Ein Feuerwerk aus Leidenschaft - Kapitel 12

Der schrille Alarm des Weckers riss Adam aus dem Schlaf.

Frühdienst.

Sonst wachte er immer vor dem Klingeln des Weckers auf. Aber dieser Morgen war nicht wie sonst. Es war der Morgen nach einer langen leidenschaftlichen Nacht mit Kerry. Er wollte jetzt noch nicht aufstehen.

Nur noch fünf Minuten!

Adam drückte auf den Alarmknopf des Weckers und drehte sich auf die Seite, um seine Frau in die Arme zu nehmen.

Nur war sie leider nicht mehr da. Ihre Seite des Bettes war kalt.

Das hieß, sie musste schon vor einer ganzen Weile gegangen sein.

Er seufzte und öffnete die Augen. Er war sich so sicher gewesen, dass die letzte Nacht einen Durchbruch bedeutet hatte. Dass sie beide endlich bereit waren, zuzugeben, was sie für einander empfanden.

Aber Kerry war geflohen.

Wovor hatte sie nur solche Angst?

Er brauchte jetzt erst einmal einen Kaffee.

In der Küche fand er, an den Wasserkessel gelehnt, einen Zettel von ihr.

 

Musste zu einem Außentermin. Bis bald.

 

Während er Kaffee aufsetzte, überlegte er angestrengt, wie er zu ihr durchdringen konnte.

Kerry nur zu sagen, dass er sie liebte, war nicht genug. In Anbetracht ihrer Vergangenheit würde sie es nicht riskieren, ihm zu glauben. Weil sie Angst hatte, verletzt zu werden. Ihm fiel nur eine einzige Art ein, wie er sie überzeugen konnte.

Eine ziemlich spektakuläre Art.

Dabei würde er Gefahr laufen, dass ihm in aller Öffentlichkeit das Herz gebrochen wurde. Aber er war bereit, das Risiko einzugehen.

Er stürzte seinen Kaffee hinunter und biss von einem Toast ab. Dann rief er bei seinen Eltern an.

„Moira McRae“, meldete seine Mutter sich augenblicklich.

„Guten Morgen, Mum. Geht es dir und Dad gut?“

„Ja. Genau wie gestern, als du uns angerufen hast. Ist etwas nicht in Ordnung, Adam?“, fragte sie besorgt.

„Doch, alles bestens“, beruhigte er sie schnell. „Ich brauche nur die Telefonnummer von der Firma, die das Silvesterfeuerwerk in Inveraillie ausrichtet.“

„Warum?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Ich plane eine Überraschung für Kerry.“

„Wie du meinst. Warte einen Moment.“

Er hörte Papier rascheln. Bestimmt blätterte seine Mutter im Telefonbuch.

„Hast du einen Stift?“, fragte sie nach einer Weile.

„Ja“, antwortete er und notierte sich den Namen und die Nummer, die seine Mutter ihm nannte. „Danke, Mum. Wir sehen uns Silvester.“

„Gern geschehen. Ich hab dich lieb, Adam.“

Das sagte sie immer zu ihm. Und er murmelte dann meist etwas Unverständliches. Er räusperte sich. „Ich hab dich auch lieb, Mum.“ Das sollte er ihr wirklich öfter sagen.

Nachdem er aufgelegt hatte, wählte er die Nummer, die seine Mutter ihm gegeben hatte. Nach einem kurzen Gespräch war alles geregelt. Die Vorbereitungen waren getroffen. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass sein Plan funktionierte.

 

Kerry hatte eine gute Ausrede, um Adam vor Silvester aus dem Weg zu gehen. Sie arbeitete fieberhaft am letzten Schliff der Feuerwerke, die sie entworfen hatte. Außerdem musste sie die Leute einweisen, die die Feuerwerke entzünden sollten, damit alles genau nach Plan lief.

Doch dann war es plötzlich höchste Zeit, sich auf den Weg nach Schottland zu machen.

Nach Schottland zu ihrem letzten Abend als Adams Ehefrau.

Ihre gemeinsame Nacht an Weihnachten war ein großer Fehler gewesen. Dennoch brachte sie es nicht über sich, das Ganze auch nur eine Sekunde lang zu bereuen. Aber diese Nacht machte die Sache nicht einfacher. Jetzt war es noch schmerzhafter, sich endgültig von Adam zu lösen. Sicher hielt auch er diese Nacht für einen Fehler. Und anders als sie bereute er bestimmt, dass es dazu gekommen war. Um dieses Bedauern nicht in seinen Augen sehen zu müssen, war sie gegangen, als er noch schlief.

Sie fühlte sich elend und hatte Kopfschmerzen. Während der Reise nach Schottland wurde sie immer stiller.

„Alles in Ordnung?“, fragte Adam, als er den Wagen, den sie in Edinburgh gemietet hatten, am Ortsschild von Inveraillie vorbeilenkte.

Nein, dachte sie. Nichts ist in Ordnung. Ich gehöre nicht hierher. Und ich bin dabei, schon wieder einen Riesenfehler zu machen. „Ja“, log sie tapfer.

Dann bog er in die Einfahrt seines Elternhauses ein. Moira und Donald hatten sie offenbar durch ein Fenster beobachtet, denn sie eilten aus dem Haus und begrüßten sie mit Küssen und Umarmungen. Ihr Willkommen war unglaublich herzlich. Es tat Kerry in der Seele weh.

Adam brachte das Gepäck in ihr Zimmer.

In ihr gemeinsames Zimmer.

Kerry durchrieselte ein Schauer des Verlangens. Ein bittersüßes Verlangen, denn dies würde die letzte Nacht sein, die sie mit ihm verbrachte. Dann würde sie der ganzen Sache ein Ende machen. Und vielleicht irgendwann in der Zukunft ihren Seelenfrieden wiederfinden.

Moira hatte sich große Umstände gemacht, um ihre Gäste zu bewirten. In der großen Landhausküche duftete es nach frisch gebackenem Kuchen. Überall im Wohnzimmer standen kleine Schalen mit Keksen und Schokolade herum.

Als Kerry sich neben Adam auf das Sofa setzte, blieb ihr fast das Herz stehen. Denn sie hatte ihr gerahmtes Hochzeitsfoto auf dem Kaminsims entdeckt. Adam und sie lächelten dem Betrachter glücklich entgegen. Als ob sie wirklich Teil dieser Familie wäre!

Nach und nach trafen die anderen Gäste ein. Menschen aus dem Ort, die sehr erfreut waren, endlich die Bekanntschaft der Frau des jungen McRae zu machen, der doch eigentlich nie hatte heiraten wollen. Sogar Elspeth MacAllister kam, um Adam und Kerry Glück zu wünschen. Dabei wirkte sie so ernst und aufrichtig, dass Kerry beinah in Tränen ausgebrochen wäre.

Irgendwie schaffte sie es, dass Dinner hinter sich zu bringen, ohne zusammenzubrechen.

„Für dich ist es vermutlich nichts Besonderes“, wandte Moira sich an ihre Schwiegertochter, „aber wir gehen an Silvester immer zu dem großen Feuerwerk der Gemeinde. Ich habe vier Eintrittskarten für uns besorgt.“

„Oh, ich komme gern mit“, erwiderte Kerry. „Es ist interessant für mich, die Arbeit von anderen Pyrotechnikern zu sehen.“

Das Feuerwerk wurde auf dem Spielfeld des örtlichen Rugbyclubs entzündet. Kerry hatte den Eindruck, als hätten sich der ganze Ort und noch ein paar Nachbardörfer dazu versammelt. Sie konnte sich die Namen der vielen Menschen, die Adam und ihr zur Hochzeit gratulierten, gar nicht merken.

Sie musste an sich halten, um nicht zusammenzuzucken, als er den Arm um sie legte. Die Leute erwarteten schließlich, dass ein junges Ehepaar Zärtlichkeiten austauschte.

Dann begann das Feuerwerk, das Kerry ausnehmend gut gefiel. Es war eine gelungene Mischung aus Farben und Effekten. Das Publikum schien ebenfalls davon begeistert zu sein. Allerdings gab es keine Feuerräder, wie sie bedauernd feststellen musste. Feuerräder gehörten zu ihren bevorzugten Elementen im Arsenal der Pyrotechnik.

Gegen Ende der Vorstellung war noch eine gigantische Kaskade aus silbrigen Sternen zu sehen, die Kerry für das Finale hielt. Aber als sie gerade dachte, das Feuerwerk wäre vorbei, trat Adam hinter sie, legte ihr den Arm um die Taille und zog sie an sich.

„Jetzt kommt das große Finale“, sagte er leise.

Sie runzelte die Stirn. Hatten sie das nicht gerade gehabt? Dann erblickte sie jedoch auf dem Boden des Rugbyfeldes gleißende, wirbelnde kreisförmige Lichter. Die Feuerräder, die sie vermisst hatte. Und sie verkündeten eine Botschaft.

 

A K

 

Sie blinzelte und starrte fassungslos auf die Feuerräder. Doch sie hatte sich nicht getäuscht.

 

A K

 

Adam liebt Kerry.

„Soll das heißen …“, begann sie mit zitternder Stimme. „Stecken deine Eltern dahinter?“

„Nein, das war ich“, antwortete er.

Es gehörte zu der Vorstellung, die sie für seine Eltern gaben. Gut, das konnte sie verstehen.

Er zog sie noch enger an sich. „Ich versuche schon eine ganze Weile, es dir zu sagen“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Dies war der einzige Weg, der mir eingefallen ist, damit du zuhörst.“

Er sagte ihr, dass er sie liebte. Durch ein Feuerwerk.

Feuerwerk. Sie hatte das Gefühl, als ob in ihrem Körper gerade eines abbrannte.

„Ich liebe dich, Kerry“, sagte Adam mit fester Stimme. „Ich glaube, das tue ich schon seit langer Zeit. Ich hatte nur Angst zuzugeben, dass ich genauso bin wie alle anderen. Ich möchte, dass es in meinem Leben diesen einen, ganz besonderen Menschen gibt. Ich will mich niederlassen und eine Familie gründen.“ Er küsste sie auf das Ohrläppchen. „Dieser eine, ganz besondere Mensch bist du.“

„Aber ich dachte … das wäre alles nur, um …“ Seine Eltern zu überzeugen. Damit sie glücklich waren, weil ihr Sohn eine Frau gefunden und geheiratet hatte.

„Am Anfang war es auch so. Aber dann habe ich gemerkt, was ich wirklich für dich empfinde. Ich habe es dir am Tag unserer Hochzeit gesagt.“

Sie hatten miteinander geschlafen, ja. Sie konnte sich jedoch nicht daran erinnern, dass er von Liebe gesprochen hätte.

„Weißt du noch, wie du mich gefragt hast, was ich am Ende der Zeremonie zu dir gesagt habe?“, fragte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

Sie nickte.

Er wiederholte sein Ehegelöbnis auf Gälisch.

„Ich spreche kein Gälisch“, sagte sie leise.

„Dann übersetze ich es für dich. Von diesem Tag ein Körper. Vereinigt zu einer Seele, die nie mehr getrennt werden soll. Herz meines Herzens, ich gebe dir meine Liebe. Tu damit, was immer dir gefällt.“

Die Worte trafen sie mitten ins Herz.

Sie drehte sich um und sah ihm in die Augen. In ihrer Nähe spielten Kinder mit bunten Leuchtkörpern. Das Licht war stark genug, um sein Gesicht sehen zu können. Und den Ausdruck in seinen Augen.

Er meinte es ernst.

„Du liebst mich“, sagte sie verwundert.

„Von ganzem Herzen. Ich weiß, dass du Angst hast. Ich weiß, dass dein Vater dich und deine Mutter im Stich gelassen hat. Und dass es schwer für dich ist, jemandem dein Vertrauen zu schenken. Aber du und ich, wir sind nicht wie deine Eltern. Und ich habe ein gutes Beispiel, dem ich folgen kann. Meine Eltern sind seit fünfunddreißig Jahren verheiratet. Sie lieben sich immer noch wie am ersten Tag und stehen zueinander.“ Er streichelte zärtlich ihr Gesicht. „Unsere Ehe kann genauso glücklich werden. Das wird sie auch, weil ich dich liebe.“

„Aber du hast das dickste schwarze Notizbuch von ganz London!“

„Hatte“, korrigierte er. „Seit ich dir den grünen Saphir an den Finger gesteckt habe, habe ich keine andere Frau mehr angesehen. Weil keine andere dir das Wasser reichen kann. Keine.“

„Und ich dachte, du hättest nur deinen Matratzenrost geölt, weil ich keine zweideutigen Geräusche mehr von oben gehört habe.“

Er schüttelte den Kopf und legte die Arme um ihre Taille. „Es gibt nur noch eine Frau, mit der ich mein Bett teilen will. Die eine, die mein Herz in ihren Händen hält. Meine Frau. Ich möchte aus unserer Scheinehe eine richtige machen.“

Sie sah ihn wortlos an. Konnte sie es wagen, ihm zu glauben?

„Wenn du mich auch liebst“, fügte er hinzu.

Wie konnte er das nur fragen? „Weißt du das denn nicht?“

Er zuckte die Schultern. „Als ich die Fotos von Trish bekam, fiel mir eines auf, das nicht bei denen war, die du mir gegeben hast. Darauf ist sehr deutlich zu sehen, dass ich dich liebe. Es steht mir sozusagen ins Gesicht geschrieben. Ich dachte, du hast es weggenommen, weil du das bemerkt hast und meine Gefühle nicht erwiderst.“

„Mir ging es ganz genauso! Ich dachte, du fühlst nicht dasselbe wie ich, und wollte nicht, dass du es siehst. Es wäre mir peinlich gewesen.“

„Was für Idioten wir beide waren! Denk nur an all die Zeit, die wir verschwendet haben, weil wir …“

Sie legte ihm einen Zeigefinger auf die Lippen. „Nicht verschwendet. Vielleicht waren wir einfach noch nicht bereit. Es ist ein großer Schritt, jemandem sein Herz zu öffnen und sich verwundbar zu machen.“

„Stimmt. Das gilt wohl für uns beide. Aber heute ist das Ende des alten Jahres und der Anfang des neuen. Ein guter Zeitpunkt, um unsere Ehe zu beginnen. Von heute an wirst du jeden Morgen in dem Wissen aufwachen, dass ich liebe.“

„Und ich dich.“

Die Feuerräder zischten immer noch und verbreiteten ihr gleißendes Licht am ganzen Himmel.

„Sie brennen gleich aus“, sagte Adam und küsste Kerry auf die Lippen. „Aber unsere Liebe nicht. Ich werde niemals aufhören, dich zu lieben.“

„Und ich werde niemals aufhören, dich zu lieben.“ Kerry wusste, dass sie endlich gefunden hatte, wonach sie ihr ganzes Leben lang gesucht hatte. Den Mann, der sie verstand. Der sie liebte. Und der es ihr sagte. Mit einem Feuerwerk.

 

– ENDE –


Sold out

Sold out

Sold out
Nächster Artikel Ein Feuerwerk aus Leidenschaft - Kapitel 11