Wie ein Traum aus 1001 Nacht – Kapitel 4

„Komm schon, Tally! Lass uns schnell machen!“

    Die späte Morgensonne brannte auf Maggie herunter, während sie Tallawantas ganzen Stolz zur Reitbahn führte. Die trockene Hitze erinnerte sie an australische Sommer, und auch der Geruch von Pferden, Heu und Staub war ihr vertraut.

    Darüber hinaus war hier in Shajehar alles anders. Die Ställe wirkten um einiges luxuriöser als in Australien. Der Scheich gab offensichtlich ein Vermögen für seine Pferde aus.

    Zu schade, dass er seinem Volk nicht die gleiche Aufmerksamkeit zukommen ließ. In den letzten Tagen war ihr aufgefallen, wie groß die Kluft zwischen Arm und Reich in diesem Land war. Direkt neben üblen Slums ragten extravagante Anwesen buchstäblich in den Himmel.

    Maggie hatte die Pferde von Tallawanta in ihre neue Heimat begleitet und war entzückt von dieser Chance gewesen, endlich eine weite Reise zu unternehmen. Und dann noch in dieses spezielle Land!

    „Wir sind gleich da, Tally“, flüsterte sie dem Tier zu, als die Stute plötzlich die Nüstern blähte und irritiert stehen blieb. Es war ein langer Flug für die Pferde gewesen, und nachdem sie nun ausgiebig von Veterinären untersucht worden waren, sollten sie endlich dem Scheich vorgeführt werden.

    Als Maggie den Platz betrat, sah sie sich automatisch nach einem vertrauten Gesicht in der Menge, die sich um die Absperrung versammelt hatte, um. Khalid. Seit einem Monat gingen ihr dieser Name und auch sein Gesicht nicht mehr als dem Kopf.

    In Australien hatte sie vergeblich versucht, sich mit Arbeit abzulenken, nachdem sie hörte, dass die Gäste aus Übersee überraschend das Gestüt verlassen hatten. Insgeheim hatte sie natürlich gehofft, die Nacht hätte ihm ebenfalls etwas bedeutet, obwohl das eher unwahrscheinlich war.

    Und im Augenblick konnte Khalid überall auf diesem Erdball sein, aber ganz sicher nicht ausgerechnet hier. Erhobenen Hauptes führte sie die Zuchtstute im Kreis und beobachtete aus dem Augenwinkel eine Gruppe von Neuankömmlingen, die an das Gatter traten und dort ihre Plätze einnahmen. Unter ihnen war eine hochgewachsene Gestalt, deren breite Schultern durch die weite Landestracht noch besser zur Geltung kamen.

    Das kann nicht sein! schoss es Maggie durch den Kopf, und ihr Magen krampfte sich zusammen. Khalid!

    Wenn er es tatsächlich war, würde er sich ihr zu erkennen geben oder so tun, als hätte er sie noch nie gesehen?

    Fassungslos biss sie sich auf die Unterlippe. Vielleicht erinnerte er sich auch gar nicht an ihre gemeinsame Nacht. Ein Mann mit seinem Aussehen und seinen Erfahrungen. Oder doch, denn schließlich kam es nicht alle Tage vor, dass man sich aus Mitleid auf eine verzweifelte, derangierte Frau einließ.

    Ein Schrei und lautes Wiehern unterbrachen ihre Mutmaßungen, und Maggie packte die Zügel fester, als Tally urplötzlich in ihre Richtung scheute und den Kopf nach oben riss. Maggie hatte das Gefühl, ihre Arme würden aus den Gelenken gezerrt, aber sie hatte genug Pferdeverstand, in dieser Situation richtig zu reagieren. Schon bald hatte sie die Stute wieder unter Kontrolle.

    Dasselbe konnte man von Diva nicht gerade behaupten. Aus dem Augenwinkel sah Maggie etwas Schwarzes in einer Staubwolke aufblitzen, als das Pferd unkontrolliert auf den Platz stob. Verflixt!

    Maggie war dagegen gewesen, Diva einem unerfahrenen Stallknecht anzuvertrauen. Die Stute war zu übermütig und energiegeladen für jemanden, der sie nicht kannte, aber der Gestütsverwalter hatte auf seine Entscheidung bestanden. Hoffentlich war er jetzt auch in der Lage, das wilde Pferd selbst wieder einzufangen.

    Die ungewohnte Umgebung tat ihr Übriges, und Diva war vollkommen außer sich. Sie rollte die Augen, bis das Weiße zu sehen war, und trat in alle möglichen Richtungen aus.

    Hastig bewegte Maggie sich auf den Zaun zu und reichte Tallys Zügel an einen ihr bekannten Pferdetrainer weiter. Sein erschrockener Blick folgte ihr, als sie sich geschickt auf das aufbäumende Pferd zubewegte. Ein Raunen ging durch die neugierige Zuschauermenge.

    Keine Sekunde lang ließ Maggie die Stute aus den Augen. Sie wusste genau, wie viel Kraft Diva hatte, und sprach deshalb unentwegt beruhigend auf das Tier ein.

    Diva erkannte die vertraute Stimme und bewegte die Ohren vor und zurück. Ihre Muskeln zuckten, und sie tänzelte nervös auf der Stelle. Von Zeit zu Zeit schlug sie in die Richtung aus, aus der eine Fahne von einem Zuschauer bewegt wurde.

    Dann ertönte ein kurzer scharfer Befehl auf Arabisch, und Maggie stellte erleichtert fest, dass das Publikum ein paar Schritte vom Zaun zurücktrat. Wenigstens bewies ein Zuschauer so viel Verstand, alle bedrohlichen Ablenkungen von dem Zuchtpferd fernzuhalten.

    Als Maggie Divas hängende Zügel beinahe zu fassen hatte, machte die Stute einen schnellen Satz zur Seite und warf Maggie dabei mit voller Wucht gegen den Bretterzaun. Sie prallte mit dem Rücken auf und spürte einen stechenden Schmerz an der Wirbelsäule.

    Diva trabte ein paar Schritte, und Maggie fiel schwer atmend auf Hände und Knie. Dann rappelte sie sich wieder auf und wandte sich dem Rappen zu. Um sie herum herrschte inzwischen Totenstille.

    Mit ausgestreckter Hand ging sie um die Stute herum, aber sie stellte fest, dass bereits jemand anders die Zügel ergriffen hatte und das Pferd festhielt.

    „Khalid!“

    Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie entdeckte, wer ihr dort zu Hilfe geeilt war. Er sah einfach hinreißend aus.

    Sein Gesichtsausdruck war unergründlich und sein Mund nicht mehr als eine schmale, grimmige Linie. Die Augen hatte er leicht zusammengekniffen, und sein Atem ging schwer. War er etwa wütend?

    Mit dem festen Griff eines erfahrenen Reiters hielt er das nervöse Pferd an seiner Seite, und Diva schien sich allmählich zu beruhigen.

    „Maggie“, begrüßte er sie knapp. „Du bist schon wieder auf den Beinen? Du solltest dich hinsetzen, bis du wieder richtig Luft bekommst.“

    Scheinbar dachte er nicht mehr über ihre gemeinsame Nacht nach, sondern bewegte sich ausschließlich im Hier und Jetzt. Eine ziemlich herbe Enttäuschung!

    „Mir geht es gut“, antwortete sie automatisch.

    „Das bleibt abzuwarten.“ Er wandte sich um und winkte einen Stallburschen heran, der daraufhin Diva vom Platz führte.

    „Hast du es zu deiner Gewohnheit gemacht, Frauen in Not zu retten?“, fragte sie heiser.

    Für den Bruchteil einer Sekunde befand sie sich wieder in Australien, in seinem Bett. Khalid beugte sich über sie, liebkoste ihren nackten Körper, und in seinen warmen Augen lag das Versprechen, ihr den Olymp der Lust zu Füßen zu legen.

    Erschrocken sah sie sich um, als ihr bewusst wurde, dass sie von zahlreichen Schaulustigen angestarrt wurden. Ihre Wangen färbten sich dunkelrot.

    „Was machst du hier?“, flüsterte sie so leise wie möglich.

    Er hob die Augenbrauen. „Ich sehe mir die Pferde an.“

    Natürlich hatte sein Erscheinen nichts mit ihr persönlich zu tun!

    „Wir müssen dich von einem Arzt untersuchen lassen“, fuhr er fort.

    „Das ist nicht nötig“, wehrte sie eilig ab.

    „Oh, doch. Wir nehmen in diesem Land unsere Verantwortung Besuchern gegenüber sehr ernst. Außerdem musst du fit sein, um deine Arbeit machen zu können.“

    „Sire.“ Ein Mann trat an sie heran. „Der angeforderte Arzt ist soeben eingetroffen.“

    Maggie gefiel nicht, wie viel Aufhebens um ihre Person gemacht wurde. Wieso war der Arzt überhaupt schon vor Ort? „Das ist echt übertrieben“, wetterte sie. „Ich brauche keinen Arzt.“

    „Lass den Mann seine Arbeit machen“, zischte Khalid so leise, dass nur sie ihn hören konnte. „Oder möchtest du es hier auf eine unschöne Szene ankommen lassen?“

    Sein herausfordernder Blick schüchterte sie etwas ein. Ergeben schüttelte sie den Kopf.

    „Kluges Mädchen.“

    Immerhin wurde sie ihn auf diese Weise vorerst los. Trotz der Nacht, die sie miteinander verbracht hatten, kam er ihr in dieser langen Robe wie ein völlig Fremder vor.

    Die medizinische Untersuchung lenkte sie für eine Weile von ihrer Grübelei ab. Der Arzt verbeugte sich tief vor Khalid, bevor er kurz prüfte, ob Maggie äußerliche Verletzungen hatte. Dann bedeutete er ihr, ihm zu folgen, und Maggie war froh, der gaffenden Menge endlich zu entkommen. Und hoffentlich sah sie Khalid so bald nicht wieder, denn er rief Gefühle in ihr wach, die sie lieber verdrängen wollte.

 

 

Khalid konnte sich die Gerüchte lebhaft vorstellen, die seine Rettungsaktion ausgelöst haben musste. Er und eine graziöse, weibliche australische Stallkraft.

    Er hatte sich bereits als unkonventioneller Herrscher einen Namen gemacht, der seine Position um einiges ernster nahm, als sein Vater oder sein Halbbruder es getan hatten. Und jetzt würde man sich fragen, ob er zumindest die Vorliebe für schöne Frauen mit seinen Vorgängern teilte. Sollten sie nur spekulieren …

    Ihm war fast das Herz stehen geblieben, als er Maggies Unfall beobachtete. Dabei hatte sie selbst keinerlei Angst gezeigt, trotz ihrer Schmerzen. Er bewunderte sie glühend dafür.

    Jetzt war es vier Wochen her, dass er mit dieser Frau geschlafen hatte, doch das Gefühl, zwischen ihnen wäre etwas Besonderes, wurde er nicht los. Vielleicht war es nur die Tatsache, dass er sich nicht mehr mit ihr aussprechen konnte, weil sie ihn ohne ein Wort des Abschieds verlassen hatte?

    Khalid Bin Shareef war nicht daran gewöhnt, von irgendjemandem abserviert zu werden. Trotz seiner modernen Erziehung hatte er eine ganze Reihe willensstarker, arroganter Vorfahren, die sich grundsätzlich genommen hatten, was sie begehrten.

    Sein Puls ging schneller, als er energisch an die Tür zum Untersuchungszimmer klopfte. Er wartete nur einen kurzen Moment, dann trat er unaufgefordert ein.

    Maggie saß aufrecht in einem Sessel. Doch es wunderte ihn nicht, dass sie sich nach dem heftigen Zusammenstoß mit einem ausgewachsenen Pferd nicht einmal hinlegte.

    Ihr hellbraunes Haar fiel locker um ihre Schultern, und obwohl Maggie schmutzig war und ein paar Schrammen abbekommen hatte, wirkte sie auf Khalid unbeschreiblich anziehend. Möglicherweise weil er genau wusste, wie die reizenden rosa Spitzen ihrer Brüste unter dem dünnen T-Shirt von Nahem aussahen.

    Daran wollte er nicht denken! Seine unbändige Lust auf Maggie machte die Dinge zwischen ihnen nicht gerade leichter. Wie sehr hatte er sich gewünscht, dass ihr Anblick, wenn sie in sein Land kam, nicht das geringste Verlangen in ihm auslösen würde. Doch stattdessen gingen ihm unentwegt Bilder ihrer gemeinsamen Nacht durch den Kopf, und zu allem Überfluss war da noch diese merkwürdige Magie, wenn er an Maggie dachte …

    „Was tust du hier?“, fragte sie scharf und spähte an ihm vorbei, in der Hoffnung, der Arzt würde endlich zurückkehren.

    „Hallo, Maggie. Schön, dich zu sehen“, entgegnete er grimmig. „Was sagt der Arzt?“

    „Mir geht es blendend. Ich werde bald wieder im Stall sein.“ Sie zuckte die Achseln. „Er macht nur noch ein paar Tests.“

    „Du bist damals ohne ein Wort verschwunden“, begann er. „Wieso?“

    Entgeistert starrte sie ihn an und fragte sich im Stillen, wo sie anfangen sollte. Dieser Mann war ganz offensichtlich prominent, und sie hatte nicht das Geringste mit ihm gemeinsam. Er war einflussreich und wohlhabend und hatte sich aus Mitleid mit ihr abgegeben, als es ihr schlecht ging. Am besten vergaßen sie beide diese Nacht.

    Sie straffte die Schultern. „Wir hatten doch nichts mehr zu besprechen.“

    Khalid schnappte hörbar nach Luft.

    „Nicht einmal die Tatsache, dass du noch Jungfrau warst, als du dich mir hingegeben hast?“

    Jetzt rang sie nach Luft. „Na und?“

    „Denkst du, ich hätte nicht gern erfahren, ob es dir damit gut geht?“

    „Warum sollte es mir nicht gut gehen? Schließlich war es doch nur Sex!“ Sie errötete.

    „Nur Sex“, wiederholte er abfällig, und seine Augen wurden schmal. Dann schüttelte er den Kopf. „Wir wissen doch beide, dass es mehr war als das.“ Die Atmosphäre zwischen ihnen schien zu knistern. „Du hast dich bewusst aufgespart.“

    Sie schüttelte langsam den Kopf. „Selbst wenn es so wäre, tut das doch nichts zur Sache. Ich hatte mich eben in einem Mann bitter getäuscht.“

    Die Nacht mit Khalid hatte ihr wenigstens eines bewiesen: Sie hatte sich auch in ihren Gefühlen für Marcus gehörig getäuscht. Maggie hatte lediglich die Vorstellung geliebt, verliebt zu sein. Aber die unbändige Lust, in die Khalid sie eingeführt hatte, machte sie nun stärker und klüger. Sie hatte ihre naiven Fantasien ein für alle Mal begraben.

    „Liebst du ihn noch?“, wollte er wissen.

    Sie schüttelte den Kopf und sah trübsinnig aus dem Fenster. „Ich glaube nicht, dass ich es je getan habe.“

    Zum Glück rettete sie das Erscheinen des Arztes vor weiteren Erklärungen.

    „Sire.“ Abrupt blieb der Mediziner stehen. „Verzeihen Sie, bitte! Soll ich später wiederkommen?“

    „Nein, nein.“ Khalid winkte ab. „Ich bin sicher, Miss Lewis möchte so schnell wie möglich ihre Ergebnisse wissen.“

    „Natürlich.“ Der andere Mann ignorierte Maggies düsteren Gesichtsausdruck und setzte seinerseits eine ernste Miene auf.

    „Stimmt etwas nicht?“, fragte sie irritiert. Als der Arzt zögerte, war Maggie mit ihrer Geduld am Ende. „Nun sagen Sie schon! Es macht mir nichts aus, dass wir nicht allein sind!“

    Umständlich räusperte sich der Arzt und setzte sich auf einen Stuhl. Sein Unbehagen war ihm deutlich anzumerken. „Sie sind bei bester Gesundheit, Miss Lewis“, begann er förmlich und machte eine Pause. „Aber sind Sie sich darüber im Klaren, dass Sie ein Kind unter dem Herzen tragen?“

    Endlose Sekunden lang herrschte betroffenes Schweigen.

    „Aber … das ist doch unmöglich“, keuchte Maggie schließlich. „Sind Sie sich ganz sicher?“

    Khalid kannte Aziz gut genug, um seine Diagnose nicht anzuzweifeln. Seine Gedanken überschlugen sich. Konnte Maggie sich in den letzten Wochen mit einem anderen Mann eingelassen haben? Nein, das war äußerst unwahrscheinlich. Obendrein ertrug er nicht einmal die bloße Vorstellung, sie mit einem anderen Mann im Bett zu sehen. Es verursachte ein unangenehmes Ziehen in seiner Brust, und Khalid atmete ein paar Mal tief durch.

    „Ich versichere Ihnen, Miss Lewis, der Test ist definitiv positiv ausgefallen. Herzlichen Glückwunsch.“

    Schwanger! schoss es ihr durch den Kopf. Das darf nicht wahr sein!

    Auch Khalid hatte Schwierigkeiten, sich mit dieser Neuigkeit anzufreunden. Vor acht Jahren war sein Privatleben in Stücke gerissen worden, und seitdem hatte er nicht einmal im Entferntesten an derartige Komplikationen gedacht. Ein Kind bedeutete … Emotionen. Liebe.

    Er biss fest die Zähne aufeinander. Diesen Weg wollte er niemals wieder einschlagen. Jahrelang hatte er an einem Schutzwall gebaut, der jede Irritation von seinem Herzen abhalten sollte. Nur das gab ihm die Sicherheit weiterzuleben.

    Wie durch einen Schleier sah er Maggie, die sich an den Lehnen ihres Sessels festkrallte, bis ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Ihre grünbraunen Augen wirkten wieder einmal übergroß in ihrem blassen Gesicht, und die Unterlippe zitterte leicht.

    Sie brauchte jetzt seine Unterstützung. Sie brauchte ihn. Spontan ging er zum Waschbecken hinüber und füllte einen Becher mit Wasser.

    „Hier. Trink das!“, sagte er leise.

    Es dauerte einen Moment, bis sie zu ihm aufsah. Mit zitternden Händen nahm sie den Becher entgegen.

    Khalid traf sein Beschützerinstinkt mit voller Wucht. Oder waren es Schuldgefühle?

    Shahina hatte sich immer ein Baby gewünscht. Als sie erfahren musste, dass sie niemals eigene Kinder haben würde, hatte es Khalid fast das Herz gebrochen. Trotzdem erfüllte ihn die Vorstellung, dass etwas von ihm in Maggie zu neuem Leben heranwuchs, mit Stolz und Freude.

    „Aber wir waren doch vorsichtig“, stammelte Maggie.

    Aziz schüttelte verständnisvoll den Kopf. „Kein Verhütungsmittel verspricht einen hundertprozentigen Schutz, Miss Lewis. Die Natur findet einen Weg, ganz gleich, wie sehr wir sie zu kontrollieren versuchen.“

    Zweifellos wollte dieses Kind unbedingt leben. Jedenfalls war das Khalids romantische Idee von dieser Empfängnis. Und er wollte dieses Kind!

    „Sie müssen sich jetzt erst einmal ausruhen“, fuhr Aziz fort. „Ihrem Baby geht es gut, und wir werden den Schwangerschaftsverlauf natürlich streng überwachen. Über vorsorgliche Maßnahmen wie die richtigen Vitamine und ein paar Ernährungstipps können wir später noch sprechen.“

    „Aber ich werde nur für kurze Zeit hier sein, um die Pferde an ihre neue Heimat zu gewöhnen.“

    Ratlos sah der Arzt Khalid an, und Khalid wurde klar, dass Aziz die Beziehung zwischen seinem Scheich und der jungen Australierin einzuschätzen versuchte.

    „Dr. Aziz wird morgen noch einmal nach dir sehen“, sagte Khalid zu Maggie. „Bis dahin werden sich bestimmt eine Reihe von Fragen ergeben haben. Was deinen Aufenthalt in Shajehar angeht, handelt es sich offenbar um ein Missverständnis. Deine Anwesenheit hier wird über einen längeren Zeitraum benötigt.“

    „Aber mein Visum ist doch …“

    „Es wird ein neues beantragt. Zerbrich dir darüber nicht den Kopf.“

 

Völlig in Gedanken versunken trank Maggie ihr Wasser, während Khalid sich von Aziz verabschiedete.

    Ihr Herz raste vor Panik, und sie konnte es immer noch kaum fassen. Schwanger. Wie sollte sie damit fertig werden? Sie wusste praktisch nichts über Babys, sondern hatte bisher dank ihres Vaters ein sehr einsames, abgeschiedenes Leben geführt. Sie war vollkommen unvorbereitet, unerfahren und auf sich allein gestellt.

    Auch finanziell würden sich Probleme ergeben. Ihre Pläne für ein Studium konnte sie ebenfalls vergessen, aber trotzdem flackerten Hoffnung und ein ungeahntes Glücksgefühl in ihrem Herzen auf. Es würde eine harte Zeit voller Arbeit und Entbehrungen werden, doch im Gegenzug hatte sie ihre eigene kleine Familie, für die sie sorgen und die sie lieben konnte.

    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, und ihre Augen leuchteten auf. Es war vielleicht verrückt, aber auch herrlich aufregend.

    „Freust du dich über das Baby?“, erkundigte Khalid sich sanft, nachdem er die Tür hinter dem Arzt geschlossen hatte.

    „Es ist so überwältigend“, murmelte sie und sah ihm direkt in die Augen. Ob das Baby seinen dunklen Blick erben würde? Ihr gemeinsames Baby! Es war schlichtweg unglaublich.

    „Du bist doch nicht fest mit jemandem zusammen, oder?“, fragte sie plötzlich erschrocken.

    „Nein“, antwortete er knapp und lächelte dann. „Warum? Bist du selbst interessiert?“

    „Natürlich nicht! Ich möchte nur niemandem irgendwelche Schwierigkeiten machen.“ Sie dachte einen Moment nach. „Andererseits ist das ja gar nicht so wichtig. Es muss ja ohnehin kein Mensch erfahren.“

    Sofort runzelte er die Stirn. „Willst du damit sagen, du denkst an eine Abtreibung?“

    Seine unverhohlene Wut erschreckte sie. „Nein. Wie kommst du nur auf so etwas?“

    „Ich kenne dich kaum“, erwiderte er mit bebender Stimme.

    „Glaube mir, nichts könnte mich dazu bringen, auf mein Kind zu verzichten.“ Schützend legte sie eine Hand auf ihren Unterleib. „Ich will dieses Kind unbedingt.“

    Gern hätte sie „unser Kind“ gesagt, aber das wollte ihr nicht über die Lippen kommen, solange Khalid sie derart feindselig betrachtete. Dieser Mann, in dessen Armen sie das Paradies gefunden hatte.

    „Warum willst du es?“

    Überrascht sah sie ihn an. „Ich glaube nicht an ungewollte Kinder. Jedes Baby hat das Recht darauf, gewollt und geliebt zu werden.“ Es war schlimm genug, dass sie ihr eigenes Leben in dem Bewusstsein verbracht hatte, unerwünscht zu sein. So ein Schicksal sollte niemand erleiden müssen. „Ich werde dafür sorgen, dass mein Kind sich bedingungslos geliebt fühlt“, schloss sie mit fester Stimme.

    „Das liegt nicht in deiner Verantwortung.“

    „Wie bitte?“ Seine Worte machten keinen Sinn, trotzdem war Maggie zutiefst beunruhigt.

    „Es liegt in unserer“, stellte er klar.

    Sie wusste zwar nicht, wen genau er damit meinte, aber in jedem Fall würde es aufgrund der Entfernung für Khalid schwierig werden, seine Vaterrolle auszufüllen. „Das würde nicht funktionieren“, überlegte sie laut.

    Mit zwei schnellen Schritten war Khalid bei ihr und legte seine Hände an ihre Wangen. Sein Ärger schien verflogen zu sein, und er betrachtete eindringlich ihr Gesicht. „Nichts ist unmöglich, Maggie.“

    Dieser Stimmungswechsel riss ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Wie sehr hatte sie sich nach seiner Nähe und seiner Wärme gesehnt?

    „Wir werden einen Weg finden“, raunte er, und Maggie ließ sich innerlich von seiner Stärke und Entschlossenheit stützen. Irgendwie hatte Khalid die Fähigkeit, bei ihr Schwächen aufzudecken, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte. Es war ein Gefühl, als wäre sie nicht vollständig ohne ihn.

    Khalid konnte ihr auf eine Art gefährlich werden, die sie gerade erst zu begreifen begann. Sie musste ihm widerstehen und rational über ihre Situation nachdenken. Zu viel stand auf dem Spiel: nicht nur ihre eigene Würde, sondern auch ein unschuldiges neues Leben.

    Sie entzog sich ihm, und Khalid ließ beide Hände sinken. Sofort vermisste sie seine Wärme auf ihrer Haut.

    „So einfach ist das aber nicht“, argumentierte sie.

    „Vielleicht erklärst du mir erst mal, warum es dir nicht passt, dass ich Verantwortung für mein Kind übernehmen will?“, verlangte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

    Maggie wandte sich ab. Sie durfte ihn nicht ständig hingerissen anstarren, das brachte keinen von ihnen weiter.

    „Ist es, weil ich nicht aus deiner Heimat stamme? Weil ich ein Fremder für dich bin?“

    „Nein, damit hat das gar nichts zu tun“, versicherte sie ihm schnell. Wie sollte sie ihm klarmachen, dass sie in komplett verschiedenen Welten lebten, ohne dass es anbiedernd klang? „Na, du lebst hier, und ich lebe in Australien.“

    „Nicht unbedingt.“

    „Bitte?“

    „Wir müssen nicht getrennt leben. Um unseres Kindes willen wäre es eine vernünftige Entscheidung, hier zusammen zu sein.“

    „Zusammen?“, wiederholte sie in einer viel zu hohen Tonlage. Ihr Puls beschleunigte sich, als sie sich vorstellte, was dieses Wort alles beinhalten konnte. „Das geht nicht. Ich muss wieder nach Hause.“

    „Vielleicht kann ich dich zum Bleiben überreden.“ Er zog vielsagend eine Augenbraue hoch. „Es wäre das Beste für das Baby.“

    Erschrocken stellte sie fest, wie Khalid mit der kleinsten Geste ein erotisierendes Feuer in ihr entzünden konnte, dem sie hilflos erlegen war. Und genau diese Hilflosigkeit machte sie wütend.

    „Du glaubst zu wissen, was das Beste für dieses Baby ist? Bist du plötzlich Experte, oder wie soll ich das verstehen?“

    Es fiel Khalid sichtbar schwer, sein Temperament zu zügeln. „Ich halte mich ganz bestimmt nicht für einen Experten, Maggie.“ Seine Stimme klang leise und ruhig. „Ich finde nur, unser Kind hat es verdient, von beiden Eltern gleichermaßen geliebt zu werden.“

    Diese Bemerkung traf sie trotz ihrer Ängste buchstäblich mitten in die Seele. Was wusste sie schon über elterliche Liebe? Davon hatte sie selbst herzlich wenig erfahren.

    Hatte das etwa zur Folge, dass sie eine schlechte Mutter sein würde? Aber ein so instinktloses Verhalten war doch sicherlich nicht vererbbar? Bestimmt würde Maggie nach all ihrer schlechten Erfahrung erst recht keine Mühe und Anstrengung scheuen, als Mutter über sich hinauszuwachsen.

    „Maggie, was ist denn los?“

    Besorgt betrachtete Khalid ihren verstörten Gesichtsausdruck. Plötzlich war ihr der Raum um sie herum viel zu klein. Sie war es gewohnt, den Großteil ihrer Zeit unter freiem Himmel zu verbringen.

    „Das können wir später alles besprechen“, verkündete sie abrupt. „Ich muss zurück zu den Ställen.“ Mit diesen Worten versuchte sie, sich an Khalid vorbeizudrängen, doch der rührte sich keinen Millimeter. Seiner Miene nach zu urteilen, war er mit ihrem Plan ganz und gar nicht einverstanden.

    „Sieh mal“, begann sie etwas defensiver. „Es gibt bestimmt eine Menge zu regeln. Ich will dir ja auch nicht ausweichen. Aber können wir das nicht später in privater Atmosphäre machen? Außerdem bin ich lange genug weg gewesen. Mein Boss wird mächtig sauer, wenn ich nicht bald in den Stall zurückkomme. Du kennst den Stallmeister nicht. Er ist …“

    „Niemand, um den du dir Gedanken machen müsstest“, vollendete er und griff lächelnd nach ihrem Arm, um sie aus dem Zimmer zu führen. „Wie ich feststelle, sind dir die letzten Neuigkeiten entgangen. Du hast keine Ahnung, wer ich bin, oder?“

    „Dein Name ist Khalid, und du bist ein Gesandter des Scheichs“, antwortete sie verwundert.

    „Das war ich“, korrigierte er. „Mein Status hat sich geändert. Vor vier Wochen wurde ich der Scheich von Shajehar. Du bist Ehrengast in meinem Palast, in meinem Land.“

 

Schweigend saß Maggie in dem herrlich geschmückten Gartenpavillon, während Bedienstete Erfrischungen servierten. Khalid unterhielt sich kurz mit einem Mann, der einen extrem teuren Anzug trug und dem Scheich offensichtlich eine wichtige Nachricht übermittelte.

    Noch immer konnte sie es kaum fassen, dass Khalid tatsächlich die Thronfolge angetreten hatte. Der Mann, der sie vor wenigen Wochen zärtlich und leidenschaftlich geliebt hatte, der sie rettete und sich um sie kümmerte, regierte ein ganzes Land!

    „Entschuldige, Maggie. Mein Kanzler hatte ein paar dringende Anliegen, um die ich mich umgehend kümmern musste.“

    „Schon gut.“ Sie nickte unsicher und fühlte sich vollkommen fehl am Platze. Maggie wusste nicht, was ein Kanzler hier für eine Funktion hatte, ganz zu schweigen von einem Monarchen. Der opulente Luxus um sie herum war gleichzeitig überwältigend und beängstigend.

    Den vorherigen Scheich von Shajehar hatte Maggie nie kennengelernt, aber sein Reichtum und seine Macht mussten legendär gewesen sein. Seine Herrschaft hatte man als diktatorisch bezeichnen können. Und jetzt hielt Khalid das Zepter in der Hand.

    Und sie bekam ein Kind von ihm. Von einem Mann, der sich alles auf dieser Welt kaufen konnte, dessen Wort in diesem Land Gesetz war. Dieser Gedanke war erschreckend. War er imstande, ihr das gemeinsame Baby wegzunehmen, wenn er es darauf anlegte?

    „Ich werde mein Kind niemals aufgeben“, sagte sie mit Nachdruck.

    „Das verlangt auch keiner von dir, Maggie.“

    „Gut.“ Sie war erleichtert, wollte sich aber keinesfalls entschuldigen. „Ich fand nur, das solltest du von vornherein wissen.“

    Khalid nickte. „Du solltest ebenfalls wissen, dass ich mich nicht von diesem Kind trennen lasse. Aber du hast vor mir nichts zu befürchten, Maggie. Ich bin ein zivilisierter Mann.“

    „Der gleichzeitig in der Lage ist, die besten Anwälte auf diesem Erdball für die Durchsetzung seiner Interessen zu verpflichten“, wandte sie ein.

    „So etwas ist nicht meine Art!“, wehrte er sich. „Ich habe nicht erwartet, Scheich zu werden, und ich habe mich auch nicht darum gerissen. Der Kelch wäre an mir vorübergegangen, hätte mein Halbbruder einen Sohn gezeugt.“

    „Es tut mir leid wegen deines Bruders.“

    Überrascht legte er den Kopf schief, während sie offenbar nach den richtigen Worten suchte.

    „Natürlich werde ich meiner Verantwortung gerecht werden“, fuhr er etwas unbeholfen fort. „In diesem Land gibt es viel zu tun. Seitdem unsere Ölvorkommen entdeckt wurden, haben sich die Landesväter leider darauf beschränkt, den Reichtum des Landes zu vergrößern, anstatt sich um das Volk zu kümmern. Meine Aufgabe ist es, diese jahrelange Vernachlässigung wiedergutzumachen. Schadensbegrenzung zu betreiben. Das ist eine Lebensaufgabe.“

    Langsam verstand sie die Umstände, die Khalid zu einem Ehrenmann mit Pflichtbewusstsein machten. „Und unser Baby betrachtest du auch als eine deiner vielen Verantwortungen?“

    „Es ist unser beider Verantwortung“, stellte er richtig. „Deshalb müssen wir zusammen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Und meiner Meinung nach gibt es nur eine sinnvolle Lösung für unsere Probleme.“

    Ihr Blick wurde starr, und das Herz klopfte ihr bis zum Hals. „Ach ja?“

    „Ja.“ Er verzog den Mund zu einem zufriedenen Lächeln. „Wir werden so schnell wie möglich heiraten.“

 


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