Romana Gold Band 73

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  • Erscheinungstag 27.01.2023
  • Bandnummer 73
  • ISBN / Artikelnummer 9783751517553
  • Seitenanzahl 444
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Carole Mortimer, Sabrina Philips, Julia James

ROMANA GOLD BAND 73

1. KAPITEL

Nach dem ersten Akt zogen die beiden Mädchen sich hastig für ihren nächsten Auftritt um.

„Hast du gesehen, wer heute im Parkett sitzt?“, fragte Vanda aufgeregt.

„Wer denn?“ Merry war ziemlich desinteressiert. Natürlich ging oft das Gerücht um, ein berühmter Theaterdirektor oder dergleichen besuche die Vorstellung. Meistens blieb es bei einem Gerücht. Bei diesem Stück war schon gar nicht mit hohem Besuch zu rechnen – es würde sicherlich noch in dieser Woche von der Bühne verschwinden. Ein Dutzend unerfahrener Schauspieler stolzierten in grässlicher Kleidung und grellgefärbten Perücken über die Bühne. Merrys Haartracht war pink! Die Dialoge waren einfach idiotisch. Niemand konnte sich dafür interessieren, nicht einmal die Schauspieler selbst waren richtig bei der Sache.

„Gideon Steele!“, trumpfte Vanda auf. Sie trug jetzt enge Lederhosen und ein knappes Lederoberteil, dazu eine enorme orange Perücke über ihrem blonden Haar.

„Rede keinen Unsinn!“

Merry legte gerade ähnliche Kleidung an. Sie hasste dieses Kostüm, weil es so viel nackte Haut zeigte. Nach den aufreibenden Proben hätte diese Aufführung sich endlich auszahlen sollen, doch im Grunde war Merry froh, dass es nun bald vorbei sein würde. Wenn Harry Anderson, der Autor und steinreich, sein Stück nicht selbst finanziert hätte, wäre es gewiss nie gespielt worden. Das bewies wieder einmal, dass man jeden Blödsinn aufführen konnte, wenn man genügend Geld besaß.

Die Kritiken waren vernichtend gewesen. Harry musste aufgeben. Nicht einmal er konnte den Wunsch haben, vor leerem Saal zu spielen. Merry jedenfalls würde bald wieder zum großen Heer arbeitsloser junger Schauspieler gehören.

Die Behauptung, Gideon Steele befände sich im Publikum, war jedenfalls absurd. Er hatte erst letztes Jahr einen Oscar als bester Filmregisseur gewonnen. Kollegen und Kritiker waren gleichermaßen von ihm begeistert. Niemals würde Gideon Steele sich ein Theaterstück wie dieses ansehen. Außerdem war er Film- und nicht Bühnenregisseur.

„Harry sagt, er sieht gut aus“, verriet Vanda.

„Wunschdenken.“ Merry verzog das Gesicht. „Komm jetzt, der zweite Akt fängt gleich an.“

„Okay. Aber wirf mal einen Blick in die erste Reihe. Ich habe ihn bisher nur im Fernsehen gesehen, letztes Jahr bei der Preisverleihung. Ich vergesse nie einen gutaussehenden Mann“, schwärmte Vanda, „und Gideon Steele ist wirklich ein hübscher Teufel. Er ist hinreißend! Deine Wimperntusche ist verschmiert“, fügte sie nüchtern hinzu. „Gott, ist dieses Make-up grässlich!“

Das stimmte. Um im Scheinwerferlicht nicht totenblass auszusehen, müssen die Schauspieler stark geschminkt auftreten. Vanda und Merry spielten zwei Showgirls, und ihr Augen-Make-up wirkte bei normaler Beleuchtung geradezu grotesk.

Der zweite Akt kam genauso schlecht an wie der erste. Einige Leute standen auf und gingen. Nicht so der Mann in der ersten Reihe. Merry konnte ihn jetzt deutlich erkennen. Er war dunkelhaarig und trug eine Brille mit getönten Gläsern. Aufmerksam, doch scheinbar nicht übermäßig interessiert verfolgte er die Darbietung.

„Hast du ihn gesehen?“, fragte Vanda aufgeregt, als sie sich für den dritten und letzten Akt umzogen.

„Ich habe einen Mann gesehen“, bestätigte Merry. „Doch so wie der sein Gesicht versteckt, könnte es jeder sein.“

Vanda kicherte. „Du würdest sicher auch dein Gesicht verstecken, wenn du Gideon Steele wärest, der sich ein solches Stück ansieht.“

„Wenn er Gideon Steele ist.“

„Er ist es“, ertönte Harrys Stimme hinter ihnen.

Vanda fuhr herum. „Wirklich?“ Ihr hübsches Gesicht strahlte auf unter der dicken Schminke. „Er ist es wirklich?“ Sie packte Harry am Arm.

„Ja, Darling, er ist es.“ Vorsichtig befreite er sich aus Vandas Griff. Der hübsche blonde Harry trug einen dunklen Abendanzug und hatte einen weißen Seidenschal lässig umgelegt. Seine Züge waren ebenmäßig, fast schon zu perfekt. „Aber er ist nicht gekommen, um dich zu sehen“, informierte er Vanda. „Er ist wegen Merry hier.“

„Meinetwegen?“ Merry schnappte nach Luft. „Wieso meinetwegen?“

„Nun, er nahm mich zur Seite und bat mich, ihm zu zeigen, wer Meredith Charles sei. Er behauptet, ihr seht alle gleich aus“, fügte Harry etwas gekränkt hinzu.

Merry war fassungslos. „Aber warum sollte er wünschen, mich zu sehen?“

„Darling, gebrauche doch deinen Verstand“, stöhnte Harry in seiner affektiertesten Tonart. „Er bereitet seinen nächsten Film vor. Vielleicht liegt eine Rolle für dich drin.“

„Darf ich Sie auf meine Regiecouch bitten!“, witzelte Vanda. „Ein solcher Mann könnte mich vielleicht dazu überreden.“

„Wirklich, Darling!“ Harry war entsetzt. „Beweis doch ein wenig Klasse! Und du, Darling, mach einen guten Eindruck“, wandte er sich an Merry.

„Mach einen guten Eindruck, Darling“, imitierte ihn Vanda, als er gegangen war. „Weißt du, warum er uns alle Darling oder Schätzchen nennt?“

„Warum?“

„Weil er unsere Namen nicht behalten kann.“

„Wer kann das nicht?“

„Harry. Hey, hörst du mir überhaupt zu?“

„Es tut mir leid. Ich war nur … ich kann einfach nicht glauben, dass Gideon Steele mich sehen will.“

„Fantastisch, nicht wahr?“, rief Vanda neidlos.

Bei ihrem nächsten Auftritt war Merry sehr nervös. Zu deutlich war sie sich der Anwesenheit Gideon Steeles bewusst. Sie konnte ihn jetzt besser erkennen, das scharfgeschnittene, tiefgebräunte Gesicht, die gerade Nase. Die Augen verbarg er immer noch hinter den getönten Gläsern. Merry war überzeugt, dass die Augen eines Menschen Spiegel seiner Seele sind. Ohne einen Blick auf seine Augen zu werfen, konnte sie diesen Mann nicht einstufen. Doch der spöttische Zug um seinen Mund stimmte sie ahnungsvoll.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Theater bereits ziemlich geleert. Zum Schluss applaudierten etwa ein halbes Dutzend Leute. Gideon Steele gehörte nicht dazu. Noch bevor der Vorhang fiel, hatte er sich erhoben und trat durch eine Tür in die Kulisse.

„Wunderbar, ihr wart wundervoll!“, jubelte Harry begeistert, als sie die Bühne verließen.

„Es ist dir vielleicht entgangen, Harry, dass das verdammte Theater so gut wie leer war, als der Vorhang fiel“, bemerkte einer der männlichen Schauspieler bissig.

„Genau!“, schrie Harry. „Das ist genau die Reaktion, die ich haben wollte.“

„Idiot“, zischte Vanda.

„Ich weiß gar nicht, wieso ihr euch alle beschwert.“ Harry war eingeschnappt. „Ihr habt doch nichts zu verlieren …“

„Außer ihren Ruf als Schauspieler“, ertönte eine dunkle Stimme spöttisch.

„Gideon!“ Harry lächelte breit. „Mein Lieber! Wie hat es Ihnen gefallen?“

Neugierig betrachtete Merry den Hinzugekommenen. Er war größer als die anderen anwesenden Männer, auch älter. Sein Haar war fast schwarz und fiel ihm lässig zurückgekämmt bis über den Kragen. Der ganze Mann strahlte Kraft und Vitalität aus.

Jetzt blickte er Harry an, ohne zu lächeln. „Es war absoluter Mist“, erklärte er geradeheraus. „Und das ist noch höflich ausgedrückt.“

Harry stand der Mund offen. Ein gequälter Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Aber Gideon …“

„Und wer hat Ihnen überhaupt erlaubt, mich so vertraulich anzureden?“, fragte Gideon unfreundlich. „Für das, was Sie heute dem Theater angetan haben, sollte man Sie bestrafen!“

Einige der Schauspieler konnten sich ein Lächeln nicht verkneifen. Anders Merry. Sie wusste, dass das Stück entsetzlich war. Sie alle waren verrückt gewesen, überhaupt darin aufzutreten. Ohne sein vieles Geld hätte Harry diesen Unfug niemals auf die Bühne gebracht.

Doch das gab Gideon Steele nicht das Recht, Harry in aller Öffentlichkeit zu verletzen und zu beleidigen. Es war unfair. Fast hatte Merry den Eindruck, das Gideon es genoss.

„Ich nehme an, jeder musste am Anfang seiner Laufbahn ein paar Fehlschläge in Kauf nehmen“, sagte sie. „Selbst Sie, Mr. Steele.“

Einiges von dem, was sie über Gideon Steele gelesen hatte, war ihr wieder eingefallen. Heute war er zwar berühmt, aber vor fünfzehn Jahren hatte er einen Film gedreht, der ein absolutes Desaster war. Danach hatte er Schwierigkeiten, für weitere Filmprojekte die Finanzierung zu sichern. Er hatte fünf Jahre gebraucht, um seine Fähigkeiten zu beweisen. Jetzt zählte er schon lange zu den Großen seines Fachs.

Gideon Steele sah sie an. Alle schwiegen plötzlich. „Gut gekontert, Miss …?“

„Charles.“

„Meredith Charles?“

„Ja.“

Wütend wandte er sich zu Harry. „Sie haben doch gesagt, es sei die mit den orangefarbenen Haaren!“

Harry fühlte sich unbehaglich. „Habe ich nicht pink gesagt? Macht es denn einen Unterschied?“ Er zuckte die Achseln.

Der andere beherrschte sich. „Im Moment nicht“, seufzte er. „Ich mochte mit Ihnen sprechen, Miss Charles“, sagte er ungeduldig.

Das Interesse der Umstehenden vertiefte sich, während Merry errötete. Er wollte doch wohl nicht vor versammelter Mannschaft mit ihr sprechen? Offenbar dachte er genauso, denn er nahm sie beim Arm und führte sie in den Gang, der zu den Garderoben führte.

Merry schüttelte seine Hand ab. Neugierige Blicke beobachteten sie. Vielleicht bezweifelten einige ihrer Kollegen Mr. Steeles rein berufliches Interesse an ihr? Sie selbst hatte auch Bedenken. Außerdem hatte er sie nicht einmal erkannt, sondern sie mit Vanda verwechselt.

Jemand drängte sich an ihnen vorbei und brachte Gideon Steele für einen Moment aus dem Gleichgewicht. Merry fand sich von seinem harten Körper an die Wand gedrückt.

„Verflixt“, murmelte er. „Hier können wir uns unmöglich unterhalten. Gehen Sie sich umziehen, ich werde draußen auf Sie warten.“ Er schob seine Brille zurecht. „Machen Sie schnell.“

„Mr. Steele!“ Ihr ärgerlicher Ausruf hielt ihn zurück.

„Ja?“

„Ich bin sicher, dass Sie ein ausgezeichneter Regisseur sind …“

„Sie überraschen mich“, spottete er. „Nachdem Sie in diesem miesen Stück aufgetreten sind.“

Merrys grüne Augen sprühten Feuer. „Ich muss Miete zahlen, Mr. Steele. Wenn ein Auftritt in einem solchen Stück die einzige Möglichkeit ist, dann tue ich es!“

Sein Mund verzog sich höhnisch. „Dann mussten Sie ziemlich verzweifelt gewesen sein.“

„Nicht verzweifelt genug, um mich mit Ihnen zu treffen, wenn ich umgezogen bin. Natürlich habe ich schon von Gideon Steele gehört. Harry scheint überzeugt zu sein, dass Sie der kommende Mann sind. Doch wir alle hier halten nicht allzu viel von Harrys Urteil.“

„Dabei haben Sie ihn erst vor wenigen Minuten so tapfer verteidigt.“

„Sie waren unverschämt zu ihm!“

„Er verdient es nicht besser. Wenn es nach mir ginge, würde man ihn nie wieder in die Nähe eines Theaters lassen.“

Wider Willen musste Merry lächeln. „Das wird wohl auch so kommen.“

„Hoffentlich“, stimmte er zu. „Wenn Sie mir also nicht glauben, dass ich Gideon Steele bin, wer bin ich dann?“

„Ich habe keine Ahnung.“

„Aber Sie wollen auch nicht die Gelegenheit wahrnehmen, es herauszufinden?“

Merry hielt seinem Blick stand. „Nein!“

„Also brauche ich jemanden, der für mich bürgt?“

„So weit brauchen Sie nicht zu gehen“, stotterte sie. „Vielleicht könnten wir uns morgen irgendwo treffen?“

Er seufzte ungeduldig. „Bei Tageslicht wäre Ihnen in meiner Gesellschaft also wohler?“

„Ich würde mich am wohlsten fühlen, wenn ich Sie niemals wiedersähe“, erklärte Merry unfreundlich. „Allerdings, falls Sie wirklich Gideon Steele sind, wäre ich ein Dummkopf, Ihnen nicht wenigstens zuzuhören.“

„Genauso ist es.“ Er nickte sarkastisch. „In Ordnung, wir treffen uns morgen. Wo?“

Merry zögerte. Schließlich war sie nicht von gestern. Freunde hatten ihr schon zu viele Geschichten erzählt von Männern, die Mädchen plötzlichen Ruhm versprachen. Allzu oft war es ein fauler Trick. Merry war nicht so dumm, sich spätabends mit einem wildfremden Mann zu treffen.

„Das Ritz“, schlug sie möglichst leichthin vor. „Zum Mittagessen.“

Spöttisch sah er auf sie herab. „Um eins?“

„Sehr gern“, nickte sie.

Plötzlich fühlte sie sich entsetzlich müde. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen …“

„Meredith!“ Eine kräftige Hand packte sie am Arm. Merry sah auf. Ihr Herz schlug plötzlich schneller.

„Ja?“

„Lassen Sie mich nicht sitzen“, verlangte er in sanfterem Ton. „Es ist wichtig.“

„In Ordnung.“ Sie nickte. „Gute Nacht.“

Als sie zu ihrer Garderobe ging, drehte sie sich nicht mehr um, obwohl sie es sehr gern getan hätte.

„Nun?“, drängte Vanda ungeduldig, als Merry die Garderobe betrat. Vanda hatte inzwischen die scheußliche Perücke abgelegt und sich abgeschminkt. Sie war ein hübsches blondes Mädchen mit klarem Teint und strahlend blauen Augen.

„Hat er dir eine Rolle in seinem nächsten Film angeboten?“

„Bisher nicht.“

Vanda runzelte die Stirn. „Was soll das heißen?“

„Ich weiß es nicht“, gestand Merry. „Es ist halb zwölf Uhr nachts, viel zu spät, um über irgendetwas ernsthaft zu reden. Außerdem bin ich total erschöpft. Wir haben uns für morgen verabredet“, fügte sie hinzu, denn sie wusste, dass Vanda mit ihrer Fragerei nicht nachlassen würde. „Zum Lunch.“

Merry sank auf den Stuhl vor ihrem Frisierspiegel. Mit einem erleichterten Seufzer nahm sie die schwere Perücke ab. Sie zog die Nadeln aus ihrem schwarzglänzenden Haar und ließ es offen über den Rücken fallen. „Uff.“ Sie entfernte die falschen Wimpern und begann sich abzuschminken.

„Klingt vielversprechend.“ Vanda saß mit gekreuzten Beinen auf dem alten Sofa. Die beiden anderen Mädchen hatten das Theater bereits verlassen.

„Hm, er sagte, es sei sehr wichtig“, verriet Merry.

„Selbst wenn es nur eine kleine Rolle ist …“

„Das ist es bestimmt.“ Jetzt, in ihren eigenen Jeans und der schicken Bluse, fühlte Merry sich bedeutend wohler.

„Aber für Gideon Steele zu arbeiten …“

„Wenn er überhaupt Gideon Steele ist.“ Merry nahm ihre Handtasche. „Fertig?“

Gemeinsam machten die beiden Mädchen sich auf den Weg zur U-Bahn.

„Du zweifelst daran?“

„Nun, Harry ist wohl kaum ein zuverlässiger Zeuge“, brummte Merry.

„Aber es war Gideon Steele! Diesen großartigen, schwarzhaarigen, blauäugigen, vierunddreißig Jahre alten Junggesellen gibt es nur einmal.“

„Du weißt ja allerhand über ihn.“

„Eigentlich nicht“, lächelte Vanda. „Sein Vater ist Samuel Steele. Ihm gehört eine der großen Fluggesellschaften. Leider habe ich vergessen welche. Oh nein, ich bin nicht an seinem Vater interessiert“, versicherte sie hastig auf Merrys Blick hin.

„Natürlich nicht.“

Nebeneinander nahmen sie in der U-Bahn Platz. „Er ist reich“, fuhr Vanda fort.

„Der Vater oder der Sohn?“

„Beide. Der Vater ist vermögend, doch Gideon hat es inzwischen auch zu sehr viel Geld gebracht. Seine Filme sprechen für sich.“

Das taten sie wirklich. Nach jenem ersten jugendlichen Missgriff war jeder seiner Filme auf seine Art ein Meisterwerk geworden. Den Oscar im letzten Jahr hatte Gideon Steele wirklich verdient. Wenn Merry wirklich in einem seiner Filme eine Rolle bekommen sollte, wäre das für ihre Karriere von entscheidender Bedeutung. Diesmal musste es aufwärtsgehen! Je eher Harrys Theaterstück abgesetzt und vergessen war, desto besser.

Vanda war der gleichen Ansicht. „Na, zumindest hast du eine Chance“, erklärte sie ein bisschen niedergeschlagen. „Ich werde ab morgen wieder zu den arbeitslosen Schauspielern gehören.“

„So bald schon?“

„Vielleicht hast du nicht bemerkt, dass die Kritiker als Erste den Saal verlassen haben. Morgen früh werden alle Zeitungen von Harry Andersons bisher größtem Reinfall berichten.“

So kam es dann auch. Die Kritiken zerfetzten Harry und sein Stück in der Luft. Auch für keinen der Darsteller hatten sie ein lobendes Wort. Glücklicherweise wurde allerdings auch niemand beim Namen genannt.

„Mr. Anderson hat sich entschlossen, eine Kreuzfahrt auf seiner Yacht zu unternehmen. Für unbestimmte Zeit“, wurde ihnen mitgeteilt, als sie am nächsten Morgen zur Probe erschienen. Alle Mitwirkenden wurden ausgezahlt und standen wieder auf der Straße.

Für ihre Lunchverabredung kleidete Merry sich mit besonderer Sorgfalt. Sie wollte einen guten Eindruck machen, denn in Schauspielerkreisen ging tatsächlich das Gerücht um, er sei auf der Suche nach Darstellern für seinen nächsten Film.

Merry bereute, in ihrer Überheblichkeit das Ritz als Treffpunkt gewählt zu haben. In diesem Hotel mit all seinem Pomp und Snobismus fühlte sie sich überhaupt nicht wohl, aber als sie an Gideon Steeles Tisch in der großen Lounge geführt wurde, war von ihrer Nervosität nichts zu merken. In ihrem roten Kostüm mit engem Rock und legerem Oberteil war sie so elegant wie jede andere Frau im Saal.

Er stand auf, um sie zu begrüßen. Merry bewunderte seinen maßgeschneiderten Anzug und die geschmackvolle Krawatte. Heute trug Gideon keine Sonnenbrille. Seine Augen unter dichten Wimpern waren von einem intensiven Blau. Er sah gut genug aus, um Star in einem seiner Filme zu sein.

Wenn Merry von seinem Aussehen verhalten überrascht war, so gab Gideon seinem Erstaunen offen Ausdruck.

„Meine Güte …“ Überwältigt starrte er sie an, als sie Platz nahm. „Gestern dachte ich, das wären Ihre eigenen Haare!“

„Pink?“, fragte sie mit spöttisch gehobener Braue.

Er zuckte die Schultern. „Es wäre möglich. Heutzutage scheinen die Frauen sich ihre Haare passend zur Kleidung zu färben.“

„Ich trage niemals schwarz“, teilte Merry ihm mit. „Aber mein Haar behält diese Farbe.“

„Und grüne Augen.“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist unglaublich.“

Verblüfft sah sie ihn an. „Daran ist doch nichts Unglaubliches.“

„Oh doch“, nickte er. „Gehen wir essen, und Sie erzählen mir alles über sich.“

„Es gibt nicht viel zu erzählen.“

„Dennoch möchte ich es hören.“ Er erhob sich und trat an ihre Seite. Gemeinsam gingen sie in den Speisesaal. Merry war noch niemals hier gewesen. Sie fand alles sehr elegant und aufregend.

In den nächsten fünfzehn Minuten berichtete sie, was sie seit ihrem Schulabschluss vor vier Jahren gemacht hatte. Zwischendurch wurde von diskreten Kellnern ein köstliches Essen serviert.

„Und Ihre Familie?“

„Ist das notwendig?“

Merry sah nicht ein, was ihre Familie mit einer Rolle in seinem nächsten Film zu tun haben könnte. Doch nachdem sie ihn am Abend zuvor so unhöflich behandelt hatte, wollte sie ihn nicht noch einmal verstimmen. Sie würde alles tun … nein, nicht ganz …

„Irgendetwas Merkwürdiges?“, fragte er. Gideon Steele schien sich in dieser Umgebung völlig wohl zu fühlen. Mit gelassener Selbstverständlichkeit genoss er das gute Essen, den ausgezeichneten Service und auch die weibliche Bewunderung um ihn herum.

Er erregte einiges Aufsehen. Sämtliche Damen, ob jung oder alt, schienen seine sinnliche Ausstrahlung zu spüren. Auch Merry wurde sie mit jedem Schluck Wein deutlicher bewusst.

„Eigentlich nicht.“ Sie lächelte. „Es war sehr freundlich von Ihnen, sich hier mit mir zu treffen. Ich muss Ihnen gestern ziemlich unverschämt vorgekommen sein.“

„Möglich“, entgegnete er gleichgültig. „Sie wollten mir von Ihrer Familie erzählen.“

Merry sah ihn über den Rand ihres Glases an. „Was wollen Sie wissen?“

Aufmerksam beugte er sich vor. „Alles.“

„Das meinen Sie doch nicht ernst?“, lachte sie.

„Meine liebe Miss Charles“, erwiderte er mit schlecht verborgener Ungeduld, „ich sage oder tue niemals etwas, was ich nicht ernst meine.“

„Wie klug von Ihnen“, spottete sie.

„Ja.“

„Wissen Sie nicht, dass es sehr leichtsinnig ist, eine Schauspielerin aufzufordern, alles über sich zu erzählen?“, fragte Merry belustigt. „Ich könnte ja stundenlang reden.“

„Das Risiko nehme ich auf mich.“

„Okay.“ Merry seufzte. „Ich habe ein ganz normales Leben mit ganz normalen Eltern verbracht.“

„Das war wohl kaum ein stundenlanger Vortrag“, knurrte er.

„Es tut mir leid, aber genauso war es. Ich hatte bisher ein recht ereignisloses Dasein. Tatsächlich ist die Begegnung mit Ihnen das Aufregendste, was mir bisher passiert ist“, fügte sie hinzu und sah ihn aus großen Augen an.

Er erwiderte ihren Blick recht skeptisch. „Ich brauche keine Schmeicheleien, Miss Charles“, erklärte er gelassen. „Besonders dann nicht, wenn sie unaufrichtig sind.“

Merry errötete, er hatte sie durchschaut. So viel also war ihre Schauspielkunst wert! Er hatte recht, sie hatte es nicht aufrichtig gemeint. Eine innere Stimme warnte sie vor diesem Mann. Er war gefährlich. Vielleicht lag es nur an der Art, wie er sie ansah. Diese unbeschreiblich blauen Augen hatten etwas Beunruhigendes. In seiner Gegenwart würde sie sich niemals völlig entspannen können, das spürte sie genau. Obwohl sie nichts zu verbergen hatte, war sie auf der Hut.

Merry schüttelte den Kopf. „Mein Vater wohnt in Bedfordshire. Meiner Arbeit wegen bleibe ich in London.“

„Und Ihre Mutter?“

Ein schmerzlicher Zug trat auf ihr Gesicht. „Sie ist vor zwei Jahren gestorben.“

Gideon Steele nickte nachdenklich. „Ich war sicher, dass kein Irrtum vorliegt. Als ich Sie heute wiedersah, ohne diese scheußliche Perücke und das groteske Make-up, wusste ich, dass Harrington sich nicht getäuscht hat. Doch ich musste ganz sicher sein.“

„Wieso sicher?“, fragte Merry irritiert. „Und wer ist Harrington?“

„Das ist jetzt nicht wichtig“, überging er ungeduldig ihre Frage. „Wichtig ist nur, dass Anthea Sie so bald wie möglich sieht.“

„Wer ist Anthea? Hat sie mit der Besetzung zu tun?“

„Seien Sie nicht albern. Anthea ist …“ Er unterbrach sich. „Was glauben Sie, weshalb ich Sie heute sehen wollte?“, fragte er langsam.

„Nun, es heißt, dass Sie nach Darstellern für Ihren nächsten Film suchen, und da …“

„Sie haben angenommen, ich wolle Sie engagieren?“, fragte er entsetzt.

Merry wurde rot. „Warum sonst sollten Sie mich sehen wollen?“

„Wegen Ihrer Mutter. Lieber Himmel, Mädchen, vielleicht sind Sie tatsächlich eine großartige Schauspielerin. Aber ich habe Sie nur in Andersons entsetzlichem Stück gesehen. Danach kann ich das wirklich nicht beurteilen.“

„Ich habe auch in anderen Stücken gespielt“, verteidigte sie sich hitzig. Merry war schwer enttäuscht. Nun wollte er ihr also doch keine Rolle anbieten! „Und was hat meine Mutter damit zu tun? Ich habe Ihnen doch gesagt, sie ist tot.“ Ihre Stimme zitterte.

„Sie haben mir gesagt, dass Sarah Charles tot ist.“

„Das ist meine Mutter. Wieso kennen Sie ihren Namen?“ Das war Merry sehr verdächtig. „Ich habe ihn nicht genannt.“

„Ich kannte ihn bereits. Ich weiß auch, dass Ihr Vater Malcolm heißt, dass Sie am vierzehnten April vor zwanzig Jahren geboren wurden und einen Freund namens David hatten …“

„Woher wissen Sie all das?“, schrie Merry aufgebracht. Ihr Glas landete hörbar auf der Tischplatte. Die neugierigen Blicke um sich herum bemerkte sie nicht. „Wozu müssen Sie das alles überhaupt wissen? Sie haben kein Recht, sich in meine Privatangelegenheiten zu mischen!“

„Ich habe jedes Recht dazu“, erklärte er bestimmt. „Sehen Sie, ich bin Ihr Stiefbruder. Ihre Mutter ist mit meinem Vater verheiratet.“

Merry wurde blass. „Meine Mutter ist tot“, flüsterte sie. „Das habe ich doch gerade gesagt.“

Gideon wurde langsam ungeduldig. „Ich meine Ihre richtige Mutter.“

„Richtige Mutter?“ Merrys Stimme kippte über. „Ich weiß nicht, was Sie meinen!“

„Vielleicht sollten wir von hier verschwinden und einen Ort suchen, wo wir ungestörter reden können.“ Gideon winkte dem Kellner.

Hastig ergriff Merry ihre Handtasche. „Wir haben einander nichts mehr zu sagen.“

„Meredith!“

„Nehmen Sie Ihre Hände von mir!“ Heftig entzog sie sich ihm. „Sie haben mich hier hergelockt unter dem Vorwand, mir eine Rolle in Ihrem Film anbieten zu wollen …“

„Das habe ich nicht“, seufzte er. „Das waren Ihre eigenen falschen Rückschlüsse.“

„Was hätte ich sonst annehmen sollen?“ Ihre grünen Augen sprühten vor Zorn. „Wie konnte ich von Ihrer Spionage wissen?“

„Meredith, Sie müssen mir jetzt zuhören. Anthea möchte Sie sehen.“

„Wer ist Anthea?“, schrie Merry. War dieser Mann vielleicht verrückt?

„Ihre Mutter.“

„Der Name meiner Mutter war Sarah – Sarah Charles!“

Gideon seufzte ärgerlich. „Mit Ihrer Weigerung, die Tatsachen zu akzeptieren, machen Sie alles nur noch schwieriger. Sicher, Sie denken an Sarah Charles als an Ihre Mutter. Ich bin sicher, sie war eine gute Frau. Doch das ändert nichts daran, dass in Wahrheit Anthea, meine Stiefmutter, ihre richtige Mutter ist. Die Charles’ haben Sie adoptiert, als Sie erst ein paar Monate alt waren. Als Kind haben Sie die Tatsache vielleicht nur schwer akzeptieren können. Doch inzwischen müssten Sie sich damit abgefunden haben.“

Merry schüttelte leicht benommen den Kopf. „Sie haben sich in der Person geirrt, Mr. Steele. Ich bin nicht das Mädchen, das Sie suchen. Mein Name ist Meredith Charles und meine Eltern sind Sarah und Malcolm Charles. Aber ich wurde nicht adoptiert.“ Wieder zitterte ihre Stimme.

„Meredith …“

Sie erhob sich. „Ich bin das falsche Mädchen, Mr. Steele“, erklärte sie fest. „Das falsche Mädchen!“

Sie wandte sich ab, stieß mit dem Kellner zusammen, der die Rechnung brachte. Merry murmelte eine Entschuldigung und rannte beinahe hinaus. Gideon konnte ihr nicht folgen, denn er musste zuerst zahlen.

Aber warum sollte er ihr auch folgen? Er hatte die falsche Meredith Charles erwischt. Es musste so sein! Sie war nicht die Tochter einer Frau namens Anthea. Ihre Mutter war Sarah Charles. Sie wusste es!

2. KAPITEL

„Hallo, wie ist es gelaufen, Merry?“, fragte Vanda verdutzt, als Merry an ihr vorbei in ihr Schlafzimmer eilte und die Tür hinter sich zuschlug. „Merry?“ Vanda klopfte beunruhigt. „Ist etwas passiert? War es am Ende doch nur ein Annäherungsversuch von dem Typ?“

Halb benommen saß Merry auf einem Schemel. Ihre Gedanken rasten. Es war ein Irrtum, es musste ein Irrtum sein! Gideon Steele konnte auf gar keinen Fall die Wahrheit gesagt haben.

„Merry, kann ich hereinkommen?“, bat Vanda. Als sie keine Antwort erhielt, öffnete sie sacht die Tür. „Du meine Güte“, rief sie, als sie Merrys blasses Gesicht sah. „Was hat er dir getan, Liebes?“

„Getan? Nichts. Er hat mir nichts getan.“

„Aber warum …“ Die Türglocke klingelte. „Verflixt!“, schimpfte Vanda und ging öffnen.

Ängstlich rief Merry ihr nach: „Ich will ihn nicht sehen. Ich will ihn auf keinen Fall sehen!“

„Schon gut. Ich werde ihm sagen, dass du noch nicht zurück bist. Schließlich bin ich Schauspielerin.“ Mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck zog sie die Schlafzimmertür hinter sich zu.

Merry hörte das Öffnen der Wohnungstür, ein Stimmengemurmel und dann Schweigen. Gott sei Dank, Vanda hatte Gideon Steele abgewimmelt. Merry brauchte jetzt Zeit zum Nachdenken – und um zu vergessen, was er gesagt hatte.

Sie sah nicht auf, als die Schlafzimmertür sich wieder öffnete.

„Danke, Vanda“, murmelte sie. „Weißt du, er hat mir eine verrückte Geschichte erzählt.“

„So verrückt ist die Geschichte nicht, Meredith“, unterbrach sie eine männliche Stimme.

„Sie!“ Entsetzt sah Merry auf. Vanda hatte ihn also doch nicht loswerden können!

„Ja.“ Er seufzte. „Kann ich mit Ihnen sprechen?“

Erstaunlich, dass er überhaupt fragt, dachte Merry bitter. Dieser Mann tut bestimmt nur, was er will. Jedenfalls war sein Benehmen gedankenlos und keineswegs rücksichtsvoll. Gideon Steele hätte sich seiner Fakten versichern sollen, bevor er ihr eine solche Geschichte erzählte. Sie hatte nicht die Absicht, weitere Argumente zu hören.

Anscheinend konnte er ihre Gedanken von ihrem Gesicht ablesen. „Ich glaube, es muss sein, Merry“, sagte er sanft und schloss die Tür hinter sich.

„Falls Sie sich entschuldigen wollen, Mr. Steele …“

Er schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht dafür entschuldigen, dass ich Ihnen die Wahrheit gesagt habe, Meredith. Aber ich entschuldige mich für die Art, in der ich es getan habe. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie von Ihrer Adoption nichts wussten.“

Merry erhob sich und ging nervös auf und ab. „Ich wünschte, Sie würden endlich damit aufhören. Sie haben keine Ahnung, wie sehr Sie sich irren. Ich sehe meinem Vater sehr ähnlich. Schon immer ist diese Ähnlichkeit allen Leuten aufgefallen.“

Die Hände in den Taschen, betrachtete Gideon Steele sie nachsichtig. „Vielleicht waren diese Leute nur freundlich. Vielleicht haben Sie beide auch nur die gleiche Haarfarbe?“ Er zuckte die Schultern. „Ich habe gehört, dass die Adoptionsvermittlungen sich um solche Ähnlichkeit zwischen Adoptiveltern und Kindern bemühen. Jedenfalls sind Sie und Anthea einander unglaublich ähnlich.“

„Ihre Stiefmutter“, stieß Merry hervor.

„Ganz recht. Als Sie heute durch das Restaurant gingen, war mir, als sähe ich Anthea, wie sie vor zwanzig Jahren ausgesehen haben muss.“

„Nun, vielleicht gibt es eine Ähnlichkeit zwischen mir und dieser Frau.“

„Es ist mehr als das. Ich kann Ihnen ein Foto zeigen.“ Er langte in seine Jackentasche.

„Nein! Ich will kein Bild sehen!“ Merry wandte sich ab. „Es würde mich auch nicht überzeugen.“

„Betroffen, Meredith?“

„Ganz bestimmt nicht!“ Sie fuhr herum. Ihre Augen blitzten ihn wütend an. „Es gibt nichts, wovor ich mich fürchten müsste. Die Sache ist ganz einfach. Sie haben sich in der Person geirrt.“

„Nein.“ Gideon fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar. „Meine Güte, ich habe nicht geglaubt, dass es so schwierig sein würde.“

„Was haben Sie denn erwartet? Sie erzählen mir, meine Mutter sei gar nicht meine Muter, eine völlig fremde Frau sei es. Dachten Sie, ich würde das gelassen hinnehmen? Dann sind Sie ein Idiot!“

„Meredith …“, begann er warnend.

„Sie hatten kein Recht, mit einer solchen Geschichte in mein Leben zu platzen“, rief sie wütend. „Wenn ich nun schwache Nerven hätte …“

„Die haben Sie aber nicht“, gab er verärgert zurück.

„Ein Glück für Sie! Wenn ich schwache Nerven hätte, so hätte so ein wildes Märchen mich völlig verwirren können. Wie die Dinge nun einmal liegen, begeben Sie sich am besten zu Ihrem Informanten zurück. Harrington, glaube ich, war der Name. Warum wollen Sie diesen Mädchen überhaupt finden? Ist Ihre Stiefmutter gestorben und hat ihrer Tochter ein Vermögen hinterlassen?“

Gideons Mund verzog sich verächtlich. „Könnte das Sie umstimmen?“

Merry schnappte nach Luft. „Wie können Sie es wagen! Ich habe nicht die geringste Absicht …“

„Beruhigen Sie sich, Meredith. Anthea ist äußerst lebendig. Sie möchte nur gern ihre Tochter sehen.“

„Die sie als Baby fremden Leuten überlassen hat, wie es scheint.“ Merry hatte eine heftige Verteidigung erwartet, doch sie wurde getäuscht. Gideon Steele nickte nur.

„Anthea hat das nie bestritten. Aber seit zwanzig Jahren hegt sie deswegen Schuldgefühle. Sie möchte ihr Kind sehen.“

„Ist ihr nie der Gedanke gekommen, dass ihre Tochter sie vielleicht keineswegs sehen möchte?“

„Anthea möchte ihre Tochter sehen, doch sie hat niemals versucht, das zu erreichen. Meine Stiefmutter weiß nicht, dass ich Sie gefunden habe.“

„Aber Sie haben das falsche Mädchen gefunden. Das sage ich doch dauernd.“ Merry war der Verzweiflung nahe.

Sein Mund bildete eine entschlossene Linie. „Es gibt einen ganz einfachen Weg, diese Frage zu klären, Meredith.“

„Nennen Sie mich Merry“, sagte sie ungehalten. „Was für einen Weg, meinen Sie?“

„Fragen Sie Ihren Vater.“

„Nein!“ Entsetzt starrte Merry ihn an.

„Sie haben Angst.“

„Die habe ich nicht. Aber es ist nicht fair, meinem Vater so etwas zuzumuten. Er hat den Tod meiner Mutter niemals überwunden. Da werde ich ihn nicht fragen, ob er wirklich mein Vater ist.“ Voller Abscheu betrachtete sie Gideon. „Das tue ich ihm nicht an.“

„Dann glauben Sie meinem Wort.“

„Dazu habe ich keine Veranlassung“, erklärte sie kalt. „Warum lassen Sie mich nicht endlich allein?“

„Normalerweise hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, Sie aufzufinden“, erklärte er barsch. „Antheas Vergangenheit geht nur sie selbst etwas an und meinen Vater, falls sie ihm davon erzählen möchte. Doch letztes Jahr hat sie uns beiden von Ihnen erzählt.“

„Warum?“ Merry war verblüfft.

„Wenn Sie nicht ihre Tochter sind, was geht es Sie dann an?“

Sie errötete.

„Sie haben mich in diese Angelegenheit verwickelt. Ich frage also nicht aus Neugier.“

„Wenn Sie nicht die Meredith Charles sind, die ich suche, so gibt es keinen Grund, Sie mit den Einzelheiten vertraut zu machen.“ Er wandte sich zur Tür. „Wie Sie bereits vorgeschlagen haben, werde ich mich zu meinem Informanten zurückbegeben. Und ich schlage vor, Sie befragen inzwischen Ihren Vater.“

„Ich …“

„Ich werde zurückkommen, Meredith“, warnte er. „Falls es nötig sein sollte, mit Harrington und Beweisunterlagen. Darauf sollten Sie sich vorbereiten. Suchen Sie Ihren Vater auf“, fügte er sanfter hinzu. „Was kann das schaden? Ich bin sicher, Sie können die Wahrheit erfahren, ohne Malcolm Charles zu kränken. Bis bald, Meredith.“

Sobald Gideon Steele das Apartment verlassen hatte, eilte Vanda ins Schlafzimmer. „Es tut mir so leid, Merry! Er ließ sich einfach nicht abweisen. Und er ist nicht der Typ, mit dem man sich auf Streit einlässt.“

„Nein“, stimmte Merry zu und holte ihren Koffer vom Schrank. „Ich werde für ein paar Tage zu meinem Vater fahren, Vanda. Falls Mr. Steele noch einmal zurückkommt, weißt du nicht, wo ich bin, verstanden?“

„Solche Angst hast du vor ihm?“

Merry lächelte gequält. „Ich habe keine Angst vor ihm. Ich kann ihn nicht leiden.“ Das stimmte, sie mochte seine Selbstsicherheit, seine Arroganz nicht.

„Er hat dir also keine Rolle angeboten?“ Vanda saß auf dem Bett und sah Merry beim Packen zu.

Nur die Rolle seiner Stiefschwester, dachte Merry. Unvorstellbar, dass dieser Mann ein Verwandter von ihr sein sollte, wenn auch nur ein entfernter.

„Nein“, antwortete sie. „Da ich also sowieso keine Arbeit habe, werde ich Vater für ein paar Tage besuchen. Seit Mutters Tod fühlt er sich recht einsam.“

Tatsächlich wirkte Merrys Vater so munter wie immer. Sein Beruf nahm ihn sehr in Anspruch und füllte auch die meisten seiner Abende aus.

Er holte Merry am Bahnhof ab. „Ich konnte es nicht glauben, dass du wirklich kommst“, sagte er nach ihrer stürmischen Begrüßung. Merry betrachtete ihn liebevoll. Sein Haar war so schwarz wie ihr eigenes, und trotz seiner bald fünfzig Jahre war Malcolm Charles noch immer ein gutaussehender Mann.

Ihr Vater plauderte über die Dorfbewohner und die Ereignisse der letzten Zeit. Glücklich sah Merry aus dem Fenster des Autos. Nichts hatte sich verändert. Sie winkte einigen Nachbarskindern zu. Nach der Anonymität Londons tat es ihr immer wohl, nach Wildton zurückzukommen, wo jeder jeden kannte.

Sie betraten den kleinen Bungalow. „Es ist alles wie früher“, sagte Merry.

„Du hast dich verändert“, erwiderte ihr Vater.

„Wie meinst du das?“

Er lächelte ein wenig traurig. „Als du vor zwei Jahren fortgingst, warst du ein kleines Mädchen. Jetzt bist du plötzlich erwachsen geworden.“

Merrys Unterlippe zitterte, und plötzlich lag sie in seinen Armen und schluchzte herzzerreißend.

„Hey“, sagte ihr Vater schließlich sanft und hielt sie auf Armeslänge von sich fort. „So weh tut es, erwachsen zu werden?“

„Ich fürchte ja.“ Sie trocknete sich das Gesicht mit seinem Taschentuch und versuchte zu lächeln.

„Ein Mann?“

„Ja“, bekannte Merry, unfähig, die ganze Wahrheit auszusprechen.

„Jetzt fühle ich mich wirklich wie ein alter Mann“, lächelte Malcolm. „Meine Tochter hat ihre erste unglückliche Liebesaffäre.“

„Oh Dad!“

Alles war in Ordnung, wenn sie mit ihrem Vater zusammen war. Sie spürte seine Liebe, sah die Ähnlichkeit zwischen ihnen beiden. Gideons Behauptung erschien ihr absurder als je zuvor. Sie schämte sich, seinen Worten jemals Beachtung geschenkt zu haben.

Es war eine schöne Zeit daheim. Dennoch bemerkte Merry nach einer Weile einen Unterschied in ihrem eigenen Verhalten. Sie war unruhig, und das nicht nur, weil sie keinen Job hatte. Sie beobachtete ihren Vater aufmerksamer als je zuvor. Wieso war ihr früher nicht aufgefallen, dass die Ähnlichkeit zwischen ihnen fast nur auf der gleichen Haarfarbe beruhte? Außerdem war sie recht klein, während Malcolm und Sarah groß waren. Allmählich fühlte sie sich immer unsicherer. Und langsam begann sie, Gideon Steeles phantastischen Behauptungen zu glauben.

Eines Tages kam sie vom Einkaufen nach Hause und fand Gideon im Gespräch mit ihrem Vater.

„Dein Freund kommt direkt aus London“, lächelte Malcolm. Nie im Leben würde Merry Gideon Steele als einen Freund bezeichnen! Allerdings gab er sich Mühe, so zu wirken, denn er begrüßte sie sehr herzlich.

„Meredith! Ich habe Ihrem Vater gerade erzählt, wie wir uns kennengelernt haben.“

„Das haben Sie getan?“

Gideon war um einiges größer als Merrys Vater. In gutsitzenden schwarzen Hosen und schwarzem Hemd wirkte er noch eindrucksvoller als sonst. Seine Persönlichkeit schien den ganzen Raum und die Menschen darin zu beherrschen.

„Ja“, bestätigte er lächelnd. „Ich glaube, unsere Begegnung war das einzig Sinnvolle, das Harry Anderson in seinem Leben zustande gebracht hat.“

„Harry?“ Was, in aller Welt, hatte Gideon ihrem Vater erzählt? Natürlich wusste Malcolm über Harry Bescheid. Merry hatte ihm über das entsetzliche Theaterstück berichtet. Doch was hatte Harry mit ihr und Gideon zu tun?

„Dieser Harry scheint ja ein scheußlicher Mensch zu sein“, lachte Malcolm.

„Das ist er wirklich“, nickte Gideon. „Keinesfalls ein Mann, mit dem Merry sich einlassen sollte. Außerdem war es eine Verschwendung ihres schauspielerischen Talents.“ Belustigt lächelnd betrachtete er Merry.

Ihr Vater sah auf seine Uhr. „Ich muss jetzt gehen. Zeit zur Arbeit. Ich bin sicher, Merry wird Ihnen gern ein Abendessen machen“, fügte er gutmütig hinzu. „Ich selbst habe schon gegessen. Bis später, mein Liebes. Sehe ich Sie noch, Gideon?“

Misstrauisch hörte Merry zu. Gideon und ihr Vater hatten nicht lange gebraucht, um miteinander warm zu werden. Was, zum Teufel, hatte Gideon ihrem Vater erzählt?

„Ich weiß es noch nicht, Malcolm“, antwortete Gideon, ohne Merry aus den Augen zu lassen.

„Ich verstehe. Sei nicht zu streng mit ihm, Liebes“, riet er Merry und ging.

Merry wurde rot. Offenbar glaubte ihr Vater, Gideon sei für ihren ersten Liebeskummer verantwortlich. Unter seinem herausfordernden Blick verstärkte sich ihre Verlegenheit noch.

„Was tun Sie hier?“, fauchte sie ihn an.

Er machte es sich in einem Sessel bequem. „Ich habe doch gesagt, ich werde zurückkommen, sobald ich mir meiner Sache sicher bin.“

„Und sind Sie es?“

„Ja, Merry. Ja, ich bin sicher.“

Das Mitgefühl in seiner Stimme passte gar nicht zu diesem so entschlossenen Mann. Er erhob sich und ging im Zimmer auf und ab. „Ich habe mich an Harrington gewandt und ihn aufgefordert, alle Beweise noch einmal genau zu überprüfen. Es besteht überhaupt kein Zweifel. Ich nehme an, Sie haben noch nicht mit Ihrem Vater gesprochen?“

„Nein! Und ich werde es auch nicht tun!“

„Aber Sie glauben mir?“

Nervös befeuchtete Merry ihre Lippen mit der Zunge. Sie konnte nicht lügen. Es war auch unwahrscheinlich, dass ein Mann wie Gideon Steele sich in einer so wichtigen Angelegenheit irren sollte. Wenn er sagte, dass seine Stiefmutter Anthea Merrys leibliche Mutter war, dann musste sie ihm glauben. Aber das änderte nichts. Merry würde Sarah und Malcolm Charles stets als ihre Eltern lieben. Anthea Steele hatte sie aufgegeben, als sie noch ein Baby war. Sie hatte keine Ansprüche an sie, weder moralisch noch emotionell.

„Ja, ich glaube Ihnen“, erwiderte sie mit kalter Stimme.

„Also werden Sie Anthea sehen?“

„Nein.“

„Meine Güte, Mädchen! Sie ist Ihre Mutter!“, rief er zornig. „Sie hat Sie zur Welt gebracht.“

„Und mich danach verlassen, wie es scheint!“ Merrys grüne Augen glitzerten gefährlich.

„Sie war sehr jung, sie ist jetzt erst achtunddreißig.“

„Es ist mir egal, wie jung sie war. Sie hat mich aufgegeben. Sie kann nicht zwanzig Jahre später wieder auftauchen und die liebevolle Mutter spielen. Es wäre Unrecht gegenüber meinem Vater, Antheas Existenz überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.“

Gideon schüttelte den Kopf. „Ich bin sicher, Sie beurteilen Ihren Vater falsch. Er ist ein vernünftiger Mann.“

„Das steht hier nicht zur Diskussion.“

„Sprechen Sie nicht in diesem Ton zu mir, Merry.“

„Es ist mir egal, was Sie denken. Ich bin nicht im Geringsten daran interessiert, Ihre Stiefmutter kennenzulernen, denn sie ist nichts anderes für mich. Meine eigene Mutter hat mit mir gespielt, als ich ein Baby war, bei mir gewacht, wenn ich krank war. Sie hat mir in der Schule geholfen, mir Mut für meine Examen gemacht, meine Aufnahme in die Schauspielschule mit mir gefeiert. Was hat Ihre Stiefmutter für mich getan?“ Merrys Verachtung war unmissverständlich.

Gideon Steele wirkte mühsam beherrscht, doch er war weit davon entfernt, sich geschlagen zu geben.

„Natürlich erwarte ich nicht, dass Sie sie mit offenen Armen empfangen oder dass Anthea den Platz Ihrer Adoptivmutter einnehmen sollte …“

„Niemals könnte sie das!“, unterbrach Merry ihn hitzig.

Ungeduldig sah er sie an. „Wie ich bereits sagte“, fuhr er in schärferem Ton fort, „niemand erwartet so etwas. Aber vielleicht könntet ihr Freundinnen werden. Anthea würde sich sehr freuen“, fügte er sanfter hinzu.

Misstrauisch studierte Merry seine Züge. Konnte es sein, dass Gideon für seine Stiefmutter keineswegs die Gefühle eines Sohnes hegte? Anthea war erst achtunddreißig, also nur vier Jahre älter als er. Außerdem war sie wesentlich jünger als ihr Mann …

„Hat sie Ihren Vater des Geldes wegen geheiratet?“

Seine Stimme war wie ein Peitschenknall. „Was soll diese Frage?“

Merry warf den Kopf zurück. „Hat sie?“

„Sie sind seit zwölf Jahren verheiratet. Falls Anthea um des Geldes willen diese Ehe eingegangen wäre, hätte mein Vater es inzwischen gemerkt.“

„Zwölf Jahre?“, wiederholte Merry. „Dann hatte sie Zeit genug, sich nach ihrer Tochter zu sehnen. Warum gerade jetzt? Warum bekommt sie nicht noch ein Kind und vergisst mich?“

„Allmählich halte ich das auch für die beste Lösung“, wütete er.

Merry wurde rot.

„Aber werden Sie sie vergessen? Seien Sie nicht dumm, Merry. Jetzt, da Sie von Anthea erfahren haben, wird es Ihnen unmöglich sein, ihre Existenz zu ignorieren. Doch ich will Ihre Frage beantworten. Anthea hatte stets den Wunsch, Sie kennenzulernen. Doch sie wollte fair sein und nicht in Ihr Leben eindringen, solange Sie noch ein Kind waren.“ Zumindest Gideon schien das wirklich zu glauben. „Letztes Jahr, als sie in der Klinik lag, hat sie uns von Ihnen erzählt. Ich glaube, wir sollten einfach wissen, dass sie eine Tochter hat. Eine Tochter, die sie liebt.“

„In der Klinik?“, wiederholte Merry. „Was fehlte ihr denn?“

„Wieso interessiert Sie das?“, spottete er.

„Tut es ja gar nicht …“

„Sie hatte einen Zusammenbruch. Ihre Nerven waren schon seit Jahren sehr strapaziert, und eines Tages klappte sie zusammen. Es war Ihretwegen. Anthea hat ihre Schuldgefühle niemals überwunden.“

„Das war letztes Jahr? Sicher geht es ihr jetzt wieder gut?“

Gideon seufzte. „Oberflächlich gesehen ja. Doch seitdem nimmt sie ständig Tabletten. Mein Vater fürchtete einen zweiten Zusammenbruch.“

Ein verächtlicher Zug spielte um Merrys Mund. „Würde mein plötzliches Auftauchen ihr nicht einen Schock versetzen? Angeblich weiß Ihre Stiefmutter doch nichts von Ihrer Suche nach mir.“

„Leider weiß ich nur zu gut, wie unecht Ihre Besorgnis ist“, rief er verärgert. Er zog eine Karte aus seiner Brusttasche und kritzelte etwas auf die Rückseite. „Wenn Sie doch noch ein wenig Mitgefühl in sich entdecken, rufen Sie mich an. Aber sonst auf keinen Fall“, warnte er. „Anthea ist Ihrer Verachtung und Ihrem Hass nicht gewachsen. Jetzt bringen Sie mich zur Tür, wie es sich für ein wohlerzogenes Mädchen gehört.“ Er warf die Karte auf den Tisch und ging aus dem Zimmer.

Merry öffnete die Tür und blickte unsicher zu Gideon auf.

„Denken Sie sorgfältig über alles nach, Merry. Lehnen Sie nicht die Liebe einer Frau ab, die Sie mehr braucht, als Sie ahnen.“

„Sie hat Ihren Vater und sie hat Sie“, erwiderte Merry kalt. „Ich verstehe nicht, wieso sie mich brauchen sollte, ihr Kind, das sie über zwanzig Jahre nicht gesehen hat.“

„Das können Sie nicht verstehen? Dann haben Ihre Adoptiveltern versagt.“

„Wie können Sie es wagen!“

„Sie haben Sie nicht gelehrt zu verzeihen. Auf Wiedersehen, Meredith. Ich hatte gehofft, diese Begegnung würde anders verlaufen.“ Er schüttelte den Kopf.

Merry schloss die Tür hinter ihm. Reglos blieb sie stehen. Gideon bedauerte nichts von dem, was er ihr gesagt hatte. Er verurteilte nur ihren Mangel an Reife und dass sie nicht in der Lage war, die Wahrheit zu akzeptieren.

„Er hat sich getäuscht, nicht wahr, Merry?“, hörte sie die leise Stimme ihres Vaters hinter sich.

Sie fuhr herum. Schuldbewusstsein färbte ihre Wangen flammend rot. Ihr Vater stand auf der Treppe, nur wenige Stufen von ihr entfernt.

„Du hast es gehört?“

Er nickte. „Ich habe alles gehört. Ich bin zurückgekommen, weil ich ein paar Papiere vergessen hatte. Ich konnte nicht anders, ich musste zuhören.“

Wieder nickte er. „Doch Gideon hat sich getäuscht, nicht wahr, Merry? Deine Mutter und ich haben dich gelehrt, anderen zu verzeihen?“

Ihr Vater bat um Vergebung für sich und auch für Anthea Steele. „Oh Dad!“ Tränen strömten ihr übers Gesicht, und sie stürzte sich in seine Arme.

Er hielt sie fest, ließ sie weinen.

Sacht streichelte er ihr Haar, wie er es schon getan hatte, als sie noch ein Kind war und Trost brauchte. „Es ist schon gut, mein kleiner Liebling“, sagte er mit belegter Stimme. „Und du bleibst immer mein Kind, Merry.“

Verzweifelt sah sie zu ihm auf.

„Ich weiß“, seufzte ihr Vater, „wir hätten es dir sagen sollen, als du noch ein Kind warst. Doch irgendwie haben wir es immer vor uns hergeschoben. Schließlich beschlossen wir, dein achtzehnter Geburtstag sei der richtige Zeitpunkt, dir die Wahrheit zu sagen. Wir dachten, dann wärest du alt genug, um zu verstehen, wie sehr wir dich liebten, auch wenn du nicht unser leibliches Kind bist. Aber du weißt selbst, was vor deinem achtzehnten Geburtstag geschah“, schloss er schmerzlich.

„Mutti starb“, ergänzte Merry mit zitternder Stimme. Der Gedanke an jene Nacht, drei Wochen vor ihrem achtzehnten Geburtstag, war immer noch entsetzlich. Ihre Mutter war von einem Auto überfahren und getötet worden.

„Danach konnte ich es dir einfach nicht sagen. Ohne deine Mutter fehlte mir der Mut dazu. Aber du bist trotzdem unsere Tochter, Merry.“

„Das habe ich auch Gideon Steele gesagt.“

„Dennoch hast du auch eine leibliche Mutter, und es scheint, als ob sie dich gerade jetzt braucht. Sarah hat ihr Leben lang alles für dich getan. Zwischen euch besteht ein Band der Liebe, das niemals zerreißen wird. Aber eines war unmöglich: Sie hat dich nicht zur Welt gebracht. Das hat eine andere getan: Anthea Steele.“

„Aber …“

„Lass mich ausreden, Merry. Gideons Stiefmutter, deine richtige Mutter, kann höchstens siebzehn gewesen sein, als sie mit dir schwanger wurde. Siebzehn, Merry! Erinnerst du dich daran, wie du in diesem Alter gewesen bist? Kannst du dir vorstellen, was es bedeutet, ein Kind zu bekommen, wenn man selbst noch ein halbes Kind ist?“

Merry dachte zurück an die Zeit ihres letzten Schuljahres. Unmöglich wäre sie damals mit einem Baby fertiggeworden.

„Verstehst du nun?“, fragte ihr Vater sanft.

Aber Merry war noch nicht bereit, ihre ablehnende Haltung aufzugeben. „Dann hätte sie eben nicht schwanger werden dürfen! Sie …“

„Wäre es nicht so gekommen, so hätten deine Mutter und ich dich niemals bei uns haben können“, gab ihr der Vater zu bedenken. „Deine Mutter ließ sich von etlichen Ärzten untersuchen. Sie konnte keine eigenen Kinder bekommen. Uns blieb nur eine Adoption, um eine Familie zu gründen. Ohne Anthea Steele hätten wir niemals unsere Tochter bekommen.“

Schmerz und Einsicht fochten in Merry einen erbitterten Kampf. Unschlüssig blickte sie ihren Vater an.

„Ich glaube, dass Mrs. Steele dich braucht, Merry“, sagte er. „Ich glaube, sie hat dich schon sehr lange gebraucht.“

Tränen liefen Merry die Wangen herunter.

„Egal was geschieht, du bleibst immer unsere Tochter“, versicherte Malcolm. „Ich halte es nicht für Unrecht gegen uns, wenn du deine Mutter siehst. Ja, ich wäre sogar stolz auf dich.“

„Stolz?“

Er lächelte. „Ich finde, wir haben dich großartig erzogen. Mrs. Steele soll sehen, dass ihr Opfer nicht umsonst war.“

„Opfer?“, wiederholte Merry völlig verwirrt.

„Ja, glaubst du denn, es war einfach für sie, dich aufzugeben? Das war es auf keinen Fall. Keine Frau kann ihr Kind fortgeben, ohne sich selbst Schmerz zuzufügen. Und diesen Schmerz hat Anthea Steele offenbar niemals überwunden. Denk darüber nach, Darling. Ich werde dich nicht dazu drängen, sie zu treffen, wenn du glaubst, du kannst es nicht. Doch ich wäre sehr stolz, wenn du es tun könntest, okay?“

„Gut.“ Merry nickte.

Lächelnd strich er ihr die Tränen aus dem Gesicht. „Das Treppenhaus ist vielleicht ein etwas ungewöhnlicher Ort für eine solche Unterhaltung, doch ich bin froh über unser Gespräch.“

„Ich auch.“ Merry küsste ihn rasch. Dann eilte sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer.

Ein paar Minuten später hörte sie die Haustür zuschlagen. Ihr Vater war wie üblich zur Arbeit gegangen. Draußen hörte sie die spielenden Kinder. Nichts schien sich verändert zu haben. Nur sie selbst war nicht mehr dieselbe. Jetzt war sie nicht nur die Tochter von Sarah und Malcolm Charles, sondern auch die Tochter von Anthea Steele, Stieftochter Samuel Steeles und Stiefschwester Gideons. Dieses Wissen veränderte ihr Dasein. Sie wollte genau wissen, wer sie war und wie ihre Mutter war.

Merry stürzte sich dennoch nicht kopfüber in eine Begegnung mit ihrer leiblichen Mutter. Sie ließ sich Zeit und bedachte die Folgen eines solchen Zusammentreffens. Was sie selbst betraf, so glaubte sie nicht, dass eine Enttäuschung sie allzu tief treffen könnte. Sie hatte ja ihren Vater, was auch geschah. Doch falls Anthea wirklich psychisch so labil war, wie Gideon behauptete, konnte ein unerfreulicher Verlauf der Begegnung für sie fatale Folgen haben.

Am Ende siegte die Neugier. Merry wählte die Nummer, die Gideon ihr gegeben hatte. Es meldete sich eine Hotelrezeption. Mr. Steele sei leider nicht im Hause. Ob man ihm etwas ausrichten dürfe?

Nervös kaute Merry an ihrer Unterlippe. Sie war nicht sicher, ob sie noch einmal den Mut aufbringen würde, Gideon anzurufen.

„Würden Sie ihm bitte sagen, Miss Charles habe angerufen“, bat sie.

Nun lag es bei ihm, sich wieder zu melden, falls ihm immer noch an einer Begegnung zwischen Merry und seiner Stiefmutter lag. Merry machte noch ein weiteres Zugeständnis und sagte eine Einladung für den Abend ab. Zumindest musste sie Gideon die Chance geben, sie zu erreichen.

Gegen zehn bereute sie ihren Entschluss. Offenbar war auch Gideon den Abend über unterwegs. Merry war gerade dabei, sich umzukleiden, um doch noch auf die Party zu gehen, als es an der Tür schellte. Hastig zog sie den Reißverschluss ihrer engen roten Samthose hoch und eilte zur Tür.

Zu ihrem Erstaunen stand Gideon Steele davor, elegant wie immer. Beim Anblick ihrer Aufmachung hob er fragend die Brauen.

„Mr. Steele!“

„Sie haben mich angerufen.“

„Ich hatte erwartet, dass Sie zurückrufen, nicht dass Sie hier auftauchen!“, ging Merry sofort in Verteidigungsstellung. Irgendetwas an diesem Mann forderte ihren Widerstand heraus, wann immer sie ihm begegnete. „Ich war im Begriff auszugehen.“

„Und ich dachte schon, Sie haben sich für mich so zurechtgemacht.“

„Kaum.“

Er seufzte ungeduldig. „Können wir nicht drinnen darüber reden?“

Merry ließ ihn eintreten, während sie versuchte, ihre Gedanken zu sammeln. Warum konnte er nicht einfach anrufen? Es wäre so viel leichter gewesen, am Telefon mit ihm zu sprechen, als ihm gegenüberzustehen.

Natürlich wusste er das. Dieser arrogante Teufel wusste genau, warum sie ihn angerufen hatte und wie schwer ihr dieser Schritt gefallen sein musste.

Gideon lehnte am Kamin. Seine Finger trommelten nervös gegen den Stein. Unwillkürlich bewunderte Merry seine sensiblen Hände.

„Ich nehme an, Sie haben Ihre Meinung geändert und sind nun doch bereit, Anthea zu treffen?“, fragte er direkt.

Merry wurde rot. „Ja.“

Er nickte. „Haben Sie mit Ihrem Vater gesprochen?“

„Ja.“

Seine Stimme wurde noch eine Spur gereizter. „Können Sie auch noch etwas anderes sagen außer ja?“

„Was soll ich sagen? Sie wissen bereits alles.“

Er verdrehte die Augen himmelwärts. „Soll das heißen, Sie können nicht einmal höflichkeitshalber Konversation machen?“

Merry war gekränkt. „Es ist bereits alles gesagt worden. Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Wir glauben, dass es nicht unfair gegenüber meinen Eltern ist, wenn ich meine … Ihre Stiefmutter treffe.“

Ein ärgerlicher Blick traf Merry. Sie biss sich auf die Lippen. Mochte Gideon auch wütend sein, Anthea Steele konnte niemals Sarahs Mutterstelle einnehmen.

„Nun gut“, sagte er. „Wann wollen Sie sie sehen?“

„Ich … darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.“ Die Entscheidung als solche war Merry schwer genug gefallen. „Wann glauben Sie?“

„Der jetzige Zeitpunkt ist genauso geeignet wie jeder andere.“

„Nicht jetzt!“, keuchte Merry. „Nicht heute Abend. Es ist schon halb elf!“

„So spät!“, spottete er. „Dabei haben Sie gerade zugegeben, dass Sie noch ausgehen wollten. Also kann es noch nicht zu spät sein. Allerdings dachte ich tatsächlich nicht an diesen Abend. Morgen.“

Es ging alles viel zu schnell. Es überwältigte Merry.

„Zu früh?“

Seine spöttische Art weckte Merrys Widerspruch.

„Natürlich nicht“, sagte sie möglichst unbefangen. „Morgen passt mir gut.“

„Gut.“ Er nickte zufrieden und trotzdem grimmig. „Haben Sie einen gültigen Pass?“

Merry blinzelte verwirrt. „Pass?“

„Ja. Haben Sie einen?“ Offenbar verlor er langsam die Geduld mit ihrer Begriffsstutzigkeit.

„Ja, allerdings. Ich war letztes Jahr mit Freunden in Österreich. Wozu benötige ich einen Pass?“

„Anthea und mein Vater befinden sich im Augenblick auf einer Kreuzfahrt im Mittelmeer. Morgen früh werde ich mich ihnen für die letzten beiden Wochen anschließen. Sie werden mit mir kommen und Anthea dort kennenlernen.“

„Oh, das kann ich nicht! Das ist unmöglich!“, protestierte sie. „Ich kann nicht einfach Hals über Kopf für zwei Wochen verreisen.“

„Warum nicht? Sie haben noch kein neues Engagement gefunden, das weiß ich. Ihr Vater hätte nichts dagegen. Sie haben zugestimmt, Anthea kennenzulernen. Wo liegt das Problem?“

Er sah sie an, als wäre sie ein störrisches kleines Kind. Gideon mochte an diese Art Jet-set-Leben gewöhnt sein, aber Merry war es nicht. Morgen schon! Sie konnte doch nicht mit diesem Mann wer weiß wohin fahren!

„Sie sind das Problem!“, teilte sie ihm hitzig mit. „Sie erwarten, dass ich von einer Minute zur anderen mit Ihnen aufbreche nach …“

„… Athen.“

„Athen“, wiederholte sie betont. „Das geht nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil ich einfach nicht kann! Ich habe nicht einmal einen Platz im Flugzeug reserviert …“

„Wir fliegen mit einer Privatmaschine.“

„Ich habe auch keine Kabine auf dem Schiff …“

„Das Schiff gehört meiner Familie. Es hat stets Platz für Freunde“, versicherte er, doch es klang alles andere als beruhigend.

Vanda hatte also recht. Die Familie Steele besaß Schiffe. Oder hatte sie Flugzeuge gesagt? Vielleicht beides, überlegte Merry.

„Beruhigt?“

Leider fielen Merry keine weiteren Einwände ein. Wohl oder übel musste sie resignieren.

„Auf dem Schiff wird es Ihnen und Anthea leichter fallen, einander näher kennenzulernen“, erklärte er. „Die ganze Atmosphäre ist entspannter.“

„Glauben Sie?“ Unter normalen Umständen wäre Merry bei der Aussicht auf eine Kreuzfahrt im Mittelmeer begeistert gewesen, doch nicht in dieser Situation.

Sein eisblauer Blick durchbohrte sie. „Ich hoffe es“, sagte er bedeutsam. „Natürlich habe auch ich darüber nachgedacht, wie man es vermeiden kann, Anthea unnötig aufzuregen.“

„Ja?“

„Sie hatten recht. Es wäre keine gute Idee, Sie Anthea ganz plötzlich zu präsentieren. Ich schlage vor, Sie spielen für zwei Wochen meine Freundin. Auf diese Weise können Sie sich Anthea ganz natürlich nähern.“

3. KAPITEL

„Das wird niemals gutgehen.“

Als sie am nächsten Morgen mit Gideon Steele zum Flughafen fuhr, protestierte Merry immer noch gegen seinen ungeheuerlichen Vorschlag. Allerdings nahm er ihre Proteste nicht ernst.

Missbilligend sah er auf sie herab. „Ich gebe zu, Sie haben mit den bisherigen Frauen in meinem Leben nicht viel gemeinsam“, knurrte er. „Außerdem haben Sie einen entschiedenen Nachteil. Obwohl mir noch reichlich andere Minuspunkte einfallen“, fügte er unliebenswürdig hinzu.

Ärgerlich blickte Merry auf. „Was meinen Sie?“

„Sie haben ein zu heftiges Temperament“, erklärte er so beiläufig, als sprächen sie über das Wetter. „Sie sind dickköpfig. Außerdem lehnen Sie mich immer noch ab.“

„Und das sind wohl nur die kleineren Mängel!“, spottete Merry. „Was ist also mein großer Nachteil?“

Abschätzend glitt sein Blick über ihre Gestalt, nahm jede Einzelheit an ihr wahr. Das lange, schimmernde schwarze Haar, das zarte Make-up, welches ihre hohen Wangenknochen und ihre grünen Augen betonte, das figurbetonte grüne T-Shirt und die hautengen Jeans. Merry sah genau aus, wie man es von einem Mädchen, das Ferien macht, erwarten konnte. Warum also dieser Blick?

„Es ist Ihre Jugend“, erklärte er direkt. „Ich bin vierunddreißig und habe mich niemals mit einer Zwanzigjährigen abgegeben.“

„Außer, als Sie zwanzig waren.“

Er ignorierte ihren Sarkasmus. „Ich habe stets Frauen um die dreißig bevorzugt, die wissen, was sie vom Leben erwarten, und diese Erwartungen nicht mit Liebe und Romantik verwechseln.“

„Sie sprechen über Sex?“

„Ja.“

„Vielleicht sollten Sie einmal versuchen, die Sache von meinem Standpunkt aus zu sehen“, schlug sie mit gefährlich sanfter Stimme vor.

„Wie meinen Sie das?“

„Auch Sie haben einen entscheidenden Fehler, der mir nicht gefällt.“

„Ach ja?“

„Ja.“ Merry lächelte honigsüß. „Mit der Unverbesserlichkeit der Jugend glaube ich nun einmal an Liebe und Romantik. Ein Zyniker wie Sie, noch dazu in Ihrem Alter, würde mir nie gefallen.“

Einige Minuten herrschte Schweigen. Merry wagte kaum zu atmen. Plötzlich begann Gideon zu schmunzeln, dann lachte er laut heraus.

„Ich habe noch einen Punkt bei der Aufzählung Ihrer Fehler vergessen“, erklärte er. „Sie sind so direkt, dass es beinahe rücksichtslos ist.“

Merry war erleichtert, weil er ihre Bemerkung nicht übel nahm. „Sie sind genauso“, erwiderte sie kurz.

Strahlend lachte er sie an, und Merry erlag sofort seinem Charme. Ihr Herz klopfte plötzlich heftiger.

„Wollen wir noch einmal von vorn anfangen, Meredith?“, fragte er einlenkend.

Wie verhängnisvoll könnte dieser Mann für mich werden, falls es ihm je einfallen sollte, mich nicht mehr wie ein Kind zu behandeln, dachte Merry. Aber das war höchst unwahrscheinlich.

„Wir können es versuchen“, sagte sie zweifelnd. „Die meisten Leute nennen mich Merry“, fügte sie einladend hinzu.

„Und die meisten Leute, die mich nicht gerade für einen alten Zyniker halten, nennen mich Gideon. Unsere Beziehung hatte einen schlechten Start. Aber da wir durch die Heirat unserer Eltern irgendwie verwandt sind, müssen wir versuchen, miteinander auszukommen.“ Er war jetzt sehr ernst. „Besonders, falls Sie nach der ersten Begegnung mit Anthea den Wunsch haben sollten, Ihre Mutter näher kennenzulernen. Ihre Rolle als meine Freundin wird die Dinge zunächst erleichtern. Das verstehen Sie doch, nicht wahr?“

„Leider nicht.“

„Falls Sie feststellen, dass Sie Anthea nicht akzeptieren, nicht lieben können, dann werden wir unsere Romanze einfach beenden. Anthea wird dann niemals erfahren, wer Sie wirklich sind.“

Merry begriff das. Dennoch blieben Zweifel. „Sie haben gesagt, ich sehe ihr ähnlich“, gab sie zu bedenken. „Wenn sie mich nun erkennt?“

„Das wird sie nicht. Als ich Sie das erste Mal ohne dieses grässliche Make-up sah, suchte ich natürlich nach einer Ähnlichkeit mit Anthea. Ich habe sie gefunden, aber nur, weil ich danach suchte. Wenn Sie als meine Freundin auftreten, wird Anthea Sie nicht im Traum für ihre Tochter halten. Sie hat ohnedies die Hoffnung aufgegeben, Sie jemals zu finden.“

Merry schluckte. „Sie hat nach mir gesucht?“

„Als Sie sechzehn waren, ja“, nickte er. „Aber während ein adoptiertes Kind seine Eltern ausfindig machen kann, haben die Eltern nicht dieses Recht. Anthea hatte Sie freigegeben. Solange Sie selbst nicht verlangten, Ihre leibliche Mutter zu sehen, hätte keine Behörde Antheas Wunsch nachgegeben. Ich fürchte, meine eigenen Nachforschungen waren nicht ganz so legal wie Antheas“, fügte er hinzu.

Merry konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Gideon alle Hindernisse rücksichtslos zur Seite räumte, wenn er etwas erreichen wollte.

„Ich konnte diesen Wunsch gar nicht äußern“, murmelte sie. „Ich wusste ja nichts von der Adoption.“

„Haben Sie gestern noch mit Ihrem Vater gesprochen?“

„Ja.“

„Irgendwelche Probleme?“

„Natürlich nicht“, erklärte sie heftig. „Mein Vater hat mich vom ersten Augenblick an ermutigt, meine Mutter zu treffen.“

„Das hat Sie wohl sehr überrascht“, spottete er.

„Nicht wirklich“, überlegte Merry. „Mein Vater ist ein sehr großzügiger Mann.“ Sie senkte den Kopf. „Ich … wissen Sie etwas über meinen richtigen Vater?“ Das Blut stieg ihr in die Wangen.

Verständnisvoll legte Gideon seine Hand auf ihre. „Ist schon in Ordnung, Merry. Sie brauchen sich deswegen nicht zu schämen. Aber leider kann ich Ihnen darüber überhaupt nichts sagen.“ Er umfasste das Lenkrad mit beiden Händen, denn sie näherten sich dem Flughafengelände. „Mein Vater weiß es. Anthea bestand darauf, ihm alles zu erzählen. Doch ich habe das Gefühl, dieser Teil ihrer Vergangenheit geht mich nichts an. Vielleicht können Sie sie eines Tages selbst fragen.“

Vielleicht, eines Tages. Falls sie einander näherkamen. Merry war zwanzig Jahre alt. Sie konnte sich nur schwer an den Gedanken gewöhnen, eine neue Mutter in ihr Leben treten zu lassen.

Doch im Moment fühlte sie nur Nervosität vor ihrem Flug nach Athen. Merry war erst zwei Mal geflogen, jedes Mal mit Chartermaschinen. Das war etwas ganz anderes als dieses schnelle kleine Flugzeug. Noch dazu hatte Gideon offenbar die Absicht, selbst Pilot zu spielen. Diese Tatsache beunruhigte sie besonders.

Jetzt saß sie ganz allein im Passagierraum der zwölfsitzigen Maschine und umklammerte angstvoll die Lehnen ihres Sitzes. In wenigen Minuten wollte Gideon sich mit diesem Ding in die Lüfte schwingen. Schon bei dem Gedanken wurde ihr übel.

„Alles in Ordnung?“

Erschreckt blickte Merry auf. Sie hatte ihn nicht einmal kommen hören. Belustigt sah er auf sie herab.

„Sie werden doch nicht etwa luftkrank?“, spottete er bei ihrem Anblick.

„Nein!“

„Gut. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass wir jeden Augenblick starten.“

„Dann machen Sie schon, in Gottes Namen!“

Er lachte. „Ich sehe Sie dann in drei Stunden.“

Drei Stunden! So lange sollte sie allein hier sitzen? Doch um keinen Preis der Welt wollte sie sich ihre Furcht anmerken lassen.

Gideon verließ sie. Merry fluchte innerlich hinter ihm her. Dieser Kerl! Wie sollte sie vorgeben, in ihn verliebt zu sein, wenn sie einander dauernd anfauchten? Aber war sie nicht Schauspielerin? Jetzt war der Moment gekommen, Gideon Steele zu beweisen, welch eine hervorragende Schauspielerin sie war!

Während des Fluges überließ Gideon einmal für kurze Zeit die Maschine den Händen seines Kopiloten, um Merry Gesellschaft zu leisten. Sie war sehr freundlich zu ihm, was ihn offenbar überraschte. Sei bloß auf der Hut, dachte Merry, nicht bereit, sich von Gideons Überlegenheit noch länger gängeln zu lassen.

Sie blickte aus dem Fenster. Als sie sich dem Flughafen von Athen näherten, sah sie die Akropolis und den Parthenon. Die antiken Bauwerke bildeten einen seltsam-schönen Hintergrund gegen das moderne, scheinbar nur aus Wohnblocks und Geschäften bestehende Athen. Dann betrat sie an Gideons Seite zum ersten Mal griechischen Boden.

Gemeinsam gingen sie ins Flughafengebäude, Merry an Gideons Arm. Die Formalitäten waren erstaunlich rasch erledigt. Jim Sands, der Kopilot, würde die Maschine auftanken lassen und sofort nach England zurückfliegen.

„Wir nehmen ein Taxi nach Piräus“, teilte Gideon ihr mit, während der Fahrer bereits ihre Koffer verstaute. Merry fand die Sonne ziemlich stechend. Sie war keine Sonnenanbeterin. Gideon jedoch schien sich ausgesprochen wohl zu fühlen, nicht eine Spur von Feuchtigkeit war auf seiner sonnengebräunten Haut zu sehen. Merry hatte das Gefühl, ihre Kleider dampften bereits.

„Piräus?“, wiederholte sie.

„Das ist der Name des Hafens.“

Es war früher Nachmittag, und die meisten Geschäfte waren geschlossen. Fensterläden sollten wenigstens einen Teil der gleißenden Hitze abhalten. Merry hatte für diese Mittagsruhe volles Verständnis. Auch sie hätte jetzt am liebsten ein Weilchen geschlafen; die letzten Tage waren so von Aufregung erfüllt gewesen, dass sie innerlich kaum Ruhe fand. Bald, sehr bald schon sollte sie ihrer Mutter begegnen. Ihr war beinahe übel vor Lampenfieber.

„Entspannen Sie sich“, sagte Gideon ruhig. „Ich bin sicher, Sie werden Anthea lieben.“

Unsicher sah Merry ihn an. „Aber wird sie mich lieben?“

„Als meine Freundin wahrscheinlich nicht. Aber wenn – falls – sie die Wahrheit erfährt, bestimmt.“

Merry runzelte die Stirn. „Warum wird sie mich als Ihre Freundin nicht mögen?“, fragte sie misstrauisch.

„Ich habe nicht gesagt, sie wird Sie nicht mögen. Ich sagte, sie wird Sie nicht lieben“, erklärte er mit jenem hinreißenden Lächeln, das Merry so aus dem Gleichgewicht brachte. „Aus irgendeinem Grund scheint Anthea zu glauben, dass keine meiner Freundinnen gut genug für mich sei.“

„Vielleicht sind sie es nicht.“

Gideon hatte den verletzenden Unterton sehr wohl bemerkt. „Anthea zeigt nur mütterliche Besorgnis.“

„Wie kann sie denn mütterliche Gefühle für Sie hegen, wenn sie nur vier Jahre älter ist als ihr Stiefsohn?“

„Was soll das heißen?“

Merry wich seinem Blick aus. „Nichts. Sie ist eben nur vier Jahre älter als Sie“, wiederholte sie trotzig. Gleichzeitig wurden ihre Wangen dunkelrot.

„Ja“, bestätigte Gideon zornig. „Und seit zwölf Jahren ist sie meine Mutter.“

Er hatte eine drohende Haltung eingenommen, und Merry wandte sich ab. Sie war neugierig, hätte gern mehr über Gideons Beziehung zu ihrer Mutter erfahren. Doch aus ihm war nichts mehr herauszubekommen. Konnte überhaupt ein Mann eine fast gleichaltrige Frau als Mutterfigur betrachten? Anthea war jung genug, um Gideons Frau zu sein.

Etliche Yachten lagen im Hafen von Piräus, und Merry überlegte aufgeregt, auf welcher sie reisen würden. Alle diese Boote sahen so prächtig aus.

Gideon bezahlte den Fahrer. Ein breites Lächeln trat auf sein Gesicht, als sich ihnen ein dunkelhaariger Mann näherte.

„Niko!“

Die beiden Männer umarmten sich, schlugen sich gegenseitig auf die Schulter. Merry stand daneben, beobachtete sie und stellte Vergleiche an. Außer Niko befanden sich noch etliche gutaussehende Männer hier im Hafen. Doch Gideon, obwohl kaum anders gekleidet, fiel sofort auf. Es war etwas Besonderes um ihn.

Er hatte zu Niko in fließendem Griechisch gesprochen. Wenn er etwas beherrscht, dann gründlich, dachte Merry. Nun erst bemerkte sie, dass die beiden Männer über sie sprachen, denn Nikos Blick glitt immer wieder bewundernd über ihre schlanke Gestalt.

Ne“, lachte Gideon, als Niko eine Bemerkung machte.

„Was hat er gesagt?“

„Ich sagen, Sie hübsche junge Dame, und Gideon, er sagen auch“, erklärte Niko in etwas holprigem, aber gut verständlichem Englisch.

Merry lächelte erleichtert. „Danke.“

„Griechisch heißt es efharisto“, erklärte Niko freundlich.

„Efharisto?“

„Sehr gut.“

„Merry ist wesentlich vertrauter mit dem Wort ohi“, mischte Gideon sich ein.

„Dann solltest du vielleicht öfter parakalo sagen“, lachte Niko. Immer noch schmunzelnd, nahm er die Koffer und ging voran.

„Was hat er gesagt? Was haben Sie gesagt?“ Merry wurde das Gefühl nicht los, wieder einmal verspottet worden zu sein.

„Ich habe ihm gesagt, du benutzt sehr gern das Wort ‚nein‘“, erklärte er belustigt. „Er riet mir, öfters ‚bitte‘ zu sagen.“

Welche Rückschlüsse mochte Niko aus diesen Worten gezogen haben? Merry spürte heftigen Ärger in sich aufsteigen.

„Du bist jetzt meine Freundin, denk daran.“

Heftig entzog sie ihm ihren Arm. „Freundin, nicht Frau!“

Er zuckte die Achseln. „Für mich ist das dasselbe. Ich habe seit Jahren keine platonische Beziehung zu einer Frau gehabt.“

„Das kann ich mir denken!“, grollte Merry. „Nun, dies wird mit Sicherheit eine platonische Beziehung bleiben.“

„Das bezweifle ich nicht. Aber zumindest muss ich von dir ein wenig Mitarbeit erwarten. Nun“, fragte er in wesentlich besserer Stimmung, „was hältst du davon?“

Die leuchtend weiße Yacht war unwahrscheinlich groß. Etliche Mitglieder der zahlreichen Mannschaft begrüßten Gideon ebenso vertraut, wie Niko es wenige Minuten vorher getan hatte.

„Aber …“

Gideon lachte. „Nicht ganz das, was du erwartet hast, nicht wahr?“

„Das weißt du ganz genau!“ Merry war es allmählich leid, immer die Quelle seiner Belustigung zu sein. „Ich dachte, wir reisen mit einem der kleineren Boote. Du wusstest es!“, fügte sie anklagend hinzu.

„Ja“, nickte er und führte sie eine Treppe hinab zu den Kabinen. „Aber diese Yacht ist viel komfortabler.“

Das war offensichtlich. Im Vorbeigehen erhaschte Merry den Blick auf einen hochkomfortablen Salon. Auch die Kabine, in die Gideon sie führte, glich eher dem Zimmer eines Nobelhotels als einer Schiffskajüte. Der dicke cremefarbene Teppich, der braune Bettüberwurf, die hellen Seidenkissen, alles wirkte sehr luxuriös. Die Rückwand der Kabine bedeckte ein riesiger Spiegel, was den Raum noch größer erscheinen ließ. Neben dem Bett stand eine Vase mit frischen Rosen. Auch Bücher und Zeitschriften waren vorhanden.

„Mach nicht so ein entsetzliches Gesicht!“ Gideon missverstand Merrys Gefühle wieder einmal. „Vielleicht nehme ich dich das nächste Mal auf einen Törn mit.“

„Du?“

„Warum nicht – kleine Schwester?“ Er fand den Gedanken offenbar amüsant.

„Ich bin nicht deine Schwester!“

„Nein, das bist du nicht.“ Gideon, jetzt selbst ärgerlich, riss sie heftig in seine Arme. „Aber im Moment bist du meine Freundin. Und meine Freundinnen pflegen nicht schlecht gelaunt jeden anzufauchen, der ihnen über den Weg läuft.“

Merry stemmte die Hände gegen seine Brust. Diese körperliche Nähe beunruhigte sie. Trotzdem konnte sie eine bissige Bemerkung nicht herunterschlucken.

„Du sorgst wohl dafür, dass deine Freundinnen sich stets gut gelaunt und glücklich fühlen?“

„Genau. Also versuch gefälligst so auszusehen, als seien dir meine Berührungen angenehm. Ich sollte dir vielleicht auch beibringen, meine Küsse zu mögen.“

Sie sah in sein entschlossenes Gesicht, und all ihr Widerstand verließ sie. „Nein …“

„Ja. Seit wir England verlassen haben, warst du schlecht gelaunt und unausstehlich. Ich werde mich damit nicht länger abfinden.“

Merry schnappte nach Luft. „Du …“

„Oh, halt den Mund, du Frechdachs.“ Er beugte den Kopf und küsste sie auf den Mund. Ihr Protest erstickte unter der sinnlichen Berührung seiner Lippen. Sie sehnte sich danach, ihre Hände freizubekommen, um sie um seinen Nacken zu schlingen. Gideon hielt sie fest gegen seinen harten Körper gepresst, seine Hände streichelten ihren Rücken. Ein warmes Gefühl durchströmte Merrys Körper.

„Oh! Ich … ich komme später noch einmal. Tschuldigung!“ Die Kabinentür wurde heftig zugeschlagen.

Sofort machte Merry sich von Gideon frei. Ihr Atem ging heftig. Schon ein einziger Kuss dieses Mannes genügte, um sie innerlich aufzuwühlen. Das war entsetzlich, zumal Gideon selbst völlig unberührt wirkte.

Sie wandte sich ab. „Wer war das?“

„Wahrscheinlich jemand vom Personal, der deine Sachen auspacken wollte.“ Er schien völlig unbekümmert.

Merry schluckte heftig. „Ist dir das egal? Man hat uns gesehen!“

„Eine Menge Leute wird so etwas sehen, bevor diese zwei Wochen um sind“, spottete Gideon. „Ich habe die Absicht, meine Freundin während dieses Urlaubs recht häufig zu küssen.“

„Das wirst du nicht!“

„Ich werde, Meredith“, erklärte er in einem Ton, der jede weitere Diskussion aussichtslos erscheinen ließ. „Und du wirst es sehr genießen. Das sollte dir nicht schwerfallen“, fügte er vielsagend hinzu.

Natürlich war ihm nicht entgangen, wie rasch sie unter seinen erfahrenen Zärtlichkeiten dahingeschmolzen war. „Ich möchte nicht noch einmal von dir geküsst werden!“

„Warum nicht? Hast du etwa einen eifersüchtigen Freund?“ Gideon sah aus, als käme ihm dieser Gedanke eben zum ersten Mal.

„Ich selbst habe etwas dagegen“, erklärte sie spitz. „Sogar sehr.“

Aber Gideon schien das Thema bereits zu langweilen. Merrys Meinung war ihm wohl gleichgültig. „Du bist auf meine Bedingungen eingegangen und wusstest, welche Rolle du hier spielen sollst. Also nutze das Talent, von dem du so sicher glaubst, es zu besitzen.“

Diese Gemeinheit war zu viel. „Ich habe Talent, Gideon. Du wirst schon sehen.“

„Ich freue mich darauf. Jetzt bitte tu, was ihr Frauen immer tut, wenn ihr irgendwo ankommt. Mach dich zurecht. Ich sehe dich in einer halben Stunde an Deck.“

„Wo gehst du hin?“

„Ich werde mich umkleiden und dann meiner Pflicht als dein Freund genügen und dir den Parthenon zeigen. Du kannst unmöglich in Athen gewesen sein, ohne ihn gesehen zu haben. Wenn wir zurückkommen, werden auch die anderen wieder da sein.“

„Wo sind sie denn?“, wollte Merry wissen. Ihr war schon aufgefallen, dass außer ihr und Gideon keine Gäste sichtbar waren. Nur die zahlreichen Mitglieder der Besatzung waren anwesend. Dies war wirklich eine Luxusyacht.

„Glyfada“, erklärte Gideon. „Niko sagt, sie besuchen dort die Villa eines Freundes. Ich bin froh, dass wir zu spät gekommen sind.“

„Warum?“ Hatte etwa auch Gideon Angst vor ihrer ersten Begegnung mit Anthea?

„Astra hat ein recht besitzergreifendes Wesen“, grinste er.

„In anderen Worten: Sie ist an dir interessiert, und du erwiderst ihre Gefühle nicht“, erkannte Merry.

Gideon war nicht im Geringsten verlegen. „Nun, ein einziges Mal habe ich mich nicht ablehnend verhalten“, gestand er.

„Das ist schamlos!“

„Konnte ich damals nicht finden. Aber das ist zehn Jahre her. Unglücklicherweise gibt Astra niemals auf.“

„Arme Astra.“ Merry hob ihren Koffer auf das Bett, um sich frische Kleidung herauszunehmen. Sie fühlte sich total verschwitzt.

„Mach nicht zu lange“, bat Gideon. „Ich bin gleich nebenan, falls du verlorengehen solltest.“

Das war allerdings ohne weiteres möglich. Die vielen Flure waren Merry schon auf dem Weg zu ihrer Kabine verwirrend erschienen. Auf einem großen Passagierliner hätte sie wahrscheinlich wochenlang umherirren können.

Tatsächlich verirrte sie sich prompt. Zu ihrem Glück war Niko zur Stelle und brachte sie persönlich an Deck.

„Ich bringe dir deine schöne Lady zurück – wenn auch ungern“, sagte Niko, als Gideon sich lässig von einer Liege erhob.

„Danke, Niko.“ Merry trug ein knappes Sonnentop, und Gideon legte seinen nackten Arm um ihre Taille. Bei dieser Berührung wäre sie am liebsten sofort entwischt, doch er hielt sie fest im Griff. Anerkennend betrachtete er ihre Gestalt. „Ich werde in Zukunft besser auf sie aufpassen.“

„Das solltest du auch“, erklärte Niko, „sonst wird sie dir noch jemand wegnehmen.“

„Keine Chance. Nicht wahr, Liebling?“

Merry kuschelte sich an ihn. „Keine“, flüsterte sie.

Ein Lächeln zuckte um seinen Mund. „Nicht schlecht gespielt“, murmelte er in ihr Ohr. „Wir brechen jetzt auf. Bis später, Niko.“

Sobald sie wieder unbeobachtet waren, machte Merry sich von Gideon los. „Sind alle Mitglieder der Mannschaft Griechen?“

„Einige. Ein paar sind Engländer, manche Amerikaner. Wir haben keine Vorurteile. Und alle kommen bestens miteinander aus“, nahm er ihre nächste Frage vorweg.

Das Taxi fuhr sie durch die Straßen Athens. Die Geschäfte waren zu Merrys Verwunderung immer noch geschlossen.

„Samstags schließen alle Läden um halb zwei“, erklärte Gideon. „Aber auch an den anderen Wochentagen hätten sie jetzt noch nicht wieder geöffnet. Die Mittagspause dauert hier bis halb fünf, manchmal länger.“ Dann kam ihm ein Verdacht. „Du wolltest mich doch nicht etwa zu einem Einkaufsbummel überreden, oder?“

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