… und eine Prise Zärtlichkeit

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Die hübsche Köchin Olivia hat eine magische Gabe: Mit ihren leckeren Speisen kann sie traurigen Menschen Mut machen. Aber bei dem attraktiven Privatdetektiv Carson Ford, der eines Tages vor ihrem Imbiss steht, fügt sie eine besonders delikate Zutat hinzu: Liebe …


  • Erscheinungstag 27.04.2020
  • Bandnummer 4
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716349
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Olivia Mack bestreute einen Schoko-Cannolo großzügig mit Puderzucker und reichte ihn durch das Fenster von Hurley’s Homestyle Kitchen’s Foodtruck.

Würde das Gebäck seine magische Wirkung entfalten? Aber sicher doch! Olivias Essen hatte stets eine positive Wirkung auf andere Menschen. Ihrer Mutter zufolge hatte sie eine ganz besondere Gabe. Ihr Essen machte gute Laune, heilte gebrochene Herzen und ließ neue Hoffnung erblühen.

Oder auch nicht. Olivia wusste selbst nicht so recht, ob sie daran glauben sollte. Trostessen tröstete nun mal – das sagte ja schon der Name. Wenn man niedergeschlagen war, konnte ein Teller Käse-Makkaroni bestimmt nicht schaden, und wen würde ein mit Puderzucker bestreuter Schoko-Cannolo nicht zum Lächeln bringen? Mit Magie hatte das absolut nichts zu tun.

„Ob es dir passt oder nicht, du hast eine Gabe, genauso wie ich und fast alle anderen Frauen in meiner Familie“, hatte ihre Mutter immer gesagt. Doch Miranda Mack war jetzt seit über einem Monat tot. Olivia konnte es immer noch kaum fassen, dass ihre Mutter nicht mehr lebte.

„Hast du ein Ende mit Schokostreuseln und das andere mit gehackten Pistazien bestreut?“, fragte Penny Jergen gerade und inspizierte misstrauisch ihren Cannolo. Auf ihrem Gesicht spiegelten sich jede Menge Emotionen wider. Olivia konnte Wut, Schmerz, Demütigung und auch eine gute Portion Liebeskummer in Pennys grünen Augen erkennen.

All das hielt sie davon ab, genervt zu reagieren. „Klar habe ich das.“ Wie du doch auch sehen kannst.

Kaum ein Danke über die Lippen bringend, trug Penny den Cannolo zu einem der schmiedeeisernen Tische, die vor dem Foodtruck standen. Sie erwiderte die neugierigen Blicke des jungen Paars am Nebentisch feindselig, bevor sie sich setzte und die Schultern hängen ließ.

Olivia hatte durchaus Mitleid mit ihr. Die hochnäsige sechsundzwanzigjährige Schönheitskönigin war zwar nicht gerade die sympathischste Einwohnerin von Blue Gulch, aber trotzdem hatte sie keinen Liebeskummer verdient.

In der Stadt munkelte man, dass Penny ihren frischgebackenen Verlobten mit ihrer falschen besten Freundin im Bett erwischt hatte. Seitdem schlich sie mit gesenktem Kopf und geschwollenen Augen durch die Stadt. Als sie Olivia heute Morgen im Coffeeshop einen eisgekühlten Mokka überreicht hatte, war sie vollkommen verheult gewesen, das sonst immer so sorgfältig zurechtgemachte Gesicht ungeschminkt. Olivia hatte gehofft, dass Penny irgendwann beim Truck vorbeischauen würde, damit sie diese etwas aufmuntern konnte, und jetzt war es endlich so weit.

Während Olivia ein Sandwich mit gegrilltem Schweinefleisch und Barbecue-Soße für ihren nächsten Kunden zubereitete – einen nervösen jungen Mann, der auf irgendwelche Neuigkeiten zu warten schien – beobachtete sie Penny verstohlen durch das Fenster.

Die junge Frau stöhnte befriedigt auf, als sie in ihren Cannolo biss. Nach dem nächsten Bissen saß sie schon aufrechter da und hatte auch wieder etwas mehr Farbe im Gesicht. Genüsslich verspeiste sie den Rest ihres Cannolos, trank einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und stand dann mit hocherhobenem Kopf auf.

„Wisst ihr was?“, verkündete sie jetzt niemandem im Besonderen und warf die langen, blonden Wellen über die Schultern. „Scheiß auf den Typen! Ich bin Penny Jergen. Ich meine, seht mich doch mal an!“ Sie ließ die Hände über ihre große, schlanke und vollbusige Figur gleiten. „Penny Jergen weint doch keinem Betrüger hinterher, der sie sowieso nicht verdient hat!“ Sie warf ihre zusammengeknüllte, schokoverschmierte Serviette auf den Tisch und stöckelte nun in ihren hochhackigen Sandalen davon.

Olivia musste unwillkürlich lächeln. Penny Jergen war offenbar wieder ganz die Alte, sympathisch oder nicht. Abrakadabra – egal, ob Olivia ihre Gabe geheuer war oder nicht.

Bei Pennys Bestellung hatte Olivia instinktiv gespürt, dass ihr Dessert als Extra-Zutat eine Prise „Ich-schüttele-diesen-Mann-einfach-ab“ nötig gehabt hatte. Natürlich überwand niemand Liebeskummer von einer Sekunde zur nächsten, das wusste Olivia aus eigener bitterer Erfahrung, aber die Ausstrahlung und der Gesichtsausdruck eines Kunden verrieten Olivia meistens, was derjenige gerade brauchte – und mit dieser Eingebung würzte sie dann das Essen bei der Zubereitung, ob das nun Magie war oder nicht.

Sie hatte sich deswegen früher oft mit ihrer Mutter gestritten, die wieder und wieder darauf beharrt hatte, dass es Magie und Dinge, die man nicht rational erklären konnte, sehr wohl gab.

Olivia hingegen hielt sich einfach nur für besonders einfühlsam. Wenn man aufmerksam genug war, dann konnte man eine Menge über Menschen und ihre Bedürfnisse erspüren. Olivia wünschte ihren Kunden bei der Zubereitung ihrer Bestellung immer genau das, was sie gerade dringend brauchten. Sie würzte das Essen gewissermaßen mit positiven Gedanken, und positives Denken hatte nun mal eine positive Wirkung.

Diese Erklärung war zumindest plausibel. Besondere Fähigkeiten oder Gaben oder wie auch immer man das nennen wollte hingegen … waren es nicht. Auch wenn es manchmal geradezu unheimlich war, welche Wirkung ihr Essen auf andere Menschen hatte.

„Du hast eine Gabe“, hatte Olivias Mutter noch an ihrem Todestag zu ihr gesagt, „und ich hoffe, dass du das eines Tages akzeptieren wirst. Verleugne bitte nicht, wer du bist. Eine Gabe zu verleugnen, bringt nur …“

Dann war Olivias Mom plötzlich verstummt und hatte seufzend das Gesicht abgewandt. Olivia hatte gewusst, dass sie an ihre Schwester dachte, die fünf Jahre zuvor den Kontakt zu ihnen abgebrochen hatte. Soweit Olivia sich erinnern konnte, hatte ihre Tante jedoch nie von einer eigenen Gabe gesprochen.

Sie verdrängte die traurigen Familienerinnerungen, um das Essen ihres jetzigen Kunden nicht aus Versehen mit ihren eigenen Sorgen zu belasten. Sie musste sich voll und ganz auf ihn konzentrieren.

Verstohlen betrachtete sie den jungen Mann, der sich gerade nervös auf die Unterlippe biss. Er wartet auf die Antwort eines Bewerbungsgesprächs, dachte Olivia aus einer plötzlichen Eingebung heraus. Die Finger voller Glücks-Schwingungen goss sie Barbecue-Soße auf sein Sandwich, wickelte es ein und reichte es ihm durch das Fenster. In spätestens einer Viertelstunde würde er einen Schub Selbstvertrauen bekommen – unabhängig davon, ob er den Job nun bekam oder nicht.

Olivia verleugnete ja gar nichts. Gabe hin oder her – sie wusste genau, wer sie war. Sie war Olivia Mack, sechsundzwanzig, Single und beruflich gerade im Umbruch. Bis vor einer Woche war sie noch Caterin und Köchin gewesen und hatte kalorienarmes oder glutenfreies Essen für ihre Kunden zubereitet, und dazu noch normale Gerichte für Mr. Crenshaw nach den Rezepten seiner verstorbenen Frau.

Natürlich würde sie ihre Kunden nicht im Stich lassen. Sie wusste, welche Wirkung ihr Essen auf sie hatte, aber nach all ihrem eigenen Liebeskummer und dem Verlust ihrer Mutter hatte es ihr einfach nicht mehr gutgetan, zu viel Zeit allein in der Küche ihres kleinen Hauses zu verbringen. Sie hatte dringend einen Tapetenwechsel gebraucht – einen neuen Job, der sie aus dem Haus und unter Menschen brachte.

Als Essie Hurley, der das Restaurant Hurley’s Homestyle Kitchen gehörte, Olivia vor Kurzem angerufen und sie gefragt hatte, ob sie nicht Lust hätte, bei einem neuen Geschäftsvorhaben mitzumachen – einem Foodtruck – hatte Olivia nicht lange gezögert und Ja gesagt.

Sie teilte sich die Schichten mit zwei anderen Köchen, sodass sie drei Tage in der Woche von halb zwölf bis halb vier und zwei Tage von halb vier bis halb acht arbeitete. So blieb ihr sogar noch genug Zeit, um nebenbei weiterhin für ihre Stammkunden zu kochen und sie zu beliefern.

Der Hurley’s Homestyle Kitchen Foodtruck stand ein paar Blocks vom Restaurant entfernt. Das Geschäft lief hervorragend, Olivia war nun mal eine gute Köchin. Lecker zubereitetes Trostessen machte Menschen nun einmal glücklich, punkt aus. Mehr steckte nicht dahinter.

Als der schlimmste Ansturm endlich vorbei war, nutzte Olivia die Zeit, sich selbst ein Sandwich zu machen. Sie schwankte gerade zwischen Roastbeef und gegrillter Hähnchenbrust, als ihr ein Fremder auffiel, der schon seit zwanzig Minuten vor dem Coffeeshop auf der anderen Straßenseite stand und sie beobachtete. Zuerst hatte sie gedacht, dass er einfach nur die außen am Truck hängende Speisekarte lesen wollte. Aber zwanzig Minuten lang?

Er sah außerdem nicht besonders erfreut aus. Jedes Mal, wenn sie zu ihm hinübersah und seinen Blick auffing, schien er sie wütend anzufunkeln. Aber warum? Wer war er? Blue Gulch war eine Kleinstadt, in der praktisch jeder jeden kannte. Wenn ein groß gewachsener, sehr attraktiver Mann hierhergezogen wäre, hätte Olivia garantiert schon längst von ihm gehört.

Sie war sich sicher, ihn noch nie hier gesehen zu haben.

Der Unbekannte trug eine braune Lederjacke, Jeans und Cowboystiefel. Er stand neben dem Eingang vom Blue Gulch Coffee, mit einem großen Becher Kaffee in der Hand. Sein volles, kastanienbraunes Haar glänzte in der Nachmittagssonne.

Als Olivia eine Entscheidung zugunsten Hähnchenbrust mit Dill-Pesto getroffen hatte, kam der Fremde über die Straße auf den Foodtruck zu. Wow, sah der Typ gut aus! Er hatte grün-braune Augen, ein markantes Kinn und ein Grübchen in der linken Wange, das seinen finsteren Gesichtsausdruck etwas abmilderte. Sie schätzte ihn auf Ende zwanzig.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie nun. Als er genau vor ihr stand, lief ihr sechster Sinn sofort auf Hochtouren. Der Typ war eindeutig stinksauer auf jemanden – und dieser Jemand war anscheinend sie. Aber wie konnte man auf jemanden wütend sein, dem man noch nie begegnet war? Sie versuchte, noch mehr zu erspüren, doch es gelang ihr nicht.

„Ein Sandwich mit sautierten Shrimps, bitte“, knurrte er beinahe.

Es war nicht zu überhören, wie schwer ihm das „bitte“ fiel.

„Kommt sofort.“

Der Mann spähte in den Truck hinein – offensichtlich suchte er nach etwas. Aber nach was?

Olivia gab Shrimps mit ihrer selbst gemachten Cajun-Gewürzmischung in die Bratpfanne. Sie empfing absolut keine anderen Signale von ihm. Keine Schwingungen, nur Wut.

Doch plötzlich überkam sie ein neues Gefühl. Er machte sich offenbar um jemanden Sorgen, warum auch immer. Ja, hinter seiner Wut verbarg sich eindeutig Besorgnis.

Sie riskierte wieder einen Blick in seine Richtung. Er stand noch immer vor der Durchreiche und starrte sie voller Aversion an. Geht es vielleicht um einen Angehörigen? schoss es Olivia durch den Kopf.

Sie war zwar keine Hellseherin und konnte auch keine Gedanken lesen, aber manchmal tauchte ein Gedanke in ihrem Kopf auf – oft aber nur so flüchtig, dass sie ihn nicht wirklich greifen konnte.

Sie bestrich nun zwei Baguettehälften mit einer Remoulade aus Senf, Mayonnaise und Meerrettich, fügte die sautierten Shrimps hinzu und belegte sie anschließend mit Tomatenscheiben und Zwiebelringen. Sie würzte das Sandwich noch schnell mit Es-wird-alles-gut-Energie und reichte es dem Fremden auf einem Tablett. Nickend bedankte er sich, bevor er sich an einen Tisch setzte.

Nachdem er ihr einen weiteren finsteren Blick zugeworfen hatte, sah er die Blue Gulch Street hinauf und wieder hinunter. Wartete er auf jemanden? Hielt er nach etwas Ausschau? Er musterte den Truck jetzt schon seit über zwanzig Minuten.

Als er von seinem Sandwich abbiss, schien es ihm zumindest zu schmecken, aber sein Gesichtsausdruck blieb dennoch unverändert. Auch beim nächsten und übernächsten Bissen war ihm keine Veränderung anzumerken.

Auf einmal tauchte er wieder vor der Durchreiche auf … mit demselben finsteren Gesichtsausdruck und demselben wütenden Blick.

Das Sandwich hatte bei ihm offenbar nicht gewirkt. Er schien nämlich alles andere als gelassen und zuversichtlich zu sein.

Hm, wirklich seltsam … So etwas war Olivia bisher noch nie passiert.

„Sind Sie Miranda Macks Tochter?“, fragte er nun abrupt.

Olivia versteifte sich. „Ja.“ Worauf wollte er hinaus?

Er spähte wieder in das Innere des Trucks hinein, bevor er sie aus grün-braunen Augen musterte. „Sie bieten hier nur Sandwiches und Cannoli an? Keine Vorhersagen?“

Wollte er etwa, dass sie ihm die Zukunft vorhersagte? Olivia konnte das beim besten Willen nicht erspüren. „Ich bin keine Hellseherin, nur Köchin.“

Der Typ starrte sie immer noch feindselig an und sagte: „Ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie ein familiäres Problem lösen könnten, das Ihre Mutter verursacht hat.“

Hoppla! So etwas hatte sie im Laufe der Jahre schon ein paarmal erlebt. Manchmal hatten die Vorhersagen ihrer Mutter ihre Kunden oder deren Familien extrem beunruhigt, und wenn sie bei Miranda nichts erreicht hatten, waren sie anschließend zu Olivia gekommen und hatten sie gebeten, ihre Mutter zu überreden, ihre Vorhersage zu ändern oder etwas anderes zu „sehen“.

Der Mann trat nun einen Schritt näher. „Ihre Mutter hat meinem Vater einen Haufen Müll über die zweite große Liebe seines Lebens erzählt, und jetzt reist er gerade quer durch Texas, um diese Frau zu finden. Ich würde es deshalb begrüßen, wenn Sie diesem … albernen Verhalten ein Ende bereiten könnten.“

Oje.

„Mr. …“, begann sie, um etwas Zeit zu schinden.

„Mein Name ist Carson Ford.“

Olivia kannte diesen Namen. Na ja, zumindest den Nachnamen. Denn ihre Mutter hatte kurz vor ihrem Tod einen Mann namens Ford erwähnt. Einen Edward glaubte sie.

„Mein Vater ist Edmund Ford“, fuhr der Mann fort und senkte auf einmal vertraulich die Stimme. „Er ist ein großes Tier bei der Bank Texas Trust hier in Blue Gulch. Außerdem ist er Witwer. Ihre Mutter hat ihm erzählt, dass seine zweite große Liebe eine Hairstylistin namens Sarah ist und dass sie grüne Augen hat. Jetzt grast er jeden Salon in ganz Texas ab und fragt überall nach einer grünäugigen Sarah. Die Leute halten ihn allmählich schon für verrückt. In den letzten zwei Wochen hatte er bereits sieben Haarschnitte.“

Olivia erstarrte erneut. Ein Salon … eine Frau namens Sarah … grüne Augen … Das kam ihr irgendwie bekannt vor. Ihre Tante – die Schwester ihrer Mutter, die sich vor fünf Jahren mit Miranda überworfen hatte und seitdem nichts mehr von sich hatte hören lassen – hieß Sarah, sie war Hairstylistin und hatte grüne Augen.

Was zum Teufel war hier los? Oh, Mom, was hast du nur getan?

Der Mann verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Hat Sie Ihnen vielleicht von dieser Masche erzählt?“

Carson Ford wartete offensichtlich auf eine Antwort, aber Olivia schwieg. „Könnten Sie mal mit meinem Vater reden? Ihm erklären, dass Ihre Mutter nur eine Betrügerin war, die den Leuten für viel Geld das erzählt hat, was sie hören wollten? Dann kann mein Vater nämlich endlich wieder sein Leben weiterleben, und ich kann mich auf mein eigenes konzentrieren. Ich komme nämlich momentan kaum noch zum Arbeiten, und das Leben einer Menge Leute hängt von meiner Leistung ab.“

Olivia störte das Wort „Betrügerin“, doch sie versuchte, ihren Ärger zu verdrängen. Zumindest vorerst.

„Was machen Sie denn beruflich?“ Eigentlich hatte sie ihn das gar nicht fragen wollen, aber es war einfach so aus ihr herausgeplatzt.

„Ich bin Privatdetektiv. Ich suche nach Menschen, die nicht gefunden werden wollen – hauptsächlich Kriminelle oder Betrüger“, fügte er pointiert hinzu.

Verblüfft sah sie ihn an. Auf Privatdetektiv wäre sie niemals gekommen. Ehrlich gesagt hätte sie eher auf Anwalt getippt. Auf einen besonders skrupellosen.

Sie hatte selbst schon einmal mit dem Gedanken gespielt, einen Privatdetektiv mit der Suche nach ihrer Tante zu beauftragen, nachdem ihre eigenen Online-Recherchen ins Leere gelaufen waren, aber Carson Ford hatte garantiert kein Interesse daran, diese Sarah ausfindig zu machen. „Meine Mutter ist weder eine Kriminelle noch eine Betrügerin.“ Und sie ist tot, dachte Olivia traurig.

Anstatt zu antworten, musterte er sie nur herausfordernd, als warte er darauf, dass sie sich irgendwie verriet. Dieser Mann hatte offensichtlich ebenfalls ein gutes Gespür für Menschen – das war schließlich sein Job. Sie würde sich in seiner Gegenwart also in Acht nehmen müssen.

Moment mal! Nein, das musste sie nicht! Erstens hatte die Hellseherei ihrer Mutter rein gar nichts mit ihr zu tun, und zweitens gab es nichts über Miranda Mack zu verheimlichen.

Das Gesicht ihrer Mutter, ihr zu einem eleganten dunklen Haarknoten hochgestecktes Haar, ihre helle Haut, ihre lange edle Nase, ihre Vorliebe für Silberschmuck und lange Flatterschals tauchten plötzlich vor Olivias innerem Auge auf. Sie sehnte sich so sehr nach diesem Anblick. Was würde sie nicht alles für einen einzigen weiteren Tag mit ihrer Mutter geben … nur einer einzigen Umarmung!

Trotz ihrer häufigen Meinungsverschiedenheiten vermisste Olivia ihre Mutter so sehr, dass ihr immer noch die Tränen kamen, wenn sie an sie dachte. Mitten in der Nacht zum Beispiel, oder wenn sie sich die Zähne putzte. Wenn sie das Lieblingsgericht ihrer Mutter kochte – Spaghetti Carbonara mit Sahne und Speck –, das Einzige, das Olivia trösten konnte, wenn die Trauer sie vollkommen überwältigte … und auch die Schuldgefühle.

Vor allem die … weil Olivia immer geleugnet hatte, eine Gabe zu besitzen, und weil es ihr irgendwie unangenehm gewesen war, dass ihre Mutter die gefragteste Hellseherin der ganzen Stadt und des Landkreises gewesen war. Auch, wenn sich tatsächlich so gut wie alle Vorhersagen ihrer Mutter erfüllt hatten.

Sie hatte Olivia auch vorhergesagt, dass ihr langjähriger Freund ihr niemals einen Heiratsantrag machen und ihr letzten Endes das Herz brechen würde. „Er ist nicht der Richtige für dich“, hatte Miranda ihr wieder und wieder beteuert.

„Meine Mutter ist vor sechs Wochen gestorben“, sagte Olivia leise, „und ich werde nicht zulassen, dass Sie sie jetzt hier verunglimpfen.“

Seine Gesichtszüge wurden daraufhin etwas weicher. „Ich habe schon von ihrem Tod gehört. Mein herzliches Beileid.“

Seine Worte waren ehrlich gemeint, das spürte sie, und ihr Gespür hatte sie schließlich noch niemals getrogen – er machte sich wirklich Sorgen um einen Familienangehörigen … um seinen Vater.

Er räusperte sich nun verlegen. „Mein Vater erwartet mich heute zum Abendessen. Können Sie nicht vielleicht vorbeikommen und ihn wieder zur Vernunft bringen? Ich wäre Ihnen dafür sehr dankbar.“

Was? Nein, nein, nein! Er lud sie zum Abendessen bei seinem Vater ein? Um dem Mann die Suche nach seiner zweiten großen Liebe auszureden? Bei der es sich möglicherweise sogar um Olivias vermisste Tante handelte?

Ihre Mutter und Sarah hatten fünf Jahre lang keinen Kontakt mehr miteinander gehabt. Hatte ihre Mutter gewusst, dass ihre Vorhersage den Sohn des Mannes – einen Privatdetektiv – auf den Plan rufen würde? Hatte sie gewusst, dass er Sarah Mack zurück nach Hause bringen würde?

Andererseits hatte Olivia noch nie erlebt, dass ihre Mutter etwas aus selbstsüchtigen Motiven tat. Niemals! Wenn sie Edmund Ford gesagt hatte, dass seine zweite große Liebe eine grünäugige Hairstylistin namens Sarah war, dann hatte sie das für die Wahrheit gehalten, ob es sich dabei nun um Tante Sarah gehandelt hatte oder nicht.

„Ich … ich …“ Olivia hatte keine Ahnung, was sie zu ihm sagen sollte. „Meine Mutter glaubte an ihre Gabe. Ihre Vorhersagen haben sich zu etwa fünfundachtzig Prozent erfüllt.“

Carson Ford verdrehte die Augen. „Das war doch alles nur die Macht der Suggestion.“

Olivia wusste selbst, dass Suggestion einen großen Einfluss haben konnte, und sie wusste auch, wie sehr ihre Mutter sich gewünscht hatte, Sarah wiederzufinden. An ihrem Todestag hatte sie Olivia gebeten, ihrer Schwester ein Familienerbstück – ein Armband ihrer Mutter – und einen Brief zu übergeben.

In den letzten sechs Wochen hatte Olivia daher versucht, Sarah über das Internet ausfindig zu machen, aber ihre Suche war leider im Sand verlaufen. Sie hatte auch sämtliche Salons in den umliegenden Landkreisen abtelefoniert, aber auch das war genauso erfolglos gewesen. Kein Wunder, dass Edmund Ford Sarah noch nicht gefunden hatte, denn sie schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein.

Vielleicht sollte sie Carson Ford einfach sagen, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, weil sein Vater seine „zweite große Liebe“ vermutlich sowieso niemals finden würde.

„Ich bin überrascht, dass Ihr Vater Sie nicht damit beauftragt hat, nach ihr zu suchen“, sagte sie jetzt, während sie den Tresen abwischte. „Ich meine, es muss doch Hunderte grünäugige Hairstylistinnen namens Sarah in Texas geben.“

Carson Ford trat dichter an das Fenster heran und legte die Hände auf den Tresen. „Mein Vater hat mich um Hilfe gebeten, aber inwiefern würde es ihm wirklich helfen, diese Frau zu finden? Das ist doch vollkommen überflüssig. Außerdem …“ Er verstummte, als wisse er nicht, ob er Olivia anvertrauen sollte, was ihm gerade auf der Zunge lag. „Mein Vater hat Ihre Mutter gefragt, wie er sicher sein könnte, welche grünäugige Hairstylistin namens Sarah seine vorhergesagte Liebe sei. Ihre Mutter hat daraufhin geantwortet, dass er sie sofort erkennen würde, sie jedoch auch ein kleines Tattoo einer Haarbürste und eines Föhns am Knöchel hätte.“

So viel zu der Möglichkeit, dass Miranda nicht Sarah Mack gemeint hatte. Denn Olivia war zwölf gewesen, als ihre Tante sich das Tattoo hatte stechen lassen. Die Bürste war silberfarben und der Föhn knallrosa – Tante Sarahs Lieblingsfarbe.

„Ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen helfen kann, Carson. Ich bin keine Wahrsagerin. Wenn meine Mutter gesagt hat, dass die große Liebe Ihres Vaters eine grünäugige Hairstylistin mit einem Tattoo ist, dann hat sie fest daran geglaubt. Wie schon gesagt – ihre Vorhersagen trafen meistens ein.“

Carson verzog wieder das Gesicht. „Ach was! An so einen Quatsch glaube ich einfach nicht.“

Olivia hatte auch nicht daran glauben wollen, aber die Beweise liefen mittlerweile überall in der Stadt herum – all die Paare, die nach der Prophezeiung ihrer Mutter zusammengefunden hatten und Menschen, die ihr Leben nach Mirandas Vorhersagen geändert hatten. „Sie hat in ihrem Leben über dreihundert Ehen vorhergesagt, Menschen ihre Leidenschaften bewusst gemacht und sie vor großen Fehlern gewarnt. Manchmal haben sie auf sie gehört, manchmal will man eben etwas anderes, auch wenn eine Hellseherin einem sagt, dass es niemals eintreffen wird.“

Stirnrunzelnd zog Carson ein Scheckbuch aus seiner Jackentasche. „Ich bezahle Sie auch für Ihre Zeit. Eine Stunde oder zwei müssten reichen, um meinen Vater wieder zu Verstand zu bringen. Sind fünftausend Dollar dafür genug?“

Fünftausend Dollar?! Das Geld könnte sie wirklich gut gebrauchen, aber … „Es geht mir nicht um das Geld, Carson. Meiner Mutter ging es auch nicht darum. Ich weiß, dass es Ihnen schwerfällt, das zu glauben, aber es stimmt wirklich.“

Frustriert steckte er sein Scheckbuch wieder ein. „Bitte! Mein Vater ist seit dem Tod meiner Mutter vor fünf Jahren nicht mehr derselbe. Er ist so … verletzlich, und schrecklich einsam. Ich weiß nicht, was ihn dazu bewogen hat, Ihre Mutter aufzusuchen … falls die Initiative überhaupt von ihm ausgegangen ist …“

„Meine Mutter hatte es nicht nötig, Kunden anzulocken“, erklärte Olivia. „Sie hatte einen ausgezeichneten Ruf. Die Menschen kamen freiwillig zu ihr.“

Autor

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