Ungezogen ausgezogen

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Bodyguard Ely Berringer hat seine Träume vergessen. Bis zu jener Nacht mit Lydia. Die Tattookünstlerin ist höllisch sexy, unabhängig – und plötzlich verschwunden. Auf einer Ranch findet er sie wieder. Und lüftet in heißen Nächten das Geheimnis hinter ihrer coolen Fassade …


  • Erscheinungstag 07.09.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527965
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ely Berringer lief aus der Dusche in das Zimmer, das er über einem Restaurant in Clear River, Montana, gemietet hatte. Seine Haut war noch feucht, und er schaute fröstelnd auf die Eiskristalle, die sich am Fenster bildeten. Eine der Lichterketten der Weihnachtsbeleuchtung, die am Haus angebracht worden waren, hatte sich gelöst und tanzte jetzt vor seinem Fenster im Wind.

Eines war klar, größer konnte der Unterschied zu Antigua nicht sein. Er war nach Hause geflogen, weil er angenommen hatte, dass Tessa, seine Schwägerin, ihn wegen Schwierigkeiten in der Familie gerufen hätte, aber ihre Besorgnis hatte Lydia Hamilton, ihrer besten Freundin, gegolten. Ely hatte zuerst überlegen müssen, ob er bereit war, Tessa in diesem Fall zu helfen. Er und Lydia hatten eine gemeinsame Vergangenheit, und er war nicht sicher, ob er erneut mit ihr Kontakt haben wollte. Aber er war ein Marine und ein Berringer – er war dazu erzogen und ausgebildet worden, anderen zu helfen.

Lydia war – laut Tessa – plötzlich verschwunden. Sie hatte all ihre Termine kurzfristig abgesagt und ihr Geschäft bis auf Weiteres geschlossen. Tessa meinte auch, dass sie sich seltsam benommen hätte und sehr distanziert und wenig mitteilsam gewesen wäre. Als ob sie sonst sonderlich warmherzig und liebenswürdig gewesen wäre, dachte Ely, während er sich abtrocknete und anzog. Die zierliche Frau, die den Tattoo Shop „Body Inc.“ führte, der direkt neben Tessas Seifenladen lag, war knallhart. Obwohl er aus Erfahrung wusste, dass sie zumindest im Bett, zeitweise verschmust und zärtlich wie ein Kätzchen sein konnte.

Lydia hatte Tessa darüber informiert, dass sie für eine Weile die Stadt verlassen würde, aber sie hatte weder auf Anrufe noch Mails von Tessa reagiert. Tessa nahm deshalb an, dass ihre Freundin in Schwierigkeiten geraten war. Was unter diesen Umständen nicht ganz von der Hand zu weisen war.

Ely hatte Lydia nicht lange gekannt, aber sogar er wusste, dass sie normalerweise regelmäßig im Internet aktiv war. Sie hatte stets ihre E-Mails gecheckt und beteiligte sich rege bei sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter. Auch ihr Geschäft war ihr immer sehr wichtig gewesen. Dass sie ihren Laden ausgerechnet in der Weihnachtszeit schloss, war auch für ihn Grund genug, sich nun Sorgen zu machen.

Er hatte sich an die Arbeit gemacht und durch „Berringer Bodyguards“ – das Familienenunternehmen – und Tessas Vater, einen Senator, Informationen eingeholt. Es war nicht schwierig gewesen, Lydia zu finden. Sie hatte durch Käufe mit ihrer Kreditkarte eine Spur hinterlassen. Die letzte Transaktion war ein Mietwagen gewesen, den sie in Billings, Montana, zurückgegeben hatte. Wie es aussah, war Billings zumindest ihr vorläufiges Ziel gewesen. Jetzt saß er in Montana und fror sich drei Wochen vor Weihnachten hier den Hintern ab.

Eis und Schnee versagten ihm den Blick auf die Umgebung. Da er in Philadelphia geboren worden war, war ihm der Winter nicht fremd, aber Kälte schien hier eine neue Dimension anzunehmen. Seine Flüge waren wegen mehrerer Unwetterfronten, die über die USA hinwegzogen, verschoben worden. Letztendlich war er dann doch gestern bei schlechtesten Wetterverhältnissen hier in Billings gelandet. Der Strand von Antigua, an dem er sich noch vor einigen Tagen aufgehalten hatte, schien Millionen von Meilen entfernt zu sein.

Sobald er hier in die Stadt gekommen war, hatte er sich nach Lydia erkundigt und herausgefunden, dass man sie kannte – sie und ihre Familie.

Sie war nicht bloß eine Besucherin, sondern hier aufgewachsen. Er hatte im Archiv des hiesigen Rathauses so einiges über sie herausgefunden.

Er konnte es immer noch kaum fassen, dass Clear River mit einer Bevölkerung von 1 738 Einwohnern ihre Heimatstadt war. Es wäre keine so große Überraschung gewesen, wenn Lydia nicht allen erzählt hätte, dass sie keine Familie hätte. Jeder hatte angenommen, dass sie irgendwo im Osten in einer Pflegefamilie aufgewachsen wäre und dann mit siebzehn weggelaufen und sich allein durchgeschlagen hätte.

Doch diese Geschichte stimmte nicht mit dem überein, was er herausgefunden hatte.

Im Rathaus hatte er sich ihre Geburtsdaten geben lassen und sie sogar in einem Jahrbuch, der hiesigen Schulbibliothek gefunden. Er hatte auch herausgefunden, dass ihre Eltern verstorben waren. Ihre Mutter, Faye, aber erst vor einem Monat. Deren Tod musste der Anlass für das seltsame Benehmen gewesen sein, das Tessa an Lydia bemerkt hatte.

Aus irgendeinem Grund wollte sie offensichtlich nicht, dass jemand erfuhr, dass sie ihre Heimat besuchte, weil ihre Mutter verstorben war; dass sie hier in Clear River eine Vergangenheit hatte. Was konnte so furchtbar gewesen sein, dass Lydia ihre Herkunft vor den Menschen, die ihr nahestanden, verstecken wollte? Ihr Name stand nicht auf der Liste der Highschool-Absolventen, und es gab nach der Mittelstufe kein Foto mehr in den Jahrbüchern. Vielleicht stimmte der Teil ihrer Geschichte, dass sie behauptete, fortgelaufen zu sein, als sie sechzehn oder siebzehn Jahre alt gewesen war. Gab es ein schreckliches Familiengeheimnis, das sie dazu gebracht hatte, zu fliehen? Ely runzelte die Stirn. Er verabscheute den Gedanken, dass sie in der Vergangenheit so gelitten haben musste, aber letztendlich war es ihr Problem und nicht seines.

Ely hatte auch Geheimnisse, und es fühlte sich falsch an, in ihrem Leben herumzuschnüffeln. Trotzdem hatte er mehr über sie herausfinden wollen, bevor er wieder abreiste. Er hatte sicher gehen wollen, dass mit ihr so weit alles in Ordnung war. Mit dem Tod eines Elternteils zurechtzukommen, war nicht einfach, und Ely nahm an, dass es keine gute Idee von ihr gewesen war, ganz allein damit umgehen zu wollen. Trotzdem konnte er sich gut vorstellen, dass Lydia weggelaufen war, um sich zu verstecken und ihre Wunden allein zu lecken. Sie wollte nicht, dass jemand etwas von ihrem Leid erfuhr.

Sie war kein Mensch, der jemanden an sich heranließ. Zumindest nicht emotional. Sie waren nur wenige Stunden, nachdem sie sich getroffen hatten, im Bett gelandet. Es war ein klassischer One-Night-Stand gewesen, aber Lydia hatte seine Welt in den Grundfesten erschüttert und ihn seine Ziele im Leben überdenken lassen. Das war der Grund, warum er nach Antigua geflüchtet war. Er hatte dort für mehrere Wochen allein am Strand gelebt, versucht einen klaren Kopf zu bekommen und Prioritäten neu zu setzen. Bis Tessa angerufen hatte.

Lydia war hier, um die Angelegenheiten ihrer Mutter zu regeln. Heute Morgen hatte er ein Stückchen weiter die Straße hinunter vor der Familienranch gewartet und zugeschaut, wie sie losgefahren war. Er war ihr den größten Teil des Nachmittags gefolgt und sie war zu einem Anwalt, Makler und einigen anderen Büros und Geschäften gefahren.

Es bestätigte ihm, was er bisher herausgefunden hatte. Sie schien nicht in Schwierigkeiten zu stecken und sah gut aus. Sogar besser als gut. Er hatte heute Morgen Tessa angerufen und ihr gesagt, dass mit ihrer Freundin so weit alles in Ordnung wäre. Wenn der Schneesturm vorbei wäre, würde er über Weihnachten nach Hause oder vielleicht sogar wieder zurück an den Strand fahren. Ely hatte eine neue Sicht des Lebens gewonnen und Lydia war dafür der Grund gewesen.

Er war spontaner geworden und wollte das Leben mehr genießen. Über ein Jahrzehnt hatte die Pflichterfüllung sein Leben bestimmt. Er war mit achtzehn Jahren zu den Marines gegangen und hatte neun Jahre dort gedient, bis er vor drei Jahren nach Hause gekommen und sofort bei seinen Brüdern im Familienunternehmen zu arbeiten begonnen hatte. Seit seinem Schulabschluss hatte sein Leben seiner Arbeit, seiner Familie und seinem Land gehört.

Aber wo fand er sich zwischen alldem? Er hatte nie aufgehört, sich das zu fragen. Er hatte geglaubt zu wissen, was er wollte – Arbeit und eine eigene Familie. Er hatte eine Frau finden, sich niederlassen und ein klassisches Familienleben führen wollen. Dinge, die er sich wünschen sollte, richtig?

Aber das hatte sich alles geändert, als die Frau, von der er glaubte, dass er dieses Leben mit ihr führen konnte, ihn betrogen hatte und er dann mit der letzten aller Frauen im Bett endete, von der er sich das hätte vorstellen können. Lydia war keine Frau, zu der er sich normalerweise hingezogen gefühlt hätte, aber sie hatte seinen sexuellen Horizont – und nicht nur den – auf ungeahnte Weise erweitert.

Und er hatte es genossen.

Es hatte dazu geführt, dass er ernsthaft seine Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse überdachte. Von jetzt an lebte er von Tag zu Tag und versuchte sich weiter zu öffnen. Er experimentierte. Wollte sich nicht mehr binden. Warum um alles in der Welt war er so wild darauf gewesen zu heiraten, nachdem er zuerst an das Marine Corps und dann an die Arbeit gebunden gewesen war? Er hatte für die Freiheit anderer gekämpft, aber er hatte selbst nicht viel davon gehabt. Vielleicht würde er tatsächlich einmal heiraten und sich niederlassen, aber bis dahin gab es noch viel zu erleben.

Und damit würde er anfangen, sobald er diesen Job beendet hatte.

Er verließ das Zimmer und ging hinunter, um ein Bier zu trinken und zu Abend zu essen. Als er durch das Restaurant lief, um an der Bar Platz zu nehmen, schaute er sich die anderen Besucher an, die sich am Ende des Tages ein Bier gönnten.

Lydia war in seinen Augen ein typischer Stadtmensch. Falls ihn jemand gefragt hätte, hätte er behauptet, dass die Milch, die sie morgens in ihr Müsli goss, der engste Kontakt war, den sie je mit einer Kuh hatte. Bei Ely war es ähnlich. Waffen kannte er. Strategien, Krieg, Sicherheitsmaßnahmen.

Kühe gehörten nicht unbedingt zu seinem Erfahrungsbereich.

Während sein Blick über die rauen, hart arbeitenden Männer glitt, nahm er auch den Weihnachtsbaum wahr, der hübsch dekoriert in der Ecke stand und der der abgenutzten, aber gemütlichen Taverne etwas Wärme gab. Der Barkeeper hatte ihn jetzt entdeckt und kam zu ihm hinüber.

„Ich hätte gerne ein Bier, und falls Sie noch Essen servieren, einen Hamburger mit Pommes Frites“, erklärte er mit einem Blick auf die Uhr.

„Bei uns kann man bis einundzwanzig Uhr essen“, beruhigte ihn der Mann. „Wir haben das beste Fleisch der Region, das sie je gegessen haben. Hatten Sie bisher einen schönen Aufenthalt?“

„Ja, es ist ein netter Ort.“

„Sind Sie geschäftlich hier?“

„Eigentlich nicht. Ich bin nur vorbeigekommen, um eine Freundin zu besuchen“, bemerkte Ely lässig.

„Wer ist Ihre Freundin?“

„Lydia Hamilton. Kennen Sie sie?“

Der Barkeeper schüttelte den Kopf. „Nein. Ich kannte Faye Hamilton. Jeder hier hat sie gekannt, aber ich habe Lydia nie getroffen. Sie muss die Tochter sein, nicht wahr?“

„Ja.“

„Ich habe gehört, dass sie bereits vor Jahren das Dorf verlassen hat, lange bevor ich diesen Laden gekauft habe. Und das ist schon eine Weile her. Sind Sie aus Übersee zurückgekommen?“

„Woher wissen Sie das?“

„Oh, ich habe einen Blick dafür. Ich war bei der Army. Mein Vater war im Zweiten Weltkrieg und mein Sohn im Irak. Marine?“

Ely nickte.

„Okay“, sagte der ältere Mann lächelnd, und Ely ergriff die Hand, die er ihm reichte. „Mein Name ist Tom. Und Ihrer?“

„Ely.“

Sie unterhielten sich eine Weile über ihre Erfahrungen beim Militär, und Ely war froh, vom Thema Lydia weggekommen zu sein.

Es wäre gut, wenn sie nie erfahren würde, dass er hier war. Er hatte das Gefühl, dass sie nicht sonderlich erfreut über seine Anwesenheit in diesem Städtchen sein würde. Ebenso wenig wollte er Tessa noch mehr zu erzählen, als er bereits getan hatte. Lydia hatte ein Recht auf Privatsphäre, und er wollte nicht die Freundschaft zwischen Tessa und Lydia gefährden. Es lag einzig und allein an Lydia, ob sie Tessa etwas über ihre Vergangenheit erzählen wollte oder nicht.

Es gefiel ihm nicht, dass er sie anlügen musste, aber eigentlich war es ja auch keine Lüge, sondern nur ein Weglassen, um Lydia zu schützen.

Tessa war frisch verheiratet und sah in diesen Tagen alles durch eine rosarote Brille. Er nahm an, dass sie sich gerne mehr für Lydia und ihn gewünscht hätte, und er wollte sie nicht ermutigen, weiter in diese Richtung zu denken. Sie hatte sie beide über die Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, ausfragen wollen, aber selbst, wenn es ihr gelungen wäre, mehr zu erfahren, wäre sie an diesem Punkt sehr enttäuscht worden. Was zwischen ihm und Lydia passiert war, hatte nichts mit Romantik zu tun.

Es war reine Lust gewesen. Lydia war ganz und gar nicht der romantische Typ.

„Ich stehe nicht auf Beziehungen“, hatte sie ihm in jener Nacht erklärt, als sie ihn ausgezogen hatte. „Aber auf eine Menge anderer Dinge.“

Mit Lydia zusammen zu sein war … befreiend gewesen.

Unglücklicherweise hatten sie sich unter etwas unangenehmen Bedingungen getrennt, und er war ihr aus dem Weg gegangen, damit niemand – vor allem nicht Tessa – auf irgendwelche Ideen kam. Außerdem war er sehr durcheinander gewesen. Er war vom Bett einer Frau in das der nächsten gehüpft – und das mit größtem Vergnügen. Nicht gerade eine seiner Ruhmestaten.

Lydia und er hätten die Dinge früher klären und sich entschließen müssen, Freunde zu bleiben, da es keinen Zweifel daran gab, dass sie sich hin und wieder begegnen würden. Sein Bruder Jonas mochte sie ebenfalls sehr, und Ely wusste, dass Lydia in alle möglichen Familienfestivitäten mit einbezogen werden würde. Wahrscheinlich würde das Erlebte mit der Zeit verblassen, und sie könnten am Ende noch Freunde werden. Hoffte er zumindest.

Ely wurde auf einmal bewusst, dass er so in Gedanken gewesen war, dass er nicht gehört hatte, was der Barkeeper gesagt hatte, und schenkte ihm wieder seine Aufmerksamkeit. Er warf rasch einen Blick auf den Wetterbericht, der gerade im Fernseher, der über der Bar hing, gezeigt wurde, und nickte.

„Sieht aus, als würden die Schneefälle noch heftiger werden.“

„Ja. Ich hoffe, Sie haben es nicht allzu eilig. Ich nehme an, dass es ein paar Tage dauern wird, bis die Straßen wieder frei sind und es keine Ausfälle und Verspätungen bei den Flügen gibt.“

„Ich habe es nicht eilig“, bemerkte er mit einem Lächeln. Er hoffte zwar, dass er nicht länger als einen weiteren Tag hier verbringen müsste, aber das Wetter schien da auch noch ein Wort mitzureden.

Sein Abendessen wurde serviert, und Ely aß einen Bissen von seinem Hamburger – der wirklich ausgezeichnet war – und erstarrte plötzlich.

Lydia.

Sie stand in der Tür und suchte einen Platz im Restaurant. Ely wandte sich rasch ab und hoffte, dass sie ihn nicht entdecken würde. Es gäbe keine andere Möglichkeit seine Anwesenheit zu erklären, als die Wahrheit zu sagen, und das war keine Option. Als er wieder in ihre Richtung blickte, sah er sie zu einer der Nischen mit den Bänken mit den orangefarbenen Vinylbezügen hinübergehen. Sie sah schmal und verfroren in ihrer Lederjacke aus, die sie nicht genug gegen dieses Wetter schützen konnte. Nur ein wahrer Stadtmensch lief bei dieser Kälte so herum.

Sie fiel unter den Einheimischen auf. Einige Männer sahen sich nach ihr um. Ihr hübsches Hinterteil, das durch die enge Jeans gut zur Geltung kam, zog mehr als nur einen anerkennenden Blick auf sich. Ebenso das sexy Piercing und das Halbmond-Tattoo an ihrem Mundwinkel, das viel zu viele Erinnerungen in Ely hervorrief.

Er hatte sie an dieser Stelle leicht gebissen, und das hatte ihr gefallen.

Sie hatte zurückgeknabbert, und das hatte ihm wiederum gefallen.

Lydia hatte nichts dagegen, wenn man es etwas heftiger angehen ließ und konnte mithalten. Er spürte, wie er hart wurde, versuchte seine Sitzposition zu ändern und fluchte.

Sie aus der Nähe zu sehen, hatte offenbar eine andere Wirkung, als ihr nur mit dem Truck zu folgen.

Verdammt, sie war heiß. Er nahm an, dass er viel mehr Zeit benötigen würde, um die starke Wirkung, die diese Nacht auf ihn gehabt hatte, zu überwinden.

Sie trug ihr schwarzes Haar ein wenig länger als früher. Es war an den Spitzen leicht gewellt und betonte ihre blasse Haut, die dunklen Augen und vollen Lippen. Er wusste, dass ihre Haut unter der Kleidung mit Tätowierungen über und über bedeckt war. Etwas, das er zuvor nie sexy an einer Frau gefunden hatte. Aber als er mit ihr zusammen war, hatte er gar nicht genug davon bekommen können, die Bilder, die den größten Teil ihres Körpers zierten, betrachten zu können, sie zu berühren, sie zu küssen.

Ely hatte auch ein Tattoo, das Symbol, welches alle Mitglieder seiner Einheit trugen, befand sich auf seiner Schulter. Ansonsten hatte es nie etwas gegeben, das er permanent auf seinem Körper haben wollte.

Er beendete sein Essen, schmeckte aber fast nichts mehr, als er während der Bissen vorsichtig zu ihr hinüberschaute. Sie nahm lächelnd den Kaffee von der Kellnerin entgegen und zog dann ein Buch aus ihrer Tasche und las. Ihr Apartment war voller Bücher gewesen.

Ely vermutete, dass weit mehr hinter all den Tattoos auf ihrem Körper steckte, als jemand auch nur ahnte. Deswegen hatte sie sich wohl auch damit bedeckt, genau wie die Piercings an ihrer Lippe, Ohren, Bauchnabel und sogar noch weiter unten – ein Piercing, das ihn total überrascht und erregt hatte.

Vielleicht waren die Tattoos und der andere Körperschmuck für sie eine Art Rüstung. Vielleicht wollte sie auf diese Weise ihre Geheimnisse verbergen? Wollte verbergen, wer sie war, warum sie hier war und was in ihrer Vergangenheit geschehen war. Er konnte sie verstehen, da es ihm ähnlich erging. Auch er hatte während seiner Einsätze und zu Hause vieles vor anderen im Verborgenen gehalten. Er bestellte sich ein letztes Bier und wollte sich dann wieder in sein Zimmer zurückziehen, bevor sie ihn entdeckte. Falls er hier tatsächlich noch einige Tage feststecken würde, müsste er vorsichtig sein.

Dann ging ein Mann zu der Nische hinüber, in der Lydia saß und setzte sich auf die Bank ihr gegenüber. Sie legte ihr Buch nicht weg, aber der Cowboy schien den Wink nicht zu verstehen. Er lächelte, lehnte sich zurück und nahm ein Zuckerpäckchen aus der Dose auf dem Tisch, um damit zu spielen. Offensichtlich versuchte er lässig zu wirken. Lydia schaute über den Buchrand hinweg und sagte etwas, dass das Lächeln des Mannes breiter werden ließ.

Ely spannte sich unwillkürlich an, und Adrenalin pumpte durch seinen Körper. Warum ärgerte er sich? Wahrscheinlich war sie seit ihrer gemeinsamen Nacht bereits mit anderen im Bett gewesen. Warum auch nicht? Es ging ihn nichts an.

Als er sah, wie Lydia den Kopf schüttelte und dem anderen Mann mit einem gezwungenen Lächeln einen Korb gab, normalisierte sich Elys Blutdruck wieder. Etwas Archaisches regte sich in ihm bei dem Gedanken, dass ein anderer Mann sie anfassen könnte – besonders dieser Kerl da – und kam erst wieder zur Ruhe, als der Cowboy zurück zu seinen Freunden an die Bar ging.

Ely trank sein Bier und gab vor, die Nachrichten anzuschauen. Schließlich bemerkte er aus den Augenwinkeln, wie sie ihr Buch zuklappte und zur Tür ging. Sie trug weder die Augen mit einem Eyeliner umrandet noch sonst irgendein Make-up, wie sie sie es zu tun pflegte, trotzdem war sie sexy und von einem Hauch Dramatik umgeben, sodass es einem schwerfiel, sie nicht anzuschauen.

Als sie nach draußen ging, bemerkte Ely, wie der Mann, der mit ihr geredet hatte, ihr folgte. Mit einem Freund. Seine Nackenhaare stellten sich plötzlich alarmiert auf. Er stellte sein halb volles Bier auf die Theke und folgte ihnen.

Lydia hatte einen frustrierenden Tag hinter sich. Nachdem sie heute Nachmittag viel Zeit damit verbracht hatte, auf den Anwalt ihrer Mutter zu warten, der dann doch nicht erschienen war, hatte sie keine große Lust gehabt, sofort zurück zum einsamen Haus zu fahren. Das Testament war eindeutig. Sie hatte alles geerbt, aber ihre Mutter hatte eine Klausel eingebaut. Lydia konnte ihr Erbe nur antreten, wenn sie einen Monat in dem Ort blieb. Ihre Mutter hatte sicherlich die besten Absichten gehabt. Sie hatte immer darauf bestanden, dass Lydia sich ihrer Vergangenheit stellen sollte.

Lydia sah das allerdings anders.

Sie würde die Ranch so schnell wie möglich verkaufen, was bedeutete, dass sie einen Monat – also drei weitere Wochen – bleiben musste und dann für immer diesen Ort verlassen könnte. Aber alles schien gegen sie zu arbeiten.

Das Haus war renovierungsbedürftig, und sie hatte versucht, jemanden für diese Arbeiten zu finden. Erfolglos. Dann hatte sie versucht, mit dem einzigen Immobilienmakler in Clear River Kontakt aufzunehmen. Doch das Büro hatte mittwochs geschlossen und hinzukam, dass es kurz vor Weihnachten war. Das würde nicht einfach werden.

Viele Handwerker waren bereits ausgebucht oder nahmen bis zum Frühlingsanfang keine neuen Aufträge an. Sie hatte Angebote aus der Stadt erhalten, aber durch die Anfahrten würden die Kosten noch weiter steigen.

Zu allem war auch noch eine Kuh krank, und sie hatten einen Tierarzt kommen lassen. Es war nötig gewesen, aber auch teuer. Glücklicherweise ging es dem Tier jetzt wieder gut. Lydia hatte viele Stunden in der Nacht bei ihr gesessen und sich mit Smitty, dem Verwalter der Ranch, abgewechselt. Er und ein Rancharbeiter, ein wortkarger Mann namens Kyle Jones, waren die einzigen Angestellten, die ihre Mutter behalten hatte.

Sie sollte versuchen, eine Hypothek auf die Ranch aufzunehmen, um die notwendigen Reparaturen finanzieren zu können und Smitty bitten, jemandem das Vieh zu verkaufen. Sie hatte vergessen wie sehr sie Kühe liebte. Es waren so friedliche Tiere, die meisten auf jeden Fall. Sie war froh, dass ihre Mutter die Herde auf sanfte Milchkühe reduziert hatte, aber sie musste ihnen ein gutes Zuhause suchen, nicht jemanden, der sie sofort ins Schlachthaus brachte. Auch für die Pferde musste ein Weg gefunden werden.

Es war alles so überwältigend, dass sie das Gefühl hatte, ihre Vergangenheit würde sie einholen und ihr das Leben nehmen, das sie fern von hier aufgebaut hatte. Das gefiel ihr gar nicht. Sie hatte die Vergangenheit hinter sich gelassen, und sie wollte, dass dies auch weiterhin so blieb.

Aber wenn sie jetzt einfach ging, würde sie ihr Eigentum verlieren und die Chance, es zu verkaufen. Mit dem Geld von dem Verkauf könnte sie in Philadelphia ihr Geschäft vergrößern und einen zweiten Laden eröffnen. Es war ein Traum, der noch Jahre brauchte, bis sie ihn verwirklichen konnte, aber mit dem Verkauf der Familienranch wäre die Erfüllung sofort möglich.

Als sie daran dachte, bekam sie Sehnsucht nach der Großstadt. Sie schaute sich um, während eisiger Wind ihr Haar zerzauste.

Das Städtchen war immer noch hübsch und gepflegt, so wie es schon immer gewesen war. Glitzernde Lichterketten schmückten die meisten Gebäude und hingen von Straßenlaterne zu Straßenlaterne. Die fröhliche Weihnachtsstimmung, die sie verbreiteten, stand in krassem Kontrast zu den Unwetterwolken am Himmel. Sie hatte gehört, dass ein schwerer Schneesturm erwartet wurde.

Die meisten der alten niedrigen Gebäude im Westernstil standen noch, obwohl auch einige neue gebaut worden waren. Auf der anderen Straßenseite befanden sich das Büro eines Architekten und eine neue Arztpraxis, die für die kleine Stadt sehr mondän wirkten. Die Straße war neu geteert, und auf den neu angelegten Bürgersteigen waren hin und wieder große hölzerne Blumenkästen als Schmuck aufgestellt worden. Doch wo später im Frühling die Blumen blühen würden, lag jetzt nur Schnee.

Als Kind war sie mit ihren Freunden oft diese Straße hinunter in die Pizzeria gegangen oder mit ihrem Vater zum nahe gelegenen Werkzeugladen. Jedes Jahr hatte sie mit ihrer Mutter Dutzende Kekse für das Picknick am Unabhängigkeitstag gebacken, das immer seinen Höhepunkt in einem Feuerwerk am Rande der Stadt fand. Clear River war schon immer ein kleines Paradies gewesen. Jeder kannte jeden, und die Bewohner des Städtchens waren einem wie eine Familie. Es war angenehm gewesen, hier aufzuwachsen. Meistens auf jeden Fall.

Sie hatte eine Menge gute Erinnerungen an diese kleine Stadt, bevor alles sich zum Schlechten verändert hatte.

Autor

Samantha Hunter
Bevor Samantha Hunter sich voll und ganz dem Schreiben widmete, arbeitete sie zehn Jahre als Lehrerin für kreatives Schreiben an der Universität. Ihr erster Liebesroman, Virtually Perfect, den sie 2004 fertigstellte, wurde direkt veröffentlicht. Sieben weitere Liebesromane folgten bis heute. Samantha Hunter ist mit Leib und Seele Autorin. Und wenn...
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