, was ihr sogleich eine weitere Rüge von Seiten ihrer Schwester eintrug.

„Hör endlich auf, dich immer vorzudrängeln!“, schimpfte Lise mit gedämpfter Stimme. „Dein Haar ist so elektrisch aufgeladen, dass du aussiehst, als hätte man dir einen Stromschlag verpasst.“

Genauso fühle ich mich auch, dachte Marie-Claire insgeheim, während sie zwischen den langen Beinen des Reporters hindurchspähte und atemlos verfolgte, wie ihr heimlicher Held ein paar Übungsschwünge vollführte.

„Autsch! Was, um alles in der Welt machst du da unten?“, wollte Ariane wissen, als sich Marie-Claire auf ihre Fußspitze kniete.

„Ich versuche ihn zu sehen!“

Ihn?“ Ariane schnalzte mit der Zunge. „Liebes Kind, dieser Sebastian LeMarc muss mindestens achtundzwanzig oder neunundzwanzig Jahre alt sein.“

„Zweiunddreißig.“

Mon Dieu! Du bist doch viel zu jung für ihn!“

„Bin ich nicht!“

„Und ob du das bist! Schau dich doch nur an, gerade jetzt, in diesem Augenblick.“

„Aber ich bin ihm doch schon einmal aufgefallen …“

Ihre beiden Schwestern wechselten einen beziehungsvollen Blick. „Wann?“

Marie-Claire überlegte kurz, ob sie ihr Geheimnis wahren sollte, doch die zweifelnden Gesichter über ihr zwangen sie förmlich zu einem Geständnis. „Als ich sechzehn war, hatten wir eine … Begegnung.“

„Eine Begegnung …?“, echote Lise.

„Mit sechzehn?“, hakte Ariane ungläubig nach. „Du träumst wohl!“

„Nein! Er erinnert sich ganz sicher an mich!“

„Was für eine Art Begegnung war denn das? Hast du ihn vielleicht während deiner Führerscheinprüfung über den Haufen gefahren?“

Ariane und Lise steckten die hübschen Köpfe zusammen und prusteten los. Marie-Claire richtete sich langsam auf und maß die beiden aus blitzenden Augen. Gereizt versuchte sie, ihre ungebärdige Haarmähne mit den Fingern zu glätten.

Er weiß, wer ich bin. Das könnte ich schwören.“

Er kennt jeden von Papas Sprösslingen, Liebes“, neckte Ariane sie.

„Das meine ich nicht. Zwischen uns ist eine ganz besondere Verbindung. Ihr würdet das nicht verstehen.“

„Marie-Claire! Du bist eine unverbesserliche Träumerin!“

„Das mag sein, trotzdem habe ich in seinem Herzen einen ganz besonderen Platz …“ Versonnen schaute sie zu Sebastian hinüber, der sich genau in diesem Moment umdrehte, ihren Blick einfing und ihr vertraulich zublinzelte.

„Habt ihr das gesehen?“ Marie-Claire quiekte fast vor Aufregung. „Er hat mir ein Zeichen gegeben! Na, was habe ich euch gesagt?“

Lise krauste ihre zierliche Nase. „Unsinn, wahrscheinlich hat ihn nur die Sonne geblendet.“

„Die Sonne ist hinter seinem Kopf!“

Das musste ihre Schwester zugeben. „Dann hat er eben allen schönen Mädchen von St. Michele zugeblinzelt. Siehst du, jetzt gibt er Eduardo ein Zeichen.“

„Und wenn mich nicht alles täuscht, versucht der gerade, dich auf sich aufmerksam zu machen, Marie-Claire“, stellte Ariane lachend fest. „Himmel! Bestimmt ist er in dich verliebt!“

„Hör auf damit!“

Aber Ariane dachte gar nicht daran. „Marie-Claire Van Groober … Das hört sich doch toll an, findet ihr nicht?“ Lise und sie wollten sich ausschütteln vor Lachen, während Marie-Claire sich Mühe gab, ihre unromantischen großen Schwestern zu ignorieren.

Sebastian … LeMarc.

Marie-Claire LeMarc. Vor ihrem inneren Auge fügte sie die Lettern ihrem Vornamen hinzu. Fünf lange Jahre hatte sie in ihrer Fantasie den Part von Sebastians zukünftiger Ehefrau gespielt. Dem Vater ihrer noch zu gebärenden Kinder – drei Söhne und eine wunderschöne Tochter …

Ach, wenn er sie doch nur noch einmal so anschauen würde wie damals … in jener Nacht. Marie-Claire errötete unwillkürlich, als die Erinnerungen daran in ihr hochstiegen. Oh ja, sie war sich sicher, dass Sebastian sich an sie erinnerte …

Das musste einfach so sein!

Während Sebastian die Spielbahn, das Fairway, begutachtete, betrachtete Marie-Claire versonnen seinen gut geschnittenen Mund mit der geschwungenen Oberlippe, die den Anschein eines ständigen, leicht amüsierten Lächelns vermittelte. Ihr entgingen auch nicht die kleinen, etwas zynischen Falten neben den Mundwinkeln, die Sebastian noch aufregender und charmanter aussehen ließen, als es ohnehin schon der Fall war.

Und dann dieses dichte braune Haar mit einem leisen Hauch von Silber an den Schläfen. Dazu das feste Kinn und die mitternachtsblauen Augen mit ihrem herausfordernden Blick unter den dichten dunklen Wimpern …

Um Marie-Claire herum versuchte nahezu jede Frau, auf die eine oder andere Weise die Aufmerksamkeit des attraktiven Sportlers zu erregen. Ihre Schwestern hatten recht. Sebastian konnte sie gar nicht bemerken. Wie denn auch? Er war ein erfahrener, umschwärmter Mann. Und sie? Obwohl sie inzwischen bereits einundzwanzig war, konnte man sie wohl als einen überbehüteten Spätentwickler bezeichnen. Es war aber auch wirklich schwer, sich unter ständiger Überwachung durch Kameras und mit Bodyguards im Schlepptau zu einer unabhängigen, welterfahrenen Frau zu entwickeln.

Wildblumen brauchten Luft zum Atmen. Licht …

Sebastian ging in die Hocke und betrachtete gedankenvoll den Golfschläger in seiner Hand. Dann nickte er kurz und gab noch einen letzten gemurmelten Kommentar in Richtung König Philippes ab, ehe er sich hinabbeugte, um sein Golf-Tee in den Rasen zu stecken und den Ball daraufzulegen. Sorgfältig positionierte er seine Füße rechts und links der Abschlagstelle und schaute über das Fairway.

Himmel, war das aufregend! Ganz sicher würde Sebastian dem Team ihres Vaters zum Sieg verhelfen!

Atemlos vor Spannung beugte Marie-Claire sich vor und brachte damit fast Ariane aus der Balance.

Sebastian legte die Finger um den Griff seines Golfschlägers und vollführte einen Probeschwung. Über das atemlose Schweigen der angespannten Zuschauerschar hinweg ertönte plötzlich ein lautes: „Los, Sebastian!“

Zu ihrem Entsetzen musste Marie-Claire feststellen, dass sie selbst es gewesen war, die das geschrien hatte. Am liebsten wäre sie auf der Stelle im Boden versunken. Alle starrten sie an. König Philippe rollte entnervt mit den Augen. Einzig und allein Eduardo schenkte ihr ein breites Grinsen und hob die Daumen zum Siegeszeichen.

Das nervöse Gekicher ihrer Schwestern sprach von dem Schock, den sie soeben erlitten hatten. Lise knuffte ihre jüngere Schwester in die Seite. „Hast du den Verstand verloren?“

„Kein Wunder, dass du ihm aufgefallen bist!“, zischte sie leise. „Du bist eine Irre!“

Ungeachtet der Störung brachte Sebastian LeMarc es fertig, den perfekten Schlag zu landen. Der Golfball beschrieb einen hohen Bogen und kam in der Nähe der Fahne auf. Die Menschenmenge tobte vor Begeisterung. Mit breitem Lächeln schüttelten sich König Philippe und Sebastian die Hände. Sie taten es in vorgezogener Siegerpose und in Kopfhöhe, vor eifrigen Journalisten und klickenden Kameras.

Marie-Claire, die immer noch wie erstarrt dastand, fühlte plötzlich Sebastians Blick auf sich ruhen, und dann blinzelte er ihr zum zweiten Mal an diesem Tag zu. Rasch presste sie ihre Hände auf die glühenden Wangen und lächelte. Ihre Blicke versanken ineinander, wie es schon einmal, vor vielen Jahren, geschehen war …

Um Marie-Claire mischten sich Lärm und Farben zu einem wirren Kaleidoskop. Die Realität versank, und die Welt schien sich plötzlich andersherum zu drehen. Alles lief wie in Zeitlupe ab, nur ihr Herz schlug in einem wilden Stakkato.

Das Sonnenlicht zauberte goldene Funken auf Sebastians dunkles Haar. Er senkte leicht den Kopf, hob eine Braue und warf Marie-Claire einen beziehungsvollen Blick zu, in dem tausend unausgesprochene Fragen lagen, so dass sie sich plötzlich ganz sicher war …

Er hatte ihre Begegnung nicht vergessen.

Nachdem das Golfturnier beendet war, beeilten sich die Zuschauer, nach Hause zu kommen, um sich auf die Siegesfeier vorzubereiten, die abends im königlichen Palast stattfinden sollte. Der Ansturm in Richtung Clubhaus und des Parkplatzes war so heftig, dass ein Verkehrskollaps kaum ausbleiben konnte. Überall ertönten ungeduldige Rufe und Autohupen, doch das schien den Freudentaumel über den Sieg nur noch zu verstärken.

Sebastian beobachtete seinen schlaksigen, rotschopfigen Caddie, der völlig gedankenverloren hinter Marie-Claire her starrte. Auf seinem sommersprossigen Gesicht lag der schmerzvolle Ausdruck unerwiderter Liebe.

Sebastian kannte das Gefühl. Schmachtete er nicht selbst bereits seit ewigen Zeiten die umwerfende Marie-Claire de Bergeron an? Und damit war er in der Gesellschaft der meisten männlichen Bewohner von St. Michele.

Aber das würde er umgehend ändern. Noch heute Abend.

Jetzt war sie einundzwanzig und damit endlich erwachsen. Und Sebastian hatte durchaus Grund zu Annahme, dass sein Interesse erwidert wurde – zumindest hoffte er es! Marie-Claire war eine erstaunliche junge Frau. Voller Vitalität, und ihr Inneres war ebenso schön wie ihr bezauberndes Äußeres.

Und offensichtlich war Eduardo mit ihm tatsächlich einer Meinung.

„Sie ist schon etwas Besonderes, was, mein Freund?“, sagte Sebastian leise und gab seinem Caddie einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken.

„Oh, ja, Sir!“, entfuhr es Eduardo spontan. „Ich meine, nein, ich bin nicht … ich könnte nie …“ Nur mit Mühe riss er seinen Blick von der schwindenden Marie-Claire los. „Waren Sie jemals verliebt, Sir?“

Sebastian nahm dem schmächtigen Jungen die schwere Golftasche ab und schulterte sie ohne sichtbare Anstrengung. „Ja.“

„Und was ist daraus geworden?“

„Nichts.“ Er schaute suchend in die Menschenmenge. „Noch nichts.“

Von ihrer Suite aus, die hinter den offiziellen Räumen des Königs lag, konnte Marie-Claire die gedämpften Geräusche der Siegesparty hören, die unten im großen Kristallsaal stattfand. Sie drückte ihre Nase gegen das Balkonfenster, um so die Scheinwerferkegel der ankommenden Limousinen besser sehen zu können, die in unaufhörlicher Reihe die geschwungene Schlossauffahrt heraufkamen.

Zum ungezählten Mal fragte sie sich, wann er endlich kommen würde. Wenn möglich reckte sie sich noch weiter vor, um so früh wie möglich Sebastians schnittigen Jaguar ausmachen zu können. Plötzlich glaubte sie ihn zwischen den bereits geparkten Wagen erspäht zu haben, die den privaten Gästen der königlichen Familie gehörten.

Kein Zweifel – er war bereits unten zwischen den zwölf- bis fünfzehnhundert Gästen. Doch für Marie-Claire zählte nur einer.

Sebastian LeMarc.

Aufgeregt und voller Erwartung öffnete sie das Fenster und sog tief die laue Abendluft ein. Gedämpfte Tanzmusik schallte aus der unteren Etage zu ihr herauf. Jedes Fenster des Palasts war erleuchtet, und auch die Parkanlagen innerhalb der hohen Schlossmauern waren festlich illuminiert, was im Laufe des Abends unweigerlich romantisch veranlagte Spaziergänger oder heimliche Liebespärchen anziehen würde.

Für Anfang September war es ungewöhnlich warm, fast schwül. Die Luft schien vor Elektrizität zu vibrieren, so als lauerten irgendwo versteckt dunkle Gewitterwolken, die nur darauf warteten, die Regie für den weiteren Wetterverlauf zu übernehmen. Der aufziehende Sturm, den sie verhießen, konnte nicht heftiger sein als jener in Marie-Claires Brust.

Beide Hände auf die geschnitzte, mit Ornamenten verzierte Fensterbank gestützt, beobachtete sie fasziniert den nicht enden wollenden Strom der Gäste. Nur zögernd riss sie sich los und wirbelte in wilden Pirouetten zum hohen Spiegel hinüber, um den Fall ihres Abendkleides zu bewundern und ihr Make-up ein letztes Mal zu überprüfen. Nach einer atemlosen Inspektion zwinkerte sie sich selbst aufmunternd zu und entschied, dass sie so gut vorbereitet war, wie sie es nur sein konnte.

Dann verließ sie rasch ihr Zimmer und machte sich auf die Suche nach ihren Schwestern. Sie fand beide in Lises Suite, wo Ariane ihrer Schwester gerade dabei half, ein funkelndes Collier aus Platin und Gold, gespickt mit Diamanten, anzulegen. Ohne Zweifel ein Geschenk von Fernand Rodin, der seit knapp einem Monat Lises Ehemann war. Das äußere Erscheinungsbild war für Fernand ungeheuer wichtig.

„Na, wie sehe ich aus?“

Beide Schwestern wandten sich ihr zu und nahmen Marie-Claire kritisch, aber liebevoll in Augenschein.

„Du wirkst heute Abend direkt erwachsen“, stellte Ariane fest. „Beabsichtigst du etwa, Sebastian in einem schwachen Moment zu überfallen, ihm eins über den Schädel zu geben und an den Haaren in deine Höhle zu schleppen?“

„Genau das habe ich vor“, erklärte Marie-Claire mit breitem Grinsen. „Noch irgendwelche schwesterlichen Tipps?“

„Oh, ja!“, sagte Lise in nüchternem Ton. „Halte dich lieber von den Männern fern.“

„Und das sagt eine frisch verheiratete Frau!“, empörte sich ihre kleine Schwester.

„Fernand und ich waren nie ein Liebespaar, wie du weißt.“

„Aber ich dachte, ihr wärt zumindest gute Freunde.“

Lise zuckte mit den Schultern. „Sagt man nicht, dass selbst für Liebende das erste Ehejahr das schwierigste ist? Für Freunde, wenn man das überhaupt so bezeichnen kann, ist es offenbar noch viel weniger … anregend.“

Marie-Claire empfand heißes Mitleid für ihre Schwester. Sie selbst konnte sich niemals vorstellen, eine Vernunftehe einzugehen. Zum Glück hatte ihr Vater nicht sie dazu ausersehen, auf diese Weise die Beziehungen zum benachbarten Vallonien zu verbessern und zu festigen. Fernand war zwar ausgesprochen weltgewandt und charmant, aber in seinen dunklen Augen lag kein Funken Wärme.

Und schon gar nichts von dem herausfordernden Funkeln in Sebastians Augen. Spontan beschloss sie, sich ein anderes Mal Gedanken über Lises problematische Ehe zu machen. Heute hatte sie eine Verabredung mit dem Schicksal …

„Und was ist mit dir, Schwesterherz?“, wandte sie sich in leichtem Ton an Ariane. „Noch irgendwelche Vorschläge, um mich in meiner Mission zu unterstützen?“

Ariane seufzte. „Ganz offen gesagt …? Bleib auf dem Teppich, pass auf, dass deine Frisur sich nicht auflöst, und achte vor allem darauf, dass du keinen Spinat zwischen den Zähnen hast – wenn du überhaupt essen musst. Sprich nur, wenn du gefragt wirst, und lass dir unter keinen Umständen anmerken, dass du verliebt bist. Spiel die Unnahbare, Männer mögen das.“

Marie-Claire runzelte die glatte Stirn. War das wirklich so?

Als Nüchternste und Bodenständigste unter den drei Schwestern hatte Ariane noch nie besonderes Verständnis für unsinnige Träumereien und Spleens aufgebracht. Doch Marie-Claire war ein Freigeist und hatte genug gehört.

„Mir reicht es. Ich gehe.“

„Aber wir sind noch nicht fertig!“, protestierte Lise.

„Und?“

„Du hast doch wohl nicht vor, ganz allein die Treppe hinunterzuschreiten?“

Marie-Claire stöhnte melodramatisch auf. „Lise! Wir leben in einem neuen Jahrtausend! Da gelten auch neue Regeln.“ Rasch lief sie auf die Doppeltür zu, stieß sie auf und wirbelte noch einmal zu ihren Schwestern herum. „Beeilt euch lieber, sonst verpasst ihr noch den besten Teil der Party.“

Als Sebastian LeMarc Marie-Claire die großzügige Treppe zu dem prächtigen Kristallsaal herabkommen sah, der seinen Namen den einzigartigen australischen Kristallkandelabern verdankte, fühlte er sich um Jahre zurückversetzt …

Seine Augen trafen ihre, und als ihre Blicke ineinander versanken, spürte er ein heftiges Ziehen in seinen Lenden. So wie jedes Mal, wenn er Marie-Claire in den letzten fünf Jahren zu Gesicht bekommen hatte.

Es war eine Nacht wie diese gewesen …

Auch damals war es Anfang September gewesen. Die Luft war schwül, am Horizont ballten sich drohend dunkle Gewitterwolken zusammen. Immer häufiger ertönte aus der Ferne ein warnendes Grummeln. Das Laub der Bäume hatte begonnen, sich zu einer Symphonie in Gold-, Ocker-, Rost- und dunklen Rottönen zu verwandeln.

Es war die Stunde vor dem Sonnenuntergang gewesen, die das ganze Land in ein unwirkliches Licht tauchte, die ersten Regentropfen auf den Blättern und Zweigen wie glitzernde Diamanten funkeln ließ, so dass der dichte Waldgürtel es mit jeder Piratenschatztruhe hätte aufnehmen können.

Er war mit Freunden auf einem Ausritt gewesen, als er bei diesem erstaunlichen Anblick spontan sein Pferd zügelte, um das einmalige Naturschauspiel näher in Augenschein zu nehmen. Seine Begleiter, Angehörige des Königshauses und ausländische Würdenträger, waren so tief in ihre politischen Diskussionen verstrickt, dass sie es nicht einmal bemerkten, als er zurückblieb.

Sebastian richtete sich in seinen Steigbügeln auf und schaute um sich. Irgendetwas Irritierendes, Geheimnisvolles lag in der Luft. Aber was?

Er konnte sich seine erwartungsvolle Unruhe nicht erklären. Vielleicht hatte es mit dem Wechsel der Jahreszeiten zu tun? Die Melancholie, die darin lag, dem Sommer Adieu zu sagen und sich auf die kalten Monate vor dem Kamin einzurichten.

Unvermittelt überfiel ihn der Gedanke, dass er in knapp drei Jahren bereits dreißig wurde. Ein Alter, in dem die meisten Menschen sich in einer festen Beziehung befanden oder sie zumindest anstrebten. Eine Heirat. Eine Familie. Einen Erben.

Eine ganze Weile blieb Sebastian bewegungslos auf seinem Pferd sitzen und dachte über seine Zukunft nach, während die Sonne langsam hinter der Hügelkette versank und die Schatten immer länger wurden. Und dann, gerade als er seinen vorausgerittenen Begleitern in Richtung der königlichen Stallungen folgen wollte, schoss aus einem der Stalltore an der Seite ein heller Blitz hervor. Mit einer Art Kriegsschrei flog der wilde Reiter über die Weide und stürmte auf den dunklen Waldgürtel zu.

Sebastian blinzelte gegen die untergehende Sonne. Wo konnte ein Stallbursche um diese Zeit hinwollen? Und dann noch in diesem mörderischen Tempo? Das konnte nichts Gutes bedeuten.

Entschlossen riss er sein Pferd herum und setzte dem flüchtigen Reiter nach. Er war sich ganz sicher, dass König Philippe solche Eskapaden nicht schätzte. Der sicherste Weg, ein gutes Pferd zu ruinieren, war der, es in diesem unsinnigen Tempo in die heraufziehende Dunkelheit zu hetzen.

Der Wind pfiff um seine Ohren, als Sebastian dem unvernünftigen Jungen über den geschwungenen Hügel zum Wald folgte, in dem es laut Volksmund noch Feuer speiende Drachen, verwunschene Prinzessinnen und allerlei Kobolde geben sollte. Nun, derartige Schauermärchen waren nichts für Sebastian, aber wenn es ihm endlich gelang, den wilden Reiter einzuholen, würde er ganz sicher selbst Feuer speien.

Im Wald zwischen den dichten Bäumen kam er nicht mehr so schnell voran. Sebastian konnte Ross und Reiter vor sich durchs Unterholz brechen hören, aber niedrig hängende Zweige versperrten ihm die Sicht. Dann vernahm er das gedämpfte Rauschen eines Wasserfalls und wusste plötzlich, wo er sich befand. In der Nähe der königlichen Fischgewässer.

Also verfolgte er einen Wilderer! Einen gerissenen Knaben, der seiner arbeitsscheuen Familie auf illegalem Weg ein nahrhaftes Abendessen verschaffen wollte. Na warte, Bürschchen! dachte Sebastian. Kurz vor der Lichtung stieg er von seinem Pferd, band es an einen Baum und pirschte sich im Schutz des dichten Blätterwerks näher an den Teich heran.

Im Hintergrund rollte der Donner, warme Regentropfen rannen über sein Haar und seine Hände. Vorsichtig bog Sebastian einen Ast zur Seite … und erstarrte.

Das war definitiv kein Junge, der da auf dem Felsen unterhalb des Wasserfalls stand und im Begriff stand, sich der Kleidung zu entledigen. Oh, nein! Es war eine junge Frau!

Ihr Pferd graste friedlich im Hintergrund, als würde es bereits den ganzen Tag schon dort stehen. Die Fremde stand so, dass sie die untergehende Sonne verdeckte, und als sie sich bewegte, sah es so aus, als umgebe sie ein Strahlenkranz. Das Ganze wirkte irgendwie gespenstisch.

Sebastian brachte es nicht über sich, den Blick abzuwenden. Nicht, als sie die Knöpfe ihrer Bluse öffnete und sie aus dem Bund ihrer Jeans zog, und auch nicht, als sie den Reißverschluss ihrer Hose öffnete und die Jeans über die Hüften herabzog. Mit ungeduldigem Schwung wurde das Kleidungsstück ans Ufer geworfen, die Bluse folgte auf dem Fuß.

Die winzigen Dessous, die sie jetzt noch trug, ließen seiner Fantasie nicht viel Raum. Sebastians Atem kam in kurzen, abgehackten Stößen. Wer war diese Frau? Auf keinen Fall gehörte sie zum Stallpersonal, denn dort gab es keine weiblichen Angestellten.

Ihr Körper war schlank und grazil, die Taille schmal, die Hüften sanft gerundet und die gut proportionierten, muskulösen Schenkel verdankte sie offensichtlich einem jahrelangen Reittraining. Das blonde schulterlange Haar sah etwas unordentlich aus und glänzte in den letzten Sonnenstrahlen wie flüssiges Gold.

Sebastians Mund wurde trocken. Er wusste, dass er hier eigentlich nicht stehen und sie in dieser Art anstarren durfte, da sie sich sicher allein wähnte, aber er brachte es nicht fertig, sich zurückzuziehen. Andererseits hatte diese fremde Schönheit hier nichts zu suchen. Und sicher war es hier für sie auch nicht … so allein im Wald.

Also beschloss er, ruhig abzuwarten, ob die verwunschene Nixe nicht vielleicht doch noch seine Hilfe brauchte.

Atemlos beobachtete Sebastian, wie sie zur Felskante trat und auf die dunkle Wasseroberfläche zu ihren Füßen starrte. Wie in Zeitlupe ging sie langsam in die Hocke, schnellte dann kraftvoll hoch und benutzte so den Felsen als Startblock. Sie landete mit einem Kopfsprung weit im Wasser und tauchte fast spritzerfrei ein. Um ein Haar hätte Sebastian applaudiert. Der Sprung war nahezu perfekt gewesen.

Zischend stieß er den Atem aus und fühlte sich, als habe er selbst gerade auf dem Golfplatz ein Hole-in-One, ein Ass, geschlagen. Als die Wasseroberfläche sich langsam glättete, aber der blonde Schopf nirgendwo zu sehen war, krümmte sich Sebastians Magen zusammen. Wo war das Zauberwesen geblieben? Sie hätte längst aufgetaucht sein müssen!

Unbewusst trat aus seiner Deckung hervor. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er noch einige Sekunden das dunkle Wasser ab. Nichts! Sie war in Schwierigkeiten! Vielleicht war sie mit dem Kopf auf einen Felsen geschlagen oder mit dem Haar an irgendeinem Hindernis unter Wasser hängen geblieben?

Gerade als Sebastian das Ufer erreichte, stieß sie am anderen Ende des Teiches prustend durch die glatte Oberfläche und erschreckte ihn damit fast zu Tode. Perlendes Gelächter klang in seinen Ohren, während er wie hypnotisiert zusah, wie sie einen winzigen nassen Slip und ebenso feuchten BH hoch über dem Kopf wie eine Trophäe schwenkte.

Sebastian konnte sie einfach nur anstarren. Sein Herz überschlug sich fast, während er überlegte, ob er die unvernünftige Schöne wegen ihres Leichtsinns übers Knie legen oder sie vor Erleichterung küssen sollte.

Küssen, entschied er spontan. Sie war so schön, so faszinierend …

In seinem gewohnten Umfeld hatte Sebastian es hauptsächlich mit aufgetakelten Plastikschönheiten zu tun, deren einziges Ziel es war, sich einen reichen Mann zu angeln. Die Frauen der so genannten guten Gesellschaft waren in seinen Augen häufig schrecklich dumm und nervtötend.

Doch diese Frau war anders, das erkannte er auf einen Blick. Ihre völlige Unbefangenheit bezauberte ihn, und er ertappte sich dabei, dass er sich wünschte, mehr über sie zu erfahren. Ob sie eine Bürgerliche war? Und wenn ja, wer war ihr Vater? Ob er hier im Schloss arbeitete?

Was, wenn sie bereits vergeben war? So, wie sie sich benahm, konnte sie wohl kaum eine respektable Ehefrau sein, oder doch? Ihr zarter Körper und die selbstbewusste Unbekümmertheit verrieten ihre Jugend. Sebastian schätzte sie nicht älter als zwanzig. Allerhöchstens zweiundzwanzig.

Passt doch ausgezeichnet zu siebenundzwanzig, stellte er zufrieden fest.

Die schöne Wassernixe schien ihn immer noch nicht bemerkt zu haben, und während Sebastian sie weiter beobachtete, fühlte er seine Lethargie und Melancholie endgültig schwinden. Es war etwas Geheimnisvolles um diese junge Frau. Himmel, wie lange war es her, dass er sich mit derartig lächerlichen, romantischen Gedanken beschäftigt hatte? Träumereien von der wahren, großen Liebe …

Sein Herz klopfte zum Zerspringen, das Blut rauschte heftig durch seine Adern. Sie stand jetzt mit dem Rücken zu ihm im hüfthohen Wasser auf der anderen Seite des Teiches. Das nasse Haar schmiegte sich wie ein goldenes Flies an ihre nackten Schultern. Anmutig hob sie die Hände, strich sich einige feuchte Strähnen aus dem Gesicht und lockerte das Haar im Nacken auf.

Und dann, als hätte sie ganz plötzlich gespürt, dass sie nicht mehr allein war, drehte sie sich zu ihm um. Die Arme hielt sie über der nackten Brust verschränkt, und während sie mit den Augen das gegenüberliegende Ufer absuchte, sank sie langsam bis zu den Schultern in das dunkle Wasser ein.

„Wer ist da?“, fragte sie in energischem Ton.

Sebastian trat noch einen Schritt vor, und ihre Blicke versanken sekundenlang ineinander, ehe er sich räusperte und zum Sprechen ansetzte.

„Ich könnte Ihnen die gleiche Frage stellen“, sagte er gedehnt. „Dies ist der Privatbesitz seiner königlichen Hoheit, König Philippe de Bergeron. Sie haben gleich mehrere Straftaten begangen, indem Sie erst eines seiner Pferde gestohlen haben und dann auch noch nach Einbruch der Dunkelheit in seinem Fischgewässer baden.“

Die Fremde schien von seiner Tirade wenig beeindruckt zu sein. Sie lächelte. „Vor dem König habe ich keine Angst.“

„Na, vielleicht kann ich Sie ja dazu bringen, wenigstens vor mir Angst zu haben.“

„Ah, glauben Sie? Und wer, wenn ich fragen darf, sind Sie?“

„Sebastian LeMarc, ein Freund der königlichen Familie und, wenn es sein muss, Sittenwächter auf dem königlichen Privatbesitz. Darf ich jetzt Ihren Namen erfahren?“

Die junge Frau warf belustigt den Kopf zurück und lachte kehlig auf. „Vielleicht solltest du einfach zu mir ins Wasser kommen, um dich ein wenig abzukühlen, Sebastian Le-Marc“, sagte sie spöttisch.

Er versteifte sich. Was, zum Teufel, bildete sich dieses freche Ding ein? „Wenn es notwendig sein sollte, werde ich das auch tun.“

Sie kicherte vergnügt. „Lass dich nicht abhalten. Na los, du Feigling, das Wasser ist wunderbar!“ Spielerisch schlug sie mit den Händen auf die Wasseroberfläche, so dass sie von einem goldenen Tropfenregen umgeben war.

Gegen seinen Willen musste jetzt auch Sebastian lächeln. Was sollte man nur mit so einem fröhlich unverschämten Wesen anfangen?

„Haben Ihre Eltern Sie nie davor gewarnt, dass es gefährlich sein könnte, unbekleidet mit einem Fremden zu schäkern?“

Wieder lachte sie laut auf. „Aber du bist doch kein Fremder.“

„Sie kennen von mir nur meinen Namen.“

„Ich weiß zum Beispiel, dass mein Vater dir vertraut.“

„Und wer, bitte schön, ist Ihr Vater?“

„Weißt du das wirklich nicht?“

„Würde ich dann fragen?“

„Ich bin die dritte Tochter von Philippe de Bergeron, König von St. Michele und Besitzer dieses Fischteiches“, verkündete das Zauberwesen spöttisch.

Sebastian starrte sie mit offenem Mund an. Das war unmöglich! Marie-Claire de Bergeron war noch ein Kind. Er durchforschte sein Hirn, um ihr Alter einschätzen zu können, doch sie konnte seiner Meinung nach kaum älter als zwölf oder dreizehn sein. Er hatte den Töchtern des Königs nie große Beachtung geschenkt. Während seiner Aufenthalte im Schloss schienen sie sich eher mit Puppen oder Skateboards als mit Staatsangelegenheiten beschäftigt zu haben.

Mit trägen Schwimmstößen kam Marie-Claire über den Teich zu seinem Ufer herübergeschwommen und suchte mit den Zehen Halt auf dem felsigen Untergrund, so dass sie schließlich bis zu den Schultern im Wasser vor Sebastian stand. Sein Blick fiel auf die nassen Dessous, die sie immer noch in einer Hand hielt. Offenbar hatte er einige ihrer Geburtstage nicht mitbekommen …

Plötzlich verlegen und irgendwie beschämt über die Richtung, die seine frivolen Gedanken eingeschlagen hatten, wandte er den Blick ab und trat einen Schritt zurück.

„Weiß dein Vater, dass du hier bist?“

„Papa ist doch viel zu sehr beschäftigt, um sich um mich zu kümmern.“

„Ich würde sagen, jedem Vater liegt daran, dass seine Kinder in Sicherheit sind, besonders nach Einbruch der Dunkelheit.“

„Ich bin aber längst kein Kind mehr!“, kam es hitzig zurück. „Gerade gestern bin ich sechzehn Jahre alt geworden! Ich bin jetzt eine königliche Debütantin und in einem Alter, wo man sein erstes Rendezvous hat!“, endete sie triumphierend.

Sebastian schnaubte verächtlich und spürte ein seltsames Ziehen im Magen. Sechzehn! Sie war also doch noch ein Kind! „Du bist ein königlicher Satansbraten, wenn du mich fragst“, brummte er. „In einem Alter, wo man dich durchaus noch übers Knie legen kann. Und wenn du nicht aufpasst, werde ich auch genau das mit dir tun. Raus jetzt aus dem Wasser.“

„Hol mich doch.“

„Du kleine Hexe …“

„Du Spielverderber!“

In Sebastians Inneren kämpften widerstreitende Emotionen miteinander. Auf seiner Wange zuckte ein Muskel, während er sich den nächsten möglichen Schritt überlegte. Es geschah nur sehr selten, dass jemand versuchte, seine Autorität zu untergraben. Und dann auch noch ein widerspenstiger Teenager!

Sekundenlang starrten sie sich lauernd an. Man hörte nur noch das Rauschen des Wasserfalls und das Zirpen der Grillen. Irgendwo in der Ferne schrie eine Eule. Die Sonne war inzwischen ganz untergegangen, der bleigraue Himmel hing voller Regenwolken.

Obwohl sie beide kein Wort miteinander sprachen, passierte etwas zwischen ihnen. Sebastian focht eine stumme Schlacht mit sich aus, aber er war viel zu anständig, um Marie-Claires jugendliche Unbekümmertheit und Naivität auszunutzen.

Du bist viel zu jung, sagten seine Blicke.

Aber das wird nicht immer so sein.

Ich werde warten.

Bitte, tu das

Mit einem kurzen Nicken wandte Sebastian sich ab, stieg auf sein Pferd und verschwand zwischen den Bäumen.

„Zieh dich an“, warf er über die Schulter zurück. „Ich werde am Waldrand auf dich warten und dich sicher nach Hause geleiten.“

Und diesmal widersprach sie ihm nicht.

2. KAPITEL

Gestern war ihr einundzwanzigster Geburtstag gewesen. Das wusste Sebastian sehr genau. Immerhin hatte er fünf lange Jahre auf diesen Tag gewartet. Und jetzt, da die bezaubernde Marie-Claire de Bergeron die geschwungene Treppe herabschritt, wandten sich ihr aller Augen zu. Aus den Blicken der Männer sprach Anerkennung und eine gewissen Lüsternheit.

Sebastian fühlte einen heftigen Beschützerinstinkt in sich aufsteigen. Er entschuldigte sich bei seinem Gesprächspartner, Lises frisch gebackenem Ehemann Fernand Rodin, und schlenderte zur Treppe hinüber und lächelte Marie-Claire entgegen.

Wie schon oft in den vergangenen Jahren trafen sich ihre Blicke in stillem Einverständnis, und die Welt um sie herum existierte einfach nicht mehr. Doch diesmal gab es eine neue Ebene in ihrem kleinen, privaten Paradies. Marie-Claire war endlich erwachsen und damit berechtigt, allein über ihre Zukunft zu entscheiden.

Als wenn das Orchester nur auf diesen speziellen Moment gewartet hätte, stimmte es einen schwungvollen Walzer an, und Sebastian hielt Marie-Claire seine Hand entgegen.

„Tanzen?“

Oui.

Hoheitsvoll legte sie ihre Hand in Sebastians und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen. Nur mit Mühe gelang es ihm, das amüsierte Lächeln zu unterdrücken, das ihre königliche Geste herausgefordert hatte. Marie-Claire war wie eine Wundertüte. In der einen Minute die wilde Göre, die ihn auf dem Golfkurs lauthals angefeuert hatte, in der anderen die errötende Unschuld, die versuchte, Weltklugheit zu demonstrieren.

Obwohl ihre Hände klein und zierlich waren, war der Griff, mit dem sie sich an ihn klammerte, während er sie zu den Walzerklängen im Kreis herumwirbelte, überraschend fest. Mit ihnen drehten sich bereits eine Reihe weiterer Tänzer beschwingt auf dem glänzenden Marmorboden.

König Philippe tanzte mit seiner Frau, Königin Celeste, seine Mutter Simone, die Königinwitwe, mit dem Premierminister René Davoine, und neben ihnen andere Angehörige des Hofes, nebst politischen Größen und Würdenträgern der verschiedensten Nationalitäten.

Sebastian presste Marie-Claires geschmeidigen Körper fest an seinen und hatte das Gefühl, endlich heimgekommen zu sein. Gierig sog er den Duft ihres seidigen Haares ein und legte seine Hand fest um ihre schmale Taille. Sie so zu halten war viel aufregender, als er es sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Sebastian stieß ein kleines kehliges Lachen aus. Er hatte es gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren!

Schüchtern schaute Marie-Claire zu ihm auf, und ihm stockte der Atem. Es war das erste Mal, dass er sie so aus der Nähe betrachten konnte. Ihre zarte Haut wies den makellosen Schmelz der Jugend auf – weich wie ein Pfirsich, getönt wie cremige Sahne, mit einem Hauch von Zimt. Zum festlichen Anlass trug sie ihr von der Sonne gebleichtes Haar aufgesteckt, was ihren schlanken Hals und den zart gewölbten Nacken perfekt zur Geltung brachte. Ihre Augen leuchteten im gleichen Smaragdgrün wie ihr bezauberndes Abendkleid. Die Lippen waren leicht geöffnet, und ihre Mundwinkel umspielte ein erwartungsvolles Lächeln.

Sebastian stöhnte innerlich auf, so sehr sehnte er sich danach, seine Lippen auf diesen weichen, herausfordernden Mund zu pressen, um zu sehen, ob der Kuss genauso explosiv sein würde, wie er es sich die ganzen Jahre über ausgemalt hatte.

Aber dies war weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt für einen ersten Kuss. Er wollte, dass es perfekt würde. Dass sie allein und ungestört waren. Fürs Erste musste es genügen, dass er die Frau seines Herzens in seinen Armen hielt und ganz sicher der glücklichste Mann in diesem Raum war.

„Gestern war dein einundzwanzigster Geburtstag, nicht wahr?“

Marie-Claire schaute ihn verblüfft an. „Woher weißt du das?“

„Mathematik.“

„Mathematik?“, wiederholte sie irritiert.

„An diesem Datum vor exakt fünf Jahren warst du einen ganzen Tag lang sechzehn“, erklärte Sebastian lapidar.

Ein Hauch von Röte erschien auf Marie-Claires Wangen. „Daran erinnerst du dich?“

„Vage.“ Eines Tages, wenn sie sehr lange verheiratet waren, würde er ihr gestehen, wie sehr ihn die Erinnerung daran gepeinigt, um seinen Schlaf gebracht und Beziehungen zu anderen Frauen unmöglich gemacht hatten. „Herzlichen Glückwunsch.“

„Danke.“

„Wie hast du deinen Ehrentag diesmal gefeiert?“

Marie-Claire lachte. „Auf jeden Fall nicht im Teich!“

„Wie schade.“

Wieder dieses charmante Erröten. „Papa hat mich nach Paris entführt, wo ich mir dieses Abendkleid aussuchen konnte.“

„Eine ausgezeichnete Wahl.“

„Findest du wirklich?“, fragte sie eifrig.

„Mmm. Ich glaube, du würdest von allen anwesenden Frauen auf jeden Fall zur schönsten Cheerleaderin gekürt …“

Marie-Claire seufzte auf. „Also hast du meinen zweifelhaften Auftritt mitbekommen.“

Unfähig, sein Grinsen zu unterdrücken, schob Sebastian sie ein Stückchen von sich weg und schaute Marie-Claire direkt in die Augen. „Dank dem Wunder der Technik, in diesem Fall dem Satellitenfernsehen, hat es wahrscheinlich die ganze Welt mitbekommen“, sagte er neckend. „Aber ich hatte das Glück, live dabei sein zu dürfen.“

„Wie ungeheuer peinlich …!“

„Ich finde es eher ungeheuer charmant. Irgendwie niedlich.“

Sie schnitt eine Grimasse. „Du findest es niedlich, dass jetzt jeder denkt, ich würde wie ein albernes Schulmädchen für dich schwärmen?“

Sebastian umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. „Und, ist das so?“

Plötzlich schien Marie-Claire vergessen zu haben, dass sie heute Abend die coole Frau von Welt spielen wollte, und ließ ihr ansteckendes Lachen hören, worauf sich Sebastians Pulsschlag enorm erhöhte.

„Nun, da bereits die ganze Welt darüber informiert ist, hat es wohl wenig Zweck zu leugnen, oder? Wenn das deinem Ego nicht genügt, könnten wir es ja auch hoffnungslose Leidenschaft nennen. Aber keine Angst, ich versuche, darüber hinwegzukommen“, versprach sie spöttisch. Dann legte sie einen Finger auf die Unterlippe und schaute Sebastian grübelnd an. „Ich denke da an ein 12-Schritte-Programm, um mir dich aus dem Kopf zu schlagen …“

„Meinetwegen musst du das nicht tun.“

„Was?“

„Deine … Leidenschaft für mich bekämpfen.“

Marie-Claire stolperte und trat Sebastian auf den Fuß. „Nicht?“

„Nein.“

„Oh …“ Sie schaute ihm in die Augen und lächelte.

Er lächelte zurück, und plötzlich schlugen ihre Herzen im gleichen Takt. Dieser Augenblick war perfekt. Die Musiker wechselten das Tempo und intonierten eine Rumba. Marie-Claire liebte die Rumba …

„Darf ich …?“

Marie-Claire gefror zur Salzsäule. Neben ihnen stand Eduardo und tippte Sebastian schüchtern, aber entschlossen auf die Schulter. Sein breites, hoffnungsvolles Lächeln reichte von einem Ohr bis zum anderen. Das widerborstige rote Haar hatte er für den festlichen Anlass offenbar mit einer ganzen Tube Gel zu bändigen versucht, sein Smoking war an Hosenbeinen und Ärmeln um einige Zentimeter zu kurz. Nervös knackte Eduardo mit den Fingern, während er darauf wartete, dass Sebastian seine Tanzpartnerin endlich freigab.

Am liebsten hätte Marie-Claire vor Frust aufgeschrien, als Sebastian sich zurückzog und sie mit einem leichten Neigen des Kopfes Eduardo Van Groobers Armen überließ. Verflixt! Gerade als es interessant wurde! Ihr neuer Tanzpartner zog sie mit einem entschlossenen Ruck so dicht an seinen mageren Körper heran, dass Marie-Claire unwillkürlich nach Luft schnappte.

„Reserviere noch einen Tanz für mich“, gelang es Sebastian, ihr zuzuflüstern, ehe das Paar davonwirbelte. Marie-Claire nickte nur schnell mit einem letzten verlangenden Blick über die Schulter und konzentrierte sich dann darauf, möglichst unauffällig etwas Luft zwischen sich und Eduardo zu bringen. Als ihr das gelungen war und sie unauffällig nach Sebastian Ausschau hielt, sah sie ihn neben der kurvenreichen und, nach Marie-Claires Maßstab, moralisch äußerst zweifelhaften deutschen Baroness Veronique Wertheim stehen.

Die emanzipierte, lebhafte Baroness zögerte nicht, sofort ihre Netze auszuwerfen, und ehe Sebastian wusste, wie ihm geschah, hatte sie ihn schon auf die Tanzfläche manövriert.

Eduardo startete inzwischen einen lobenswerten Versuch, trotz der schwierigen Tanzschritte ein Gespräch in Gang zu bringen, wurde dabei von Marie-Claire aber nur wenig unterstützt. Also versuchte er, sie wenigstens mit seinen Erfolgen im Golfteam seiner Highschool zu beeindrucken, wobei er seine Nase verwegen in ihre duftenden Locken steckte. Geistesabwesend schob Marie-Claire ihn noch etwas weiter von sich weg, um eine bessere Sicht auf Sebastian zu haben.

Und auf Veronique …!

Als direkte Angehörige des Hauses Habsburg und zudem noch steinreich, war die attraktive, lebhafte Baroness eine auffallende Persönlichkeit, die sich auf dem internationalen Parkett zu Hause fühlte. Sie war daran gewöhnt, sich zu nehmen, was sie begehrte – und hatte damit zumeist auch Erfolg. Und einer kleinen Affäre mit einem aufregenden Playboy war sie noch nie abgeneigt gewesen.

Wie ein heißes Messer schnitt die Eifersucht in Marie-Claires Herz. Im Vergleich zu der üppigen, selbstbewussten Veronique fühlte sie sich tatsächlich noch wie ein halbes Kind. Ihre Selbstzweifel wurden sogar noch stärker, während sie die schlangengleichen Bewegungen ihrer Rivalin betrachtete, die mit den Takten der Musik geradezu verschmolzen zu sein schien – und mit Sebastian!

Himmel! Wenn …

Diesmal war es Fernand, der Eduardo auffordernd auf die Schulter tippte. Kein Zweifel, dass er es aus familiärer Fürsorge tat. Es war nicht zu übersehen, wie schwer es dem armen Eduardo fiel, ihm Marie-Claire zu überlassen. Mit einem Anflug von Mitleid schaute sie ihm nach, als er mit gesenktem Kopf davontrottete. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit ihrem neuen Tanzpartner zu.

So schwatzhaft Eduardo gewesen war, so stumm und versteinert gab sich Fernand, ihr neuer Schwager. Wieder einmal fragte sich Marie-Claire, wie die arme Lise es mit diesem Klotz von Mann nur aushielt. Doch dann nutzte sie die Gunst der Stunde und ließ ihre Gedanken in erfreulichere Gefilde abschweifen.

Während sie sich an ihre Unterhaltung mit Sebastian erinnerte, hätte Marie-Claire fast laut aufgestöhnt. Kein Wunder, dass er sich von ihr bei der voll erblühten Veronique erholen musste. Sie selbst verhielt sich ja wirklich wie ein alberner Teenager – und das gegenüber einem gestandenen Mann wie Sebastian LeMarc!

Ich absolviere ein 12-Schritte-Programm …!

Ihre Schwestern hatten recht. Sie war einfach unmöglich! Während ihres nächsten Tanzes mit Sebastian – wenn es überhaupt noch einen nächsten Tanz geben würde – musste es ihr unbedingt gelingen, ihre Zunge zu hüten, bevor sie noch damit herausplatzen konnte, dass sie der verflixten Veronique am liebsten den schlanken Hals umdrehen würde!

Marie-Claire biss sich auf die Lippe. Sebastian musste einfach noch mal mit ihr tanzen! Sehnsüchtig dachte sie an das berauschende Gefühl, so dicht an seiner breiten Brust zu liegen und seinen warmen Atem auf ihrem Haar zu spüren. Ganz ihren verlockenden Fantasien hingegeben, warf sie den Kopf zurück und schmiegte sich ein wenig enger an ihren Tanzpartner. Es war ein spontaner Impuls, den sie sofort bereute, als sie Fernand mit gerunzelter Stirn und einem fragenden Ausdruck in den dunklen Augen auf sich herabstarren sah.

„Nur ein kleiner Krampf …“, murmelte sie verlegen.

Zum Glück wurde sie kurz darauf von ihrem Vater aus der peinlichen Situation gerettet, bevor noch Eduardo ihrer wieder habhaft werden konnte.

„Du siehst heute Abend wirklich prachtvoll aus, mein Kind. Dieses Kleid steht dir ganz ausgezeichnet.“

Marie-Claire lächelte weich. Da dieses Kompliment von ihrem Vater kam, war es nicht hoch genug anzusiedeln. Obwohl König Philippe kein Mann vieler Worte war, wusste sie sich von ihm geliebt. Und behütet. Und als Nesthäkchen, nach ihren beiden Schwestern, war sie immer so etwas wie sein Augapfel gewesen.

„Vielen Dank, Sir“, sagte sie schelmisch und klopfte neckend gegen seinen strammen Kummerbund. „Du selbst gibst heute aber auch eine prachtvolle Erscheinung ab.“

„Unsinn“, brummte er gutmütig. „Du versuchst doch nur, einem alten Mann zu schmeicheln.“

„Einundfünfzig kann man wohl kaum alt nennen.“

„Mit deinen einundzwanzig Lenzen musst du das natürlich so sehen. Weißt du, ich war im gleichen Alter wie Sebastian LeMarc, als du auf die Welt gekommen bist.“

„Oh …!“

Ihr Vater lächelte verschmitzt. „Ja, oh! Ich habe sehr wohl bemerkt, wie du ihn anschaust.“ Als er ihre Verlegenheit sah, lachte König Philippe laut und herzlich auf.

Marie-Claire kam nicht umhin festzustellen, wie attraktiv ihr Vater immer noch war, mit seiner hohen Gestalt, den breiten Schultern und dem mächtigen Brustkasten, der jetzt vor Erheiterung bebte. Die kleine scharfe Kerbe in seinem Kinn und die Lachfalten in den Augenwinkeln erinnerten sie immer wieder an einen ihrer Lieblingsschauspieler – Michael Douglas, obwohl der sicher nicht so groß war wie Philippe de Bergeron. Doch die Ähnlichkeit endete nicht bei den Äußerlichkeiten. Beide verfügten über Charisma, und beide bevorzugten sie viel jüngere und ausgesprochen attraktive Frauen.

Marie-Claire warf einen flüchtigen Blick in Celestes Richtung und schnitt eine leichte Grimasse, als sie das etwas schrille, aufgesetzte Lachen ihrer Stiefmutter hörte, die gerade mit dem Premierminister tanzte. Doch wenn es um seine junge Ehefrau und ihr mehr als zweifelhaftes Benehmen ging, war ihr Vater einfach blind.

„Ich würde sagen, du hättest eine schlechtere Wahl treffen können.“

„Papa!“ Marie-Claires Wangen brannten, doch er ignorierte ihren schwächlichen Protest.

„Du hast dich zu einer sehr schönen, jungen Frau gemausert, meine Tochter“, stellte er zufrieden fest. „Für mich wird es nun an der Zeit, dich einem anderen zu überlassen. Ich werde schließlich nicht für immer da sein. So ist nun einmal der Lauf der Welt …“, stellte er etwas wehmütig fest und zog Marie-Claire ganz fest an seine breite Brust.

„Papa, so darfst du nicht reden“, murmelte Marie-Claire erstickt.

Philippe schüttelte seine Schwermut ab und schob seine Tochter ein Stück von sich. „Du wirst in deinem Leben noch große Dinge vollbringen, mein Schatz. Vergiss nie, dass ich sehr stolz auf dich bin und dich immer lieben werde.“

Marie-Claire fühlte einen dicken Knoten in ihrem Hals, und in ihren Augen schwammen Tränen, als sie der hohen Gestalt ihres Vaters hinterhersah.

Der Abend schritt voran, während Sebastian und Marie-Claire ständig gezwungen waren, mit anderen Partnern zu tanzen. Es erschien ihr wie eine kleine Ewigkeit, bis endlich wieder Sebastian vor ihr stand. Er vollführte eine kleine, ironische Verbeugung und nahm sie wie selbstverständlich in seine Arme, in die sie so perfekt hineinpasste.

„Ist es wirklich so heiß hier, oder empfinde ich das nur?“, raunte er in ihr Ohr.

„Ich befürchte, das liegt an uns beiden“, konterte Marie-Claire mutig und erwiderte sein amüsiertes Lächeln.

In Sebastians Augen stand ein herausforderndes Funkeln. „Ich denke, wir sollten den spitzen Zungen um uns herum mal was zu tun geben. Magst du mit mir auf die Veranda hinausgehen, um etwas frische Luft zu schnappen?“

„Warum nicht?“

Marie-Claires Herz klopfte zum Zerspringen, als Sebastian sie durch die hohen Flügeltüren ins Freie führte. Die Veranda war fast so groß wie der Ballsaal und wurde durch eine steinerne Balustrade zum Garten hin begrenzt. Durch die erleuchten Palastfenstern, war die Terrasse in ein weiches Licht getaucht, von drinnen aus dem Festsaal erklang gedämpfte Musik, und in der Luft lagen ein Hauch von welkendem Laub und der Duft der letzten Sommerblumen.

Nie zuvor hatte sich Marie-Claire so lebendig gefühlt. Bebend vor Vitalität und Erwartung. Die Wärme von Sebastians Hand auf ihrem Rücken durchdrang ihren ganzen Körper und machte ihr das Atmen schwer. Dies war der Moment, von dem sie so lange geträumt hatte. Der magische Moment, in dem sie endlich mit dem Mann allein war, dem sie sich seit jenem Abend im Wald innerlich so nahe fühlte.

Wie nannte man das, was sie beide verband? Kismet, Bestimmung, Schicksal …?

Für Marie-Claire war es die Fügung Gottes, die sie beide zusammengebracht hatte, und deshalb gab es für sie keine Zweifel, keine Wahl.

Ein paar trockene Blätter flatterten auf den Steinboden herab, als eine leichte Abendbrise mit Marie-Claires Haaren und ihrem Kleid spielte. Unwillkürlich schauderte sie und zog die Schultern hoch.

„Ist dir kalt?“

„Nein“, sagte sie mit rauer Stimme. „Eher im Gegenteil.“

Sebastian zog mit seiner freien Hand seine Smokingfliege auf und öffnete den obersten Hemdknopf. „Wie bei mir.“ Als immer mehr Gäste auf der Suche nach etwas Abkühlung auf die Terrasse heraustraten, umfasste er Marie-Claires Hand und zog sie in Richtung der mächtigen Steintreppe, die zum Schlosspark hinunterführte.

„Komm.“

Sobald sie den breiten Kiesweg erreichten, schlüpfte Marie-Claire aus ihren hochhackigen Abendschuhen, beugte sich herunter und nahm sie in die Hand. So konnte sie Sebastian wenigstens leichter folgen, der den anderen offenbar gar nicht schnell genug entfliehen konnte.

„So“, sagte er, als sie an einem antiken steinernen Brunnen angekommen waren, in dessen Zentrum Le Cheval du Roi, eine imposante Reiterstatue von Marie-Claires Großvater, aufragte. Etliche Jahre und wechselnde Witterung hatten der Statue aus dunklem Eisen eine attraktive grüne Patina verliehen. Für den heutigen Abend wurde der Brunnen von allen Seiten angestrahlt, was ihm zusätzlich einen ganz besonderen Zauber verlieh. Das Wasser im Bassin schimmerte in allen Tönen zwischen Türkisgrün und Gold.

„Endlich allein. Das letzte Mal warst du gerade sechzehn, und damit in einem Alter, wo man auf das erste Rendezvous wartet, wie du mir keck mitgeteilt hast.“ Er zog ihren Arm durch seinen und schaute Marie-Claire lächelnd in die Augen. „Und, hast du?“

„Habe ich was?“ Sie war viel zu aufgeregt, um noch klar denken zu können.

„Dein Rendezvous gehabt.“

„Oh …“ Seine unverblümte Frage brachte Marie-Claire in eine Zwickmühle. Wie sollte sie ihm die Wahrheit sagen und gleichzeitig den mondänen Vamp mimen? Denn das war die Rolle, mit der sie Sebastian heute Abend hatte beeindrucken wollen. Verlegen befeuchtete sie ihre Lippen mit der Zungenspitze. „Ich, äh … Ehrlich gesagt, noch nicht so richtig …“, stammelte sie. „Papa hat wohl Wind von meinen Plänen bekommen und mich vorsichtshalber in ein sehr strenges Mädchenpensionat in der Schweiz geschickt.“

„Ich weiß.“

„Woher weißt du das?“

„Mag sein, dass es mir damals unabsichtlich entschlüpft ist, dass du beabsichtigst, deine Schwingen auszuprobieren und an der großen Freiheit zu nippen …“, murmelte er gedankenvoll und lachte, als Marie-Claire einen frustrierten Laut ausstieß.

„Oh, du …! Dann habe ich diese zweijährige Tortur also dir zu verdanken?“, empörte sie sich.

„Tut mir leid.“

Marie-Claire schnaubte. „Wer’s glaubt!“

„Immerhin scheint der Aufenthalt nicht vergeblich zu sein. Deine Manieren sind heute weit geschliffener als bei unserer letzten Begegnung“, spöttelte Sebastian und erntete dafür eine Kostprobe ihres umwerfend ansteckenden Lachens.

„Auf jeden Fall habe ich meine angestrebte Karriere als Femme fatale deswegen bis zur Collegezeit verschieben müssen.“

„Aber soviel ich weiß, warst du doch auf einem reinen Mädchen-College.“

Marie-Claire schnitt eine Grimasse. „Erinnere mich bloß nicht daran! War das etwa auch deine Idee?“

„Natürlich nicht“, behauptete Sebastian. „Ich habe ohnehin nur Anregungen geben können. Die letzte Entscheidung lag immer bei deinem Vater.“

Marie-Claire betrachtete kopfschüttelnd seine betont unschuldige Miene und überlegte, wie sie ihn davon abbringen konnte, sie als die naive, unerfahrene Jungfrau anzusehen, die sie ja eigentlich auch war. Sofort standen ihr wieder Veroniques üppige Kurven und ihr herausforderndes Gehabe vor Augen, und Marie-Claire entschied, diesen etwas selbstgefälligen Sebastian LeMarc nicht so leicht davonkommen zu lassen.

„Tja, die Schüler im College waren natürlich alle weiblich, trotzdem gab es auch eine ganze Reihe Männer dort …“, sagte sie gedehnt und schaute anscheinend träumerisch in den dunklen Park hinaus. „Lass mal sehen …“ Sie zermarterte sich das Hirn, um auf die Vornamen ihrer Professoren zu kommen. „Da waren also Alonzo … Barnaby und … wie hieß er bloß noch? Ah, ja! Cedric …“

„Was soll das werden?“, fragte Sebastian kühl. „Eine alphabetische Auflistung deiner Liebhaber?“

Trotzig schob Marie-Claire ihr Kinn vor. „Gib es doch zu. Du denkst, ich hätte kein einziges Rendezvous gehabt, stimmts?“

„Ich habe es zumindest gehofft.“

„Oh, du … Aber warum?“

„Weil du mir gehörst“, sagte Sebastian schlicht.

Marie-Claire fühlte sich wie betäubt. Alles um sie herum schien erst zu schwimmen und sich dann aufzulösen. Ihr Herz vollführte einen Freudensprung, ihr Magen zog sich vor Aufregung zusammen, und sie hatte das Gefühl, als jage ein heißer Strom durch ihren ganzen Körper.

„Oh …“, wiederholte sie fast andächtig.

Sebastian lächelte. „Du scheinst nicht besonders überrascht zu sein.“

„Nein.“

„Da ist irgendetwas zwischen uns seit jenem Abend am Teich, nicht wahr?“

„Ja.“

„Etwas ganz Besonderes, fast so, als ob …“ Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Als ob wir verwandte Seelen seien.“

„Ich weiß“, flüsterte sie.

Sebastian neigte leicht den Kopf, und im Schein des Mondlichts schauten sie sich forschend in die Augen, nahmen einander mit allen Sinnen wahr. Es war ein Moment, wie für die Ewigkeit geschaffen. Obwohl sie sich nicht berührten, schien die Hitze zwischen ihnen sie zu versengen.

Marie-Claire konnte sehen, dass Sebastian von diesem Augenblick ebenso gefangen genommen und überwältigt war wie sie selbst. Seine gewohnte Lässigkeit und Sicherheit waren plötzlich wie weggewischt. Er erschien ihr so verwundbar, wie sie sich fühlte, und dennoch hatte keiner von ihnen Angst, der andere könne diese Schwäche ausnutzen.

Irgendwann durchbrach Sebastian den Zauber, ergriff Marie-Claires Hand und geleitete sie zur steinernen Umrandung des Brunnens, die gut einen halben Meter hoch war. Er stieg hoch, half dann Marie-Claire hinauf und nahm ihr die hochhackigen Riemchensandaletten ab, die sie immer noch in der Hand hielt. Dann zog Sebastian seine eigenen eleganten, auf Hochglanz polierten Schuhe aus und warf beide Paare auf den Rasen. Die Musik, die vom Schloss zu ihnen herüberklang, mischte sich mit dem Plätschern des Brunnens.

„Ich habe immer noch nicht meinen versprochenen Tanz bekommen“, sagte er lächelnd. „Wollen wir?“

Marie-Claire hob ihre Arme und legte sie auf seine Schultern. „Wir wollen.“

Als er sie daraufhin um die Tail...

Autor

Carolyn Zane
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