Nur heimliche Stunden der Lust?

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In Thads Armen erlebt Janey sinnliche Nächte der Leidenschaft. So heiß wurde sie noch nie verwöhnt und geliebt. Schon träumt sie von einer gemeinsamen Zukunft mit dem attraktiven Mann, da verunglückt ihr Sohn. In ihrer Verzweiflung gibt sie Thad die Schuld …


  • Erscheinungstag 20.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719159
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als Janey Hart Campbell das Schild im Fenster ihrer Bäckerei auf CLOSED drehte, sah sie ihre fünf Brüder auf den Eingang zukommen. Sie duckte sich. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war eine Auseinandersetzung mit ihren eigensinnigen Brüdern wegen ihres sportbesessenen Sohns Christopher. Sie eilte zum Hinterausgang, nahm ihre Handtasche und Schlüssel und huschte zur Tür hinaus, um dort mit einem großen Mann zusammenzuprallen, der direkt auf ihrer Türschwelle stand.

Im Bruchteil von Sekunden nahm sie etliche Details wahr. Er war wesentlich größer als sie. Über eins neunzig. Und er bestand hauptsächlich aus Muskeln. Breite Schultern, ein mächtiger Brustkorb, trainierte Bauchmuskeln, schlanke Hüften und harte Oberschenkel. Der Mann war sportlich gekleidet. Teure Turnschuhe, Jeans und ein kurzärmliges, weißes Poloshirt, das seinen braunen Teint betonte. Außerdem roch er ziemlich gut. Eine Mischung als maskuliner Seife und frischen Kiefernnadeln. Sein dichtes, dunkelbraunes Haar war leicht gewellt und kurz geschnitten.

Das Gesicht wies keine ausgefallenen Merkmale auf. Eckige Gesichtsform, blaue Augen umgeben von dichten schwarzen Wimpern. Kantiges, entschlossenes Kinn und ein Schnurrbart über den sinnlich geformten Lippen. Alles zusammen genommen war dieser Mann so attraktiv, dass er selbst Mel Gibson in den Schatten stellte. Doch besonders interessant war der Umstand, dass dieser gut aussehende Fremde sie ansah, als hätte er den Zusammenprall mir ihr erwartet.

„Sie hatten mir schon angekündigt, dass es so kommen würde“, murmelte er seufzend.

Endlich trat sie einen Schritt von ihm zurück. „Dass es wie kommen würde?“ Ihr Puls begann zu rasen, als sie so dastand und ihn anstarrte.

Er legte die Hand auf ihre Schulter. „Dass Sie weglaufen würden.“

„Wir hatten recht“, bemerkte Dylan Hart in dem neunmalklugen Ton, den er gern in seinen Sportreportagen benutzte.

Zusammen mit Dylan waren auch ihre anderen Brüder am Hintereingang erschienen. „Jetzt musst du bezahlen“, meinte Fletcher Hart zufrieden.

„Vergiss nicht, du schuldest mir ein Bier.“ Cal Hart grinste triumphierend. Er trug noch sein Namensschild aus dem Medical Center.

„Musst du nicht irgendeinen Sportler zusammenflicken?“, fragte Janey wütend.

Cal lächelte. „Im Moment nicht. Du darfst ganz über mich verfügen.“

„Na toll“, fluchte sie. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, nachdem sie den ganzen Tag für die Hochzeiten am Wochenende Torten gebacken hatte.

Mac Hart schüttelte den Kopf, als er sie ansah. Ausnahmsweise trug er heute nicht seine Sheriff-Uniform. „Wann lernst du endlich, dass du deine Probleme nicht lösen kannst, indem du wegläufst?“

Janey verschränkte die Arme. Ein einziges Mal war sie aus North Carolina weggelaufen. Als Teenager. Das würde sie nicht noch einmal tun. Mit ihren dreiunddreißig Jahren wusste sie, was sie vom Leben verlangte. Und all das fand sie hier in Holly Springs, North Carolina, der Stadt, in der sie aufgewachsen war.

Doch dieses Thema würde sie mit ihren neugierigen Brüdern sicher nicht besprechen. „Immerhin habe ich es geschafft, euren aufdringlichen Anrufen zu entkommen.“

„Und mit welchem Erfolg?“, fragte Joe Hart missbilligend. Er trug Shorts und ein T-Shirt mit der Aufschrift Carolina Storm. Als einziger der Brüder war Joe verheiratet. Er sah aus, als käme er gerade vom Konditionstraining.

Nun mischte der geheimnisvolle Fremde sich ein. „Sollten wir uns nicht lieber drinnen weiter unterhalten?“, schlug er vor.

„Gute Idee“, stimmten ihre Brüder zu, die sich einig waren, dass sie nun lange genug in der Julihitze gestanden hatten.

Im nächsten Moment stand Janey in ihrem klimatisierten Laden. Der attraktive Fremde war auch immer noch da. Sie sah ihn stirnrunzelnd an. „Kenne ich Sie?“, fragte sie vorsichtig. Als sie ihn nun genauer betrachtete, kam er ihr vertraut vor. Als hätte sie ihn im Fernsehen gesehen. Oder in Zeitschriften. Er schien es auch gewöhnt zu sein, dass man ihn eingehend musterte.

Joe rollte mit den Augen. „Das darf doch nicht wahr sein! Janey, das ist Thaddeus Lantz. Head Coach des Profihockeyteams Carolina Storm. Der Club, für den ich jetzt spiele!“

„Ach, ja.“ Janey biss sich auf die Lippe, während sie Thad Lantz in die Augen schaute. Jetzt hatte sie wieder alles auf dem Plan. Und sie wusste auch, warum sie sich unbewusst geweigert hatte, den cleveren Strategen zu erkennen.

Thad Lantz war daran gewöhnt, dass die Leute sehr unterschiedlich reagierten, wenn sie von seinem Job als Trainer erfuhren. Doch noch nie hatte sich eine offensichtliche Sympathie so schlagartig in Ablehnung und Misstrauen verwandelt. Das war bedauerlich, denn er selbst hatte sich noch nie auf den ersten Blick so sehr zu einer Frau hingezogen gefühlt. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und wäre direkt mit ihr ins Bett gegangen.

Kein Wunder. Schließlich sah Janey fantastisch aus. Sie musste Anfang dreißig sein, ein paar Jahre jünger als er. Ihr dichtes kastanienbraunes Haar mit dem seidigen Glanz trug sie in einem Pferdeschwanz. Wahrscheinlich war es schulterlang, wenn sie es offen trug. Ihre temperamentvollen Augen hatten die Farbe von Bernstein. Volle, sinnliche Lippen luden zum Küssen ein. Und ihre Figur war unbeschreiblich weiblich und verführerisch. Zu schade, dass sie mich anscheinend nicht mag, dachte Thad enttäuscht.

Janey sah Joe an. „Dass er hier ist, war doch deine Idee, oder?“, warf sie ihm vor.

Normalerweise hielt Thad sich aus Familienangelegenheiten heraus. Aber diesmal musste er sich einmischen. Er trat vor und stellte sich zwischen Janey und Joe. „Ehrlich gesagt ging die Initiative von mir aus“, erklärte er freundlich.

„Und ich bekenne mich schuldig, den Rest der Familie zusammengetrommelt zu haben“, gab Joe zu.

Mac war der Älteste ihrer Brüder. Er sah sie mitfühlend an. „Wir wissen ja, warum du dich so verhältst, Janey, aber diese Überängstlichkeit muss jetzt aufhören.“

Dylan nickte zustimmend. „Chris hat das Recht, sich seinen Lebensweg selbst auszusuchen.“

„Na hör mal! Er ist gerade erst zwölf!“

„Und trotzdem denkt er bereits an seine Zukunft“, bemerkte Cal stolz. „Das muss doch wohl belohnt werden.“

Als Janey trotzig die Arme verschränkte, spannte sich die Bäckerjacke über ihren vollen Brüsten und ihrer beneidenswert schmalen Taille. „Nicht, wenn seine Pläne in die falsche Richtung gehen“, widersprach sie wütend.

„Wer sagt denn das?“ Selbst der friedfertige Fletcher Hart mischte sich nun hitzig ein. „Janey, wir lassen nicht zu, dass du aus dem Jungen ein Weichei machst.“

„Wie bitte?“, rief sie empört. „Du meinst also, ich bin nicht ganz normal, nur weil ich möchte, dass Christopher sich auf die wesentlichen Dinge des Lebens konzentriert? Ihr seid doch verrückt.“

Thad spürte, dass sie ihren Brüdern nicht zuhören würde. „Vielleicht sollte ich an dieser Stelle weitermachen“, bot er höflich an.

Als die Brüder zur Tür gehen wollten, stellte Janey sich ihnen in den Weg. „Untersteht euch! Wenn ihr mir etwas zu sagen habt, dann raus damit!“

Joe sah seiner Schwester in die Augen. „Warum hast du Christopher gesagt, dass er diesen Sommer nicht ins Eishockey-Camp darf?“

„Weil Chris zur Ferienschule gehen soll, um den Mathekurs nachzuholen, den er im Frühjahr nicht geschafft hat. Und die Ferienschule findet zur gleichen Zeit statt wie das Camp.“

Klingt plausibel, dachte Thad.

„Hast du wenigstens versucht, eine andere Lösung zu finden?“, fragte Cal vorwurfsvoll.

„Du brichst ihm das Herz“, warf Fletcher ein.

„Wenn es wirklich am Geld liegt, dass Chris nicht mitfahren soll“, begann Mac, „dann hättest du doch zu uns kommen können. Du weißt ganz genau, dass wir dir gern aushelfen.“

Janey traute ihren Ohren kaum. Hatte sie richtig gehört? Es wurde sehr still im Laden, als sie nun bedrohlich langsam fragte: „Wer hat euch auf diese Idee gebracht?“

Alle fünf Hart-Brüder blickten Thad an.

Dieser machte ein betretenes Gesicht. Wie sollte er sich verhalten, ohne Janey noch weiter in Verlegenheit zu bringen? Widerwillig zog er einen Brief aus der Hosentasche und hielt ihn Janey hin.

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Was ist das?“

„Lesen Sie selbst.“ Sobald sie den Inhalt des Briefes kannte, würde sie verstehen, warum alle um Chris so besorgt waren. Davon war Thad überzeugt.

„Lesen Sie vor!“, verlangte Janey trotzig.

„Okay.“ Thad schaute sie nachdenklich an. „Aber ich glaube, dass Sie als Mutter den Brief lieber für sich lesen möchten.“

„Geben Sie schon her!“ Janey riss ihm den Brief förmlich aus der Hand.

„Lieber Coach Lantz“, begann sie laut vorzulesen. „Sie sind der beste Coach in der ganzen Eishockeyliga. Ich würde so gern mit ins Camp fahren, vor allem, wo mein Onkel Joe jetzt in Ihrer Mannschaft spielt. Aber meine Mutter sagt, dass wir dieses Jahr dafür kein Geld haben. Vielleicht weil mein Vater gestorben ist und wir hierhergezogen sind. Meine Mutter arbeitet so viel in der Bäckerei, dass sie nicht noch mehr arbeiten kann. Darum habe ich mir etwas ausgedacht. Könnte ich vielleicht ins Camp mitfahren und später dann für den Club arbeiten? Ich könnte zum Beispiel die Handtücher im Umkleideraum einsammeln oder bei Ihnen Rasen mähen. Ich würde alles tun. Hauptsache, ich kann Eishockey spielen. Viele Grüße, Christopher Hart Campbell. PS: Sie können mich anrufen oder zu Hause besuchen. Ich wohne 111 Shady Lane in Holly Springs.“

Janey war kreidebleich geworden.

„Ich glaube, ich komme jetzt ohne eure Hilfe aus“, sagte Thad zu ihren Brüdern.

Als Janey mit Thad allein im Laden war, fand sie allmählich ihre Sprache wieder, aber sie wirkte sichtlich gekränkt. Anscheinend sah sie in Chris’ Verhalten einen Hinweis darauf, dass sie als Mutter versagt hatte und ihrem Sohn nicht alles geben konnte, was er brauchte.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, begann sie. „Es tut mir leid, dass mein Sohn Sie in diese unangenehme Lage gebracht hat.“

„Das muss Ihnen nicht leidtun“, gab Thad zurück. „Aber Sie sollten die Sache in Ordnung bringen.“ Er wertete Chris’ Brief als Zeichen dafür, dass der Junge sich von seiner Mutter löste und langsam erwachsen wurde. Nichts, wofür man sich entschuldigen musste.

Eine Weile hielt sie seinem Blick stand, ohne etwas zu erwidern. „Unsere Situation ist komplizierter, als es aussieht“, murmelte sie schließlich.

„Da bin ich sicher“, stimmte Thad zu.

Sie sah ihn argwöhnisch an. „Ist das alles? Sie wollen mich nicht überreden, Chris am Camp teilnehmen zu lassen?“

Er zuckte die Achseln. „Sie wollen ihm das Herz brechen, indem sie ihm verbieten, seinen Träumen nachzujagen. Das müssen Sie verantworten.“

„Sie kennen die näheren Umstände nicht“, verteidigte sie sich.

Er zog einen Stuhl unter dem weißen Metalltisch hervor. Dann setzte er sich und wartete, bis sie sich zu ihm setzte. „Ich weiß, dass Sie die Witwe von Ty Campbell sind, und dass Ihr verstorbener Mann es fast bis ins olympische Skiteam geschafft hat.“

Janey schüttelte verbittert den Kopf. „Aber eben nur fast. Er war sehr unglücklich, dass er es nur bis zum Ersatzmann gebracht hat.“

„Und damit hat er auch Sie und Chris unglücklich gemacht“, vermutete Thad.

„So ist es.“

„Nun, wir sind nicht hier, um über Ihren verstorbenen Mann zu sprechen, sondern über Ihren Sohn.“ Er sah sie eindringlich an. „Ich arbeite jetzt seit fünfzehn Jahren als Eishockeytrainer, aber ich habe noch nie so einen Brief bekommen wie von Ihrem Sohn.“

Janey zuckte die Schultern. „Er ist ein einfallsreicher Junge.“

„Offensichtlich.“ Als sie versuchten, auf den dekorativen, aber viel zu kleinen Stühlen eine bequeme Position zu finden, stießen sie mit den Knien zusammen. Einen Moment lang schienen sie beide nicht mehr über Chris nachzudenken.

Etwas verlegen strich Janey mit dem Daumen über das geschmiedete Muster auf dem Tisch. „Aber er muss diesen Sommer nicht Eishockey spielen, um glücklich zu sein.“

Thad sah sie nachdenklich an. „Ich glaube, dass Sie diese Entscheidung nicht für ihn treffen können.“

„Sie brauchen mir nicht zu sagen, was ich kann und was ich nicht kann, Coach Lantz!“ Janey sprang wütend auf. Nachdem sie ein paar Mal im Laden auf und ab gelaufen war, fuhr sie fort: „Chris ist mein Sohn. Ich bestimme, ob er Eishockey spielt oder nicht.“

Es fiel Thad nicht leicht, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Er hatte sich von ihrem wiegenden Gang ablenken lassen und fragte sich nun, ob ihre Beine genauso sexy und aufregend waren wie der Rest ihres Körpers.

„Und?“, fragte er irritiert.

„Bisher habe ich es erlaubt.“

„Warum?“

Diese Frage hatte sie nicht erwartet. Sie verschränkte die Arme und musterte Thad trotzig. „Es war sicherer als Skilaufen. Das Tiefschneefahren hat seinen Vater das Leben gekostet. Aber mittlerweile ist Chris vom Eishockey besessen“, fügte sie besorgt hinzu.

Thad stand auf und ging zu ihr. „Vielleicht kann er einmal Profiwerden. Wie sein Onkel Joe.“

„Und wenn nicht? Joes Erfolg weckt in Chris vielleicht nur falsche Erwartungen und unrealistische Träume.“

„Was wollen Sie also tun?“, fragte er in einem Ton, der keinen Zweifel ließ, wie unvernünftig er ihr Verhalten fand. „Ihm verbieten, es zu versuchen?“

Sie sah ihn abschätzend an. „Joe ist mit sechzehn von zu Hause fortgegangen. Wussten Sie das?“

Thad stand so dicht vor ihr, dass er ihren süßen Duft von Vanille und Zuckerguss einatmete. „Er hat in Kanada in der Juniorenliga gespielt.“

„Richtig. Unsere Mutter wollte, dass er aufs College geht. Er hätte auch in der Uni-Mannschaft spielen können. Aber Joe konnte es nicht abwarten. Er hat so lange gebettelt, bis unsere Mutter schließlich zustimmte.“

„Das ist typisch für die meisten Profisportler. Sie geben ihr ganzes Herzblut in den Sport.“

„Dagegen ist nichts einzuwenden, solange sie erfolgreich sind. Aber was passiert, wenn sie ihr Ziel nicht erreichen? Wer jahrelang einem Traum nachjagt, der sich nicht erfüllt, wird verbittert und pessimistisch.“

„Nicht unbedingt“, widersprach Thad. „Mancher wird auch Trainer.“

Sie musterte ihn neugierig. „Sie …?“

„Ich wollte Profiwerden. Bei mir hat es an der Schnelligkeit gefehlt. Also habe ich einen anderen Weg eingeschlagen.“

Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tresen. „Aber Sie sind eine Ausnahme.“

„Chris scheint auch ziemlich außergewöhnlich zu sein.“

Janey drehte sich zu ihm. „Ich werde ihm nicht erlauben, in diesem Sommer Eishockey zu spielen.“

„Ihr Sohn hat seinen Vater früh verloren“, erinnerte er sie ruhig.

Sie zuckte kurz zusammen, bevor sie die Schultern straffte und ihm in die Augen sah. „Ja? Und?“

„Glauben Sie nicht, es würde ihm guttun, wenn er unter Männern sein könnte, die er als Vorbild akzeptiert?“

Sie zuckte die Achseln und zog verächtlich die Mundwinkel nach unten. „Und diese Männer spielen zufällig alle berufsmäßig Eishockey.“

Damit griff sie ihn persönlich an, aber er ließ sich nicht provozieren. „Es sind alles prima Kerle. Und sie haben mit Chris ein gemeinsames Interesse. In seinem Alter muss er unter Menschen. Er braucht ein Ventil für seine überschüssige Energie.“

„Er hat Gelegenheit genug, seine Energie loszuwerden“, protestierte sie wütend.

„Wie zum Beispiel?“ Inzwischen knisterte es zwischen ihnen so sehr, dass Thad ernsthaft überlegte, ob er Janey küssen sollte. Nur wäre dadurch das Problem mit Chris nicht gelöst.

„Beim Zelten.“ Kaum hatte sie dieses Wort ausgesprochen, schien sie es zu bedauern.

„Sie fahren mit ihm zum Zelten?“, fragte er, obwohl er genau wusste, dass sie den Mund zu voll genommen hatte.

„Ja. Nächstes Wochenende“, erklärte sie spontan. Sie würde Thad und ihren fünf Brüdern beweisen, dass sie ihr unrecht taten.

Wer A sagt, muss auch B sagen, dachte Thad.

„Und dieser Ausflug“, fuhr sie selbstgefällig fort, „wird Chris alle Abenteuer und körperlichen Herausforderungen bieten, die ein Junge in seinem Alter braucht.“

„Unsinn. Sie fährt nicht mit ihm zum Zelten“, sagte Joe Hart.

Thad wartete einen Moment, als die Kellnerin das Bier und die Erdnüsse an ihren Tisch brachte. Dann erzählte er den Hart-Brüdern den Rest der Unterhaltung, die er mit ihrer dickköpfigen Schwester geführt hatte.

„Janey war noch nie ein Outdoor-Fan“, bemerkte Joe kopfschüttelnd.

Thad trank einen Schluck Bier. „Sie hat aber gesagt, dass sie mit Chris zum Zelten fährt.“

„Hat sie auch gesagt, wohin?“

Thad nickte. „Lake Pine.“ Der Nationalpark lag eine gute Autostunde entfernt.

Mac Hart runzelte die Stirn. „Der Pfad um den See ist leicht zu gehen, aber um diese Jahreszeit ziemlich anstrengend. Heiß und stickig.“

Fletcher stimmte zu. „Ganz zu schweigen von den vielen Mücken.“ Er schüttelte den Kopf. „Soll es ab morgen nicht regnen?“

Joe konnte auch nicht verstehen, warum Janey den sportlichen Ehrgeiz ihres Jungen nicht unterstützen wollte. „Vielleicht ist es genau das, was sie braucht. Eine schlechte Erfahrung am Lake Pine. Hinterher wird sie vielleicht endlich einsehen, dass ein paar Runden auf der Eisbahn gar nicht so schlecht sind.“

Dem konnte Thad nur zustimmen. Aus seiner Sicht gab es keinen besseren Lehrer als die eigenen Erfahrungen. Besonders die schlechten Erfahrungen. Andererseits war er selbst schon beim Zelten in ein Unwetter geraten. So etwas würde er Janey und ihrem Sohn sicher nicht wünschen. „Ihr wollt doch damit nicht sagen, dass sie mit Rucksack und Zelt losziehen würde, wenn sich ein Gewitter ankündigt“, sagte er nach einer Weile.

Die Hart-Brüder tauschten vielsagende Blicke und zuckten die Achseln. „Sie ist ein Dickkopf, wenn sie etwas beweisen will“, erklärte Cal. „Aber ich wette trotzdem zehn zu eins, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit die Parkherberge aufsucht.“

Eigentlich ging Thad die Sache nichts an. Wenn Janeys Brüder zusehen wollten, wie sie ihre Fehler machte, dann sollte er sich ihnen anschließen. Erst recht, wenn dabei herauskam, dass sie Chris am Ende erlaubte, seinen Traum zu verfolgen. Doch sosehr er auch versuchte, das Problem beiseitezuschieben, das Bild einer großen, schlanken Frau mit braunem Haar und bernsteinfarbenen Augen wollte sich einfach nicht verdrängen lassen.

2. KAPITEL

Als Janey mit den Rucksäcken ins Wohnzimmer kam, prüfte Chris schon zum zehnten Mal an diesem Morgen, ob nicht doch eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter war. Dann blickte er aus dem Fenster zum Briefkasten. „Ich sehe noch mal schnell nach, ob wir Post bekommen haben.“

Janey seufzte, als sie ihm nachblickte. Sie wusste, worauf ihr Sohn so dringend wartete. Auf eine Antwort von seinem Trainer.

Eigentlich hatte sie geglaubt, dass er nach zwei Jahren den Tod seines Vaters verarbeitet hatte. Und dass er wie sie die Tatsache akzeptiert hatte, dass sie in Zukunft nur noch zu zweit sein würden. Doch der Umstand, dass er Thad Lantz praktisch als Helden verehrte und sich derart vertrauensvoll an ihn gewandt hatte, belehrte sie eines Besseren.

Ihr Sohn wollte einen Mann in seinem Leben, den er bewundern und dem er vertrauen konnte wie seinem Vater. Und er schien genau zu wissen, wer diese Aufgabe übernehmen sollte: Thad Lantz. Wodurch Janey in eine sehr unangenehme Situation geriet, auch wenn sie Thad attraktiv fand.

Umso wichtiger war dieser Ausflug in den Nationalpark. Sie wollte, dass Chris gut gelaunt war, wenn sie ihm mitteilte, dass er dieses Jahr nicht am Sommercamp des Eishockeyclubs teilnehmen konnte. Und sie wollte keinen von ihren Brüdern bei diesem Gespräch dabeihaben.

Als Chris kurze Zeit später das Gepäck in den Minivan lud, war der Himmel hellgrau mit einigen dunkleren Wolken dazwischen. „Sieht nach Regen aus“, bemerkte er skeptisch. „Wollen wir wirklich zelten? Dazu hattest du früher doch nie Lust. Dad und ich waren meist allein.“

Sie ignorierte seine letzte Bemerkung. „Ich habe mir vorhin den Wetterbericht angesehen. Der Regen zieht östlich von Lake Pine vorbei. Wir müssten eigentlich trocken bleiben.“

Thad hatte für das Wochenende noch keine Pläne gemacht. Warum also sollte er nicht nach Lake Pine fahren? Bei schönem Wetter würde er auf den See hinausfahren und angeln. Und wenn das Wetter nicht hielt, konnte er vom Restaurant aus die Aussicht genießen und sich für den Fall bereithalten, dass seine Hilfe gebraucht wurde. Daher buchte er ein Zimmer in der Herberge.

Schon auf halber Strecke setzte heftiger Regen ein. Als Thad am späten Nachmittag an der Rezeption des Parks hielt, regnete es immer noch sintflutartig. Es überraschte ihn nicht, dass sich in dem flachen Betonbau außer dem uniformierten Ranger niemand aufhielt. Hätte Thad nicht das Gefühl gehabt, dass er durch sein Verhalten Janey zu einer überstürzten Wanderung zum denkbar falschesten Zeitpunkt animiert hatte, wäre er auch nicht hier.

Der Ranger blickte von seinem Schreibtisch auf.

„Hallo. Ich bin Thad Lantz.“ Er streckte ihm die Hand entgegen.

„Ich kenne Sie.“ Der Ranger schüttelte ihm erfreut die Hand. „Sie sind Coach beim Carolina Storm. Letztes Jahr lief es ja richtig gut. Was meinen Sie, erreichen Sie dieses Jahr den Stanley Cup?“

Thad lächelte. Dass dieser Mann ein Fan war, würde die Sache erleichtern. Normalerweise nutzte er seine Bekanntheit nicht für persönliche Interessen aus. Heute war eine Ausnahme.

„Es gibt berechtigte Hoffnungen. Gewissermaßen bin ich sogar deswegen hier. Die Familie eines unserer Spieler ist dieses Wochenende mit dem Rucksack hier draußen unterwegs. Janey Hart Campbell und ihr Sohn Christopher. Nun machen sich alle ein bisschen Sorgen wegen des Wetterumschwungs. Und da ich sowieso hierher wollte, habe ich angeboten, dass ich mich nach den beiden erkundige.“

Der Ranger zögerte. „Solche Informationen dürfen wir eigentlich nicht weitergeben. Sie verstehen.“

Thad nickte ernst. Diese Vorschriften waren absolut einleuchtend. Und er hätte den Ranger auch nie danach gefragt, wenn Janey ihn gestern nicht so sehr angerührt hätte. Außerdem fühlte er sich mit verantwortlich, weil er das Gespräch mit ihr ohne eine befriedigende Lösung abgebrochen hatte. Das kannte er von sich gar nicht.

Normalerweise war er ein verantwortungsvoller Mensch und daran gewöhnt, mit allen möglichen Charakteren umzugehen. Er hätte darauf bestehen müssen, selbst mit Chris über das Sommercamp zu sprechen. Und wenn er dem Jungen auch nur gesagt hätte, dass er nichts für ihn tun konnte. Stattdessen hatte er das Problem in der Schwebe gehalten, um einen Vorwand zu haben, Janey wiederzusehen.

„Aber unter diesen Umständen kann ich Ihnen wohl erzählen, dass die beiden vor drei Stunden ungefähr hier waren und sich auf den Weg um den See gemacht haben“, fuhr der Ranger fort.

„Vor drei Stunden hat es noch nicht geregnet“, überlegte Thad. „Meinen Sie, die beiden haben ihren Zeltplatz noch vor dem Unwetter erreicht?“

Der Ranger schüttelte den Kopf. „Bis dahin geht man gute vier Stunden. Ohne Gepäck. Und hier regnet es jetzt seit mindestens einer Stunde.“

Als die Tür aufging, drehten sich die beiden Männer gleichzeitig um. „Wenn man vom Teufel spricht.“ Der Ranger grinste.

Janey und Christopher sahen aus, als hätten sie ein Bad im See genommen. Und dennoch fiel Thad als Erstes auf, wie aufregend schön Janey war. Trotz der durchnässten Kleidung und dem tropfnassen Haar.

„Coach Lantz hat euch zwei schon gesucht.“

Janey tauschte einen schnellen Blick mit Thad, während Chris ihn mit offenem Mund anstarrte.

Autor

Cathy Gillen Thacker
Cathy Gillen Thackers erster Schreibversuch war eine Kurzgeschichte, die sie in der Mittagsstunde ihrer Kinder zu Papier bringen wollte. Monate später war ihre Kurzgeschichte auf Buchlänge angewachsen und stellte sich als Liebesroman heraus. Sie schrieb sechs weitere Romane, bevor ihr achter von einem Verlag angenommen und 1982 veröffentlicht wurde.

Seitdem hat...
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