Du sollst meine Prinzessin sein - Kapitel 12

~ Kapitel 12 ~

Die Welt schien stehen zu bleiben. Und doch begann sich alles um sie herum so schnell zu drehen, dass ihr schwindelig wurde.

    Es war unmöglich. Eine Illusion. Manchmal passierte so etwas: Menschen hörten Stimmen von Leuten, die gar nicht da waren.

    Die ganz woanders waren, beispielsweise auf einer exklusiven Party in einer luxuriösen Villa oder auf einer Jacht, oder die mit einem wunderschönen Filmstar neben sich in einem Privatjet zu einer tropischen Insel flogen.

    Keinesfalls befanden sie sich an einem Strand in Cornwall, an dem ein heftiger Wind vom Nordatlantik her wehte …

    „Tio Rico!“, rief Ben voller Freude.

    Sie neigte den Kopf, um ihre trügerische Vision abzuschütteln.

    „Hallo, Ben. Ging es dir gut ohne mich?“

    „Nein!“, antwortete der Junge. „Du warst nicht da. Warum warst du nicht da, Tio Rico?“

    „Ich bin aufgehalten worden. Es tut mir leid. Aber jetzt bin ich hier.“

    Lizzy spürte, wie er sich auf die Stranddecke setzte. Immer noch konnte sie keinen einzigen Muskel bewegen.

    „Wirst du jetzt bei uns bleiben?“, fragte Ben ein wenig ängstlich.

    „Solange du willst.“ Er hielt inne. „Wenn deine Mummy einverstanden ist.“

    Er legte eine Hand auf ihre Schulter. „Lizzy?“

    Sie blickte auf. Rico saß unmittelbar neben ihr, als wäre er schon immer dort gewesen.

    „Du solltest nicht hier sein“, flüsterte sie mit belegter Stimme. „Captain Falieri hat mir alles erklärt. Er hat gesagt, es wäre dir verboten, Ben zu sehen.“

    Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich. „Nun, das kommt darauf an“, antwortete er und sah sie eindringlich an.

    „Nein, es kommt auf gar nichts an. Seine Erklärung war sehr klar und deutlich. Du darfst Ben nicht mehr besuchen.“

    Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Ben das Gesicht verzog.

    „Warum darf Tio Rico mich nicht mehr sehen?“, fragte er.

    Rico streckte die Hand aus und strubbelte durch die Haare des Jungen. „Deine Mutter hat das falsch verstanden. Ich bin doch hier, oder nicht?“

    Jetzt war es an ihr, das Gesicht zu verziehen. „Aber du solltest es nicht sein“, erwiderte sie finster.

    Etwas blitzte in seinen Augen auf, was sie dort nicht sehen wollte. „Wo sollte ich sonst sein, wenn nicht bei meiner Frau und meinem Sohn?“, fragte er ruhig.

    „Nein“, wehrte sie ab und schaukelte sanft vor und zurück. „Nein“, wiederholte sie noch einmal trotzig.

    „Hast du wirklich gedacht, ich komme nicht wieder?“

    Unvermittelt sprang Lizzy auf. „Du musst gehen!“, schrie sie ihn an. „Sofort. Captain Falieri hat mir alles erklärt. Also geh … geh!“

    Rico ergriff ihre Hände und zog Lizzy wieder zu sich hinunter.

    „Er hat mir alles gesagt“, herrschte sie ihn verzweifelt an. „Er hat mir von dem Gesetz erzählt, nach dem du ohne die Erlaubnis des regierenden Prinzen nicht heiraten darfst. Unsere Ehe ist ungültig.“

    „Unsere Ehe ist rechtskräftig, Lizzy. Wir haben unser Versprechen vor einem Priester abgelegt. Niemand kann das rückgängig machen.“

    „Doch, dein Vater kann … und er hat es getan.“

    „Alles, was mein Vater tun kann, ist, unsere Ehe innerhalb von San Lucenzo nicht anzuerkennen. Aber er kann sie nicht aufheben. Er hat keine Macht über uns, Lizzy. Gar keine.“

    „Das ist nicht wahr. Auch das hat Falieri mir gesagt. Dein Vater besitzt die absolute Macht über dich. Und wenn du ihm nicht gehorchst, wird er davon Gebrauch machen.“ Sie schluckte. Ein qualvoller dicker Kloß hatte sich in ihrer Kehle gebildet. Dennoch sprach sie weiter, sprach die Worte aus, die sich so schmerzlich in ihre Seele gebrannt hatten.

    „Er wird es tun, Rico. Er wird dir deinen königlichen Rang absprechen. Er wird dich enterben und dich von der Thronfolge ausschließen. Deine Konten in San Lucenzo werden eingefroren. Er wird dir alles wegnehmen … alles.“

    In ihrem Kopf konnte sie immer noch die Worte des Captains hören. Die Worte, die alle ihre Hoffnungen zerstört hatten. Die sie überwältigt und ihr Herz in tausend Scherben hatten zerspringen lassen.

    Der seltsame Ausdruck auf Ricos Gesicht machte ihr Angst. Seine Miene war ruhig. Sehr ruhig. Zu ruhig.

    „Falieri hatte unrecht. Es gibt etwas, das mein Vater mir nie wegnehmen kann.“ Er schwieg einen Moment. „Dich. Du bist meine Frau, Ben mein Adoptivsohn. Und niemand, keine Macht der Welt, wird mir euch nehmen.“

    „Nein“, schrie sie. „Das darfst du nicht sagen. Ich werde es nicht zulassen. Du musst sofort gehen.“

    „Was für eine korrupte Frau du doch bist“, meinte er lächelnd. „Du wolltest mich nur wegen meines Titels, nicht wahr?“ Er verschränkte seine Finger mit ihren. „Nun, dann habe ich schlechte Nachrichten für dich, Signora Ceraldi …“

    „Hör auf. Noch ist es nicht zu spät. Geh jetzt.“

    Rico zog sie an seine Brust. „Dafür ist es zu spät, viel zu spät.“

    Er küsste sie.

    Der Kuss dauerte sehr lange. Und endlich ergab Lizzy sich ihm. Sie schmolz in seinen Armen, während Tränen über ihre Wangen liefen.

    „Mummy? Mummy?“

    Eine kleine Hand zupfte an ihrem Ärmel. Rico ließ Lizzy ein wenig los und schloss Ben ebenfalls in seine Arme.

    „Und jetzt sag mir die Wahrheit“, wandte er sich an Ben. „Was möchtest du lieber? Soll ich weggehen oder hier bei dir und Mummy bleiben, obwohl ich dann kein Prinz mehr bin?“

    „Würdest du denn weggehen?“, fragte Ben.

    Rico schüttelte den Kopf. „Niemals. Nur manchmal muss ich fort … um zu arbeiten. Vielleicht für ein paar Tage in der Woche. Aber wir würden zusammenleben – mit Mummy natürlich. Würde dir das gefallen?“

    „Wo würden wir denn wohnen?“

    „Wo auch immer du magst. Außer in einem Palast.“

    „Ich will hier leben und in dem Ferienhaus mit dem Swimmingpool“, forderte Ben. „Mit dir und Mummy. Für immer und immer.“

    „Abgemacht“, erwiderte Rico. „Gib mir Fünf und sag Ja.“

    Begeistert schlug Ben seine kleine Hand gegen Ricos große. „Ja“, rief er. „Ja, ja, ja!“

    Sein kleines Gesicht glühte vor Freude.

    Lizzys Gesicht hingegen war feucht vor Tränen.

    „Du kannst das nicht tun. Es ist unmöglich“, weinte sie.

    Rico schloss sie fester in seine Arme. „Zu spät“, erwiderte er. „Es ist bereits beschlossene Sache, Signora Ceraldi.“ Tief sah er ihr in die Augen. „Sag mir nicht, dass mein Titel das Einzige war, was dich an mir interessiert hat. Das verkraftet mein Ego nicht.“

    Sie schluckte. „Ben …“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Warum fängst du nicht schon einmal an, den neuen Bahnhof zu bauen? Tio Rico und ich müssen uns ein wenig unterhalten.“

    „Okay“, erwiderte Ben.

    Seine Welt war wieder in Ordnung. Glücklich marschierte er zurück zu der begonnenen Eisenbahnanlage und machte sich an die Arbeit. Lizzy hingegen entzog sich vorsichtig Ricos Umarmung und setzte sich in die am weitesten entfernte Ecke der Decke.

    „Du kannst das nicht tun“, wiederholte sie mit fester gewordener Stimme. Sie wählte einen ruhigen und vernünftigen Tonfall. „Ich erlaube es dir nicht. Ich lasse nicht zu, dass du für Ben alles aufgibst. Er ist noch jung, er wird dich bald vergessen. Am Anfang wird es schwer sein, aber irgendwann bist du nur noch eine Erinnerung, und auch die wird verblassen.“

    „Ja, aber ich werde mich immer an ihn erinnern. Ich werde ihn nicht vergessen. Und ich werde ihn bestimmt nicht aufgeben. Er ist der Sohn meines Bruders. Er würde wollen, dass ich der Vater für Ben bin, der er nie sein durfte. Genauso wie du Ben eine Mutter bist, wie es deiner Schwester nicht erlaubt war. Und obwohl wir ihren schrecklichen Tod nicht ungeschehen machen können, können wir doch für ihren Sohn eine liebevolle Familie sein. Denn wir beide lieben ihn … und wir lieben uns, nicht wahr, Lizzy?“

    Sie öffnete den Mund, aber kein Laut drang über ihre Lippen.

    „Du kannst keinen Mann so küssen, wenn du ihn nicht liebst. Du kannst nicht so über einen Mann weinen, wenn du ihn nicht liebst. Und ganz sicher kannst du einem Prinzen nicht sagen, er darf seinen Titel nicht für die Frau aufgeben, die er liebt, wenn du ihn nicht liebst. Ich habe dich in allen drei Punkten überführt, Signora Ceraldi. Aber ich habe noch mehr Beweise. Jede Nacht, die wir zusammen verbracht haben, jeder Moment, den wir zusammen waren, jeder Blick, jede Berührung, alles, was wir zueinander gesagt haben, jede Mahlzeit, die wir geteilt haben, jedes Lächeln, das wir uns zugeworfen haben, einfach alles beweist, dass du mich liebst.“

    Nachdenklich schüttelte Rico den Kopf. „Hier hat alles angefangen, obwohl ich es damals nicht wusste. Als ich dich gesehen habe, wie liebevoll du mit Ben umgegangen bist. Und dann …“, er schwieg einen Moment. „Dann hast du dieses grausame Wort benutzt, um dich und unsere Ehe zu beschreiben. Und ich wollte alles tun, damit dieses Wort nie wieder über deine Lippen kommt.“ Sein Blick wurde weich. „Und dafür habe ich eine fantastische Belohnung erhalten. Seit du auf der Terrasse auf mich zugegangen bist und so wunderschön ausgesehen hast, war ich verloren und dir verfallen. Aber hier geht es nicht um dein Äußeres, denn auch wenn du kein Make-up trägst und sich deine Haare kriseln und du diese unförmigen T-Shirts anziehst, möchte ich dich festhalten und nie, nie wieder loslassen. Was glaubst du, warum das so ist?“

    Sie spielte mit den Fransen der Decke und weigerte sich, ihn anzusehen.

    „Es war nur etwas Neues für dich, mehr nicht.“

    Rico stieß ein einzelnes Wort auf Italienisch aus. Sie hatte keine Ahnung, was es bedeutete, war sich aber sicher, dass sie es niemals aus Bens Mund hören wollte.

    „Es war Liebe. Und weißt du, woher ich das weiß? Als mein Vater mir gesagt hat, meine Ehe sei ungültig, wollte ich ihn schlagen.“

    „Er hat versucht, dich zu manipulieren. Es ist kein Wunder, dass du wütend geworden bist.“

    „Er wollte dich mir wegnehmen. Aber das werde ich nicht zulassen.“

    „Er wollte dir Ben wegnehmen.“

„Ben, ja … und dich. Und jetzt hör auf, mir zu sagen, dass ich dich nicht liebe, Signora Ceraldi.“ Er schüttelte den Kopf, seine Augen funkelten schelmisch. „Was hast du nur für eine schlechte Meinung von mir! Der Playboy-Prinz … dafür hältst du mich doch, oder nicht? Gib es zu.“

    Doch Lizzy war nicht nach Scherzen zumute. „Du kannst nicht einfach dein Geburtsrecht wegwerfen.“

    „Ich kann und ich habe. Wie gesagt, es ist bereits beschlossene Sache. Das war es von dem Moment an, in dem mein selbstgefälliger Bruder mich über die Strafe für mein Verbrechen informiert hat. Es hat eine Weile gedauert, um meinen Vater und Luca zu überzeugen, wie ernst es mir ist. Irgendwann ist es mir schließlich gelungen. Ich weiß nicht, wie viele Dokumente ich unterzeichnet habe, aber dann haben sie mich gehen lassen. Und da bin ich.“

    „Rico, bitte. Geh zurück, bevor es zu spät ist. Bestimmt kannst du noch deinen Titel und dein Geld zurückbekommen und …“

    Aber er lachte nur und lehnte sich zurück. „Du bist wirklich eine korrupte Frau, Signora Ceraldi.“ Er stieß ein übertriebenes Seufzen aus. „Ich war nur gut für dich, solange ich ein Prinz war und Zugang zu den königlichen Schatztruhen hatte.“

    Traurig neigte er den Kopf. „Mein armer süßer Liebling. Weißt du denn nicht, dass ich seit meinem achtzehnten Lebensjahr daran arbeite, finanziell unabhängig von meiner Familie zu sein? Ich weiß, du hältst mich für einen gedankenlosen Playboy-Prinzen, aber ich habe meine Jugend nicht nur mit Müßiggang und Powerbootrennen vergeudet. Ich habe investiert, mein Geld angelegt und Aktien gekauft. Vielleicht habe ich nicht mehr so viel Geld wie als Prinz von San Lucenzo, aber wir werden ganz gut über die Runden kommen, das verspreche ich dir. Wir können sogar …“, wieder funkelten seine Augen, „… die Villa in Capo d’Angeli kaufen. Was sagst du dazu? Aber wir behalten das Cottage auf jeden Fall. Wir lassen es herrichten, bauen eine Zentralheizung ein. Ich möchte gerne Zeit hier verbringen. Auf diesen Wellen kann man bestimmt hervorragend surfen.“

    Sie wand ihre Hände in ihrem Schoß.

    „Das Wasser ist viel zu kalt.“

    Rico nahm ihre Hände in seine. „Dann freue ich mich darauf, dass du mich anschließend wieder aufwärmst. Das tust du doch, oder?“ Noch ein Funkeln, und dieses Mal ließ es sie sich ganz schwach fühlen.

    „Zu viele Tage ohne dich“, murmelte er und streichelte verheißungsvoll über ihre Finger. „Zu viele Nächte. Wir haben eine Menge nachzuholen.“

    Lizzy atmete tief ein und sah ihm direkt in die Augen. In seine dunklen, wunderschönen Augen.

    „Rico, hör bitte auf. Ich ertrage das nicht.“

    Langsam senkten sich seine Lider, dann schaute er sie wieder an. „Und ich kann es nicht ertragen, es nicht zu tun.“

    Eine kleine Hand zupfte an seinem Ärmel. Mit einer geschmeidigen Bewegung kam Rico auf die Knie.

    „Was ist los, Ben?“, fragte er lächelnd.

    „Tio Rico“, sagte Ben verträumt. „Hast du eigentlich unser Fort mitgebracht?“

 

An diesem Abend brauchte Ben sehr lange, um sich fürs Bett fertig zu machen. Völlig überdreht sprang er im Haus umher, bis er nicht mehr gegen den Schlaf ankämpfen konnte.

    Lizzy saß in der Küche, als Rico vom Gutenachtsagen die schmale knarrende Treppe wieder herunterkam. Sie hielt eine Tasse Tee in der Hand und starrte blickleer vor sich hin.

    Wie lange würde sie brauchen, um alles zu glauben? fragte er sich. Um zu glauben, dass er es wirklich getan hatte und nichts bereute.

    Als er die Küche betrat, richtete sie ihren Blick entschlossen auf ihn. Und das Leuchten in ihren Augen raubte ihm den Atem.

    Woher war diese Liebe für sie gekommen? Er wusste es nicht. Sie war einfach da. Irgendwann, als er nicht aufgepasst hatte, war es passiert. Als er mit ihr zusammen gewesen war. Und mit Ben.

    Meine Familie, dachte er. Meine Frau und mein Junge. Mein Sohn. Ich bin sein Vater. Ich kümmere mich um ihn und beschütze ihn. So einfach ist das. Ich musste gar keine Wahl treffen.

    „Ben schläft“, sagte er. „Endlich.“

    „Er ist aufgeregt“, erwiderte sie.

    Rico konnte sehen, dass sie versucht hatte, etwas an ihrem Aussehen zu ändern, während er Ben zu Bett gebracht hatte. Sie hatte Make-up aufgelegt und die Haare gestylt. Lizzy sah gut aus. Nicht so umwerfend wie damals, als sich die Experten ihrer angenommen hatten, aber gut.

    Das Seltsame war, dass es ihm egal war.

    Er liebte sie, wenn sie umwerfend aussah, und er liebte sie, wenn sie alltäglich aussah.

    Weil er sie einfach liebte.

    Rico setzte sich neben sie an den Tisch.

    „Du kannst immer noch deine Meinung ändern und zurückgehen.“

    Er lächelte. Es war ein seltsames Lächeln, amüsiert, resigniert und verständnisvoll zugleich. „Ich bleibe hier, Lizzy. Das musst du akzeptieren.“

    „Ich kann nicht, Rico. Es war doch alles nur ein Traum. Ich war Cinderella und habe beim Ball mit dem Prinzen getanzt. Ich war Dornröschen, das durch einen Kuss von ihrem Prinzen geweckt wurde. Alles war nur ein Märchen. Mehr nicht.“

    „Hast du nie daran gedacht, dass der Prinz aus den Märchen gerne sein eigenes Märchen erleben würde? Eines, in dem er endlich aufhören kann, den Prinzen zu spielen? Weißt du“, und jetzt wurde seine Stimme leise und ernst, „dass du der einzige Mensch auf der Welt bist, der mich anschaut und tatsächlich mich sieht? Nicht den Prinzen, sondern mich?“

    Ein verwirrter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Er lächelte wehmütig. „Du erinnerst dich nicht, oder? Damals stand ich im Flur dieses Cottages und habe dir gesagt, dass wir vor den Paparazzi fliehen müssten. Und du hast immer nur nach dem Wieso gefragt. Warum müssen wir weglaufen? Du hattest nicht die leiseste Ahnung, wer ich war. Alles, was du gesehen hast, war ein Fremder, der dich ohne jeden Grund herumschubsen wollte. Keinen Prinzen. Keinen Playboy-Prinzen. Keinen Ersatz-Prinzen, der im Notfall für den Kronprinzen einspringen könnte. Nur einen Mann, der dich herumkommandierte. Und als du dann wusstest, wer ich bin, wusstest du immer noch nicht, wie du mich behandeln solltest. Du hast mich nie Hoheit oder Sir oder Prinz genannt. Diese ganze Königsgeschichte hatte für dich keinerlei Bedeutung.“

    Lizzy umfasste ihre Tasse noch fester. „Es spielt keine Rolle, was ich dachte, Rico. Du warst dein ganzes Leben lang ein Prinz …“

    „Und was hat es mir gebracht?“, unterbrach er sie. „Hör mir zu, Lizzy. Ich bin dir gar nicht so unähnlich. Genau wie du war ich immer … nutzlos. Für deine Eltern war stets deine Schwester wichtig, für meine immer der Thronfolger. Ich war nur der Stellvertreter. Als ich im Palast unter Arrest stand, hatte ich jede Menge Zeit zum Nachdenken. Manchmal habe ich meinen Vater oder Luca bei offiziellen Anlässen vertreten, habe einige Versammlungen des Hohen Rates besucht und ein paar Dokumente unterzeichnet. Aber nie wurde ich wirklich gebraucht.“

    Mit einem Finger streifte er zärtlich über ihre Wange.

    „Du und Ben wart die ersten Menschen, die mich wirklich gebraucht haben“, sagte er. „So wie Ben deinem Leben einen Sinn gegeben hat. Und deshalb“, fuhr er sehr sanft mit dunkler werdender Stimme fort, „gehören wir zusammen.“

    Rico zog sie in seine Arme und drückte sie fest an sich. Ganz langsam stellte sie ihre Tasse auf den Tisch. Noch langsamer schmiegte sie sich in seine Umarmung und verbarg das Gesicht an seiner Schulter.

    „Du hast dir jedes Glück der Welt verdient. Sei glücklich, Lizzy. Mit mir. Von nun an und für den Rest unseres Lebens. Wir wissen aus eigener leidvoller Erfahrung, wie unsicher das Leben sein kann. Also sollten wir es mehr als alles andere genießen – solange wir können. Für Ben und für uns. Und vielleicht …“ Warm und zärtlich streichelte er über ihren Bauch. „Ben braucht eine Familie … Brüder und Schwestern.“

    Rico stand auf und zog Lizzy auf die Füße. Er küsste sie sanft. Dann ein zweites Mal nicht ganz so sanft.

    Als er sie wieder ansah, leuchteten seine Augen. Lizzys Herz machte einen Sprung. Das Leuchten verwandelte sich in ein Funkeln. Und das Funkeln brachte ihren letzten Widerstand zum Schmelzen.

    „Komm, Signora Ceraldi, Zeit fürs Bett. Ich will wissen, ob du wirklich nur auf meinen Titel aus warst.“

    Lizzy legte die Arme um seinen Nacken und drückte ihn fest an sich.

    „Prinz meines Herzens“, flüsterte sie. „Liebe meines Lebens. Geliebter Ehemann.“

    „Klingt gut“, entgegnete er. „Klingt sogar sehr gut.“

    Wieder küsste er sie, dann noch einmal.

    Und anschließend führte er sie nach oben zu dem Glück, das dort auf sie wartete.

 

EPILOG

Die Fotos, die Jean-Paul in der Villa gemacht hatte, gingen um die Welt. Ebenso die Story: Der Playboy-Prinz, der aus Liebe auf seinen Titel verzichtet.

    Und genauso war es mit den nächsten Bildern, die Jean-Paul von ihnen machte.

    Sie zeigten Signor und Signora Enrico Ceraldi gemeinsam mit ihrem Sohn Master Benedetto Ceraldi. Die Familie präsentierte sich in den Gärten ihrer beiden neuen Residenzen, der Villa Elisabetta im exklusiven Capo d’Angeli in Italien und vor dem renovierten Cottage in Cornwall, neben dessen Eingang zwei Surfbretter lehnten. Ein großes schnelles für Signor Ceraldi und ein kleineres für Master Benedetto. Das Brett der Signora war zurzeit eingelagert und wartete auf die Ankunft von Master Benedettos Brüderchen oder Schwesterchen. Signor Ceraldi hatte beschützend eine Hand auf den gerundeten Bauch der Signora gelegt, woraus zu schließen war, dass die Geburt unmittelbar bevorstehen musste.

    Master Benedetto saß vor seinen Eltern im Gras und attackierte ein heftig verteidigtes Fort aus Karton mit einer Armee bunter Ritter. Er lächelte.

    Es war das Lächeln eines glücklichen Kindes in einer glücklichen Familie.

    Dem größten Geschenk der Welt.

– Ende –


Vorheriger Artikel Die Schöne und der Bastard - Kapitel 1
Nächster Artikel Du sollst meine Prinzessin sein - Kapitel 11